The Legend of Zelda: Ocarina of Time von Wolkenwolf (Navis Geschichte) ================================================================================ Prolog: Der Tänzer im Schatten ------------------------------ Blaues Licht flutete das Dunkel, als ich erwachte. Von irgendwoher rauschte Wasser und vermischte sich mit einem ätherischen Gesang, der von überall her zu kommen und gleichzeitig nur in meinem Kopf zu existieren schien. Ich blinzelte und das Licht wurde heller. Dieser Ort – so fremd, so vertraut... Mein Zuhause. Als ich mich umwandte, erkannte ich eine Frau, die nur ein paar Meter entfernt über einem Becken mit kristallklarem Wasser schwebte. Ihre Augen waren geschlossen, das purpurne Haar fiel ihr in drei langen, dichten Zöpfen bis über die Taille. Sie sah aus, als würde sie schlafen. Einige meiner Schwestern von roter Farbe schwebten um sie herum, ließen sich in ihrem Schoß nieder oder streiften wie schwerelos durch das Wasser im Becken unter ihr. Obwohl gerade erst erwacht, wusste ich instinktiv, dass diese wunderschöne Frau meine Mutter war. Efeu bedeckte ihren Körper und sie schien seltsam durchsichtig, als wäre sie nur ein Trugbild. „Navi? Mein Kleines, bist du endlich aufgewacht?“ Ihre Stimme erklang hoch und hell in meinem Kopf, als ich mich ihr näherte. Wie auch ihr Selbst schienen ihre Worte aus weiter Ferne in mir widerzuhallen. „Navi, es wird Zeit, dass du dich auf den Weg machst. Die Kinder des Waldes erwarten dich bereits. Der Dekubaum hat eine besondere Aufgabe für dich...“ Der Dekubaum? Als ob meine Mutter diesen Gedanken vernommen hätte, sandte sie mir das Bild eines alten, stattlichen Baumes hinter meine Stirn. Seine Krone ähnelte einem gewaltigen Dach aus Blättern über der Lichtung, auf der er wuchs. Seine Züge wirkten ehrwürdig und ein magisches, grünes Licht ging von ihm aus. „Seit je her ist es Brauch, dass die blauen Feen den Kindern des Waldes als Mentoren und Berater zur Seite stehen. Dies wird auch deine Aufgabe sein, kleine Navi. Du bist etwas ganz Besonderes. Mach dich auf den Weg zum Dekubaum, beschütze seinen Wald und beschütze seine Kinder... Möge Farore über dich wachen...“ Die Stimme meiner Mutter wurde schwächer. Gleichzeitig nahm die Zahl der roten Feen um sie herum zu und als das verschwommene Bild ihrer Selbst sich gänzlich aufzulösen begann, sprudelten mit einem Mal zahlreiche Schwestern aus der Quelle empor. Sie tanzten umher und summten und wisperten. Ihr Lied und ihre Wärme trugen den Kummer über Mutters Verschwinden fort und bald hatte ich sie fast vergessen. Mir blieb nur die Gewissheit über die große Aufgabe, die mir als eine der seltenen blauen Feen gegeben worden war. Auf der anderen Seite des Feenbrunnens fand ich einen Gang und an dessen Ende ein grosses Loch in der Decke. Mondlicht fiel verhalten in unser unterirdisches Refugium hinab – jedoch verblasste es gegen das türkisfarbene Leuchten des Brunnens hinter mir. Ich folgte ihm hinauf, immer höher und höher und ein Wald erwartete mich an seinem Ende. Kühle Nachtluft schlug mir entgegen, als ich mich aus dem Gras kämpfte, das den Eingang zu unserem Brunnen verbarg. Staunend blickte ich auf. Die Wipfel der Bäume verbargen den grössten Teil des Himmels und wenn die Wolken den Mond verbargen, schien der ganze Wald in Dunkelheit getaucht. Kleinere Lichter schwebten durch die Luft, bildeten Schwärme und tanzten. Vorsichtig stieg ich auf, denn ich vermutete weitere Feen, welche den Brunnen verlassen hatten, um sich auf den Weg zum Dekubaum zu machen. Als ich jedoch näher kam, stellten sie sich als fliegende Käfer heraus, die gelernt hatten, das jeweils andere Geschlecht mit ihren Leuchtsignalen anzulocken. Von irgendwo her drang Musik an meine Ohren. Sie glich so überhaupt nicht dem Singsang meiner Schwestern – und wirkte doch nicht bedrohlich. Ich folgte ihr nach, wandte mich noch ein letztes Mal um – „Lebt wohl, Schwestern...