Der Wolf in mir von Momokolloi ================================================================================ Kapitel 40: Ich werde auf dich warten ------------------------------------- In den nächsten Tagen, hatte sich Achilles Zustand nicht gerade verbessert. Doch trotzdem ließ es sich der alte Mann nicht nehmen, seinen täglichen Spaziergang zu machen und sich draußen an der frischen Luft zu bewegen. Als eines Morgens Lindsey gerade dabei war Black Baby zu striegeln, kam er leise vor sich hinsummend vorbei. „Guten Morgen.“ sagte Lindsey zu Achilles und Black Baby schnaubte zur Begrüßung. „Wie geht es dir heute?“ fragte sie und der alte Mann verdrehte schon die Augen. Eigentlich mochte er nicht diese Frage, da ihn schon jeder damit nervte. Dabei meinten sie es doch alle nur gut. „Wenn ihr mich das immer wieder fragt, fühle ich mich dem Tod gleich noch näher.“ „Entschuldige.“ erwiderte die Assassine kichernd. „Wir alle machen uns nur Sorgen um dich. Das weißt du doch.“ Achilles erwiderte nichts, sondern sah sich Black Baby genauer an. „Was ist? Stimmt was nicht mit Black Baby?“ Der alte Mann strich nachdenklich, vor sich hin brummend, über den Bauch der schwarzen Stute. „Also wenn ich mich nicht irre, dann würde ich sagen....“ „Ja? Was ist denn mit Black Baby? Ist sie krank?“ Nein das durfte nicht sein. Sie hatte schon Sugar und Cream verloren. Black Baby war eine der Wenigen, die sie je so weit begleitet hat. „Entweder das oder.....“ „Ja?“ „...oder sie ist trächtig.“ „Sie ist was?“ Jetzt war sie völlig verwirrt. Sie war sich sicher, dass sie dieses Wort schon einmal gehört hat, aber weiß nicht was es bedeutet – oder hatte sie es nur vergessen? „Trächtig.“ wiederholte Achilles nochmal. „Sie bekommt ein Fohlen.“ Lindsey glaubte sie höre nicht richtig. IHRE Black Baby soll ein Fohlen bekommen. „Ich fass es nicht. Ohhhh meine Süße wird Mama. Ich freu mich so für dich!“ Freudestrahlend umarmte sie die schwarze Stute und streichelte sie ausgiebig. „Und was glaubst du wann es so weit sein wird?“ „Das ist schwer zu sagen, da ich kein Tierexperte bin. Aber ich weiß das die Tragezeit einer Stute etwa elf Monate beträgt. Von daher würde ich schätzen das es bei ihr in sieben oder sechs Monaten soweit sein wird.“ „Das sind großartige Neuigkeiten. Ich freu mich schon darauf.“ *** Seitdem Ereignis bei Cole und ihrem Abenteuer in der Geisterwelt, hat sich viel in dem Leben der Assassine verändert. Nachts kann sie kaum schlafen, weil Visionen oder derartige Träume sie heim suchen. Meist hatten sie mit Dingen zu tun, die noch gar nicht geschehen sind oder aber sie zeigten Vergangenes, nur aus einem anderen Blickwinkel. Lindsey fragte sich wie das alles sein konnte, da sie das Artefakt in den letzten Wochen überhaupt nicht berührt hatte. Die einzig logische Erklärung die sie dafür hatte war, dass es etwas mit ihrem Erlebnis in der Geisterwelt in Verbindung stand. Anscheinend hatte ihr Ausflug doch Nachwirkungen. Und auch in dieser Nacht wurde das Mädchen von schlechten Träumen und Visionen heimgesucht. Alle schlechten Träume oder Visionen – wenn es denn welche sein sollten – fingen immer auf die gleiche Weise an. Zuerst war alles ganz schwarz und Lindsey lief