Utopia von Inzestprodukt (NaNoWriMo-Arbeit) ================================================================================ Kapitel 6: 5 ------------ In Raphael scheinbar auch, denn mit einem Mal wurde er kalkweiß und wenn nicht alles täuschte, machte sich ein unverkennbares Zittern in seiner geballten Faust bemerkbar. Auch befeuchtete er seine Lippen schnell, starrte dann auf das kleine Stück, was er über Kiras Schulter vom Kleinsten erkennen konnte. „Michael!“ Wieder ein gereizter Tonfall, die Eisenstange in der anderen Hand wurde fester gepackt – er wollte doch wohl nicht etwa…? „Halt mal“, kam es dann in Richtung Uriel und ehe er sich versah, bekam er besagte Waffe in die Hände gedrückt, damit der andere seinen kleinen Bruder mit einem Ruck aus dem Auto ziehen und nach dessen Vitalfunktionen suchen konnte. Doch viel zu suchen war da nicht, er atmete ganz klar und deutlich und wenn nicht alles täuschte, schien er zu schlafen. Blut klebte überall an ihm und eine letzte Hoffnung blieb, dass es nicht sein eigenes war. Uriel war sich nicht sicher, wie die Beziehung der beiden Brüder untereinander war aber er selber hätte Michael nun getragen – so nicht Kira, der ihn einmal kräftig schüttelte und damit bewirkte, dass der Junge wirklich die Augen öffnete . Da war noch immer dieser stechende, goldene Farbton, der dem Größten unter ihnen einen kalten Schauer bereitete. Eine erste Orientierungslosigkeit verschwand schnell aus seinem Gesicht und machte tiefem Trotz Platz und schon wurde nach den helfenden Händen geschlagen. „Was willst du?“ „Was fällt dir ein, nicht zu uns zu kommen?“ „Nerv mich nicht!“ Mit einem Ruck zog Kira den Jüngeren auf die Beine und umklammerte dessen Handgelenk, was bei Michael latente Aggressionen auslöste; wie ein sich windendes Tier setzte er sich mit aller Kraft zur Wehr, wurde nun aber vom scheinbar nicht minder sturerem Bruder quer durch die Etage geschleift, alle Segel in Richtung „höher“ gesetzt. Raphael atmete vermutlich die Anspannung eines Kriegsgefangenen aus und fuhr sich durch das Haar, ehe er schnellen Schrittes folgte; um nicht alleine doch vor einem eventuell untotem Problem zu stehen, folgte auch Uriel ihnen möglichst schnell und holte die kleine Truppe schon auf den ersten zwanzig Metern ein. Ob sich das angebliche Desinteresse nun in Sorge und letzten Endes Wut verwandelt hatte war schwer zu sagen; Kiras Gesicht nahm wieder diesen eintönigen Ausdruck an, während seine Hand erbarmungslos fest das dünne Gelenk des Rothaarigen umschloss. Die körperliche Unterlegenheit war hier ganz deutlich zu sehen, wobei Uriel sich selber noch weit hinter Michael einstufte – unberechenbare Personen konnten gefährlicher werden als die meisten Straßenkämpfer. „Du lebst also“, hörte man Zaphikels Stimme letzten Endes und endlich ließ auch Kira den Kleineren los, setzte sich kommentarlos wieder auf den zuvor eingenommenen Platz am Boden, ehe er neben sich griff und auch den Rothaarigen nach unten zwang, ihm dann Brot und Wasser in die Hände drückte. „Nerv nicht, iss.“ „Du hast mir gar nichts zu sagen!“ Sah noch jemand die Funken fliegen oder lag das nun an Setsuna, dessen Blick ungläubig auf die beiden Parteien gerichtet war; sah es so aus, wenn Himmel und Hölle sich den Krieg erklärten? „Iss.“ Die Stimmung schien ihm egal zu sein, denn Raphael setzte sich direkt neben den kleinen Rotschopf und dieses eine Wort schien ihn dann doch zu erreichen – wobei er bei jedem Bissen Brot den Eindruck machte, als müsste er eine ganz persönliche Rechnung mit genau diesem begleichen und nutzte seine Zähne als tödliche Waffen. Ein geschlagenes Seufzen von Kato, der ein Steinchen gegen den Kopf des Sorgenkindes schnipste; innerlich hatte er schon lange mit seinem Leben abgeschlossen, warum also nicht? „Dass man immer wegen dir Probleme hat. Wo warst du so lange?