“ – und verliess diesen Teil des Waldes. Durch ein schier endloses Labyrinth aus Büschen, Hecken und Bäumen lotste mich das lustige Spiel, bis ich plötzlich Mauern erkannte und sich die verlorenen Wälder – ein Name, der wie das Bild des Dekubaumes und alles andere hinter meiner Stirn erschienen war – zu einer Lichtung hin öffneten. Auf der anderen Seite erhob sich das Eingangsportal eines riesigen, alten Palastes. Moos und Efeu überwucherten den festen Stein und vereinzelt wuchsen kleine Bäume aus der Festung empor, die einst wohl Hylianern gehört hatte. In der Mitte der Lichtung – der Heiligen Lichtung, dachte ich ehrfürchtig – befand sich eine Art Podest aus Stein mit einem Symbol darauf. Ich erkannte es zu meiner Verwunderung sofort und wusste, dass dieser Ort der Eingang zum Waldtempel sein musste. Das Heiligtum der Kokiri, der Kinder des Waldes. In all der Faszination für die Dinge um mich herum, hatte ich überhaupt nicht bemerkt, dass die Musik verklungen war. Ein ungutes Gefühl bemächtigte sich meiner – nur wenige Stunden nach meinem Erwachen wusste ich bereits, was Angst ist. Ein unheimliches Kichern ließ mich herumfahren. Dort, im Halbdunkel des Waldes, saß eine Gestalt auf einem abgeholzten Baumstumpf und schaute zu mir herüber. Sie hielt einen länglichen Gegenstand in der Hand – ich hoffte, dass es die Flöte war, die ich kurz zuvor vernommen hatte. Das Geschöpf kicherte erneut und als einer der zahlreichen Leuchtkäfer vorüber flatterte, gelang es mir, etwas zu erkennen. Das Wesen trug Lumpen aus Rinde und Blättern am Leib, ein zerfetzter Hut zierte seinen rundlichen Kopf. Doch heute weiss ich, dass meine Angst von dem herrührte, was sich unter diesem Hut befand. Als hätte die Nacht selbst ihm eine Form gegeben, lag das Gesicht der Kreatur in finstersten Schatten und seine Augen stachen als rundliche, glühende Kohlen aus dieser Dunkelheit hervor. „Eine Fee so ganz allein in diesen Tiefen unseres Waldes? Hast du dich etwa verlaufen, kleine Fee?“ Das Ding gackerte und sprang jetzt von seinem Baumstumpf herunter. Seinen Bewegungen nach, ungelenk und tänzelnd, erinnerte es an eine zerschlissene Marionette. „Bist du...?“ klimperte ich zaghaft. Nein, dies konnte ganz gewiss kein Kokiri sein. Zwar hatte ich vorher noch nie einen gesehen, doch ich wusste, dass die Kinder des Waldes auch die Schützlinge des Dekubaumes waren. Der altehrwürdige Baum, von dem meine Mutter gesprochen hatte – sicher würde er seinen Bereich des Waldes von diesen Finsterlingen fernhalten. „Ich bin der Tänzer, verborgen im Schatten!“, rief das Lumpenkind feixend und sprang dabei mal auf das eine, mal auf das andere Bein und hob seine Flöte, ohne sie anzusetzen. „Der Wind reisst mich fort wie verwelkendes Laub. Ich bin der Herr über Würmer und Ratten! Ich dreh mich und tanze die Füsse mir taub.“ Ein einzelner, misslungener Ton quälte sich aus seiner Flöte, doch das Wesen warf den Kopf in den Nacken und meckerte sein unheimliches Lachen in die Nacht hinein. „Komm, kleine Fee, tanz mit mir! Mach’s wie die Glühwürmchen und schüttele dich, rüttele dich – bis zum Morgengrauen-grauen-grauen...“ Ich konnte nur zusehen, konnte nur beobachten, wie das schreckliche Kind aus den Wäldern immer näher kam und vereinzelt Töne auf seiner Flöte spielte. Sein unheimliches Lachen jagte mir Schauer über den Rücken, doch aus irgendeinem Grund konnte ich mich nicht rühren. Wie erstarrt stand ich in der Luft, schlug mit den Flügeln und bewegte mich doch keinen Millimeter vom Fleck. Als die Kreatur näher kam, glaubte ich in all der Finsternis seines Gesichts Zähne zu erblicken. Seine Augen schienen mich zu hypnotisieren, schlugen mich in ihren Bann und ich konnte nichts dagegen tun. Dann ertönte ein Rufen von jenseits der Tempelmauern. Er hatte einen Klang, ähnlich wie das Gackern des Lumpenkindes und klang doch tiefer, älter. Noch immer rührte ich mich nicht, doch auch das Ding mir gegenüber war plötzlich wie angewurzelt stehengeblieben. Langsam, ganz langsam wandte es sich von mir ab, ließ die hölzerne Flöte sinken. Als die Macht seiner glühenden Augen von mir abfiel, fühlte ich mich augenblicklich besser. Der Ruf erschallte noch einmal, diesmal näher. Dann, wie auf ein Kommando, erstarb das Leuchten der Glühwürmchen auf der Lichtung und um die seltsame Steinplatte herum erschienen vier farbenfrohe Flämmchen. Die erste war orange und schön wie die aufgehende Sonne, die zweite war blau und kalt. Die nächste wirkte grün und giftig und die letzte schließlich war purpurn und überaus magisch. Sie kreisten um die Steinplatte herum, ohne sich allzuweit davon zu entfernen und voller Überraschung sah ich, wie der Schattentänzer vor ihnen zurückwich. „Ich... wollte ihr nichts tun! Nur ein wenig Gesellschaft! Das arme Horrorkid ist einsam und allein; Das brave Horrorkid will nicht mehr einsam sein...