Denn sie wissen, was sie tun… von abgemeldet (von Susu-chan) ================================================================================ Kapitel 18: Kapitel 18 - Farewell --------------------------------- Kapitel 18 – Farewell Nero saß vor mir auf dem Boden, das linke Bein ausgestreckt und das rechte aufgestellt. Er kaute nachdenklich auf seiner Zigarette herum und stützte seine Hand am Boden ab. „Was nun?“, fragte er einfach nur. Mit Nero zusammen zu sein, war wie gefangen zu sein. Wir standen Rücken an Rücken zueinander, eingewickelt in Stacheldraht. Es tat weh beieinander zu sein, aber zu versuchen voneinander wegzukommen, tat noch viel mehr weh. Es war Schicksal für immer miteinander zu leiden, egal ob nun zusammen oder alleine. „Geteiltes Leid ist halbes Leid.“, erwiderte ich deswegen. Er hob eine Augenbraue. „Heißt das nicht Geteilte Freude ist doppelte Freude?“ „Kann auch sein. Aber es passt nicht zu unserer Situation.“, ich seufzte „Nero…ich weiß nicht, was ich von dir halten soll. Erst…bist du so nett wie früher und dann…machst du so was wie vorhin oder heute Morgen. Ich würde gerne sagen, dass das alles nicht wichtig ist, aber das kann ich nicht.“ Er schwieg und sein Blick huschte kurz zur Decke, was auch früher schon getan hatte. Das war ein Anzeichen dafür, dass ihm diese Tatsache schmerzte. Sehr sogar. „Ich geh‘ eine Rauchen.“, sagte er dann nur und stand auf. „Ich…es tut mir leid.“, murmelte ich noch, weil ich fand, dass es irgendwie richtig war sich zu entschuldigen. Auch wenn er doch selbst Schuld war. „Kein Problem. Bin selbst schuld.“, antwortete er, als hätte er meine Gedanken gelesen. Er hob noch kurz die Hand im Vorbeigehen zum Abschied und verließ mein Zimmer. Die Luftschleuse schloss sich mit leisem Zischen. Ich starrte noch kurz auf die Tür, ehe ich mich seufzend abwandte. Und mir Heriot einfiel. Fast schon panisch blickte ich mich um. Hatte er alles mit angesehen? War er noch hier? Doch von ihm war keine Spur zu sehen. Erleichtert seufzte ich. Es wäre mir peinlich, wenn er das gerade gesehen hätte. Es war wir sowieso peinlich, dass ich mich gerade so mit Nero unterhalten hatte. Wie konnte ich auch nur eine Sekunde lang glauben, wir könnten zusammen sein? Nach allem, was er gesagt und getan hatte? Es wäre purer Wahnsinn. Ich lachte bitter. Wie sehr ich damals diese billigen Soaps gehasst hatte. Liebesbücher wie Romeo und Julia, Bella und Edward…verbotene Liebe. Und einer stellte sich dämlicher wie der Andere an. Man glaubte immer, man würde sich anders verhalten. Es besser machen. Doch die Wahrheit war, dass man selbst nie in einer solchen Lage war. Man lacht über die Protagonisten und ihre Unfähigkeit bei der Liebe. Was ist so schwer daran zu lieben? Warum findet man nicht ganz einfach zueinander? Lächerlich. Die vielen Umwege, die schmerzhaften Erfahrungen, die Lügen… Aber man glaubte ja immer, man würde alles besser machen. Tatsache ist aber, dass jeder, der noch nie in einer solchen Lage war, einfach den Mund halten sollte. Warum begeht man Selbstmord, weil der Andere tot ist? Ich konnte es verstehen. In dieser Welt…in meiner Welt, würde ich lieber mit der Person sterben, die ich liebte. Was brachte es einem, alleine und einsam zu sein? Von aller Welt verachtet und gemieden? Ja, jeder machte sich über Romeo und Julia lustig. Über ihren sinnlosen Tod, über diese kitschige Schmierenkomödie, die sie Leben nannten. Doch die Liebe, die sie füreinander hatten, begleitete sie bis in den Tod. Das eigene Leben für das des Anderen geben. Niemand konnte sich so eine Liebe vorstellen. Und jeder, der noch nie in einer solchen Lage war, sollte still sein. So etwas wie reine, bedingungslose Liebe gab es nicht. In der Realität gibt es kein Happy End. Nicht in dieser Realität. Ich drückte auf die Taste im Fahrstuhl, die zur Shuttlebucht führte. Dort gab es auch einen kleinen Fitnessraum, wo man trainieren konnte. Shadow benutzte ihn wohl am häufigsten, weswegen ich dort nach ihm suchte. Ich wollte mich für die Aktion mit dem Foto entschuldigen, für Nero und für meine Unfähigkeit. Es gab so viel, für das ich mich entschuldigen musste. Die Fahrstuhltür glitt auf und gab mir den Blick auf den runden Raum frei. In der Mitte stand ein Holzblock, bei dem ich nie wirklich wusste für was er gut war. Er war fast 2m hoch und spröde. Neben ihm standen irgendwelche Trainingsgeräte…ich kannte mich da nicht sonderlich gut aus. Doch ich konzentrierte meinen Blick nur auf den Holzblock, während ich aus dem Aufzug stieg. Heriot stand mit dem Rücken zu mir gewandt und schlug immer wieder auf ihn ein, meistens frontal oder von der Seite. Es zeigten sich schon Risse und einige Teile waren abgesplittert und in der näheren Umgebung verteilt. Holzspäne wirbelten auf, wenn er wieder zuschlug und ich machte ein paar Schritte auf ihn zu. „Ähm…Heriot?