Wer ist schon normal? von Ferun ================================================================================ Kapitel 3: Zerstörerische Vergangenheit --------------------------------------- Ich war nicht immer diejenige, die ich heute zu sein scheine. Meine Mutter wollte immer, dass ich Kleider oder Röcke trage, aber eigentlich fühlte ich mich in diesen Sachen immer unwohl. Alles Mädchenhafte an mir hasste ich einfach! „Yumi! Du siehst in dem Kleid wundervoll aus“, schwärmte meine Mutter. „Mama, muss das denn unbedingt sein?!“, fragte ich sie. „Na klar! Ich habe es dir doch deswegen gekauft!“, ergänzte meine Mutter. Immer wehrte ich mich mit Händen und Füßen gegen allem weiblichen Kram! In den ganzen Jahren wollte meine Mutter nicht wahr haben, dass ich nicht so Mädchenhaft war. Aber so richtig bewusst wurde mir das alles erst, als ich “sie“ traf. Bevor ich die Schule wechselte, war ich auf einer Mädchenschule. Es war Anfang des Schuljahres und meine Laune war endgültig an ihrem Tiefpunkt angelangt. Ich passte einfach nicht in diese Schule und schon gar nicht in diese Welt, das habe ich zu mindestens gedacht. Ich hatte einfach keine Lust mehr auf diese Schule, also zog ich mich zu sehnst zurück und lebte in meiner eigenen Welt. Eines Tages wurde ich dann von ihr angesprochen. „Warum denn so grimmig?“, fragte mich ein Mädchen mit kurzen blonden Haaren. „Was geht dich das an?“, antwortete ich ihr genervt. Sie ging in meine Klasse und sagte mir, dass ich immer so wirken würde, als wäre ich alleine und abwesend. Sie wollte meine Freundin sein und sich nach der Schule mit mir treffen. Ich lehnte ab. Sie fragte, wieso ich das nicht möchte und ich antwortete einfach, dass ich keine Lust hätte mich mit irgendwem zu treffen. „So leicht lasse ich mich bestimmt nicht abwimmeln! Ich gebe nicht eher auf, bis du mir eine Chance gibst!“, sagte sie und irgendwie fand ich das süß. „Na das will ich sehen!“, sagte ich mit einem unsicheren Lächeln. Sie konterte und meinte: „Das wirst du!“ Und so war es dann auch. Sie fing an, mir im Unterricht Zettelchen zu schreiben auf denen Sachen standen wie „Heute treffen nach der Schule?“ oder ähnliches. Sie blieb hartnäckig, obwohl ich nie auf diese Zettel reagierte. Irgendwann begrüßte sie mich morgens und gab mir einen Kuss auf die Wange! Eines Tages trafen wir uns dann auch außerhalb der Schule und aus der anfänglichen Freundschaft wurde schließlich mehr. Wir wurden ein paar und sie sagte mir, dass sie mich liebt. Ich erwiderte Kimikos Gefühle! Seit langer Zeit war ich wieder glücklich, ich fühlte mich unbeschreiblich frei. Doch wie sollte ich meiner Mutter nur alles erklären? Seit Vaters Tod, versuchte sie mehr als zuvor aus mir jemanden zu machen, der ich nicht war: Ein Mädchen, das irgendwann mal in einer heterosexuellen Ehe leben sollte! Einerseits wollte ich sie nicht enttäuschen, aber andererseits machte mich dieses Versteckspiel vor meinem wahren Ich allmählich kaputt! Nach langem hin und her entschied ich mich, dann doch ihr alles zu sagen. Ich dachte mir, dass wenn sie mich wirklich liebt, sie mich bedingungslos lieben würde mit all meinen Fehlern und Macken. Wenn sie mich also aufrichtig liebte, dann akzeptierte sie meine Entscheidung sicher… Also erzählte ich meiner Mutter von Kimiko. „Du, Mama… Ich habe da ein Mädchen kennen gelernt und naja… sie ist lesbisch…“, begann ich. Kaum hatte ich dies ausgesprochen, schrie meine Mutter, dass ich mich gefälligst von diesem Mädchen fern halten solle. Also verleugnete ich nicht nur meine Sexualität, sondern auch die Liebe zu Kimiko, zumindest vor meiner Mutter. Ich hasste meine Mutter dafür, dass sie mir jeden Tag aufs Neue das Gefühl gab “unnormal“ zu sein. Vielleicht war ich aber auch selbst schuld an meinem Unglück. Ich war einfach zu feige, meiner Mutter die Wahrheit zu sagen. Ich wollte nur noch weg von zuhause. Mir ging alles durch den Kopf, vor allem aber, dass ich unbedingt mit Kimiko reden musste. Am liebsten wäre ich mit ihr durch gebrannt. Ich lief zu ihr, doch auf dem Weg dorthin sah ich etwas, was ich lieber nicht gesehen hätte. Ich erwischte Kimiko knutschend auf der Straße mit einem Kerl! Schlimm genug, dass sie mich hinterging, aber dann auch noch mit einem Typen… Das brach mir nun wirklich endgültig das Herz. Trotz dieser Tatsache, konnte ich nicht mit ihr schluss machen. Ich schwieg und nahm etwas