Im Auge des Täters von Goetheraserei ================================================================================ Kapitel 1: Ein Neuanfang? ------------------------- ___________________________________________________________________ "Du findest niemals einen Regenbogen, solltest du nur zu Boden schauen." - Charlie Chaplin ___________________________________________________________________ Naruto traute sich kaum aufzublicken. Einzelne Tropfen von einer warmen Flüssigkeit perlten regelmäßig auf seine kühle Wange, er fühlte, dass seine neugekauften Captoe Oxford sich mit Wasser voll sogen, und spürte seinen Schweiß, der seine Stirn hinunter ran und seine Schuluniform an ihm kleben ließ. Keuchend stieß der Jugendliche seinen Atem aus. Sein gesamter Körper schmerzte, jede seiner Fasern schrie um Hilfe und Ruhe - Ruhe, die ihnen vergönnt wurde. Naruto hob langsam seinen Kopf, versuchte sich etwas in der Umgebung zu orientieren. Neben dem Geruch von trockenem Staub und abgestandenem Wasser, nahm er einen feuchten, nach Eisen riechenden Duft wahr. Wo war er hier? Er öffnete seine Augen. Sein Klassenzimmer war ein einziger Schutthaufen, vier Überreste von Wänden versuchten wacker keine weiteren Steine an den Boden abzutreten, und ein Dach zu suchen war, reine Zeitverschwendung. Die kohlschwarzen Wolken am Himmel schwebten gierig über das Szenario, verschluckten frech die Sonnenstrahlen und versuchten durch ihren kühlen Duft in Narutos Lungen einzudringen. Mit ihren dreckigen Händen tasteten sie sich am unschuldigen Korpus entlang, strichen hauchzart über die feuchte Kleidung, küssten sanft die Wangen des jungen Mannes und hinterließen einen kalten Schauer. Naruto rieb sich fröstelnd über die Arme und ließ seinen Blick über den verwüsteten Raum schweifen. Vor weniger als zwei Stunden hatte er unfreiwillig als Zielscheibe von unterschiedlichen mit Spucke und Nasenschleim gefüllte Papierkügelchen gerade stehen müssen und darauf gewartet, dass die Schulglocke gnädig das Ende einläuten würde. Doch im nächsten Moment krachte die Decke ohrenbetäubend auf den Boden, ohne Rücksicht auf die anwesenden Menschen zu nehmen. In Narutos Ohren hallten immer noch die panischen Angstschreie seines Lehrers und seiner Mitschüler, das schmerzerfüllte Aufjapsen und Stöhnen und die knackenden Knochen wider. Er betrachtete sich selbst. Wie durch ein Wunder war die Decke direkt über Naruto gebrochen, gab einen Spalt frei. War es etwa Gottes Beschluss nur ihn am Leben zu lassen? Entschied er quasi über Leben und Tod? Sensei Ebisu war von der herab stürzenden Zimmerdecke zerquetscht worden. In einem dunklen Gemisch aus Blut, Staub und Dreck liegend lugte sein linker Arm verloren aus dem Trümmerhaufen hervor, während sein schmächtiger Körper ab der Schulter unter dem schweren Beton verschwand. Neutral wie ein Pathologe betrachtete Naruto weitere eingequetschte Wesen, die sich als seine Mitschüler entpuppten. Neben sich konnte er ein abgerissenes Bein sehen und das, was er fälschlicherweise für Wasser hielt, womit sich seine Schuhe voll sogen, war Blut. War die Flüssigkeit an seiner Wange etwa auch…? Ein leises, heiseres Lachen ertönte, gefolgt von einem Hustenanfall. Er hätte schreiend auf seine Beine springen, rückwärts wegstolpern und gegen den Tisch seines nun kopflosen Klassenkameraden rumpeln können. Panisch hätte er versuchen können, sich an der Tischplatte abzustützen, nur um festzustellen, dass seine Hand mitten in der graubraunen Hirnmasse des zerdrückten Kopfes gelandet war. Angewidert hätte er seine Hand anheben und schütteln sollen. Sollte er nicht viel mehr Angst zeigen? Mit müden Bewegungen stand Naruto auf, lief