Lust'n'Needs von Anemia ================================================================================ Kapitel 96: Slippery Is Good ---------------------------- Slippery Is Good     Eigentlich hatte Cari lediglich ein Bier trinken wollen. Hin und wieder machte es ihm nicht einmal etwas aus, allein an seinem Gerstensanft zu nippen, konnte man doch dabei sehr gut seine Gedanken schweifen lassen und von den Sorgen des Alltags abschalten. In Gesellschaft seiner Kumpels wäre dies nicht umzusetzen gewesen, wussten die einen zwar auch abzulenken, dies allerdings auf eine wesentlich anstrengendere Art und Weise. Und wenn diese Chaoten erst einmal besoffen waren, nahmen sie richtig nervige Züge an. Deshalb nahm Cari gerne auch mal nur mit sich selbst vorlieb. Dass sein Plan gestürzt werden würde, noch ehe er sich seinem Bier widmen konnte, hätte er natürlich nicht im Mindesten vermutet. Doch so war es. Er staunte wahrlich nicht schlecht, als er seine kleine Stammkneipe betrat und feststellen musste, dass all die Tische und Stühle auf eine komplett andere Weise angeordnet worden waren. Das, was sonst einen so gemütlichen Eindruck vermittelte, erinnerte heute nicht sonderlich entfernt an den Besuchsraum eines Knastes. Die Stühle sorgten nämlich dafür, dass sich die beiden Personen, die eventuell auf ihnen Platz nehmen würden, direkt gegenübersaßen. Wow, was für ein mieser Kneipenflair, dachte sich der Drummer. Der Eigentümer sollte besser die Wahl seines Einrichters noch einmal überdenken. Und sich vielleicht in dem Zug gleich überlegen, welches Publikum er mit seinem Lokal anzusprechen gedachte. Denn anstatt der üblichen Rocker und anderer alternativer Typen, die oftmals nicht sonderlich gepflegt rüber kamen, tummelten sich heute in Caris Augen ausschließlich wohl recht modebewusste Männer in dem Schuppen, die er hier noch nie zuvor gesehen hatte. Er glaubte, das alles nur zu träumen und hoffte, der Untergang seiner Lieblingskneipe wäre nicht real. Im Grunde aber wusste er ganz genau, dass sich dies alles tatsächlich zutrug. Und dass es wirklich Jamie war, der plötzlich in der Menge dieser aufgetakelten Hähne auftauchte. Hätte die Situation nicht derart verstörend angemutet, er hätte wahrscheinlich laut losgelacht, da sein bester Freund im Vergleich mit all den anderen wie aus einer anderen Welt zu kommen schien. Kurzum: Er passte optisch und sicherlich auch charakterlich kein Stück zu dem restlichen Publikum, und Cari fragte sich ernsthaft, was ihn hierher verschlagen hatte. Nun ja, vielleicht hatte er ebenso wenig wie er gewusst, dass an diesem Abend nichts so sein würde, wie es gewesen war.   Es dauerte nicht lange und Jamie hatte ihn ebenfalls entdeckt, was zur Folge hatte, dass er sich den Weg durch die Menge der Umherstehenden bahnte und geradewegs auf Cari zuhielt. Natürlich war ihm dessen perplexer Blick sofort aufgefallen, genau wie sehr sein Freund den Eindruck erweckte, sich völlig fehl am Platz zu fühlen. Verwunderlich mutete dies nicht an, aber Jamie amüsierte dies dennoch, weshalb er schmunzelte, während er Cari zur Begrüßung auf die Schulter schlug. "Hi, schön, dass du auch hergekommen bist", setzte der Sänger an zu sagen, wurde aber von Cari jäh unterbrochen, der ihn mit verwirrt gerunzelter Stirn ansah. "Was geht denn hier?" Er