Abstand von ihr. Mir wurde schnell klar, dass ich so nicht weiter leben konnte! Und dies auch gar nicht wollte! Niemand mehr sollte auf meinen Gefühlen her rumtrampeln! Also fasste ich einen Entschluss! Ich ließ mir die Haare schneiden, piercte mich und so wurde ich ein anderer Mensch. Mir wurde alles egal, was mir einst wichtig war. Egal ob es meine Mutter oder Kimiko war. Es interessierte mich nicht, was meine Mutter dazu sagte, sei es wenn es um Schule oder um mein Äußeres ging! Es zählten für mich nur noch Dinge, wie Parties, Zigaretten, Alkohol und Sex! Es fühlte sich an wie ein Dauerrausch! Das ich nur vor den Problemen davon lief und mich in irgendwelche Sachen hinein stürzte war mir durch aus bewusst. Allerdings wollte ich nur noch den Schmerz vergessen… Egal wie! Ich wurde Gefühlskalt und ein Zuhause hatte ich gar nicht mehr. Ich übernachtete überall lieber als zuhause! Sei es in Bars, Clubs, Bahnhöfen oder bei den Mädels mit denen ich schlief. Es schien so, als hätte das alles so ewig weiter gehen können, doch ich tat einen riesen Fehler und kehrte eines Nachts doch nachhause zurück. Allerdings war ich nicht alleine. Ich hatte mal wieder eines der vielen Mädchen verführt und nahm diese mit nach Hause. Sie wollte lieber noch oben, doch ich wollte sie gleich im Flur nehmen. Doch dann stand plötzlich meine Mutter im Flur und sah absolut nicht begeistert aus! Sofort brach ich das mit dem Mädchen ab. Es war wie ein Schlag ins Gesicht. Meine Mutter hielt mir einen Stunden langen Vortrag. Sie sagte sagen wie, das sie sich frage, was sie als Mutter alles falsch gemacht habe. Ich wollte immer nur das Beste für dich, sagte sie außerdem noch. Dazu kam dann, dass ich mich verunstaltet hätte und mich nur noch rum treiben würde. Ich wusste, dass sie Recht hatte, aber ich wollte es nicht wahr haben, schließlich tat ich all das nur um Kimiko zu vergessen. „Aber was wirklich die Krönung ist, ist das du es wagst in diesem Haus mit einem MÄDCHEN aufzukreuzen!“, sprach meine Mutter und wütend und schreiend fügte sie hinzu: „Einfach nur widerlich! Du ekelst mich an! Und jetzt geh‘ mir gefälligst aus den Augen! Und komm erst dann wieder, wenn du NORMAL bist!“ Mit diesen Worten, hatte mich meine Mutter dann aus dem Haus geworfen. Ich war endgültig ganz alleine! Eine Zeit lang stand ich noch vor der Haustüre und starrte sie an. Mit gesunkenem Blick lief ich durch die Straßen und landete letzten Endes auf einer Parkbank. Ich wusste nicht mehr, wie lange ich dort gesessen habe und nachdachte. Alles was ich hatte, hatte ich innerhalb weniger Minuten verloren. Umso mehr ich dies alles realisierte, desto mehr wurde mir gleichzeitig bewusst, dass ich nun endgültig frei war! Nun konnte ich mein Leben in die eigenen Hände nehmen. Ich beschloss, dass es Zeit wurde für einen Neuanfang. Also suchte ich mir eine Wohnung und ging auf eine staatliche Schule. Doch der erste Tag, war schon anders als ich es mir vorgestellt hatte! Die Mädchen sahen mich und kreischten laut los. Alle taten sie das, bis auf eines. Sie stand da und schaute mich an. Ihr Blick war voller Leid und Traurigkeit, sie regte sich nicht. Sie stand nur da. Sie sah trotz ihrer traurigen Augen sehr süß aus und die Schuluniform stand ihr gut. Ihre langen Haare trug sie offen und sie hatte einen Pony der ihr in Fransen ins Gesicht hing. Sie war wirklich hübsch, dachte ich mir, doch ich erinnerte mich an das mit Kimiko und schaute schnell weg. Dieses Mädchen durfte nicht in meinen Kopf eindringen und schon gar nicht in mein Herz! Es gab nun wichtigeres als irgendwelche hübschen Mädchen. Ich wollte mit meiner Vergangenheit abschließen und mich auf meinen Job und die Schule konzentrieren, denn die Wohnung musste ich schließlich selber bezahlen. Danach tat ich etwas, was schon längst überfällig war, ich schloss mit Kimiko ab, indem ich mit ihr schluss machte. Doch wie durch einen Zufall, traf ich dieses Mädchen wieder. Aber meine Vergangenheit holte mich schließlich doch immer wieder ein. Ich spielte ein bisschen mit diesem Mädchen und kurze Zeit später sagte sie, sie sei nicht lesbisch… Sie sei “normal“. Und bevor ich noch mehr Unheil anrichten konnte, ließ ich sie lieber in Ruhe und ließ meine Trauer und Wut an mir aus. Ich weinte sogar manchmal, doch diese Tränen sah niemand und sollte auch nie jemand bemerken! Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)