K -illing Project von Xalis ================================================================================ Kapitel 3: Kapitel 2 -------------------- Munakatas POV Ich war selbst nicht ganz sicher, warum ich dieses Thema überhaupt angesprochen hatte. Mir war von Anfang an klar gewesen, dass Fushimi nicht gut darauf zu sprechen sein würde. Aber ich hielt es mittlerweile für eine dringende Notwendigkeit. Ich hatte mich viel zu lange aus dieser Angelegenheit heraus gehalten. Zu lange zugesehen, wie sich seine Obsession verschlimmerte. Irgendwer musste ihm helfen, aus diesem Teufelskreis auszubrechen, und da sich niemand außer mir verantwortlich zu fühlen schien, hatte ich beschlossen, es selbst zu versuchen. Es war nicht gesund für eine junge Psyche, sich so abhängig von einem einzigen Menschen zu machen. Vorallem in seiner jetzigen Situation. Er verletzte sich nur selbst. Was war bloß so besonders an diesem Jungen? „Du liebst ihn oder?“ Es war das einzig Logische. Natürlich würde es die Situation für ihn mehr als nur erschweren, aber es würde sein selbstzerstörerisches Verhalten erklären. Ich betrachtete ihn mitfühlend, wissend, wie er sich fühlen musste. Das war auch der Grund, weswegen ich mich in der Lage sah, ihm helfen zu können. Außerdem war da noch diese kleine egoistische Komponente, die ich mir eingestehen musste. Ich brauchte es, ihm zu helfen. Ich brauchte etwas, womit ich mich beschäftigen konnte. Etwas, das mich möglichst voll in Anspruch nahm und mir keine Zeit lassen würde, nachzudenken. Das Wissen, dass es falsch war, vor meinen Problemen zu fliehen und ihre Aufarbeitung vor mir herzuschieben, ignorierte ich geflissentlich. Es war noch zu früh, um mich wirklich damit auseinander zu setzen. Ich hatte es bereits versucht und war kläglich gescheitert. Vor ein paar Tagen, als ich diesen Bericht schrieb, den ich seitdem nicht mehr aus den Augen gelassen hatte. Niemals sollte jemand außer mir lesen, wie ich diese letzte Zeit nach der Evakuierung der Schulinsel erlebt hatte. Vielleicht der nächste blaue König, irgendwann, wenn es mich nicht mehr gab, aber zu meinen Lebzeiten doch möglichst nichtmehr. Zu zittrig war meine Handschrift. Zu verschwommen die Buchstaben. Zu krankhaft der Versuch professionell zu bleiben. Ich hatte schon versucht, das geschriebene zu verbrennen. Es irgendwie wieder zu vernichten, aber selbst das schaffte ich nicht. Also lag diese Akte jetzt vor mir, wie ein Mahnmal meiner eigenen Überforderung und erinnerte mich daran, alles daran zu setzen wenigstens Fushimi, zu helfen, der bisher keinerlei Reaktion zu zeigen schien. Allerdings wollte ich mir auch nicht anmaßen, zu wissen was er dachte. Vielleicht war es auch einfach zu viel, als dass es sich in seinem Ausdruck widerspiegeln könnte. Ich beobachtete ihn mitleidig. Er sah mich an, ehe er für einen kurzen Moment die Augen schloss und nickte. Das war die Bestätigung meiner Vermutungen. Es würde schwer werden, ihm zu helfen. Genau wie ich gehofft und vermutet hatte. Es würde schwer werden, besonders für ihn, aber es war nicht unmöglich. Mit viel Mühe und Hilfe würde er das schaffen. Mit Beistand, Trost und vielleicht etwas Liebe. Dinge, von denen ich in der Lage und bereit war, sie ihm zu geben. Ich spürte, wie sich etwas in meinem Inneren zusammenzog. Konnte förmlich eine leise Stimme in meinem Kopf hören. Ist das dein lächerlicher Versuch, deinen Mord an Mikoto wieder gut zu machen? Deine Schuld an dem Tod deines Freundes? Ich seufzte, sowohl um die Stimme in meinem Kopf zu übertönen, als auch aus Resignation vor meiner und Fushimis Situationen. Es war gut, dass ich mich mit seinen Problemen auseinandersetzen konnte. Es würde mich vermutlich wirklich ablenken können. Also war er tatsächlich in diesen Jungen verliebt. Ich überlegte. „Warum hast du dann damals HOMRA verlassen?