Im Schatten der Samurai von Bambusbesen (Sasori X Deidara X Gaara) ================================================================================ Kapitel 59: Shôgatsu -------------------- Heute war Shôgatsu[53] und Deidara musste Wache schieben. Die meisten Samurai waren natürlich bei ihren Familien. Nur die ungebundenen Krieger hatten die Verpflichtung, ihren Aufgaben nachzukommen, damit keine Lücke im Schutz der Burg aufsprang. Eigentlich wäre Deidara gern zu Akatsuki geritten. Shôgatsu mit der Bande war immer lustig gewesen. Aber sie waren heute unterbesetzt. Ein Angriff würde fatale Folgen nach sich ziehen, sollte jemand den Festtag ausnutzen wollen. Also hielt der Blonde gelangweilt auf der Mauer Wache, schritt langsam den Wehrgang seines Abschnittes entlang. Zeitlich versetzt war den wenigen Wachhabenden erlaubt, den Schrein zu besuchen[54]. Was Gaara wohl machte? Sicherlich verbrachte er den Tag mit seiner Familie wie es Brauch war. Gesehen hatte er den Daimyô bisher nur vom Weiten auf ihrem Weg zum Schrein. Schnaufend lehnte Deidara sich gegen die Mauer und stützte seine Unterarme auf den abschließenden Ziegeln ab. Sein Blick glitt über die Matsuyama und die sich anschließende Landschaft. Die Natur erwachte gemächlich zum Leben. Die Winter waren auf Shikoku nicht so hart wie auf der Hauptinsel im Gebirge und Schnee fiel selten, aber deutlich erkannte man den Frühlingsbeginn. Die ersten Blumen sprossen und die Bauern begannen mit der Aussaat. Deidaras Auge richtete sich auf das Meer zu seiner Linken. Der Wind brachte eine gewisse Unruhe mit sich und trieb die Wellen vor sich her zum Strand. Er könnte einfach abhauen und zu Akatsuki reiten. Aber das hätte er schon gestern machen sollen, da er mindestens einen Tag brauchte bis zum Geisterwald, wenn er schnell ritt. So oder so käme er erst morgen an, würde er jetzt noch losreiten. Leise seufzte er. Deidara fühlte sich ein wenig einsam. Alle waren hier immer so ernst und regelkonform. Eine gute alte Prügelei gab es nicht. Hidan war für den Spaß immer zu haben gewesen und sei es nur, weil Deidara irgendwo überschüssige Energie oder Frust abbauen wollte. Sogar Itachis Raben vermisste er ein wenig. Hier flog nie ein Vogel ins Gebäude und sorgte für Chaos. Was der Vogel nun wohl machte, wo das Onsen nicht mehr existierte? Oder Kisames Fürsorge. Manchmal war der Ältere nervig gewesen, wenn er immer gefragt hatte, was los war, aber hier interessierte das niemanden außer Gaara. Deidara wusste, dass er mehr oder weniger geduldet wurde, weil niemand die Entscheidung des Daimyô öffentlich anzweifeln wollte. Aber er bemerkte die Blicke der anderen Krieger. Sie sahen in ihm nach wie vor den Rônin. Und sie hatten Recht damit, denn innerlich fühlte er sich so. Als Rônin war man frei und konnte gehen, wohin man wollte. Bei Akatsuki gab es nur wenige Regeln. Sie hatten ihn nicht einmal gestört, waren sie keine wirkliche Belastung, wenn man eine Beziehung zu den anderen hatte und es irgendwo ein ‚Wir‘ gab. Und er gehörte auch immer noch zu ihnen. Yahikos letzte Worte waren eindeutig gewesen, bevor er das Anwesen im Geisterwald verlassen hatte. „Leg endlich Sasoris Schwerter ab. Sonst kommst du nie über den Verlust hinweg.