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Yorukage

~Die Schule der Magie~
von

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Prolog: Schwerelos

Prolog: Schwerelos
 

~Sezuna~
 

Schwerelos trieb ich umher.

Mein Körper fühlte sich leicht und warm an. Geräusche vermischten sich zu einem sanften plätschern und es war, als würde ich fliegen.

Fühlte es sich so an, zu sterben?

Ich trieb umher. Frei von Gedanken und Wünschen. Erinnerungen und Sorgen. Es fühlte sich so gut an.

Doch dann brach ich durch irgendwas durch.

Es wurde laut. Irgendwas toste. Kalte Luft umspielte mich, ließ mich frösteln.

Etwas zog an meinen Haaren und meinen Armen, doch ich war zu müde, um die Augen zu öffnen und nach der Ursache zu suchen.

Noch immer trieb ich umher, doch nun spürte ich das Wasser unter mir. Es schwappte mir ins Gesicht. Lief mir in Nase und Ohren und in meinen leicht geöffneten Mund.

Mühsam zwang ich mich meine Augen zu öffnen. Mein Blick genau in den Himmel gerichtet. Es war nicht dunkel, aber die Wolken waren so dicht, dass die Sonne mich nicht blendete.

Eigentlich ein recht schöner Tag, wenn ich nicht gewusst hätte, wo ich mich wahrscheinlich befand.

Ich trieb mitten im Wasser, aber nicht etwa in einem See.

Meine Kleidung war zerfetzt, meine Haut blutig geschürft und mein Kopf hämmerte in einem immer schneller werdenden Rhythmus.

Die Fluten hatten sich beruhigt, doch noch immer hatte ich Angst mich zu bewegen. Wieder unter zu gehen. Ich zwang mich dazu meinen Kopf zu drehen, doch ich verlor den Halt.

Was auch immer mich oben gehalten hatte, war weg und ich tauchte wieder unter Wasser.

Meine langen roten Haare schlangen sich um mich und nahmen mir kurz die Sicht, ehe ich es schaffte mich paddelnd wieder über Wasser zu ziehen.

Keuchend und wasserspuckend versuchte ich mich oben zu halten. Mir war kalt und ich war erschöpft.

Meine goldenen Augen suchten nach etwas, an dem ich mich festhalten konnte.

Ich erblickte den Rest eines Baumwipfels in meiner Nähe und versuchte mich darauf zu zubewegen.

Ich streifte etwas an meiner Schulter und mein Blick huschte hinüber.

Ein Mann. Aufgebläht, wie ein Gummibärchen, dass man im Wasser liegengelassen hatte. Seine Haut blau und sein Gesicht nach unten im Wasser.

Tot.

Meine Hand ergriff einen Ast eines Baumes und ich hielt mich daran fest.

Mein Blick schweifte über das braune Wasser, das überall um mich herum war.

Es war so plötzlich gekommen.

Mitten in der Nacht hatte es das gesamte Dorf einfach überschwemmt.

Alle Häuser standen unter Wasser und selbst der Kirchturm war fast vollständig vom Wasser verschluckt.

Erneut schweifte mein Blick über die Wassermassen.

Hier und da waren einige Leute zu sehen, die langsam untergingen, doch niemand, den ich kannte.

Das hätte ich auch nicht erwartet, denn alle, die ich liebte, waren schon vor mehr als einem Jahr gestorben.

Ich war erst vor wenigen Wochen hier her gekommen und kannte kaum jemanden. Aber das war sowieso egal.

Wichtiger war die Frage: Warum lebte ich noch?

Ich war im Keller, als das Wasser mich überrascht hatte. War verdammt noch mal dabei gewesen mich zu erhängen und nun schwamm ich hier herum. Lebendig. Wahrscheinlich die einzige, die überlebt hatte.

Warum gerade ich? Wo ich doch sowieso sterben wollte, weil ich dem Leben nichts mehr abgewinnen konnte?

Wie war ich aus dem Keller hier her gekommen?

Aber das war egal.

Ich schloss die Augen und ließ los. Ließ mich von der Flut mitreisen und spürte, wie das Wasser in meine Lungen eindrang.

Erst schmerzte es, doch dann fühlte ich nichts mehr, außer Schwere. Ruhe und Frieden. Stille.

Willkommen auf der Yorukage

Kapitel 1: Willkommen auf der Yorukage
 

~Erde-Sezuna~
 

Jemand rüttelte sie hin und her und riss sie so aus ihrer Ohnmacht. Die Schwerelosigkeit wich aus ihren Knochen und machte einer leichten Kälte Platz, die immer stärker wurde.

Etwas drückte auf ihren Brustkorb und ließ sie Wasser spucken. Es war, als wäre das Wasser mit Klingen versehen, so sehr schmerzte es in ihrem Hals, doch schließlich konnte sie endlich wieder ordentlich atmen. Auch wenn ihr Hals sich anfühlte, als hätte sie ein Reibeeisen verschluckt.

Ihre Erinnerungen kamen zurück und das Geschehen entlud sich in stürmischen Bildern in ihrem Kopf. Wasser. So viel Wasser.

War sie ertrunken? Oder nicht? Warum nicht?

„Ich glaub sie kommt wieder zu sich“, hörte sie eine Stimme, die wie durch Watte zu ihr drang. Sie wirkte gedämpft und weit weg, dennoch war ein besorgter Ton heraus zu hören.

Es fiel dem Mädchen schwer ihre Augen zu öffnen und etwas zu erkennen. Licht blendete sie kurz, doch ihr Blick klärte sich langsam. Das Meer aus Farben wich Umrissen, die langsam schärfer wurden und schließlich ein Bilde formten. Sie blickte in ein Gesicht, dass ihr bekannt vorkam und dass sie doch nicht einordnen konnte. Verschwommene Konturen wurden langsam deutlicher und immer mehr regte sich das Gefühl diesen Fremden zu kennen.

Kleine dunkle Augen lagen tief in den Augenhöhlen und wurden von einem silbergrauen Pony fast verdeckt.

Die Wangen waren eingefallen und faltig und das Kinn schien überwuchert mit einem grauen Bart.

Ein Fremder?

Obwohl sie das Gefühl hatte ihn zu kennen, konnte sie doch nicht sagen woher. Es könnte kurz auf der Straße gewesen sein. Oder es war einer ihrer Nachbarn. Sie wusste es nicht mehr. Aber es war ihr auch egal. Sein Gesicht verschwamm mit der untergehenden Sonne und ließ ihren Kopf heftig pulsieren. Also, schloss sie die Augen wieder und versuchte ihren brennenden Hals zu ignorieren. Es war, als hätte sie eine ganze Flasche puren Wodka getrunken. Zudem war ihr unglaublich schlecht und sie fühlte sich schwach und müde. Völlig ausgelaugt. Arme und Beine kribbelten lediglich, doch so wirklich Gefühl hatte sie darin nicht. Langsam begann sich alles wieder zu drehen und aus den scharfen Konturen wurden wieder Wirbel aus Farben.

„Wir sollten sie jetzt ins Warme bringen“, erklärte eine Stimme, doch die Rothaarige konnte ihre Augen nicht öffnen. Warm klang gut. Sie war schon völlig durchgefroren. Und ihr Gehirn schien nur sehr langsam zu arbeiten, denn sie fragte sich nicht wer diese Leute waren, oder wo sie sich befand. Sie wollte einfach nur schlafen und das Gefühl genießen, dass sich um sie zu hüllen schien, wie warme Decken. Es war kein physischer Gegenstand, sondern eher ein Gefühl. Das Gefühl geborgen zu sein. Ein vertrauter Geruch und etwas, dass sie zu streicheln schien. Vertraut und wunderbar.

Dann spürte sie tatsächlich etwas auf ihrer Haut. Eine Decke vielleicht? Nun wurde es ihr nicht nur geistig, sondern auch körperlich warm. So als wäre es eine Heizdecke.

Wie angenehm.

Ein zufriedener Seufzer verließ ihre Kehle.

Die Wärme umhüllte sie und das leise Hintergrundplätschern ließ ihren Geist zur Ruhe kommen und schließlich glitt sie langsam ins Reich der Träume über.

Sezuna bemerkte nicht, wie jemand die Decke griff und sie sanft hoch hob. Das leichte Schaukeln sorgte nur dafür, dass sie immer müder wurde. Jemand drückte sie an seine warme Brust und Sezuna widerstand nur knapp dem Drang sich noch weiter an diesen Jemand zu drücken. Der Geruch, der sie umfing war ihr so vertraut, dass sie sich unbewusst an den Körper schmiegte, ohne überhaupt sagen zu können, ob es jemand männliches, oder weibliches war. Das Rauschen des Wassers und die leise gemurmelten Stimmen verbanden sich zu einem Hintergrundgeräusch, dass es ihr noch leichter machte ins Reich der Träume abzudriften.
 

~Yorukage-Krankenstation-Sezuna~
 

Ein summendes Geräusch bahnte sich den Weg durch den Nebel der Träume und riss sie aus der Traumwelt hinein in die Wirklichkeit. Ihr war angenehm warm und ihr Körper fühlte sich noch immer erschöpft an, doch die Schmerzen waren nur noch ein Echo. Aber das summende Geräusch, dass von Elektrogeräten stammte, nervte sie. Schon immer konnte Sezuna diese Dinge hören. Jedes Gerät machte ein unverkennbares Geräusch und sie hasste es. Manchmal raubten ihr diese Geräusche den gesamten Schlaf. Computer, Heizung, Kühlschrank, oder Handys. Sie wusste, dass es nicht normal war, dass sie diese Dinge hörte, doch damit hatte sie sich schon lange abgefunden. Sie war eben nicht normal.

Solange sie es nur hörte, konnte sie es kaum unterscheiden und langsam wurde sie neugierig. Es roch nicht wie in einem Krankenhaus, aber dafür lag ein anderer, bekannter Geruch in der Luft. Fast wie Räucherstäbchen. Allerdings mit einer vertrauten Note, die sie nicht ganz identifizieren konnte.

Obwohl Sezuna schon eine Weile lang wach war und lauschte, entschied sie sich nun doch ihre Augen zu öffnen.

Das Licht war gedämmt und der Raum war fast dunkel. Nur der Lichtschein, der durch einen Spalt in der, nicht geschlossenen Tür, fiel, erhellte den Raum.

Sezunas Blick wanderte von der Tür über die Wände und durch den Raum. Ein kleines, recht gemütliches Zimmer mit brauner Vertäfelung und hellen Akzenten. Dennoch machte Sezuna etwas nervös. Sie konnte nicht genau sagen warum, aber sie spürte, dass Geheimnisse in der Luft lagen. Es war, als hätte dieses Zimmer eine lange Geschichte, die schon so sehr in die Wände übergegangen war, dass man sie spüren konnte. Bisher hatte Sezuna dieses Gefühl nur in einer sehr alten Ruine gehabt.

Dennoch war da noch mehr, als sonst. Ein Gefühl viel weiter unten.

Aber der Raum konnte es nicht sein. Er wirkte gemütlich. Mit seinem Bett, dem Regal und dem Nachtschrank sah er genau so aus, wie sich Sezuna die Schlafzimmer auf Internaten immer vorgestellt hatte.

Schritte kamen näher und Sezunas Blick glitt zurück zur Tür. Als sie bemerkte, wie sich der Spalt vergrößerte schloss sie schnell wieder ihre Augen. Es sollte nicht jeder gleich bemerken, dass sie wach war. Sie wollte zuerst die Umgebung hören.

Auch wenn sie versuchte ihre Atmung zu beruhigen, war ihr klar, dass sie zu aufgeregt war, um wirklich als Schlafende durch zu gehen. Was wohl auch der fremde Besuch dachte.

Seine Schritte näherten sich und dann blieb er stehen. „Sezuna“, wurde ihr Name gesagt und das Mädchen versteifte sich leicht. Woher kannte der Fremde ihren Namen und wieso klang seine Stimme in ihren Ohren so vertraut? In ihrem Kopf begann es zu pochen, als ihre Erinnerungen versuchten ein Gesicht zu der Stimme zu finden. Es wollte nicht so recht gelingen. Es wirkte alles sehr neblig und unklar. Weit weg.

Dafür machten sich haufenweise Fragen in ihrem Kopf breit.

Wer war dieser Mann und woher kannte er ihren Namen? Wo war sie hier überhaupt?

Um das heraus zu finden blieb ihr wohl nichts anderes übrig, also öffnete sie langsam die Augen und suchte dann nach dem Sprecher.

Schließlich fand sie ihn.

Er saß neben ihr auf einem Stuhl. Sein hagerer Körper war in einen dunkelvioletten Mantel gehüllt und ein langer Bart lag auf seinem Schoß. Seine dunklen Augen lagen tief in den Augenhöhlen und sein Haar war schüttern und bildete große Geheimratsecken. Außerdem zierte ein spitzer Hut seinen Kopf. Ebenfalls in einem dunklen Violett.

Sezuna schluckte. Das erinnerte sie stark an Harry Potter. War sie bei einer Fan-Gemeinde gelandet? Oder drehten sie hier einen Film? Irgendwas in der Richtung musste es wohl sein, denn kein normaler Mann würde sich jemals so anziehen! Obwohl sie zugeben musste, dass der Mantel schon irgendwie kleidsam war.

Es dauerte eine Weile, dann realisierte der Mann, dass Sezuna ihn anstarrte. Seine Lippen verzogen sich zu einem Lächeln, dass fast die Annahme zuließ, dass er genau wusste, über was sie nachdachte, denn es wirkte belustigt. Der Bart verdeckte zwar fast seinen kompletten Mund, doch an seinen Wangen bildeten sich Lachfältchen, die Sezuna erneut sehr bekannt vorkamen. Vielleicht hatte sie dieses Gesicht schon einmal jünger sehen? Vor vielen Jahren, als sie selbst ein Kind gewesen war?

„Wie fühlst du dich?“, fragte er und seine Stimme klang besorgt, wenn auch immer noch ein wenig belustigt. Sezuna musterte ihn weiter und zog ihre Augenbrauen nachdenklich zusammen. Ein fremder, alter Mann, der sich scheinbar Sorgen um sie machte. Erst kam Sezuna der Gedanken, dass er womöglich auf jüngere Frauen stand, aber irgendwas in ihrem Kopf sagte ihr, dass es völliger Quatsch war. Dennoch blieb eine gewisse Unsicherheit. Ein seltsames Gefühl, was sie früher hatte, wenn sie versuchte ihren Eltern zu erklären, warum sie Blödsinn angestellt hatte und ihr die Argumente ausgegangen waren, um ihre Taten zu rechtfertigen.

Sie fühlte sich ein wenig in die Enge getrieben mit dem Bedürfnis sich zu rechtfertigen. Doch das würde sie nicht tun. Nicht vor fremden Männern.

„Wer sind sie?“, fragte Sezuna zurück, ohne auf seine Frage einzugehen. Dabei stellte sie fest, dass ihr Hals kratzte und ihre Stimme ungewöhnlich rau klang.

Der alte Mann lächelte und erst glaubte Sezuna, er würde ihre Frage einfach genau so übergehen, wie sie seine, doch er antwortete: „Mein Name ist Lion Humom“, sagte er ruhig und lächelte weiter, während seine Hand nach einem Glas griff, dass neben ihm auf einem kleinen Beistelltischchen stand.

Darin war eine goldene Flüssigkeit, die Sezuna zusammenzucken ließ. Sie wusste nicht, was es war, aber sie konnte sich denken, dass nicht er dieses Zeug trinken würde. Und das beunruhigte sie.

Wie sie erwartet hatte, hielt er es ihr hin. „Es wird deinem Hals gut tun. Trink einen Schluck“, sagte er und Sezuna drückte sich ein Stück nach oben. Seine Worte bereiteten ihr, seltsamer Weise, kein Unbehagen. Im Gegenteil. Sie wollte es trinken.

Aber sie war sich nicht so sicher, was darin war. Sie konnte sich noch lebhaft an das letzte Mal erinnern, als ihr jemand mit den Worten: ‚Es wird dir gut tun’, ein Glas in die Hand gedrückt hatte.

Einer ihrer angeblichen Freunde, der sie hatte aufmuntern wollen. Mit einem Glas in das Drogen gemischt gewesen waren. Damals hatte sie eine Abneigung gegen das Getränk empfunden und hätte es wahrscheinlich auch nicht getrunken, wenn sie nicht schon ziemlich voll gewesen wäre. Das war das einzige und letzte Mal, dass sie nach Alkohol gegriffen hatte, aber da sie mehrere Monate grundlos in einer Irrenanstalt verbracht hatte, schien es ihr eine gute Wahl zu sein ihren Frust über den Verrat ihrer Eltern zu ertränken. Es hatte auch geklappt. Für fast 2 Stunden und danach hatte sie nur einen heftigen Kater und war alles andere als glücklich gewesen.

Nun aber musterte sie das Getränk und nahm es dann doch entgegen, trank aber noch nichts.

Sie fühlte sich nicht besonders gut. Noch immer hämmerte ihr Kopf und ihr war kalt. Außerdem hatte sie Muskelkater. Dennoch hob sie vorsichtig die Hände mit dem Glas, um daran zu riechen. Möglich, dass es nur Saft mit einer Aspirin war.