“ Es war das Einzige, das in meinen Augen keinen Sinn ergab. Wenn er so dringend seine Aufmerksamkeit und Nähe suchte, warum hatte er sich dann aus freien Stücken so weit von ihm entfernt? „Weil ich es nichtmehr mit ansehen konnte. Ich konnte nichtmehr mit ansehen, wie er mit den anderen glücklich war. Wie er ohne mich Spaß hatte und wie er Mikoto vergötterte.“ In jeder Silbe hörte man die tiefe Verbitterung, die seine Worte mit sich trug. Die letzten beiden Worte bargen einen Hass und Abscheu, wie ich sie selten von jemandem erlebt hatte. „Ich war doch nur noch Luft für ihn. Ich wurde erst wieder interessant, wenn die anderen nicht da waren, oder keine Zeit für seine Kindereien hatten. Dann durfte ich wieder den Lückenbüßer spielen. Ich, für den er doch die Welt war!“ Ich konnte hören, wie er sich in seinen Ärger über diese Ungerechtigkeit hineinsteigerte, ehe seine Stimme auf dem letzten Satz brach. Ich begann zu verstehen, dass ich vermutlich der erste Mensch war, mit dem er jemals darüber geredet hatte. Der erste, dem er das alles erzählte und ich rechnete es ihm hoch an. Ich konnte förmlich spüren, wie tief es ihn traf, sich mir gegenüber mit seiner Offenheit verletzlich gemacht zu haben. Ich stand auf und ging um meinen Schreibtisch. Fushimi war vollkommen abwesend, zumindest verriet mir das sein von Melancholie und Missmut geschwängerter Blick. Ohne lange darüber nachgedacht zu haben legte ich eine Hand auf seine Schulter. Er sollte wissen, dass er nicht alleine war und dass ich vorhatte, ihm beizustehen, und Worte waren der Bedeutung dieses stummen Versprechens nicht gewachsen. Ich sah ihn mitfühlend an und versuchte, ihm das zu vermitteln, was ich so nicht in Sätzen würde ausdrücken können. In Gedanken wiederholte ich seine Antwort. Was er sagte sprach Bände. Langsam begann alles wieder Sinn zu machen. Zumindest nach der krankhaften Logik, die manche verliebte Menschen an den Tag legten. Und Fushimi war meiner Meinung nach in eine Obsession abgedriftet, die man kaum noch mit Liebe vergleichen konnte. „Ich denke ich versteh dich.“ Er hatte HOMRA verlassen und war Scepter 4 beigetreten, in dem verzweifelten Versuch, die Aufmerksamkeit seines Freundes wieder auf sich zu zentrieren. Aber hatte er nicht geahnt, dass er damit nur für Unverständnis und Hass sorgen würde? Oder war das vielleicht sogar seine Absicht gewesen? Selbst, wenn es so war, könnte das doch nie sein, was er erreichen wollte. Ich sah ihn weiter an. Es stimmte mich traurig, zu sehen, dass ihn die Sache so weit an seine Grenzen gebracht hatte. „Aber es war dumm von dir, zu denken, dass du dadurch die Aufmerksamkeit bekommst, die du suchst.“ Ich bemerkte selbst, dass das nicht wirklich das taktvollste war, das ich hätte sagen können, aber wenigstens war ich ehrlich. Jemand musste es ihm sagen und ich schien derjenige zu sein. Auch meine zweite Hand fand den Weg auf seine Schulter und ich lehnte ich ein wenig herunter um ihm besser in die Augen sehen zu können. Ich wollte ihn dringend erreichen. Im etwas klar machen, solange er sich vielleicht nicht vollends in seiner Hatz um den jungen Skateboarder verloren hatte. „Würdest du aufhören dich nur auf ihn zu fixieren, fändest du bestimmt jemand anderen, mit dem du glücklich werden könntest. Es gibt sicher viele, die dir liebend gerne all das geben würden, das du bei ihm so verzweifelt suchst.