Been a Stranger von PonPonPanda ================================================================================ Prolog: Prolog -------------- Es war mitten in der Nacht, das Schloss war in Finsternis gehüllt. Außer den Wachen war niemand auf und auch diese gaben ihm eigentlich keinen Grund wach zu sein. Sie waren still, man bemerkte ihre Anwesenheit eigentlich nicht, es sei denn man wusste um sie. Und dennoch konnte Junho nicht schlafen. Er konnte die Blicke der Garde an seinem Zimmer, die trotz seines unerwarteten Erscheinens weiterhin wie Statuen ihren Platz hielten, nur spüren, als er in den Innenhof trat. Junho zog sich den Morgenmantel, den er auf Grund des hartnäckigen Frostes des Frühlings über seinen Pyjama gezogen hatte, ein wenig enger um seine Schultern. Die Seide glitt kühl über seine Haut, umschmeichelte seinen Körper, doch er schenkte dem gewohnten Gefühl keinerlei Beachtung. Still setzte Junho einen Fuß vor den anderen. Die seidenen Pantoffel, die er an seinen nackten Füßen trug, dämpften jegliches Geräusch, das er sonst wohl gemacht hätte, als er hinaus auf den kleinen Holzsteg trat, der im Innenhof ihrer Schlafquartiere das Erreichen der anderen Zimmer ermöglichte ohne in den Dreck zu treten. Irgendetwas war seltsam in dieser Nacht. Es war so still. Stiller als sonst. Zu still. Junho blieb stehen und mit einem leisen Rascheln kam der Stoff seines Morgenmantels ebenfalls zur Ruhe. Er horchte in die Finsternis der Nacht, die nur erhellt wurde von den Sternen und konnte doch nur seinen eigenen, unruhigen Herzschlag vernehmen. Es war Neumond und Junho erkannte, als er hinauf in den Himmel blickte, nichts Ungewöhnliches zwischen dem Funkeln der Sterne. Vielleicht war er wirklich einfach nur paranoid. Vielleicht machte ihn einfach die Abwesenheit seines Vaters, des Königs und seines älteren Bruders, des Thronerben, nervös. Junho atmete tief durch und drehte sich wieder um, um zu seinen Gemächern zurück zu kehren, als er erstarrte. Er hatte etwas dort oben gesehen. Einen Schatten. Einen großen Schatten. Riesig… KNALL! Junho wirbelte herum, Stimmen wurden laut und mit einem Mal war die Nacht erfüllt vom Getrappel vieler Füße, dem Geschrei der Soldaten. Hitze traf Junhos Gesicht. Wie eine Welle brandete sie über ihn und er fiel nach hinten über, die Augen weit aufgerissen auf das Chaos gerichtet, dass sich unweit von ihm entfernt abspielte. Starke Arme ergriffen ihn mit einem Mal und zogen ihn hoch und weg von dem Geschehen. „Ihr solltet nicht hier sein, Prinz!“, rief der Soldat, der ihn fort brachte. „Junsu-ah.“ Es war kaum mehr als ein Flüstern, das über seine Lippen drang. Dann begann Junho sich gegen den Griff seiner Leibgarde zu wehren. „JUNSU-AH!“ – „Ihr könnt ihm nicht helfen, Prinz!“, rief der Mann und kämpfte gegen die Arme des Prinzen, der wie wild um sich schlug, um zu seinem Zwillingsbruder zu gelangen. Seinem Zwillingsbruder, der sich in dem Quartier befand, das nun in hellen Flammen stand. Die Finsternis der Nacht war durchbrochen von dem tiefroten Feuer, das sich gen Himmel reckte und die Silhouetten der Soldaten, die sich gegenseitig Befehle zubrüllten, scharf umriss. „NEIN! JUNSU-AH!“ Junho riss sich von dem Soldaten los und fiel vorn über auf den gefrorenen Boden. Er hörte das Reißen der teuren Seide nicht, noch spürte er die Schmerzen in seinen Händen, als sich Steine tief in seine Handflächen bohrten. Er rappelte sich auf und rannte taumelnd auf die heißen Flammen zu. „JUNSU-AH!“ Seine Stimme überschlug sich während er sich, sich einen Arm zum Schutz gegen die beißende Hitze vors Gesicht haltend, auf das sich schnell ausbreitende Feuer zu kämpfte. Schmerzen fraßen sich in seinen Arm, doch ihnen wurde keine Beachtung geschenkt. Immer wieder versuchte sich Junho in das Gebäude hinein zu kämpfen. Sein Bruder war nicht tot, konnte nicht tot sein. Durfte nicht tot sein… Eine Explosion schleuderte Junho nach hinten, Schmerz jagte durch seinen gesamten Körper und weinend sackte er in den Armen des Soldaten in sich zusammen, der ihn erneut gepackt hatte und von dem Geschehen weg schleifte. „Junsu-ah…“ Es war ein Flüstern, das kaum hörbar über seine Lippen drang, während Junhos Sicht durch die Tränen verschwamm und die Flammen seine Welt in leuchtendes Rot tauchten, ehe alles schwarz wurde. Kapitel 1: Kapitel I -------------------- Schmerzen nagten an seinem Arm, fraßen sich bis zu seiner Schulter hinauf und schienen sich in seine Kochen hinein zu bohren. Junho stöhne leise unter den Schmerzen und spürte, wie angenehme Kühle über sein erhitztes Gesicht rann. Er hörte leises Plätschern neben sich. Geflüster. „Er wird wach.“ – „Was für ein Segen, dass er überhaupt noch lebt.“ – „Nicht auszumalen, wenn der König gleich zwei seiner Söhne in einer Nacht verloren hätte.