Das Getränk roch vertraut, also nahm sie vorsichtig einen Schluck, um den Geschmack zu testen und hätte beinahe aufgestöhnt. Es schmeckte so herrlich. Fruchtig und warm. Ein wenig wie dieser besondere Pflaumenschnaps, den sie so gern trank. Nur das der Nachgeschmack von Alkohol fehlte. Das war gut, aber irgendwie auch beunruhigend. Sie kannte keinen Saft, der so schmeckte.

Eine angenehme Wärme legte sich über ihren Körper und das war weniger gut. Sezuna hielt inne und wartete. Doch es geschah nichts anderes. Sie fühlte sich lediglich warm und ein wenig kräftiger als vorher. Von Alkohol bekam sie normalerweise als erstes Schulterschmerzen, doch das blieb aus.

Sezuna hatte nie herausgefunden, warum sie so auf Alkohol reagierte, doch das war ihr auch egal. Es war eine gute Möglichkeit heraus zu finden, was in einem Getränk alles drin war. Und da von diesem keine Gefahr auszugehen schien, nahm sie doch noch einen Schluck und stellte dann die Frage, die ihr schon die ganze Zeit auf der Zunge brannte: „Wo bin ich hier?“

Erneut lächelte der alte Mann dieses besondere Lächeln und Sezuna wurde misstrauisch. „Das hier ist die Yorukage. Eine Schule für ganz besondere Leute“, erklärte er und in seiner Stimme schwang ein Unterton mit, der Sezuna noch misstrauischer werden ließ.

Skeptisch zog Sezuna erneut ihre Augenbrauen zusammen. Meinte er damit eine Irrenanstalt? Da wäre sie zumindest nicht ganz so falsch. Immerhin waren ihre Eltern auch der Meinung gewesen, dass eine solche Anstalt ihr helfen würde. Nur leider hatte es das Ganze noch schlimmer gemacht. Wie also sollte sie hier wieder raus kommen, wenn es sich tatsächlich um eine Irrenanstalt handelte?

Der Mann lächelte erneut, doch dieses Mal ein wenig mitfühlend.

„Nein meine Liebe. Das hier ist keine Irrenanstalt“, antwortete er, als hätte er ihre Gedanken gelesen und Sezuna zuckte zusammen. Gedankenlesen!? Das war nicht möglich, dass sollte sie doch langsam wissen.

„Nichts ist unmöglich meine Liebe“, erklärte er ihr und Sezuna zuckte erneut. ‚Meine Liebe‘, klang aus seinem Mund so natürlich, dass sich Sezuna gar nicht daran störte. Es fühlte sich sogar eher so an, als wäre es völlig normal und dabei war sie sonst immer recht verärgert gewesen, wenn Freunde so mit ihr sprachen.

Sezuna versuchte dieses seltsame Gefühl abzuschütteln und blickte den Mann fragend an. Ihr Kopf legte sich dabei leicht schief und ihr Blick glich einer Katze, die ein viel zu großes Tier beobachtete und nun nicht wusste, ob sie fliehen, oder es anspringen sollte. Mit diesem Blick wartete sie auf eine nähere Erklärung. Die ihr auch fast sofort gewährt wurde.

Herr Humom erhob sich und in seiner Hand erschien ein langer Stock, dessen oberes Ende aussah wie ein Schneckenhaus. Sezuna zuckte zurück und ließ beinahe das Glas fallen. Doch sie war nicht ganz so erschrocken, wie es vielleicht angebracht war. Ihr Herz raste nicht und sie fühlte sich auch nicht bedroht. Es schien auch kein Adrenalin durch ihre Adern zu schießen.

Der alte Mann stützte sich auf den Stock und lief ein wenig im Raum hin und her. Für sein Alter war er noch recht fit, auch wenn seine Schritte wohl früher wesentlich eleganter und raubtierhafter gewesen sein mussten. Ein wenig war von diesem raubtierhaften Gang noch übrig, doch es wirkte nicht mehr bedrohlich.

Er murmelte etwas in einer Sprache, die Sezuna nicht übersetzen konnte und doch verstand. Sezuna war nicht ganz bewusst, wie das möglich war, denn sie konnte die Worte nicht übersetzen, verstand aber den Sinn dahinter. Als hätte sie jemanden vor langer Zeit schon einmal so sprechen hören.

Ein Meer aus Farben versuchte erneut ein Bild in ihren Kopf zu malen, doch es wurde immer wieder verwischt. Dafür hörte sie eine Stimme, die sich mit der von Humom vermischte und ihr ein warmes Kribbeln im Bauch bescherte. Doch die Farben wollten einfach kein Bild malen. Daher begnügte sich Sezuna damit ihre Ohren zu spitzen und Humom anzuschauen.

Er fluchte aufgebracht vor sich hin und erst, als er bemerkte, dass sie ihn gespannt zu hörte, hielt er inne und räusperte sich.

„Sezuna, ich weiß du wirst dich nicht mehr an mich erinnern, aber ich bin ein Freund deines Vaters“, erklärte er und nun wurde Sezuna hellhörig und misstrauisch. Es klang nichts falsch dabei und es würde auch erklären, woher sie sein Gesicht kannte, aber ihr Vater hatte diesen angeblichen Freund niemals erwähnt. Oder doch? Sezunas Namensgedächtnis war schon immer mehr als schlecht gewesen. Also war es tatsächlich möglich, dass sie diesen Mann kannte und ihr sein Gesicht daher so bekannt vorkam. Wenn ihr Vater ihn kannte, würde es auch erklären, warum sie das Gefühl hatte dieses Gesicht schon einmal jünger gesehen zu haben.

Dennoch war Lion kein Name, den man schnell vergaß. Das ließ sie misstrauisch werden und dass der Mann immer noch aufgeregt durch den Raum tigerte. Dabei strich er immer wieder mit seinen Fingern durch seinen Bart, oder seine Haare. Eine eindeutig nervöse Geste. Warum war er nervös?

Sezuna wollte ihn gerade anfahren, dass sie das auch nervös machte, als er stehen blieb und seine dunklen Augen sie eindringlich anblickten. „Glaubst du an Magie?“, fragte er und Sezuna hätte fast aufgelacht. War sie nicht deshalb für verrückt abgestempelt wurden? Weil sie an Dinge glaubte, die eigentlich nicht möglich waren? An Wesen, die nicht existieren konnten? Wenn sie an dieses … Ding… glaubte, dann konnte sie doch auch an Magie glauben, oder?

„Na ja“, brachte sie schließlich hervor und versuchte mit Mühe die Bilder aus ihrem Kopf zu verdrängen. So viel Blut.

Sezuna beobachtete, wie Herr Humom seinen Kopf kurz in eine Richtung drehte und dann ganz ruhig wurde. Wenige Augenblicke später richtete er seinen Blick wieder auf Sezuna und lächelte nachsichtig.

„Ich denke du siehst schon wieder besser aus. Vielleicht sollten wir es dir einfach zeigen“, erklärte er und Sezuna blickte ihn verwirrt an.

Ja, sie fühlte sich tatsächlich besser und auch gut genug um durch die Gegend zu laufen, aber gut genug um eine Freak-Show zu sehen? Sie war sich nicht sicher.

Sezuna fuhr herum, als es plötzlich an der Tür klopfte und ihr Herz hämmerte aufgeregt, als sich diese öffnete.

Herein kam ein Junge in einem dunkelgelben Mantel. Etwa in ihrem Alter und sie schätzte ihn als nicht wirklich gefährlich ein, weshalb sich ihr Herz wieder beruhigt. Warum war sie nur so nervös und aufgekratzt?

Der Junge hatte dunkelbraunes, zerzaustes Haar und türkisfarbene Augen, die ein wenig seltsame Pupille hatten. Sezuna starrte ihn an, weil sie seine Augen so faszinierend fand. Sie erkannte sogar von ihrem Standpunkt aus jedes Detail. Und das war das, was sie faszinierte. Seine Pupille war nicht rund, sondern sternenförmig.

„Karun. Schön dass du so schnell kommen konntest“, lächelte Herr Humom und wand sich von Sezuna zu Karun.

Dieser blickte von Sezuna nur ganz kurz zu Herrn Humom und neigte leicht den Kopf, ehe er wieder zu Sezuna blickte.

„Das hier ist Sezuna Kaya. Sie wird ab heute hier wohnen“, erklärte er und Sezuna zuckte. Dass er das einfach so über ihren Kopf entschieden hatte gefiel ihr nicht, aber sie hatte kaum eine andere Wahl, auch wenn diese Entscheidung sie wütend machte. Sie hatte ihr Zuhause immerhin verloren. Die Frage war nur, was er von ihr als Gegenleistung wollte. Und Sezuna hatte genug Fantasie um sich die verrücktesten Sachen auszumalen. Doch immer wieder sagte ihr eine Stimme, dass sie nicht so misstrauisch sein musste und dieser Mann ihr nichts Böses wollte. Und jetzt warf er ihr auch noch einen entschuldigenden Blick zu und machte ihr schlechtes Gewissen damit noch schlimmer! Daher drehte sich Sezuna wieder Karun zu und überlegte, ob sie von der Liege, auf der sie noch immer saß, aufstehen sollte, oder lieber abwarten sollte.

Karun blickte sie an und musterte sie von oben bis unten.

Ihre roten Haare waren noch immer zerzaust und sie trug ein einfaches graues Hemd, da ihre eigenen Sachen noch nicht wieder trocken waren. Außerdem hatte sie ihre nackten Füße über das Krankenbett hängen und ihre Hände lagen sittsam in ihrem Schoß. Wenn sie den Blick senkte, verdeckte der lange Pony ihre goldenen Augen.

Karun entschied, dass sie ein wenig wie ein verwahrlostes Kind aussah, doch irgendwas an ihr sprach ihn an. Da war eine Aura. Nein, nicht einfach nur eine Aura. Die Resonanz ihrer Anwesenheit schien den gesamten Raum zu erfüllen und dabei konnte sie erst wenige Stunden hier sein. Doch Karun spürte es deutlich. Ihre Resonanz ähnelte der Resonanz des Planeten. Das verunsicherte ihn ein wenig. Normalerweise sollten zwei Resonanzen nicht so ähnlich sein.

Karun erschauderte ein wenig, aber nicht, weil er Angst hatte. Zumindest nicht vor ihr, aber ihre Aura musste unglaublich sein. Und dennoch wirkte sie gedämpft. Fast so, als wäre das Mädchen gar nicht richtig hier. Wie war es nur möglich dass die Wände ihre Aura so stark aufnahmen?

„Was ist sie?“, rutschte es ihm heraus, ohne dass er es beabsichtigt hatte. Nicht jedes Wesen war erfreut darüber eine solche Frage zu hören und er hoffte nur, dass sie genau so freundlich war wie ihre Aura. Denn diese war wie ein helles, warmes Licht und zeigte eigentlich sehr stark den Charakter. Wobei das nicht hieß, dass es nicht möglich war, dass sie zu einem kratzbürstigen Biest werden konnte.

Humom musste sich von Karun und Sezuna wegdrehen, um sein Lächeln zu verbergen. Der Junge schien wirklich keinerlei Selbsterhaltungstrieb zu haben, wenn er solche Fragen stellte. Aber der Direktor war gespannt auf ihre Antwort.

Sezuna blickte ihn verwirrt an und dann zu Herrn Humom. Dieser runzelte die Stirn. „Das ist ein wenig kompliziert. Mit der Zeit wirst du es vielleicht verstehen“, erklärte er und Sezuna war sich nicht sicher, ob er mit ihr, oder mit Karun sprach.

Aber die Art und Weise wie der Junge mit diesem Thema umging bereitete ihr wieder Unbehagen. Schauspielerte er diese Normalität nur?

Sezuna blickte ihn an und verzog ein wenig verärgert die Lippen. „Und wer bist du?“, fragte sie ein wenig verstimmt. Irgendwie gefiel es ihr nicht wie diese Leute hier alles über ihren Kopf entschieden.

Karun blickte sie verwirrt an, ehe sich sein Gesicht schuldbewusst verzog. „Entschuldigung“, machte er und neigte leicht den Kopf. „Ich bin Karun Lunen. Ein Asrade“, erklärte er und lächelte sie an. Sezuna nickte und tat einfach so, als würde sie wissen, was Asraden waren. Was nicht der Fall war.

Aber sie glaubte es hatte sicherlich etwas damit zu tun, dass seine Pupille sternenförmig war. Was auch nicht normal sein konnte. Oder vielleicht war es das auch, daher versuchte Sezuna einfach ihre Unwissenheit nicht so deutlich zur Schau zu stellen.

Die Rothaarige nickte ihm grüßend zu, um diesen Umstand zu kaschieren.

„Ich habe im Bad ein paar Sachen für dich hingelegt. Zieh dir etwas anderes an und dann kann Karun dir unsere Schule zeigen. Während du dich umziehst erkläre ich ihm wo du wohnen wirst. Deine Sachen habe ich schon aus den Überresten deines Hauses holen lassen. Sie sind bereits auf deinem Zimmer“, erklärte Herr Humom und lächelte wieder dieses Lächeln, dass Sezuna seltsamerweise mit Wärme erfüllte. Er hatte sich die Mühe gemacht die Ruinen ihres Hauses nach ihren Sachen abzusuchen? Dabei musste dieses doch eine ganze Weile unter Wasser gestanden haben. Oder stand es noch unter Wasser? Sie wusste es gar nicht. Hatte überhaupt etwas von ihren persönlichen Dingen das Wasser überlebt?

Sie lächelte schüchtern zurück, ehe sie sich vom Bett gleiten ließ. Kurz prüfte sie, ob sie ordentlich stehen konnte, ehe sie auf die Tür zu lief. Auch wenn sie anfangs ein wenig wankte, kam sie unverletzt an und die Bewegung schien ihr gut zu tun. Auch wenn ihr Gleichgewichtssinn irgendwie nicht richtig zu funktionieren schien, kam sie doch beim Bad an und verbannte dann alle Gedanken an ihr altes Zuhause aus ihrem Kopf. Als erstes würde sie sich eine warme Dusche gönnen.
 

Als sie nach zehn Minuten wieder heraus kam trug sie einen langen mausgrauen Pullover dessen Ärmel so lang waren, dass ihre Hände darin verschwanden. Außerdem reichte er ihr bis über die Knie. Es war keiner ihrer eigenen, doch sie mochte ihn. Nicht zuletzt wegen der großen Bauchtasche.

Sezuna fragte sich nur, woher diese Leute wussten welche Art von Kleidung sie mochte. Ihre Haare waren gemacht. Zwei Strähnen wurden durch zwei Perlenklemmen vor ihre Ohren gehalten und größere Perlenklemmen hielten ihre restlichen Haare in Kniehöhe zusammen.

Außerdem hielt sie einen gelben Mantel in der Hand, der genau so aussah wie der von Karun. Aber sie wusste noch nichts mit diesem anzufangen. Dennoch war der Stoff irgendwie schön. Nicht die Farbe, aber die Art, wie er sich an ihren Händen anfühlte.

Karun lächelte sie wissend an. „Das ist der Schulmantel“, erklärte er, als Sezuna auf ihn zu trat.

„Jeder Schüler trägt einen. Unsere Klasse ist die Anfängerklasse, die sogenannten Rookies. Unsere Mäntel sind gelb. Die Klasse über uns trägt rote Mäntel, dann blau, grün und dann schließlich schwarz“, erklärte Karun und Sezuna nickte das ganze einfach ab. Sie sollte sich demnächst vielleicht alles aufschreiben. Tagebuch führen, oder so was. Sie hatte das ungute Gefühl dass sie mehr lernen würde, als die normalen Unterrichtsstunden anboten. Was auch immer das für eine Art von Unterricht sein würde.

„Ach ja, die Lehrer tragen violette Mäntel. Und die Oberhäupter der Disziplinen tragen schwarze Mäntel mit weißem Saum und einen Diamanten an der Brust, der ihre Disziplin anzeigt.“ Erneut nickte Sezuna einfach nur. Sie würde es schon verstehen, wenn sie gezwungen war es zu verstehen. Hoffte sie. Aber sie hatte sich bereits damit abgefunden sich zu blamieren.

Karun musterte sie von oben bis unten. „Zieh den Mantel an“, meinte er leise und Sezuna verzog den Mund. „Zu warm“, erklärte sie und Karun lachte. „Er ist nicht warm, im Gegenteil“, erklärte er und Sezuna gab einen verwirrten Laut von sich. Wie konnte ein Mantel nicht warum sein? War das nicht der Sinn von Kleidung?

Karun schüttelte belustigt den Kopf. „Zieh ihn an und du wirst es merken“, meinte der Junge und Sezuna seufzte. Auch Herr Humom blickte sie auffordernd an. Sie bemerkte, dass sie keine andere Wahl hatte, also zog sie den Mantel an. Der Stoff fühlte sich gut an, selbst über dem Stoff des Pullovers. Leicht und überhaupt nicht warm. Es fühlte sich eher so an, als wäre er gar nicht da. Wirklich komisch. Lag das an dem Stoff, oder war das die Magie, von der Herr Humom gesprochen hatte?

Der Mantel fühlte sich etwas ungewohnt an und hinterließ ein eigenartiges Gefühl auf der Haut. Doch nichts Schlechtes.