“ Es klang strenger und belehrender als ich es beabsichtigt hatte, aber vielleicht war das ja auch nötig. Mit gutem Zureden würde man ihm nicht mehr helfen können. Selbst mir fehlten dafür die richtigen Worte. Er wich meinem Blick aus. Nur leicht, aber ich bemerkte es trotzdem. Ich bemerkte seinen nachdenklichen Gesichtsausdruck und begann, zu hoffen, vielleicht tatsächlich den Grundstein zur Lösung seines Problems gelegt zu haben. Beinahe hoffnungsvoll erwartete ich eine Reaktion auf das, was ich gesagt hatte. Sie ließ auf sich warten und ich begann bereits, mir Sorgen zu machen. Als ich dann diesen gequälten Blick sah, mit dem er den meinen erwiderte, verschwand mein letztes bisschen Hoffnung auf baldige Hilfe für ihn. Es tat fast schon weh ihn so zu sehen. Kaputt. Am Ende mit den Nerven. Er rang um eine Antwort. „Ich-…“ Weiter kam er nicht. Er sackte in Zeitlupe in sich zusammen und sein Gesicht verschwand hinter seinen Händen. Ich hatte es kommen sehen, sogar erwartet. Aber vorbereitet war ich nicht gewesen. Es war absolut still geworden, bis auf gelegentliche Schritte hinter der geschlossenen Bürotür. Unsicher, wie ich darauf am besten reagieren sollte stand ich nun nutzlos vor Fushimi, der jetzt auch noch anfing zu zittern. Ich riss mich zusammen. „Fushimi-kun..?“ Man musste mir meine Unsicherheit deutlich anhören, aber in der Bemühung, sanft zu klingen, war das schwer zu unterdrücken gewesen. Ich erhielt keine Reaktion. Besorgt betrachtete ich ihn weiter. Ich zögerte, ehe ich einen erneuten Versuch startete, zu ihm durchzudringen. „…Saruhiko..?“ Er zuckte kurz zusammen. Er musste wirklich weit weg sein, wenn er nur so wenig Reaktion zeigte. Auch sein Zittern klang nicht ab. Bildete ich es mir ein oder wurde es sogar stärker. Ich wusste, dass es nichts mit der Temperatur zu tun hatte, dass er nicht fror und doch folgte ich meinem ersten Impuls und ging zu der kleinen, unscheinbaren Tür in der Wand, die einen direkten Zugang zu meinem Wohnbereich darstellte. Wie von selbst griff ich nach der weichen Decke, die sorgfältig zusammengelegt auf dem Sofa lag und nahm sie mit in mein Büro. Behutsam legte ich sie um die Schultern der zusammengesunkenen Figur auf dem sonst kaum benutzten Stuhl und fixierte sie unter dem leichten Griff meines Armes. Ich hatte selten in einer so unbequemen Position gestanden, aber ich hatte mir vorgenommen Fushimi den Halt zu geben, den er brauchte, und ich hielt mich für gewöhnlich an meine Vorsätze. Noch immer besorgt betrachtete ich ihn. Erleichtert konnte ich kurz darauf feststellen wie sich sein Körper minimal entspannte und das Zittern langsam nachließ. Das schmerzliche Geräusch, das er dabei nicht hatte zurückhalten können, versetzte mir einen kleinen Stich, während ich weiter einfach neben ihm stehen blieb, in dieser unvorteilhaften Haltung und anfing, beruhigend auf ihn einzureden. „Es ist okay. Du bist nicht alleine.“ Gerade, als ich dachte, ich könnte ihm wirklich helfen, sich zu beruhigen, wurde ich von meinem PDA unterbrochen. Widerwillig richtete ich mich auf und griff danach. Es war die Erinnerung an eine für heute angesetzte Besprechung. Ich sah auf die Uhr. Halb genervt stöhnend, halb leise fluchend, legte ich das Gerät zurück auf den Schreibtisch, ehe ich mich wieder Fushimi zuwendete. Das Meeting würde in weniger als 10 Minuten beginnen. Ich hatte mir diese Erinnerung zugelegt, weil ich um meine psychische Verfassung wusste. Ich gab mir diese 10 Minuten, um mich gegebenenfalls darauf vorzubereiten, so aufzutreten, wie es schon immer Gang und Gebe für mich war. Meistens war das nicht nötig, aber ich ging da lieber auf Nummer sicher. Heute mussten mir diese 10 Minuten reichen, um eine nervlich labile Person aus meinem Büro verschwinden zu lassen. Ich konnte ihn wohl kaum zurück auf sein Zimmer schicken. Allein aus meinem Zweifel heraus, dass er allein stehen konnte. Zurückbringen konnte ich ihn ebenfalls nicht. Zum einen wäre es zu auffällig, zum