Die unerträgliche Schwere des Sterbens von SnoopFroggyFrog ================================================================================ Kapitel 4: Unverstandene Wörter, Erster Teil -------------------------------------------- Tatsache ist, Hermione hatte große Angst vor der Tatsache, unter demselben Dach, in demselben Raum wie Lord Voldemort zu sein, sehr große Angst. Zur selben Zeit allerdings, sogar ungeachtet der jüngsten Erkenntnisse, fühlte sie sich merkwürdig verstanden und fasziniert zugleich. Sie hatte sich immer anders gefühlt; erst als magisches Kind unter nichtmagischen Kindern, ohne Wissen darüber, was mit ihr los war, dann als magisches Kind unter magischen Kindern, denen sie merkwürdig erschien, für die sie eine Streberin war. Lavender und Parvati hatten es nicht bemerkt, doch sie hatte gehört, was sie über sie tuschelten: Einsiedlerkrebs. Bücherwurm. Menschenscheu. Arrogant. Stur. Anders. Diese Andersartigkeit, die von Anfang an einen Teil ihres Lebens auszumachen schien, sah sie dann auf einmal in dem Mann, der das größte Übel der Zaubererwelt war, und es verdrängte die Angst zu einem guten Teil. Das Gefühl, jemanden gefunden zu haben, der wusste, wie es ihr ging und was sie fühlte, selbst, wenn sie sich das nur einbildete, war tröstlich, und so öffnete sie sich der Idee, ausgerechnet ihn als Vater zu haben, zumindest ein wenig. Um bei einem Gleichdenkenden zu sein – und einem Rätsel. Alles war nun ein Rätsel. Wer war ihre Mutter? Weshalb war sie nicht bei ihrer eigentlichen Familie aufgewachsen? Wie kam es, dass sie nicht in der Lage war, mit Schlangen zu sprechen, wenn er und sein ganzer Stammbaum diese Fähigkeit besaßen? Was würde nun passieren? Fragen waren schon immer ihr Steckenpferd gewesen. Als sie vier Jahre alt war hatte sie ihre Mutter einmal gefragt „Mummy, warum ist die Erde rund?“ und die völlig überforderte Mrs Granger, die von Astronomie und Physik überhaupt wirklich rein gar nichts verstand, ging mit ihr in die nächstgelegene Bibliothek, um dort nachzuschlagen, warum die Erde rund war. Dies war Hermiones erste Begegnung mit einem Buch außerhalb ihres Zuhauses. Später stellte sie ihre Fragen nicht mehr ihren Eltern oder den wenigen, gelegentlichen Freunden in ihrem Leben oder ihren Großeltern. Sie stellte sie den Büchern und immer fand sie Antworten. Den Grund dafür, dass es schädlich war, nach ewiger Jugend zu streben, erfuhr sie mit Acht. Warum die Menschen einst auf Kreuzzüge gegangen waren, wie frühere Könige England regiert hatten, weshalb man Brot und Kuchen nicht verwechseln sollte und wo die armen Menschen der Gesellschaft in vielen Jahrtausenden landen würden; all das erfuhr sie aus Büchern und es war eine Welt, in der sie sich wohlfühlte und auskannte. Menschen, mit denen kannte sie sich nicht aus. Sie wusste nicht, warum Harry so ein Raufbold war und wie man ihn ermahnte, etwas zu unterlassen, sodass er es auch befolgte. Warum Ron so viel aß, Ginny sich schüchtern in der Masse versteckte, niemand gerne mit ihr, Hermione, redete, darüber wusste sie nichts. Wenn ein Mensch las und wenn sie mit einem Menschen über Bücher sprach, dann konnte sie sich sicher fühlen, geborgen, denn dort war ihr Territorium, ihr portatives Vaterland, stetig anwachsend in ihrem kleinen Mädchenschädel, der sich vorstellte, beim Wechsel zwischen zwei Gedanken eine Seite im Gehirn umzublättern. Hermione hatte sich gefürchtet und sie hatte sich durch Bücher wieder beruhigen lassen. Bald darauf musste sie sich erneut fürchten, nur, um dann festzustellen, dass die Welt der Bücher auch in dem Mann existierte, der ihr Vater sein sollte, und auf einer Woge von Sicherheit schwebte sie hinauf in den Anzug eines Verhaltens, den sie nur in Gegenwart von Büchern und Büchermenschen anlegen konnte, um dort den Weg zu einem so ausgelassenen Lachen zu finden, wie sie es sonst nur mit Harry und Ron kannte. Instinktiv wusste sie, dass sie an der Seite dieses Mannes sicher war. War es eine Seelenverwandtschaft? Nein, das gewiss nicht. Hermione war jung, gerade fünfzehn Jahre, und nicht nur voller naiver Vorstellungen von der Welt, die sie durch den ausschließlichen Kontakt mit der Welt durch Papier stetig nährte, sondern auch unerfahren und unausgereift in der Person, die sich aufteilte in die Frau, die sie werden wollte, und der Mensch, zu dem sie werden würde, und die noch nahe beieinander liefen, aus Unwohlsein im Angesicht der Einsamkeit. Einsam war Hermione, auch wenn sie zwischen Menschen war und waren es auch ihre beiden besten Freunde. In ihrem Kopf war sie die Einsame und zuallererst sie, und es stimmte ja auch, war sie doch die Einzige in ihren Gedanken. Einsamkeit gehörte zu ihr und sie war sich sicher, wie sie sich anfühlte, was sie war. Die Überzeugung, an der Seite eines weniger einsamen Menschen zu gehen, der, wenn schon einsam, dann auch damit zufrieden war, und der sie aus der ihr eigenen Einzelexistenz, aus ihrer Isolation herauszuholen vermögen würde. So kam es, dass sie sich auf ihrem Weg zu dem Ort, wo er ihre Eltern, nein, Adoptiveltern, untergebracht hatte, sehnlichst wünschte, ihre noch ein wenig kleine Hand, die noch kaum der Kindheit entwachsen und in die ersten Schuhe der Pubertät geschlüpft war, in seine große, bleiche, spinnenartige Hand zu legen, von der sie sich Geborgenheit welcher Art auch immer versprach. Noch tat sie es nicht. Schüchternheit war kein vordringlicher Charakterzug an ihr, doch völlig frei davon lebte sie dennoch nicht. Beide schwiegen auf dem Weg, der Hermione wie eine kleine Ewigkeit vorkam, als müsste sie am Mond vorbei und dann immer Richtung Neverland, wo sie langsam aber sicher die Erinnerungen an ihre Familie verlieren würde. Während sie über die nunmehrige Bedeutung von Familie für sich nachsann durchquerten sie dunkle Korridore, auf streng separierte Weise in erstmaliger Eintracht als Vater und Tochter. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)