Der Ansturm von Tikal (Kurzgeschichte) ================================================================================ Kapitel 1: Der Ansturm ---------------------- Leon hatte nichts gesehen. Nichts von Sonic, nichts von Xaos, selbst Mana hatte er aus den Augen verloren, als er alle seine Flugkünste aufbieten musste, um den Raketen zu entgehen, die in nicht endender Folge auf ihn zugeschossen kamen, ihn um Zentimeter verfehlten, dicht in seiner Nähe miteinander kollidierten und explodierten, ihn aus dem Gleichgewicht warfen und ihn zu verzweifelten Flugmanövern zwangen, um wenigstens den Explosionen auszuweichen und nur die Metallsplitter mitzunehmen. Ja, das - war - eine - Herausforderung. Definitiv. Aber er durfte nicht scheitern. Er durfte es nicht ... sein Leben hing davon ab, sein eigenes und das von so vielen anderen, die ihm wichtig waren. Alles weitere verlor an Bedeutung, als er auswich, beschleunigte, bremste, und alle möglichen Manöver versuchte, um die Raketen abzuschütteln, Sturzflüge, Spiralen, schnelle Steigungen, scharfe Wenden, aber kaum war er etwas weiter weg von denen, die ihn verfolgten, kamen von vorne weitere Raketen an ... und der Turm, mit dem großen Ring, der ihn umkreiste, schien weiter weg zu sein als jemals zuvor. Die Raketen schienen jedes Manöver vorauszusehen, sich anzupassen und rückten ihm immer näher an die Federn. So würde er niemals zum Turm kommen, so würde er sich von den Raketen nur weiter ablenken lassen. So ... würde er scheitern. Ein schwaches Lächeln legte sich auf das Gesicht des jungen Adlers, als ihm eine Idee kam. Mit normalen Flugmanövern kam er hier nicht weiter? Dann los! Zu verlieren hatte er ohnehin nichts mehr. Von einer Sekunde auf die andere bremste Leon seinen Flug ab, stellte die Flügel auf und hing für einige Zehntelsekunden in der Luft. Der Ruck riss ihm fast die Flügel aus den Gelenken, aber er schaffte es - mit der Unterstützung der Jetpacks - die Kontrolle zu behalten und schwang sich nach oben. Keine Sekunde zu früh. Da wo er eben noch gewesen war, prallte ein ganzer Raketenschwarm ineinander und schickte ihm eine heftige Druckwelle hinterher, die ihn schneller nach oben trug als er vorgehabt hatte. Nach oben. Hin zu einem besseren Überblick, einer besseren Zielauswahl. Zu einer ganz neuen Möglichkeit, die zwar verrückt war - aber auch nicht viel verrückter als die ganze Situation. Das GUN-Schiff, das ihn unter Feuer genommen hatte, schwebte etwas unter ihm und schickte ihm bereits einen neuen Schwarm Raketen nach. Leon nahm sich eine Sekunde Zeit zu überlegen. Das Schiff war nicht das Ziel. Es war ein Problem, aber kein Ziel - nur ein Problem. Aber ein Problem, dass sich vielleicht nutzen ließ. Mit diesem Gedanken ließ der Adler sich fallen, tauchte förmlich nach unten weg. Mit einem Adler im Sturzflug, unterstützt von Eggmans Jetpacks, konnten selbst die Raketen nicht mithalten. Das hier war kein Sturzflug, der eine halbe Sekunde gedauert hätte - durch seinen Anstieg kamen die Raketen vom Schiff alle aus einer Richtung. Und sie alle konnten nur eine einzige Richtung einschlagen, um ihm zu folgen. Oder es zu versuchen ... er schien tatsächlich einen gewissen Vorsprung zu bekommen. Einen gewissen. Gut. Der Adler hatte keine andere Wahl als sich auf sein Gefühl und sein Auge zu verlassen, als er seine Flügel wieder öffnete und aus dem Sturzflug in einem halsbrecherischen Winkel abbog - direkt auf den Ring zu. Dass seine Flügel schmerzten, bemerkte er schon gar nicht mehr - jetzt kam es nur darauf an, diese Chance zu nutzen. Die Raketen verkürzten den Abstand jedenfalls sehr schnell ... wie erwartet, jetzt wo er nicht mehr im Sturzflug unterwegs war, wurde er schnell langsamer. Die Raketen, die von oben auf ihn herabstürzten, würden ihn in wenigen Sekunden einholen. Es war gerade genug Zeit. Leon wartete so lange wie möglich, bis er ganz dicht am Ring war und die Raketen ihn beinahe eingeholt hatten, kurz davor waren von oben in ihn einzuschlagen - bevor er ein schnelles Ausweichmanöver flog, dass ihn für den Bruchteil einer Sekunde aus der Schusslinie der Raketen brachte. Die an ihm vorbei sausten - aber nichts mehr korrigieren konnten, weil sie in genau diesem Moment in die metallene Abdeckung des Rings einschlugen. Die Druckwelle erfasste ihn ein weiteres Mal, fast direkt unter ihm, und schleuderte ihn erneut nach oben, weitere Metallsplitter schnitten in seine Haut, aber er achtete nicht weiter darauf, sondern konzentrierte sich darauf, das Gleichgewicht wieder zu finden, bevor die nächsten Raketen ihn erreicht hatten - mehr oder weniger gelang ihm das auch - sodass er seinen restlichen Schwung, getragen von der Druckwelle, für einen fast vollendeten Looping nutzen konnte. Nur dass er sich kurz über dem Ring, direkt über dem von der Raketenexplosion gerissenen Loch, fallen ließ und durch die Metallabdeckung und die Verkleidung hindurch fiel - bevor er unsanft auf dem metallenen Boden eines Gangs innerhalb des Rings landete. Einige Sekunden gönnte er sich, in denen er einfach nur so an der Wand saß, schwer atmend und zitternd vor Anstrengung, aber lächelnd. Ja, er musste verrückt sein. Ja, die ganze Situation war verrückt. Die ganze Situation war ein Himmelfahrtskommando, glatter Selbstmord. Die ganze Situation ... war der härteste Flug gewesen, den er je unternommen hatte. Und er hatte es überlebt. Irgendwie. Er musste leise lachen. Nein ... empfehlen konnte er das niemandem. Aber vergessen würde er das auch nicht, nie wieder. "Leon hier", meldete er schließlich über die Kopfhörer, als er aufstand und sich umsah - in einem Gang, auf die Schnelle ohne weitere Anzeichen, in welche der beiden Richtungen er weiter gehen sollte. Wenigstens für ein paar Sekunden war nicht zu vernehmen, dass GUN den Ring unter Feuer genommen hatte, und er bezweifelte, dass sie es tun würden. Zumindest solange sie noch gegen die Roboter kämpfen mussten ... wenn nicht, hätten sie es schon längst getan. Das Zeitfenster, das ihm blieb ... konnte vielleicht reichen. Musste reichen. "Ich bin drin." Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)