Once upon a time... von Vienne (Als wäre es erst gestern gewesen...) ================================================================================ Kapitel 2: If you stay ---------------------- Die Sonne stand am Himmel und warf ihre spärlichen Strahlen durch die breite Fensterfront des Klassenzimmers. Es war zwar ein sonniger Tag, aber die Temperaturen waren über Nacht gefallen. Statt wie in den bisherigen Tagen milde Temperaturen um die zehn Grad plus, war man dem Gefrierpunkt deutlich näher gekommen und in der ganzen Stadt herrschten gerade einmal zwei Grad. Die Schüler der Klasse trugen nun alle ihre Winteruniformen. Die Jungs hatten ihre kurzärmligen Hemden gegen die langen getauscht. Einige unter ihnen, wie Umino, trugen zusätzlich einen Pullover. Oder stattdessen ihre Uniformjacken. Die Mädchen hatten statt ihrer Kurzarmblusen nun die langen Versionen an. Auch hatten sie ihre dünnen Strumpfhosen mit Wollkniestrümpfen kombiniert oder gleich dicke Strumpfhosen an. Viele von ihnen in schwarz. Usagi saß an ihrem Platz. Ihr Blick war zum Fenster gewandert. Sie ließ ihren Blick schweifen und drehte gedankenverloren ihr Handy mit Fingern ihrer rechten Hand. Sie hatte die Nacht zwar nicht gescheit geschlafen, dafür jedoch ganz gut ausgeschlafen. Aber die schlaflose Nacht war weniger einem ihrer Feinde geschuldet. Zumindest keinem des Dark Kingdom. Viel mehr war Mamoru Chiba daran schuld. So wie immer. Leise seufzte sie auf. Ihre Gedanken wanderten zum vorherigen Abend zurück und dem Treffen am Hikawa-Tempel: Sie und Mamoru erreichten das Gelände zeitgleich mit Motoki und Unazuki. So war sie selbst einem Aufstand aufgrund ihrer Unpünktlichkeit von Rei entgangen. Schnell hatten sie sich auch an die Partyplanung gemacht und die Aufgaben wurden gerecht verteilt. Während Motoki und Mamoru Kartoffelchips und dererlei Kram sowie Getränke besorgten, sollten Rei und Minako die Deko kaufen und dann das Crown schmücken. Unazuki wollte einen Geburtstagskuchen backen und Ami eine Musikanlage besorgen und tanzbare Musik zusammen stellen. Sie selbst, Usagi, sollte noch einige gemeinsame Schulfreunde einladen und am Tag der Party Makoto so lange wie möglich vom Crown fern halten. Sie sollte erst mit ihr gegen sieben Uhr am Abend eintreffen. Und das sollte machbar sein. Usagi hatte sich vorgenommen, Makoto zum Kino zu überreden. Auch über die Geschenke hatten sie sich bereits geeinigt. Es war ohnehin bei ihrer Freundin sehr einfach. Mochte sie doch das Backen und Pflanzen. Jedoch war die Planung und Aufgabenverteilung nicht der wirkliche Grund, warum sie nun so in Gedanken versunken war. Den ganzen Abend über hatte Usagi versucht, mit Mamoru auszukommen. War halbwegs nett zu ihm gewesen und hatte ‘Bitte’ und ‘Danke’ gesagt. Und er war ebenfalls nett zu ihr gewesen. Zumindest soweit es seine Arroganz zu ließ. Sogar ein Stück ihres Heimweges ist sie mit ihm gegangen. Was sie vielleicht doch nicht hätte tun sollen, sonst wäre sie jetzt nicht so verwirrt gewesen. “Du warst echt nett heute, Odango.” “Mein Name ist Usagi. Vorhin wusstest du ihn doch noch, Baka.” ”Schon möglich.” ”Hm.”, schnaubte sie. ”Warum warst du so nett?” ”Weil ich es Rei versprochen habe. Sie mag dich und will, dass wir uns auch vertragen. Irgendwie.” ”Aha.” ”Und jetzt wo wir Makos Party planen, sollen wir das ohnehin und am Abend der Party auch.” “Also keine Streitereien mehr?” “Nein.” ”Bis zu ihrem Geburtstag?” ”Ja.” “Hm.” Mamoru war stehen geblieben und Usagi stoppte ebenfalls, drehte sich fragend zu ihm um: ”Was ist?” ”Würdest du unsere unsinnigen Diskussionen vermissen?” ”Weiß nicht. Warum