“ – „Welch Tragödie. Prinz Junsu…“ Junho öffnete schwerfällig seine Augen. Seine Sicht war verschwommen, seine Augen brannten und mit einem heftigen Pochen kündigten sich dröhnende Kopfschmerzen hinter seinen Schläfen an. „Junsu-ah.“ Seine Stimme war nicht mehr als ein Krächzen, sein Hals rau wie Schmirgelpapier. „Shhht. Ihr müsst euch schonen, Prinz“, wurde neben ihm eindringlich geflüstert. Wieder hörte Junho das Plätschern von Wasser und ihm wurde sanft die Stirn abgetupft. Ihm war so heiß. Mit jedem Herzschlag schien Hitze durch seinen Körper zu wogen und mit ihr pulsierte Schmerz durch seinen linken Arm. Erneut stöhnte Junho leise vor Schmerzen auf, keuchte mit zusammen gekniffenen Augen. „Junsu-ah“, flüsterte er heiser, fiebrig. Erneut wurde neben ihm ein beruhigender Laut erzeugt, kühle benetzte seine Stirn, seine Augen, Wangen und Lippen. Durstig öffnete Junho seine trockenen Lippen und ließ ein kaum hörbares, dankbares Stöhnen erklingen, als das kühle Nass zumindest die Schmerzen in seinem Hals linderte. ~*~*~*~*~*~ „Prinz Yunho, wie gut, dass ihr zurück seid!“ Der Soldat hastete hinter Yunho her, der mit langen Schritten den breiten Sandweg überquerte. Sein Pferd stand nervös schnaubend auf der anderen Seite, die er anstrebte, angespannt, nur gehalten von Yunhos Leibgarde Changmin. Yunho schwang ein langes Bein über den Rücken des Rapphengsts, das Gesicht ernst und angespannt. Er nahm die Zügel des tänzelnden Tieres auf und blickte auf den Soldaten hinunter, der einen Schritt von seinem Pferd entfernt stehen geblieben war, während auch Changmin aufsaß. Noch einmal ließ Yunho seinen Blick kurz zu den Ruinen des Hanok schweifen, die in einiger Entfernung noch schwelten. Sein Blick verfinsterte sich weiter. „Wo hat man meinen Bruder hin gebracht?“, fragte er kühl. „In die Pagode, mein Prinz“, antwortete der Soldat ehrfürchtig und verneigte sich leicht. Yunho blickte den Sandweg hinab, der ihn zu besagtem Gebäude bringen würde. Er verlor kein weiteres Wort, presste seine Beine gegen die Flanken des Hengstes und dieser gehorchte sofort, preschte vorwärts den Weg hinab, wobei Steine zu den Seiten spritzten. Changmin folgte ihm dicht auf. Yunho lenkte sein Pferd auf die Holzbrücke zu, die den See überbrückte, in dessen Mitte sich die Insel erhob, auf der die hexagonale Pagode erbaut war. Mit lautem Hufgetrappel preschte der Hengst über die Planken, ehe Yunho ihn allmählich abbremste, noch im Schritt aus dem Sattel glitt und mit langen Schritten den Bau betrat. Schon auf den ersten Metern kam ihm Donghae, Junhos Leibgarde entgegen. „Mein Prinz“, er verneigte sich hastig im Gehen, folgte Yunho dann. „Wie gut, dass ihr wieder hier seid.“ – „Wie geht es meinem Bruder, Donghae“, fragte Yunho angespannt und erklomm die Treppe, da Donghae ihm diesen Weg wies. „Es sieht kritisch aus, mein Prinz“, erklärte Donghae, hastete vor und öffnete dem Thronerben die Tür zum Krankenquartier seines jüngeren Bruders. „Er hat schwere Verbrennungen am linken Arm und hohes Fieber. Er war kurzzeitig ansprechbar, doch jetzt ist er wieder bewusstlos.“ Yunho nickte knapp zum Zeichen, dass er verstand. „Er spricht die ganze Zeit im Fieber von seinem Bruder, mein Prinz“, fuhr Donghae fort, „murmelt immerzu seinen Namen.“ Yunho stand einfach nur da. Er konnte nur den dunklen Haarschopf seines jüngeren Bruders sehen, um sein Lager herum saßen drei junge Frauen, die ihn versorgten. Yunho wandte sich wieder an Donghae. „Und Junsu“, flüsterte er dann angespannt. Er konnte bereits an dem Blick des Mannes sehen, dass die Antwort unschön war. Er presste seine Lippen zusammen, Schmerz stand ihm in die braunen Augen geschrieben. „Sie suchen noch nach seinen… seinen Überresten, mein Prinz“, antwortete Donghae gedämpft. Yunho schloss kurz seine Augen, nickte jedoch knapp, ehe er sich abrupt abwandte und zu Junhos Krankenlager hinüber trat. Man machte ihm sofort Platz und Yunho kniete sich neben seinen bewusstlosen jüngeren Bruder. Sein linker Arm war von weißen, nassen Tüchern umwickelt, auf seiner Stirn lag ebenfalls ein feuchter Lappen. Seine Brust hob und senkte sich in einem unregelmäßigen, abgehackten Tonus. Yunho sah zu der jungen Heilerin, die sich ihm gegenüber um Junhos linken Arm kümmerte, dann zurück in das gequälte Gesicht seines Bruders. Mit leicht bebenden Fingern griff er nach der gesunden Hand des Jüngeren, hob sie an seine Lippen und drückte einen zittrigen Kuss auf seine Fingerknöchel. Junho drehte leicht seinen Kopf, tat einen etwas tieferen Atemzug. „Du musst wieder gesund werden, hörst du mich, Dongsaeng“, flüsterte Yunho mit leicht rauer Stimme und atmete tief ein und wieder aus, während er das Gesicht des Jüngeren beobachtete. „Wage es ja nicht zu sterben…“ Yunho drückte die Hand noch einmal behutsam, legte sie dann zurück neben Junhos Körper, ehe er sich langsam erhob und den Raum gemeinsam mit Donghae wieder verließ, der die Tür hinter ihnen leise zu schob. Yunho fuhr sich mit einer Hand über das Gesicht, atmete einmal tief durch, ehe er Donghae wieder ansah. „Wo ist Eunhyuk?