Die unerträgliche Schwere des Sterbens von SnoopFroggyFrog ================================================================================ Kapitel 6: Treue und Verrat --------------------------- Grübelnd drehte sie sich im Kreis und besah sich das Zimmer erneut. Es war recht groß, nicht übermäßig, aber doch schon etwas platzbietender als ihr Zimmer zuhause. Oh, auch hier lag der Staub dicht und es würde sie einiges an Arbeit kosten, das zu korrigieren, ohne die Krabbenmilben aufzuhetzen. (Sie war sich nicht sicher, ob sie wirklich an deren Existenz glauben sollte, standen sie doch in keinem ihrer Schul- oder einem der von ihr bisher verschlungenen Bibliotheksbücher, andererseits zweifelte sie auch nicht daran, dass ein so mächtiger und überdies intelligenter Magier wie Du-weißt-schon-wer sich Wissen aneignen konnte, an das andere Magier im Traum kaum zu denken sich trauten.) Müde setzte sie sich auf das Bett, nachdem sie die Decke einmal kräftig ausgeschüttelt hatte, dann lehnte sie sich zurück, auf die Ellenbogen gestützt, und dachte nach. Es war ja eigentlich ganz einfach. Du-weißt-schon-wer wollte Harry. Sie wollte ihre Eltern. Sie brauchte sich nur zu weigern, ihm zu helfen. Noch als sie das dachte wurde ihr klar, wie albern der Gedanke war. Wenn sie sich weigerte, dann würde er ihre Eltern töten, schön langsam und gewiss noch vor ihren Augen. Das war der Dunkle Lord, das wussten alle. Andererseits, wenn sie ihm half, dann würde einer ihrer zwei besten Freunde sterben müssen, sie selbst wäre eine Verräterin und müsste auf der Seite von Voldemort verbleiben, um nicht nur zu überleben, sondern allgemein zu irgendetwas eine Chance zu haben. Ihm helfen? Wie denn überhaupt? Sollte sie Harry zu ihm locken? Hatte er die Fährte bereits ausgelegt und Harry gesteckt, wohin er seine beste Freundin verschleppt hatte, damit er rasend vor Wut die Tür eintrat und direkt in einen Avada Kedavra lief? Oh, Harry... Tränen formten sich in ihren Augen und sie blinzelte sie energisch weg. Weinen war keine Lösung. Sie hatte noch das Wochenende, also zwei Tage, und Sonntagabend würde er dann wohl eine Entscheidung von ihr verlangen. Gegen ihn und sterben, für ihn und leben. Unter anderen Umständen hätte sie stolz den ehrenhaften Tod gewählt, aber das hier war etwas anderes. Nicht nur ihr Leben stand hier auf dem Spiel, auch das ihrer Eltern, Adoptiveltern, was auch immer sie jetzt für sie waren. Sie konnte nicht für anderer Leute Leben eine Entscheidung treffen. Selbst sterben, keine Frage, die Variante wählte sie jederzeit, wenn es notwendig war. Nur ihren Eltern konnte sie das nicht abverlangen. Die beiden gehörten doch nicht einmal in die magische Welt und da dachte sie auch nur flüchtig daran, mit ihrem Gryffindormut das Ende der Familie Granger zu besiegeln? Nein, das hatten ihre Eltern nicht verdient! Völlig erledigt ließ sie sich auf den Rücken fallen und starrte zur Decke. Sie war dunkler als der Boden, mit einigen schweren Balken, die von Wand zu Wand gingen, und fremdartigen Schatten, die zwischen ihnen hin- und herkrochen. War das ihre Einbildung oder gab es solche Wesen tatsächlich? Nach einem Tag wie diesem bezweifelte sie fast gar nichts mehr. Abgesehen von Wahrsagen, auch, wenn dieses eine Buch den ungeliebten Magiezweig erstaunlich professionell hatte klingen lassen. Gerne wollte sie darin weiterlesen, wenn auch nur, um herauszufinden, ob es letzten Endes ihre Ansichten umkrempeln würde, doch blieb die Frage, ob er ihr das gestatten würde. Was hatte er gesagt? Sie solle nicht zu lange darin lesen. Wegen des Inhalts oder womöglich, weil es verzaubert war... Ach, Hermione, dachte sie bitter. Du bist ein kleines, dummes Mädchen. Interpretiere nicht zu viel in das, was er sagt und versuch besser auch nicht, seine Worte zu analysieren, du hast eh genügend Probleme. Denk besser mal darüber nach, wie du die Sache jetzt angehen musst. Sie wälzte sich auf den Bauch und vergrub das Gesicht im Kopfkissen. Immerhin hatte sie sich wohl entschieden: Sie würde nun auf seiner Seite sein... sein müssen. Er hatte allerdings nicht gesagt, das sie keine Bedingungen stellen dürfte und in ihr brannte die Sehnsucht danach, herauszufinden, was das größere Geheimnis war; die Identität ihrer Mutter oder die Geschehnisse, die dazu geführt hatten, dass sie den Grangers untergeschoben worden war. Beides wollte sie gerne wissen und mit etwas Umsicht wäre sie sicher in der Lage, ihm wenigstens Hinweise zu entlocken. Aber was dann? Dann würde er Harry töten wollen. Sie würde helfen müssen, einen Freund, einen ihrer beiden besten Freunde, zu töten. Ein Zittern überlief sie und sie presste die Augen zusammen, in der Hoffnung, dann würde alles wieder wie zuvor werden, sie wäre zuhause und in ihrem Zimmer, müde von einem Tagesausflug in ein Museum oder zu einer zum ersten Mal besuchten Sehenswürdigkeit oder einem Besuch bei den Großeltern, und ihre Eltern würden noch im Wohnzimmer sitzen, ein Glas Wein trinken und dann bald zu Bett gehen... Tränen krochen langsam durch den Spalt zwischen ihren geschlossenen Lidern und tropften dann über ihr Gesicht auf das Kissen, als ihr bewusst wurde, dass es nie wieder so werden würde wie früher. Während sie weinte übermannte sie der Schlaf und ihre Träume waren voller riesiger Krabben, die staubige Gläser nach ihr warfen, und Voldemort, der es Tarotkarten regnen ließ und mit einem träumerischen Blick in eine Kristallkugel erklärte, sie müsse sich entscheiden, ob sie Harry Potter oder William Shakespeare heiraten wolle. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)