fragst du?” ”Was wäre, wenn wir uns nicht mehr streiten würden?” ”Keine Ahnung, Baka. Mein Tag wäre einfacher.” ”Oh. Okay.” Sah sie da sowas wie Traurigkeit in seinen Augen? Nein, dass konnte eigentlich nicht sein. “Aber warum fragst du mich das? Würden dir denn unsere Diskussionen fehlen?” ”Irgendwann und auf Dauer sicher schon.” ”Was? Hä? Wie irgendwann und auf Dauer?” ”Nichts. Vergiss es. Lass uns weiter gehen.”, er grinste sie fies an und schlenderte wieder los. Usagi war immer noch verwirrt, sagte aber nichts mehr und folgte ihm einfach. Ein Stoß in die Rippen holte die Blondine wieder in die Gegenwart zurück. Erschrocken über den plötzlichen Schmerz schaute sie zu ihrer Linken und in Narus Gesicht. “Was machst du denn da?” ”Nichts. Ich dachte mir nur, dass ich dir ein Zeichen gebe, wenn die Stunde und somit die Schule vorbei ist.” “Ach so. Ich dachte schon, es wäre was wichtiges.” ”Sag mal bist du krank?”, Naru schaute sie erstaunt an. “Nein, warum?”, Usagi machte sich daran, ihre Bücher zusammen zu sammeln. “Seit wann ist es für dich unwichtig, dass der Schultag vorbei ist?” ”Ist es ja nicht. Ich war nur gerade in Gedanken wegen Makos Party. Du kommst doch auch, oder?” ”Ja klar.”, Naru schloss ihre Schultasche, “Ich bringe auch noch Hitomi, Suri und Mariko mit und Haruna und Laiko. Umino wollte auch kommen und einige der Jungs.” ”Welche Jungs?” ”Ich glaube Toshi,Yamamoto, Maseru und Daichi und Jotaro.” “Super. Ich glaube, dass eh auch ein paar Stammgäste aus dem Crown dazu kommen werden.”, grinste Usagi und folgte ihrer Freundin aus dem Raum. “Was machst du heute noch so, Usagi?” ”Hm, ich werd gleich noch mal ins Crown. Ich muss Motoki was fragen. Die anderen Mädels kommen wegen der Schule und ihren Kursen später.” ”Kann ich mit?” “Klar, Naru. Dann bin ich wenigstens nicht so alleine.” Die beiden Freundinnen gingen ins Erdgeschoss und zu ihren Spinten. Kramten nach ihren Straßenschuhen und ihren Wintermänteln. Sie schwatzten fröhlich miteinander, während sie das Schulgebäude und Gelände verließen und sich auf dem Weg ins Crown machten. Usagi war es recht, wenn Naru mitkam. Auch wenn sie etwas dringendes mit Motoki zu besprechen hatte. Das Crown war nicht sehr voll. Es waren einige der Spielekonsolen besetzt und das schrille Piepsen erfüllte von Zeit zu Zeit die angrenzende Spielhallte. Gefolgt von einigen Flüchen. Einige ältere Herrschaften saßen vereinzelt an Tischen und hielten ihr wöchentliches Kaffeekränzchen ab. Motoki mochte die Ruhe vorm Sturm. So konnte er in die Bestellungen für die nächsten Tage fertig machen und sich gedanklich schon auf das Rumgezeter zwischen seiner besten Freundin Usagi und seinem besten Freund Mamoru vorbereiten. Er hegte schon länger den Verdacht, dass alles nur Tarnung war. Aber das den beiden begreiflich zu machen, schaffte er einfach nicht. Also hatte er sich vorgenommen, den Dingen seinen Lauf zu lassen. Auch wenn das in nächster Zeit schwierig werden konnte. Er füllte gerade den Milchbehälter der Kaffeemaschine auf, als eine ihm wohlbekannte Stimme an sein Ohr drang. “Motoki!” Mit einem breiten Grinsen drehte er sich um und ihm wurde ein doppelt so breites Grinsen geschenkt: ”Hallo Usagi. Hey Naru. Wie geht es euch?” ”Gut. Danke.”, Naru lächelte ihn an und wandte sich dann an ihre Freundin, “Du, Usagi?” ”Hm?” ”Dahinten ist ein Spiel, an dem ich schon bald einen Monat sitze und immer noch nicht weiter komme. Ich versuch es mal. Okay? Du kommst doch eh ohne mich klar.” ”Sicher doch.” “Kannst du mir dann einen Bananenmilchshake bringen, Motoki?” ”Sicher Naru. Ist schon unterwegs. Und viel Erfolg