“ Ein glühender Blick in seine Richtung, was jedoch wenig Reaktion auslöste – es sei denn, Kato starb gerade wie Uriel innerlich tausend Tode der Angst. „Er hat in einem Auto geschlafen“, informierte Raphael die Runde nun, was für die beiden alten Hasen der sonderbaren gruppe kein Problem darzustellen schien; dann schlief er halt genau dort, wo er gerade noch zig Untote gemeuchelt hatte, wo war schon das Problem? Es war ja nicht so, dass ihre heutige Zeit Gefahren barg, die man sonst nur aus Hollywood kannte, keines Wegs. „Wie, geschlafen?“ Immerhin war Setsuna noch Uriels Ansicht und stellte in Frage, sich einfach mal auf einen Rücksitz zu legen und den Tag ausklingen zu lassen. Fassungslosigkeit stand im Blick des blonden Jungen, welcher sich dann doch nicht ganz traute, nun auch noch am scheinbar sehr dünnen Nervenkostüm des kleinen Terroristen zu rütteln und stattdessen eine Antwort bei demjenigen suchte, der auch mit der Information herausgerückt war. Raphael jedoch zuckte nur die Schultern und schaute noch einmal zum genervt kauenden Michael, der jedoch einen guten Teil von seinem Brot übrig ließ, dann von Kira am Bein angestoßen wurde. Genervtes Augenrollen, dann biss er wieder hinein, kaute allerdings weniger hasserfüllt als zuvor. Ehrlich gesagt wirkte er noch immer schrecklich müde; blass und etwas in sich zusammengesackt. Hatte er nicht zuvor bei Raphael oben gelegen und geschlafen? Wobei, das konnte niemand wirklich sagen, er hatte ihnen ja den Rücken zugekehrt und selbst Raphael war wohl zwischenzeitlich eingeschlafen. Aber man lag doch nicht bei jemandem, wenn selber kein Auge schließen wollte, oder? „Ich geh pennen“, hörte man ihn dann auch schon etwas gedämpft sagen; mit beiden Händen stützte er sich beim Aufstehen am Arztstudenten ab, rieb sich mit dem Handrücken über die Augen und ging dann langsamen Schrittes zum Wohnmobil; entweder war er wirklich müde, oder aber er spielte dies übertrieben aus, um nicht weiter im Mittelpunkt zu stehen. Fast würde Uriel auf die zweite Vermutung wetten, denn er hatte noch nie jemanden gesehen, der innerhalb von nicht einmal zehn Minuten von einer tobenden Ansammlung aus Wut und Gegenwehr zu einem fast im Stehen schlafendem Kind wurde. Er meinte es aber scheinbar ernst, zumindest kam er nicht heraus und auch Raphael folgte ihm wieder, trat in ihre kleine Wohneinheit hinein. Es war auch mehr Neugierde als Sorge oder sonst was, weshalb auch Uriel ihnen folgte, dabei stets Kiras Blick im Rücken spürte; hoffentlich wurde der nicht durch die Eisenstange ersetzt, denn mit jeder Aktion vertraute er ihm weniger. Irgendwas stimmte hier einfach nicht. Drinnen angekommen sah er dabei zu, wie Raphael dem kleinen Poltergeist wieder nach oben auf einen der Schlafplätze half und dann auch dafür sorgte, dass die Schuhe nicht alles verdreckten; schnell ausgezogen band er die Schnürsenkel in einer Schleife zusammen und ließ sie behutsam nieder. Generell verhielt er sich sehr leise, schob dann die blassen Füße auf den Liegeplatz und setzte sich zumindest halb aufrecht zu ihm. Sie hatten keine Schlafdecken hier, dennoch wärmte er ihn mit seiner eigenen Jacke, breitete diese erst über dem Körper aus und schob sie ihm dann behutsam unter die Seiten. Auch konnte Uriel hören, wie er leise mit ihm sprach, dabei aber auf weitere Vorwürfe verzichtete und ihm scheinbar einfach nur gut zureden wollte; es sei in Ordnung, jetzt zu schlafen. Sie seien hier sicher, die beiden Neuen würden ihnen auch nichts tun. Witzig, hielt doch eigentlich Uriel die anderen für die Gefahr. Sie hatten also Angst vor ihnen? Zumindest misstrauten sie sich gegenseitig, das war doch schon einmal eine Basis, mit der man arbeiten konnte. Die ganze Zeit kam keine Antwort für den hübschen Blonden, doch er redete weiter, flüsterte gegen Ende und wenn man richtig hinsah, konnte man seine Hand erkennen, wie sie durch das feurige Haar strich und immer wieder über die blasse Wange des ohnehin nicht wirklich gebräunten Jungen berührte. Es folgte ein wirklich behutsamer Kuss auf die Stirn, ein letztes Streicheln über die Brust und dann kam er wieder von dort oben herunter, nahm sich wortlos die zusammengebundenen Schuhe und stellte sie auf die Seite. Uriels Anwesenheit schien er bemerkt, sich aber nicht weiter dran gestört zu haben. „Ist das richtig?