gelassen auf den Tisch seines Kollegen zu, steckte seine Hand inmitten der klumpigen Hirnmasse, nahm sich ein Stück auf die Hand und begutachtete diese. Im Biologieunterricht hatte Sensei Mizuki stets kleinere Modelle vom menschlichen Gedankenzentrum ausgestellt, nebenbei erklärt, weshalb kein reales Gebilde auf dem Lehrertisch stehen durfte. Scheinbar war das Lehrerkollegium der Meinung, Jugendliche seien nicht in der Lage, sich zwei Stunden lang mit einem Gehirn zu beschäftigen, ohne es als Baseball zu missbrauchen. Was konnte Naruto dafür, wenn Zetsus Vater ihm die Freikarten ins Koshien-Stadion verwehrt hatte und dieser sich deswegen aus Langeweile an die Materialien vergriff? Achtlos ließ er den klumpigen Brei zu Boden fallen, als handle es sich hierbei nur um wertlose Müllreste. "Hörst du mich?" Gelangweilt lenkte er seine Aufmerksamkeit vom Boden nach vorne zur Stimme, die unvermittelt durch die betonreiche Wüste hallte. Sie hörte sich ziemlich heiser an, als habe die Person seit einigen Tagen nichts mehr getrunken, und war so tief wie eine Schlucht. Scheinbar hatte einer seiner Mitschüler den Zusammensturz des Gefängnis ähnlichen Schulgebäudes ebenfalls überlebt und stand nun etwas weiter entfernt vor ihm. Jedenfalls vermutete Naruto dies, denn zu einer Stimme gehörte immer eine Person, oder? Er schaute in den dunklen Gang, der sich nach dem Zusammensturz der Decke gebildet hatte. "Wer bist du?" Naruto klang ruhig. Viel zu ruhig dafür, dass er von der ihm unbekannten Person noch nicht einmal Umrisse erkennen konnte. Den Brustkorb im ruhigen Tempo auf und ab senkend stieß er leise Atemzüge aus, während er seine von der Hirnmasse seines Klassenkameraden feucht gewordene Hand betrachtete. Hatte der Unbekannte vielleicht auch schwerwiegende Verletzungen wie seine Unterrichtsgenossen? "Ich bin da", kam es genauso gelassen zurück. Durch den kalten Schweiß spürte der blonde Jugendliche seine schmutzige Schuluniform an seinem Körper kleben wie ein verschmähter Verehrer, der das zerstörte Liebesglück nicht ertragen konnte. Naruto wischte sich mit der linken Hand über die feuchte Wange. Er hatte vor einigen Minuten die Flüssigkeit an seiner Wange noch für Wasser gehalten, doch nun wusste er, es war Blut. Vor gut zwei Stunden verlief der rote Lebenssaft noch in dem Körper eines jungen Mannes, der sich quickfidel mit einem seiner Freunde über das nächste Baseballspiel am Samstag unterhalten hatte. Nun hatte der Überlebende genau dasselbe Blut in seinen Haaren, seiner Wange und an seiner Hand kleben. Wie lustig! Resigniert ließ er seine Hände in die Hosentaschen sinken. Er wollte einfach nur weg von den eingequetschten Gedärmen, zerquetschten Gliedmaßen und stinkenden Hirnmassen. Sollte er sich nicht einfach auf den Fremden einlassen? Er hatte im Grunde doch nichts mehr zu verlieren, oder? Immerhin fand er sich in einem verwüsteten Schauplatz voller abgetrennter Extremitäten wieder, anstatt die Hand als Kopfstütze nutzend einen langweiligen Schulalltag zu genießen. Wenn dies kein Grund war das Weite zu suchen, dann würde doch etwas nicht stimmen. "Wo ist da?" Weiterhin machten sich blutrote Perlen, die sich zwischen all den aufgeklebten Kaugummis unter dem Tisch befanden, bemerkbar, tropften unaufhaltsam auf den Boden, während langsame Schritte durch den Raum hallten. Ein süffisantes Grinsen. Mit der Hand fuhr sich die Person kurz über seine nach hinten gegelten Haare, nur um die Hand im nächsten Moment in seine Hosentasche verschwinden zu lassen. Naruto hob eine Augenbraue. Was suchte ausgerechnet Hidan hier? Hatte seine Klasse nicht eine Exkursion in die Berge gehabt? Fragen wurden anscheinend nicht