hatte also wirklich keinerlei Ahnung, erkannte Jamie und grinste deshalb nur noch breiter. "Heute ist doch Speeddatingabend", klärte er seinen Freund auf. "Hast du das etwa vergessen?" Zunächst guckte Cari noch eine Weile recht doof aus der Wäsche, dann schüttelte er unverwandt den Kopf. "Davon wusste ich gar nicht erst was." "Das macht nichts", meinte Jamie. "Du wirst schon noch merken, was es damit auf sich hat. Allerdings-" "Allerdings was?", hakte Cari ungehalten nach, woraufhin Jamie sich weiter zu ihm vorbeugte, um ihm besser ins Ohr flüstern zu können. "Allerdings ist das ein Speeddating nur für Männer. Du weißt schon - für Schwule und Bisexuelle." Jamie hatte schon erwartet, dass Cari ungläubig die Augen aufreißen und ihm gar nichts mehr zu dieser Offenbarung einfallen würde. Umso witziger war es, seinen Freund derart durcheinander zu erleben. "Ähhh...okay", brachte er nach ein paar geschlagenen Sekunden verwundert hervor. "Und was machst du dann hier?" Das stellte die Frage des Abends dar, ganz eindeutig. Jamie hätte damit rechnen müssen, dass Cari ihn damit konfrontieren würde. Und da leugnen ohnehin zwecklos war... "Na ja, eigentlich bin ich nur zum Spaß hier", erklärte er lässig die Achseln zuckend, aber nicht ohne ein verstohlenes Grinsen im Gesicht. "Nichtsdestotrotz bin ich ein bisschen bi..." Erwartungsvoll sah er Cari nach seinem Outing mit schiefgelegtem Kopf an, doch der andere reagierte erst wieder nach einer geschlagenen Ewigkeit auf seine Worte. Offenbar hatte er heute eine besonders lange Leitung. "Hahaha, und wo ist nun die Stelle zum Lachen?", kam es schließlich von ihm, und abermals hob Jamie nur die Schultern. "Es gibt keine. Ich hab mich grad wirklich vor dir geoutet." Wahrscheinlich würde Cari eine Weile brauchen, um diese Info zu verdauen, mutmaßte Jamie. Cari schaute abermals derart verdutzt drein, dass der Sänger nur mit den Augen rollte und letztlich nach seinem Arm griff, um ihn mit sich zu ziehen. "Ja, ich kann mir vorstellen, dass es schwer fassbar ist, sich seinen Träumen von der einen auf die andere Sekunde ein wenig näher zu wähnen", plapperte Jamie, während Cari wie ein Schlafwandler hinter ihm herstolperte und nicht nur einen der Modefreaks beinahe umrempelte. "Aber wenn du hier noch länger so rumstehst und abwesend Löcher in die Luft starrst, läufst du Gefahr, dass jemand die geschlossene Anstalt alarmiert. Besser, du machst nun beim Speeddating mit." Cari schien wieder ein wenig in der Realität angekommen zu sein. "Vergiss es, ich hab keinen Bock, diesen Schwuchteln hier irgendwelche Hoffnungen zu machen", zischte er hinter Jamie, doch der Sänger gluckste lediglich. "Komm schon", bat er seinen Freund und drehte sich um, um ihn aus großen, flehenden Augen anzusehen. "Das wird echt lustig. Vorausgesetzt, du nimmst das nicht zu ernst..." Cari seufzte. "Wie sollte ich diese Typen auch ernst nehmen?" "Gut, dann hol dir dort drüben deine Nummer ab und kleb sie dir auf die Brust", wies Jamie ihn an und deutete mit dem Kinn auf einen Tisch an der Seite, hinter dem ein Typ stand, der wahrscheinlich so etwas wie der Moderator des Ganzen darstellte. Als Cari zurück zu seinem Freund schaute, fiel ihm auf, dass dieser auch so einen albernen, herzförmigen Zettel an der Jacke kleben hatte. Ernsthaft, er erkannte