anderen könnte die Zeit knapp werden, die diese Transportaktion womöglich beanspruchen würde. Der Gedanke, ihn in meine Privaträume zu bringen, bis die Besprechung zu Ende war, kam mir erst als ich noch circa sechs Minuten hatte. Etwas umständlicher, als ich es eventuell unter weniger Zeitdruck zustande gebracht hätte, half ich Fushimi, seinen vom Zusammenbruch geschwächten Körper aus dem Stuhl zu hieven. Mit einem Arm hielt ich erneut die Decke, die noch um seine Schultern lag, mit der anderen bemühte ich mich ihn zu stützen, was mir glücklicherweise erstaunlich gut gelang. Es fiel mir verhältnismäßig leicht, ihn durch mein Büro zu der Tür zu lotsen und mit etwas Mühe bugsierte ich ihn auch durch diese Hindurch in den Raum, der mir als Wohnzimmer diente. Der Weg um den Couchtisch herum, war schon etwas anspruchsvoller, stellte allerdings kein wirkliches Hindernis dar. Mit einem Blick auf die Uhr stellte ich fest, dass ich noch 2 Minuten hatte. Ich sah zu Fushimi, der jetzt auf meiner Couch saß, kaum gefasster als vorhin, als er noch gezittert hatte. Ich hatte ein schlechtes Gewissen, ihn in diesem Zustand zurückzulassen, aber es gab nunmal Pflichten für mich, vor denen weder sein Zustand noch meiner etwas zählte. „Ich werde dich einen Moment allein lassen müssen. Ruh dich aus und versuche bitte, dich zu beruhigen.“ Ich schluckte ein Seufzen herunter und ging zurück in mein Büro, wo mir noch eine Minute blieb, mich für das zu wappnen, was auch immer Awashima gleich zu berichten haben würde. Fushimis POV „Du liebst ihn oder?“ Für einen Moment war ich zu verblüfft um zu antworten. Im Nächsten war ich erneut auf 180 und es fiel mir schwer, mir das nicht anmerken zu lassen. Einfach so diese Worte zu sagen. Mich dabei so mitfühlend anzulächeln, als könnte er mich verstehen. Als wüsste er etwas über Mitgefühl und als wüsste er, was in mir vorging. Von ihm und seinen Worten wurde mir schlecht. Ich verzog das Gesicht in keinster Weise und sah weiter gespielt missmutig vor mir auf den Boden, bemüht dieses brodelnde Gefühl aufkeimenden Hasses zu ignorieren. Eigentlich spielte er mir doch perfekt in die Karten. Er lieferte die perfekte Vorlage. Und trotzdem! Nach ein paar Minuten der Stille, in der ich mich und meinen Ärger wieder in den Griff bekam hob ich den Blick und sah Munakata in die Augen. In ihnen spiegelte sich echtes Mitleid. Ich tat ihm doch tatsächlich leid! Das konnte er sich sparen! Das brauchte ich schließlich bald nicht mehr, wenn alles nach mir ging. Ich schloss für einen längeren Moment die Augen und nickte zögerlich. Diesmal war es mein Gegenüber, das seufzte. „Warum hast du dann damals HOMRA verlassen?“ Ich unterdrückte ein Schnauben. Egal, wer es war, alle stellten sie dieselbe dumme Frage. Alle! Und niemanden von ihnen ging es etwas an. Am wenigsten ihn. Der sollte sich einfach freuen, dass ich auf seine Seite gewechselt war, auch wenn ihm zum Freuen nicht mehr viel Zeit bleiben würde. Es widerstrebte mir mit jeder Zelle meines Körpers jetzt ausgerechnet IHM antworten zu müssen. „Weil ich es nichtmehr mit ansehen konnte. Ich konnte nichtmehr mit ansehen wie er mit den anderen glücklich war. Wie er ohne mich Spaß hatte und wie er Mikoto vergötterte.“ Ich spuckte das Wort förmlich aus. „Ich war doch nur noch Luft für ihn. Ich wurde erst wieder interessant, wenn die anderen nicht da waren, oder keine Zeit für seine Kindereien hatten. Dann durfte ich wieder den Lückenbüßer spielen. Ich, für den er doch die Welt war!