gern gehört. Warum sonst schlenderte der notorische Schläger nun durch die kaputten Straßen Kyotos, ohne auf Narutos zerrüttete Gedankenwelt einzugehen? Eine Dose vor sich her kickend lief der blonde Schüler lustlos hinter Hidan her und versuchte, sich nicht umzuschauen. Da wären doch sowieso nur die zerstörten Häuser, Straßen und die vielen Leichen. Wie es zum Zusammensturz der Schule kam? Keine Ahnung. Aber er hatte überlebt und viele andere nicht. Hätte er nicht auch Pech haben können? ~ Schweißgebadet öffnete Naruto seine Augen und richtete sich heftig keuchend in seinem Bett auf. Sein Spiderman-Pyjama klebte an ihm wie eine zweite Haut und seine Bettdecke war zu Boden gestrampelt worden. Sein Körper fühlte sich an, als wäre er ein Marathon gelaufen, anstatt seinen wohlverdienten Schlaf zu genießen. Lag es an dem Traum oder an seinen Verletzungen? Keuchend strich er sich über seine verschwitzte Stirn, kurz darauf über seine zerstrubbelten Haare und stand als nächstes schwankend auf, in seinem Zimmer schien nur spärlich Licht herein. Benommen tapste er durch die Finsternis, ließ seine Finger unruhig die Gardinen aufsuchen und letztendlich mit einem kräftigen Ruck aufreißen, um mehr Tageslicht hinein leuchten zu lassen. Die morgendliche Sonne schien herein, versuchte den Albtraum aus Narutos Gedanken zu verdrängen. Warum hatten nur Hidan und er den Zusammensturz der Schule überlebt? Was hatte es mit der zerstörten Schule überhaupt auf sich? Er schloss seine Augen und ließ die Sonnenstrahlen seine von einem Pflaster umrahmte Nase kitzeln. Die Auseinandersetzung zwischen Hidan und ihm war nun bereits eine Woche her, aber dennoch waren die Folgen noch deutlich an seinem Körper zu sehen. Da wären sein leicht angebläutes linkes Auge und seine durch Pflaster verdeckten Wangen. Naruto leckte sich kurz über seine Lippe, um zu prüfen, ob sie sich bereits erholt hatte. Dem getrockneten Blut nach zu urteilen war sie auf dem Weg zur Besserung. Ein leichtes Lächeln huschte ihm über die Lippen während er einen flüchtigen Blick durch sein Zimmer wandern ließ. Seine Spiderman-Decke lag auf dem Boden, verdeckte seine halb aufgegessene Thunfischpizza vom Vortag und seine leere Coladose. Der Mülleimer unter seinem Schreibtisch war bis zum Rand mit Spickzetteln, Kaugummis und faulen Äpfeln gefüllt, die mal als Nervennahrung gedient hatten. Er seufzte, als er auf den Stapel an Schulaufgaben und Manga auf seinem Schreibtisch schaute, der mittlerweile so hoch war, dass der halbe Computer dahinter verschwand. Die Eroktikmagazine von den letzten Monaten lugten aus seiner Schublade hervor, anscheinend hatten die Dienstangestellten seines Vaters sie immer noch nicht gefunden. Sein Glück. Die Unordnung in seinem Zimmer ignorierend lief Naruto wankend zum Schreibtisch, stopfte die anzüglichen Magazine etwas tiefer in seine rechte Schublade und schob sie zu, sodass der Inhalt im Verborgenen bleiben würde. Der Putzdienst musste nicht unbedingt mit solchen Vorlieben eines Jugendlichen konfrontiert werden. Allgemein hatten sich die Reinigungskräfte aus seinem Leben heraus zu halten, war es doch nur deren Aufgabe sein Zimmer zu säubern. Nicht mehr und nicht weniger. Naruto konnte sich nur noch an die abendlichen Weihnachtsplätzchen erinnern, die gerade auf dem alten hölzernen Kindertisch kamen, als ihm mitgeteilt wurde, dass er einen neuen Vater bekommen würde. Lautstark die Kekse in sich hinein schaufelnd betrachtete er den rothaarigen Mann mit einem stoppeligen Kinnbart, der ihm ein Lächeln schenkte und seine Faust hin hielt. Die blauen Iriden des jungen Uzumakis vergrößerten sich, als sich die Hand öffnete und eine kleine Gitarre