Jamie kaum wieder. Und daran war noch nicht einmal sein spontanes Outing schuld. Dass Jamie auch an Männern interessiert war, verwunderte Cari kein bisschen. Es war nur überraschend, plötzlich Gewissheit erlangt zu haben. Dafür sahen ihm derartige Veranstaltungen und Spiele kein bisschen ähnlich. Ob man ihm eine Gehirnwäsche verpasst hatte? Egal - Cari war ja selbst keinen Scheiß besser, denn er war drauf und dran, sich tatsächlich auf diese merkwürdige Sache einzulassen. Gedanklich sah er sich bereits mit all diesen schwulen Flachpfeifen konfrontiert und konnte kaum fassen, dass er sich einem jeden von ihnen gleich gegenüber sehen würde. Herregud, das würde schrecklich werden! Allerdings bekam er von Jamie kurz vor Anfang noch einen kleinen Lichtblick geschenkt. "Wir sprechen uns gleich, Crow", drohte der ihm mit erhobenem Zeigefinger, als der Drummer mit seiner Nummer auf der Brust zurückkehrte. "Geht klar, Anderson", erwiderte er, und daraufhin grinsten sie sich an.   *   Der erste, der es bereute, Teilnehmer dieses Spieles zu sein, war ausgerechnet Jamie. Insgeheim hatte er gehofft, dass sich auch der ein oder andere Typ, der seinem Geschmack entsprach, hierher verirren würde, aber Pustekuchen. All die Männer, die sich zu ihm an den Tisch gesellten, waren langweilige Spacken, einer schlimmer als der andere. Mit einem Mittvierziger konnte er genauso wenig anfangen wie mit einem spießigen Hipster samt dicker Hornbrille, welche dessen halbes Gesicht einnahm. Als letzterer den Platz ihm gegenüber belegte, stützte Jamie bereits wenig motiviert das Kinn in die Hand und seufzte. Natürlich bekam der doofe Hipster nicht das Geringste von seinem Desinteresse mit, ja quasselte anstelle zugleich voller Elan auf ihn ein. Offensichtlich hatte er für Jamie etwas übrig, egal, wie absurd dies auch anmuten mochte. "Hallo, ich bin der Olaf." Sein Dreitagebart wirkte noch schäbiger, so wie er Jamie enthusiastisch angrinste. Olaf also. Wie dieser Schneemann aus der Eiskönigin oder wie dieser Film auch immer hieß, den Disney da wieder verzapft hatte. Wenigstens war diese animierte Figur ebenso hässlich und nervtötend wie Jamies derzeitiges Gegenüber, von der Warte her passte es also. "Jamie", murmelte der Sänger ohne jeden Elan und durfte sich daraufhin zugleich eine sehr ausgiebige Einführung in das Leben Olafs anhören, die ihn höchstens so sehr interessierte wie die Tatsache, dass in China ein Sack Reis umgefallen war. Am liebsten hätte er gegähnt, als der Kerl anfing, von seinen x Haustieren zu palavern, doch anstelle nahm er sich des Heftchens an, welches auf jedem Tisch auslag und auf dem in großen Druckbuchstaben 'Partnerhoroskop' zu lesen war. Geschäftig fing er an, darin zu blättern. "Welches Sternzeichen bist du denn?", fragte er beiläufig, woraufhin Olaf in seinem Redeschwall kurz inne hielt. "Steinbock!", rief der Kerl schließlich erfreut aus und besaß doch tatsächlich die Frechheit, Jamie das Heft zu entreißen, um selbst darin zu lesen. Als er sich mit dem Mittelfinger die Brille zurechtrückte, fühlte der Sänger sich an einen seiner früheren Lehrer erinnert. Insgesamt war dieser Typ ein Kotzbrocken. Nicht nur, dass er überhaupt nicht in Jamies Beuteschema passte, nein, er interessierte sich lediglich für sich selbst und besaß zudem keinerlei