“ – „Er sucht… er sucht mit nach Prinz Junsu, mein Prinz“, antwortete Donghae behutsam. Yunho nickte und blickte noch einmal auf die geschlossene Tür. „Gut. Bleib du hier und pass auf Junho-ah auf. Wenn es irgendwelche Veränderungen seines Zustandes gibt, möchte ich sie sofort erfahren. Ich suche Eunhyuk auf, damit er mir erklären kann, wie es überhaupt dazu kommen konnte.“ Yunhos Augen blitzten kurz gefährlich auf, ehe er sich abwandte. Er marschierte die Treppe hinab und verneigte sich im Vorbeigehen leicht vor ihrem Heiler, der gerade auf dem Weg zurück zu Junho zu sein schien. „Mein Prinz“, murmelte der Mann, ehe er die Treppe hinauf stieg. Yunho schenkte ihm keine weitere Beachtung. Er wusste, dass alle taten was auch immer in ihrer Macht stand, um Junho zu retten. Yunho trat aus der Pagode. Es hatte begonnen zu schneien, kleine, weiße Schneeflöckchen rieselten aus dem hellen Himmel. Yunho blickte kurz hinauf in die Wolken, ehe er zu Changmin hinüber trat, der wieder einmal die Pferde fest hielt. „Und?“, fragte der junge Mann gefasst, nachdem er Yunho die Zügel seines Pferdes gereicht hatte. Yunho schwang sich wieder in den Sattel und wartete noch, bis auch Changmin auf seinem Braunen saß. „Er muss einfach wieder werden“, antwortete Yunho und presste seine Lippen angespannt zusammen, als er kurz seinen Blick zu dem Fenster hoch wandern ließ, das zu dem Raum gehörte, in dem sein kleiner Bruder verletzt lag. „Er muss einfach“, murmelte Yunho noch einmal, wendete sein Pferd und ließ den Hengst in einem ruhigen Trab die Brücke überqueren, um zu den Ruinen der Schlafquartiere zu reiten. ~*~*~*~*~*~ Yunho fand Eunhyuk bei den anderen Soldaten, die die Leichen aus den schwelenden Überresten des Hanoks bargen, das einmal das Schlafquartier der Prinzen gewesen war. Er hatte zuvor Changmin angewiesen, die Pferde zum Stall zu bringen. Sie hatten bereits einen weiten Weg hinter sich. Yunho war direkt aufgebrochen, nachdem der Bote, der seine und des Königs Unterkunft in der Morgendämmerung erreicht hatte, ihnen berichtet hatte, was geschehen war. „Mein Prinz“, ehrfürchtig verbeugte sich Eunhyuk vor dem Erben, als dieser ihn in den Ruinen erreichte. Yunho musterte ihn kurz, dann wanderte sein Blick über die verbrannten Holzbalken, die überall auf dem Boden lagen. Man konnte die Grundrisse des Hanoks noch erkennen. Doch Yunho hatte das Haus auch so gut genug gekannt, dass er hätte sagen können, wo sie standen, ohne die schwelenden Überreste der Türen sehen zu müssen. „Wie kam es dazu, dass mein Bruder hier schlief und nicht bei seinem Zwillingsbruder?“, fragte Yunho, während er seinen Blick über die Soldaten wandern ließ, die die Überreste weg transportierten. Nur wenig entfernt stand ein Wagen, auf dem sich fünf oder sechs Leichen befanden. Yunhos kühler Blick kehrte zu Eunhyuk zurück. „Sie hatten Streit, mein Prinz. Ihr kennt eure Brüder…“, begann Eunhyuk, scheinbar mit leichtem Unwohlsein. Yunho musterte ihn. „Ja, das tue ich“, antwortete er ruhig, jedoch hörbar unterkühlt. Eunhyuk fuhr fort. „Nun ja, Prinz Junsu beschloss, dass er in Euer Zimmer gehen würde für die Nacht, wo ihr doch nicht da ward. Ich dachte mir nichts dabei, schließlich hatten sie öfter Streit und am nächsten Tag war wieder alles in Ordnung. Ich ließ Posten vor Prinz Junsus… vor Euren Gemächern, mein Prinz, aufstellen und legte mich dann in den angrenzenden Räumlichkeiten zur Ruhe. Und als ich mitten in der Nacht erwachte, stand das Gebäude bereits in Flammen. Ich kam gerade noch so heraus.“ Yunho musterte den jungen Mann mit zusammen gepressten Lippen. Natürlich verstand er den Überlebensinstinkt nur zu gut, verstand, dass Eunhyuk sich aus den Flammen gerettet hatte. Und dennoch. „Du warst verantwortlich für seine Sicherheit“, zischte Yunho zwischen zusammen gepressten Zähnen hervor, das Gesicht unbewegt wie Eis. Eunhyuk senkte seinen Blick zu Boden. „Du hättest ihn retten müssen… oder sterben bei dem Versuch.“ „Ich weiß, mein Prinz“, flüsterte Eunhyuk erstickt. Yunho wandte sich abrupt ab und ging energischen Schrittes zu dem Befehlshaber des Trupps, der mit nach Junsus Leichnam suchte. „Habt ihr ihn gefunden?“, fragte er angespannt, noch während er auf den Mann zuging. „Nein, mein Prinz“, erwiderte dieser mit einem Kopfschütteln. „Es ist wirklich seltsam, wir-“ – „HIER!