und lief durch die endlose Kälte. Sie hatte fast nie etwas an, nur ihr Nachthemd. Ihre nackten Füße hallten auf dem Fliesenboden wider und waren bislang das einzige Geräusch das sie begleitete. Dann, wie aus dem Nichts, tauchte ein weißes Licht am Horizont auf und die Assassine hielt darauf zu – jedes Mal. Es schien ihr immer wie ein Ausweg, ein Hoffnungsschimmer, das sie endlich dieser endlos schwarzen Welt entfliehen könnte. Aber diesmal war alles anders. Egal wie lange sie auch lief, sie näherte sich dem Licht überhaupt nicht. In ihren anderen Träumen erreichte sie es immer, doch warum diesmal nicht? Vor Erschöpfung konnte die Assassine kaum noch gehen, aber aus irgendeinem Grund gehorchten ihre Füße ihr nicht. Sie spürte wie angeschwollen sie von dem ganzen Laufen waren und einige Zeit später merkte sie, wie sich etwas klebriges an ihren Fußsohlen bildete. Ihre Füße fingen vor lauter Laufen an zu bluten. „Wie weit willst du noch laufen?“ fragte eine unbekannte Stimme sie. „Hör auf, deine Füße bluten schon!“ Sie klang bittend, ja fast schon flehend. Auf alle Fälle gehörte sie einer Frau. „Wer bist du?“ rief das Mädchen in die Dunkelheit hinein. „Erinnerst du dich nicht mehr an mich?“ fragte die Unbekannte erneut. „Sicher nicht. Du warst noch ganz klein als wir uns getrennt haben.“ „Mama?“ „Ja. Ja, Liebes ich bin's.“ Kleine Tränen liefen ihr die Wange hinunter, doch nicht vor Trauer, sondern vor Freude. Nach so langer Zeit konnte sie endlich die Stimme ihrer Mutter hören. Sehen konnte sie sie zwar nicht, aber allein ihre Worte zu vernehmen war ein Trost. „Was machst du hier? Ich meine, das ist doch ein Traum oder nicht?“ „Es ist viel mehr als das. Aber ich bin aus einem ganz besonderen Grund hier.“ „Und der wäre?“ „Um dich zu warnen. Du musst aufhören eine Assassine zu sein. Du darfst nicht mehr die Artefakte suchen, es bringt dich in große Gefahr.“ Das Mädchen glaubte sich verhört zu haben. „Was?! Nein, ich werde nicht aufhören! Ich habe es Großvater versprochen.“ „Ich weiß, aber bitte tu mir den Gefallen und höre auf das was ich dir sage.“ flehte ihre Mutter. „Fang ein neues Leben an und höre auf eine Assassine zu sein, sonst ist dein Leben in Gefahr.“ „Ich war schon oft in Gefahr und wäre mehr als nur einmal gestorben, aber ich lebe noch. Und deshalb werde ich auch nicht aufhören.“ erwiderte das Mädchen trotzig. „Ich bin so kurz vor dem Ziel. Mir fehlt nur noch das Artefakt von meinem Vater und dann-“ „Du darfst niemals versuchen es zu bekommen, hörst du!“ fiel die Stimme ihr ins Wort. „Es würde dich nur umbringen, du weißt nicht, zu was dein Vater fähig ist.“ „Doch das weiß ich.“ sagte Lindsey leise. „Ich habe es gesehen. Er kann mit dem Artefakt Menschen kontrollieren und ihnen sagen was sie tun sollen. Aber ich habe keine Angst vor ihm. Ich werde ihn finden und töten. Und dann, werden wir wieder zusammen sein.“ „Nein, das können wir nicht! Du darfst niemals in die Nähe deines Vaters oder meiner kommen. Du würdest sterben, egal was du tust. Und deine Freunde würdest du auch in große Gefahr bringen. Versprich mir, das du dich von deinem Vater fern hältst und von den Artefakten. Sie werden dein Leben nur zerstören.