“ Der Anführer von Akatsuki sah ihn als zugehörig. Ansonsten hätte er das nicht gesagt. Deidara glaubte jedoch nicht, dass er jemals ganz über Sasoris Tod hinweg kommen würde. Sein Meister bedeutete ihm einfach zu viel und das würde auch so bleiben. Aber das Leben ging weiter, so weit war er inzwischen. Sasoris Waffen lagen nun auf der Halterung in seinem Wandschrank. Er hatte die Schwerter getauscht, nachdem er aus Hiroshima zurückgekehrt war. Es sollte ein Zeichen sein, dass er bereit war, sich wieder auf die Gegenwart und Zukunft einzulassen, was sie bringen würde. Aber gerade jetzt vermisste er seinen toten Meister. Und Akatsuki. Das Jahr nach der Schlacht war es ihm lieber gewesen, allein zu sein als zwischen den anderen Rônin ohne seinen Meister. Die Angst, dass es einfach ohne Sasori weitergehen würde, hatte tief gesessen. Doch nun, wo er sich wieder mehr und mehr seiner Umgebung öffnete… bemerkte er, dass er die ungezwungene Interaktion mit anderen vermisste. Deidara fuhr sich mit der linken Hand durchs Haar und stieß sich von der Mauer ab, um seinen Weg über den Wehrgang fortzuführen. Er sollte schließlich Wache schieben. Die Sonne war lange hinter den Horizont getaucht, als Deidara aus dem Bad kam und in sein Zimmer schritt. Das feuchte Haar hing ihm schwer über die Schulter. Ein paar letzte Wassertropfen wurden vom roten Stoff des Yukata aufgesogen. Die Öllampe stellte er neben seinem Futon ab, der bereits ausgebreitet an der äußeren Wand unter dem Fenster lag. Vielleicht ein Überbleibsel aus seiner Zeit nach Sasoris Tod. Eine Wand im Rücken konnte ihm ein wenig Halt geben, auch wenn es nur eine Illusion war. Der Blonde sah zum Wandschrank. Nach ein paar Augenblicken des Starrens überwand er die wenigen Meter und öffnete ihn. Im Schneidersitz ließ er sich auf die Tatami sinken und betrachtete das elegant geschwungene Katana in der dunkelroten Saya. Man könnte meinen, sie sei in Blut getränkt. Behutsam, als handele es sich um ein lebendiges Wesen, nahm er das Katana in die Hände und zog die Klinge ein Stück weit aus ihrer Hülle. Nahe des Griffes prangte ein kleiner Skorpion auf der breiten Seite des Katana. Sein Daumen glitt sanft über die Gravur. Kalt schmiegte sich der Stahl gegen seine Fingerkuppe. Solange Sasori gelebt hatte, war er nie zu Shôgatsu allein gewesen. Tief seufzte der Blonde. Ein leises Klopfen an der Schiebetür riss ihn aus seiner Trauer. Wer konnte das jetzt noch sein? Ein Diener mit einer wichtigen Mitteilung? Deidara schob die Klinge gänzlich zurück in die Saya. Das charakteristische Klacken erscholl. Sasoris Katana fand seinen Platz auf der Halterung. Schwerfällig erhob Deidara sich, schob die Schranktür zu und trottete zur Tür. Erst dort raffte er sich auf. Niemand sollte ihm seine Trauer ansehen. Er schob die Tür auf. Überraschung zuckte durch sein sichtbares Auge. „Gaara…“, entkam es ihm leise. Der Daimyô stand mit einem Tablett vor seiner Tür und wirkte ein wenig unruhig. Sein Blick huschte durch den leeren Flur. „Kann ich reinkommen?“, fragte er. Es war offensichtlich, dass er nicht gesehen werden wollte. Bemerkte ihn jemand, wie er um diese Zeit in Deidaras Zimmer trat, würden unweigerlich Gerüchte aufwallen wie die Fahnen auf den Burgmauern von den Windböen aufgebauscht wurden. Deidara wich einen Schritt zur Seite, damit der Rotschopf eintreten konnte. Hinter ihm schloss er die Tür und sah zu ihm. „Was machst du hier? Um diese Zeit, hm?