Der Traumtänzer von Nocturnus ================================================================================ Kapitel 3: Die weiße Stadt -------------------------- Er kannte Städte aus der anderen Welt, doch hier war es anders. Sie waren prachtvoller, auf ihre eigene Art und Weise. Zumindest galt dies für die weiße Stadt. Der Junge war Phantasus gefolgt und nun stand der vor dem Tor zu dieser. Ein Tor, das sich aufsperrte wie der Schlund eines gewaltigen Tieres. Das Rauchen um ihn herum, das Knattern der Räder auf dem gepflasterten Weg, die unzählig vielen Stimmen um ihn herum, all das klang wie das Rauchen von Blut in den Adern dieses Tieres. Der Violetthaarige konnte sich diesem Zauber nicht entziehen, der ihn ganz und gar erstarren ließ. Wer nicht verwundert war, für den war es alltäglich oder blieb generell unbeeindruckt von allen Dingen des Lebens. Doch der Junge konnte nur staunend zusehen, wie sich die Menschenmengen ihren Weg in die Stadt suchten oder aus dieser herauskamen. Vor dem Tor an sich standen die Soldaten, die der Jungen schon von dem Hügel aus gesehen hatte, Die Harnische glänzten metallen in der Sonne und ein jeder von ihnen hielt einen Speer in der rechten Hand. Man konnte sieben dieser Soldaten zählen. Es waren groß gewachsene Männer mit wettergegerbten Gesichtern und strengen Blicken. Doch trotz dieser Art, wie sie in diesen nicht enden wollenden Strom aus Menschen sahen fühlte der Junge sich gleich viel sicherer. Sie alle trugen die gleiche Ausrüstung. Unter dem schimmernden Harnisch aus poliertem Metall verbarg sich der Wappenrock, der das strahlende Weiß der Stadt an sich zeigte. Weiterhin trug man Arm- und Beinschienen aus demselben polierten Metall. Komplettiert wurde alles durch einen Kettenpanzer, der unter dem Harnisch zu erahnen war, und einem Langschwer in verzierter Scheide, welches akkurat an der linken Seite der Soldaten im Schwergehänge hing. Nur einer dieser Soldaten unterschied sich von den übrigen sechs. Auf seinem Harnisch prangte ein goldenes Symbol, welches der violetthaarige Junge als eine Blume in einem Kreis deuten mochte. Genau konnte er es nicht erkennen. Auch deshalb, weil ihm immer wieder die Sicht versperrt wurde und der Hauptmann dieser Wache, denn nichts anderes war dieser hervorstechende Soldat, nicht immer mit der Front zu ihm stand, so dass man ihn hätte eingehend mustern können. „Du siehst so etwas zum ersten Mal, habe ich Recht?“ Die vertraute Stimme in all diesem Lärm zu hören schien den Jungen im ersten Moment deutlich zu verwirren, doch als er sich umsah und dort Phantasus erblickte lächelte er leicht und nickte kurz. Es war wohl nicht schwer zu erraten gewesen woher Phantasus diese Annahme nahm, denn immerhin hatte er selbst wie ein Dorftrottel das weit geöffnete Maul dieser Bestie angestarrt als wäre es eben dies gewesen. „Es sind so viele Menschen hier“, staunte der Junge und ließ seinen Blick über all diese Leute schweifen, die ein und aus gingen als wäre es ganz normal und sicherlich war es das auch. Nur eben nicht für ihn selbst. Schließlich klopfte ihm sein großer Begleiter auf die rechte Schulter und wies mit einem leichten Nicken in Richtung der Stadt. Phantasus wollte tatsächlich, dass sie in diesen offenen Rachen traten. Es machte ihm irgendwie ein bisschen Angst, aber nur hier herumstehen brachte ihnen beiden nichts, also kam der Junge der Aufforderung nach und setzte sich wieder in Bewegung. Dennoch konnte er nicht verhindern, dass seine Schritte unsicher wirkten. Hinter sich konnte er nur das Lachen seines Begleiters vernehmen, doch das war egal. Es war schließlich kein Spott darin zu hören. Es musste wohl einfach nur erheiternd aussehen, auch wenn der Junge mit dem eigenwilligen Haar einiges an Blicken auf sich zog. Als dann aber ein blank polierter Harnisch vor ihm erschien stockte der Junge. Er sah auf die breite Brust und ließ seinen Blick weiter nach oben wandern. Dort sah er ein kantiges Gesicht unter dem Helm des Hauptmannes hervorblitzen, dessen Blick ernst und einschüchternd war. Hätte ihn nicht jemand von hinten gehalten hätte sich der Junge vor Schreck sicherlich auf den Hosenboden gesetzt und hätte panikartig die Flucht ergriffen, so sehr schüchterte ihn dieser Blick aus grauen Augen heraus ein. Doch wieder war nur dieses Lachen zu hören, welches nur von Phantasus stammen konnte. „Jetzt erschreckt Ihr schon Kinder, Hauptmann Argus. Also ich muss mich schon wundern“, meinte sein großer Begleiter  mit dem deutlich hörbaren Lächeln in der Stimme. Sofort sah dieser Hauptmann auf und straffte seine Schultern noch mehr, als er es ohnehin schon getan hatte. „Ihr begleitet diesen Jungen, Ser?