Anstand. Gut, auch Jamie beherrschte die alte Schule nicht aus dem FF, aber zumindest bemühte er sich. Er hatte nun lediglich beschlossen, Olaf noch deutlicher zu zeigen, dass er ihn blöd fand. Doch dieser war ja nun so vertieft in seine Lektüre. "Was ist denn dein Sternzeichen?", wollte er wissen, und Jamie hauchte seufzend "Wassermann...". Geschäftig blätterte der Hipster in dem Heft herum, bis er die richtige Seite gefunden hatte. "Ah, hier haben wir es ja." Was du nicht sagst, dachte Jamie und ließ seinen Blick über die anderen Anwesenden schweifen. Zwei Tische von ihm entfernt unterhielt sich Cari zu Jamies Erstaunen gerade recht enthusiastisch mit seinem Partner, lachte und scherzte mit ihm. Klar, der Sänger wusste, dass Cari eigentlich ein Meistertitel im Bezirzen gebührte und dass er seine Sprüche eigentlich nie ernst meinte, aber dennoch stieß ihm sauer auf, was er sah. Mit einem Mal fragte er sich, ob es denn wirklich eine gute Idee gewesen war, Cari zum Mitmachen aufzufordern. Irgendwie bereute er es nun. Und das, obwohl es total unsinnig anmutete. Cari wollte noch nicht einmal etwas von Kerlen! In Anbetracht dieser Tatsache fiel es Jamie wieder etwas leichter, sich auf sein eigenes Gegenüber zu konzentrieren und den Blick von seinem attraktiven Freund abzuwenden. Olaf hatte inzwischen angefangen, ihr gemeinsames Horoskop laut vorzulesen: "Ein erstes Date zwischen Steinbock und Wassermann sollte intellektuell und schick sein. Ein Theater, eine Vorlesung, oder eine Kunstgalerie wäre angemessen. Ein nobles Restaurant wäre perfekt." Allen Anscheins nach schien Olaf zu gefallen, was er da erfuhr. Im Gegensatz dazu rollte Jamie nun schon unverhohlener mit den Augen. Intellektuell und schick? Nobles Restaurant? Das stellte ja ein völliges No Go für den Sänger dar. Aber zu Olaf passte es natürlich wie die Faust aufs Auge. Noch ein Grund mehr, ihn endlich loszuwerden. Doch so schnell würde dies nicht passieren. Ihre gemeinsame Zeit war noch lange nicht rum. Und Olaf schenkte ihm nun eines seiner schleimigen Lächeln. "Wenn du willst, könnte ich dich ja mal fein ausführen", raunte er, setzte dann aber einen dezent missbilligenden Blick auf. "Aber nur, wenn du aufhörst, solche Gammelklamotten zu tragen und dieses alberne Lippenpiercing herausnimmst." Aha, dachte Jamie sich nur. Gewillt, etwas darauf zu erwidern, war er nicht. Er wollte das Ganze einfach nur über sich ergehen lassen. Zum Glück scherte sich Olaf wie eh und je nicht um Jamies Antwort darauf und vertiefte sich wieder in das Horoskop. "Steinböcke suchen nach einem interessanten Partner, der bereit ist, über ernste Themen zu sprechen. Sie warten geduldig auf den richtigen Partner, bevor sie ihre Liebe zum Ausdruck bringen." Erfreut hob Olaf den Kopf und sah Jamie an. "Oh, das stimmt wirklich! Solche albernen, kindischen Typen, die sich jeden Abend volllaufen lassen und dann dicht in irgendeiner Ecke liegen, kann ich nicht ab! Das ist so was von unsexy und lächerlich!" Fraglich, wer hier unsexy und lächerlich ist, überlegte Jamie angepisst. Spießer, spuckte er Olaf gedanklich an den Kopf. Langweiliger, arroganter Schnösel. Nun grinste Olaf plötzlich sehr breit, so wie er wieder in das Heft schaute. "Uh lala, nun kommen wir zum Sexualleben", verkündete er, und Jamie sah gelangweilt zu