“, fragte Deidara mit gedämpfter Stimme. Gemächlich folgte er Gaara zum Tisch, auf welchem dieser das Tablett abstellte, ehe er sich ihm zuwandte. Der Daimyô war nur in einen beigefarbenen Yukata gekleidet. Am unteren Saum und auf den Ärmeln zogen große Chrysanthemen in warmem Rot die Aufmerksamkeit auf sich. Einzelne grüne Blätter umrahmten die stilisierten Blüten. Der Yukata wurde von einem ebenfalls roten Obi zusammen gehalten. Das war das erste Mal, dass Deidara den Rotschopf in eher privater Kleidung sah. Jadefarbene Augen erfassten ihn. „Ich möchte gern ein wenig Zeit mit dir verbringen“, erklärte Gaara. „An Shôgatsu sollte niemand alleine sein.“ Ein kleines Lächeln stahl sich auf seine Lippen. Es war angenehm, dass der Rotschopf an ihn dachte. „Danke“, hauchte der Blonde. Das bedeutete ihm viel. Gaara verhinderte vermutlich gerade, dass er sich mit Sasoris Katana in den Armen im Bett zusammenrollte und in seiner Sehnsucht versank. „Allerdings habe ich nur ein Sakeschälchen. Stört es dich, wenn wir uns das teilen? Es wäre aufgefallen, hätte ich zwei bestellt.“ Warf das Licht der Öllampe einfach nur einen seltsamen Schatten oder wirkte Gaara tatsächlich verlegen? Sicher war Deidara sich nicht. „Stört mich nicht“, versicherte der Blonde. „Setz dich, hm.“ Er deutete auf das Sitzkissen. Während Gaara seiner Aufforderung nachkam, stellte er die Öllampe auf den Tisch und zog aus dem Schrank ein zweites Sitzkissen. Er setzte sich neben Gaara und betrachtete nun erstmals genauer, was er mitgebracht hatte. Mochi[55] und Thunfisch eingewickelt in süßen gekochten Seetang fanden sich neben einer Flasche Sake und einem zur Flasche passenden Schälchen. Traditionell war ihm heute zum Essen auch Mochi gereicht worden, zusammen mit Miso-Suppe. Aber es hatte sich nicht wie Shôgatsu angefühlt. „Das ist für dich.“ Gaara deutete auf die Speisen. Irritiert sah er den Rotschopf an. „Du möchtest nichts, hm?“ Ein leichtes Kopfschütteln war die Antwort. „Ich habe vorhin gegessen.“ Deidara fand es nett, dass Gaara nicht extra erwähnte, dass er mit seiner Familie gegessen hatte. Denn das war klar. Der Blonde griff nach den Stäbchen und begann zu essen. Beim ersten Bissen fiel ihm der Unterschied auf. Die Köche veredelten selbstverständlich die Speisen der herrschenden Familie. Die Mahlzeiten der Krieger waren gut, das wollte er gar nicht bestreiten. Jedoch war der Seetang süßer und der Thunfisch zarter sowie mit weiteren Gewürzen verfeinert. Ein wohltuend harmonischer Geschmack breitete sich in seinem Mund aus. „Ffmeckt lecker“, erklärte der Blonde. Gaaras Mundwinkel hoben sich zu einem kleinen Schmunzeln. In dem Moment wurde ihm bewusst, dass er wieder einmal mit vollem Mund sprach. Sasori hatte ihn immer dafür gerügt. Schweigend aß Deidara weiter. Auf den Tellern blieben bestenfalls ein paar kleine Krümel zurück. Angenehm gesättigt legte der Blonde die Stäbchen zurück auf das Tablett. Das azurblaue Auge verfolgte die ruhigen Bewegungen, während Gaara Sake in das Schälchen goss. Auffordernd hielt der Rotschopf ihm selbiges hin. Ein Grinsen konnte er sich nicht verkneifen. „Willst du mich besoffen machen, hm?