beim Spiel.” ”Danke!”, sie grinste und war schon entschwunden. Usagi schaute dem Mädchen lächelnd hinterher und hing ihre Jacke auf, bevor sie sich auf einen der Barhocker setzte. Sie musste Motoki ihre Bestellung nicht mehr sagen. Er wusste es ohnehin. Es dauerte auch nur einige Minuten, bis ihr Schokomilchshake vor ihr stand. Genüsslich nahm sie einen großen Schluck durch den Strohhalm. “So lecker wie immer, Motoki!”, grinste sie breit. “Das freut mich zu hören.”, erwiderte er ihr Grinsen und wandte sich dann wieder der Kaffeemaschine zu, um die Kaffeebohnen aufzufüllen. Sie nahm das Glas in die Hand und schaute sich um. Sie musste lächeln, als sie die älteren Damen sitzen sah. Es waren genau fünf. Und Usagi kam der Gedanke, dass sie und ihre Freundinnen wahrscheinlich in fünfzig Jahren genauso da sitzen würden. Sie würden ihre Getränke schlürfen und über die alten Abenteuer tratschen. Ihr Blick wanderte weiter. “Nach wem hälst du Ausschau?” “Was?”, verdutzt schaute Usagi zu Motoki, der die fertig gespülten Gläser polierte und sie wissend anlächelte. “Ich wollte wissen, ob du auf jemand bestimmtes wartest.” ”Quatsch.” “Sicher?” ”Ja.”, sie nahm einen neuerlichen Schluck ihres Shakes. Versuchte wieder so unauffällig wie möglich sich umzuschauen. Aber gegen Motokis Scharfsinn hatte sie dieses Mal keine Chance: ”Ach komm schon, Usagi. Ich weiß doch, dass du dich wegen Mamoru so umschaust.” ”Was? Wegen diesem Vollpfosten? Bestimmt nicht. Nee, vergiss es.” “Hm. Wie du meinst.”, er wandte sich wieder ab und den Gläsern zu. Früher oder später würde sie ja doch mit der Sprache raus rücken. Das wusste er nur allzu gut. Seit er Usagi kennen gelernt hatte und das war zu Beginn der Mittelstufe bei ihr gewesen, kannte er sie wohl teilweise besser als ihre eigenen Freundinnen. Zumindest was ihre verkorkste Beziehung zu Mamoru anging. Und er sollte Recht behalten. “Du, Motoki?” ”Ja.”, er schaute sie an, stellte das Glas ab und schmiss den Polierlappen hin. “Kann ich dich was fragen?” ”Sicher. Worum geht’s?” ”Es ist etwas privat.” ”Aha?” “Es geht um Mamoru.” ”Ich weiß.” ”Was?”, ihre Stimme nahm einen schrillen Ton an und fast hätte sie ihren Shake umgestoßen. “Beruhig dich. Ich kenne dich, Usagi. Ich bin der einzige, den du um Rat fragst, wenn es um Mamoru geht.” “Ach so?” “Ja.”, er kicherte, als er ihren erstaunten Gesichtsausdruck sah. Scheinbar war es ihr selbst noch nicht aufgefallen. “Wir sind doch gestern Abend noch ein Stück zusammen gegangen.” ”Ja, du wolltest ja nicht bei mir mitfahren. Was ist? War er wieder fies zu dir?” ”Nein.” ”Hätte mich tatsächlich gewundert. Ihr ward gestern doch recht nett zueinander.” ”Das ist wegen Rei. Sie bat mich darum. Auch wegen der Planung und Party und so.”, Usagi nahm einen weiteren Schluck, “Aber darum geht es nicht.” Jetzt war es an Motoki, dumm aus der Wäsche zu schauen. Wenn sein bester Freund sie nicht geärgert hat, warum kam ihm dann seine beste Freundin so niedergeschlagen vor? “Er hat mich was gefragt.” ”Was?” ”Ob ich unserer Streitereien irgendwann einmal vermissen würde, wenn wir immer so nett zueinander wären.” Motoki schwieg. Ihm war sofort klar, woher der Wind wehte. “Und ich meinte, dass mein Leben ohne diesen täglichen Zoff sicherlich einfacher wäre. Also ich es nicht vermissen würde. Als ich ihn dann fragte, warum er sowas mich fragt, meinte er, dass es nicht so wichtig sei. Dabei bin ich doch so neugierig.”, sie klang schon fast verzweifelt, “Also weißt du was?” ”Warum sollte ich etwas wissen?” ”Weil du immer alles weißt. Und weil dir Mamoru alles erzählt. Also sag schon.” Der junge Mann nahm sein Poliertuch wieder zur Hand und schnappte sich ein Glas. Usagi erkannte sofort, dass er etwas wusste. Immerhin widmete er seiner ganzen Aufmerksamkeit einem bereits poliertem Milchshakeglas. “Motoki. Bitte! Du weißt es doch, hab ich Recht?” ”Ja.” “Dann sag es mir.”, sie war von ihrem Hocker aufgesprungen und zu ihrem besten Freund hinter die Theke gelaufen, “Sonst ruf ich Reika in Afrika an und sag ihr, dass du immer mit den Mädels hier flirtest.” ”Was?”, nun war es seine Stimme, die eine halbe Oktave nach oben ging. “Nicht ‘Was?’