ihm rüber. "Schieß los." Das tat Olaf nur zu gerne. "Aus astrologischer Sicht gesehen ist der Sex zwischen diesen beiden Sternzeichen körperbetont und gut. Der Steinbock verfügt über viel Stehvermögen, mag aber keinen außergewöhnlichen Sex." "Ah, du und Stehvermögen!", prustete Jamie los, denn das konnte er sich einfach nicht mehr verkneifen. "Wers glaubt, wird selig." Anstatt allerdings beleidigt zu reagieren, begannen Olafs Augen zu funkeln. "Die Art von Anmache kenn ich schon", behauptete er abgeklärt und winkte ab. "Du willst doch nur, dass ich mein Stehvermögen unter Beweis stelle." Jamie schüttelte sich angewidert. "Bah, vergiss es! Lieber lass ich mich von nem Elch bumsen!" Daraufhin zeigte Olaf aufgebracht mit dem Finger auf Jamie. "Genau da haben wir es ja! Jemanden mit solch einer ordinären Gossensprache würde ich nicht mal mit der Kneifzange anfassen! Wo ist denn da der Intellekt?" "Mein Intellekt duelliert sich nicht mit Unbewaffneten", gab Jamie nun ziemlich lautstark zum Besten, sodass die Männer von den Tischen nebenan zu ihnen hinschauten. Auch Cari war einer von ihnen. Zunächst wurde es ziemlich still um sie herum, doch dann brüllte der Drummer, der alles mit angehört hatte, plötzlich los. Da Jamie mit dieser Entwicklung natürlich sehr zufrieden war, zuckten seine Mundwinkel nun ein wenig. Er hatte Cari zum Lachen gebracht, und das bedeutete ihm sehr viel. Mit stolz geschwellter Brust und erhobenen Hauptes wappnete er sich für den Rest des Horoskopes. Inzwischen wirkte Olaf nicht mehr ganz so enthusiastisch, sondern blickte sogar kurz entnervt auf sein Handy, um die Uhrzeit zu checken, ehe er wenig motiviert weiterlas. "Die erogene Zone des Steinbocks sind die Beine, und die erogene Zone des Wassermanns sind seine Waden und die Knöchel. Der Wassermann wird mit sinnlichen Berührungen den Körper des Steinbocks erforschen bevor es zum Liebesakt kommt. Steinböcke erwarten Anstand im Schlafzimmer." Amüsiert sah Jamie sein Gegenüber an. "Ernsthaft? Anstand? Im Schlafzimmer?" Ungeniert lachte er los, da sich ohnehin schon zu viel in ihm angestaut hatte. "Was für fromme Betschwestern sind denn die Steinböcke bitte? Das ist ja richtig lächerlich." Olaf schaute wenig belustigt zu, wie Jamie vor Lachen sogar mit der Faust auf den Tisch schlug. "Pah, wenn du unsere Kultiviertheit nicht zu schätzen weißt, darfst du auch niemals meine erogenen Beine berühren, das sag ich dir, du Penner!" Jamie konnte sich gar nicht mehr beruhigen. "Pahahaha, mich einen Penner zu nennen sieht ja einem edlen Herrn wie dir sehr ähnlich!" Olaf presste die Lippen aufeinander. "Wenn du doch aber einer bist, verdammich! Voll der asoziale Punk! Mit so was geb ich mich doch nicht ab!" Mit diesen Worten erhob er sich eingeschnappt und dampfte ab. Wahrscheinlich würde die Speeddatingrunde nun um einen Kandidaten ärmer sein, aber Jamies Meinung nach stellte dies keinerlei Verlust dar. Als er wieder zu Cari hinschaute, musste er feststellen, dass dieser sich förmlich die Lachtränen aus den Augenwinkeln wischte. Voller Vorfreude sah er dem Gespräch und vor allen Dingen dem Horoskop mit seinem Freund entgegen. Hoffentlich war der Löwe nicht auch so eine langweilige Witzfigur wie der Steinbock. Doch wenn er sich seinen Freund so ansah, bezweifelte er dies stark. Wenn er