“ Ungerührt setzten die Flammen ihren Tanz fort. Das Horrorkid taumelte ein paar Schritte rückwärts und ließ, scheinbar vor Angst, seine Flöte fallen. „Gute Irrlichtschwestern, schöne Irrlichtschwestern! Die Fee ist wohlauf und ich bin davon. Kümmert euch nicht, kümmert euch nicht!“ Ich sah ihm nach, wie sich das Finsterkind über die verwitterte Steintreppe in Richtung der Verlorenen Wälder davonmachte. Sein Instrument lag, endgültig vergessen und für immer verstummt, im Gras. Vielleicht würde es später hierher zurückkehren und sie holen kommen, dachte ich, doch im Augenblick gab es andere Dinge, um die ich mich sorgen musste. Nun war ich wieder allein – allein mit diesen wirbelnden Feuern! Zwar hatten sie für den Moment mein Leben gerettet und das Horrorkid verscheucht, doch das Lachen, welches mit ihnen aus dem Inneren des Tempels gekommen war, bereitete mir neue Angst. Als ich mich umwandte, waren das orangefarbene, das blaue, das grüne und das purpurne Licht verschwunden. Statt ihrer schwebten jetzt, dort über der Steinplatte, vier geisterhafte Gestalten und starrten – feindselig? misstrauisch? – zu mir herüber. Irrlichtschwestern, hallte das Wort des Horrorkid in meinen Gedanken nach. Eine jede von ihnen trug eine Fackel in der Hand, an deren Farbe man sie unterscheiden konnte. Ihre Gestalten waren ebenso finster wie die des Schattentänzers, ihre Mienen ausdruckslos und unergründlich. Die purpurne Schwester trug einen hübschen Kopfschmuck mit roten Edelsteinen besetzt, während ich den der roten heute mit einem Besen vergleichen würde. Die Augen der grünen Schwester hingegen – ähnlich wie die des Horrorkid bloße Glühwürmchen in tiefster Dunkelheit – wirkten gütig und freundlich. Sie starrten mich nur an und sagten nichts, bewegten sich nicht, taten nichts. Dann wehte erneut dieses unheimliche Kichern zu mir herüber und mit einem jähen Blitzschlag waren die Geister verschwunden. „Hallo? Hey, bist du in Ordnung?“ Erschrocken fuhr ich herum und blickte in die tiefblauen Augen eines Mädchens. Ihre Ohren liefen an den Enden spitz zu und ihr Haar wie grün, grün wie die Blätter der Bäume. „Wer... wer bist du?“, klingelte ich ängstlich und wich vorsichtshalber ein paar Flügelschläge zurück. Nach allem, was in den wenigen Stunden fernab unseres Feenbrunnens geschehen war, blieb ich vorsichtig. „Ich bin Salia. Und du bist eine Fee.“ Es war keine Frage. „Was machst du hier draussen, so tief in den Wäldern? Hast du dich verlaufen? Wo ist dein Kokiri?“ Erleichtert atmete ich auf. Dieses Mädchen entsprach ganz der Vorstellung, die ich mir von einem Kind des Waldes gemacht hatte. In kurzen Sätzen schilderte ich ihr meine Situation und zu meiner grossen Freude erklärte sie sich bereit, mir den Weg zum Dekubaum zu weisen. Noch glücklicher war ich, als ich erkannte, dass sie mit einer meiner Schwestern unterwegs war. Wir begrüssten uns summend und ich erklärte auch ihr, was mir widerfahren war. „Jetzt bist du in Sicherheit“, versicherte sie mir. „Salia und ich bringen dich sicher in den Kokiriwald. Von dort ist es nicht mehr weit bis zum ehrwürdigen Dekubaum.“ Beide hielten ihr Wort und führten mich durch aus dem dichten Labyrinth des Verlorenen Waldes hinaus. Als wir den Ort erreichten, in dem die Kokiris lebten, staunte ich nicht schlecht. Dieser Teil des Waldes war viel freundlicher und heller als alle anderen zuvor. Der Himmel öffnete sich über einem verwinkelten Talkessel, in dem mehrere Baumhäuser standen. Ein kleiner Wasserfall ergoss sich in einen nahegelegenen Bach; es gab hölzerne Hängebrücken, einen wahrhaft gigantischen Garten – sogar einen kleinen Laden, in dem man Früchte und Nüsse aus dem Wald sowie Werkzeuge und Waffen aus Holz kaufen konnte. Salia führte mich herum und zeigte mir alles, hielt mich jedoch von einem Irrgarten im südlichen Teil des Kokiriwaldes fern. „Dort gibt es manchmal Erdrutsche, Felsbrocken, die auf dich hernieder fallen können. Falls du mal einen Schützling haben solltest, rate ihm besser davon ab, sich dort hinein zu trauen.“ Ich lernte auch einige der übrigen Kokiris kennen: Mido, der sich zum Anführer der Kinder des Waldes aufgeschwungen hatte; die Allwissenden Brüder, die je eine grüne, eine blaue und eine rote Feenschwester mit sich führten – und Fado, ein Mädchen, das wie Salia öfter in den Verlorenen Wäldern herum streifte. Erst, als sie mich durch ihr gesamtes Dorf geführt und mir jeden Winkel des Kokiriwalds gezeigt hatten, meinte Salia, dass es nun an der Zeit sei. Ein Schauer der Erregung erfasste mich, als ich erkannte, was das bedeutete. Endlich würde ich den Grossen Dekubaum kennenlernen. Kapitel 1: Der Junge ohne Fee ----------------------------- „Navi... Navi, wo bist du? Erscheine...