offenbart wurde. Woher wusste der Mann, dass er Musik liebte? Neugierig tastete sich Naruto an der kalten Hand des Älteren entlang, bis er die Gitarre ergreifen konnte. Seine Mundwinkel zogen sich nach oben, während der Mann langsam über seine blonden Haare streichelte. "Ab heute wirst du bei mir wohnen, Naruto. Ist das okay für dich?", fragte der Ältere mit einer sanften Stimme, die gezielt Kinder zum Einschlafen bringen konnte. Das Gefühl von Zufriedenheit machte sich in dem blonden Jungen breit. Es war schon etwas länger her gewesen, seit ihm das letzte Mal jemand beruhigend über seinen Schopf gestreichelt, ihn gar mit freundlicher Stimme dabei angesprochen hatte. Meistens jagten Schimpftiraden der Erzieher durch das Kinderheim, sobald der Chaot auf die Idee kam, seine Mitmenschen mit seinen glorreichen Streichen zu entzücken. Warum freute sich niemand über seine Geburtstagsgeschenke? Oder über seine Weihnachtsgeschenke? Waren sie nicht lustig genug? Musternd blieb der Blick Narutos am schwarzen Anzug des Mannes haften, der nasse Rückstände aufwies. Der angekündigte Schneesturm schien den Rothaarigen bereits erfasst zu haben, denn an seinen Schuhen klebte die graubraune Masse, die sich "Schnee" schimpfte. Naruto kicherte frech, als er die Krawatte des Älteren erblickte. So eine wollte er schon immer tragen. Dann wäre er erwachsen und die Erzieher hätten nicht mehr so viel zu lachen. Irgendwann würde er zum Kinderheim zurück kehren und es den Erziehern zeigen. Während er die Gitarre in seiner Hand fest hielt, verwandelte sich das Lächeln des Kindes in ein Grinsen, welches ihm den Namen "Sonnenkind" eingebracht hatte. "Au ja!", gluckste Naruto fröhlich dem Mann entgegen. "Naruto? Beeil dich! Ich hab nicht den ganzen Tag Zeit!", hörte man eine laute Stimme verärgert bis zu seinem Zimmer hinauf brüllen. Der blonde Schüler kämpfte sich tapfer durch sein chaotisches Zimmer, weil der Schweißgeruch nicht nur die Nase, sondern langsam auch sein Bewusstsein leicht benebelte. Nicht nur seine belegten Zähne, sondern auch sein Mundgeruch ließen ihn nicht mehr den sonnigen Morgen genießen. Hätte er doch am gestrigen Abend lieber die Finger von der Thunfischpizza mit den extra Zwiebeln gelassen. Immer noch leicht benommen betrat er das am Schlafzimmer angrenzende Bad. Mit halb geöffneten Augen betrachtete er sich selbst im Spiegel, während mit müden Bewegungen seine Hand über die kleine Holzkommode huschte. Einige Haarsträhnen hingen wie Gardinen über seine Augen, ersparten ihm die Sicht auf seine gesamte Gestalt. Nur seine Bandagen unter dem halbgeöffneten Schlafanzug bekamen seine vollste Aufmerksamkeit, waren sie doch ein Zeugnis von der Gewalt Hidans. Naruto öffnete seinen Mund einen Spalt breit, um einen schmerzerfüllten Laut auszutoßen, da er sich mit der linken Hand kurz an die Brust gefasst hatte. Der Schläger hatte sich andauernd einen Spaß daraus gemacht, seine Macht gegenüber dem Blondschopf zu demonstrieren. Manchmal auf dem Schulhof, aber an anderen Tagen auch mitten auf einer belebten Straße. Hidan und er waren wie Feuer und Wasser. Sie kamen einfach nicht miteinander aus. Gähnend drehte Naruto nach dem Zähneputzen den Wasserhahn zu und machte sich auf dem Weg zur Dusche, um den bestialischen Gestank seines Körpers los zu werden. Warmes Wasser beruhigte stets seine öfters überstrapazierten Nerven, kühles Wasser ließ in ihm das pure Adrenalin hoch kochen wie bei einem Bergsteiger, der bei Minusgraden versucht den Mount Everest zu erklimmen. Neuerdings duschte er öfter. Gestank wurde an der Teitan-Highschool nicht gern gesehen und das hatten seine Mitschüler ihm auch verdeutlicht. Narutos Spiegelbild