“ „Aber wieso soll ich mich auch von dir fern halten? Ich verstehe das nicht.“ „Weil ich........ich damals diejenige war, die deinen Großvater getötet hat.“ Diese Aussage traf Lindsey wie ein Schlag und sie wagte es nicht zu atmen. Das Blut rauschte in ihren Ohren und sie versuchte einen klaren Gedanken zu fassen, was ihr aber nicht gelang. In ihrem Kopf war alles durcheinander. Was? Nein! Nein, das....das kann nicht sein. Das ist nicht wahr! Ihre heile Welt zerbrach in tausend Einzelstücke und sie wusste nicht mehr was sie denken sollte. Ihre Mutter, war verantwortlich für den Tod ihres Großvaters? IHRE Mutter. Wäre es jemand anderer gewesen, hätte sie es noch verkraften können. Hätte vermutlich großen Hass und Wut auf denjenigen empfunden. Doch jetzt,......jetzt spürte sie einfach nichts. Leer. Sie fühlte sich so leer. Als ob ihr jemand ein Messer ins Herz gerammt und langsam das herausgeschnitten hätte, woran sie noch festhielt in der langen Zeit. Etwas das sie antrieb und ihr Lichtblick in den dunklen Zeiten war. Doch jetzt war da nichts mehr. Ein großes Loch klaffte in dem Bereich und es gab anscheinend nichts mehr, mit was es sich fühlen lassen ließ. Was sollte sie bloß tun? Sie hatte ihr Ziel verloren. „Lin wach auf!“ „Nein das ist nicht wahr!“ Erschrocken richtete sich das Mädchen mit den verheulten Augen im Bett auf. Ihr Atem ging kurz und stoßweise, so als ob sie gerade eben eine weite Strecke gelaufen wäre. Schweiß rann von ihrer Stirn und ihr Blick war starr auf einen Punkt gerichtet. Die Hände hatte sie verkrampft in ihr Laken vergraben und jeder einzelne Muskel war angespannt. Nach einer weile schaute sie sich ein wenig desorientiert im Raum um, bis ihr klar wurde, das sie in ihrem Zimmer war und geträumt hatte. Oder war es mehr als ein Traum? Erst jetzt fielen ihr die starken Hände auf, die ihre Schulter festhielten und vor wenigen Momenten noch daran gerüttelt haben, um sie wach zu bekommen. Es war Connor. „Hey, ist alles in Ordnung mit dir?“ fragte der Assassine sie und ließ sie langsam los. „Was? Ach du bist's Connor. Äh,..ja, ja mir geht’s gut ich hab nur schlecht geträumt und- Warte mal.“ sie fasste sich an den Kopf und rieb sich die Augen. „Was machst du denn hier?“ fragte sie überrascht. „Ich bin gerade eben erst wieder gekommen.“ „Und wieso bist du in meinem Zimmer? Du hättest mir doch auch erst morgen Bescheid sagen können, dass du wieder da bist.“ „Du hast im Schlaf geweint und laut geredet. Das hat man durch die Tür hindurch gehört und da es kein guter Traum zu sein schien, habe ich dich geweckt.“ erklärte er. „So, man hat es durch die Tür gehört?“ fragte Lindsey und lachte verlegen. Das war ihr jetzt echt peinlich. Langsam stand sie auf und machte ein Fenster auf. Ist aber auch ganz schön stickig hier drin. „Es tut mir leid, wenn du jetzt nicht mehr schlafen kannst. Vielleicht hätte ich dich nicht wecken sollen.“ entschuldigte sich Connor. „Nein, nein ist schon gut.“ meinte Lindsey und atmete die frische Nachtluft tief ein. „Ich bin froh das du mich geweckt hast. Wenn nicht, dann wäre ich von alleine aufgewacht und das würde zum selben Resultat führen.