“, fragte ich etwas unsicher. Er reagierte nicht. „Bist du…sauer auf mich?“, fuhr ich fort, da er irgendwie…aggressiv wirkte. „Nein.“, entgegnete er da bloß und fuhr fort Kerben in das Holz zu schlagen. „Was…was machst du dann da?“ „Ich trainiere.“, antwortete er ungerührt. Er ließ die Fäuste sinken, doch im nächsten Moment riss er den rechten Fuß hoch und trat seitlich gegen den Block – Der mit lautem Krachen abbrach und weggeschleudert wurde. „S-Sicher dass du nicht sauer bist???“, ich starrte das Überbleibsel an und sah dann zu ihm. Heriot drehte sich um und senkte leicht den Kopf, um mich anzusehen. „Ja.“ „Und warum hast du dieses…Trainingsgerät kaputt gemacht?“ „Ich weiß es nicht. Ich trainiere.“ „Aber du hast gerade dafür gesorgt, dass du nicht mehr trainieren kannst!“, erwiderte ich ungläubig „Das macht man doch nicht einfach so!“ „Tatsache.“ „Heriot! Wenn du ein Problem hast, dann sag es mir! Bitte…“, fügte ich noch etwas leiser hinzu „Ich mache mir Sorgen um dich.“ „Mir ist…nur nicht gut. Ich hatte das Bedürfnis zu trainieren.“ „Was genau stimmt denn nicht? Ist dir übel? Bauchschmerzen?“ „Nein…es ist eine Art brennen…und ich bin angespannt…und unruhig…ich habe das Bedürfnis etwas zu töten, mit bloßen Händen.“, erklärte er und klang dabei erstaunlich sachlich. Ich hob eine Augenbraue. „Sehr beruhigend das zu hören. Ich bin nur mit Psychopathen befreundet oder was?“, seufzte ich ironisch. „Ich bin ein Psychopath?“ „Nein…nein, das war ein Scherz.“, sagte ich und runzelte die Stirn „Wenn ich das richtig verstehe…dann bist du wütend.“ „Wütend?“ „Ja. Wut ist eine Emotion.“, ich fühlte mich, als müsste ich ihm alle Arten von Emotionen beibringen. Es war seltsam einem menschlich aussehendem Kerl erklären zu müssen, was Gefühle waren. „Man wird wütend, wenn einem was nicht passt oder man enttäuscht wird. Es gibt sehr viele Arten von Wut…aber sag mal, du bist doch nicht zum ersten Mal wütend?“ „Es ist das erste Mal, dass ich wütend bin. Sonst spiegle ich Eure Wut wider. Ich sehe, dass Ihr wütend seid und reagiere angemessen. So etwas wie eigene Emotionen empfinde ich nicht. Es wurde mir nicht einprogrammiert.“ „Heriot, du bist kein Roboter! Du hast einen freien Willen und kannst der sein, der du sein willst! Sag bloß, du durftest das noch nie?“ Er senkte den Blick. Zum ersten Mal wirkte er…fast schon beschämt. „Doch. Es war ein Testversuch.“, erwiderte er schließlich nach längerer Zeit. „Und?“ „Er ging schief.“ „Inwiefern?“ „Das weiß ich nicht. Ich wurde umprogrammiert. An die vorherigen Taten erinnere ich mich nicht.“ Ich sah ihn verwirrt an, fragte aber nicht nach. Schief gegangen? Wie konnte bei so etwas etwas…schiefgehen? Vielleicht wurde er zu trotzig und seinen Vorgesetzten hatte das nicht gepasst. Dass es vielleicht noch schlimmer schiefgegangen sei…daran wollte ich nicht mal denken. Heriot war der Einzige, auf den ich mich vollends verlassen konnte. Da wollte ich mein Vertrauen nicht mit unnötigen Details aus seiner Vergangenheit zerstören. „Und weißt du auch, warum du wütend bist? Wann hat es angefangen?“ „Als dieser Nero versucht hat Eure Hand zu nehmen.“ „Du bist sauer, weil er…meine Hand nehmen wollte?“, wiederholte ich irritiert „Wieso?“ „Ich will nicht, dass er Euch anfässt. Er ist es nicht wert.“, antwortete mein Beschützer und ich blinzelte. „Heriot, so sehr musst du auch nicht auf mich aufpassen. Ich kann selbst entscheiden, wer meine Hand nehmen darf und wer nicht.“, erwiderte ich nur und lachte kurz. Dass man ihn so leicht reizen konnte, wusste ich nicht. Es überraschte mich irgendwie, denn sonst wirkte er immer so kalt und geduldig. Hoffentlich entwickelte er sich nicht zu einer besitzergreifenden Persönlichkeit. Oder wurde so wie Nero. „Du musst nicht immer gleich wütend werden, wenn ich wütend bin. Es ist deine Wut, du solltest nur wütend sein, wenn man dich persönlich beleidigt oder angreift, verstehst du?“ „Ja.“ „Na dann.“, ich reichte ihm meine Hand „Kommst du mit Essen? Keine Ahnung wie’s dir geht, aber ich habe tierischen Hunger.“ Heriot schien erst gar nicht wirklich zu wissen, was er mit der Hand anfangen soll. Dann aber ergriff er sie. „Wie Ihr wünscht.“ „Ich habe über die Vorfälle der letzten Tage nachgedacht.“, Raimi tippte sich mit dem Löffel an die Unterlippe und ihr Blick wanderte zu der Urne, die auf einem Brett stand, dass neben dem Eingang festgenagelt war. Von Asche zu Asche. Wir wollten Sichi nicht an einem Ort begraben, den er hasste und er hasste die Welt. Also hatten wir ihn eingeäschert und Shadow hatte das Podest angebracht. „Es kann doch sein…dass Sichi von diesen Typen umgebracht wurde. Es waren doch mehrere…das wäre doch logisch. Sie haben gegen ihn gekämpft und ihn getötet.