“ Zehn Jahre waren vergangen, seitdem ich dem Dekubaum das erste Mal von Angesicht zu Angesicht begegnet war. An diesem Ort jedoch bedeutete ein Jahrzehnt nicht viel. Solange die Kokiris ihren geliebten Wald nicht verliessen, alterten sie nicht und führten ein Leben in friedvoller Unsterblichkeit. Als Preis für dieses endlose Dasein jedoch wurden sie auch niemals erwachsen und behielten stets ihre kindliche Form. Auch für das Feenvolk bedeuten zehn Jahre nicht viel. Solange unser Leben einen Sinn besass, eine Aufgabe, der wir uns widmen konnten, vergingen wir nicht und unser Licht blieb bestehen. Meine Aufgabe zu jener Zeit bestand darin, zu warten – darauf, dass eines Tages ein Kokiri meinem Schutz und meiner Weisheit bedurfte. Der Dekubaum unterrichtete mich und gemeinsam mit anderen Feen lernte ich die Welt kennen, ohne sie je bereist zu haben. Ich sah den Hyliasee, den Todesberg, sah die weiten Steppen Hyrules und die ferne Gerudowüste – und ich wartete. An einem denkwürdigen Tag in meinem ersten Jahr beim Dekubaum erschien eine Frau im Dorf der Kokiris. Sie wirkte gehetzt, das blonde Haar hing ihr in Strähnen ins Gesicht und ihre Kleider waren schmutzig. Sie flehte die Kinder des Waldes und den ehrwürdigen Dekubaum um Schutz an – nicht für sich selbst, sondern für das Baby, das sie in ihren Armen trug. Der Herr des Waldes schliesslich willigte ein und erlaubte dem Kind zu bleiben. Dieses Baby, dieser Junge, so sprach er, wird eines Tages für das Schicksal Hyrules verantwortlich sein. Die Mutter des Kindes, heisst es, sei – nachdem sie sich des Schutzes ihres Sohnes sicher sein konnte – in die Wälder gegangen und nie wieder herausgekommen. Denn alles Fremde, das den Wald betrat, wurde durch einen Zauber des Dekubaumes in eine Pflanze verwandelt. Dies diene dem Schutz ihrer Heimat, erklärte er mir einmal, und jeder, der sich an diesen Ort verirre, sei sich der Gefahr bewusst, die er einginge. Als mich unser Herr an diesem bedeutsamen Tag zu sich rief, wusste ich noch nichts von den Dingen, die sich in naher Zeit ereignen sollten. Wie konnte ich auch? Das Gras am Fusse des gewaltigen Baumstammes wogte in einer leichten Brise, hin und wieder schwirrte ein Glühwürmchen vorbei. Auf der ganzen Lichtung lagen Dekunüsse herum, die aus der Krone des Dekubaumes gefallen und aufgeplatzt waren. Wann immer die Sonne durch das Geäst des riesenhaften Baumes auf sie hernieder schien, glänzte ihr Inneres, als wären die Kerne aus bloßem Gold. Trotzdem spürte ich, dass heute etwas anders war als sonst. Das sonst so typische grüne Dämmerlicht wirkte schwach und kränklich und irgendwie vergiftet. „Navi, holde Fee... Höre die Worte des Dekubaumes!“ Die Stimme des Herrn der Kokiri war schwach und brüchig geworden in letzter Zeit. Gewiss, seine Krone war noch immer blühend und voll. Doch natürlich wusste ich, was er meinte, als er mich fragte: „Spürst du es? Diabolische Kräfte bedrohen unser Land. Die Kreaturen der Nacht sammeln sich, um das Schicksal Hyrules zu besiegeln. Für lange Zeit war ich es, der die Schatten des Unheils daran hinderte, das Land zu erobern. Doch nun ist die Konzentration des Bösen so stark, dass meine Kräfte nicht ausreichen, die dunklen Mächte zu bannen...“ Mir wurde ein wenig kalt bei dem Gedanken, was dem Wald – nein, was ganz Hyrule bevorstehen mochte. Selbstverständlich konnte ich zu diesem Zeitpunkt noch nicht ahnen, wie weit die Kräfte des Bösen schon reichten. Ich war noch immer der Meinung, die Macht des Dekubaumes würde ausreichen, zumindest die Wälder und all ihre Bewohner zu schützen. „Die Zeit scheint reif, da der Junge ohne Fee seine Bestimmung erfahren soll...“, murmelte mein Herr bedeutungsvoll. „Die Jugend und Reinheit des Jungen sollen Hyrule wieder auf den Pfad des Lichtes führen...“ „Aber... aber Dekubaum...!“, wollte ich rufen, doch seine Worte waren dermassen eindringlich und seine Miene so ernst, dass ich nicht widersprechen konnte. „Navi... Geh nun! Finde unseren Freund und geleite ihn zu mir... Meine Zeit ist fast vorüber... Mir bleiben nur noch wenige Stunden. Flieg, Navi, flieg! Das Schicksal des Dorfes, gar das der ganzen Welt, liegt in den Händen dieses Jungen...