legte traurig blickend das Zahnputzzeug weg, nur um sich mit einer freien Hand durch die Haare zu fahren. In seinen Ohren dröhnte ein verhasstes Spottlied über fröhliche Grinsekatzen, die ahnungslos durch das Land streiften und ernsthaft daran glaubten dadurch Freunde fürs Leben zu gewinnen. Warum sang man ihm diese Lieder zu? Was war so falsch daran mit einem Lächeln auf den Lippen durch die Straßen zu wandern? Die Mundwinkel des Blondschopfs zogen sich nach unten, als sein Blick sich vom Spiegel löste und er die Dusche betrat. Seine entledigte Kleidung, Pflaster und Bandagen verdeckten die weißen Kacheln auf dem Boden, auf denen er als Kind andauernd schlimm gestürzt war. Einen Zahn hatte er dabei verloren, der glücklicherweise wieder nach gewachsen war. Seitdem waren Sendungen mit den Power-Rangers verboten, sie seien ein schlechter Einfluss für ein Kind, da der abenteuerliche Drang der Kinder sich durch diese ungehobelte Gruppe steigerte. Ein zukünftiger Geschäftsmann hatte sich nicht mit solchen Humbug zu beschäftigen, sondern sollte seine Freizeit lieber mit dem Lernen verbringen. Was er dennoch nicht tat. "Mensch, Naruto! Mach hinne!", schrie die Stimme etwas aufgebrachter als vorher. Naruto schloss seine Augen und begrüßte das auf ihn hinab prasselnde Wasser. Es fühlte sich an, als würde man an einem verregneten Tag mitten auf der Straße stehen und die kalten Wassertropfen auf seinen geschundenen Körper empfangen. Langsam würde sich die perlenartige Flüssigkeit durch die offenen Narben und blutigen Wunden kämpfen, spürbar auf der Haut hinab tropfen. Der frische Rauch der Industrien würde einem in die Nase steigen, genauso wie der Qualm von Nikotin und Tabak. Freudlos lächelnd würde man seine Arme ausbreiten, während Arbeitnehmer hektisch durch die Straßen fahren würden. Man hätte nur warten müssen bis einer von diesen hupenden Autofahrer unaufmerksam geworden wäre und den eigenen Körper erfasst hätte. Ins Jenseits befördert hätte. Wäre das nicht schön gewesen? Die zittrige Hand des blonden jungen Mannes umschloss den Duschregler und schaltete die Wasserzufuhr aus. Neue Bandagen mit Salben sollten dem Heilungsprozess des Körpers beschleunigen, sowie frische Schulklamotten seinen neuen Schultag einläuten sollten. Die Teitan-Highschool war Geschichte, die Konoha-Highschool die Zukunft. Nach etlichen Schlachten gegen Goliat, in Form von Hidan, hatte sein Ziehvater verstanden, dass die traditionsbewusste Privatschule zwei Seiten einer Medaille glich. Ruhm und Ehre anzustreben, dafür zu lernen und seine gesamte Freizeit aufzugeben war die eine Seite. Auch der unerschütterliche Karriereweg, voller bedeutsamer Kontakte, Interviews und finanzieller Unterstützung durch einflussreiche Familien, gehörten zur Sonnenseite der Medaille. Und die Schattenseite? Naruto konnte sich noch genau an die Spottlieder erinnern, die ihm ständig hinterher gesungen wurden. Sie gingen nicht nur in die Ohren, sondern auch durch Mark und Bein. Er zog ein schmerzverzerrtes Gesicht, während er seine Schultasche über seine Schultern warf, nachdem er sich komplett angezogen hatte. Hidan hatte einige Menschen richtig lieb und zeigte dies Naruto besonders. Gemeinsam mit seinen Fäustlingen suchte er öfters den Blondschopf in den Hofpausen auf, um ihm Tritte und Griffe zu präsentieren, die er sich angeeignet hatte. Warum eigentlich immer ihm? Gab es keine anderen Versuchskaninchen? "Naruto? Was dauert das denn so lang? Komm endlich runter!" Naruto seufzte. Der Geduldsfaden seines Ziehvaters war ungefähr so lang wie der Unterhaltungswert eines Dokumentarfilms. Konnte man von solchen Sendungen überhaupt unterhalten werden? Er