“, fuhr sie fort und wirkte nervös „Nicht, dass das gut wäre, aber…“ “Aber es ist besser, als wenn er uns freiwillig verlassen hätte“, dachte ich ihren Satz zu ende. Ja, vielleicht war es wirklich so passiert. Das würde Neros Aussage widerlegen. „Bestimmt.“, sagte Ciel zuversichtlich „Jetzt haben wir noch einen Grund mehr, gegen diese Typen zu kämpfen.“ „Aber diese Kerle waren doch eine Lachnummer. Und Sichi war gut im Kämpfen. Er hätte sie besiegen können.“, warf Pandorra ein. „Oder die, die auf uns gehetzt wurden, waren bloß die Kundschafter. Um unsere Kampfkraft einzuschätzen.“, erklärte Shadow knapp „So etwas tut man öfter. Ich frage mich nur, wer dahinter steckt und was sie bezwecken. Wenn ihr in die Stadt geht, hört euch mal nach ihnen um, vielleicht wissen die Städter ja mehr Bescheid.“ Er warf einen Blick auf seine Karte in der Hand. Es war keine Holografische, was mich irgendwie wunderte. Aber vielleicht musste er nur kurz gucken wo wir waren…auf den Holo-Karten zeigte er uns normalerweise nur das genauere Aussehen der Trümmerstädte. „Wir sind in der grünen Zone. Das heißt, hier ist die Erde noch am ungefährlichsten. Unser nächstes Ziel ist in der Nähe der Küste.“ „Küste?“, wiederholte ich und sah von meinem Teller auf. „Ja.“ „Gibt es da ein Meer? Wenn ja, will ich mit!“, rief ich sofort aufgeregt. Er hob eine Augenbraue. „Wir sind wegen der Splitter dort. Nicht zum Vergnügen.“ „Ich weiß! Aber danach…nur ganz kurz…“ Shadow massierte sich die Schläfen „Meinetwegen…“ „Ich gehe auch mit!“, sagten Raimi und Ciel gleichzeitig. „Wir können nach der Mission ja alle ans Meer.“, schlug Pandorra vor „Aber…ich glaube nicht, dass wir schwimmen können…auch wenn es eine grüne Zone ist…das Wasser ist bestimmt verseucht. Vielleicht fangen wir uns irgendwelche Krankheiten ein…“ „Ich will nicht schwimmen.“, Raimi hob vorsichtig die Urne vom Podest. „Ich will seine Asche verstreuen. Er…wollte schon immer mal das Meer sehen. Seit wir klein waren.“ Sie hielt die Vase ganz fest, als hätte sie Angst sie könnte herunterfallen. An ihrem Blick konnte ich sehen, wie sehr sie ihn vermisste. „Tut was ihr wollt.“, entgegnete Shadow bloß und machte eine wegwerfende Handbewegung. Ich wusste, dass er es nicht böse meinte, obwohl er so distanziert damit umging. „Aber das geht nur Raimi und Marik etwas an.“, hörte ich Nero noch von seiner Ecke aus murmeln. „Aber…“, fing Ciel an, doch Pandorra nickte zustimmend. „Er hat Recht. Wir alle kannten Sichi nicht. Auf eine Beerdigung sollten nur die engsten Angehörigen gehen.“ „Ja. Das denke ich auch.“, stimmte Raimi zu und stellte die Urne vorsichtig wieder an ihren Platz. Ich seufzte. Zum Glück hatte Nero sich zurückgehalten. Jedes Mal wenn er den Mund aufmachte, hatte ich die Befürchtung es käme wieder zu einer Prügelei. Aber diesmal hatte er sogar etwas Wahres gesagt. Dieser letzte Abschied ging nur Raimi und mich etwas an. Raimi vielleicht sogar mehr als mich, denn sie und Sichi kannten sich schon lange bevor ich dazu gekommen war. Er war der Erste gewesen, mit dem sie jemals gesprochen hatte. Die Meisten hatten sie gemieden, weil sie Mobianerin war. Alle außer Sichi. „Hey, schieß mal den Ball zurück!“, rief Sichi zu der kleinen Person hinüber, die zusammengekauert in der Ecke saß. Der abgewetzte Ball blieb einen Meter neben ihr stehen. „Hey Mann! Taub oder so!?“, murrte er und ging zu ihr. Sie wich etwas zurück. „Weißt du etwa nicht wie man Fußball spielt? Das da ist ein Ball, der ist rund und den kann man treten.“, sagte er langsam, als wäre sie geistesgestört. „Ich weiß was ein Ball ist! Nur weil ich Mobianer bin, bin ich nicht dumm!“, entgegnete sie wütend, ehe sie wieder still wurde. Bestimmt bekäme sie gleich Prügel. „Du bist blöd, weil du’n Mädchen bist. Rasse ist doch egal.“, er hob den Ball hoch und streckte ihr die Zunge heraus. „Mädchen sind doch eh alle blöd.“ „Mädchen…?“, sie sah hoch zu ihm und blinzelte „Heißt das…du magst mich nicht, weil ich ein Mädchen bin und nicht, weil ich kein Mensch bin…?“ „Ich mag Mädchen nicht, weil sie kein Fußball spielen können. Und heulen tun sie auch ständig!“ „Ich…ich heule nicht. Und ich kann Fußball spielen.“ „Dann los! Geh ins Tor und wir sehen ja, ob du so gut bist wie ich!“, er grinste „Wie heißt’n du?“ „Ich…ich weiß nicht…niemand redet mit mir…“ „Aber du musst doch wohl einen Namen haben!“ „Nein…wie heißt du denn?“ „Die Anderen nennen mich Sichi. Keine Ahnung warum. Dir können wir auch noch’nen Spitznamen verpassen!“ „Aber…die anderen mögen mich nicht…“ „Mich auch nicht. Und jetzt hör auf dich selbst zu bemitleiden und hoch! Ich will noch Tore schießen, bevor ich wieder von den Anderen an einen Stuhl gefesselt werde.