. Du weißt genau, dass ich das tue. Also sprich schon.” Er sah ihr wütendes Funkeln in den Augen. Und das war wirklich selten. Nicht einmal bei Mamoru war ihr Blick so finster. Tief atmete er ein und seufzte: ”Also gut. Eigentlich darf ich es keinem sagen.” ”Was denn? Hat er etwa eine Freundin und will es nicht verraten?” ”Nein.” ”Dann vielleicht das er gar nicht so gut in der Uni ist?” ”Nein.” ”Mein Gott, Motoki. Was ist es dann? Will er etwa die Stadt verlassen?” ”Ja.” Das Mädchen torkelte augenblicklich zurück, als sie seinen Blick sah. Sie wusste sofort, dass Motoki die Wahrheit gesagt hatte. Schwer musste sie schlucken. “Und wohin?”, ihre Stimme war zittrig. “Harvard. Eine Eliteuniversität in Massachusetts in den USA. Er hat ein Stipendium erhalten, bei dem er für ein Semester an der Harvard Medical School studieren kann. Und wenn er gut ist, was bei ihm sicher der Fall sein wird, kann er dort sein Studium bis zum Abschluss fortführen.” “Und wie lange dauert das?” ”Nun ja. Also er ist jetzt im zweiten Semester. Ein Jahr hat er noch das Grundstudium vor sich. Dann folgen weitere vier Jahre. Und soweit ich weiß, vermitteln die dort einem gleich sehr gute Plätze in angesehenen Kliniken, wo die angehenden Ärzte ihren Facharzt machen können. Und das dauert auch noch mal gute vier Jahre.” “Also sehe ich ihn dann neun Jahre nicht?”, ihre Stimme stockte immer mehr. “Ja gut möglich.” Motoki war die aufkommende Traurigkeit in ihren Augen nicht entgangen. Ihm war klar, dass das passieren würde. Nur wäre es ihm wesentlich lieber gewesen, wenn Mamoru es ihr gesagt hätte. Es ging schließlich um ihn. Er rief einem Kollegen etwas zu und bugsierte dann das schweigende Mädchen ins Hinterzimmer und dort auf ein Sofa. Er ging in die Knie und nahm ihre kleinen Hände in seine. “Usagi?”, er erschrak, als sie ihn anschaute. Tränen hatten sich unwillkürlich in ihren Augen gesammelt und sie wischte sie sich tapfer und schniefend weg. “Ja?” ”Ich durfte es keinem sagen. Du und ich sind die einzigen, die davon wissen.” ”Will er es denn keinem sagen?” ”Nein.” ”Warum denn nicht?”, schniefte sie neuerlich. “Du kennst ihn doch mindestens genauso gut wie ich, Usagi. Wenn nicht sogar noch besser. Er will kein großes Tamtam darum machen. Er ist nicht dieser emotionale Typ von Mensch so wie du.” “Wann wird er denn fliegen?” ”Das steht noch nicht fest. Er hat sich zwar schon entschieden, dass er zu Beginn des neuen Semesters am ersten Februar dort in der Vorlesung sitzt, aber er hat noch keinen Flug gebucht. Als ich ihn deswegen gefragt habe, meinte er, dass er noch einige Dinge regeln müsste.” “Hm. Ganz schön gemein von ihm.” ”Was? Es dir nicht zu sagen?” ”Nein.”, sie war wieder aufgestanden und blickte Motoki trotzig an, “Das er es Rei nicht gesagt hat, obwohl er weiß, wie viel er ihr bedeutet.” ”Das ist seine Sache. Aber du solltest ihn nicht darauf ansprechen.” ”Ich versuche es.”, sie hob belanglos die Schulter und ging hinüber zur Tür. Zusammen mit Motoki trat sie aus dem Hinterzimmer. Ihr Blick glitt zum Tresen, um sich zu vergewissern, dass