schüttelte seine aufkommenden Fragen und Antworten ab und wendete sich lieber der Person zu, die von Minute zu Minute ungeduldiger wurde. "Bin schon auf dem Weg!", ließ er seinen Gesprächspartner lautstark wissen, während er die Tür des Schlafzimmers hinter sich zu zog. Sollten sich doch die Reinigungskräfte um die nicht vorhandene Ordnung seines Zimmers kümmern, da sie stets auf ihren monatlichen Gehalt bestanden. Da wollte er ihnen nicht auch noch die Arbeit verwehren, wofür sie eingestellt wurden. Unfairness gegenüber den Angestellten kannte der junge Uzumaki nicht. Unkontrolliert rannte Naruto die Treppenstufen hinunter, kümmerte sich dabei nicht um die aufkommenden Schmerzen in seinen Beinen. Sein Körper war definitiv noch von den Übergriffen Hidans betroffen und würde auch in den nächsten Tagen seinen Senf zum öden Alltag hinzu geben. Ein Hoch auf die Abwechslung! Die Luft vor Schmerzen einsaugend schob sich Naruto in den onyxfarbenen Wagen seines Vaters. Ihm dröhnte die Musik von den Beatles entgegen, sodass er das ungeduldige Fingertippen seines Ziehvaters auf dem Lenkrad beinahe nicht bemerkt hätte. Hatte er wirklich so lange im Bad gebraucht? Naruto rümpfte kurz die Nase und ließ seinen Blick durch die neue Umgebung schweifen. Der Rauchschwaden einer ausgedrückten Zigarette auf einem Aschenbecher versuchte die Aufmerksamkeit Narutos auf sich zu lenken, indem der Geruch sich bemerkbar machte. Während er noch im Zimmer war, musste sein Pflegevater wieder einmal die angebliche Lösung aus einer stressigen Situation genutzt haben. Er war unverbesserlich. "Mann! Das hat ja lang genug gedauert, du Schnecke!", machte der Ältere seiner Missmut Luft, ohne seinen Sitznachbar anzuschauen. Seine Mundwinkel verzogen sich zu einer angestrengten Grimasse, während Naruto die Autotür neben sich geschlossen hatte, damit die Fahrt losgehen konnte. Der Blondschopf behielt es sich vor auf den Kommentar seines Vaters einzugehen, wollte er doch nur eine ruhige Autofahrt genießen, ehe er mit neuen Menschen konfrontiert werden würde. Noch einmal würde er sich einer Gruppe von Leuten vorstellen müssen, von denen die Gedanken im Verborgenen blieben. Wieder einmal müsste er dabei seinen Mitschülern in die Augen schauen, egal ob sie sich innerlich von seiner Rede berührt fühlen würden oder pure Desinteresse sich bei ihnen breit machen würde. Aufs Neue versuchen Freunde zu finden, damit er bei Auseinandersetzungen nicht widerstandslos unterging! Damit er die auf ihn gerichteten Zeigefinger nicht mehr sehen musste! Nicht das Gelächter Hidans hören musste! Es musste aufhören! Ein tonloser Schrei verließ seine Kehle. Kalter Schweiß perlte von seiner Stirn hinab, während er sich krampfhaft am Autogurt festhielt. Plötzlich fühlte sich der Autositz wie glühende Kohle an, die Wände sahen aus wie Magenwände und von den Fenstern ging eine gelbliche, gasaustretende Substanz aus. Er brauchte nur seine Fingerkuppen gegen die dickflüssige Flüssigkeit kommen lassen, um eine Verätzung dritten Grades hervor zu rufen. Im Auto fühlte es sich unheimlich bedrückend an und er wollte weg. Einfach nicht zur Schule gehen. Beinahe hätte er den teuren Aschenbecher seines Ziehvaters umgeworfen, hätte die Autotür geöffnet und wäre panisch aus dem fahrenden Auto gesprungen. Warum tat er dies nicht? Noch hatte er die Gelegenheit dazu. Noch konnte er– ! "Bist du nervös, Naruto?", brach eine ruhige Stimme den unangenehmen Gedankengang Narutos. Durch die Sonnenbrille wurde die Sicht auf die inneren Gefühle seines Vaters versperrt, denn seine Lippen waren zu einem geraden Strich verzogen worden. 