“ Sichi hatte eine unbeholfene und irgendwie grobe Art an sich. Er war oft viel zu direkt, sagte das, was er dachte geradeheraus und entschuldigte sich nie dafür. Er bemitleidete weder sich noch Andere. Vielleicht hatte ich ihn deswegen so gemocht. „Auf die Mission kommen Raimi, Marik und Heriot mit. Pandorra, du gehst in die mobianische Stadt.“, sagte Shadow und rollte die Karte zusammen. „Wir müssen wieder mit diesen Angreifern rechnen. Vielleicht sind sie auch schon an der Küste. Wir gehen in einer Stunde los, bis dahin müsst ihr fertig sein.“ Wir nickten zustimmend und Raimi hob die Urne vom Podest und steckte sie sich in den Rucksack, ehe sie noch einige Küchenhandtücher nahm, um sie zu polstern. „Was nimmt man am besten als Waffe mit?“, fragte ich etwas ratlos. „Ich nehme meinen Stab. Und du hast Heriot.“, erwiderte Raimi und lächelte leicht, wenn auch nicht so unbekümmert wie sonst. „Ja…da hast du Recht. Auch wenn ich es wirklich nicht mag, wenn man ihn als Waffe bezeichnet. Er fängt an, eine Persönlichkeit zu entwickeln.“ „Echt?“, fragte Ciel überrascht „Er sagt doch immer noch nichts…“ „Er ist eben…eine stille Persönlichkeit. So wie Shadow.“ „Ob man das Persönlichkeit nennen kann…“ Der Igel hob eine Augenbraue und sah zu Ciel, die bloß etwas nervös lächelte. Ich stieg in das Shuttle und hielt mich fest, als es losflog. Ich hasste die Shuttleflüge. Es war wackelig und jedes Mal wurde mir schlecht dabei. Heriot saß neben mir und schärfte sein Kurzschwert, obwohl es bestimmt schon ein Haar der Länge nach teilen konnte. Er war aber immer der Meinung, dass es nicht scharf genug sein konnte. Hm. Vielleicht war das ja sein Hobby? „Also, wie funktioniert normal so eine Mission?“, fragte Raimi etwas aufgeregt und sah auf ihr leeres Radar „Schlägt das an, wenn es diese komische Energie ortet?“ „Ähm…ja. Meistens findet Shadow den Splitter, packt ihn in seine Kiste und dann gehen wir.“, log ich. Von meinen Visionen wollte ich gar nicht erst anfangen…das würde das ganze unnötig kompliziert machen. Vielleicht würde diese Mission ohne Probleme laufen. „Es ist das erste Mal, dass ich mit Heriot auf einer Mission bin.“, sagte ich motivierter „Vielleicht geht ja alles ohne Probleme.“ Im nächsten Moment ruckelte es heftig und ich wurde ans andere Ende des kleinen Sitzraumes geschleudert. Das Shuttle drehte sich und rumorte, während ich versuchte mein Gleichgewicht wieder zu finden und gleichzeitig von Raimi herunterzukommen. Wir drehten uns auf den Kopf und ich stolperte wieder. „Sh-Shadow! Was ist los!?“, rief ich panisch. „Wir wurden von einem Geysir getroffen.“, entgegnete er sachlich „Ich habe euch immer gesagt, ihr sollt euch anschnallen.“ Ich sah zu den Sitzen über meinem Kopf. Heriot saß immer noch auf seinem Platz, mit verschränkten Armen, als wäre ihm die Schwerkraft gleichgültig. „Wa-Was machst du da???“ „Ich sitze.“, erwiderte er mit ernster Stimme. Dann aber zuckten seine Mundwinkel. „Lachst du mich aus?“, fragte ich überrascht. „Ich dachte, er würde nie lachen.“, meinte Raimi und versuchte ihr Gleichgewicht wieder zu finden „Geschweige denn über dich lachen…“ „Ich lache nicht.“, erwiderte Heriot „Ich amüsiere mich nur.“ „He, ich dachte du würdest aufpassen, dass mir nichts…“, bevor ich meinen Satz zu Ende sagen konnte, drehte sich das Shuttle wieder und ich spürte, wie die Schwerkraft mich wieder von den Füßen riss. Ich kniff die Augen zusammen und wartete auf den Schmerz, doch erstaunlicherweise kam keiner. Zögerlich öffnete ich die Augen. „…geschieht?“, beendete er meinen Satz und klang selbstzufrieden. „Auaaaa…“, meldete sich Raimi von der anderen Seite des Shuttles. Ihr Kopf lag auf der Bank und ihr Körper in einer ziemlich unbequem aussehenden Pose. „Du hättest ihr auch helfen können“, behauptete ich zu Heriot gewandt. „Ich habe nur zwei Arme.“ „Stimmt…aber du hast doch bestimmt irgendeine coole Fähigkeit, die ihren Sturz etwas federn könnte, oder?“ „Ich besitze nur physische Stärken. Kraft, Schnelligkeit und Wendigkeit. Mehr nicht.“ „Mir geht’s gut.“, ächzte Raimi bloß und setzte sich mit leicht grünlichem Gesicht wieder auf „Mir ist nur schlecht.“ „Ich sagte, ihr sollt euch anschnallen.“, meldete sich wieder Shadows tadelnde Stimme. „Du hast das doch mit Absicht getan!“, erwiderte ich. „Nein. Aber wenn ihr eure Lektion gelernt habt, war das ein Nebenbonus.“ Ich murrte leise, ging aber dann von Heriots Schoß runter und setzte mich hin, ehe ich mich anschnallte. „Ah ja…danke für’s auffangen.“, sagte ich noch zu ihm gewandt „Und seit wann kannst du lachen?“ „Ich habe nicht gelacht.“ „Deine Mundwinkel haben gezuckt!“ „Das war eine willkürliche Bewegung meiner Gesichtsmuskeln.“ „Du hast gelacht“ „Ich verwahre mich dagegen.