“ Aber diesmal war es schlimmer. Nach diesem Traum würde die Assassine erst nach Tagen wieder ruhig schlafen können. War das alles echt oder nicht? Oh, sie würde sich noch den Kopf darüber zerbrechen und mit schlafen wäre jetzt eh nichts mehr. „Hey, alles okay bei dir?“ Lindsey zuckte zusammen als Connor plötzlich neben ihr stand. „Du bist so abwesend. Ist irgendwas?“ „Was? Nein.....also ich.........nein, nein es ist nichts. Ich hab nur über etwas nachgedacht.“ Sie lächelte ihn an, um ihn zu versichern das alles in Ordnung war. Doch der Ältere ließ nicht locker. „Sicher? Du siehst so müde aus. Vielleicht solltest du dich hinlegen.“ schlug er vor, doch die Assassine lehnte Kopfschüttelnd ab. „Nein das würde nichts bringen.“ meinte sie mit einem Seufzer. „Ich wollte es dir eigentlich nicht sagen, aber ich kann schon seit einigen Tagen nicht mehr ruhig schlafen. Immer wieder habe ich Alpträume oder schlimme Visionen. Und aus irgendeinem Grund glaube ich, dass das alles mit dem Artefakt zusammenhängt. Obwohl ich mir nicht erklären kann wie das sein kann, da ich das Artefakt nicht in den letzten Tagen verwendet habe. Aber vielleicht-“ Lindsey fasste sich an den Kopf und fuhr sich durchs kurze Haar. „Oh man, ich bin zu müde für so was.“ seufzte sie und lehnte sich gegen die Wand. „Hier trink das.“ Connor schob der Jüngeren eine Tasse mit einem merkwürdig, grünlich aussehenden Inhalt, auf den Tisch zu ihr hinüber. Beide waren nach unten gegangen und hatten sich in die Küche gesetzt. Der Assassine hatte gemeint etwas gegen ihre Schlaflosigkeit zu haben. „Was ist das?“ Lindsey betrachtete das Gebräu misstrauisch. „Ein Tee der einem zum Schlafen bringt. Meine Mutter hatte ihn mir früher gemacht, wenn ich nicht schlafen konnte.“ „Aha.“ Immer noch ein wenig misstrauisch, das dieses Gebräu ihr helfen könnte, nahm Lindsey die Tasse in die Hand und nahm einen Schluck daraus. „Bähhh, das ist ja total bitter.“ Das Mädchen schüttelte sich und verzog das Gesicht, um nur so schnell wie möglich den bitteren Geschmack von der Zunge zu bekommen. Ihr Gegenüber schmunzelte in sich hinein, woraufhin Lindsey rot im Gesicht wurde. Er wusste anscheinend nur zu gut, wie eklig der Geschmack war. Einen Moment lang rang das Mädchen mit sich, ob sie Connor sagen sollte, was sie erfahren hatte. Doch sie war sich unschlüssig. „Kann ich dich mal was fragen?“ „Hm?“ „Was würdest du tun, wenn du erfahren würdest, dass die Person, die du retten willst......dir erzählt, das du dich von ihr fern halten sollst.“ Der Assassine blickte sie verwirrt an. Er verstand offensichtlich nicht worauf Lindsey hinaus wollte. „Ich verstehe nicht ganz.“ Das war ja klar. Sie nahm einen Schluck aus der Tasse und verfluchte sich selbst das sie für einen Moment vergessen hatte, wie bitter eigentlich das Zeug war. „Meine Mutter war in meinem Traum gewesen. Ich weiß nicht wieso, aber irgendwie glaube ich, dass sie irgendetwas mit dem Artefakt zu tun hat. Nur weiß ich nicht wie und in welchem Zusammenhang. Sie bat mich, dass ich aufgeben soll eine Assassine zu sein, der Bruderschaft den Rücken zukehren und nicht nach den Artefakten weiter suche. Ich würde bei dem Versuch gegen meinen Vater anzukommen sterben, so wie mein Großvater.“ „Also war es wirklich dein Vater der deinen Großvater umgebracht hat?