Sezuna blickte an sich hinab, um sich zu vergewissern, dass der Mantel wirklich da war. „Was ist das für Stoff?“, fragte sie und Karun lächelte. „Ein magischer. Aber das wäre jetzt zu kompliziert das zu erklären“, vertröstete er sie, doch damit überspielte er nur die Tatsache, dass er es selbst nicht wusste. Sezuna nickte nur. Sie sollte wirklich nicht so viel fragen, sie konnte sich sowieso nicht alles merken. „Die Taschen sind richtig cool. Es passt echt alles rein“, erklärte er und steckte eine seiner Hände in die Tasche an einer Seite, die überhaupt nicht auffiel.

Sezunas Augen weiteten sich, als sie sah, wie Karuns Arm bis zum Ellenbogen darin verschwand. Als er seine Hand wieder zurück zog hielt er eine Art Stock in der Hand.

Sezuna keuchte, als sie sah, wie der Junge langsam einen ganzen Stuhl aus seiner Tasche zog. Sie war sich noch nicht sicher, ob sie das ganze unter die Kategorie ‚Super-Cool‘ oder einfach nur unheimlich, stecken sollte.

„Ja okay ich glaub es dir, der Mantel ist cool, aber du wolltest mir doch die Schule zeigen“, versuchte Sezuna das Thema zu wechseln und schob ihn aus der Tür. Wenn sie länger darüber nachdachte, wie sowas möglich sein könnte, würde ihr Kopf wohl platzen.

Der Stuhl fiel klappernd zu Boden und beide verließen den Raum.

Sezuna wollte sich nicht weiter mit endlosen Taschen befassen, auch wenn sie schon ahnte, dass sie heute Abend etwas Stärkeres als Wein gebrauchen würde. Wenn es sich wirklich um eine magische Schule handelte, würde das hier nur ein kleiner Teil einer wunderbaren, doch leicht beängstigenden Welt sein, die es zu erkunden gab.

Waveball

Kapitel 2: Waveball
 

~Yorukage-Hauptgebäude-Sezuna~
 

Karun führte Sezuna aus dem Zimmer hinaus in Gänge, die aussahen, als wären sie im Inneren eines alten Schlosses. Die Wände bestanden aus altem Mauerwerk in dunklen Grautönen und am Boden lagen dicke Teppiche in einem dunklen Rotton mit goldenem Rand. Mit großen Holzfenstern und dicken Vorhängen die dennoch genug Licht hinein ließen, wirkten die Wände aber überhaupt nicht kalt. Außerdem gab es an den Wänden flache Halter, auf denen leuchtende Kugeln schwebten. Eine Tatsache die Sezuna faszinierte. Da sie diese genau betrachtete, zuckte sie zusammen, als Karun plötzlich zu sprechen begann.

„Das hier ist die beste Schule in der ganzen magischen Dimension“, erklärte Karun fröhlich, während er weiter lief.

Sezuna nickte, war aber zu fasziniert von ihrer neuen Umgebung, als dass sie ihm wirklich zugehört hätte. Sie mochte das Gefühl der Teppiche unter ihren Füßen. Da sie keine Schuhe, sondern nur Strumpfhosen trug, spürte sie diese noch deutlicher. Sie hatte sich nicht einmal absichtlich dazu entschieden ihre Schuhe aus zu lassen. Es war eher unbewusst passiert. Vielleicht weil es ihr ohne Schuhe schon immer besser gefallen hatte.

Karun führte sie in die Richtung einer Wendeltreppe. Verwirrt bemerkte Sezuna, dass er nach der dritten Stufe stehen blieb und sie fast in ihn hinein gerannt wäre. Sie wollte sich erst beschweren, als sich die Treppe plötzlich begann zu bewegen. Sie gab einen erschrockenen Laut von sich und starrte dann die Treppenstufen an. Wie bei einer Rolltreppe! Das Geländer bewegte sich mit und fühlte sich unter ihren Fingern fast lebendig an. Dennoch klammerte sie sich fest. Die ganze Sache war ihr noch nicht so geheuer. Außerdem konnte sie sich nicht vorstellen, dass es gut für die Schüler war, wenn die Treppe sie auf diese Weise beförderte. Es würde Sezuna nicht wundern, wenn hier alle dick waren. Doch Karun wirkte überhaupt nicht dick.

Im Gegensteil. Er war sehr gut gebaut. Er wirkte zwar nicht unbedingt muskulös, doch sein Körper war drahtig und bestimmt sehr wendig. Ob er Sport machte? Das würde seinen interessanten Laufstil erklären.

Schließlich hielt die Treppe und Karun lief weiter. Eine riesige Eingangshalle baute sich vor Sezuna auf. Sie war vorrangig mit hellem Marmor gestaltet. Zumindest die Wände. Der Boden war aus schwarzen, polierten Marmor gefertigt, der feine goldene und weiße Linien aufwies. Außerdem war er so gut geputzt wurden, dass Sezuna sich darin spiegeln konnte. Sie kamen recht mittig aus einem Turm heraus und haufenweise Teppiche bildeten mehrere Wege durch den Raum.

Sezuna drehte sich nur einmal kurz um, um den Turm zu bestaunen, aus dem sie gekommen waren. Ein Turm mitten im Gebäude war schon echt klasse. Aber er wirkte so klein. Von hier aus sah es nicht so aus, als würden da zwei Menschen hinein passen und dabei stand sie fast davor. Und auch das Sofa mit dem Bücherregal, was sie gesehen hatte, schien zu viel Platz weg zu nehmen, um in diesen schmalen Turm zu passen.

Sie durchquerte den Raum und stellte fest, dass noch nicht viele Leute unterwegs waren. Dennoch bemerkte sie einige Schüler in schwarzen und blauen Mänteln.

Auch ein Oberhaupt kam ihnen entgegen. Der weiße Saum an dem schwarzen Mantel war unverkennbar. Außerdem wurde er von einer Aura von Macht umgeben, die sogar Sezuna spüren konnte. Es war fast wie ein Schlag und sie konnte nicht anders, als ihn an zu starren.

Der Mann hatte strohblondes Haar, das auf eine wilde Art und Weise zerzaust war, obwohl es fast schulterlang war. Seine Augen glühten Rot und das Mädchen hatte das Gefühl darin zu versinken. Sezuna starrte den Mann an und hatte das Gefühl wieder in der Schwerelosigkeit ihrer Ohnmacht zu verweilen, doch Karun schlug ihr leicht in die Seite und befreite sie so aus diesem seltsamen Bann. Sezuna drehte Karun den Kopf zu und bemerkte, dass er sich leicht verneigte.

Das Mädchen hob eine Augenbraue und zuckte dann die Schultern, ehe sie den Kopf leicht neigte. Dies tat sie aber nur, um nicht wieder in diesen Augen zu versinken. Sie würde sich ganz bestimmt nicht verbeugen! Vor niemanden. Auch wenn sie gegen die Vorstellung sich vor diesem Mann zu verneigen nicht ganz so abgetan war, wie sie erwartet hatte. Er wirkte unheimlich faszinierend und vertraut zugleich.

Karun zog sie schließlich weiter und Sezuna warf dem Mann noch einen letzten Blick zu.

Aber Karun schien es eilig zu haben, denn er legte einige Schritte zu und schien nicht mehr durch die Schule zu schlendern.

Eine Uhr schlug laut und Sezuna zuckte zusammen. Es war kein Klang, den sie in einer Schule erwartet hätte. Eher in einer Kirche.

Karun jedoch fluchte leise. Dann drehte er sich zu Sezuna und lächelte ein wenig entschuldigend. „Würde es dir etwas ausmachen, wenn ich dir kurz meine Freunde vorstelle? Wir haben jetzt eigentlich Training und ich müsste mich noch abmelden“, erklärte er und wirkte entschuldigend. Sezuna zuckte die Schultern. Hatte sie denn eine andere Wahl? Außerdem war es gut, dass er sich abmelden wollte. Sie konnte es auch immer nicht leiden, wenn sie versetzt wurde, ohne dass man ihr sagte warum. Das hatte sie des Öfteren.

Karun machte eine Bewegung, die sie anwies ihm zu folgen, also lief sie ihm weiter hinterher wie ein treuer Welpe. Allerdings sah sie sich in dieser Zeit sehr genau um und versuchte sich alles einzuprägen.

Als Karun sie in den Garten führte, blieb sie staunend stehen.

Das Gras hatte eine recht seltsame Farbe. Hier war es noch grün, doch je weiter sie sehen konnte, wurde es erst gelb, dann orange. Außerdem schlängelten sich Wege aus Steinen und ganz viele Hecken labyrinthartig über die Wiese. Die Luft hatte etwas an sich, dass sie nicht beschreiben konnte. Sie fühlte sich auf einer Seite so unglaublich rein, aber auch sehr erfrischend und aufbauend an. Als wäre sie mir irgendwas versetzt.

Der Weg den Karun folgte war eine Auffahrt, die an den Seiten mit Blumenbeeten begrenzt war und aus sehr seltsam wirkenden Steinen bestand. Sie waren so groß wie Kiesel, doch sie waren nicht grau, oder braun, sondern eher violett und blau. Sezuna war sich klar, dass auf der Erde keine solchen Steine existierten, doch dass sie auf der Erde war, glaubte sie schon gar nicht mehr.

Da war dieser riesige Wald, den sie in der Ferne überall erkennen konnte. Die Bäume waren teilweise blau und silbern. Etwas, was auf der Erde niemals wachsen würde.

Karun folgte dem Weg ein Stück, doch irgendwann bog er rechts ein und verschwand zwischen den Hecken. Sezuna beeilte sich, um ihn nicht zu verlieren. Selbst die Hecken wirkten nicht, als wären sie Pflanzen von der Erde. Sie waren zwar grün, doch die Art, wie sie wuchsen, kam Sezuna nicht einmal annähernd bekannt vor.

Der Junge führte sie durch mehrere kleine Heckenlabyrinthe, bis sie auf eine größere freie Fläche kamen. Dort stand ein großes Gebäude. Es wirkte nicht spektakulär und dennoch mysteriös. Außerdem ein wenig wie eine Scheune.

„Das ist die Sporthalle“, erklärte Karun stolz und lief darauf zu.

Sezuna seufzte und folgte ihm. Eigentlich hatte sie nicht vor jetzt da rein zu gehen, sie wollte sich noch ein wenig umsehen, doch ihr blieb wohl kaum eine andere Wahl. Sie war sich ziemlich sicher, dass sie sich ohne Karun verlaufen würde.

Also betrat sie das Gebäude und stand in einem langen, endlos scheinenden Flur, dessen Ende in völliger Dunkelheit lag. Als hätte jemand vergessen das Licht einzuschalten.

Doch als Karun dem Gang folgte, erschien ein Licht, dass begann vor ihnen her zu schweben, wie ein Irrlicht. Nur dass es sich um eine Fußballgroße Kugel aus weißem Licht handelte.

„Falls du etwas suchst, sag den Lichtern nach was und sie führen dich zu dem richtigen Raum“, erklärte er und Sezuna nickte erneut, während sie die seltsamen Türen betrachtete. Jede sah anders aus, doch es gab keine Aufschriften. Außerdem gab es sogar einige, in denen sich das Licht spiegelte, wie in einem richtigen Spiegel.

Sezuna wusste nicht genau, was sie von einer Sporthalle erwartet hatte, aber das hier… Nun das war tatsächlich mehr als eigenartig. Wenn es wenigstens ein wenig bekannt riechen würde, würde sie sich wohler fühlen. Doch es gab nichts, was sie an die Sporthallen erinnerte, in denen sie schon gewesen war. Es roch weder nach Holz, noch nach Schweiß, oder nach frisch gewachsten Boden. Stattdessen roch es leicht nach Lavendel. Zumindest glaubte sie dass es sich um Lavendel handelte. Vielleicht war es auch irgendein anderes Kraut.

Karun blieb stehen, als das Licht plötzlich erlosch und sie in völliger Dunkelheit zurück ließ. Kurz darauf begann eine Tür zu leuchten. Auf genau diese Tür trat Karun zu und anstatt eine Klinke zu betätigen ging er genau hindurch!

Sezuna starrte die Tür an und suchte nach einem Knauf, oder einer Klinke, oder ähnlichem, doch sie fand nichts. Es sah eher aus, wie ein ganz normaler Spiegel. Sie hätte es noch nicht einmal als Tür wahrgenommen. War es so etwas, wie eine Spiegeltür, oder waren Asraden vielleicht Geister, dass sie einfach so durch Wände gehen konnten?

Neugierig streckte die Rothaarige ihre Hand aus und als sie die Tür berührte, verschwanden ihre Finger in Etwas, das sich wie kühles Gelee anfühlte. Sezuna quietschte erschrocken auf und zog die Finger zurück, ehe sie diese aneinander rieb. Nichts. Nicht einmal nass. Nur dieses leichte Kribbeln.

Sie könnte jetzt auf ihren gesunden Menschenverstand hören, der ihr sagte sie solle nicht dorthinein gehen, aber sie war einfach zu fasziniert und zu neugierig. Davon abgesehen hielt sie nicht viel von gesundem Verstand. Das war sowieso eine Definitionssache und ihrer Meinung nach total überbewertet.

Also, schloss sie die Augen und trat auf die Tür zu, in der Hoffnung sie würde nicht genau dagegen knallen.

Dieses Gefühl von Gelee legte sich auf ihre Haut und dann spürte sie plötzlich einen anderen Boden. Als das Gefühl komplett nachließ öffnete sie die Augen und blickte sich um.

Der Himmel war strahlend blau und unter ihr war Gras. Sie fühlte es deutlich unter ihren Fußsohlen.

Ihr Blick glitt umher und sie entdeckte Karun, der wartend auf sie blickte.

Hinter ihm erkannte sie eine Art riesigen Glaskasten. So groß wie ein Fußballfeld. Sie trat auf Karun zu und dieser führte sie weiter. Immer auf die Glaswände zu. Die Glaswände waren sicherlich mehr als fünf Meter hoch.

Das Ding sah aus wie ein Aquarium, nur ohne Wasser, dafür mit seltsamen, farbigen Kreisen auf der Wand. „Was ist das hier?“, fragte sie und Karun blieb stehen und blickte sie mit großen Augen an. „Du kennst Waveball nicht?“, fragte er und klang tatsächlich erschrocken, vielleicht sogar ein wenig enttäuscht. Aber woher sollte sie das auch kennen? Auf der Erde spielte man sowas sicher nicht. Sonst würde sie es ja kennen!

Sezuna schüttelte ein wenig beleidigt den Kopf und Karun tat es ihr gleich, allerdings sah es bei ihm eher so aus, als würde er ihre Allgemeinbildung in Frage stellen. Nicht dass er da der Einzige wäre.

„Das ist aber eine riesige Bildungslücke“, erklärte er und grinste. Anstatt sich über Sezuna lustig zu machen, konnte er ihr doch einfach helfen diese zu schließen, denn leider war sie sehr neugierig und wollte es wissen. Vielleicht gab es hier eine Bibliothek, in der sie nachlesen konnte?

„Was du hier siehst ist die Arena für die Waveballspiele. Man fliegt mit Wavern – Menschen würden wohl sagen fliegende Skateboards – durch die Gegend, während man versucht zwei Bälle in die Kreise zu befördern. Jedes Team hat eine bestimmte Kreisfarbe, die sie treffen muss. Das andere Team versucht das natürlich zu verhindern“, erklärte er und lief weiter auf die Arena zu.

Karun hatte versucht das Ganze auf das Wesentliche zu reduzieren, aber die Regeln von Waveball waren wesentlich komplizierter und umfangreicher. Die Ringe waren nämlich nicht befestigt und konnten überall im Raum auftauchen. Außerdem konnten auch die Bälle ihre Größe und ihr Gewischt ändern. Auch das Terrain, auf dem gespielt wurde, war nicht immer das gleiche und wurde von einer Karte ausgelost. Doch so genau wollte Karun nicht ins Detail gehen. Dazu war Sezuna sicherlich noch nicht bereit.

Eben diese starrte das Gebilde noch immer mit offenem Mund an und hatte Mühe Karun zu folgen. Sie musste darauf achten nicht in ihn hinein zu laufen, während sie ihm zwar hinterher lief, aber noch immer auf den Glaskasten starrte.

In dem Kasten aus Glas konnte sie mehrere Leute durch die Luft sausen sehen. Alle auf eine Art Skateboard. Waver, verbesserte sie sich gedanklich. In dem Gewusel aus Leuten konnte sie zwei Bälle ausmachen, die in rasantem Tempo über die Fläche flogen. Manchmal krachten sie gegen die Glaswand und wurde zurück geschleudert, oder von einen der Kreise verschluckt. Dann kamen sie zu einem anderen Ring wieder raus. Alle trugen eine Art Mannschaftskleidung, sahen aber sonst sehr unterschiedlich aus. Es waren nicht nur Jungen, wie sie anfangs vermutet hatte, sondern mindestens drei Frauen. Außerdem entdeckte sie nur einen Mann. Zumindest nur einen, der auf einem Waver unterwegs war.

„Hey Riss!“, rief Karun laut, als sie sich einem Mann näherten, der das Spiel betrachtete. Er trug keinen Schulmantel, aber eine Art Teamuniform. Einige der Personen, die sich in der Luft befanden trugen eine andere Farbe. Sie trugen die gleiche Kleidung. Ein kurzärmliges Shirt und eine kurze Hose. Allerdings waren die Sachen bei fünf der Fliegenden blau und bei den anderen vier Fliegenden rot. Der Mann mit den Namen Riss trug ebenfalls rot.