“ Ich grinste bloß und schüttelte den Kopf. Eigentlich erwartete ich, dass er auch kurz lachen oder wenigstens wieder eine >willkürliche Muskelbewegung< ausführen würde, doch er blieb so ernst wie immer. Hm. Hoffentlich dachte er nicht, dass Lachen etwas Schlechtes wäre. Apropos Lachen…ich hätte ja mal gerne Shadow lachen gesehen. „Wir landen.“, informierte uns der Igel und ich spürte, wie sich das Shuttle nach vorne neigte. Zum Glück ohne weitere Komplikationen, denn Raimis Gesichtsfarbe zu urteilen, würde sie sich beim nächsten Ausweichmanöver übergeben. Unser Fahrzeug landete direkt am Strand. Der Sand war klebrig und braun, aber kein schmutziges Braun, sondern vielmehr eine beruhigende Erdfarbe. Das Wasser vor uns war dunkelblau und kräuselte sich, wenn es am Strand ankam und sich wieder von dort zurückzog. Es war viel schöner, als ich erwartet hatte. Ich hatte gedacht, dass das Meer schwarz und tot wäre, sich nichts bewegen würde und der Sand schmutzig. Doch das hier war fast schon idyllisch. „Es ist schön hier. Viel schöner als jeder andere Ort, an dem ich jemals war.“, sagte Raimi fast schon träumerisch. Shadow schnippte ungeduldig mit den Fingern. „Konzentriert euch. Erst suchen wir die Splitter und dann könnt ihr machen, was ihr wollt.“ „Oh. Okay, du hast Recht.“, ich löste meinen Blick nur widerwillig vom Meer. Heriot schien unbeeindruckt wie immer und sah zu dem Igel, der ein paar Schritte vom Strand wegging und auf den festen, steinigen Untergrund zu. Ich blickte in die entgegengesetzte Richtung vom Wasser. Diesmal war es keine Stadt. Es war ein alter, zerfallener Spielpark. Die Stände waren windschief, die Achterbahnen zerfallen und das, was einmal ein Eingangstor gewesen war, lag in Trümmern. Es sah verdammt gruselig aus. Vor allem, da es anfing zu dämmern, wirkten die Schatten länger und dunkler als sonst. „Okay, das kommt mir vor wie aus einem schlechten Horrorfilm.“, bemerkte Raimi trocken. Sie schien nicht halb so viel Angst zu haben wie ich. „Fehlen nur noch zwei kleine Kinder, die synchron reden.“ „Beschwör das Unglück lieber nicht herauf. Ich habe schon genug Albträume“, erwiderte ich bloß und folgte Shadow zögerlich. Heriot lief weiter hinter mir. Er sah sich aufmerksam um, als würde er erwarten, dass uns gleich etwas aus der Ecke anspringen würde. „Der Park ist nicht sonderlich groß. Es dürfte einfach werden, den Splitter zu finden.“, meldete sich Shadow an der Spitze der Gruppe und sah auf sein Radar. „Warum sind die Splitter eigentlich immer in Städten oder Labors oder Freizeitparks? Warum landen sie nicht einfach mitten in der Wüste?“, fragte Raimi. „Das habe ich mich auch gefragt. Aber anscheinend gehen die Splitter automatisch dorthin, wo sich viel Energie befindet. Also hauptsächlich in Großstädte und ähnliches.“ „Und warum?“ „Die Emeralds sind voller Energie – Genau wie der Maste Emerald. Meine Theorie ist, dass sie sich eine Energiequelle suchen und sie abzapfen, bis sie vollständig aufgeladen sind und sie dann speichern. Werden sie benutzt, verteilen sie sich über der ganzen Erde um ihre Energie neu aufzuladen. Doch momentan scheint es nicht genug davon zu geben, denn die sieben Chaos Emeralds sind leer und der Master Emeralds ebenfalls. Es könnte daran liegen, dass es keinen Strom mehr gibt, aber sie haben schon vor Urzeiten existiert, also kann es daran nicht liegen.“, erklärte Shadow und ich war erstaunt darüber, wie viel er sagte. „Sonnenenergie kann es auch nicht sein. Immerhin existiert sie noch immer, auch wenn sie uns fast schon verbrennt. Meine Theorie war auch noch, dass es irgendeine Energie sein könnte, die frei um uns herum schwebt…“ „So etwas wie >kosmische< Energie?“ „Genau. Aber die müsste es theoretisch auch noch geben, wenn sie wirklich existieren würde. Und ab da kam ich zu meiner nächsten Theorie.“, er schaltete seine Taschenlampe an, als es dunkel wurde „Was ist, wenn sie ihre Energie aus unserem Planeten ziehen? Unser Planet hat ja anscheinend nicht mehr viel davon übrig. Das allerdings müsste auch heißen, dass sich die Energie unserer Erde nicht mehr regeneriert. Das heißt wiederum, dass bei jeder Benutzung der Emeralds ein Stück unserer Erde verloren geht. Was bedeutet, dass wir dafür gesorgt haben, dass sie immer schwächer wird.“ Ich blinzelte. Bei jeder Nutzung wurde unserem Planeten Energie entzogen…kostbare Energie, die das Gleichgewicht hielt. Heißt das…die Naturkatastrophen waren Folgen aus dem Energieverlust? Konnte das sein? Jedes Mal, wenn Sonic die Welt rettete, starb ein Stück mehr von ihr? „Folglich…an der Apokalypse war nicht nur Eggman Schuld.“, stellte Heriot trocken fest. „Richtig. Demnach könnte es auch völlig umsonst sein, dass wir diese Splitter suchen. Immerhin brauchen die Emeralds die Energie des Planeten.