“ Yunhos Blick schnellte herum, als er den lauten Ruf des Soldaten hörte, der in einiger Entfernung an einem Baum stand. Yunho verengte seine Augen zu Schlitzen, um etwas erkennen zu können. Da der Soldat immer noch wild gestikulierte, eilte Yunho mit dem Leutnant zu ihm hinüber. Und als er erkannte, was dort in den Zweigen hing, wurde die Frage in seinem Kopf nur noch größer. Es war ein feines Kettchen aus schwarzem Band mit roten Achatperlen. Yunho reckte sich hinauf und erwischte das Schmuckstück mit seinen Fingerspitzen. Es glitt kühl in seine Handfläche. Yunho öffnete seine Hand, die Stirn gerunzelt. Er kannte dieses Schmuckstück. „Ist das-“ – „Es gehörte meinem Bruder“, murmelte Yunho und drehte die filigrane Arbeit behutsam zwischen seinen Fingern. Das Seidenband war ausgefranst, sah aus wie durchgebissen. Yunho brauchte nicht den Namen auf der kleinen, goldenen Plakette zu lesen, um sicher zu wissen, dass es Junsus war. Ihre Mutter hatte jedem von ihnen eines gegeben, sie trugen sie seit ihrer Geburt. Yunho schloss seine Finger um die kühlen, feuerfarbenen Perlen und sah auf. Die Soldaten standen schweigend um ihn herum, warteten darauf, was er sagen würde. „Mein Bruder lebt. Und wo auch immer er ist, ich werde ihn finden. Und WER auch immer es gewagt hat, ihn zu entführen, wird dafür teuer bezahlen.“ ~*~*~*~*~*~ Es dauerte genau zwei Tage. Am zweiten Tag kam ein Bote zum Schloss, der darauf drang, Prinz Yunho sehen zu müssen. Er habe dringende Nachrichten. Yunho, der sich gerade mit Changmin und seinem Cousin Kangin beriet, war alles andere als gut gelaunt, als man sie unterbrach. Er hatte die letzten Nächte wenig bis gar nicht geschlafen und dem entsprechend dünn waren seine Nerven geworden. Gerade redete er mit Changmin und Kangin darüber, wie man am besten eingrenzen könnte, wohin man seinen kleinen Bruder verschleppt hatte – wobei ohnehin noch fraglich war, wie man den Prinzen hatte aus den Gemächern entführen können, ohne dass es bemerkt worden war – als der Mann keuchend in den kleinen Saal gestolpert kam. „Mein Prinz… Prinz Yunho…!“ Yunho starrte den Mann fassungslos an. Niemand wagte es für gewöhnlich, einfach so in seine Unterredungen hinein zu platzen. Niemand wagte es im Allgemeinen, ihn bei irgendetwas ungefragt zu stören. Eine Augenbraue zuckte gefährlich, während Yunho seine Sitzposition ein wenig veränderte und seine Arme vor der Brust verschränkte. Er starrte den Mann stumm an, doch sein Gesichtsausdruck sagte deutlich genug, dass er kurz vorm Explodieren war. Changmin und Kangin warfen sich einen kurzen Blick zu, dann zogen sie sich still in den Hintergrund zurück. Yunho saß alleine hinter dem großen Tisch, auf dem eine Karte des Königreiches ausgebreitet lag. „Was?“ Seine Stimme war schneidend. Im Hintergrund schlugen Kangin und Changmin stumm ein, wobei sie versuchten ihren Gesichtsausdruck unbewegt zu halten und das Grinsen zu unterdrücken, das sich auf ihren Gesichtern ausbreiten wollte. „Prinz Yunho“, keuchte der Mann, der auf den Dielen kniete und auf seine Hände am Boden blickte. „Es wurde… im Westen heißt es, wurde ein Drache gesichtet, der Richtung Norden flog!“ Stille folgte diesen Worten und der Bote wagte es nicht, seinen Blick zu heben, bis: „Ein Drache?!“ Nun warf der Mann auf dem Boden doch einen raschen Blick hinauf zu Yunho und nickte dann. „Ja, mein Prinz.“ Er räusperte sich leise, um seine Stimme ein wenig zu festigen. „Man sagt es sei der erste, der jenseits der großen Wüste gesehen wurde, seit-“ – „Ich weiß, wie lange keine Drachen mehr in dieser Gegend gesichtet wurden“, fuhr Yunho dem Boten mit einem Zischen dazwischen, erhob sich in einer fließenden Bewegung und gab dem Drang nach, sich unruhig auf und ab zu bewegen. Der Mann zu seinen Füßen schwieg. Er wagte es nicht mehr, sich zu Wort zu melden. Yunho drehte sich schließlich zu Kangin und Changmin, die entgegen ihrer Albernheiten zuvor nun ernst und ruhig auf seine Entscheidungen warteten. „Kangin, schicke Truppen nach Norden, Osten, Süden und Westen aus, um zu erforschen, was es damit auf sich hat.“ Kangin nickte kurz und verschwand dann raschen Schrittes. Dann fasste Yunho seinen Leibwächter Changmin ins Auge. Der junge Mann erwiderte seinen Blick gefasst. „Du sorgst dafür, dass ein Bote zu meinem Vater geschickt wird.“ Changmin nickte ebenfalls, ehe er rasch verschwand. Yunho wandte sich wieder dem Boten zu und fuhr sich kurz über den Kopf. „Wieso all das jetzt“, murmelte er sich selbst zu, ehe er mit einer abwinkenden Bewegung andeutete, dass der Mann, der immer noch auf dem Boden hockte, sich entfernen durfte. In der Tür prallte er beinahe mit einem anderen Mann zusammen und Yunho, der sich kurz davor angeschickt hatte, sich auf seinem Platz nieder zu lassen, blickte leicht genervt auf. Doch sein Blick veränderte sich, als er Donghaes gehetzten Gesichtsausdruck sah. „Mein Prinz, euer Bruder“, Donghae rang um Atem und Yunho wartete angespannt darauf, dass er endlich fortfuhr. „Er ist aufgewacht, mein Prinz!