ihr Shake immer noch da stand. Doch sie stockte in ihrer Bewegung. “Mamoru.”, ihre Stimme war leise. Aber die Erkenntnis, das er Japan verlassen würde, traf sie bei seinem Anblick eiskalt. “Hey Odango. Was machst du denn da im Hinterzimmer.”, skeptisch hob der junge Mann eine Augenbraue. “Ihr ging es nicht gut.”, erklärte Motoki und schob Usagi nach vorne, “Sie musste kurz die Beine hoch legen. Der Wetterumschwung vermutlich.” ”Oder zuviele Shakes.” “Oder das.” Usagi bekam gar nicht mit, wie Motoki sie genau neben Mamoru platzierte. Immer noch drehten sich ihre Gedanken um dessen baldige Abreise. Sie nahm einen Schluck ihres nicht mehr ganz so eisigen Shakes. Wollte sich dadurch auf andere Gedanken bringen. Aber es gelang ihr nicht. Stattdessen schmeckte ihr das Getränk mit einem Schlag nicht mehr. Es war ihr plötzlich viel zu süß für diesen Anlass. Sie schob ihn von sich. “Was ist, Odango? Hast du eingesehen, dass zuviel davon dich dick macht?” Sie schüttelte den Kopf und schaute ihn an. Usagi hatte mit einem Male das Verlangen, so oft es ihr noch möglich war, ihm in die Augen zu schauen. Doch die aufkommenden Tränen konnte sie dabei nicht verhindern. “Verdammt.”, murmelte sie leise und stieg vom Hocker, kramte nach ihrem Geld und legte es auf die Theke, “Ich muss los.” Sie schnappte sich ihren Mantel und rannte aus dem Crown. Sie musste hier weg. Sein Anblick verschlug ihr plötzlich den Atem und sie hatte das Gefühl, zu ersticken. So schnell sie konnte, rannte sie in Richtung ihres Elternhauses und ließ zwei verblüffte junge Männer zurück. Die Tage bis zu Makotos großem Tag inklusive Party vergingen wie im Flug. Usagi war seit dem Tag, an dem Motoki ihr von Mamorus Stipendium in den Staaten erzählt hatte, nicht noch einmal ins Crown gegangen. Gegenüber den anderen hatte sie Ausreden genug gefunden, die ihre Freundinnen auch akzeptiert hatten. Sie hatte sich in die Partyvorbereitungen gestürzt und das Geschenk für Makoto gekauft: Eine Backform in Hasenoptik. Typisch sie eben. Sie hatte lange über Mamorus Weggang nachdenken müssen. Wenn sie ehrlich zu sich selbst war, und das war in den letzten viel zu oft der Fall für ihren Geschmack gewesen, wollte sie es nicht. Sie wollte, dass er hier blieb. In Japan. In Tokio. Sie wollte ihn nicht gehen lassen. Oft dachte sie daran, ihre Freundinnen einzuweihen. Aber dann fielen ihr wieder Motokis Worte ein: Das Mamoru kein riesen Tamtam um sein Fortgehen wollte. Obwohl sie jetzt schon betrübt und traurig darüber war, war sie auch gleichzeitig stinksauer auf diesen Mann. Er war in ihren Augen ein Feigling, dass er einfach die Stadt und das Land verließ, um in die USA zu gehen. Wahrscheinlich war sein Plan, einfach nach seiner Ankunft mal anzurufen und sie dann alle in Kenntnisse zu setzen. Usagi hasste ihn dafür. “Hey Usagi!” Erschrocken blickte die Blondine auf und in Makotos Augen. “Welchen Film wollen wir denn nun sehen?” ”Ähm, wie wäre es mit diesem neuen Liebesfilm mit Aya Matsuura und Kazuya Kamenashi?” ”Auja!”, Makoto klatschte begeistert in die Hände, “Wann fängt der denn an?” Usagi schaute auf ihre Armbanduhr und spielte Bedauern vor: ”Oh nein, er hat schon achtzehn Uhr angefangen. Und nun ist es bereits viertel vor sieben.” ”Hm, gibt es denn nicht noch eine spätere Vorstellung? Der Film soll ja der Renner sein, also wird das Jubaan Kino doch sicher mehrmals am Abend eine Vorstellung spielen, oder?!” ”Ich glaube, die nächste ist halb neun.” ”Halb neun? Und was wollen wir solange machen?” ”Was hälst du vom Crown. Wir können ja solange dort warten und von da aus um acht losgehen.” “Super. Dann