“, Shadow warf einen Blick auf sein Radar „Ich habe nachgeforscht, woher diese Emeralds kommen. Ich glaube, dass selbst Knuckles nie herausgefunden hat, was sie wirklich anrichten. Wir sind nicht die Ersten, die diese Emeralds nutzen. Sie waren davor auch schon auf diversen Planeten – Einer nach dem anderen ist wie ein Stern erloschen. Deswegen finden wir kein anderes Leben im All, sie wurden von den Emeralds ausgelöscht. Sie suchen sich die größte Energiequelle, reisen zu ihr hin und absorbieren sie so lange, bis es keine mehr gibt. Dann ziehen sie weiter zum nächsten Planeten.“ „Das heißt…wenn wir in die Vergangenheit reisen…müssen wir nicht nur Eggman vernichten, sondern auch dafür sorgen, dass die Emeralds nie wieder benutzt werden?“, fragte ich langsam. „Es ist nur eine Theorie. Aber ja, das kann sein.“ „Aber es kann doch nicht sein, dass dieser Weltuntergang von heute auf morgen passiert ist! Das kann doch nicht das Werk der Emeralds gewesen sein, immer hin entziehen sie dem Planeten doch nach und nach die Energie, also sollte er auch eher langsam sterben und nicht von heute auf morgen!“, warf Raimi ein. „Die Apokalypse hat auch Eggman begonnen. Er ließ Sonics Freunde töten und tötete dann den Igel selbst.“, entgegnete Heriot. „Warte. Er ließ Sonic töten?“, fragte ich verwirrt „Ich dachte, er hätte ihn selbst getötet.“ „Natürlich dachtet Ihr das. Das sollte jeder denken, denn ein großer Held soll auch von einem großen Gegner besiegt werden und nicht von einem unwichtigen Mitläufer.“ „Aber…wie hat…Eggman…ich meine…nicht mal Eggman konnte Sonic besiegen! Wie konnte dann eine Anderer…“ „Es ist sehr einfach.“, erwiderte der Ninja ruhig „Eggman und Sonic haben sich nie richtig gehasst. Sie haben sogar in gewissen Situationen zusammen gearbeitet. Eggman wollte die Weltherrschaft, Sonic war ein Störfaktor dabei. Das war der einzige Grund, warum sie sich bekämpften. Wenn Eggman ohne seinen Tod an die Weltherrschaft gekommen wäre, hätte er diesen Weg eingeschlagen. Nur ging das nun mal nicht. Also schickte er Sonic skrupellose Söldner auf den Hals, die ihn und seine Freunde vernichteten.“ „Aber…diese Söldner…“ „…hatten keinerlei Ehrgefühl. Sie haben ihn im Schlaf getötet oder als er ihnen den Rücken zudrehte. Ihr dürft euch keinen glorreichen Kampf vorstellen. Es war eine feige Ermordung von hinten. Sonic war von der Bildfläche verschwunden, seine Leiche wurde Monate später gefunden und seitdem gilt er als Held, der im Kampf gegen Eggman gefallen ist. Die Wahrheit interessiert keinen. Er ist eine Legende und Legenden werden nicht von Hintermännern ermordet. Sie sterben in der Hauptschlacht gegen den Anführer.“ „Woher weißt du das alles?“, fragte ich bloß. Die Vorstellung, Sonic könnte von jemand anderem als Eggman umgebracht werden…es gefiel mir nicht. Sonic wirkte dann so…so…schwach. „Ich war im Krieg.“ „Er hat Recht.“, Shadow nickte leicht „Es war wirklich so. Ich wurde auch nicht von Eggman geschlagen, sondern von einem seiner Männer.“ „Was, du auch noch!?“, ächzte Raimi entsetzt „Wie konnte das sein!?“ „Glaubst du, Eggman könnte selbst die ganze Welt übernehmen? Nein, diesmal hatte er Hilfe. Mächtige Hilfe. Ich weiß nicht, wer er war. Es war nur eine einzelne Person, ein Gehilfe, der ihn diese Schlacht gewinnen ließ. Die größte Schwäche des Doktors war einfach, dass er nur Maschinen benutzte, die nicht selbst denken konnten und sich nicht selbst verteidigen konnten. Er konnte sie noch so mit Waffen vollpumpen, am Ende musste er sie doch immer selbst bedienen. Er hatte entweder gar keine Hilfe oder nur unfähige Tölpel, die auch Maschinen waren. Menschliche Freunde hatte er wohl kaum. Und dann tauchte er wie aus dem Nichts mit einem so mächtigen Gegenspieler auf. So schnell, dass er mit Sonic mithalten konnte, stark wie Knuckles und schlau wie Tails. Ich habe keine Ahnung, ob er ein organisches Wesen war, aber er war stark. Er war derjenige, der das ganze zum Kippen brachte.“ „Eggman hatte Hilfe? Wie kann nur eine einzige Person den Kampf entscheiden!?“, wollte ich ungläubig wissen „Es war nur Einer!“ „Ein Einziger kann den ganzen Krieg entscheiden. Er war allein, aber das hieß auch, dass er nichts zu verlieren hatte. Auf mich wirkte er so, als wäre ihm sogar sein eigenes Leben egal. Es schien fast so…als ob er nur um des Kampfes willen kämpfen würde. Diese Person war auf Krieg aus, auf nichts weiter. Also ging er zum Doktor, bot ihm seine Dienste an und blieb an seiner Seite. Wenn der Doktor sich gegen den Krieg ausgesprochen hätte, hätte er ihn vermutlich getötet.“ „Hat er denn keinen Namen? Wie hat Eggman ihn genannt?“ „Sein Name war…Assizaar. Er hatte das Zeichen vom Doktor auf der Stirn eingebrannt.“ Ich erstarrte. Das Zeichen…auf der Stirn eingebrannt??? „Tötet sie alle. Wir machen heute keine Gefangenen.