“ ~*~*~*~*~*~ Schwer atmend betrat Yunho den Raum in der Pagode. Der Heiler saß an Junhos Lager und blickte zu ihm auf. Er nickte Yunho zu, bedeutete ihm jedoch ruhig zu sein und so begab Yunho sich bemüht ruhig zu seinem verletzten Bruder, der unverändert da lag. Doch als Yunho sich neben ihn hockte, erkannte er, dass Junhos Augen geöffnet waren. Sein kleiner Bruder wirkte desorientiert und mehr als erledigt, doch er war wach! „Junho-ah.“ Yunhos Stimme war gedämpft. Er hatte das Gefühl, seinen Bruder mit einer zu lauten Stimme nur zu belästigen. Er sah so verletzlich aus. Dennoch streckte er seine Hand nach dem Jüngeren aus und strich ihm die Haare aus der Stirn. Junho erwiderte seinen Blick und als er seinen Mund öffnete, kam als erstes ein schwerer Atemzug über seine Lippen. „Hyung.“ Junho hob schwerfällig seine gesunde Hand und griff nach Yunhos. Dieser drückte die Hand seines jüngeren Bruders vorsichtig. „Du bist wach.“ – „Hyung, was ist mit Junsu? Habt ihr ihn gefunden?“ – „Shh… Wir suchen noch nach ihm, aber…“ Kurz blickte Yunho zu dem Heiler auf. Wer hatte Junho erzählt, dass sein Bruder nicht bei dem Brand ums Leben gekommen war? „Hyung, Su-ah ist nicht tot“, erklärte Junho heiser, jedoch fest überzeugt. Er erinnerte sich an den Schatten, der über ihn geflogen war. „Ich weiß, aber woher weißt du das, Dongsaeng.“ – „Ich habe es gesehen.“ Junhos Augen glitten zu, er schien kurz davor, wieder weg zu driften. Yunho merkte erst, dass er seinen Bruder leicht an der Schulter gepackt hatte und schüttelte, als der Heiler nach seinem Arm griff und ihn weg schob. Doch Yunho musste das wissen. „Was, was hast du gesehen?!“ – „Den Schatten“, murmelte Junho und öffnete seine Augen noch einmal, um Yunho anzusehen. „Was für-“ – „Am Himmel… wie ein Drache… riesige Flügel…“ – „Junho-ah!“ Wieder war Yunho versucht den Jüngeren an der Schulter zu packen, doch der Heiler sah ihn kühl an. „Mein Prinz, euer Bruder braucht Ruhe. Mehr kann er euch nicht sagen, das ist alles, was er die ganze Zeit vor sich hinmurmelt. Dass er euch das sagen möchte. Gebt ihm die Ruhe, die er braucht.“ Yunho presste seine Zähne fest auf einander, nickte jedoch knapp. Er erhob sich und verneigte sich mit einem Kopfrucken vor dem Mann, der sich um Junho kümmerte. Dann verließ er den Raum mit raschen, festen Schritten, nachdem er noch einen letzten Blick auf seinen Bruder geworfen hatte. „Lass ihn nicht aus den Augen. Ich will, dass er wieder gesund ist, wenn ich wieder zurückkomme.“ Der Blick, den Yunho Donghae bei diesen Worten zukommen ließ, war kalt. „Mein Prinz?“ – „Ich werde meinen anderen Bruder finden.“ Yunho war schon auf halbem Weg die Treppe hinab, als er sich noch einmal zu Donghae herum drehte. „Wage es nicht, Junho sterben zu lassen.“ Kapitel 2: Kapitel II --------------------- Ihm war kalt, seine Kleidung war klamm und dennoch machte Junsu keinen Mucks. Er saß... lag nun schon eine ganze Weile auf einem sich auf und ab bewegenden… Etwas. Anders konnte Junsu es nicht beschreiben, denn bisher hatte er noch nicht gewagt, seine Augen zu öffnen. Man hatte ihn mitten in der Nacht aus seinem Schlaflager gerissen und durch einen Schlag auf den Hinterkopf sehr effektiv außer Gefecht gesetzt, da man befand, dass er sich zu sehr wehrte. Jedoch hatte er es noch gerade so geschafft das Armband, das ihm seine Mutter geschenkt hatte, durchzubeißen und fallen zu lassen. Es war dunkel gewesen, deshalb hatte Junsu nicht gesehen, wo es gelandet war, doch er hoffte inständig, dass man es fand und zumindest irgendwelche Schlüsse daraus ziehen konnte, in welche Richtung er verschleppt worden war. Ebenfalls hatte er nicht erkennen können, auf was für ein… Ding man ihn verfrachtet hatte, ehe er unfreiwillig ins Reich der Träume geschickt worden war. Fakt war nun jedoch, dass ihm ziemlich übel war – vermutlich von dem Schlag und der kontinuierlichen Bewegung seines Untergrunds – er fror und er… ‚Scheiße‘, dachte sich Junsu, da er spürte, dass seine Handgelenke fest auf seinem Rücken mit einander verzurrt waren. Die Seile schnitten in seine Haut, als er auch nur leicht versuchte sie auseinander zu bewegen. Es brachte ihm nichts, außer „Hey, ich glaube unser Prinzchen wacht auf“. Junsu biss sich leicht auf die Unterlippe und blieb wieder ruhig liegen. Vielleicht glaubten sie ja, dass sie sich vertan hatten – wer auch immer sie waren. Sein Kopf pochte nach wie vor und die Übelkeit war es schließlich, die Junsu einen Strich durch die Rechnung machte, nicht bemerkt zu werden. In seinem Mund machte sich deutlich das Gefühl breit, das man immer bekam, wenn man sich jeden Augenblick übergeben musste und schließlich würgte der junge Prinz unterdrückt und schmeckte Galle, die ihm ätzend den Hals hinauf stieg. Tapfer schluckte Junsu alles wieder herunter, was jedoch nur bewirkte, dass er ein weiteres Mal würgte und er dieses Mal wirklich nichts mehr dagegen tun konnte, dass er sich erbrach. „BAH! Der Kerl hat mir auf die Stiefel gekotzt!