'All you need is love' von den Beatles ertönte leise durch das Autoradio, während der Ältere bei grüner Ampel einen Gang zu legte. Durch das Herunterdrehen der Fensterkurbel wurde die kühle Luft in den Wagen gelassen, die allmählich den Tabak- und Nikotingeruch vertrieb. Wie schade, dass Narutos Gedanken ein anderes Kaliber waren. Nervös blickte er auf seine Captoe Oxford. "Etwas", meinte Angesprochener knapp. "Nicht jede Schule hat solche Schüler", versuchte sein Vater auf ihn einzureden, während er das Lenkrad drehen musste. Eine ältere Dame hatte sich das Vorrecht genommen auch bei roter Fußgängerampel über die Straße zu gehen. Vornehm hatte sie die Leine ihres Hundes geführt, kümmerte sich gar nicht um die geräuschvoll hupenden Autos und ignorierte gekonnt die schimpfenden Fahrer. Narutos Ziehvater lächelte kurz und schummelte sich blitzschnell durch die kleine Lücke hinweg, die hinter der Frau entstanden war. Ein Husten. Das Lächeln verschwand. "Vor einigen Tagen habe ich die Schule selber aufgesucht, mit der Direktorin gesprochen und dabei auch ein paar Schüler gesehen. Sie sahen recht annehmbar aus und ich denke, mit ihnen wirst du nicht dieselben Probleme wie an der alten Schule haben." "Achso", teilte Naruto ihm seine Meinung dazu mit. Menschen hatten die ungewöhnliche Gabe ihre wahren Intuitionen hinter einer Porzellanmaske zu verbergen. Sensei Ebisu war einer von ihnen. Unter seinem knochigen Gesicht und seiner Sonnenbrille verbarg sich die groteske Gestalt eines Dämons, der geisteskrank kichernd als Hofaufsicht agierte. Blonde Schüler wurden bei Schlägereien gerne mal ihrem Schicksal überlassen, während der Lehrer schaulustig das Geschehen beobachtete. So ein Fatzke! Der krampfhafte Griff um den Gurt löste sich, Naruto atmete tief ein und aus. Jetzt war nicht die Zeit in dem dunklen Ozean vergangener Zeiten zu versinken. Nun war es an der Zeit am Berg der Zukunft herum zu kraxeln, um die Vergangenheit hinter sich zu lassen. Naruto stieg aus dem Auto aus, winkte seinem Ziehvater noch ein letztes Mal zu und ließ diesen mit dem Mercedes Benz wegfahren. Der Blondschopf ließ seinen Blick über den von Bäumen umrahmten sandgelben Hof schweifen. Vögel zwitscherten und suchten Ruhe von lärmenden Schülern, die sich fröhlich mit den Armen gestikulierend unterhielten. Ein Kloß bildete sich in seinem Hals. Er legte eine Hand an seine verschwitzte Stirn. Würde er an dieser Schule wirklich neue Freunde finden können? Er versuchte unter den ganzen Menschen nicht aufzufallen, so näherte er sich schleichend dem Schulgebäude. Von karminroten Dachziegeln bis zu zinnoberroten Wänden, von karamellorangefarbenen Bänken bis zu ananasorangefarbenen Fenstersimsen war alles zu finden. Naruto huschte an Schülern vorbei, die Kleidungen in unterschiedlichen Farbkombinationen trugen. Sollte man hier keine Uniform tragen? Warum hatte er dann eine zugeschickt bekommen? Stirnrunzelnd betrat er das Gebäude, wo die mitternachtsblauen Spinde ihm sofort ins Auge stachen. In solchen Schränken hatte er an manchen Tagen, wegen Hidan, sein Mittagessen genießen müssen. 'Mutprobe' nannte Hidan seine seltsame Aktion. 'Völlig menschenverachtend' würden Psychologen meinen. Er wusste nicht, wie lange er bereits vor der kastaninenfarbenen Tür stand und auf die Klinke starrte. Seine Hand bewegte sich keinen Millimeter, bedeckte stattdessen die Klinke mit einem Schweißfilm. Es ist doch nur eine neue Schule, Naruto. Nur eine neue Umgebung mit vielen Mitschülern. Nur eine neue Rektorin, die dich anherrschen wird, solltest du versuchen dich zu beschweren. Du wirst nur neuen Prügelattacken ausgesetzt werden und du wirst keine Hilfe bekomm– Schluss jetzt! Diese Gedanken mussten aufhören! Er musste