“ Wie in meiner Vision…mit den Kindern…und dem grausamen Kommandanten, dessen Augen schwärzer als die Verzweiflung waren. Es hatte ihn wirklich gegeben. Er hatte diese Kinder wirklich getötet. „Aber du sagtest doch, dass er Eggman nicht loyal war.“, erwiderte ich bemüht ruhig. „Er war ihm loyal, solange dieser seine Erwartungen erfüllte. Assizaar hat den Doktor praktisch angebetet. Er war auf Krieg und Blutvergießen aus und der Doktor hatte ihm das ermöglicht.“ „Hast du mit ihm geredet? Hat er dir das erzählt?“ „Er hat geredet wie ein Wasserfall. Er hat mir alles erzählt, während wir gekämpft haben. Es war ihm alles gleichgültig, er hat auch seine eigenen Männer getötet um an Sonic heran zu kommen.“ „Wie kann man nur so grausam sein…“, flüsterte Raimi leise „Wie kann man nur ohne Ziel Kriege führen? Was für eine Person muss man sein, um so mordlustig zu sein?“ „Er war keine Person. Er hatte nicht mal eine Seele.“, entgegnete Heriot. „Du bist ihm im Krieg auch begegnet?“ „Ja. Oft genug, um zu wissen, was er alles getan hat. Er war der größte Kriegsverbrecher, der je existiert hat.“ „Was ist mit ihm passiert?“, fragte ich. Shadow zuckte mit den Schultern „Er wird wohl tot sein. Ich denke nicht, dass er unsterblich war. Ich hoffe es.“ Er blieb stehen. „Stimmt was nicht?“, wollte Raimi wissen, doch er hob die Hand um zu bedeuten, dass sie still sein sollte. „Wir sind hier nicht mehr alleine.“, sagte er. Ich lauschte angestrengt, doch meine Ohren waren nicht halb so gut wie Shadows oder Raimis. Ihr linkes Ohr zuckte ein wenig hin und her, als würde sie versuchen unsere Verfolger ausfindig zu machen. Heriot zog mich ein Stück zur Seite. „Was ist?“, flüsterte ich ihm leise zu. „Sie kommen.“ Erst verstand ich gar nicht, was er meinte, doch im nächsten Moment sah ich aus meinem Augenwinkel, wie sich etwas bewegte und rückte hinter Heriot. Vor uns erschienen zwei maskierte Mobianer. Beide trugen lange, schwarze Mäntel deren Kapuzen ihren Kopf bedeckten. Ihre Hände verschwanden unter den Ärmeln komplett. „Ihr wieder.“, Shadow stellte sich kampfbereit „Wer seid ihr? Und warum seid ihr hinter den Splittern her?“ Der größere der Beiden hob den rechten Arm. Der Ärmel rutschte nach hinten und gab eine weiße, zierliche Hand zum Vorschein. Ein Mädchen? Ihre Fingerspitze fing an zu glühen. Im nächsten Moment schoss ein Speer aus purem Licht heraus, der mich blendete, sodass ich die Augen zusammenkneifen musste. Ich wurde um die Taille gepackt und zur Seite gerissen, landete aber relativ weich auf dem Boden. Ich öffnete die Augen und blinzelte, um mich an die plötzliche Helligkeit zu gewöhnen. „Ich kann nichts sehen!“, rief Raimi und hielt sich die Hände vor die Augen. Sie war noch rechtzeitig zur Seite gesprungen. Ich hörte ein helles Lachen, wie von einem Kind. Angestrengt starrte ich in die Richtung, aus der das gleißende Licht kam und bedeckte mein Gesicht. Plötzlich spürte ich einen stechenden Schmerz an der Schulter. Ich griff mir an die pochende Stelle und merkte, dass ich stark blutete. „He – Ich glaube, er hat auf mich geschossen.“, sagte ich verwirrt. Dann aber geriet ich in Panik. „Er hat auf mich geschossen!“, kreischte ich und spürte, wie man mich wieder um die Taille packte. Heriot wich der Feuersalve, die auf uns zukam aus und warf mich im nächsten Moment hoch. Ich schrie wieder auf, wurde aufgefangen und plötzlich schlitterte ich über den Boden und knallte mit dem Rücken an etwas Hartes. Ich sah auf und merkte, dass ich in irgendeinem Stand saß. „Bleib hier.“, herrschte Shadow mich an, ehe er den Vorhang zuzog. Von draußen hörte ich viele laute Schüsse. Als der Stoff aufhörte zu leuchten, schob ich ihn beiseite. Es dauerte eine Weile, bis sich meine Augen wieder an die Dunkelheit gewöhnten und ich sah die kleine Mobianerin vor meinen Freunden stehen. Ihre Hand war ausgestreckt und zeigte mit der Handfläche zu ihnen. Kleine Lichtkugeln bildeten sich und schossen auf Raimi zu, die hastig auswich. Gleichzeitig versuchten Shadow und Heriot sie anzugreifen, doch sie hob die andere Hand und kleine Nadeln rasten aus ihrem Ärmel auf die Beiden zu. Eine der Nadeln blieb in Heriots linken Arm stecken, verschwand dann aber plötzlich spurlos. Verwirrt beobachtete ich das Szenario weiter. Sein Arm wirkte…er schien Probleme mit ihm zu haben. Er konnte ihn nicht mehr heben. Eine Art Nervengift? Und wo war überhaupt der Zweite Kämpfer? „Ahahaha! Krepiert! Krepiert alle!