“ Junsu hustete und öffnete nun doch seine Augen. Dennoch konnte er sich nicht orientieren, alles um ihn herum drehte sich. „Stell dich nicht so an, durch den Wind bekommst du doch gar nichts davon mit“, sagte der andere Mann. Junsu spürte eine Hand in seinen Haaren, die seinen Kopf grob in den Nacken zog, sodass er nur noch keuchend um Atem ringen konnte. „Wag es ja nicht, dich noch einmal zu übergeben, du kleiner-“ – „Reiß dich zusammen, Mann! Es ist doch nur ein bisschen Kotze.“ – „Nur ein bisschen Kotze? Das sind meine neuen Stiefel!“, entrüstete sich der Mann, der immer noch Junsus Kopf in den Nacken gezogen hielt. Während die beiden sich stritten hatte Junsu ein wenig Zeit seine Sinne zu sortieren. Doch selbst nach mehrmaligem Blinzeln konnte er nichts um sich erkennen, als… Blau. Weiß. Ihm war so kalt. Die seidenen, klammen Schlafroben, die er trug, schützten ihn nicht wirklich vor dem kalten Wind, der hier wehte. „Wo bin ich“, krächzte Junsu. Auch wenn er nicht wusste ob es eine gute Idee war, die Aufmerksamkeit der Streithähne wieder auf sich zu richten. „Halt die Klappe!“ Sein Kopf wurde wieder los gelassen und Junsu sackte zurück auf das Transportmittel, auf dem er lag. Vielmehr schien er bäuchlings auf den Beinen des Mannes zu liegen, dem er anscheinend auf die neuen Stiefel gekotzt hatte. Er keuchte leise, hörte dennoch die Stimme des anderen Mannes, der vor ihnen zu sitzen schien. „Heechul, der Boss hat gesagt, er braucht ihn lebendig und unversehrt!“ – „Ich tu ihm doch nichts“, fauchte der Mann namens Heechul zurück und schnaubte. „Den Schlag hast du ihm verpasst.“ – „Weil ich keine andere Wahl hatte, aber wenn du ihn fallen lässt, dann-“ – „Ich bin nicht blöd!“, schnauzte der Mann zurück, der Junsu hielt und Schweigen kehrte zwischen ihnen ein. Was sollte sein, wenn man ihn fallen ließe? Es fühlte sich nicht so an, als ob sie mit großer Geschwindigkeit unterwegs wären, mal abgesehen von dem Wind, der an seinem müden Körper zerrte. Junsu wagte es ein weiteres Mal die Augen zu öffnen und sah dieses Mal hinab. Als erstes fokussierte sich sein Blick auf die Stiefel, an deren Spitze etwas klebte, das verdächtig nach seinem Erbrochenen aussah. Junsus Magen wollte schon wieder rebellieren und rasch schloss er seine Augen, atmete tief durch und öffnete sie dann wieder. Angestrengt versuchte er mehr zu erkennen. Etwas zu erkennen. Den Boden. Doch da war kein Boden. Da war nur… Weiß. Weiße Schleier, wo auch immer er hin blickte. Hatte sein Sehvermögen irgendwie gelitten? Wieso konnte er nichts erkennen… Dann kamen sie mit einem Mal über ein Stück, wo das Weiß verschwand und Junsu verstand. Er stieße einen Schrei der Angst und Überraschung aus, stemmte sich gegen die Fesseln, die ihn hielten und wäre beinahe nach hinten hinab geglitten, wenn ihn nicht starke Hände gepackt und festgehalten hätten. „Siwon, ich würde sagen unser Prinzchen hat soeben kapiert, wo er sich befindet.“ Er hörte deutlich die Schadenfreue aus der Stimme Heechuls heraus, als er dies sagte. Und so tat es Junsu überhaupt nicht Leid, dass die nächste Ladung aus seinem Magen nicht nur Heechuls Stiefel traf, sondern auch dessen weiße Hose. Er hustete und das Dröhnen in seinen Ohren reichte beinahe dazu aus, den neuerlichen Schrei des Mannes zu überdecken, als dieser das Malheur auf seiner Kleidung begutachtete. „Siwon! Geh sofort runter! Ich halte diesen… diesen… Cretain nicht mehr fest! Wir tauschen!“ – „Vielleicht sollten wir einfach eine Pause machen. Es scheint ihm nicht gut zu gehen…“ Heechul schnaubte auf Siwons Worte hin, sagte jedoch nichts dagegen und so stand fest, dass sie wohl eine Pause einlegen würden. Junsu war dankbar für die Aussicht, von diesem etwas herunter zu kommen und wieder festen Boden unter den Füßen zu spüren. Fliegen war nichts für ihn. Eindeutig nicht. ~*~*~*~*~*~ Sie waren an einem Waldrand gelandet, wo Heechul Junsu unsanft von sich gestoßen hatte. Der junge Prinz stolperte auf seine kalten, tauben Füße, die ihm jedoch den Dienst versagten, sodass er nach hinten über kippte. Noch im Fall, ehe er seine gefesselten Arme schmerzhaft unter sich begrub, sah Junsu, worauf sie da durch die Luft geflogen waren. Und es verschlug ihm den Atem. Er versuchte so schnell er konnte rücklings von dem Ungetüm weg zu kriechen. Es war riesig. Mindestens 10 Meter lang. Seine Haut, seine Schwingen, die er gerade eng an seinen echsenartigen, langen Leib gepresst hielt, waren von einem dunklen Stahlgrau. Seinen vergleichsweise kleinen, flachen Kopf hatte der Drache auf den Boden gelegt und unter seinen halb geschlossenen Augenlidern schimmerte es pechschwarz. „Atmen“, sagte Siwon, den Junsu jetzt das erste Mal sah, dem er jedoch keinerlei Beachtung schenken konnte, trocken und packte ihn unter den Oberarmen, um ihn unsanft in die Höhe zu ziehen. Alles drehte sich und Junsu taumelte, was jedoch nicht weiter von Bedeutung war, da Siwon ihn um die Hüfte packte und