Cari hätte beschreiben sollen, dann als witzig, unternehmungslustig und selbstbewusst. Und natürlich auch als unwiderstehlich. Dessen Aura war einfach nur unfassbar einnehmend und hatte bei Jamie schon vor Jahren dafür gesorgt, dass er sich zu ihm hingezogen fühlte. Dazu gesellten sich noch die optischen Raffinessen, welche dem Sänger schon ziemlich entsprachen... Bevor er Cari allerdings endlich gegenüber sitzen würde, schnappte er sich das Horoskopeheft und las auf der noch aufgeschlagenen Seite weiter. 'Der Steinbock möchte der Boss sein und der Wassermann möchte sich nicht dominieren lassen.' Abermals wechselte er einen wissenden Blick mit Cari und dachte, dass er diesbezüglich für seinen Freund nur zu gerne eine Ausnahme machen würde. Solch einem stattlichen Löwen würde er sich ohne mit der Wimper zu zucken ergeben zeigen...     *   "Crow!" "Anderson!" Die Freude war selbstredend groß, als Cari seinen Arsch endlich auf den Stuhl Jamie gegenüber pflanzte. Am liebsten hätte der Sänger seinen Freund sogar umarmt, aber bedingt durch den Tisch hätte sich dies als schwierig erwiesen und außerdem hatte er keine Ahnung, ob Cari sich davon wohl überfordert gefühlt hätte. Man durfte schließlich nicht gleich mit der Tür ins Haus fallen. "Na, wie läufts bis jetzt?", wollte der Drummer wissen, als er auf seinen vier Buchstaben saß und Jamie ansah. "Wie viele Typen hast du denn schon bezirzt mit deinem unwiderstehlichen Charme?" Jamie musste lachen, denn ihm war klar, dass er auf ironische Weise auf das ziemlich in die Hose gegangene Gespräch mit Olaf anspielte. "Natürlich lecken sich alle ihre zehn Finger nach mir, was denkst du denn?", gab er selbstgefällig an und strich sich durch das Haar, woraufhin Cari den Kopf wog. "Das glaub ich dir gleich", urteilte dieser daraufhin. "Zumindest tun sie es so lange, wie du ihnen nicht dein wahres Gesicht zeigst." "Mir scheißegal", winkte Jamie ab. "Hauptsache, du stehst auf mein wahres Gesicht." Als Erwiderung darauf grinste Cari lediglich diabolisch. Der Gentleman genoss und schwieg eben. Dass er Jamie damit ziemliches Herzklopfen bescherte, ahnte er wohl nicht im Geringsten. Für ihn stellte das Ganze noch immer einen Spaß dar, den er Jamie zuliebe mitmachte, und er nahm wohl auch das Date mit seinem Freund kein bisschen ernst. Was schon dezent schade war, denn Jamie war Cari ganz und gar nicht abgeneigt. "Wusstest du eigentlich schon, dass meine Waden und meine Knöchel meine erogenen Zonen sind?", sagte er, um sich selbst ein wenig von seinen Empfindungen abzulenken. Was jedoch ziemlich fehlschlug, da Cari ihn daraufhin nur noch unwiderstehlicher anschmunzelte. "Nein, aber gut zu wissen", gab er zum Besten und zwinkerte seinem Freund kokett zu. Dann nahm er sich des Horoskopheftchens an und begann unbehelligt davon, was er in Jamie ausgelöst hatte, darin zu blättern. "Da wollen wir doch mal schauen, wie gut der Löwe zum Wassermann passt, mh?" "Jede Wette, dass sie ein Dreamteam sind", entgegnete Jamie, und nachdem Cari die ersten Zeilen ihres Horoskopes überflogen hatte, funkelten seine schmalen Augen Jamie nur so über das Heft hinweg an, woraufhin dem Sänger sofort alles klar war.   "Mh, das geht ja schon gut los", meinte Cari und lehnte sich entspannt zurück, Jamie dabei aber immer nur kurz aus den Augen lassend, um zu lesen. "Wassermann und Löwe sind Exhibitionisten." Jamie, der eigentlich genauso erstaunt von dieser Einschätzung war, ließ sich seine Verblüffung jedoch nicht anmerken, sondern zuckte nur die Schultern. "Wir wissen schlicht und ergreifend, dass wir uns nicht verstecken müssen", meinte er und erntete dafür von Cari einen weiteren, vielsagenden Blick, von dem er glaubte, dass er ihn förmlich auszuziehen drohte. Dann fuhr der Drummer schmunzelnd fort. "Exotische sexuelle Erfahrungen und risikoreicher Sex, wie z.B. Sex im Freien, sind für diese beiden Sternzeichen typisch. Der Löwe liebt die wilde Leidenschaft und der Wassermann punktet mit seiner Kreativität im Schlafzimmer." Spätestens jetzt kam Jamie nicht mehr umhin, sich auf die Unterlippe zu beißen. Wow, was für ein Horoskop! Er musste feststellen, dass Cari ihn fragend ansah. "Stimmt das?" Jamie legte den Kopf schief. "Sag du es mir." Daraufhin grinste der Drummer verführerisch. "Aber hallo. Was denkst du, was ich alles mit dir anzustellen wüsste...Sex im Freien ist da noch die harmloseste Sache." Aufgrund dieses Kommentars hätte Jamie sich beinahe an seiner eigenen Spucke verschluckt. Am schlimmsten allerdings war die Tatsache, dass seine Ohren zu glühen begonnen hatten und es selbst zwischen seinen Beinen prickelte. Cari machte seinem Ruf als Verführer einmal mehr alle Ehre. Bereits jetzt hätte Jamie ihm ohne Umschweife sein schönes Gesicht abgeleckt und gleich mal mit dem angeblich harmlosen Sex im Freien begonnen. "Und was ist da deiner Meinung nach nicht harmlos?", wollte Jamie erfahren, obwohl ihm längst schwindelte, im Gegensatz zu Cari, der noch gefasst genug war, um Jamie weiter aufzureizen. "Fesselspielchen", schnurrte er. "Dir den Po versohlen wie einem unartigen Jungen. Grr..." "Okay, äh, mach weiter." Jamie schluckte hart und ziemlich benommen, und Cari senkte den Blick auf das Heft, das aufgeschlagen vor ihm lag. Beim Lesen jedoch schüttelte er den Kopf. "Eigentlich müssten laut Horoskop dir doch all die schmutzigen Dinge einfallen, wo du doch der Kreative von uns beiden bist", behauptete er. "Also hau raus, was dir so vorschwebt." Caris offensive Art gefiel Jamie ungemein. Kein Wunder, dass er seine dominante Ader für ihn jederzeit in den Hintergrund gestellt hätte, um zu genießen, wie er ihn führte. "Rapeplay", entkam es ihm schließlich unvermittelt, wofür er einen Blick von Cari erhielt, der sich nicht deuten ließ. Eine Weile lang sahen sie sich an, ehe Cari doch noch den Mund aufmachte. "Mh, du passt zu mir. Ganz ohne Frage..." Jamie, dem diese Einschätzung ein weiteres Kribbeln bescherte, hoffte, dass Cari nun endlich weiterlesen würde. Schließlich konnte das Horoskop nicht noch mehr schlüpfrige Überraschungen beinhalten, so glaubte er. Aber er irrte sich. "Die gute Freundschaft, die Löwe und Wassermann verbindet, führt unweigerlich zur Liebe", las Cari und schmunzelte schief. "Aha, na so was. Wer hätte das gedacht..." Der Sänger saß vollkommen perplex da. Vor diesem Abend noch hatte er Horoskope für blöden Hokuspokus gehalten, der ohnehin nie stimmte - aber das hier war verdächtig zutreffend. Cari und er waren beste Freunde. Und erstaunlicherweise schienen sie inzwischen beide mehr voneinander zu wollen - und das, obwohl Cari doch eigentlich stockhetero war. Noch bis vor ein paar Stunden hätte Jamie an solch eine fantastische Entwicklung nie im Leben geglaubt. Doch so konnte sich das Blatt wenden. Wer wusste denn, wie lange Cari schon etwas von ihm wollte? Vielleicht hatte er es ja bisher lediglich gut zu verstecken gewusst? Jamie hatte ja ebenfalls nichts durchsickern lassen von seinen wahren Gefühlen...   