All das realisierte Sezuna, bevor Riss auf Karuns Ausruf reagieren konnte.

Dieser drehte seinen Kopf in Karuns Richtung. Er trug einen recht kurzen, schwarzen Irokesenschnitt und im Nacken hatte er einen Pferdeschwanz. Seine Augen hatten eine neblig rote Farbe und seine Haut war sehr blass, fast weiß. Außerdem war er schlank und drahtig, was durch die sportartige Kleidung noch hervorgehoben wurde.

Sezuna wurde unweigerlich rot im Gesicht. Warum rannten hier nur so sexy Jungen herum? Sie hatte nicht direkt eine Abneigung gegen das männliche Geschlecht, doch sie kam mit Männern im Allgemeinen nicht so besonders gut klar. Was nicht hieß, dass sie nicht auf Männer stand. Im Gegenteil, doch sie fühlte sich unter Frauen wohler.

Der Mann, den Karun Riss genannt hatte, war Ris´Ka-Lesta Tru-Ka´Tar und momentan der Teamführer und Trainer der Schulmannschaft. Zudem war er ein recht guter Freund von Karun.

„Traust du dich auch mal her?“, fragte Riss, klang aber nicht erbost. Außerdem hatte er die Rothaarige bereits bemerkt, sah sie nur nicht an, weil Karun sie noch nicht vorgestellt hatte.

Karun nickte zu Sezuna, um riss zu symbolisieren, dass er eine Begleitung hatte. „Tut mir leid, ich werde das heutige Training ausfallen lassen müssen. Der Direktor hat mich gebeten Sezuna hier das Schulgelände und ihr Zimmer zu zeigen.“

Riss Blick glitt zu Sezuna und er musterte sie von oben bis unten. Das rote haar fiel ihr bis in die Hüfte und auch die goldenen Augen waren nicht der Grund, warum Riss fand, dass sie nicht ganz hier her passte. Er konnte sehen, dass sich das Mädchen nicht wohl zu fühlen schien. Er versuchte zu ergründen, was es war, dass er aus ihrer Aura heraus spürte, doch er konnte es nicht ganz deuten. Ein wenig Heilerin, oder Magierin. Aber keines von beiden so wirklich. Das war seltsam. Aber es kam vor. Vor allem, wenn Menschen erst vor kurzer Zeit mit Sternenstaub in Verbindung gekommen waren.

Der Magischen Essens, die ihren Körper verändern würde und sie zu dem machte, was man magisch begabt nannte. Womöglich war auch das der Grund, warum sie ein wenig fehl am Platz wirkte.

Riss gehörte der Rasse der Zaressa an. Einem Volk, das über Jahrtausende Daten über andere Völker gesammelt hatte und daher ein ziemlich umfangreiches Wissen besaß. Dennoch konnte er nicht bestimmen zu welcher Rasse sie gehörte. Doch bei einem war er sich ziemlich sicher: Sie war kein Mensch, auch wenn sie sich so benahm. Womöglich stammte sie von der Erde.

Der junge Mann mit dem Irokesenschnitt war ein seltener magiebegabter Zaressa und daher hatte er sich entschieden die Yorukage zu besuchen.

„Sie ist… nicht von hier?“, fragte Riss und versuchte höflich nicht darauf einzugehen, dass sie sich mit der magischen Welt nicht auskannte. Riss wusste nur zu gut, dass das keinen guten Eindruck machte und er wollte sich nicht unnötig Feinde schaffen, wenn er sich auch Freunde machen konnte.

Karun zuckte die Schultern. „Der Direktor hat nur gesagt, dass sie ab sofort hier wohnen würde und er als ihr… wie hat er es genannt… Vormund oder so… fungiert.“

Riss nickte. Er hatte also recht gehabt, sie kam tatsächlich von der Erde und war als Mensch aufgewachsen, was ihr Verhalten erklären würde. „Vormund ist ein Wort der Menschen, also nehme ich an, dass sie von der Erde kommt“, sagte er und blickte nun Sezuna fragend an. Er wollte nichts Falsches sagen. Diese nickte schüchtern. Die Anwesenheit der beiden jungen Männer machte sie nervös und sie spielte bereits mit ihren Fingern.

„Hey Riss!“, erklang eine genervte Stimme und alle drei drehten den Kopf.

Sezuna zuckte zusammen und spürte, wie ein Fauchen in ihrer Kehle aufstieg. Sie verstand nicht warum, aber etwas lag in der Luft, dass sie feindselig werden ließ. Aber bis auf das Aussehen gab es nichts Gefährliches an ihr. Sie hatte hellgraues Fell, Krallen und einen Pumakopf, aber sonst schien sie nicht gefährlich und dennoch betrachtete Sezuna sie als… ja, als was eigentlich? Sie wusste es nicht so genau, aber ein Instinkt ließ sie vorsichtig und auch leicht aggressiv auf die Anwesenheit der anderen Person reagieren. Als würde sie sich gegen die andere behaupten müssen.

Der jungen Frau schien es nicht anders zu gehen. Sie verengte ihre neongrünen Augen und antwortete auf Sezunas negative Stimmung mit einer ebenfalls leicht aggressiven, kämpferischen Haltung.

Dabei ließ der schwarz-hellblaue Irokesenschnitt sie nicht weniger gefährlich wirken.

Sezuna wusste nicht warum sie das tat, denn sie hatte gegen so viele Krallen und Muskeln unmöglich eine Chance. Dennoch trat sie nicht kapitulierend zurück, sondern fixierte die Frau mit ihren goldenen Augen.

„Mika“, machte Riss und klang beschwichtigend. Er konnte nicht verstehen warum beide so aufeinander reagierten, aber er spürte die Auren, die sich tastend aneinander rieben und gleichzeitig eine Resonanz an die Umgebung abgaben, die jeden hier Anwesenden in jeglicher Form feindselig werden ließ. Die Kampfbereitschaft, die beide ausstrahlten, ging an die Umgebung über und Riss und Karun konnten nicht anders, als darauf zu reagieren.

Riss konnte es spüren, doch er versuchte das Gefühl abzuschütteln. Er wusste nicht auf welche Seite er sich sonst schlagen würde. Mika war seine Freundin und ein Teil seines Waveballteams, doch Sezunas Aura hatte – trotz der Aggressivität, die beide ausstrahlten, etwas Sanftes.

Diese fremde Rothaarige hatte etwas an sich, dass ihn anzog.

Riss seufzte erleichtert, als er spürte, wie die beiden Auren sich voneinander zurückzogen. Scheinbar akzeptierten sie sich gegenseitig. Das war gut. Allerdings würde er darüber nachdenken, warum das gerade geschehen war. Sezuna hatte nichts getan, um Mika heraus zu fordern und auch Mika schien nicht bewusst diese Drohung ausgesandt zu haben. Riss konnte sich nicht vorstellen, dass Sezuna angefangen hatte. Er war sich fast sicher, dass die Rothaarige nicht einmal verstand was hier vorgefallen war. Allerdings schien sie es gespürt zu haben, denn ihre Lippen bildeten einen festen Strich, so als würde sie sich bemühen nicht irgendetwas zu sagen, oder zu tun.

Im Moment wirkte Mika ein wenig beruhigt, aber dennoch leicht angespannt und aufmerksam. Sezuna ging es nicht anders. Außer dass sie sichtlich verwirrt war.

Diese Frau war eigenartig und interessant. Von ihr würde er vielleicht noch Dinge lernen, die er nicht kannte. So wie dieses … Kräftemessen gerade eben.

Um das Schweigen zu brechen, wand sich Riss an Mika. „Was gibt es denn schon wieder?“, fragte er. Mika war Mitglied seiner Waveballmannschaft und eine recht gute Verteidigerin, auch wenn ihre Stimmung oft sehr depressiv war. Außerdem hielt sie nicht viel vom Training, weshalb sie eigentlich auch immer nur dann einsprang, wenn jemand aus dem Team nicht konnte. Manchmal sogar als Stürmerin, oder Jägerin. Je nachdem als was sie gebraucht wurde.

Mika blickte kurz zu Sezuna, ehe sie den Kopf schüttelte. „Nicht wichtig“, murmelte sie und zog sich wieder zurück. Diese Begegnung brachte sie genau so sehr aus der Fassung wie Sezuna. Sie wusste nicht warum sie so auf diese fremde Frau reagierte, aber irgendwas war da, was sie anzog, aber gleichzeitig wollte sie ihr Revier verteidigen. Was ein ziemlich eigenartiges Verhalten ihrerseits war. Mika verstand sich im Moment selbst nicht und hatte völlig vergessen, weswegen sie Riss eigentlich anschreien wollte. Wahrscheinlich fiel es ihr wieder ein, wenn sie ein paar Runden in der Arena drehte.

Riss blickte ihr verwirrt hinterher. „Na gut, bevor ihr hier noch einen Kleinkrieg auslöst, solltest du der Lady die Schule zeigen und ihr ein wenig was erklären“, meinte Riss und blickte Karun vielsagend an. Auch diesem konnte das Kräftemessen nicht entgangen sein.

Karun nickte und bedeutete Sezuna mit einer Geste ihm zu folgen. Auch Karun war sich nicht ganz sicher, was er von dieser Situation halten sollte. Aber wenn Sezuna jedes Mal so reagierte, wenn sie auf andere magische Wesen traf, würde es ein langer Tag werden. Und Riss hatte Recht. Was auch immer in der Luft lag war so zerbrechlich, dass jede falsche Handlung eine Katastrophe heraufbeschwören würde. Etwas bei dem Karun nicht im Mittelpunkt stehen wollte. Aber genau so wenig wollte er Sezuna dieser Sache allein überlassen. Ein typischer Krieger-Instinkt, wie er vermutete. Dennoch war er verwirrt.

Die Rothaarige verabschiedete sich von Riss, indem sie ihm ein unsicheres Lächeln schenkte und folgte dann Karun.

Dieser führte sie wieder aus der Halle heraus.

„Also, als erstes solltest du wissen, dass wir uns vor den Lehrern verneigen. Nur leicht mit dem Kopf. Um ihnen Respekt zu zollen. Außerdem tun wir das Gleiche bei einigen Schülern der Oberstufe. Sie gehören zu den besten und sind auch dementsprechend gefährlich. Ich werde sie dir später zeigen“, erklärte Karun und führte sie über das Schulgelände. Zwischen Hecken und Sträuchern entlang.

„Sag mal, was waren diese Leute?“, wollte Sezuna wissen und Karun warf ihr einen Blick zu. „Hm. Riss ist ein Zaressa. Unter ihnen gibt es eigentlich nur Imps, aber Riss ist ein magiebegabter Zaressa und ein Magier. Mika ist eine Furry und ebenfalls eine Magierin. Auch, wenn sie sich eher wie eine Kriegerin benimmt.“

Sezuna blickte ihn fragend an. „Imps?“, fragte sie verwirrt und Karun sah sie nun ein wenig verwirrt an. „Sag nicht du kennst nicht einmal die Grundlagen der magischen Klassen?“, fragte er und Sezuna schüttelte den Kopf. „Also gut. Imps heißen alle Wesen eines Volkes, die zwar den Sternenstaub aufnehmen, aber damit nichts anfangen können. Sie sind in keiner Weise magiebegabt. Magier können den Sternenstaub aufnehmen und bündeln und daraus Dinge schaffen. Krieger haben den Vorteil dass der Sternenstaub ihren Körper stärkt und Reflexe erhöht werden. Sie können auch magische Dinge, aber oft nicht so gut wie Magier. Und dann gibt es noch Heilerinnen. Sie sind zum Großteil weiblich und sie können den Sternenstaub aus der Luft in den Körper anderer leiten und so Wunden heilen“, erklärte Karun gut gelaunt und für Sezunas Geschmack viel zu schnell und zu enthusiastisch.

Sie wurde mit jedem Wort verwirrter. „Sternenstaub?“, fragte sie und klang ein wenig erschlagen von so vielen Informationen. Sie war sich gar nicht so sicher, ob sie überhaupt noch mehr wissen wollte. Schon jetzt fiel es ihr schwer ihre Gedanken zu dem Thema zu ordnen. Karun erklärte es ihr trotzdem. „Sternenstaub ist etwas in der Luft, dass in unsere Körper eindringt und uns die Fähigkeit gibt Dinge zu erschaffen“, erklärte er und schien selbst nicht so genau zu wissen wie er es erklären sollte. Aber gerade Sternenstaub und die Art, wie die Magie funktionierte, war nichts, was man nebenbei erklären konnte, so dass es dann auch noch jemand verstand. Dazu war das ganze Thema einfach zu kompliziert und umfangreich.

Sezuna nickte. Das würde sie schon alles noch genauer erfahren. Jetzt erst mal reichten ihr diese kleinen Informationsfetzen. Gedanklich machte sie sich eine Notiz, dass sie sich etwas zu schreiben besorgen musste und dann einige Stichpunkte nachschlagen sollte. Ob es hier Internet gab und ob ihr Laptop überlebt hatte?

Sie würde es sehen und folgte erst einmal Karun weiter, während ihre Gedanken rasten.

Wenn sie das richtig verstanden hatte beeinflusste dieser Sternenstaub in der Luft, was ein Wesen alles sein konnte. Konnte man den Staub nicht nutzen galt man als Imp. Nutzte man ihn um Magie zu bewirken, dann als Magier. Nutzte man den Staub, um den Körper zu stärken, dann war man Krieger und heilte man, dann Heilerin. Oder so.

Klang recht interessant und nicht einmal ganz so verrückt. „Äh, was ist eine Furry?“, fragte sie weiter. „Ah. Hm. Na ja ich weiß nicht, kennst du Therianer? Menschen die sich in Tiere verwandeln können. Furrys sind so ähnlich nur dass sie keine komplett menschliche Form annehmen können und immer einen Teil des Tieres ihr Aussehen bestimmt.“

„Hm, okay“, murmelte Sezuna ein wenig überfordert. Vielleicht sollte sie es für heute wirklich erst einmal gut sein lassen.

Im Moment war ihr Gehirn wirklich ein wenig überfordert, weshalb sie auch noch nicht die ganzen Möglichkeiten erkannte, welche diese ganze Sache mit sich bringen würde. Sie lebte jetzt auf einer Schule für Magie. Das musste sie erst einmal verdauen. Aber zumindest fühlte sie sich mit den ganzen seltsamen Leuten nicht mehr ganz so merkwürdig und einsam.
 

~Yorukage-Arbeitszimmer-Yuna~
 

Yuna, das Oberhaupt der Weißen Magie, blickte aus dem Fenster und beobachtete, wie Karun Sezuna durch die Schule führte.

Ihre weißen Haare trug sie offen und der lange Pony schien ihre eisblauen Augen fast völlig zu verdecken. In ihren Haaren hatte sie schwarze Hämatit-Perlen, welche fast wie ein Diadem ihren Kopf zierten. Sie gingen bis zu ihrem Hinterkopf und hingen dann wasserfallartig über ihre Haare.

Neben ihr saß ein junger Mann mit strohblonden Haaren und roten Augen. Er saß in den Sessel zusammengesunken und hielt ein Glas Wodka in der Hand. Nach der Menge der leeren Flaschen zu urteilen hätte er schon längst glasige Augen haben müssen, doch er war nicht einmal ansatzweise angetrunken. Stattdessen blickten die roten Augen zwar wach, doch unendlich traurig. „Sie hat mich vergessen“, murmelte er vor sich hin und zog ein Gesicht, als hätte er in eine Zitrone gebissen.

Immer wieder, wiederholte er diese Worte, bis es Yuna zu viel wurde und sie ihn anfauchte. „Hör endlich auf hier so rum zu heulen“, ging sie ihn an und auf ihrem Kopf erschienen weiße Katzenohren und ihre Pupillen schlitzten sich leicht. Ihre Reißzähne wirkten dabei ebenfalls sehr bedrohlich, aber Allan ignorierte sie einfach und trank dafür erneut sein Glas aus. Er, als Vampir, wurde nicht besonders schnell betrunken. Eigentlich sogar sehr schwer, da alles was er wirklich brauchte Blut war und sein Körper und das Gift in seinen Venen, den Alkohol viel schneller neutralisierte. Dennoch trank er. Wenn er nur genug von dem Zeug in sich hinein kippte, wurde er vielleicht wenigstens angetrunken und dann fühlte er sich besser. An den darauf folgenden Kater würde er gar nicht denken, denn dieser blieb ihm leider nicht erspart. Aber dazu musste er wesentlich mehr trinken, als er es bisher getan hatte. Als Mensch hätte er sich wohl schon längst ins Koma gesoffen.

„Was ist denn hier los?“, fragte eine Stimme und ein weiterer junger Mann schob vorsichtig die Tür auf.

Er hatte nussbraunes, glattgekämmtes, schulterlanges Haar und dunkle, orangefarbene Augen. Außerdem trug er, wie die beiden anderen auch, einen schwarzen Umhang mit weißem Saum. Er war das Oberhaupt der Metamorphen Magie. Und er kannte Yuna und Allan schon fast sein ganzes Leben lang. Auch wenn sie nicht immer einer Meinung waren, waren sie doch wie Geschwister und daher verstand er die Beiden recht gut. Allan zu sehen, wie er beinahe vor Selbstmitleid in seinem Sessel versank war nicht besonders angenehm und alles andere als normal.