auf zum Crown.” Usagi lachte der Brünetten zu und war erleichtert, dass ihr Plan aufgegangen war. Zusammen mit ihre Freundin ging sie los. Sie freute sich auf das Gesicht von Makoto. Doch gleichzeitig hatte sie mit einem Mal einen flauen Magen, wenn sie an die Begegnung mit Mamoru dachte. Sie hatte nicht die leiseste Ahnung, wie sie sich ihm gegenüber verhalten sollte. Ohnehin konnte man in ihren Augen lesen, wie in einem großen Buch. Es wäre für ihn also ein leichtes herauszufinden, was sie wusste. Und dann wäre er stocksauer auf Motoki und wahrscheinlich auch auf sie. Dabei konnte sie nicht mal was dafür. Immerhin hatte er angefangen mit seiner Fragerei. Sie seufzte. Versank neuerlich in Gedanken und nickte eher nebenbei, wenn Makoto ihr etwas erzählte. Und dummerweise verstrich der Weg durch ihre Tagträumerei schneller, als es ihr lieb war. Wieder wurde sie von ihrer Freundin aus den Gedanken gerissen und schaute selbst mit großen Augen zu den Buchstaben hinauf, die das Café als Crown ausschrieben. “Na los, lass uns rein gehen.”, drängelte ihre Freundin und die Blondine nickte nur. Zusammen betraten sie das Café. “Komisch. Warum ist es denn hier so dämmrig.”, Makoto schaute sich suchend um. Statt der hellen Erleuchtung war alles im Halbdunkeln. Instinktiv stellte sie sich in Kampfpose, als plötzlich lauter Jubel ausbrach und über ihrem Kopf eine Discokugel aufleuchtete und bunte Lichter reflektierte. Erschrocken schaute sie nach oben und in das Glitzern und dann sich um. Hinter den Tischen und dem Tresen waren ihre Freunde hervor gesprungen und sangen laut ein Geburtstagsständchen. Gerührt von dieser Geste, verschlug es dem Mädchen die Sprache und sie schlug sich die Hand vor den Mund. Langsam drehte sie sich im Kreis und ihr Blick blieb bei Usagi hängen, die mittlerweile von ihren anderen Gefährtinnen umrahmt wurde und kräftig und schief und laut mit den anderen mitsang, während sie breit grinste. Genau wie die anderen. Als das Lied verstummt war, stürmte die große Braunhaarige zu ihren vier besten Freundinnen und umarmte sie kräftig: ”Boah, Usagi! Gib’s zu, dass du alles gewusst hast.” ”Na klar.”, grinste die Genannte. “Und sie hat mal nicht geplaudert.”, lachte Rei und kasierte von Usagi einen bösen Blick. Auch Minako und Ami gratulierten und erklärten ihr, wie lange sie die Party bereits geplant hatten. Makoto konnte nur staunen. Sie hatte tatsächlich nicht den geringsten Verdacht gehabt. Und freute sich nun umso mehr. Nachdem ihre Freundinnen von ihr gelassen hatten, kam Motoki zu ihnen herüber. Erst gratulierte er dem Geburtstagskind und drückte dann jedem der Mädchen ein Glas Sekt in die Hand. Genauso wie es Unazuki und Mamoru bei den anderen Gästen taten. Ami brachte einen Trinkspruch zustande und sie alle erhoben ihr Glas auf Makoto und stießen an. Fröhlich klirrten die Gläser. Nun drängten sich auch die anderen Gäste und Freunde zu der Mädchengruppe, um zu gratulieren. Usagi rutschte ein wenig aus dem inneren Kreis und erhaschte einen Blick auf Mamoru, der zusammen mit Unazuki und Motoki am Tresen stand und die Schalen mit dem Chips und ähnlichem Knabberzeug hinstellte. Das Mädchen atmete tief durch. Sie wusste, dass sie sich halbwegs normal verhalten musste. Also nahm sie all ihren Mut zusammen und ging zu den drei Freunden hinüber. Unazuki kam ihr gerade entgegen mit einigen Schalen voller Erdnüsse, die sie auf die Tische verteilen wollte. Auch Motoki machte sich seltsamer Weise aus dem Staub. Angeblich wollte er schauen, ob das Fass mit der Cola im Keller richtig angeschlossen war. Usagi wusste sofort, das er log. Doch ändern