“ Ich brach ab. Ich hatte zuviel gesagt. Viel zu viel. Die Worte waren gekommen, ohne dass ich ihren Fluss kontrollieren konnte. Sie waren einfach aus mir herausgesprudelt, gierig auf die offenen Ohren meines Königs zu treffen und loszuwerden, was ich schon viel zu lange mit mir herumschleppte. Aber warum ausgerechnet bei ihm? Ich zuckte zusammen. Eine Hand hatte sich auf meine Schulter gelegt. Ich hatte nicht bemerkt wie Munakata aufgestanden war, geschweige denn wie er um den Tisch herumgegangen war. Ich sah nur wie er jetzt vor mir stand, halb auf seinem Schreibtisch sitzend und mich immernoch mitfühlend ansah. Sein Lächeln war verschwunden und er meinte es wirklich ernst, aber das war mir egal. Ich widerstand dem Drang seine Hand wegzuschlagen die noch immer auf meiner Schulter ruhte. Sein Mitleid hatte ich nicht nötig. Aber doch brauchte ich es. Ich brauchte es, um mein Ziel zu erreichen. Ich seufzte. Damit, dass es schwer werden würde, hatte ich gerechnet. Aber damit, dass es mir SO schwer fallen würde… „Ich denke ich versteh dich.“ Ich schwieg. Konnte er mich verstehen? Nie im Leben. Ausgerechnet er! Das war doch lachhaft! „Aber es war dumm von dir zu denken, dass du dadurch die Aufmerksamkeit bekommst, die du suchst.“ Er machte es mir wahnsinnig schwer, nicht auf der Stelle mein Glück zu versuchen und ihn hier und jetzt zu erwürgen. Seine Worte schürten meinen Hass. Es schien ihm nicht gereicht zu haben mit seinen vorherigen Sätzen sein Todesurteil unterzeichnet zu haben. Er stempelte es sogar ab und versah es mit seinem Siegel. Das schlimmste an seinen Worten war jedoch die Tatsache, dass sie auf eine schmerzhafte Art und Weise stimmten. Es war nicht das, was ich wollte. Aber es war mehr als nichts. Und das sollte er mir nicht schlecht machen. Es war das wenige, das mir bisher geblieben war. Erneut seufzte Munakata und beugte sich zu mir herunter, bis wir auf Augenhöhe waren. Dass dadurch sein Gesicht keine 10 Zentimeter mehr von meinem entfernt war, schien ihm nicht einmal aufzufallen. Aber das war typisch für ihn. Vielleicht musste er damit den enormen emotionalen Abstand kompensieren, den er zu allem und jedem hatte. Von Mikoto und dessen Tod mal abgesehen. Ich spürte wie sich seine freie Hand auf meine andere Schulter legte, und er sah mich eindringlich an. „Würdest du aufhören dich nur auf ihn zu fixieren, fändest du bestimmt jemand anderen, mit dem du glücklich werden könntest. Es gibt sicher viele, die dir liebend gerne all das geben würden, das du bei ihm so verzweifelt suchst.“ Es bedurfte einer großen Menge Konzentration, nicht erneut aus der Haut zu fahren. Diese Lebensweisheiten konnte er sich sonst wohin stecken. Ich wollte sie nicht hören. Für mich würde es nie jemanden außer Misaki geben. Ich atmete resigniert aus. Ich hatte keine Zeit für meine Wut. Es war Zeit sich wieder auf mein Ziel und den Weg dorthin zu konzentrieren, denn langsam wurde es ernst. Die Gelegenheit, die sich mir hier bot war vielleicht die erste und letzte und ich wusste, dass ich jetzt gut aufpassen musste, was ich sagte oder tat. Ich ließ meinen Blick etwas nach unten wandern- ich hatte Angst, meine Lügen könnten unter seinem Blick einbrechen – und blieb an seinen Lippen hängen. Sie waren nicht sonderlich spektakulär in meinen Augen. Trotzdem fragte ich mich, wie sie sich auf meinen anfühlen. Ob es mir später sehr schwer fallen würde, eventuelle Küsse dieser Lippen zu erwidern. Schon bei dem Gedanken daran wurde mir seltsam zumute. So sehr wie ich es hoffte, so sehr befürchtete ich es auch. Wahrscheinlich würde ich mich so lange ich konnte, davor drücken. Trotzdem durfte ich jetzt nicht nachlassen. Ich hatte schon seit einiger Zeit kein Wort mehr gesagt. Das war zwar nicht ungewöhnlich für jemanden in meinem ‚Zustand‘, aber langsam könnte es auffällig werden. Ich musste eine Reaktion zeigen. Am Besten eine wirklich mitleiderregende. Ich sah gequält auf. Bemühte mich direkt in diese besorgte