“ Ich zögerte nicht länger. Ein paar Tränen unterdrückend, flatterte ich los und machte mich auf den Weg ins Dorf. Dass es so schlimm um den Dekubaum stand, hatte ich nicht gewusst. Mir bangte bei dem Gedanken, unseren Hüter für immer ins Heilige Reich gehen zu lassen. Er wurde doch hier gebraucht! Wenn er wusste, wie es um Hyrule, wie es um unsere Welt bestellt war, wie konnte er dann jetzt einfach aufgeben? Aber andererseits, hatte er nicht immer gewusst, was am besten war – für seine Schützlinge, für den Wald, für uns alle? In Windeseile sauste ich ins Dorf, schoss an mehreren Kokiri vorbei, die mir irgendeinen schnellen Gruss hinterher riefen, und stieg ein wenig höher, um den gesamten Kokiriwald überblicken zu können. In welchem Haus hatten wir den Jungen ohne Fee untergebracht? Schliesslich fiel mir ein Haus im Süden des Waldes auf, in welches man nur mit Hilfe einer langen, hölzernen Leiter gelangen konnte. Ich legte noch eine Geschwindigkeit zu und krachte vor lauter Aufregung in einen hohen Gartenzaun. Für einen kurzen Moment wurde mir schwindelig, ich trudelte durch die Luft und verlor die Orientierung. Das Haus des Feenlosen war jetzt direkt vor mir. Ich schüttelte mich, um wieder einen klaren Kopf zu bekommen und glitt – nun ein wenig langsamer – an der Leiter entlang zum Balkon hinauf. Keine Zeit für Höflichkeiten!, dachte ich aufgebracht und schwirrte mitten in das kleine Wohnzimmer. Direkt gegenüber dem Eingang stand ein einfaches Bett aus Holz und darin schlief der Junge, der bislang keine Fee besass. Jetzt fiel mir auch sein Name wieder ein: Link! Ein vielleicht etwas seltsamer, aber durchaus passender Name. Nachdem dieser Junge erst einmal ein wenig herangewachsen war, hatte er unter den Kokiris und Feen im Wald schnell Freunde gefunden. Überhaupt schien er einen guten Draht zu jedermann zu haben – mit Ausnahme vielleicht von Mido. Dem selbsternannten Anführer der Kokiri hatte es nie so recht gefallen, einen Aussätzigen in ihren Reihen aufzunehmen und seitdem sich Link mit Salia angefreundet hatte, schien er ihn noch weniger leiden zu können. „Hallo Link! Wach auf!“ klimperte ich aufgeregt. Der Junge rührte sich nicht. „Der Dekubaum hat dich zu sich gerufen! Link, wach auf!“ rief ich jetzt etwas lauter. Doch statt meinen Worten zu folgen, drehte sich Link nur auf die andere Seite und schlief seelenruhig weiter. „Los! Komm schon!“, klingelte ich verzweifelt und so laut es mir als Fee möglich war. Dabei flatterte ich ungeduldig auf und ab und versuchte verzweifelt, ihn irgendwie auf mich aufmerksam zu machen. „Sollte die Zukunft Hyrules wirklich in den Händen dieser Schlafmütze liegen?“ Hatte ich das wirklich laut gesagt? Doch anscheinend half es, denn jetzt regte sich Link endlich, setzte sich auf und rieb sich verschlafen die Augen. Überraschung trat in sein Gesicht, als er mich erkannte. „Na endlich bist du aufgewacht.“, sagte ich ein wenig beleidigt. Link setzte sich an den Rand des Bettes und beobachtete mich aufmerksam, vielleicht auch ein wenig neugierig. Er schien keine Person vieler Worte zu sein, doch für den Moment war das vielleicht auch besser so. „Ich bin Navi! Der Dekubaum bat mich, dich ab jetzt zu begleiten. Schön, dich kennenzulernen!“ Erst als es raus war, wurde mir bewusst, was ich da gerade gesagt, was mir der Dekubaum da in Wahrheit aufgetragen hatte. Der feenlose Junge war nun nicht länger feenlos – und die Wahl seines Mentors, seines Beschützers... war auf mich gefallen! Um mir vor dieser Schlafmütze nichts anmerken zu lassen, fügte ich schnell hinzu: „Der Dekubaum hat dich zu sich befohlen... Steh also endlich auf!“ Zu meiner Erleichterung sagte Link darauf nicht viel. Er nickte nur, erklärte sich einverstanden und bat mich noch einmal nachdrücklich darum, ihn also zur Lichtung des Dekubaumes zu bringen. Gemeinsam traten wir auf den breiten Balkon hinaus. Jetzt hiess es, keine weitere Zeit mehr zu verlieren. Unser aller Herr war ganz offensichtlich krank – sterbenskrank! – und seinen eigenen Worten nach zu urteilen, blieben ihm nur noch Stunden, bis... Doch soweit wollte ich jetzt noch nicht denken. Ich hatte eine Aufgabe, endlich hatte ich eine Aufgabe, und niemand sollte mich daran hindern, sie zu erfüllen. Doch als ob das Schicksal uns einen Strich durch die Rechnung machen wollte, vernahm ich in diesem Augenblick das Rufen, welches sich uns rasch näherte. Ich blickte auf und erkannte Salia und meine gelblich leuchtende Feenschwester sofort. „Guten Morgen, Link!