konnte sie es eh nicht. Sie stellte sich neben Mamoru hinter die Theke und beobachtete den Trubel, der immer noch rund um Makoto stattfand. “Kann ich dir helfen, Mamoru?” “Lass mal. Du schmeißt ja doch nur was um.” ”Gar nicht wahr.”, sie sah ihn schmollend an. “Ach komm schon, Odango.” ”Ich heiße Usagi.” ”Nagut. Also komm schon, Usagi.”, grinste er sie an und riss die nächste Chipstüte auf, “Wir beide wissen nur allzu gut, wie tollpatschig du bist. Auch wenn wir Motoki morgen früh beim Aufräumen helfen, wie es abgemacht war, hab ich keine große Lust, ein riesiges Chaos aufzuräumen. Okay?” ”Du bist gemein. Ich kann sehr wohl auch ordentlich sein.” ”Mag sein. Aber in neun von zehn Fällen bist du es nun mal nicht. Und wenn du ehrlich bist zu dir selbst, weißt du das auch. Du bist eine kleine Chaotin, die ihre Welt auf den Kopf stellt im Zeitraum einer Millisekunde.” ”Scheint dich ja ziemlich zu stören.” ”Schon. Irgendwann solltest du dich in diesem Punkt echt ändern.” ”Ich ändere mich aber nicht für jemanden, der in ein paar Wochen eh nicht mehr da ist.”, murmelte sie und wandte sich ab. Sie wollte wieder zu ihren Freundinnen. “Warte!” Im Bruchteil einer Sekunde als sie seine Stimme hörte, wurde Usagi ihr Fehler bewusst. Sie hatte sich verplappert. Sie hatte ihm gesagt, dass sie über seinen Weggang Bescheid wusste. Schwer schluckte sie und starrte auf den Boden. Sie wollte gehen. Weg von ihm. Aber es ging nicht. Alleine mit seinem Blick, der sich in ihren Rücken zu bohren schien, hielt er sie fest und machte sie scheinbar bewegungsunfähig. Und noch bevor sie weiter darüber nachdenken konnte, hatte er sich ihr Handgelenk geschnappt und ins Hinterzimmer gezogen. Weg von den anderen und auch unbemerkt von ihnen. Denn sie alle umringten noch Makoto. Unsanft wurde sie aufs Sofa geschubst. Dumpf hörte sie, wie die Tür ins Schloss fiel. Usagi wagte es nicht, zu ihm zu schauen. Ihr war klar, dass er sauer war, weil sein Plan des Davonschleichens nicht aufgegangen war. Mamoru lehnte sich mit dem Rücken gegen die Türe. Seine Gedanken rasten. Motoki hatte also geplaudert und ausgerechnet sie wusste Bescheid. Bei jedem der Mädchen wäre es ihm egal gewesen, aber nicht bei Usagi. Ausgerechnet sie sollte es zum Schluss oder gar nicht erfahren vor seiner Abreise. Er war wütend auf seinen besten Freund. Und noch mehr wütend auf sich selbst, dass er das wirklich vorgehabt hatte: Einfach ohne ein Wort des Abschiedes abzureisen. Er schaute hinüber zu dem Mädchen, dass zusammen gekauert auf dem Sofa hockte. Langsam löste er sich von der Tür und ging mit schweren Schritten zu ihr. Ließ sich neben sie aufs Sofa sinken. “Du bist echt fies.”, Usagis Stimme war leise, aber fest und sie ließ Mamoru zusammen zucken, “Dich einfach davon schleichen wie ein feiger Hund. Ich hab echt gedacht, dass du mutiger wärst.” “Ich wollte keine große Abschiedsshow daraus machen.” ”Verstehe. Du wolltest keinem deiner Freunde sagen, dass du vielleicht die nächsten neun Jahre nach Amerika verschwindest.” Er seufzte. Scheinbar hatte ihr Motoki ganz genau erklärt, wie lange das Studium plus anschließender Facharztausbildung dauern könnte. “Es steht doch noch gar nicht fest, wie lange ich bleibe. Ich hab ja nur das Stipendium für ein Semester.” ”Klar, nur vier Monate. Ich bin nicht doof, Baka. Ich weiß, dass du viel für dein Studium tust. Also kann ich eins und eins zusammen zählen und für mich ist klar, dass sie dir die Chance geben werden, dein Studium dort zu beenden. Und das ist dir ebenso klar wie mir, hab ich Recht?” ”Ja.”, seine Stimme klang rau und belegt. “Deswegen hast du mich auch