“, fragte nun Argus mit einer rauchigen Stimme, die man sicherlich allein von ihrem Klang als angenehm bezeichnen konnte. Sie war tief und dunkel und auch über den Lärm der ganzen Menschen hinweg deutlich zu hören. Hätte der Hauptmann es gewollt, so hätte er sicherlich ganz allein für Ruhe hier draußen sorgen können. Man brachte ihm Respekt entgegen. Dies entnahm der Junge einerseits seiner eigenen Reaktion auf diesen breitschultrigen Mann, andererseits auch der Tatsache, dass man dem Hauptmann Argus einen gewissen Freiraum zugestand. Die Menschen machten einen kleinen Bogen um ihn herum und rempelten ihn nicht an, wie es in solch einem Wust aus Menschen doch gern einmal häufiger vorkam. „Aye, Ser Hauptman“, lächelte Phantasus und klopfte dem Jungen vor sich bedeutungsvoll auf die Schulter, „Dieser junge Mann hier hat eine Verabredung mit Ihrer königlichen Hoheit“, meinte er schließlich, was dem Hauptmann doch einen verwunderten Blick abrang, mit dem er den Jungen mit dem violetten Haar doch abschätzig musterte. Der Junge selbst fühlte sich wie auf dem Präsentierteller, als wäre er nur hier um von allen anderen gemustert zu werden. „Aber ich würde Euch raten ihn noch anders einzukleiden, Ser“, riet der Hauptmann und deutete eine leichte Verbeugung in Richtung Phantasus an. „Da mögt Ihr Recht, Ser Hauptmann“, gestand Phantasus mit einem leichten Lächeln ein, was den Jungen dazu veranlasste an sich herabzuschauen. Erst jetzt fiel ihm auch, was er trug. Bisher hatte er darauf nicht geachtet. Es war nämlich nicht all zu viel. Nur die Kleidung, die man sonst immer in Krankenhäusern trug. Dazu noch gewöhnliche Schuhe, sonst nur noch seine Unterwäsche. Hauptmann Argus hatte also Recht. So konnte er wirklich nicht vor eine Königin treten. „Ähm, Phantasus, ist das dein Ernst?“, fragte nun der Junge, als ihm gewahr wurde, dass Phantasus nun meinte, dass er sich mit einer Königin treffen wollte. Die Person, die ihn erwartete, war also niemand anderes als die Herrscherin dieses Landes. Das kam ihm jedoch reichlich merkwürdig vor. „Was denn?“, lächelte Phantasus hingegen nur. „Dass mit der Königin“, meinte nun sein junger Begleiter, woraufhin der Bebrillte nur wieder nickte und durch das Tor der Stadt Elysien wies. Dort war schon die breite Hauptstraße zu sehen, die ebenfalls vor Menschen nur so überquoll. Ochsenkarren knatterten über das Kopfsteinpflaster hinweg, schwer beladen und aufgetürmt, dass man froh war, dass sie nicht einfach umstürzten. Dort, weiter hinten, hinter den Häusern, sah der Junge den fernen Palast. Nun, wirklich viel sah er nicht, nur den weißen Turm, der von Zinnen gekrönt war. Dort, in der Ferne, sah er auch das Symbol, welches auf dem Brustpanzer des Hauptmannes prangte, welches der Junge nun deutlich besser erkennen konnte. Es war eine goldene Lilienblühte in einem goldenen Kreis, zumindest prangte diese auf dem Brustharnisch des Hauptmannes. In der Ferne selbst war es eine weiße Blühte auf einem mitternachtsblauen Grund, mit golden gewirkten Stickereien umsäumt, die sanft im Licht der beiden Sonnen schimmerten und selbst hier, am fernen Haupttor, zu erkennen waren. Es war schwer zu sagen, was genau den Jungen mehr beeindruckte. Der Hauptmann vor ihm, mit dem goldenen Symbol auf seiner Brust oder aber der ferne Turm des Palastes mit der Flagge dieses Reiches, welches selbst hier so deutlich zu erkennen war, dass man glauben konnte, man müsse nur die Hand ausstrecken und würde diese Flagge gleich berühren können. „Es ist beeindruckend, nicht wahr? Die Königslilie wird sie genannt. Das Zeichen dieses Reiches und Ihre königliche Majestät, Königin Themis, ist diese Königslilie. Du wirst sie schon bald kennen lernen. Sie ist wunderbar“, meinte Phantasus und in seinen Augen war ein seltsames Glitzern zu sehen, während er diese Königslilie in die Augen fasste. Erst das Räuspern des Hauptmannes holte ihn wieder an das Haupttor zurück: „Ser, wollt Ihr nicht weiter gehen? Ihr blockiert den Weg, Ser“, meinte Argus mit einem deutlich sichtbaren Lächeln in seinem kantigen Gesicht. Dem Jungen war dieser Mann schon jetzt sehr sympathisch. Er mochte Hauptmann Argus und vielleicht war es diese Wirkung, die er auf Menschen hatte. Phantasus aber lachte nur kurz auf und nickte schnell, bevor er sich wieder in Bewegung setzte und den Jungen an seiner Seite nach vor trieb, durch den Rachen des Biestes.   „Muss das wirklich sein?“, fragte der Junge nur, als ihn Phantasus betrachtete und mit einem nachdenklichen Blick um ihn herum ging. „Tut mir leid, aber Hauptmann Argus hatte schon Recht. Jetzt bist du um einiges vorzeigbarer, mein junger Freund“, meinte der Bärtige und lächelte leicht, bevor er den Violetthaarigen mit einer leichten Geste hin zu einem Silberspiegel aufforderte sich selbst in der reflektierenden Oberfläche zu betrachten. Der Junge tat, wie ihm geheißen und stellte sich vor das polierte Metall nur um die Kleider zu sehen, die nun seinen Körper schmückten. Es war nichts protziges, sondern funktionell und bequem. Auf beides hatte Phantasus geachtet, als er seinem jungen Begleiter die Kleider herausgesucht hatte. Grundbestand war ein weißes Leinenhemd und eine dunkle Lederhose gewesen. Dazu leichte Lederstiefel, die sich fast schon an den Fuß schmiegten und wie angegossen passten. Hinzu kam noch ein gefüttertes Wams, darüber ein Umhang  aus schwerem Stoff. Phantasus hatte gemeint, dass dieser Umhang gut vor Regen oder Kälte schützen konnte. Außerdem, stellte der Junge fest, war dieser Umhang mit vielen Taschen versehen. Man konnte also allerhand darin verstecken und mit sich herumtragen. Als sich der Junge schließlich zu seinem Wohltäter umwandte und dieser ihn strahlend anlächelte, weil er wohl auf eine Antwort wartete, ließ der Junge leicht den Kopf hängen. „Es sieht wunderbar aus, Phantasus. Und ich muss sagen, dass alles hervorragend passt, aber ich habe kein Geld um mir diese Kleider zu leisten“, gestand der Junge, doch Phantasus schüttelte nur den Kopf. „Mach dir darüber keine Sorgen, mein Freund. Geld sollte deine geringste aller Sorgen sein. Aber ich denke, dass du nun bereit bist Ihrer königlichen Hoheit gegenüber zu treten, nicht wahr?“ Bei der Erwähnung der Majestät klopfte dem Jungen das Herz schneller. Er hatte noch nie vor einer Königin gestanden und sie war auch noch eine Monarchin, die ihn erwartet hatte, warum auch immer. Das war wohl etwas, worin er sich überraschen lassen musste. Schließlich nickte der Junge mit dem violetten Haar und wollte den Landen, in den sie eingekehrt waren, schon fast verlassen, doch Phantasus hielt ihn mit einer leichten Geste noch zurück. „Eine Sache noch. Männer tragen Waffen. Da ich aber glaube, dass du noch nie wirklich eine in der Hand gehalten hast  dachte ich mir, dass die hier eher deinem derzeitigen Geschick entspricht“, meinte der Führer in dieser fremden Welt und hielt dem Jungen eine Waffe hin, die dieser schließlich verwundert beäugte. „Für mich?“, fragte er unsicher nach, doch Phantasus nickte und der Junge kam dieser Aufforderung zögernd nach. Ihm entgegen hielt Phantasus ein kurzes Schwert, welches nicht länger schien als der Unterarm des Jungen selbst. Eine Waffe also, die leicht zu führen war, die aber mehr zur Abschreckung von Angreifern diente als wirklich für den Kampf geeignet war. Das Kurzschwert selbst war in eine einfache Scheide gesteckt worden, welche wenig Prunk zeigte. Auch die Parierstange wies keinen übermäßigen Schmuck auf. Einzig und allein ein ledernes Band, welches mit goldenen Fäden bestickt worden war und sich um den Griff der Waffe wickelte war das einzig offensichtlich Wertvolle an dieser Waffe. Dennoch, es war wohl der Gedanke, der zählte. Schließlich war Phantasus sicherlich nicht immer in seiner Nähe und wer wusste schon, was alles in dieser Welt auf einen Jungen warten konnte. „Danke, Phantasus“, meinte der Junge dennoch strahlend und drückte das Geschenk an seine Brust. Phantasus lächelte ihm entgegen und nickte. Nun war es dennoch Zeit ihrer Majestät seine Aufwartung zu machen. Die meisten Monarchen waren ja nicht gerade für ihre übermäßige Geduld berühmt, wenn sie etwas wollten. Zumindest glaubte der Junge, dass man Monarchen immer so darstellte. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)