“, rief sie fröhlich und winkte uns. Link verlor keine Zeit. Ich wusste natürlich, dass er das Kokirimädchen sehr gern hatte... Doch jetzt war nicht die Zeit für so etwas! Das wollte ich ihm gerade sagen, als er auch schon die Leiter herunter geklettert war und Salia nicht minder freundlich begrüsste. Ich flatterte ihm nach und begrüsste meine Schwester mit einem kurzen Klingeln. „Hey! Eine Fee!“ Salia schien hellauf begeistert, als sie mich erkannte. Doch ihre Worte galten nicht mir, sondern Link. „Endlich hast du auch eine Fee, Link!“ Sie kicherte. „Wow! Das ist cool! Ich freue mich für dich! Nun bist du ein wahrer Kokiri, Link!“ Schön, dachte ich ein wenig gekränkt. Können wir jetzt weiter? Wir müssen doch zum Dekubaum und... „Ist es wahr? Der Dekubaum möchte, dass du zu ihm kommst?“, fragte das Mädchen plötzlich. Die Neuigkeit schien sich also schon herumgesprochen zu haben. „Es ist eine grosse Ehre, vor den Dekubaum treten zu dürfen! Ich werde hier auf dich warten. Geh nun, denn der Dekubaum hat dich gerufen!“ „Das sage ich doch die ganze Zeit!“, klimperte ich verärgert, doch niemand reagierte darauf. Link, in dem jetzt so eine Art Pflichtbewusstsein erwacht zu sein schien, verabschiedete sich schnell und machte sich dann auf den Weg ins Dorf. Ich ermahnte ihn noch einmal, keine weitere Zeit zu verlieren – trotzdem wurden wir auf den Weg zur Lichtung unseres Herrn von einigen Kokiris aufgehalten, die unbedingt mehr über die Audienz beim Dekubaum erfahren wollten. Am schlimmsten jedoch war Mido. Als wir es nach zahllosen Gesprächen endlich in den östlichen Bereich des Dorfes geschafft hatten, versperrte er Link und mir den Weg. „Hey, du feenloser Versager! Was hast du mit dem Dekubaum zu bereden?“, fragte er aufgebracht und baute sich vor uns auf, als wäre er der Wächter des Herrn der Wälder persönlich. „Ohne Fee bist du nicht mal ein richtiger Mann!“ Jetzt fiel sein Blick auf mich und seine Augen weiteten sich vor Überraschung. „Was?! Du hast eine Fee?!“ Seine eigene schien ihm in diesem Moment etwas zuzuflüstern, denn seine Augen wurden noch ein wenig weiter, als er anfügte: „Und der Dekubaum hat dich zu sich gerufen? Was muss ich da hören?! Wieso sollte er dich und nicht den grossen Mido zu sich rufen?“ Er stemmte die Hände in die Hüften, was nicht nur äusserst albern wirkte – so war er auch noch kleiner als Link. Von Grösse konnte hier also nicht die Rede sein. „Das kann nicht sein... Ich glaube es einfach nicht!“ Zornig wandte Mido sich ab. Er schien Link aus dem Augenwinkel heraus zu mustern. „Du bist nicht einmal richtig ausgerüstet!“, stiess er spöttisch hervor. „Wie willst du dem Dekubaum denn ohne Schwert und Schild gegenübertreten?“ Jetzt stemmte Link seinerseits die Hände in die Hüften und erklärte Mido, dass auch er weder ein Schwert, noch ein Schild besass. „Was?“ Mido machte einen Schritt zurück. Er wirkte ein wenig verlegen. „Das stimmt, ich bin auch nicht ausgerüstet,“, gab er schliesslich zu, „aber das ist etwas anderes... Wenn du passieren willst, solltest du wenigstens mit einem Schwert und einem Schild ausgerüstet sein! Verschwinde!“ Das schien sein letztes Wort zu sein, denn er stand noch immer da wie eine Statue – Unwillens, irgend jemanden und schon gar nicht Link zum Dekubaum vorzulassen. „Wichtigtuer...“, murmelte ich verärgert, als wir uns den kleinen Bach entlang auf den Weg zurück in Richtung Dorfmitte aufmachten. Links Gedanken schienen jedoch bereits ganz woanders zu sein. Als ich ihn danach fragte, schüttelte er nur den Kopf. Mido sei die ganze Aufregung ohnehin nicht wert, und wenn er darauf bestand, so würden wir eben mit passender Ausrüstung wiederkommen. Im kleinen Laden des Kokiriwaldes – ich hatte ihn nicht oft betreten, mich später aber daran erinnert – fanden wir einen hübschen kleinen Schild aus Holz, den Link von seinen Ersparnissen bezahlen konnte. Die Suche nach einer passenden Waffe allerdings gestaltete sich deutlich schwieriger. Zwar kann man sich auch mit einem Dekustab oder zur Not mit einer Dekunuss verteidigen, der Anführer der Kokiri aber hatte eindeutig nach einem Schwert verlangt. „Aber im Wald gibt es niemanden, der ein Schwert herstellen könnte! Es gibt keine Schmieden, keine Materialien und ich glaube auch ehrlich nicht, dass ein Kokiri ein richtiges Schwert führen könnte!