sich über die Schulter warf. Junsu ächzte. Er bekam nicht richtig Luft und die muskulöse Schulter des Mannes, die sich in seinem Bauch drückte, tat seinem eh schon schwachen Magen nicht gut. Man trug ihn ein Stück zwischen die Bäume, setzte ihn schließlich am Fuße einer großen Eiche ab und fesselte ihn an den Stamm. Als ob er gerade auch nur an eine Flucht denken könnte. In seinem Kopf dröhnte es immer noch, alles drehte sich und ihm war so unglaublich übel. Und kalt. Heechul verschwand als erstes an den nahe gelegenen Fluss, um Wasser zu holen – und um seine Hose sauber zu waschen, wie Junsu zu wissen glaubte. Siwon derweil kümmerte sich um ein Feuer. Junsu ließ den Drachen, der am Waldrand lag nicht aus den Augen. Er hatte sich zusammen gerollt und sah beinahe ein wenig aus wie eine Raubkatze, die sich ein wenig in der Sonne ausruhte. Nicht, dass Junsu je eine echte, lebendige Raubkatze gesehen hatte, doch seine Lehrer hatten ihn Bücher über sie lesen lassen. Ihm Bilder gezeigt. Und wie dieser Drache seinen Kopf unter seine Schwinge schob und seinen langen Schwanz nach vorne um seinen Körper wickelte, sah er doch sehr wie die Wildkatzen auf den Bildern aus. Junsu fühlte sich nicht wohl in der Nähe des Drachen, auch wenn er im Moment vollkommen harmlos schien. Auch wollte er nicht wieder auf den Rücken von diesem Wesen. Da blieb er doch lieber auf dem Boden, danke. Doch das war nicht seine Entscheidung. Schon am frühen Nachmittag nach einem kargen Mahl, verfrachtete Siwon den Prinzen wieder auf den Rücken des Drachen, damit sie weiter fliegen konnten. Dieses Mal jedoch saß Heechul vorne. Junsu wurde zwischen seine beiden Entführer gesetzt, nun da er wieder bei Bewusstsein war. ~*~*~*~*~*~ Bis zum Abend überflogen sie das Meer an der Spitze des Waldes. Die Bäume schienen so hoch, dass es unmöglich schien über sie hinweg zu fliegen. Andernfalls hätten sie es getan, nicht wahr? Junsu konnte sich nicht vorstellen, dass seine Entführer ihm die schöne Landschaft des Königreiches zeigen wollten. Als er sich erst einmal ans Fliegen gewöhnt hatte, konnte er sogar hin und wieder hinab blicken, da er eh nichts anderes zu tun hatte. Seit dem der Nebel des Tages sich über die Zeit, in der sie gerastet hatten gelegt hatte, konnte Junsu die Welt unter ihnen dahin fliegen sehen. Sie hatten sich am Waldrand gehalten, wo die Bäume noch niedrig waren und dennoch war der Anblick Atem beraubend. Das zarte Grün der ersten Schösslinge wogte wie ein Meer unter ihnen, während sich neben ihnen das Gebirge aus riesigen Hyperionbaumwipfeln erhob, deren Laub weder im Herbst noch Winter fiel und nur seine Farbe mit den Jahreszeiten änderte. Als sie schließlich die Grenze zum richtigen Meer überquerten, dachte Junsu gar nicht mehr an seine Angst herunter zu fallen. Das Blau glitzerte unter ihnen in den letzten orangenen Sonnenstrahlen des kalten Frühlingsabends. Junsu bibberte, da die salzige Brise ihm selbst hier oben entgegen schlug. Er sah die Inseln der Seommin unter sich, sah sogar ihre Bote… Kurz kam ihm der Gedanke, ob er sie nicht auf sich aufmerksam machen könnte. Ob sie ihm nicht helfen könnten. Doch schon kurz darauf schlug er sich innerlich selbst für seine Dummheit. Er war hoch in der Luft. Auf dem Rücken eines Drachen. Wer konnte ihm hier schon helfen? Junsu dachte an seine Familie. Seine geliebten Brüder. Würde er sie jemals wieder sehen? Dachten sie an ihn? Suchten sie vielleicht schon nach ihm? Sicherlich wurde nach ihm gesucht, aber würden sie ihn finden? Und würden sie ihn nach Hause holen können? ~*~*~*~*~*~ Den nächsten Halt legten sie erst ein, als die Nacht bereits herein brach. Am Horizont konnte Junsu den orange roten Feuerball im Meer untergehen sehen, doch er hatte schon kaum noch Augen für die Schönheit dieses Anblickes. Er fror erbärmlich in seiner viel zu dünnen Kleidung und kauerte sich schon seit geraumer Zeit zwischen seinen beiden Entführern zusammen, in der Hoffnung zumindest ein wenig Schutz vor dem Wind zu finden. Die beiden anderen trugen Pelzmäntel, ihnen durfte also alles andere als kalt sein. Doch Junsus Zustand schien sie nicht zu interessieren. Der junge Prinz spürte seine gefesselten Hände schon nicht mehr, als sie schließlich zur Landung ansetzten. Sein Magen rumorte wieder einmal und er war dankbar, als sie nahe der Küste am Waldrand landeten. Junsu fiel müde zu Boden. Seine schwachen Beine wollten nicht einmal mehr die Last seines Körpers tragen, doch er wurde unsanft wieder in die Höhe gezogen. „In den Wald“, murrte Heechul unwirsch hinter ihm und er stolperte wie befohlen zwischen die Bäume. Junsu hörte das Rauschen der Schwingen hinter sich und blickte gerade noch rechtzeitig über die Schulter um zu sehen, wie der Drache wieder los flog. Dann wurde er wieder in den Rücken gestoßen, verlor das Gleichgewicht und stürzte mit dem Gesicht