Und das Yuna aufgebracht war, war auch nicht normal. Normalerweise war sie die Ruhe in Person und nichts konnte sie so schnell aus der Ruhe bringen. Und da es Samuel bereits gewohnt war unnormale Situationen anzutreffen, machte er sich bereit seiner Aufgabe als Schlichter der Familie nachzugehen.

Allerdings drehte sich Yuna zu Samuel um und musterte ihn wie ein Raubtier, ehe sie versuchte sich wieder zu beruhigen. „Sezuna ist zurück“, erklärte sie nüchtern und Samuels Augen begannen zu strahlen. Dann war es tatsächlich ihre Aura, die er wahrgenommen hatte. Das war wirklich toll. Dann blickte er zu Allan und musterte diesen genauer. „Aber das sieht mir nicht wie eine Party aus“, bemerkte er ein wenig vorsichtig. Was war nur schief gelaufen? Aber zumindest war es kein Streit zwischen den beiden, um den er sich kümmern musste. Was ihm aber in Anbetracht der Umstände mehr gefallen hätte.

Allan knirschte mit den Zähnen und blickte zu Samuel auf. Seine Augen hatten schon einen eigenartigen Glanz angenommen. Entweder er hatte genug von dem Zeug in sich hinein gekippt, oder aber er war kurz davor zu weinen. Beides kein wirklich guter Start in das neue Schuljahr. Samuel war gespannt auf was er sich alles gefasst machen musste.

„Sie erinnert sich nicht an uns!“, rief er aus und knallte das Glas auf den Tisch. Das Glas zersprang in seinen Fingern und auch der Tisch bekam eine Delle, doch niemand schien es wirklich zu interessieren.

Samuel schüttelte den Kopf. „Das glaub ich dir nicht. Sie müsste doch, wenn sie dich sieht…“, hier wurde er von Allan wirschem Schrei unterbrochen. „Sie ist an mir vorbei gelaufen und hat mich gegrüßt wie jeden anderen Lehrer an dieser scheiß Schule“, fluchte er und Samuel verzog den Mund. „Verdammt“, machte er und setzte sich zu Allan auf einen weiteren Sessel, ehe er in seiner Hand ein Glas erscheinen ließ. „Ich darf doch?“, fragte er an Allan gewandt und zeigte auf die Falsche. Der Blonde nickte. „Bedien dich“, murmelte er und schob die Flasche zu Samuel, damit dieser sich eingießen konnte. Er selbst ließ ein neues Glas erscheinen und die Scherben des alten verschwinden.

Yuna seufzte und strich sich durch die Haare. Sie war doch erst vor zwei Stunden aus dem Zimmer des Direktors geflüchtet, weil der sich ebenfalls betrunken hatte, oder? Aber im Gegensatz zu Samuel und Allan konnte Lion einfach noch nicht fassen, dass sie wieder hier war. Bei ihm war es also eher eine Art … nein, eigentlich betrank er sich auch nur um mit der Sache klar zu kommen. Kannte denn niemand andere Möglichkeiten solche Dinge zu verdauen? Sie wollte sich eigentlich nicht auch noch betrinken, doch was anderes kam ihr auch nicht in den Sinn.

Sie drehte sich wieder dem Fenster zu, um die beiden nicht mehr sehen zu müssen. Dann seufzte sie leise. „Sezuna, wie schaffst du es nur so starke Männer derart zum verzweifeln zu bringen, ohne irgendwas zu machen?“
 

~Yorukage-Waveballfeld-Riss~
 

Riss blickte eine ganze Zeit lang in die Richtung, in die Karun und Sezuna verschwunden waren, ehe er sich wieder seiner Aufgabe widmete und zu seinem Team zurückkehrte.

Sein Blick glitt über die Arena, in der seine beiden Teams bereits Aufwärmübungen in der Luft machten. So wie es aussah würde Mika heute wohl Karuns Verteidigerposition übernehmen.

Ein reguläres Waveballteam bestand aus zwei Verteidigern, zwei Stürmern und einen Jäger.

Da sie insgesamt 11 Leute waren, bekamen sie zwei volle Teams zusammen und da Mika die meiste Zeit sowieso nicht spielen wollte, wurde sie immer dann eingesetzt, wenn jemand aus dem Team fehlte.

Das Hauptteam dieser Season bestand aus Riss, der die Funktion des Trainers und eines Stürmers innehatte.

Der zweite Stürmer seines Teams war Alpha. Sie gehörte der Rasse der Bliss an und war eine Kriegerin. Die Besonderheit an ihr war die Tatsache, dass sie die Gabe des Nachahmens besaß und somit war sie super darin die Techniken anderer Spieler zu erlernen.

Ansonsten wusste Riss nicht viel über die junge Frau mit den blonden, immer zu einem festen Zopf geflochtenen, Haaren und den sturmgrauen Augen.

Karun war einer ihrer Verteidiger und Kard ein weiterer. Er war ein Junge mit blonden, verstrubbelten Haaren und hellblauen Augen. Er schien immer Glück zu haben. Ob es nun darum ging den Ball zu fangen, oder aber die Gegner auszutricksen. Selbst die dümmsten Aktionen schienen ihn Erfolg zu verschaffen.

Außerdem war er ein Time Jumper, doch das half ihm beim Waveball nicht unbedingt weiter.

Die letzte im Bunde dieses Teams war die Jägerin Anira. Sie gehörte der Klasse der Schattengänger an und war dazu auch noch eine Kriegerin. Ihre großen hellgrünen Augen und ihre kurzen schwarzen Haare, schienen über die Tatsache hinweg zu täuschen, dass sie sehr geschickt im waven war. Sie war allerdings nicht nur geschickt, sondern hatte auch einen aggressiven Ruf. Zumindest wenn es ums waven ging. Ansonsten war sie eher der unauffällige Charakter und Riss wäre sie nie aufgefallen, wenn sie in einer Sportstunde nicht so viel Spaß am Waven gehabt hätte, dass Kayel, die Lehrerin für Sport, sie mehrmals ermahnen musste.

Und nun war sie in seinem Team.

Riss pfiff laut und sein Team versammelte sich.

Auch das zweite Team war anwesend, doch diese hatten bereits ihr Training gehabt. Es gab nur selten Tage in denen sie zusammen trainierten, oder gegeneinander spielten. Meist wurden dann auch die Teams zusammengelegt.

Doch bisher hatte Riss noch keine Möglichkeit gefunden alle auf einmal zu trainieren, ohne jemanden zu vernachlässigen.

Das zweite Team flog auf eine Art Durchgang zu und verschwand im Kabinenbereich, wo sie sich duschen und umziehen konnten.

„Was steht heute auf dem Trainingsplan?“, wollte Alpha wissen. Dabei stand sie so, dass die vier schwarzen Perlen, die ihr linkes Ohr zierten, ein wenig im Licht schimmerten. Die Perle und der Ring an ihrem rechten Ohr hingegen fielen kaum auf.

Das Mädchen besaß eine sehr blasse Haut und war auch sehr dünn, aber dennoch war sie sehr stark. An ihrem Hals befand sich ein Alpha-Tattoo, welches ihr den Namen Alpha eingebracht hatte.

Dass es nicht ihr richtiger Name war, wusste Riss, doch bisher war er noch nicht dahinter gekommen, wie sie wirklich hieß.

Riss blickte durch die Runde und entschied sich dann für ein normales Training. „Wir werden noch einmal unsere Strategie durchgehen und du wirst schauen was wir besser machen könnten, oder beachten müssen“, erklärte er Alpha.

Diese nickte. Auf Grund der Tatsache, dass ihr Hirn schneller arbeite, als das der anderen Rassen, war sie gut für solche Aufgaben geeignet. Was nicht hieß, dass sie unfehlbar war, auch wenn alle das zu glauben schienen.

Riss gab das Startzeichen und alle machten sich auf den Weg ihre Plätze einzunehmen und mit dem Training zu beginnen.

Königinnen

Kapitel 3: Königinnen
 

~Yorukage-Garten-Sezuna~
 

Sezuna und Karun setzten ihre Erkundungstour durch die Schule fort, auch wenn sich Sezuna lieber in ihr Zimmer zurückgezogen hätte, um das Ganze zu verarbeiten, aber der Junge hatte scheinbar anderes mit ihr im Sinn.

Er führte sie im Uhrzeigersinn einmal um das Hauptgebäude herum. Sie liefen von der Turnhalle Richtung Obstgarten, der von hüfthohen Steinmauern umgeben war. Das große schmiedeeiserne Tor sah nicht gerade sehr einladend aus, da es mit Efeu überwuchert war. Dennoch hatte es seinen ganz eigenen Charme. Das Eisen war grün und verziert mit Blättern und Blumen. Es passte unglaublich gut zu dem Efeu, wirkte aber dennoch mysteriös und alt.

Auch die Bäume und andere Pflanzen die hier wuchsen sahen nicht sehr gepflegt aus. Und seltsam. Da war ein Baum mit blauem Stamm und eine Blume mit einer Blüte so groß wie Sezunas Kopf. So etwas hatte sie noch nie zuvor gesehen. Sie ähnelten auch nicht den Bäumen, die um das Schulgelände herum wuchsen.

Karun führte sie weiter und Sezuna entdeckte eine Art Baugerüst. „Hier entsteht eine Schwimmhalle für die Nixen“, erklärte er und ignorierte Sezunas fragenden Blick und führte sie weiter in die Richtung mehrerer großer Felder.

Sie waren bereits bestellt und die Anzeichen der ersten Pflanzen waren zu erkennen.

Sezuna überkam das Bedürfnis ihre Hand in der Erde zu vergraben. Und sie wollte sich um die Pflanzen kümmern. Auch wenn sie diesen Drang überhaupt nicht nachvollziehen konnte. Das Feld wirkte auf sie sehr lieblos behandelt, obwohl es fast vollständig von Unkraut befreit war und eigentlich recht gepflegt aussah. Das war ein dummes Gefühl und Sezuna hatte Mühe es abzuschütteln.

„Die Schule baut die meiste ihrer Lebensmittel selbst an“, wies er sie hin und lief mit ihr zwischen den Feldern entlang. „Die Schüler beteiligen sich daran, indem sie den Obstgarten, die Stallungen und die Felder pflegen. Wann jede Klasse dran ist, wird im Stundenplan vermerkt.“ „Heißt dass ich werde Gartenarbeit machen müssen?“, fragte sie und klang ein wenig verärgert, obwohl sie das nicht wirklich war. Sie mochte Gartenarbeit, zumindest wenn sie sich um Blumen kümmern konnte. Felder und Obstbäume jedoch waren ihr nicht ganz so geheuer. Und Stallungen? Sie liebte Pferde, aber irgendwie glaubte sie nicht dass es nur Pferde waren. „Ja so wird’s aussehen“, sagte er und führte sie weiter. Aus seiner Stimme konnte sie nicht entnehmen, ob er erfreut darüber war, oder nicht. Mochte er Gartenarbeit? Bei Männern hatte sie immer das Problem, dass sie sich nicht vorstellen konnte, wie diese im Dreck wühlten. Obwohl es ihr nicht schwer fiel sich Karun vorzustellen, wie er eine Karre voll Unkraut für eine der Schülerinnen wegbrachte.

Das Mädchen war in Gedanken, erkannte aber sehr schnell, dass sie Recht gehabt hatte, was den Wald betraf. Dieser war sehr dicht und umgab die Schule in einer schützenden Form. Er wirkte nicht besonders einladend und so dicht, dass sie kaum einige Meter weit hinein schauen konnte. Das Unterholz war mit etlichen Büschen verwachsen. Dennoch war das Schulgelände verdammt groß und wirkte einladend und durch den Wald beschützt.

Neugierig versuchte sie etwas mehr zu erkennen, doch bis auf die seltsamen Pflanzen erkannte sie kaum etwas. Außerdem hatte sie kurz das Gefühl, als hätten sich die Bäume von der Stelle bewegt. Doch das war eigentlich nicht möglich. Obwohl sie hier schon einiges gesehen hatte, was eigentlich nicht möglich sein sollte.

Sie wollte gerade Karun fragen, doch dieser wies sie schon auf etwas anderes hin, also schwieg sie.

„Das da hinten ist die Schmiede“, erklärte Karun und zeigte auf ein Gebäude, das kurz vor dem Wald erbaut wurden war. Rauch kam aus dem Schornstein und Geräusche von Metall klangen leise an Sezunas Ohr.

Außerdem strahlte diese eine seltsame Aura aus, die in Sezuna das Gefühl von Vertrautheit weckte. Sie wiederstand dem Drang darauf zu, zu rennen und nachzusehen, wer sich gerade darin befand. Stattdessen lauschte sie auf die Geräusche.

Ihr war es so, als würden die Geräusche von Metall verstummen und dann sah sie, wie sich am Fenster etwas bewegte. Doch sie hatte nicht genug Zeit, um genauer hinzusehen. Karun führte sie schon weiter. Dennoch blieb das Gefühl, als würde sie jemand beobachten. Da war ein leichtes Kribbeln im Nacken, allerdings wirkte es nicht bedrohlich. Lockte aber die neugierige Seite an ihr. Sie würde bei Gelegenheit einmal bei der Schmiede vorbei schauen gehen.

„Wenn wir dem Weg weiter folgen kommen wir zu den Stallungen und dort befinden sich auch die Wohnhäuser der Mädchen und Jungen“, erzählte Karun weiter, riss Sezuna so aus ihren Gedanken und lief mit ihr schließlich besagtem Weg entlang. Er führte die Rothaarige am Wohnhaus der Mädchen vorbei, ohne weiter darauf einzugehen. Einige Schüler waren hier unterwegs und nicht wenige von ihnen starrten Sezuna an, oder blickten ihr wenigstens kurz hinterher.

Viele der Wesen sahen für Sezuna sehr eigenartig aus. Da war ein Mädchen mit Fuchsschwänzen. Eine große Schlange mit menschlichem Kopf und Armen und etwas dass von weitem aussah wie eine Echse. Eine bestimmt 2 Meter große Echse, wenn Sezuna es von dieser Entfernung richtig schätzte.

Das Mädchen senkte den Kopf. Sah man ihr an, dass sie neu war? Das gefiel ihr nicht. Hauptsache sie stellte sich nicht ganz so doof an, dass man sie hier akzeptierte.

„Was ist das?“, fragte sie um sich abzulenken und zeigte auf ein riesiges gläsernes Gebäude, das mit Efeu und anderen Pflanzen völlig zugewuchert war.

„Das ist der alte Kräutergarten. Er ist geschlossen und uns ist es verboten dort rein zu gehen“, erklärte Karun und wank ab. Sezuna hingegen starrte das Gebäude interessiert an. Kräutergarten klang doch mehr nach ihrem Geschmack als Obstgarten. Und das Gebäude zog sie förmlich an. Sie musste dem Drang wiederstehen hin zu gehen und die Tür zu prüfen, ob sie nicht doch auf ging. Was war nur heute mit ihr los? Überall wollte sie rein und nachschauen. Fühlte sich angezogen von Dingen, die sie eigentlich meiden sollte.

Später, dachte sie und blickte zu Karun. Dieser war bereits weiter gelaufen, so dass Sezuna keine Wahl hatte, als ihm zu folgen, immerhin war er der einzige, der wusste wo sie wohnen würde. So wie es aussah nicht im Gemeinschaftshaus der Mädchen. Sonst hätte er schon längst etwas gesagt. Hoffte sie, denn eigentlich hatte sie keine Lust den Weg wieder zurück zu gehen.

„Dort hinten ist die Bibliothek“, erklärte er, als sie am alten Kräutergarten vorbei waren.

Auch die Bibliothek war ein Gebäude aus Glas, doch das war es nicht, was Sezunas Aufmerksamkeit auf sich zog.

Auf den freien Platz vor der Bibliothek hatte sich eine kleine Gruppe versammelt. Umgeben von hohen Hecken schienen sie eine Art Übungsstunde abzuhalten.

Sezuna erkannte einen Mann, der in einen violetten Mantel gekleidet war. Er hatte zerzaustes braunes Haar und hielt in der Hand ein Schwert. Ein weiteres trug er auf seinem Rücken.

Karun bemerkte, dass sie die Gruppe anstarrte. „Das ist Gideon, der Lehrer für Kampfkunst. Die Blonde neben ihm mit den roten Spitzen ist Aschura. Vor ihr solltest du dich lieber fern halten. Sie ist eine Königin“, erklärte Karun flüsternd. Sezuna hingegen starrte sie weiter an.

Sie trug keinen Mantel, sondern ein violettes Kleid, das lange Ärmel, aber einen kurzen Rock hatte. An den Rändern weiße Fellbesätze. Wie konnte sie darin denn kämpfen?

Ein Teil ihrer blond-roten Haare war an der Seite mit zwei violetten Perlen hochgesteckt wurden. Unbewusst griff Sezuna nach den goldenen Perlen in ihren Haaren. Sie ähnelten denen, die Aschura trug, dass hatte Sezuna im Gefühl. Und noch etwas spürte sie. Die Gewissheit, dass sie das Mädchen kannte!