Desweiteren fand sich im Horoskop dies: "Es wird sehr viel Geben und Nehmen, besonders im Schlafzimmer, stattfinden, und wenn die Leidenschaft befriedigt ist, sind diese beiden Sternzeichen wieder beste Freunde. Ihre Freundschaft ist die beste Grundlage für ihre Langzeitbeziehung oder Partnerschaft. Vielleicht sogar Ehe." Cari sah Jamie hocherfreut an. "Ach, du würdest mich sogar heiraten?" "Halts Maul, vor der Ehe kommt Stellung 69", erwiderte Jamie in Anspielung auf das gegenseitige Geben und Nehmen, was sich somit sehr gut umsetzen lassen würde. Der Drummer jedoch gab sich damit noch nicht zufrieden. Herausfordernd musterte er sein Gegenüber. "Fraglich, ob die Leidenschaft denn jemals befriedigt ist", meinte er und rieb sich das Kinn, während er Jamie nicht aus den Augen ließ. "Wenn ich mir dich so angucke, kann ich mir das nicht wirklich vorstellen..." "Ich bezweifle aber stark, dass ich auch in dreißig Jahren noch jung und knackig bin", warf Jamie ein und zog skeptisch eine Augenbraue hoch. "Und ob du mich da noch knallen willst...?" Cari aber nahm ihm seine Zweifel prompt. "Was denkst du denn? Ich bin dann doch selbst Rentner, und unsere tolle Freundschaft wird verhindern, dass ich mich nach Frischfleisch umschaue, wenn du verwelkt bist." Wieder folgte das obligatorische Zwinkern, um zu signalisieren, dass Cari seine Worte nicht ganz ernst meinte. Allerdings musste Jamie noch lange an seine besondere Betonung des Wortes 'Freundschaft' denken. Was eigentlich war Freundschaft wirklich? Wo begann Freundschaft? Und wo endete sie? Mit einem Mal erschien sie dem Sänger schier grenzenlos. Und Cari ging es wohl nicht anders...   Der Drummer war noch nicht fertig mit Vorlesen, weshalb er nun genüsslich den letzten Absatz vortrug. "Der Sex ist rebellisch und glorreich! Nicht unbedingt als durchschnittliche Partner im Bett stecken diese beiden Sternzeichen voller Überraschungen und unerwarteten sexuellen Wendungen. Der Wassermann macht bei allem mit und seine experimentellen Kanten und Ecken werden durch kreativen Sex die Leidenschaft mit dem Löwen wecken." Seine Augen wirkten immer dunkler. "So, und wann offenbarst du mir deine rebellische, kreative Seite endlich?" Jamie klimperte kokett mit den Wimpern. "Sobald du mir die Waden streichelst, du Wildsau." Mehr als ein weiteres, wissendes Schmunzeln erwartete Jamie nicht. Und dabei blieb es auch. Allerdings fraßen sie sich den ganzen, restlichen Abend mit Blicken förmlich auf und interessierten sich für niemanden anderen mehr. Nach den nächsten zwei Gesprächen machten sie schließlich ohne Worte ab, nun gemeinsam zu verschwinden, um in Ruhe übereinander herzufallen. Ausgelöst war dies nur durch dieses Horoskop worden, das ausnahmsweise einmal nichts als die Wahrheit verkündet hatte, wie sie feststellen durften, als Kreativität und Leidenschaft endlich hemmungslos aufeinander prallten... Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)