Augen zu schauen. „Ich-…“ Ich brach ab. Mein eigentlicher Grund: fehlende Inspiration mir eine überzeugende Masche zurechtzulegen. Der Grund, den mein König hoffentlich darin erkannte: emotionale Überforderung. Ich lehnte mich etwas vor und vergrub das Gesicht in meinen Händen, als wollte ich Tränen und Kummer vor den Augen meines Gegenübers verstecken. Tatsächlich verbarg sich hinter besagten Händen mein wohl siegessichterstes Lächeln seit langem. Für einen Moment herrschte absolute Stille. Mein eben noch so triumphales Lächeln verschwand. Hatte er mein Schauspiel durchschaut? Sicherheitshalber begann ich leicht zu zittern. „Fushimi-kun..?“ Er klang irritiert. Gut so. Irrititerte Menschen ließen sich leichter beeinflussen. Ich zeigte keinerlei Reaktion. Umso verunsicherter von der Situation er war, umso leichter würde er auszunutzen sein. Erneute Stille. „…Saruhiko..?“Fast hätte ich vor Überraschung aufgesehen. So aber ermahnte ich mich, mein Gesicht versteckt zu halten und zuckte lediglich zusammen, gerade so als würde ich unbewusst reagieren. Als wäre ich mit den Gedanken ganz weit weg, verloren in meinem kleinen Nervenzusammenbruch. Mein Name echote in meinem Kopf. Es war wirklich sehr ungewöhnlich ausgerechnet von jemandem wie Munakata beim Vornamen genannt zu werden. Aber meine anfängliche Verblüffung wich Verstehen. Mit meinem Nachnamen war er nicht zu mir vorgedrungen, also versuchte er es mit dem Vornamen. Trotzdem hatte es einen seltsam ungewohnten Klang ihn gerade aus seinem Mund zu hören. Es war mir wirklich unangenehm. Ich hörte wie sich rasche Schritte von mir entfernten. Dann eine Tür. Nicht die schwere Bürotür, auch keine Schranktür. Als das Geräusch eines einrastenden Türschlosses zu hören war, riskierte ich einen kurzen Blick in die Richtung aus der es gekommen war. Ich musste zweimal hinschauen um die unscheinbare Tür zu bemerken durch die mein König vor wenigen Sekunden verschwunden sein musste. Als ich die Bewegung der Klinke sah kehrte ich schnell in meine alte, gekrümmte zitternde Haltung zurück. Jetzt sah ich wieder nichts außer der vage erkennbaren Haut meiner Hände. Ich lauschte, mich hin und wieder leicht schüttelnd. Auf einmal spürte ich etwas Schweres, Weiches auf meinem Rücken. Vermutlich eine Decke. Darüber ein einzelner Arm der sanft meine Schultern umschloss. Ich merkte wie schwer es mir unter dem Gewicht der Decke und seinem sanften Griff fiel, mein Zittern weiter vorzutäuschen und ließ es unter einem erstickten, erbarmungswürdigen Geräusch abklingen. „Es ist okay. Du bist nicht alleine“ , hörte ich Munakatas Stimme etwas zu nah an meinem Ohr für meinen Geschmack. Es war faszinierend, wie er sich um beruhigende Worte und Gesten bemühte. Das alles ging fast schon zu einfach. Dann hörte ich das Geräusch eines PDAs. Vorsichte lugte ich durch meine Finger und beobachtete die Hände, die das Gerät vom Tisch nahmen. Den Blick weiter zu heben wäre zu auffällig, also wartete ich ungeduldig ab. Ich hörte einen genervten Laut, wie ich ihn bis dahin noch nicht von meinem Captain gehört hatte. Kurz darauf spürte ich Hände, die mir aus dem Stuhl in eine stehende aufrechte Haltung verhalfen. Wieder lag ein Arm um meinen Rücken und hielt die Decke fest, während Munakata mich vorsichtig quer durch den Raum in Richtung der Tür führte, die ich erst vor wenigen Minuten das erste Mal bemerkt hatte. Behutsam schob er mich in den dahinter liegenden Raum und half mir, mich auf ein Sofa zu setzen. „Ich werde dich einen Moment allein lassen müssen. Ruh dich aus und versuche bitte, dich zu beruhigen.“ Und mit diesen Worten verschwand er wieder aus dem Zimmer und ließ mich allein hier zurück. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)