Neben Aschura hatten sich noch zwei andere Mädchen in Position gestellt und verfolgten, was Gideon ihnen mit dem Schwert zeigte. Eine mit kurzen roten Haaren, die zu einem Seitenzopf gebunden waren, auch wenn nicht alle Haare in den Zopf passten. Neben ihr ein Mädchen mit langen blonden Haaren, die zu einem festen Pferdeschwanz gebunden wurden waren. Auch sie trugen keine Mäntel, daher war es schwer zu entscheiden in welche Klasse sie gehörten. Von der Größe her, hätte Sezuna sie in ihre Klasse geordnet, auch wenn sie ein wenig größer waren, als sie selbst. Aber da Sezuna nicht besonders groß war, konnten die Mädchen nicht sehr viel älter sein, als sie. Doch so genau konnte sie das nicht sagen. Vielleicht waren sie auch schon in der Abschlussklasse. Wer wusste schon, ob die Mädchen überhaupt Menschen waren. Vielleicht gab es hier auch nur sie, die ein Mensch war? Wenn sie denn ein Mensch war.

Sezuna starrte die Gruppe weiterhin an und versuchte zu erraten in welche Klasse sie gingen, doch sie konnte sich einfach nicht entscheiden.

Dann begannen sie damit den Bewegungsabläufen zu folgen, welche Gideon ihnen zeigte. „Mirabelle und Mirajane. Man sagt sie wären Aschuras Geschwister, doch so sicher ist sich da keiner. Sie sind auf alle Fälle oft zusammen unterwegs“, erläuterte Karun und Sezuna nickte stumm. Die Gruppe faszinierte sie ungemein. Sie konnte nicht anders, als sie anzustarren. Wie sie den Bewegungsabläufen folgten war so elegant und wirkte fast wie ein Tanz. Ein Tanz von wilden Raubtieren.

Die Gruppe bewegte sich und bildete Partner, ehe sie zu einem Zweikampf übergingen. Beide Partner hielten Schwerter in der Hand und kurzzeitig war nur noch das Geräusch von Metall, das auf Metall schlug, zu hören.

Sezuna starrte sie weiter fasziniert an, während sie teilweise die Luft anhielt. Gideon und Aschura trainierten zusammen und das war unglaublich faszinierend. Beide bewegten sich schnell und elegant. Raubtierhaft. Und die Manöver, die sie vollführten sahen sehr gefährlich aus.

Als es so aussah, als würde Gideon sie gleich mit dem Schwert aufschlitzen, konnte Sezuna nur knapp einen Schrei unterdrücken. Doch Aschura war sehr gewandt und drehte sich aus dem Schlag heraus und griff ihrerseits an. Nicht minder gefährlich.

Nach etlichen Minuten gingen sie schwer atmend auseinander und machten eine kurze Pause.

Dann drehte Aschura ihren Kopf zu Sezuna, als würde sie bemerken, dass jemand sie anstarrte. Das Mädchen starrte zurück, doch in diesem Moment wurde sie von Gideon angegriffen. Gideon schien bereits das Signal für die nächste Runde gegeben zu haben. Sezuna wollte etwas sagen und Aschura warnen, doch ihre Lippen verließ kein Wort. Sie war einfach viel zu gebannt. Aschuras goldene Augen mit den weißen Pupillen waren erschreckend und fesselnd zugleich. Ohne ihren Blick von Sezuna zu nehmen lenkte Aschura Gideons Angriff weiter und schmiss ihn zu Boden. Gideon rollte sich ab und setzte sich wieder auf, ehe auch er Sezuna bemerkte und sie anstarrte.

Nun blickten auch die anderen beiden Mädchen auf. Zwei goldene Augenpaare und ein Rotes starrte Sezuna an und der Rothaarigen war, als würde ihr die Luft wegbleiben. Etwas in ihr reagierte auf die Mädchen und ohne es verhindern zu können spürte sie wie eine ungewöhnliche Macht in ihr aufwallte und kurz darauf ihren Körper verließ. Es war fast wie ein kurzer Sturm, der über das Schulgelände fegte und sofort von den drei Mädchen mit einem eben so heftigen Sturm beantwortet wurde.

Karun zog leicht den Kopf ein, als er die Auren spürte, die gegeneinander zu krachen schienen, ehe sie sich allerdings vermischten und gemeinsam zu einem Sturm aufwallten. Ein Machtsturm dieser Art hatte Karun noch nie erlebt. Normalerweise entstand ein Machtsturm nur dann, wenn ein mächtiges Wesen sich entschied seiner Umgebung mitzuteilen, wie schlecht gelaunt es war. Meist jedoch kam dieser Sturm von Königinnen, die ihr Territorium in Gefahr sahen. Aber das hier. Das hatte nichts damit zu tun, dass Jemand versuchte einen anderen zu warnen. Es war eher eine Art des gegenseitigen Kräftemessens. Jedoch auf eine andere Art, als zuvor mit Mika. Jetzt konnte Karun spüren, dass sich eine der Personen eindeutig einer anderen unterwarf. Nur wer wem?

Sezuna spürte, wie sich der Boden unter ihren Füßen begann zu drehen. Sie erkannte noch wie sich Gideon aufrappelte und schützend vor die Mädchen stellte, als alles schwarz wurde.

Karun riss sich aus seiner Verblüffung und fing Sezuna auf, bevor diese den Boden erreichen konnte. Er spürte, dass sie zitterte und ganz warm war. Wahrscheinlich hatte es ihren Körper ganz schön in Mitleidenschaft gezogen eine so große Menge an… Sternenstaub?… abzugeben. Karun wusste nicht genau aus was diese Macht bestanden hatte, die gerade über das Land gesaust war, aber zumindest schien es nicht gut für ihren Körper gewesen zu sein. Und noch immer lag die Macht in der Luft, wie eine Art feiner Nebel. Er hinterließ ein seltsames Kribbeln auf Karuns Haut.

Aschura erwachte aus ihrer Starre und schob Gideon heftig zur Seite, ehe sie auf Sezuna zu hastete. Ihr Gesicht schien eine Mischung aus Erstaunen, Verärgerung und Sorge.

Karun wusste nicht, was er tun sollte. Aschura war die ranghöchste Königin auf der ganzen Schule und wenn er das ganze gerade richtig gedeutet hatte, hatte Sezuna ihr den Krieg erklärt. Wenn auch nicht bewusst. Und jetzt war Aschura auf den Weg die Gefahr aus dem Weg zu räumen, doch Karun wollte nicht, dass Sezuna etwas geschah.

„Sie wusste nicht…“, begann er zu stammeln, wurde aber von Aschura so heftig weggeschupst, dass er zu Boden fiel. Verwirrt blieb er am Boden sitzen.

Er gab ein leises Knurren von sich, doch Aschura ignorierte ihn einfach. Sie legte eine Hand auf Sezunas Stirn und diese begann leicht zu schimmern. Die Blonde runzelte besorgt die Stirn und strich Sezuna dann vorsichtig eine Strähne aus dem Gesicht, während sie mit den Fingern über dieses fuhr und scheinbar nach etwas suchte. Dabei war sie sehr vorsichtig und ihr Gesicht trug eine konzentrierte und besorgte Miene zur Schau. Etwas, was eher selten für die Blonde war. Zumindest soweit Karun wusste.

Auf Grund der Tatsache dass sie eine Königin war, gab es viele Gespräche über sie.

Da sie auch noch zu den stärksten Schülern an der Schule gehörte, fiel ihr Name mindestens einmal am Tag.

Karun spürte wie die Resonanz des Ortes auf das Kräftemessen reagierte und er spürte auch wie Aschura die Resonanz sofort wieder unter ihre Kontrolle brachte.

Da die Machtströme, die durch die Schule flossen alle unter Aschuras Kontrolle standen, war es für die Blonde ein leichtes diese zu kontrollieren, doch die Tatsache dass diese überhaupt aus dem Gleichgewicht geraten waren, ließ Karun erschaudern.

Schließlich nahm Aschura ihre Hand von Sezunas Stirn. „Sie ist in Ordnung, wenn auch ziemlich erschöpft“, erklärte sie ruhig und wippte dann leicht auf ihren Füßen vor und zurück, während sie Sezuna musterte. Neben ihr traten auch Mirabelle und Mirajane. Mindestens genauso besorgt, wie Aschura. Gideon hingegen wirkte vorsichtig, hatte seine Gefühle aber weitgehend im Griff. Zumindest konnte Karun sie nicht so deutlich auf den Gesichtern lesen wie bei den Frauen.

„Was ist passiert?“, fragte Karun noch immer leicht benommen, doch Aschura schüttelte lediglich den Kopf. Sie würde ihm nichts sagen, das war dem Asraden klar. „Gideon, kannst du mir helfen sie in ihr Zimmer zu bringen?“, wollte Aschura wissen und drehte sich Gideon zu. Diesem war anzusehen, dass er noch immer vorsichtig war, falls es doch zu einem Kampf kommen sollte. Er schien Sezuna als Gefahr zu betrachten. Dennoch trat er auf Aschura zu und diese erhob sich, so dass Gideon an Sezuna heran kam. Der Mann im violetten Mantel nahm das Mädchen hoch, als wäre sie eine Feder. „Wo soll sie hin?“, fragte er und blickte Karun an, doch es war Aschura die antwortet. „In den mittleren Turm, ich führe dich.“

Gideon nickte und ging dem Befehl seiner Königin wortlos nach.
 

~Yorukage-Waveballfeld-Riss~
 

Riss spürte, wie die Resonanz der Schule plötzlich ins Schwanken kam und eine seltsame Kraft die Machtströme der Schule erschütterte. Er verspannte sich und drehte den Blick, in der Hoffnung er würde die Ursache herausfinden. Unterbewusst wusste er auf was er reagierte, doch er hatte es noch nie so deutlich gespürt.

Es gab in seiner Welt Geschichten, dass jedes magische Wesen auf eine Königin reagierte, doch es war nie direkt nachgewiesen wurden. Eine Königin besaß eine Aura zu der sich magische Wesen hingezogen fühlten. Jede Königin hatte eine andere Aura und nicht jeder fühlte sich zur selben Königin hingezogen. Doch es gab einige Königinnen deren Aura und deren Resonanz für andere wie eine Droge war. Die Verbindung konnte so stark sein, dass betreffende Person am Hofe einer Königin diente und ihr bedingungslos folgte. Seine ganze Loyalität in ihr Wohlbefinden legte.

Doch bisher hatte Riss immer gedacht, es wäre eine Art Zauber gewesen, doch jetzt konnte er es selbst spüren. Es war kein Zauber. Es war ausschließlich die Aura zu der er sich hingezogen fühlte. Jetzt spürte er dieses unterschwellige Verlangen und wollte unbedingt herausfinden, zu wem er sich hingezogen fühlte.

Er hatte nur Glück, dass er sich nicht mehr auf den Wavern befand. Das Training war für heute vorbei und die meisten Teammitglieder waren in den Umkleideräumen. Wahrscheinlich hatten sie es auch gespürt. Wenn es sie so getroffen hatte wie Riss, wären einige davon vielleicht von den Wavern gefallen.

War diese Aura etwas bewusstes, dass sie ausstrahlten? Riss hatte es noch nie bei einer Königin bemerkt und dennoch kam ihm eine dieser Auren so bekannt vor. Ihre Resonanz dominierte die Schule. Es musste sich also um Aschura handeln. Doch es waren drei weitere Auren gewesen die er gespürt hatte. In einer seltsamen verworrenen Mischung. Fast, als hätten sie sich gegenseitig beschnuppert. Riss war sehr verwirrt. Warum war ihm so etwas noch nie vorher aufgefallen? Auf Aschuras Aura reagierte er doch auch nicht so, oder war ihm dies nur noch nie bewusst geworden?

Nein. Auf Aschura reagierte er nicht so. Dieses Verlangen in seinem Inneren war sehr seltsam. Er wollte schützen und dabei war er doch gar kein Krieger!

Wenn er schon so reagierte musste ein Krieger an seiner Stelle kurz vor einem Blutrausch stehen.

„Riss“, rief Mika keuchend und kam neben ihm zu Stehen. Sie kam gerade aus der Umkleidekabine, trug allerdings schon wieder ihren Schulmantel, der gelb in der Sonne leuchtete. „Hast du das auch gespürt?“, fragte sie und klang atemlos. „Ja“, sagte er tonlos und fragte sich ob irgendjemand an der Schule das ganze NICHT gespürt hatte.

„Wer war das?“, wollte Mika wissen, doch Riss konnte nur die Schultern zucken. „Ich weiß es nicht.“ Und wenn er es wüsste, würde er es wahrscheinlich auch nicht mit jedem teilen. Mika knurrte missmutig. „Ich will es wissen“, brummte sie und blickte zu Riss auf. Dieser verstand. Das würde dann wohl eine lange Suche werden.
 

~Yorukage-Umkleideraum-Alpha~
 

Alpha lehnte sich an die Wand der Umkleidekabine, schloss ihre grauen Augen und fuhr sich durch das blonde Haar, dass sie sich gerade wieder zu einem Zopf hatte binden wollen.

Doch nun lehnte sie hier und ließ sich von der Welle der Macht tragen und trieb auf ihr.

So viel Kraft hatte sie bisher nur selten gespürt und die Mischung gefiel ihr. Es war, als würde sie nach ihr rufen.

Doch sie würde nicht darauf eingehen. So verlockend es auch war als Kriegerin darauf zu reagieren und auf das Schlachtfeld zu stürmen.

Zweifellos ging es hier nicht um einen Kampf, wie sie ihn gern hätte. Außerdem war sie noch nicht bereit dazu sich einer Königin zu unterwerfen, auch wenn der Ruf, der in diesem Machtsturm mitschwang alles andere als schwach war.

Sie öffnete die Augen und gab sich Mühe nicht in dem Strudel zu ertrinken, der sie noch immer einhüllte. Es war so angenehm, dass sie kurz davor war zu vergessen, was sie eigentlich wollte.

Alpha atmete tief durch und konzentrierte sich dann darauf ihre Haare wieder zu einem festen Zopf zu binden.

Noch immer lag die Aura wie Nebel auf ihr und hinterließ ein Gefühl von Geborgenheit. Doch Alpha wollte es abschütteln. Durfte sich davon nicht beirren lassen.

Mit zusammengebissenen Zähnen trat sie an die Waschbecken heran und spritzte sich Wasser ins Gesicht, ehe sie ihren blauen Mantel schnappte und ihn sich über warf.

Sie würde sich auf direkten Weg zu den Stallungen begeben und einen kleinen Ausritt machen. Sie brauchte frische Luft und musste aus den Nachwirkungen der Aura hinaus, bevor ihr Gehirn sich abschaltete! Nicht das sie etwas dagegen hätte, wenn ihr Gehirn sich endlich einmal beruhigte, doch sie hatte Angst vor den Konsequenzen, denn all zu leicht wäre es sich dieser Aura hin zu geben und davon abhängig zu werden. Und Alpha hasste Abhängigkeit.
 

~Yorukage-Turmzimmer-Sezuna~
 

Sezuna saß in ihrem Zimmer auf dem Bett und starrte die Tür an. Sie war ohnmächtig geworden und in den Armen eines Mannes aufgewacht, der sie auf ihr Zimmer getragen hatte.

Dieses blonde Mädchen, Karun hatte sie eine Königin genannt, hatte ihr etwas in die Hand gedrückt, dass sie trinken sollte und gemeint sie solle heute früh ins Bett. Ihr Tag wäre wohl recht aufregend gewesen. Dabei hatte sie nicht einmal Unrecht. Sezuna seufzte. Sie war total erledigt. Am liebsten hätte sie jetzt eine Massage und etwas stärkeres, um in der Nacht ruhig zu schlafen.

Aber da sie beides wohl eher nicht bekommen würde, erhob sie sich und trat auf ihren Koffer zu. Sie nutzte die Zeit, die sie nun hatte, um sich erst einmal in ihrem Zimmer umzusehen.

Das Zimmer war recht gemütlich eingerichtet. Es gab einige Schränkte. Für Kleidung und für Bücher. Ein Schminktisch gab es ebenfalls. Neben dem Bett standen außerdem zwei Nachttische und eine Kommode. Das Beste am ganzen Zimmer war jedoch der Kamin vor dem ein niedriger Tisch und mehrere Sessel standen. Und einen Schreibtisch gab es auch.

Die Lampen waren etwas seltsam, denn sie wirkten wir Kerzen, welche in filigranen Haltern an der Wand hingen. Allerdings spürte Sezuna weder die Wärme der Flamme, noch konnte sie erkennen, dass das Wachs schmolz. Eigenartig. Womöglich wieder eines dieser seltsamen Dinge. Dem würde sie später nachgehen.

Die Fenster waren interessant, denn sie konnte sich zum Lesen sehr gut auf die Fensterbank setzen, da die Fenster nach außen hin gebaut wurden waren. Das Zimmer war viel besser, als sie es gewohnt war und auch viel besser, als sie es erwartet hatte. Diese Schule musste Geld besitzen, sonst könnte sie sich so etwas nicht leisten.

Sezuna hielt in ihren Gedanken inne. Sie dachte hier über eine magische Schule nach. Brauchte die überhaupt Geld? Oder konnten sie sich die Möbel einfach her zaubern? Das Mädchen hätte darüber noch Stunden nachdenken können, doch sie wollte sich endlich duschen und vom Schweiß des Tages befreien. Deshalb lief sie auf ihre Koffer zu und suchte ihre Sachen zusammen, ehe sie im Bad verschwand.