voran in das Laub auf dem Waldboden. Sich leicht windend, jedoch nicht hoch kommend, da seine Hände nach wie vor auf seinem Rücken gefesselt waren, stöhnte Junsu unterdrückt unter Schmerzen. Er schmeckte Blut auf seiner Zunge und seine Wange brannte. „Heechul! Der Boss sagte doch, er will ihn unbesch-“ – „Mach dir nicht ins Hemd. Ein paar Kratzer mehr oder weniger machen nichts“, murrte Heechul missgelaunt zurück. War dieser Kerl eigentlich auch mal irgendwann nicht schlecht drauf? Siwon war es schließlich, der ihn aus dem Dreck auf die Seite rollte. Junsu kauerte sich bibbernd zusammen. Hier war es zwar wärmer als dort oben in der Luft, doch sein Körper war vollkommen ausgekühlt. Siwon warf ihm nur einen kurzen Blick zu, ging dann zu dem Gepäck, das er vom Rücken des Drachen genommen hatte, zog eine Decke hervor und warf sie unliebsam über Junsus Körper. Dann machte er sich daran ein Feuer zu machen. Als Heechul und Siwon gegessen hatten – Junsu hatte ihnen nur mit knurrendem Magen zugesehen – kam letzterer zu ihm herüber und wollte ihm gerade ein Stück trockenes Brot zwischen die Lippen schieben, als Junsu seinen Kopf weg drehte. „Ich spüre meine Hände nicht mehr“, murmelte er mit unsicherer Stimme, jedoch fest entschlossen, nicht zu essen. Er hörte Heechuls Schauben. „Iss einfach“, meinte Siwon, doch Junsu presste seine Lippen zu einer schmalen Linie zusammen. Er hörte den Mann vor sich frustriert seufzen. „Dann lass ihn doch einfach hungern“, meinte Heechul gleichgültig. „Der Boss“, noch ehe Siwon diesen Satz beenden konnte, drehte sich Heechul geräuschvoll um, zog sich seine Decke über den Kopf und sagte: „Du übernimmst die erste Wache.“ Junsu sah Siwon aus dem Augenwinkel an, der immer noch mit dem Brot in der Hand vor ihm stand, jedoch Heechul anstarrte. „Hey“, machte er leise auf sich aufmerksam und Siwon sah ihn wieder an. „Ich muss mal.“ Zumindest das hatte gewirkt, damit Siwon ihn kurzzeitig von seinen Fesseln befreite. Junsu rieb sich über die blutleeren Handgelenke und zog sich hinter einen Baum zurück, Siwon kam jedoch mit ihm. „Ich kann nicht, wenn du daneben stehst“, gab Junsu leicht ungehalten von sich und starrte Siwon an. „Dann kann es ja so dringend nicht sein“, entgegnete der andere nur. Junsu drehte sich wortlos von Siwon weg. ~*~*~*~*~*~ Schlussendlich saß Junsu wieder wie bei der letzten Pause an einen Baumstamm gefesselt da. Doch immerhin hatte Siwon ihm wieder die dünne Decke um den Körper gelegt, sie irgendwie an seinen Schultern festgesteckt, ehe er sich auf seinen Wachposten am Lagerfeuer begeben hatte. Dennoch konnte Junsu nicht wirklich Schlaf finden. Er nickte immer wieder ein, da seine Augen einfach zu schwer wurden. Sein Kopf fiel zur Seite auf seine Schulter und nur wenige Augenblicke später wachte er wieder aus seinem Schlaf auf. Er fühlte sich nicht sicher hier. Auch nicht, wenn Siwon Wache hielt. Wie könnte er auch, er war gekidnapped worden! Mitten in der Nacht schließlich hörte Junsu wieder die Schwingen des Drachen, der sich nahe ihrem Lager am Rande des Waldes vermutlich zum Schlafen einrollte. Junsu spürte sein Herz rasend in seiner Brust schlagen, bei dem Gedanken daran, dass es vielleicht ein anderes großes Tier war, dass sie jeden Augenblick angriff… Doch es blieb ruhig. Und schließlich nickte auch er wieder leicht weg, während er Heechuls leises Schnarchen hörte. Das nächste Mal als Junsu aus seinem Schlaf schreckte, hörte er ein leises Rascheln. Es hörte sich an, als ob es über ihnen in den Baumwipfeln wäre. Noch desorientiert blickte er sich um, konnte jedoch in den Schatten der Wipfel nichts erkennen. Sein Blick huschte zu Siwon, der jedoch ruhig da saß und in die Flammen des Feuers starrte. Junsu atmete tief ein und versuchte sich zu entspannen. Da. Wieder ein leises Rascheln. War es nur der Wind in den Zweigen? Die Luft anhaltend richtete der Prinz wieder seinen Blick hinauf in die Baumkronen. Doch da war nichts. Nur Dunkelheit. Nur… und dann sah er es. Es war das Gesicht eines jungen Mannes, dort oben in den Baumwipfeln. Er hielt sich in den Schatten, doch die helle Haut seiner exotischen Züge schimmerte leicht in der Dunkelheit. Junsu starrte ihn an. Und der Mann starrte zurück. Es dauerte einen Augenblick, ehe Junsu sich von seinem Schrecken erholt hatte. Er dachte rasch nach: Würde dieser Mann sie angreifen und ihn und seine Entführer töten? Oder würde er ihm womöglich hier heraus helfen? Junsus Blick huschte kurz zu Siwon, der jedoch immer noch ruhig am Feuer saß. Rasch richtete er seinen Blick wieder hinauf in die Zweige. Doch das Gesicht war verschwunden, nur Schatten bewegten sich in den jungen Blättern der Bäume. Dieser Teil des Waldes nahe dem Meer schien der Frühling schon intensiver berührt zu haben. In dieser Nacht gab es keinen Frost. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)