“, fragte er, nahm ihm das Schälchen trotzdem ab und trank daraus. Der Sake war angewärmt. Und es musste sich um eine sehr edle Sorte handeln, denn solchen Sake hatte der Blonde noch nie getrunken. Samtig benetzte die Flüssigkeit seine Zunge und hinterließ ein anregendes Kribbeln. Gaara schmunzelte. „Nein.“ Deidara hielt ihm das halbleere Schälchen hin. „Na dann trink, hm“, forderte er ihn amüsiert auf und beobachtete zufrieden, wie der Rotschopf nach dem Sakeschälchen griff und ebenfalls von dem warmen Sake trank. Da die Schale recht klein war, war sie auch entsprechend schnell leer, wenn man zu zweit trank, sodass Gaara bereits nachfüllen musste. „Du bist heimlich hier, nicht wahr?“ Es war eher eine Feststellung denn eine Frage. Aber der Gedanke belustigte ihn, dass Gaara sich durch seine eigene Burg schlich, um mit ihm den ersten Abend des neuen Jahres zu verbringen. Ob das Prickeln in seinem Inneren nun von dem Sake kam oder doch eher von dem Gedanken, dass er Gaara wichtig war, da war er sich nicht ganz sicher. Er fühlte sich aber gerade zu wohl, um sich darüber nähere Gedanken zu machen. Gaara nickte. „Ich möchte kein Gerede aufkommen lassen.“ Deidara konnte das sogar nachvollziehen. Wie viel Respekt hatte man vor einem Daimyô, der wegen persönlicher Belange einen Rônin bei sich aufnahm? Den normalen Maßstab konnte er zwar nicht bei Gaara anlegen wegen seiner Gabe, jedoch würden die Männer hinter seinem Rücken darüber reden. Deidara trank erneut vom Sake. Über den Rand des Schälchens hinweg fixierte er die jadefarbenen Augen. „Und was, wenn dich jemand sucht, hm?“ Seine Stimme senkte sich und erhielt einen raueren Unterton. Ein Resultat des Sake vermischt mit Gaaras Anwesenheit. Denn dieser gab ihm erst einen Anreiz. „Ich hoffe, dass es heute keinen Grund mehr gibt, mich aufsuchen zu müssen“, erwiderte der Rotschopf und nahm ihm das Schälchen aus der Hand, um es zu leeren. Als er es abstellte, verweilte Deidaras Blick auf den feucht glänzenden Lippen. Das Verlangen wuchs in ihm, diese schön geschwungenen Lippen zu vereinnahmen. Ohne weiter darüber nachzudenken, streckte er seine Hand nach Gaara aus und schob sie in dessen Nacken, um ihn näher zu sich zu ziehen. Deutlich spürte Deidara dessen Hand, die sich auf seinem Oberschenkel abstützte und ein Prickeln auf seiner Haut auslöste. Aufmerksam lag der Blick des Daimyô auf ihm. Sie waren sich so nah, dass der Blonde seinen warmen Atem auf den Lippen spüren konnte. Ein zartes Rot breitete sich auf Gaaras Wangen aus und ließ ihn sanfter wirken. Deidara mochte diesen Ausdruck. Zusammen mit dem schummrigen Licht der Öllampe, welches den Rotschopf wohlig einhüllte, bot sich ihm eine Verlockung, der er nicht widerstehen wollte. „Dann hoffe ich das, hm“, flüsterte er, ehe er seiner Begierde nachgab. Begehrend presste er seine Lippen gegen Gaaras. _______________________________________________ [53]Shôgatsu: Neujahrsfest. Früher wurde es zu Beginn des Frühlings gefeiert. Erst seit 1873 stellte Japan auf den gregorianischen Kalender um und legte Neujahr auf den 1.1. [54]traditioneller Neujahrsschreinbesuch: hatsumôde (wird nicht durchgeführt, wenn im vergangenen Jahr jemand in der Familie verstorben ist) [55]Mochi: Reiskuchen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)