gefragt, ob mir jemals unsere Diskussionen fehlen werden, stimmt’s?” “Ja.” “Unter diesen Bedingungen werde ich sie vermissen. Ich werde dich vermissen.” Erstaunt über ihre Worte blickte er sie an, aber sie wich seinem fragenden Blick aus. “Warum willst du ausgerechnet nach Harvard?” “Weil sie eine der besten medizinischen Fakultäten der Welt haben.”, seufzte er und wandte wie sie seinen Blick wieder an die gegenüber liegende Wand. Es stimmte. Zumindest zum Teil. Mamoru konnte ihr unmöglich sagen, dass er eigentlich mehr oder weniger die Flucht ergriff. Die Flucht vor seinem immer wiederkehrenden Traum von der unbekannten Prinzessin und dem Silberkristall. Auch wenn er wusste, dass er den Kristall braucht, um seine Erinnerung an die Zeit vor dem Autounfall mit seinen Eltern wieder zuerlangen. Doch in letzter Zeit war ihm einfach alles zu viel geworden. Ihm war bewusst, dass er Sailor Moon im Stich lassen würde. Aber sie war stark. Konnte mehr oder weniger schon auf sich selbst aufpassen. Nur er brauchte Zeit für sich. Und da kam ihm das Angebot mit dem Stipendium in Harvard, wofür ihn sein Professor vorgeschlagen hatte, gerade recht. Den Silberkristall konnte er sich auch noch schnappen, wenn er wieder zurück war. So verknallt wie Sailor Moon in ihn war, würde sie ihm den Kristall freiwillig geben. Mehr oder weniger. “Mamoru?” Er schreckte auf und schaute zu Usagi, die seinen Blick erwiderte. “Ich will nicht, dass du gehst.” ”Was?”, er sah die aufkommenden Tränen in ihren Augen. “Wenn du bleiben würdest, würde ich alles machen, was du willst. Sogar nett sein.” ”Was redest du da?” “ Um fröhlich zu sein, brauche ich nur dich. Weil immer wenn du in meiner Nähe bist, verwandeln sich die Tränen in mir in Regentropfen und nehmen meine ganze Traurigkeit mit sich. Meine Frustration und Niederlagen fliegen davon, wenn ich dich sehe.” ”Usagi.” “Du bist wie ein Glücksbringer für mich und für meinen ganz persönlichen Regenbogen. Ich hasse es, dass du weggehst. Also bitte tu es nicht.” Mamoru wusste nicht, was er sagen sollte. So saßen sie schweigsam da und Usagi kullerte eine einsame Träne die Wangen hinab. Es dauerte einige Zeit, bis er ihre Worte verstanden und verdaut hatte. Ihm war bewusst, dass er Usagi immer gute Laune bescherrte, wenn sie sich gezofft hatten. Er war ihr persönlicher Blitzableiter und sie seiner. Schon oftmals hatte er sie wieder aus einem Tief gezogen. So wie sie ihn immer zum Lachen brachte, wirkte es umgekehrt auf sie. “Ich bin doch nicht aus der Welt.”, seine Stimme versuchte fröhlich zu klingen. “Aber weit weg.” ”Ich komme euch besuchen.” ”Wann?” ”So oft wie es geht und mein Kontostand es zu lässt. Auf jeden Fall immer in den Ferien. Also bin ich im Sommer zu deiner Geburtstagsparty da.”, lächelte er sie an. “Versprochen?” ”Ja. Versprochen.” ”Okay.”, sie seufzte. Ihn lediglich in den Ferien zu sehen, musste also erstmal für die nächsten Jahre genügen. Sie stand auf und strich sich ihren Rock zurecht, den sie trug: ”Wirst du es den anderen sagen?” ”Nein.”, er war ebenfalls aufgestanden und ging in Richtung Tür, “Ich würde dich bitten, es für dich bis zum Tag des Abfluges für dich zu behalten.” ”Ich kann keine Geheimnisse für mich behalten.” “Jetzt schon. Wenn ich weg bin, wirst du es den Mädchen sagen. Okay?” Usagi blickte zu ihm auf und versank kurzzeitig in den ozeanblauen Augen, bevor sie nickte und seinem Plan zustimmte. “Und solange können wir uns gerne noch bis aufs Blut beleidigen. Also außer heute Abend.” ”Einverstanden, Baka.”, grinste sie ihn an. “Danke, Odango.” . Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)