“ Krampfhaft umschloss Lindsey die Tasse in ihren Händen und versuchte die Worte auszusprechen, die sie so sehr bedrückten. „Nicht wirklich.“ sagte sie kaum hörbar. „Ich bin mir zwar sicher das mein Vater etwas damit zu tun hat, aber er war nicht derjenige, der meinen Großvater ins Jenseits geschickt hat.“ Das Mädchen schluckte nochmal und merkte wie sich ein Kloß in ihrem Hals bildete. „Es war.....meine Mutter.“ Eine Weile herrschte Stille und Lindsey wartete gespannt auf Connors Reaktion. Doch für einige Zeit war nichts zu hören. „Ich verstehe.“ sagte er dann und der erstaunte Blick des Mädchen lag auf ihm. „Du weißt jetzt nicht was du tun sollst, nachdem du so etwas erfahren hast. Und da es jemand ist, von dem du das eigentlich nicht erwartet hast, bist du nun vollkommen durcheinander und unschlüssig in deiner Entscheidung.“ Mit großen Augen schaute Lindsey den Assassinen an und fragte sich woher er das alles wusste. Stumm nickte sie und bestätigte seine Schlussfolgerung. „Ich habe keine Ahnung was ich tun soll.“ sprudelte es plötzlich verzweifelt aus ihr heraus. „Aber ich kann es nicht so richtig glauben, dass meine Mutter andere verletzen würde. Mein Großvater hatte mir immer erzählt, dass sie sehr gutmütig und nett zu jedem war. Sie hatte noch nie einem Menschen etwas zu leide getan. Ich will sie zwar wieder haben, aber wie soll ich ihr nach so etwas je wieder in die Augen blicken können.“ Eine Träne rollte ihr übers Gesicht. Wie sollte sie das alles nur verarbeiten? Ihr ganzes Bild von ihrer Mutter war zerstört. Sie wusste nicht einmal ob sie sie überhaupt noch retten wollte. Der einzige Trost den sie hatte, war das es da jemanden gab, der sie wenigsten verstand. Ihr Gegenüber saß still da und hörte sich alles an was sie zu sagen hatte. Er sagte ihr nicht was sie tun sollte und das musste er auch nicht. Es reichte schon aus, wenn er ihr nur zuhörte. „Danke.“ flüsterte sie. „Für was?“ „Das du mir zuhörst und immer da bist wenn ich dich brauche.“ Sie blickte ihn an und war dankbar für die Dunkelheit, die ihre geröteten Wangen versteckten. „Ich hab dich vermisst.“ Irgendwann war Lindsey am Tisch eingeschlafen. Wann und wie weiß sie nicht mehr. Doch als sie am nächsten morgen in ihrem Bett aufwachte, konnte sie sich schon denken wer es gewesen war. Gähnend machte sie sich auf den Weg nach unten und war bereit für diesen Tag. Denn überraschender Weise, hatte sie diese Nacht ziemlich gut geschlafen und keine schlimmen Träume oder Visionen gehabt. „Morgen.“ begrüßte sie den Assassinen der in der Küche ein paar Sachen zusammen packte. „Was machst du da?“ „Ich treffe Vorbereitungen für die Abreise.“ „Abreise? Du willst schon wieder gehen? Aber du bist doch gerade erst angekommen.“ „Ich weiß. Aber ich habe einen Hinweis auf Charles Lees Aufenthaltsort bekommen.“ Er weiß zum Glück welches Ziel er verfolgt und lässt sich nicht davon abbringen. „Ich verstehe.