“, lachte sie und weitere Lichtsperre schossen auf Raimi zu. Ihre Stimme klang seltsam. Wegen der Maske? Ich starrte auf mein Radar. Ein kleiner, roter Punkt war zu sehen. Sollte ich…? Es war nur eine Mobianerin. Meine Freunde würden schon mit ihr fertig werden, bestimmt! Ich schob den Vorhang beiseite und schlich mich möglichst leise davon. Weder meine Freunde, noch ihre Feindin schien etwas zu bemerken, als ich mich hinter den zerfallenen Gebäuden versteckte um vorranzukommen. Der Punkt auf dem Radar kam näher. Suchend sah ich mich um, ehe ich den zweiten Kapuzenträger bemerkte. Er lief weiter vorne, direkt in ein Spiegelkabinett hinein. Er suchte auch den Splitter. Seine Partnerin diente nur zur Ablenkung. Kurzerhand folgte ich ihm möglichst leise. Im Kabinett angekommen, stand ich tausenden zerbrochenen, kaputten oder ganzen Spiegeln gegenüber, die alle mich widerspiegelten. Ich schluckte. Jetzt hatte mich dieser Typ bestimmt bemerkt. Tatsächlich sah ich auch sein Spiegelbild – Oder das Original? – und er starrte mich an. Hastig rannte ich in irgendeinen Gang und sah auf mein Radar. Der Splitter war ganz in der Nähe. Im nächsten Moment sah ich eine schwarze Hand, die nach mir griff. Ich schrie auf und stolperte zurück, geradewegs durch einen zerbrochenen Spiegel hindurch. Mir gegenüber stand der Kapuzenmann. Als ich aber genauer hinsah, erkannte ich, dass es nur ein Abbild von ihm war. Ich kroch zurück und sah mich nach allen Seiten um, doch ich konnte nur mich selbst sehen. Mein Radar lag ein paar Meter weiter entfernt von mir und ich kroch darauf zu. Dann aber bekam ich einen Stiefel in den Bauch und krachte gegen ein Spiegelglas, das in tausend Stücke zersplitterte. Blut lief mir über den Kopf und ich wurde schmerzhaft an meine Wunde an der Schulter erinnert. Ich starrte in die Richtung, aus der der Tritt gekommen war. Nichts. Zögerlich stand ich auf, ehe ich einfach losrannte, mir das Radar schnappte und weiterrannte. Wenn ich schnell war…vielleicht konnte er mich nicht erwischen. Ich spürte, wie mein Herz vor Angst höher schlug. Bei jedem Abbild von ihm schrie ich erschrocken auf. Woher wusste er, wo ich bin? Ich stolperte und fiel geradewegs in ein paar Scherben. Sie schnitten mir in die Haut, aber ich sprang auf und rannte weiter. Es musste für ihn doch genauso verwirrend sein, wie für mich. Woher… Ich wurde langsamer und blieb stehen. Natürlich…er hörte mich. Ich war viel zu laut. Vielleicht könnte ich das auch für mich nutzen. Zögerlich stellte ich mich vor einen Spiegel, der noch komplett war. Der schwarze Kapuzentyp lief in den Abbildern immer wieder an mir vorbei, doch ich konnte bei jedem Übergang erkennen, dass er nicht der Echte war. Ich blieb weiterhin in meinem Spalt stehen. Warten und überwältigen, dass war mein Ziel. In der Hand hatte ich fest mein Messer umklammert. Ich wollte ihn nicht töten. Ich wollte ihm vom hinten eins überziehen und ihn ohnmächtig schlagen, aber es war riskant. Seine schwarze Silhouette erschien vor mir. An einem zerbrochenen Spiegel erkannte ich, dass es diesmal der Echte sein musste. Möglichst leise sprang ich aus meinem Versteck, als er mir den Rücken zuwandte und versuchte ihn mit meinem Messer zu erwischen. Er drehte sich um. Mein Handgelenk wurde gepackt. Ich stieß einen schmerzerfüllten Schrei aus, als ich ein widerliches Krachen hörte und sah, wie sich meine Hand verdrehte. Er hatte nicht fest zugedrückt. Trotzdem waren meine Knochen definitiv gebrochen. Er ließ meine Hand los und presste seine Fingerspitzen auf meinen Oberarm. Ich spürte, wie sich meine Knochen verschoben, gefolgt von unerträglichen Schmerzen. Mein eigenes Kreischen hörte ich kaum, mein Körper fühlte sich taub an. Ich blutete, mein rechter Arm war komplett gebrochen und ich stand der Ohnmacht nahe. Der Kapuzentyp ließ mich los. Ich fiel zu Boden und landete auf meinen gebrochenen Arm. Der Schmerz schoss nochmal kurz wie eine Hitzewelle über mich, ehe ich nichts mehr spürte. Mein ganzer Körper war taub. Ich konnte nur mühsam meine Augen offen halten. Aus einem kleinen Spalt sah ich, wie er sich umdrehte und gehen wollte, wohl davon überzeugt, dass ich ohnmächtig oder tot wäre. Ich wusste, dass ich unter Schock stand. Deswegen spürte ich auch keine Schmerzen mehr. Und solange das der Fall war, sollte ich handeln. Mit der linken Hand fummelte ich nach meinem Messer und sah auf. Der Typ hatte mir den Rücken zugewandt und sah auf mein Radar, dass er aufgehoben hatte. Ich umfasste den Griff meines Messers und stach ihm mit aller Kraft in die Kniekehle. Zum Glück waren Mobianer so klein. Er gab einen erstickten Laut von sich und knickte ein. Wütend wollte er meine Hand packen, doch ich drehte das Messer in seiner Wunde und er jaulte wieder auf. Blut sickerte aus der Stichwunde und ich zog es mühsam wieder heraus, ehe ich noch einmal zustach. Er brüllte wütend und erwischte diesmal meine Hand. Er zog an ihr und schleuderte mich von sich. Ich sah noch seinen Stiefel auf mich zu kommen, ehe alles schwarz wurde. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)