aufhören! Gerade als er die Klinke hinunter drücken wollte, wurde seine Sicht auf das Innenleben des Raumes entsperrt und auf die stehende Frau vor ihm. Ihre langen blonden Haare waren zu zwei Zöpfen gebunden. Eine längere grüne Jacke verdeckte halb ihr graues Hemd, verhinderte aber nicht die Sicht auf ihr Dekolleté. Narutos Sexualwissen basierte auf anzügliche Hefte und dem schweinischen Mitternachtsprogramm. Reale Brüste hatte er nur einmal aus der Ferne beobachten dürfen, da im Nobelrestaurant 'Suzuki' eine Mutter ihr Kind gestillt hatte. So krank es auch war, doch hatte er sich zu diesem Zeitpunkt gewünscht das Kind zu sein. Mann, das war ja wirklich krank. Wie konnte er nur an so etwas denken? Wie konnte er sich nur wünschen den Busen der vor ihm stehenden Frau anfassen zu dürf- ? "Uzumaki Naruto nehme ich mal an. Man starrt der Direktorin nicht unbekümmert auf den Busen. Wozu habe ich Schülerinnen?", kam es verärgert von der Frau. Sie musterte ihn skeptisch, ihre Hand an ihre Hüfte gestemmt. "Shizune! Ich glaube diesen Schüler sollte ich höchstpersönlich mit seiner neuen Klasse vertraut machen. Kümmere du dich bitte um die ganzen Aktenstapel. Ich werde bald wieder zurück sein.", richtete sie ihr Wort an die junge Frau, die neben dem Schreibtisch stand und ihr Haustier fütterte. Hielt sie wirklich ein Schwein als Haustier? War er wirklich an der richtigen Schule angemeldet worden? "Ich kümmere mich sofort darum!" Shizune hatte von ihrem Haustier abgelassen, griff im Vorbeigehen einen beliebigen Mantel von der Ablage und krempelte dessen Ärmel hoch. Seufzend spuckte sie sich metaphorisch in die Hände und machte sich an die Arbeit. Mehr bekam Naruto nicht mit, denn seine neue Rektorin schob ihn sanft beiseite und schloss die Tür hinter sich. Schweigend geleitete sie den jungen Mann zu seinem zukünftigen Klassenraum, musterte ihn dabei eingehend. Ein Schweißtropfen perlte von seiner Stirn herab, während er versuchte seine Krawatte leicht zu lockern. Er hatte ihr auf den Busen gestarrt und das bestimmt für eine längere Zeit. Wie sollte er nun eine neutrale Beziehung zu ihr aufbauen, ohne ständig an dieses Ereignis denken zu müssen? An ihre großen Brüste, die sich in seiner Hand bestimmt weich anfühlen würden und... was war er doch nur für ein Schwein?! Nervös richtete er seine blaue Uniform, versuchte keinen Blickwechsel mit der Rektorin zustande kommen zu lassen. Sie blieb stehen. "Auch wenn du dich anscheinend nur für meinen Busen interessierst, verrate ich dir meinen Namen. Ich bin Senju Tsunade, aber für dich wohl eher Frau Senju. Dass ich deine Rektorin bin, weißt du ja nun. Die 11 C wird nun deine neue Klasse sein, also versuch dich bitte einzufinden. Ich habe dem Lehrer bereits Bescheid gesagt, dass der neue Bursche heute auftaucht, also wird er nicht sonderlich überrascht sein. Was gibt es noch zu sagen? Ach ja, du wirst nun wahrscheinlich Biologie haben. Viel Spaß." Ihre sachliche Erklärung täuschte nicht über ihre pochende Ader hinweg, die Naruto fröhlich anlachte. Mit schnellen Schritten hatte sie das Weite gesucht, sodass der blonde junge Mann nur ihrem Mantel hinterher starren konnte, auf dem das Zeichen für 'Gerechtigkeit' eingraviert worden war. Aufgrund des Faux Pas konnte er nun die Gerechtigkeit ihm gegenüber wohl vergessen. Seine Schulkarriere an der Konoha-Highschool war also bereits gelaufen, ehe sie richtig angefangen hatte. Super! Da war die Klassentür, da war seine Hand und das ganze Spiel ging wieder von vorne los. Nervös drückte er die Klinke runter und hoffte, dass dieses Mal ihm keine Busen entgegen springen würden. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)