“, protestierte ich lauthals, während wir, zugegeben, ein wenig ratlos durch das Dorf schlenderten. „Dieser Mido hat doch in seinem Leben selbst noch nie ein Schwert in Händen gehalten! Ich sage, wir bleiben bei meiner ersten Idee mit dem Dekustab und wenn er uns dann immer noch nicht vorbeilassen will, haust du ihm das Ding um die Ohren!“ Link wollte davon nichts hören. Er war weiterhin zuversichtlich, wir würden schon eine Lösung finden und so verrannen die Minuten, in denen wir... nun, keine Lösung fanden. Wir hörten uns unter den Kokiris im Dorf um, durchstöberten noch einmal den Laden und fragten die Allwissenden Brüder um Rat. Als wir gerade zufällig daran vorbeiliefen, schlug ich sogar vor, in die Verlorenen Wälder zu gehen. Vielleicht würde ich, mit ein wenig Hilfe, den alten Waldtempel noch einmal wiederfinden. Möglicherweise gab es dort noch ein paar Schätze oder uralte Relikte – und mit etwas Glück könnte sich auch ein Schwert darunter befinden. Ich war so in meine Überlegungen vertieft, dass ich gar nicht bemerkt hatte, wie Link plötzlich stehengeblieben war. Sein Blick schweifte nach Südwesten zum Haus der Allwissenden Brüder hinüber. „Nein, die haben doch auch nichts gewusst.“, erinnerte ich ihn frustriert. „Sie sind gar nicht so allwissend, wie sie immer behaupten. Verdammt, wir haben durch dieses alberne Spiel schon genug Zeit verloren! Der Dekubaum hat nicht mehr viel Zeit und wir sitzen hier und...“ Doch mein Schützling hiess mich schweigen und deutete mit ausgestrecktem Finger... nicht auf das Haus der Allwissenden Brüder, sondern daran vorbei, dorthin, wo sich meines Wissens nach die Gärten und das Trainingslager der Kokiris befanden. In diesem Bereich hielten sich die Kinder des Waldes körperlich fit, manchmal wurden dort Wettkämpfe abgehalten. Ich erinnerte mich an Salias Warnung, meinen Schützling von dem Bereich hinter dem Trainingslager – von diesem geheimnisvollen Irrgarten fernzuhalten... und dann ging mir ein Licht auf. „Dort haben wir es noch nicht versucht!“, rief ich aus. „Natürlich nicht! Jeder Kokiri hält sich fern von diesem Labyrinth, weil es dort gefährlich ist!“ Weil es dort gefährlich ist, klang der Satz in meinen Gedanken noch. „Nun ja, aber was bleibt uns anderes übrig? Vielleicht hat Mido ja recht und wir sollten uns vorbereiten. Schliesslich wissen wir ja nicht, was passiert, wenn der Dekubaum...“ Ich schluckte verhalten, wagte es nicht, den Satz zu ende zu bringen. „Was meinst du..., Link? Link!“ Aber der Junge hatte sich bereits auf den Weg gemacht. Wenn er sich einmal etwas in den Kopf setzte, so war er davon nicht mehr so leicht abzubringen. Das mulmige Gefühl in der Magengegend und mein Gewissen ignorierend, folgte ich meinem Schützling hinüber ins Trainingslager, vorbei an den Gärten, den Felsen, die für sportliche Übungen hergeschafft worden waren. Schliesslich standen wir vor dem Eingang zum Irrgarten und bevor ich auch noch irgend etwas sagen konnte, kauerte sich Link zu Boden und kroch den schmalen Tunnel entlang, an dessen Ende wir wer weiss was vorfinden würden. Als wir die andere Seite erreichten, blieb ich einen kurzen Moment des Erstaunens bewegungsunfähig in der Luft hängen. Es schien, als hätte jemand dieses Labyrinth, diesen sonderbaren Irrgarten mitten ins Land gehauen. Die steinernen Wände und Gänge ragten mehrere Meter zu allen Seiten hin auf, das Gras wuchs an manchen Stellen bis auf Hüfthöhe, und trotzdem hatten es einige Glühwürmchen geschafft, sich auch an diesen gut verborgenen Ort zu verirren. Noch bevor wir den nächsten Schritt gemacht hatten, hörte ich es: Ein dumpfes Grollen, nicht wie Donner, sondern eher wie... Felsen! Felsen, die sich – ihres eintönigen Lebens im großen Ganzen müde geworden – losrissen, um auf Wanderschaft zu gehen und um dabei möglichst wenig Rücksicht auf Hindernisse oder Mitreisende zu nehmen. Natürlich warnte ich meinen Schützling vor den Gefahren, die uns begegnen konnten, doch munter und leichtsinnig wie er war, nahm er den nächst besten Weg zu seiner Rechten und marschierte los. Wieder ertönte dieses markerschütternde Donnern, diesmal näher und schreckte mich auf. Link war bereits einige Meter weiter in eine Sackgasse gelaufen. Er machte auf dem Absatz kehrte, rannte an mir vorbei, nahm die nächste Abzweigung nach rechts und hastete weiter. Ich folgte ihm, so gut ich konnte. Wieder