“, fragte dieser dann, wurde aber mit einem an die Lippen gelegtem Zeigefinger zum Schweigen angehalten. Raphael deutete stumm Richtung Tür, was für Uriel wirklich keinen Sinn ergab; im Auto hatte der Kurze doch auch geschlafen wie ein Stein, trotz rufen und schütteln. Dennoch kam er diesem Wunsch nach und verließ das Wohnmobil. direkt gefolgt von Raphael, der einige Meter Abstand zum Rest einnahm und auf ihn zu warten schien; wenn er denn meinte. Also folgte man dem Blonden, der sich um eine Zigarette bemühte und diese letzten Endes aus der zerknitterten Schachtel zog, die ohnehin in seiner Hose ruhte. Erst, als er die ersten paar Züge einatmen durfte, widmete er sich wieder dem Fragenden: „Was meinst du?“ Uriel zuckte hilflos mit einer Schulter, schob sich dann die Hände in die Hosentaschen. „Du und er.“ „Hast du ein Problem mit Homosexualität?“ Es klang jedoch nicht gereizt, nein. Raphael schien ich eher an dem Gedanken zu amüsieren, ein Lächeln kräuselte sich auf den schmalen Lippen und er lehnte sich an die Betonsäule hinter sich, blies abermals den bläulichen Rauch aus. „Nein, gar nicht. Ich meine den Altersunterschied. Wie alt ist er? Zwölf, dreizehn?“ Jetzt war es Unglaube, der sich im Gesicht des Rauchenden widerspiegelte; das ging schnell, das Gefühlsspektrum hatte sich also innerhalb weniger Sekunden vollkommen verändert. „Ernsthaft? Das glaubst du? Hältst du mich für einen Pädophilen?“ „Nein, das… also… so wollte ich es nicht ausdrücken, läuft aber wahrscheinlich auf den Gedanken hinaus, ja.“ Oh Gott, so sollte es wirklich nicht klingen aber letzten Endes war es das, was er dachte; konnte man ihm deswegen nun Vorwürfe machen? Auch, wenn der Kurze sich nicht wie ein Kind benahm – sah man von den Trotzattacken und Wutausbrüchen ab, wenn etwas nicht nach seiner Nase lief – war es dann doch irgendwie falsch, oder? Raphael blies noch einmal eine Ladung Rauch aus, schüttelte dann aber sachte den Kopf. „Er ist sechzehn. Man kann drüber streiten, ob ich mit meinen zweiundzwanzig Jahren wirklich an einen Teenager gehen sollte, aber er ist wie gesagt sechzehn. Sprich ihn nicht auf seine Körpergröße an, das überlebst du nicht.“ Er grinste nun sogar etwas, aber Uriel kaufte ihm jedes Wort vorbehaltlos ab und nickte zum Zeichen, dass er verstanden hatte. Gut, in Asien waren viele Männer klein. Sie bildeten eine irgendwie geartete Ausnahme, da er jeden von ihnen auf den ersten Blick auf über 1,70m schätzte – mit einer gerade schlafenden Ausnahme. „Ihr wirkt nicht sehr asiatisch. Du genauso wenig wie der Kurze.“ Der erhobene Zeigefinger ließ ihn misstrauisch die Augenbrauen nach unten ziehen, doch noch immer grinste Raphael, als er mit diesem wedelte. „Pass mit solchen Aussagen auf. Du bist auch nicht gerade das, was ich mir unter Japan vorstelle, oder?“ Ja, der Typ war verdammt schlau – nicht wegen dieser nun nicht gerade wahnsinnigen Entdeckung, aber sein ganzes Wesen schrie „Streber“ – und genau das machte ihn noch etwas gefährlicher, wobei man ja eher vor der unerwarteten Kraft der Dummen zurückschreckte. „Belassen wir es dabei“, schloss Uriel und war sich gleichzeitig darüber im Klaren, dass er vermutlich bald selber am Pranger stehen würde; immerhin ließen sie ihn in Ruhe, wohingegen er gar nicht genug erfahren konnte. Selbstreflexion war so eine Sache und fand oft erst dann statt, wenn es oft schon zu spät war, etwas Gesagtes wieder ins richtige Licht zu rücken. Ein Schuss durchschnitt ihre ruhige Geräuschkulisse und ein Körper am Wohnmobil sackte zu Boden, was den erzwungen entspannten Moment zwischen ihm und Raphael unterbrach. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)