“ Es dämmerte bereits und die Sonne tauchte den Himmel in ein buntes Farbenspiel, wie das nur selten passierte. Die Mannschaft der Aquila war damit beschäftigt die Verpflegung und andere Sachen an Bord zu bringen, die sie für die Schlacht gebrauchen könnten. Robert Faulkner überwachte wie immer alles und achtete darauf, das alles seinen gewohnten Gang lief, schreite hier und da herum und mahnte die Männer nicht zu trödeln. Connor stand bei ihm und sie sprachen miteinander. Anscheinend überprüften sie nochmal die Route, die sie nehmen wollten. Lindsey schaute dem Treiben von sicherem Abstand aus – auf einer Kiste sitzend – zu. Sie durfte nicht mitkommen und wenn sie ehrlich war, wollte es die eine Hälfte in ihr auch nicht. Doch die andere Hälfte wollte auf ihren Freund aufpassen, der meist dazu neigt sich in Schwierigkeiten zu bringen. Sie spielte auch teilweise mit dem Gedanken sich aufs Schiff zu schleichen und zu verstecken. Doch ließ sie diesen immer wieder fallen – man würde sie eh entdecken. Viel zu schnell verging die Zeit, in der die Männer die Aquila fertig beladen hatten. Faulkner packte die Karte zusammen, sagte Connor etwas und zeigte dabei in Lindseys Richtung und begab sich schon mal auf das Schiff. Der Assassine ging zu dem Mädchen hinüber und sie sprang von der Kiste. Beide standen sie sich gegenüber und wussten nicht was sie sagen sollten. Connor trug seine Kapuze nicht. Warum auch? In Davenport war das auch nicht nötig, da hier keine Rotröcke ihr Unwesen trieben, vor denen man sich verstecken musste. Und ihr war es lieber, wenn sie sein Gesicht sah, während sie mit ihm sprach. „Wir legen jetzt gleich ab.“ sagte er und spielte dabei mit seinen Händen. Das tat er immer wenn er nervös war. Man konnte ihm die Unsicherheit ansehen. Auch jetzt schien er unsicher zu sein, doch wusste Lindsey nicht so richtig wieso. „Ich weiß.“ sagte sie. „Wie lange wirst du weg sein?“ Jedes mal fragte sie dieselbe Frage, wenn er fort ging. „Ein paar Wochen schätze ich. Vielleicht einen Monat.“ Einen Monat. Ein Monat war eine lange Zeit, wenn man auf jemanden wartet. „Wirst du gut auf Achilles Acht geben?“ Sie nickte. Er wollte sich gerade verabschieden, doch sie kam ihm zuvor. „Ich hab noch was für dich.“ Sie zog ein Stück Stoff hervor. Zögernd nahm sie seine Hand und band das rote Stück Stoff um seinen Arm. Dabei achtete sie darauf das es sich nicht in den Mechanismus in der Versteckten Klinge verfangen konnte, wenn man sie ausfuhr. Es war ein besonderer Stoff. Sie hatte ein Stück von ihrem Umhang abgeschnitten, den ihr ihre Mutter gab. Normalerweise achtete sie besonders darauf das er nicht großartig beschädigt wurde, doch es war etwas besonderes für einen besonderen Freund. „Es soll dich beschützen und dich daran erinnern, dass ich immer da sein werde.“ Sie legte ihre flache Hand auf die Stelle wo ihr Herz schlug. Connor lächelte sie an und Lindsey wurde daraufhin leicht rot. Zum einen war es ihr total peinlich, zum anderen fand sie es wichtig das er es wusste. Sie wollte noch etwas sagen, doch da rief Faulkner schon nach Connor. „Kommst du Bursche? Wir müssen Ablegen!“ Der Assassine gab ihm ein Zeichen, das er verstanden hatte und wandte sich dem Mädchen zu. „Wir müssen los. Also, wir sehen uns spätestens in einem Monat.