25 Ways to meet someone von Jyll ================================================================================ Kapitel 16: Butaniku -------------------- Der hungrige Gast: „Was willst du denn damit schon wieder sagen?“ Reita hielt die Tür auf und liess seinen Begleiter zuerst ins Restaurant eintreten. Gleich nach ihm entschlüpfte Reita der kalten Abendluft und blinzelte in die helle Beleuchtung. Es roch nach gegrilltem Schweinefleisch. „Nichts, ich mein nur…“ „Einen Tisch für zwei?“, fragte eine Frau mit zurückgebundenem Haar und schwarzweisser Dienstkleidung. „Ja, bitte…ich meine damit nur, dass der Jahresbericht vorher fertig werden sollte, damit…" „Vorher? Wie viel vorher denn?“ Reita kräuselte die Nase und folgte der Frau mit den Menukarten und seinem Kollegen zwischen den Zweier- und Dreiertischen hindurch zur Wand. Er nahm am Rande wahr, dass etwa die Hälfte der Tische besetzt war. Die meisten davon von Paaren. Reita wandte sich wieder der Diskussion zu. „Nun…zwei Wochen?“ „Zwei Wochen früher? Bist du wa-…ich meine, dass ist nicht dein Ernst, oder?“, räusperte sich Reita und setzte sich hin. „Nein, das ist eine Vorsichtsmassnahme, zum einen und zum anderen…“ Reita nahm die Karte entgegen, genau wie sein Kollege, warf einen Blick auf das hellgelbe, laminierte Papier und tippte rasch auf das Gericht. Er wusste immer schnell, was er essen wollte. „Zum anderen? Wollt ihr genug Zeit, um es zu überprüfen?“, knurrte Reita ungehalten und rutschte auf dem unbequemen Holzstuhl herum. „Aber nein, natürlich nicht…“ Während Reita sich mit halbem Ohr die Ausreden anhörte, schweiften seine Augen über die Dekoration. Sie war modern, ja fast spartanisch. Das Restaurant war Mittelklasse, das sich etwas höher stellen wollte mit den echten und frischen Blumen und einigen Fotografien die schwer nach Takashi Amano aussahen. Vielleicht Farbkopien? „…und deshalb wäre es toll, wenn du sie…sagen wir, ein paar Tage früher fertig hättest.“ Reita drehte den Kopf wieder zu seinem Arbeitskollegen und grummelte innerlich. „Ich werd mal sehen, ob ich das hinbringe. Du weisst, was das immer für eine Riesensache ist, diesen Bericht zu schreiben.“ „Natürlich.“ Sein Gegenüber wählte nun auch endlich etwas zu essen und der warme Sake kam. Gleich drei Schlücke nahm Reita. Er war total hungrig. Besser so, dann flippte er auch nicht aus, solange sein Körper auf den Bauch konzentriert war. Reita schob die Stäbchen zurecht und die Gläser, während er wartete. Er wollte nicht noch länger über den Jahresbericht reden, der ihm eh schon wie ein Stein auf dem Magen lag. Bis jetzt sah es nach einem starken Minus aus. Der Nasenbandträger nahm noch einen Schluck und sah aus dem Augenwinkel ihr Essen kommen. Gott sei Dank. Er rückte etwas zurück und liess sich das Fleisch hinstellen. Er seufzte auf. Fleisch und Sake. Genau was er jetzt brauchte. Rasch nahm er die Stäbchen und fing mit dem Reis an, schnell schlang er aber auch die ersten Schweinefleischstückchen runter und wurde erst nach und nach langsamer. Mit längerem Kauen bildeten sich immer mehr Falten auf seiner Stirn. Das…war nicht gut. Reita unterbrach sich und nahm einen grossen Schluck Sake. Er probierte etwas vom Reis, an dem konnte man nichts falsch machen. Dann das Gemüse. Ja, Gemüse halt. Aber das Fleisch. Nein. Reita legte die Stäbchen weg. Die Wut kochte wieder in ihm hoch. Sein Tag, nein, seine ganze Woche lief schon grauenhaft, dann wollte er nicht auch noch so ein furchtbares Essen. Er hob die Hand und rief die Bedienung. „Verzeihung, aber dieses Fleisch…nicht richtig durch, schlechte Qualität…“ Die Kellnerin schien äusserst verlegen und verbeugte sich, sich mehrmals entschuldigend. „Ich werde sofort ihren Wünschen entsprechen, möchten sie etwas anderes bestellen?“ „Kommt darauf an, gibt es etwas, das nicht verkocht ist?“, fragte Reita säuerlich. „Ich…ich werde…wir werden sicher etwas finden…“ Sie eilte weg zu einer Tür, die wohl die Küche war, so vermutete Reita. Keine halbe Minute später ging die Tür wieder auf und ein Mann in weisser Kleidung, mit zurückgekrempelten Ärmel rauschte auf ihn zu. „Mein Gericht ist also nicht gut?“, knurrte der Koch, der im Stehen nur wenig grösser war, als Reita im Sitzen. Der Gast musterte ihn und nickte dann. „Es ist geradezu miserabel. Das nennt ihr Schweinefleisch?