Als sie zurückkam, stand auf dem Tisch vor dem Kamin ein Teller mit einer Kleinigkeit zu essen und eine Flasche, die nach Wein aussah. Sezuna runzelte die Stirn und öffnete diese, ehe sie daran roch. Als sie der Geruch umfing seufzte sie zufrieden. Es war ihr Lieblingspflaumenschnaps. Der würde ihr sicher helfen den heutigen Tag ein wenig zu vergessen und etwas zu entspannen. Normalerweise trank sie nicht grundlos, aber am Abend ein Glas half ihr dabei einzuschlafen und sich zu beruhigen. An sich reagierte sie sehr seltsam auf Alkohol. Sie wurde nicht betrunken im üblichen Sinne. Sie bekam lediglich Gliederschmerzen. Das begann schon nach dem zweiten Glas in ihren Schultern. Nach einem Glas jedoch wurde sie einfach nur müde.

Dennoch fragte sie sich wo der Pflaumenschnaps her kam und auch das essen. Sie hatte sich diesen zwar vorhin gewünscht, doch damit gerechnet hatte sie nicht wirklich.

Ob das auch funktionierte, wenn sie sich ein Einhorn wünschte? Sie wollte schon immer eines haben.

Aber natürlich passierte nichts und Sezuna musste über sich selbst lachen. Nur weil sie an einer magischen Schule mit seltsamen Leuten gelandet war, hieß es ja noch lange nicht, dass alle ihre Wünsche in Erfüllung gehen würden. Das wäre albern.

Dann begann sie zu essen, ehe sie dazu ein Glas Schnaps trank und sich erschöpft ins Bett fallen ließ. Der Schnaps tat auch sofort seine Wirkung und lullte sie in Dunkelheit ein.
 

~Yorukage-Haus der Jungen-Zevrak~
 

Der Machstrom hallte noch immer auf dem Schulgebäude nach und auch andere Schüler konnten spüren dass etwas in der Luft lag.

Zevrak war einer von ihnen. Ein Chaosdämon, der das Element des Feuers beherrschte. Da er erst vor kurzem auf die Schule gekommen war und noch zu den Rookies gehörte, war seine Feuerkontrolle und sein Wissen über die Magie noch nicht so ausgeprägt, dennoch konnte er spüren dass dieser Machtsturm Auswirkungen haben würde. Die Frage war nur welche.

Er wusste nur nicht genau, was er davon halten sollte.

Wie jeden Abend stand er vor dem Spiegel, doch anstatt sich sein asche-farbenes Haar zu kämmen, oder sonst irgendwas Sinnvolles zu tun, starrte er mit seinen rot-orangefarbenen Augen einfach auf die spiegelnde Fläche.

Er trug kein Oberteil, weshalb seine schmale, fast schmächtige Gestalt und seine leicht gräuliche Haut deutlich zur Geltung kamen. Die schmale Silberkette um seinen Hals würde er auch nicht zum Schlafen abnehmen. Aber an Schlaf war auch noch nicht zu denken. Er wollte mit Jemanden sprechen, der ihm diesen Machtsturm erklären konnte.

Als die Uhr in seinem Zimmer Sieben schlug, begann sich sein Spiegelbild zu verändern. Wurde zu einer jungen Frau mit langen schwarzen Haaren und azurblauen Augen.

Ein langes Kleid umschmeichelte ihre Rundungen und sie wirkte überaus anziehend. Volle rote Lippen und eine markelose Haut. Lange Wimpern und große Brüste. Das ideale Bild einer Frau. Zumindest in Zevraks Augen.

Dennoch war sie etwas, was man nicht haben konnte. Gefangen hinter den Spiegeln. Zevrak konnte sie nur sehen, doch nie berühren und dennoch wollte er zu ihr, denn sie war seine Königin.

Als sie ihm das erste Mal begegnet war, hatte er es gespürt, aber nicht verstanden. Damals dachte er, es wäre Liebe gewesen, doch heute verstand er, dass sie die Königin war, der er dienen wollte. Deren Anwesenheit ihn auf eine Art und Weise beruhigte, wie es andere nicht konnten. Sie war eine Frau die alle seine Sinne ansprach und die immer für ihn da gewesen war.

„Guten Abend“, sagte sie und lächelte Zevrak freundlich an, wie sie es immer tat.

Beide setzten sich auf den Boden und begannen sich über den Tag zu unterhalten. Wobei meist Zevrak redete und die Frau hinter dem Spiegel einfach still zuhörte. Ab und an gab sie ihm einen Ratschlag, doch sie selbst erzählte nicht all zu viel von ihrem Tag.

Als Zevrak von den Machtsturm erzählte, erklärte sie ihm, dass sie den Nachhall noch spüren konnte, aber selbst nicht genau wüsste, woher er kam. Dadurch, dass sie hinter den Spiegeln gefangen war, konnte sie seine Welt nur verschwommen wahrnehmen. Die Macht drang nicht komplett zu ihr hindurch.

Eine Weile sprachen sie noch über Belanglosigkeiten, bis sie plötzlich ein Thema anschnitt, dass sie schon lange nicht mehr angesprochen hatte. „Ich habe eine Möglichkeit gefunden dein Problem vielleicht zu lösen“, erklärte sie und Zevrak griff automatisch in seinen Nacken und strich über das Tattoo.

„Wie?“, flüsterte er fassungslos. Wenn sie wirklich eine Möglichkeit gefunden hatte, dann würde er bald frei sein.

Die Frau lächelte leicht. „Ich könnte Abdil zu einem Handel überreden“, sagte sie und Zevrak horchte auf. Sein Herr war nicht bekannt dafür einen törichten Handel einzugehen. Und Zevrak war nicht töricht genug, um zu glauben dass dies für ihn kostenlos war. „Und was möchtest du davon von mir?“, fragte er vorsichtig.

„Es ist nicht schwer. Ich möchte nur dass du für mich erst einmal eine Person im Auge behältst. Sie hat vielleicht die Macht mich hier heraus zu holen“, erklärte die Frau und ihre Stimme sprach alle seine Sinne an. Zevrak stimmte zu, ohne richtig zu wissen, was sie von dieser Person wollte. Wenn sie mit dieser Stimme sprach würde er allem zustimmen, ohne zu Fragen warum.

Das Bild im Spiegel veränderte sich und die Schule war zu sehen.

Zevrak erkannte Gideon, der ein junges Mädchen mit roten Haaren trug. „Das ist das Mädchen. Ihr Name ist Sezuna“, erklärte die Spiegelfrau und Zevrak prägte sich das Bild ein. Er konnte auch Karun erkennen. Er war eine gute Möglichkeit an das Mädchen heran zu kommen, wenn beide befreundet sein sollten. Außerdem musste sie recht neu auf der Schule sein. Sie war Zevrak noch nie aufgefallen, obwohl er sich Mühe gegeben hatte alle Schüler mindestens einmal zu sehen.

„Was genau soll ich tun?“, fragte Zevrak nach. Wenn sie es verlangte, würde er noch heute nach dem Mädchen suchen und es in Flammen setzen.

„Ich möchte, dass du sie beobachtest und mich wie immer am Abend darüber in Kenntnis setzt was geschehen ist“, flüsterte die Schwarzhaarige mit dieser verführerischen Stimme. Zevrak nickte. „Danke mein Lieber“, sie hauchte einen Kuss gegen den Spiegel und dann war sie verschwunden. Zurück blieb ihre Aura, die noch stundenlang sein Zimmer füllen würde.

Gespräche

Kapitel 4: Gespräche
 

~Irgendwo in einem Wald~
 

Der Wind fauchte durch die Nacht wie ein verärgertes Weib und riss Blätter von den Bäumen, um mit ihnen zu spielen.

Dichte Wolken verschluckten fast das gesamte Licht der Umgebung und ließen den Wald gleich noch unheimlicher wirken. Die knochigen Äste der Bäume streckten sich dem dunklen Himmel entgegen, an dem so gut wie nie die Sonne zu sehen war. Die Wolken waren keine Seltenheit für diese Region. Der Wald lag fast immer in Dunkelheit, oder dem Zwielicht, wenn es die Sonne doch einmal schaffte sich an den dichten Wolken vorbei zu drängen.

Und am Ende diesem Wald dort wo eine große Klippe gegen die Wellen des Meeres ankämpfte, erhob sich eine riesige Burg, gehauen aus dunklem Stein, die sich den schwarzen Wolken entgegen streckte.

Ein großgewachsener Mann mit schwarzem Irokesenschnitt, der sich in seinem Nacken zu einem Flechtzopf zusammenfand, schritt majestätisch durch einen kleinen, abgedunkelten Raum.

Das einzige Licht, dass diesen Raum erhellte kam von einem Spiegel, doch noch war alles ruhig. Seine Schritte waren elegant und leise, als er über die schweren, roten Teppiche schritt und sein schwarzer Ledermantel manchmal hinter ihn aufwallte.

Draußen war das Heulen des Windes zu hören, doch die Temperaturen lagen bei über 30 Grad und selbst der Wind konnte die Umgebung nicht abkühlen.

Das perfekte Wetter, doch es hob seine Stimmung nicht, wie es sonst der Fall war.

Noch immer konnte er es nicht glauben, dass ihm dieses Miststück entkommen war. Er wusste nicht, wie sie es angestellt hatte, doch sie war plötzlich einfach weg gewesen. Und dabei hatte er sich solche Mühe gegeben das gesamte Dorf und damit alle ihre Fluchtmöglichkeiten, unter Wasser zu setzen.

Normalerweise konnte er die Magie spüren und ihr folgen. Konnte selbst die winzigsten Atemzüge und klopfenden Herzen hören, doch bei ihr schien er von einem hellen Licht geblendet. Was unmöglich war, würde er doch niemals Licht in seinem Leben sehen.

Caido Giranegro war der Herrscher dieser Burg und ein Prajapâti.

Damit gehörte er einer Rasse an, die von Geburt an blind war.

Seine Augen besaßen eine weiße Pupille und eine graue Iris, doch eigentlich waren sie nur Schmuck. Dafür waren seine anderen Sinne unschlagbar. Außerdem entwickelte er gerade die Fähigkeit in den Geist anderer einzudringen und diese so zu manipulieren.

Diese Fähigkeit befand sich noch im werden, doch sie war sehr nützlich und er hatte unendlich lange Zeit diese zu perfektionieren. Denn seine Rasse war nicht einfach nur unsterblich, sondern auch fast unbesiegbar.

Caido spürte das Pulsieren der Macht und wusste, dass SIE anwesend war.

Doch anstatt ihr zu zeigen, dass er ihre Anwesenheit bemerkt hatte, drehte er ihr weiterhin den Rücken zu, bis sie schließlich das Wort erhob. „Du hast sie entkommen lassen“, stellte sie fast beiläufig mit einer singsangartigen Stimme fest, die normalerweise jeden in ihrer Umgebung magisch anzog, doch Caido schnaubte nur verächtlich. „Dafür sind ihre Eltern tot“, wand er ein. Die Stimme aus dem Spiegel schwieg für einen kurzen Moment. „Aber ich brauche das Mädchen. Wenn möglich lebend“, erklärte sie weiter und auch ein wenig verärgert. Das wiederum verärgerte Caido. „Wir hatten eine Abmachung. Ich habe genau das getan, was du wolltest, nun erfülle deinen Teil unseres Handels“, sagte er aufgebracht, auch wenn seine Stimme sich dabei kaum in der Lautstärke veränderte, hörte man seinen Unmut. Das ließ ihn gleich noch unheimlicher wirken, denn er strahlte auch ohne schlechte Laune eine sehr gefährliche, düstere Aura aus.

Er konnte nicht sehen, wie die Frau im Spiegel böse lächelte, ehe sie resigniert seufzte. „Ich brauche das Mädchen, um meinem Gefängnis zu entkommen, ohne sie kann ich dir nicht helfen. Ohne sie bin ich zu schwach“, erklärte sie mit einer leicht weinerlichen Stimme und wartete auf eine Reaktion.

Caido stand nur da und bewegte sich nicht. Sein Gesicht bar jeder Emotion. Wollte sie ihn verschaukeln? Er hasste es, wenn man ihn belog. Wahrscheinlich konnte sie überhaupt nicht, was sie ihm versprochen hatte. „Ich glaube nicht mehr daran, dass du wirklich kannst, was du vorgibst. Also werde ich dir nicht weiter helfen“, sagte er und die Frau verzog das Gesicht. Wenn sie so stark war, wie sie sagte, sollte sie doch stark genug sein ihrem Gefängnis zu entkommen. Warum dann das Mädchen? Er hatte nicht vor nach ihrer Pfeife zu tanzen, nur weil sie vielleicht konnte nach was er sich sehnte.

Die Frau schien wenig begeistert. Einen so guten Mann zu verlieren war nicht gut. Das musste sie verhindern. Auch wenn er dieses Mal versagt hatte, so war er doch einer ihrer stärksten Verbündeten unter den Geschöpfen dieser Welt. „Du glaubst mir also nicht? Möchtest du eine Kostprobe?“

Nun zeigte Caidos Gesicht doch ein wenig Emotionen. Allerdings schien er sich nicht sicher, ob er verwirrt, oder verärgert sein sollte. „Was meinst du damit Weib?“, fragte er aufgebracht. Unbewusst hatte er sich ihrer Stimme nun doch zugedreht, so dass sie in der Lage war sein Gesicht und seine Gesten zu sehen. Caido war dafür bekannt keinerlei Emotionen zu zeigen, dennoch schien diese Frau in ihm lesen zu können, wie in einem offenen Buch.

Die Frau lachte leise und melodisch. „Komm her“, sagte sie mit einer Stimme, die Caido wie warmer Sirup umfing. Schnell schüttelte er dieses Gefühl ab. Niemand sollte so viel Macht über ihn haben. Doch er konnte nicht zurück schlagen. Kam gegen den Spiegel einfach nicht an, der ein undurchdringliches Schild und gleichzeitig ein Gefängnis darzustellen schien.

Caido trat auf den Spiegel zu, bis er die Gegenwart der Frau so deutlich spürte, dass er sich sicher war, dass seine Finger das Spiegelglas berühren würden, sobald er sie ein kleines Stück anhob.

„Wehe du spielst mit mir“, drohte er, doch die Frau reagierte nicht darauf. Sie hob lediglich die Hand und legte sie auf den Spiegel. In der Höhe seiner Stirn. Caido bekam davon nichts mit. Das einzige, das er spürte, war die plötzliche Aufwallung von Macht und einen stechenden Schmerz hinter seinen Augen.

Er zischte verärgert, doch nicht etwa auf Grund der Schmerzen, sondern dass eine Fremde es wagte sie ihm zu zufügen. Das war nur ihm gestattet.

Dann plötzlich begann seine Umgebung sich zu verändern. Die einheitliche Dunkelheit begann heller zu werden und Caido starrte planlos in der Gegend umher. Da war etwas. Der Übergang von Hell zu Dunkel. Umrisse? Umrisse die immer deutlicher wurden, bis er einen kleinen Schein einer Flamme erkennen konnte. Der Kamin.

Caido hielt die Luft an und starrte in die Flamme. Ergötzte sich an dem Farbenspiel aus rot und gelb und dem Licht der Flamme. Doch dann verschwamm das Bild. Wurde plötzlich wieder dunkler und schließlich schwarz. Die Macht um ihn herum schwellte ab.

„Wenn du mir das Mädchen bringst, werde ich endlich frei sein und dann wird dieser Zauber auch von Dauer sein“, sagte die Frau mit erschöpfter Stimme und Caido stand noch immer in Mitten des Raumes. „Ich werde sie dir bringen“, sagte er und die Gefühle des Moments hielten ihn noch immer Gefangen. War dieser Lichtschein real gewesen? Hatte er es mit seinen eigenen Augen gesehen? War das wirklich möglich? Oder war es nur irgendein Trick?

„Sie ist an einen Ort, der selbst für dich schwer zu finden und zu erreichen sein wird", erklärte die Spiegelfrau und in ihrer Stimme lag eine gewisse Vorfreude. „Ich habe Mittel und Wege“, sagte Caido ein wenig abwesend und spürte, wie die Aura der Frau sich langsam zurückzog. Sie ging immer, ohne eine Wort zu sagen.

Caido schwor sich, dass er dieses Mädchen finden würde. Selbst, wenn sie ins Innere der Sonne geflüchtet war. Das war den Aufwand wert.
 

~Yorukage-Hauptgebäude-Aschura~
 

Nachdem Aschura Sezuna in ihre Räumlichkeiten hatte bringen lassen, begab sie sich auf den Weg durch die Flure der Türme.

Die Schule besaß insgesamt fünf von ihnen. Sezuna hatte den mittleren Turm bezogen und Aschura war nun auf den Weg zu den Südwestlichen Turm, indem jemand wohnte, der ihr von Nutzen sein könnte und dessen Hilfe sie nun benötigte.

Nqisizz Levia’turak war ein Leviatan mit einem großen Harem und damit einem großen Einfluss auf der Schule. Das war es, was Aschura wollte. Jemand mit genug Einfluss für diese Aufgabe, den man nicht sofort zu Aschura zurückverfolgen konnte.

Außerdem betrieb sie schon lange mit dem Leviatan eine Art Partnerschaft, die sich besonders in kleinen Deals zeigte. Ihr Verhältnis war ein wenig kompliziert, da Aschura auch nicht ganz offen zeigen konnte, was sie war. Das würde nur mehr Probleme mit sich bringen, als lösen.

