Niemand von Flordelis (Invisible Stalker) ================================================================================ Niemand ------- Es gibt nur ein Wort, das alles in meinem Leben zusammenfasst: Niemand. Niemand liebte mich je und ich liebte niemanden. Nicht einmal mich selbst. Diese fehlende Liebe lässt mich bereits mein ganzes Leben lang sehen, wie die Menschheit ist. Verdorben, schlecht, eine Krankheit, die dem Planeten schadet – einer Welt, die, genau wie ich, alle Menschen verabscheut und sie abzustoßen versucht. Sie schenkt ihren Kindern außergewöhnliche Fähigkeiten, damit sie sich gegenseitig effektiver umbringen können und sie lässt in ihnen den Wunsch nach Krieg entstehen, sobald es ihnen zu gut geht. Kriege entstehen aus den kleinsten Konflikten, bieten Menschen eine Gelegenheit, gegeneinander in den Kampf zu ziehen, die eigene Rasse zu dezimieren und sich dabei noch selbst als Helden zu betrachten. Wer am meisten in kürzester Zeit auslöscht, ist der Beste und gehört gefeiert, auf ein Podest gestellt, um ihn allseits zu bewundern – und sobald der Krieg vorbei ist, wird der zuvor gefeierte Held zum Bösewicht erklärt, den alle jagen, um ihrem Wunsch nach Tod weiter nachzukommen und sich selbst nicht auf dieselbe Stufe zu stellen. Eine Welt ohne Krieg ist nur denkbar, wenn es keine Menschen mehr gibt, die ihn führen könnten oder wenn sie alle unter einem Anführer vereint sind. Letzteres ist ein Ziel, dem sich Brionac, unter der Führung von Lambda Zellweger, im Namen der Congressional Knights, verschrieben hat – und gleichzeitig ist es ein Ziel, das mir nicht gleichgültiger sein könnte. Dennoch gehöre ich zu jenen, denen Lambda derart vertraut, dass er sie zu seiner persönlichen Eliteeinheit ernannte und ich helfe ihm, weil es mir die Möglichkeit gibt, Menschen zu töten. Unreine, grässliche Wesen, denen keine Liebe innewohnt, die bis ins Mark verdorben sind, ohne es zugeben zu wollen, wenn man mich fragt. Ich bin kein Mensch mehr, diese Existenz habe ich vor langer Zeit hinter mir gelassen. Ich bin ein Niemand, unsichtbar, unspürbar, um meiner Fähigkeit Invisible Stalker alle Ehre zu machen. Niemand kann mich sehen oder bemerken, kein Mensch, keine Maschine, ich existiere möglicherweise nicht einmal mehr. Denn was bedeutet schon Existenz? Wann beginnt und wann endet sie? Braucht es eine feste Form, um als existent zu gelten? Falls ja, dann bin ich eine Nicht-Existenz. Ich lebe, ich bewege mich, ich kann mit anderen in Kontakt treten, wenn es sein muss, aber ich besitze keinerlei Form. Mehr noch, ich erinnere mich inzwischen nicht einmal mehr an mein Aussehen als Mensch, manchmal erscheint es mir sogar wie ein finsterer Albtraum, dem ich entronnen war, als ich meine Existenz aufgegeben hatte. Ich war ihm entflohen, aber nur um von einem gänzlich anderen Nachtmahr in sein Gefängnis gesperrt zu werden, aus dem es kein Entkommen gibt. Ohne jede Form, als Nicht-Existenz, wird mir immer mehr bewusst, wie richtig ich bei meiner Einschätzung der Menschen gelegen hatte. Sie sind finstere Geschöpfe, schlimmer als jedes Monster, das diese Welt heimsucht und sie versuchen, dies unter einem Mantel von Ehre und Loyalität zu verdecken, der die Augen aller anderen täuschen kann, nur meine nicht. Ich sehe sie, wenn sie sich unbeobachtet fühlen; höre sie, wenn sie glauben, dass niemand lauscht und deswegen kenne ich ihr wahres Wesen. Keiner von ihnen liebt, sie alle lügen. Keiner von ihnen träumt, sie alle haben vergessen, was das bedeutet. Keiner glaubt mehr an Träume und das, was sie dafür halten, sind nur widerliche, egoistische Ziele, deren Erfüllung keinerlei Anstrengung wert ist. Sie sind es nicht wert, dass ich meine Zeit mit ihnen verbringe und doch kann ich nicht anders, als sie weiter zu beobachten, besonders die Frauen. Die verachtenswerte Geschöpfe, die es nicht schaffen, mich zu lieben, wenn ich schon nicht in der Lage bin, die niemanden lieben, außer sich selbst und die immerzu reden, auch wenn ihre Worte keinerlei Sinn ergeben. Je mehr ich ihnen zuhöre, desto mehr verabscheue ich sie und desto mehr danke ich der Tatsache, dass ich kein Mensch mehr bin, der sich mit ihnen abgeben, ihnen auch noch antworten muss. Ich brauche niemanden von ihnen, ich habe alles, was ich mir wünschen könnte. Fiore und Asia, meine geliebten Puppen, die mir bewiesen, wie stark die Macht des Glaubens ist; die sich zu bewegen begannen, weil ich mir wünschte, sie würden mich zumindest lieben. Puppen sind ganz anders als Menschen, sie sind rein, unverdorben von menschlichen Gelüsten, sie sind mir viel ähnlicher als meine einstmals eigene Rasse und vor allem wird ihre Existenz niemals enden. Das bedeutet zwangsläufig, dass etwas von mir immer weiterleben wird, solange es Fiore und Asia gibt, selbst wenn meine jetzige Nicht-Existenz einmal enden wird, was sie unweigerlich tun wird, das weiß ich. Fiore und Asia werden meinen Geist in die Welt hinaustragen, mein Schicksal als ungeliebter Niemand, der keinerlei Schönheit auf dem Planeten oder in den Menschen sehen konnte, verbreiten und sie werden mich vermissen, wenn schon niemand sonst es tut. Und so ist meine Geschichte perfekt zusammengefasst mit Niemand. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)