“ „Ja, das ist Schweinefleisch. Anscheinend haben Sie so etwas noch nie gekostet.“ Reita biss die Zähne so heftig aufeinander, dass sein Kieferknochen hervortrat. Er schob ihm den Teller zu. „Wie Sie das nennen wollen ist mir egal, aber Fleisch darf man das kaum nennen.“ „…“ Der Küchenchef packte die Stäbchen, nahm Fleisch auf, schob es sich in den Mund und kaute. Man sah, wie er langsam mit der Zunge das Stück herumschob. Dann nahm er die Serviette und spuckte den Rest hinein. „Einen Moment bitte.“ Der Chefkoch nahm den Teller und die Serviette und preschte zurück in die Küche. Reita hob eine Augenbraue. Sein Kollege sagte nichts, sondern ass weiter. Anscheinend hatte er nichts an seinem Huhn auszusetzen. Der Küchenchef: „Er hat was gesagt?“ Ruki riss das Tuch von seinen Schultern und sah die Bedienung fassungslos an. Die Kellnerin stotterte hilflos, sie schien nicht zu wissen, wie sie es formulieren sollte. „Aus dem Weg.“, grollte der Küchenchef und warf das Tuch auf die Schneidbretter. Das durfte nicht wahr sein. Das brauchte er diese Woche wirklich nicht auch noch. Ausserdem war es eine verdammte Frechheit. Mit beiden Händen stiess er die Doppeltür auf und ging rüber zu dem Kerl, der mit verschränkten Armen und einem Gesichtsausdruck, wie frisch in eine Zitrone gebissen da sass. „Sie haben also ein Problem mit meinem Essen?“ Er versuchte seine Stimme angemessen klingen zu lassen. „Es ist miserabel. Das ist doch kein Schweinefleisch.“ „Für wen halten Sie sich? Haben Sie noch nie Schweinefleisch gegessen?“ „Schon oft, aber das hier esse ich nicht. Das ist eine Beleidigung für den Gaumen.“ Ruki knirschte mit den Zähnen, packte die Stäbchen und kostete vom Fleisch. Er kaute zuerst schnell, aber als ihm die Zähigkeit auffiel und den Beigeschmack verlangsamte er. Er musste an sich halten, nicht das ganze Gesicht zu verziehen. Was zur Hölle war das? Das konnte doch nicht aus seiner Küche kommen. Oh Gott, widerlich. Er hielt das nicht mehr aus. Rasch nahm er das Erstbeste, eine Serviette in dem Fall und entledigte sich dieses…was auch immer. „Entschuldigen Sie mich kurz.“ Die Zumutung auf dem Teller nahm er gleich mit und hetzte zurück in die Küche. „Souschef!“, bellte Ruki wütend und knallte den Teller so heftig hin, dass er beinah auf der Metallplatte zerbrach. Der Japaner eilte zu ihm. „Chef?“ „Wer hat dieses Fleisch zubereitet? Hol mir sofort den Boucher her! Und mach ausfindig, wer das gebraten hat.“ In ihm brodelte es, sein Gesicht war heisser als der Herd. Kurz darauf waren die zwei Zuständigen da. „Diese…diese Unverschämtheit hab ich nie gesehen, weil ich sie niemals aus der Küche gelassen hätte und der Souschef anscheinend auch nicht! Eine Frage, ist das unser Fleisch? Vom Restaurant eingekauft?“ Ihr Metzger kostete und spuckte aus. „Auf keinen Fall.“ „Sie sind entlassen.“ Ruki schickte ihn mit einer Handbewegung weg, um sich dem sogenannten Koch zuzuwenden. „Eigenes Fleisch? Eigen zubereitet? Unter den Augen der Zuständigen durchgeschmuggelt? Das ist schlichter Rufmord!“ Rukis Worte überschlugen sich beinahe. „Rufmord ist erst der Anfang. Was für eine Blamage…“ Ruki zeterte noch eine gehörige Weile, riss ihm die Schürze runter und warf ihn aus der Küche und somit aus dem Restaurant. Er musste sich sammeln. Ruki sperrte sich in ihren riesigen Gefrierschrank ein und atmete durch. Er richtete seine Haare. Jetzt musste er einiges wieder gut machen. Wegen dieses Idiotes. Er hätte beinahe nicht nur seinen Ruf, sondern auch den der Küche ruiniert. So etwas konnte Ruki sich nicht leisten. Auf keinen Fall zu diesem Zeitpunkt. Er war nun eine Weile Küchenchef und es war nur noch eine kleine Frage der Zeit, bis er von einer renommierteren Küche abgeworben wurde. Also hiess es nun Schadensbegrenzung! Der Küchenchef richtete seine Schürze ein letztes Mal und ging mit gemessenem Schritt zurück zum Tisch. „Dieses…Gericht…wurde nicht abgesegnet. Der Verantwortliche wurde soeben entlassen. Ich bitte im Namen des Restaurants um Entschuldigung. Und vor allem…in meinem Namen.“ Ruki atmete durch und verbeugte sich dann tief. „Ich werde persönlich ein Menu für sie kochen.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)