Aschura kam vor besagtem Turm an und ohne dass sie klopfen musste, wurde ihr die Tür geöffnet. Wahrscheinlich war Nqisizz bereits aufgefallen, dass sich Aschura in den Gängen der Türme herum trieb und auf seine Tür zugesteuert war. Oder aber er hatte den Machtsturm gespürt, der selbst die Resonanz der Schule ins Wanken gebracht hatte. Noch immer hatte sie diese nicht wieder vollständig unter ihrer Kontrolle. Das war ärgerlich, aber jetzt musste sie sich auf etwas anderes konzentrieren und versuchen ihre Gefühle unter Kontrolle zu bringen. Schwäche war etwas, dass sie sich nicht erlauben konnte.

Der Leviatan hatte überall seine Augen und Ohren. Daher war sich Aschura auch sicher, dass er wusste, dass sie Sezuna gerade eben in ihr Zimmer hatte bringen lassen.

Die junge Frau, welche die Tür öffnete, war eine Sirene mit langen sandfarbenem Haar und einer schlanken Figur.

Sie neigte leicht den Kopf und ließ Aschura eintreten. Diese machte zwei Schritte in den Raum, ehe sie ihren schwarzen Schulmantel auszog. Sofort war die junge Frau wieder bei ihr, um ihr den Mantel ab zu nehmen. „Nqisizz erwartet dich bereits“, erklärte die Frau mit leiser Stimme und wies auf einen Raum. Das hier alles sehr viel größer war, als normalerweise schien Aschura nicht zu stören. Sie schien es nicht einmal zu bemerken und das obwohl sogar die Eingangstür schon für jemanden erbaut wurden war, der mindestens vier Meter hoch sein musste.

Aschura nickte ihr dankend zu und lief auf besagten Raum zu. Die Tür war ebenfalls riesig, hatte aber eine kleine Tür für normal große Besucher wie sie. Diese Tür wurde ihr geöffnet und Aschura betrat das Innere des Raumes. Er war viel größer als die Räume der anderen Schüler, was auch sinnvoll war, denn Nqisizz war über vier Meter groß und brauchte daher seinen Platz.

Der Mittelpunkt des Raumes war ein großer Kamin, indem ein Feuer prasselte und vor dem zwei riesige Sessel standen. In einen davon saß Nqisizz.

Er erhob sich, als er hörte, wie Aschura langsam auf ihn zukam.

Das Mädchen blickte zu ihm auf. Nqisizz war vier Meter groß und wirkte fast menschlich. Sein Kopf hatte zwar etwas Echsenartiges und graugrüne Schuppen, aber der Schuppenkamm auf seinem Kopf wirkte fast wie Haare. Seine Augen waren geschlitzt und hatten einen goldgelben Schein, der ihn reptilienhafter wirken ließ. Sein Körper war zwar mit grau-grünen Schuppen bedeckt, wirkte aber wie ein menschlicher, gut durchtrainierter Oberkörper. Lediglich seine krallenbesetzten Hände und Füße zerrissen das Bild eines Menschen wieder.

Das Auffälligste an ihm war das Hundehalsband mit seiner Namensmarke, das seinen Hals zierte. Da er kein Oberteil trug und damit seine Muskeln zur Schau stellte, war auch das Tattoo auf seinen Schuppen gut zu erkennen. Aschura wusste, dass es in der Sprache der Leviatanim verfasst war, doch sie hatte sich noch nie Gedanken darüber gemacht, was es bedeutete.

Nqisizz Schweif lag ruhig am Boden, als er auf Aschura zu trat und ihr einen Arm reichte.

„Guten Abend Liebes“, sagte er, während er sie zu einem Sessel geleitet, wie es sich einer Königin gegenüber gehörte. Da sie jedoch im Vergleich zu ihm so klein war, hob er sie eher in die Richtung des Sessels. Nqisizz Hand war groß genug, um Aschura darin fast vollständig zu verbergen. „Was führt dich heute zu so später Stunde zu mir?“ Er ahnte schon, weshalb die junge Königin hier aufgetaucht war, dennoch sagte er nichts. Ihm war der Machtsturm nicht entgangen und er hatte sich sofort kundig gemacht. Dementsprechend wusste er auch, dass Aschura darin verwickelt gewesen war. Suchte sie Schutz? Unwahrscheinlich, aber was machte sie dann bei ihm?

Nqisizz war sich bewusst, dass es untypisch für Aschura war, ihn zu dieser Zeit auf zu suchen. Normalerweise war jetzt die Zeit in der sie mit den Oberhäuptern zu Abend aß. Dass sie hier war, sagte ihm, dass etwas vorgefallen war, was sie nicht länger aufschieben konnte.

Aschura ließ sich elegant auf dem Sessel nieder und strich ihr violettes Kleid zurecht, das für sie so typisch war. Nqisizz konnte sich nicht daran erinnern, ob er sie jemals in einem anderen Kleid gesehen hatte. Auf Bildern, doch nicht hier auf der Schule. Für eine Königin wirkte sie sehr schlicht gekleidet.

Auch er setzte sich und beobachtete, wie Aschura nach einer riesigen Peperoni griff, die er immer am Abend aß. Sie biss hinein und kaute langsam, während sie Nqisizz dabei zusah, wie er sie stumm musterte. Er wartete noch immer auf eine Antwort. Er war schon gespannt, was sie hier wollte.

Aschura blieb eine lange Zeit lang stumm, ehe sie dann doch ein Gespräch begann. Für sie auch wieder sehr untypisch, da es wirkte, als wolle sie sich einfach nur mit ihm unterhalten. „Ist dir aufgefallen, dass eine neue Schülerin auf die Schule gekommen ist?“, fragt sie, auch wenn die Frage überflüssig war. Natürlich wusste Nqisizz davon. Wäre es anders gewesen, wäre Aschura gar nicht hier. Doch sie wollte das Thema vorsichtig anschneiden und nicht zu viel verraten. Es war besser, wenn er einig Dinge nicht wusste. Allerdings würde es schwer werden Nqisizz die Informationen so darzubieten, dass sie ihm genug, aber nicht zu viel verriet und er auch nicht dahinter kam, was Aschura ihm verschwieg.

Nqisizz blickte sie ruhig an und zog eine Augenbraue in die Höhe. „Als wäre mir dieses Detail entgangen“, erklärte er und wirkte dabei ein wenig spöttisch. Normalerweise konnte er Aschura damit immer ärgern, doch heute war sie so in Gedanken, dass sie gar nicht darauf einging und es wahrscheinlich nicht einmal bemerkt hatte. „Dann ist dir der Machtsturm doch sicher auch aufgefallen“, bemerkte Aschura und wirkte so abwesend, dass Nqisizz die Augenbrauen zusammenzog und sich fragte, ob das dieselbe Aschura war, die er kannte. Normalerweise kam sie sofort auf den Punkt. Heute aber schien sie vorsichtig zu sein. So als würde sie versuchen Dinge zu verbergen, die sie gar nicht verbergen konnte. „Es war nicht zu übersehen“, antwortete Nqisizz und wartete darauf, wie Aschura weiter reagieren würde. Es machte ihn seltsamer Weise Spaß mit ihr zu reden. Das tat es schon immer, auch wenn er diese Aschura hier noch ein wenig amüsanter fand.

Diese nahm das Glas mit dem Blutwein an, dass eine von Nqisizz Dienerinnen brachte und nippte leicht daran. Ihre Hände begannen das Glas hin und her zu drehen, während sie in das Kaminfeuer starrte. Ihre Aura war unstet und verriet Nqisizz sehr viel über Aschuras momentanen Gemütszustand. Das er es an ihrer Aura überhaupt erkennen konnte, war merkwürdig. Aschura war sonst immer sehr sorgfältig darauf bedacht nichts zu verraten. Heute allerdings schien ihr Kopf voll mit anderen Dingen, welche die normalen verdrängten.

Nach einer gefühlten Ewigkeit begann sie wieder zu sprechen: „Was weißt du über das neue Mädchen?“, fragte sie und blickte abwartend zu Nqisizz auf.

Dieser wusste, dass er nicht wirklich viel über das Mädchen wusste. Nur Dinge, die Aschura mit Sicherheit auch wusste, denn immerhin war sie die Königin, welche Zugriff auf die meisten Informationen des Direktors und der Oberhäupter hatte.

Um das Gespräch am Laufen zu halten, antwortete er dennoch: „Sie kommt von der Erde und der Direktor hat sie aufgenommen. Außerdem scheint sie jeder Königin hier den Krieg zu erklären“, fügte er hinzu und hoffte das Gespräch so in die Richtung zu lenken, die ihn interessierte.

Er würde schon gern wissen, warum dieses Mädchen solches Chaos stiftete. Vielleicht wusste es Aschura, vielleicht aber auch nicht. Er würde es sehen.

Aschuras Gesicht zeigte kurz etwas, dass Verwirrung gleich kam und dass verwirrte Nqisizz. Hatte er etwas falsch gedeutet, oder warum war sie plötzlich verwirrt? Oder waren ihre Gedanken so weit abgedriftet, dass sie mit dem plötzlichen Themawechsel nicht klar kam? Manchmal konnte er sie einfach nicht einschätzen. Sie war schon sehr alt und erfahren und dennoch verhielt sie sich manchmal wie ein kleines Kind. Naiv und voller Tatendrang, ohne darüber nach zu denken, was ihr Tun vielleicht für Auswirkungen hatte.

Allerdings bildete sich schließlich auf ihren Lippen ein Lächeln, das sowohl warmherzig, als auch berechnend zu sein schien. Nqisizz war es ein Rätsel, wie man so lächeln konnte. „Nicht ganz. Aber ja, viele werden es als Kriegserklärung auffassen“, sagte sie und nahm dann noch einen Schluck, ehe sie wieder begann das Glas in den Händen zu drehen. Ihre goldenen Augen hatten etwas Nachdenkliches.

Nqisizz lehnte sich abwartend zurück. Er wusste sie würde weiter reden, wenn er es nicht tat und im Moment wusste er nicht, was er sagen sollte, um die Antworten zu bekommen, die er wollte. Er würde sie nur dazu bringen das Thema zu wechseln, so wie sie es immer tat, wenn sie der Meinung war, er würde zu viel erfahren.

Aschura schien ihn diesen Gefallen aber nicht zu tun, denn sie starrte fast fünf Minuten lang in die Flamme des Kamins, ehe sie laut auf seufzte. „Ich habe dir ein Angebot zu machen“, erklärte sie schließlich und Nqisizz legte die Finger zusammen. Darauf hatte er schon gewartet. Jetzt wurde es interessant. „Das dachte ich mir schon“, erwiderte er und wartete auf nähere Informationen.

Aschura zog aus ihrem Kleid einen Schlüssel hervor. Er war golden und trug einen Rubin als Verzierung. „Das ist der Schlüssel für die verbotene Bibliothek“, erkläre sie und hielt besagten Schlüssel Nqisizz direkt unter die Nase.

Dieser blickte den Schlüssel verwundert an. Er wusste das Aschura, neben den Oberhäuptern, eine derjenigen war, welche die Schlüssel verwahrten. Und er wusste auch, dass der Teil der Bibliothek, der als verbotene Bibliothek bezeichnet wurde, Bücher enthielt, die sehr mächtige Zauber verbargen. Was auch immer Aschura von ihm wollte schien einiges wert zu sein, wenn sie mit diesem Schlüssel dafür zahlte. „Wenn der Preis den erwarteten Aufwand gerecht wird, gehe ich davon aus, dass du dieses Mädchen los werden willst“, sprach er seine Vermutung aus und sah verwundert zu, wie Aschura schneeweiß im Gesicht wurde. „Nein“, rief sie entsetzt. Sie sprang förmlich auf und das Glas wurde zwischen ihren Händen zerdrückt, ehe sie Nqisizz kalt und böse anfunkelte. Sie schien nicht einmal zu bemerken dass der Blutwein über ihre Finger auf den Boden tropfte.

Diese Reaktion ließ Nqisizz nachdenklich werden und er hob beruhigend die Hände. Erst, als sie sich wieder gesetzt hatte und etwas ruhiger schien, sprach weiter. „Was dann?“, fragte er vorsichtig. Die Heftigkeit ihrer Reaktion hatte ihn vorsichtig werden lassen. Warum würde Aschura so reagieren? Es wäre nicht das erste Mal, dass er eine potentielle Gegnerin in ihrem Auftrag von der Schule beförderte. Allerdings hatte sie reagiert, als hätte er sie angegriffen und dabei hatte er nur eine Vermutung geäußert. Eine Äußerung, die Nqisizz in Aschuras Augen zu einem Feind gemacht hatte. Eine sehr heftige und gefährliche Reaktion. Wie würde Aschura dann erst auf echte Feinde reagieren?

„Ich möchte, dass du auf sie aufpasst“, erklärte Aschura ruhig, aber in ihren Augen lauerte noch immer etwas sehr gefährliches. Nqisizz blickte sie nun noch skeptischer an. „Du möchtest also, dass ich auf ein Mädchen aufpasse, dass dir den Krieg erklärt hat?“, fragte er nach, weil er sich tatsächlich nicht sicher war, ob sie das ernst meinte. Doch in ihrem Blick war nur zu erkennen, dass sie es durchaus ernst meinte, auch wenn es selbst für ihre Verhältnisse ziemlich seltsam klang.

„Genau“, stimmte sie nickend zu. „Und dafür bekommst du von mir den Schlüssel für die verbotene Bibliothek.“

„Warum willst du, dass ich auf sie Acht gebe?“, fragte er nach, weil er das Gefühl hatte irgendwas entging ihm und das mochte er überhaupt nicht. Für ihn ergab das Alles keinen Sinn. Er wusste nicht, was Aschura plante und warum dieses Mädchen so wichtig war, dass sie sicher ging, dass ihr auch nichts geschah.

Er kannte Aschura schon lange genug, um zu wissen, dass er bald herausfinden würde, warum sie unbedingt wollte, dass er Babysitter spielte.

Der Preis war gut und darum würde er auch annehmen, auch wenn sie ihm wahrscheinlich nicht erklärte warum.

„Das braucht dich nicht zu interessieren“, ging sie ihn kalt an und damit war geklärt, dass für Nqisizz dieses Thema tabu war. Irgendwas hatte sie zu verbergen und er würde es herausfinden. Egal wie lange es dauerte. „Machst du es, oder nicht?“, fragte sie nach und hatte etwas Lauerndes in ihrem Blick.

Nqisizz zuckte mit den Schultern. „Was kann daran schon so schwer sein, auf ein kleines Kätzchen Acht zu geben“, sagte er und klang dabei schon ein wenig spöttisch. Er konnte sich nicht vorstellen, dass die Aufgabe dem Preis gerecht wurde, aber das war ihm auch reichlich egal.

Auf Aschuras Lippen bildete sich ein fieses grinsen. „Glaub mir. Es wird alles, nur nicht einfach“, erklärte sie mit ruhiger, aber auch leicht belustigter Stimme und hielt ihm schließlich den Schlüssel hin.

Nqisizz nahm den Schlüssel entgegen und war verwundert, dass er seine Bezahlung bereits jetzt erhielt, doch er ahnte noch nicht, dass der Zutritt zu dieser Bibliothek die einzige Möglichkeit war um einige Dinge aufzuhalten, die geschehen würden.

„Und was tust du, wenn ich meinen Teil der Abmachung nicht einhalte?“, fragte er skeptisch. Er wollte wissen was sie sich dabei dachte. Aschura hatte immer noch einen Ersatzplan parat. Das wusste er mittlerweile.

Die Blonde lächelte die riesige Echse freundlich an. „Dann sage ich Allan, dass du derjenige warst, der seinen Schlüssel entwendet hat“, damit erhob sie sich und ließ Nqisizz selbst die Konsequenzen berechnen.

Sie griff nach einer weiteren Peperoni, welche aus Nqisizz Territorium stammten und biss hinein. „Die Dinger sind echt lecker“, bemerkte sie leise, während sie sich schon wieder bereit machte zu gehen. „Du könntest mehr davon haben, wenn du auch mal vorbei kommst, ohne etwas zu wollen“, erklärte Nqisizz und erhob sich ebenfalls, um die junge Frau zur Tür zu begleiten. „Unsere Rasse macht einige leckere Dinge.“

Aschura gab einen Laut von sich, der an ein Schnurren erinnert. „Ich denke darüber nach“, sagte sie und aß das letzte Stückchen, ehe Nqisizz ihr den Mantel hinhielt, damit sie sich anziehen konnte.

Ein Abendessen wäre vielleicht keine so schlechte Idee.

Aschura war noch völlig in Gedanken, als sie das Zimmer verließ. Nqisizz sah ihr nach und riss ein wenig die Augen auf, als Aschura genau mit einem seiner Diener kollidierte, der gerade Abendessen auftischen wollte.

Aschura quietschte auf und landete fluchend auf ihrem Hintern. Nqisizz verzog seine Lippen zu einem Lächeln. Das ähnelte Aschura doch schon mehr. Das war das kleine tollpatschige Mädchen, das er kennen gelernt hatte, bevor er herausgefunden hatte, dass sie eine Königin war.

Lächelnd erinnerte er sich daran zurück.



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