“ Er verwuschelte ihr das kurzes Haar. Das hatte er schon lange nicht mehr getan, aber sie war ja auch kein kleines Mädchen mehr. Sie war 24. Und trotzdem herrschte größtenteils in ihr drinnen immer noch das kleine rebellische Mädchen von damals. Das Mädchen das sie so oft versucht hatte wegzusperren. Doch es war ein Teil von ihr. Der Assassine wand sich zum gehen und das kleine Mädchen in Lindsey begann zu weinen. Sie wollte nicht das er ging. Jedes Mal hasste sie es wenn er sie alleine ließ und ihr nicht versprechen konnte ob er zurückkommen würde. Sie wollte ihn nicht verlieren. Ein Leben ohne ihn konnte sie sich inzwischen nicht mehr vorstellen. Viel zu viele Menschen hatte sie schon verloren, aber ihn wollte sie unter keinen Umständen verlieren. Und sie ließ dieses Gefühl, das schon lange in ihr darauf gewartet hatte von den Ketten der Vernunft gelassen zu werden, endlich frei. Und auf einmal fingen ihre Beine von alleine an zu laufen. Sie liefen dem Assassinen hinterher und als sie den Steg betrat und er auf der Hälfte angekommen war, rief sie nach ihm. „Connor?“ Es war mehr ein flehentliches Fragen. Fast schon eine bitten. Er drehte sich zu ihr um und sie sprang ihm fast entgegen. Das nächste was Lindsey spürte, war eine Explosion ihrer Gefühle. Sie spürte die langsam aufsteigende Wärme in ihren Körper. Ein Kribbeln im Bauch. Die warmen Lippen des Assassinen auf ihren. Und in dem Moment wusste sie es. Sie liebte ihn. Für das Mädchen schienen Minuten vergangen zu sein, als sie sich endlich von ihrem Gegenüber löste. Ihr Herz raste und ihre Wangen waren so sehr gerötet, als ob sie etwas scharfes gegessen hätte. Doch ihr war alles in diesem Moment egal. Ihr war egal was Faulkner später dazu sagen würde oder die Mannschaft der Aquila. Ob sie sie damit aufziehen würden oder was auch immer. „Komm ja wieder zurück.“ sagte sie zu ihm, den Kopf dabei gesenkt. Ihre Stimme zitterte leicht und sie war kurz davor zu weinen. Ein Teil von ihr fand es peinlich ihre Gefühle so offen gezeigt zu haben, doch der überwiegende Teil in ihr sagte ihr das es richtig gewesen war. Connor ließ auf seine Antwort warten. Doch wahrscheinlich lag das auch nur daran, dass er so etwas nicht erwartet hatte. Stattdessen umarmte er Lindsey und drückte sie fest an sich. Denn was sollte eine Mann – der vorher noch nie geküsst wurde – zu einem Mädchen sagen, dessen Gefühle dermaßen aufgewühlt sind, das sie nicht einmal richtig wusste was sie tat. „Das werde ich.“ flüsterte er und befreite sie langsam wieder aus der Umarmung. Immer noch gerötet und den Kopf leicht gesenkt, starrte das Mädchen auf den Boden. Ihr Kopf fühlte sich so leer an und sie wusste nicht was sie sagen sollte. Sie hörte das heftige Klopfen ihres Herzens in ihrem Kopf widerhalle. Eine Hand berührte ihr Kinn und zog es leicht nach oben. Sie blickte in zwei gelb-braunen Augen. Connor strich ihr eine Strähne aus dem Gesicht und stahl seine Hand an ihre Wange, wo er eine Träne fort wischte. Seine Augen suchten die ihren und wollten ihr nur mit einem Blick vergewissern, dass er zurückkommen würde. Er umarmte sie noch einmal und dann trennten sich ihre Wege. Sie blickte dem Schiff nach und ihre Gedanken waren schon bei jenem Tag, an dem er wieder zurückkommen würde. „Ich werde auf dich warten.“ flüsterte sie in den Wind und hoffte das er ihm diese Botschaft überbringen würde. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)