standen wir vor einer Felswand. Auf einem hölzernen Schild – wer hatte es hier aufgestellt und wann? – waren hylianische Schriftzeichen zu erkennen, deren Sinn ich nicht erfasste. Link war bereits umgekehrt, lief wieder nach rechts und diesmal einen längeren Gang entlang, der bei der nächsten Abzweigung in hohes Gras mündete. Ein lautes Poltern ertönte und ehe ich es recht begriffen hatte, war ich bereits voller Panik unter Links Mütze gekrochen, wo ich zitternd verharrte, bis es still wurde. Die grüne Dunkelheit, die unter der Kokirikappe herrschte, verschaffte mir eine kurze Verschnaufpause, doch jetzt konnte ich nicht mehr sehen, was vor sich ging und wo wir überhaupt hinliefen! Ich konnte meinen Schützling nicht dirigieren, ihm nicht die Richtung weisen, wenn er sich verirrte! Zaghaft lugte ich unter dem dichten Stoff hervor. Wir bewegten uns jetzt rückwärts – nein, das bedeutete, Link bewegte sich vorwärts und ich blickte in die Richtung, aus der wir gekommen waren. In der Ferne war eine von vermutlich zahlreichen weiteren Sackgassen auszumachen. Dann bog Link – hatte er überhaupt bemerkt, dass ich verschwunden war? – nach links ab und... „Lauf! Link, lauf! rief ich, so laut ich konnte. Der Junge hatte es vielleicht nicht bemerkt, doch mir war der rollende Felsbrocken nicht entgangen, der sich jetzt direkt auf uns zu bewegte. Link riss die Augen auf. Für einen kurzen Moment schien er wie erstarrt..., dann rannte er los. Die gigantische Gesteinskugel kam immer näher, nur noch ein paar Sekunden trennten uns davon, überrollt und zerquetscht zu werden. Die Flucht durch den felsigen Irrgarten schien kein Ende zu nehmen. Endlich sah ich weiter vorn einen Ausweg, das Labyrinth teilte sich in einen linken, einen rechten Zweig auf. „Rechts! Rechts!“, kreischte ich, ohne länger darüber nachzudenken. Link schien es mir gleichzutun. In letzter Sekunde, ich glaubte am eigenen Leib zu spüren, wie der Felsbrocken hinter uns die Ferse des Jungen streifte, zog Link den Kopf ein, machte einen Satz und folgte meinem Ruf. Ich klammerte mich an eine seiner Haarsträhnen, während er sich über den Boden abrollte und keuchend, aber lebendig zum Halten kam. Aus irgendeinem Grund, der einem Wunder gleichkam – fast, als würde sie von fremder Hand gelenkt – machte die Gesteinskugel einen Bogen und schoss dann in den linken Zweig in Richtung restlicher Irrgarten davon. Ich atmete erleichtert aus und verpasste es fast, mich festzuhalten, als Link wieder auf die Füsse kam. Sein Atem ging heftig und seine Kleider waren voller Erde und Grasflecken. Doch er war am Leben – wir waren am Leben! Dann tat dieser Junge etwas, worüber ich unsagbar wütend und überaus erleichtert zugleich war: Er seufzte kurz, rieb sich die Nase und lächelte. „Das war sehr, sehr knapp!“, rief ich, aufgebracht über seine Sorglosigkeit. „Ich bin für dich verantwortlich. Warte das nächste Mal, bevor du einfach losmarschierst! Ist auch wirklich alles in Ordnung mit dir?“ Der Junge lächelte immer noch. Ich hätte ihn am liebsten eine weitere Standpauke gehalten, als mein Blick plötzlich auf etwas viel, das dort am Ende unserer Abzweigung auf einem breiten, abgesägten Baumstumpf stand. „Link, sieh doch mal...“ hauchte ich leise. Wir kamen näher, um uns das Ding genauer ansehen zu können. Es war, mit Metall beschlagen und aus dunklem, soliden Holz: Eine Truhe. Ein weiteres Schild auf hylianisch verriet möglicherweise, was sich darin befand, jedoch machte auch das nicht viel Sinn. „Meinst du, das ist...?“ Noch bevor ich meinen Satz beendet hatte, stand Link bereits auf dem Stumpf und hob den Deckel der Kiste an. Sie war fast grösser als der Junge selbst und er brauchte einen zweiten Anlauf, um sie gänzlich öffnen zu können. Doch welcher Schatz auch immer darin verborgen war, er trieb meinem Schützling ein breites Grinsen auf das verschmutzte Gesicht. „Was ist es?“, fragte ich ungeduldig. „Nun zeig schon, was ist es?“ Langsam drehte Link sich zu mir um und präsentierte mir ein kleines Schwert – für einen erfahrenen Krieger eher ein Dolch – das wie passend für einen Kokiri gemacht schien: Von der Parierstange bis zum Knauf aus Holz gefertigt und mit einem rot funkelnden, wunderschönen Edelstein versehen. Die Klinge jedoch wirkte scharf und ich war mir sicher, dass sie Mido mehr als zufrieden stellen würde. Hosted by Animexx e.V. 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