Broken Record von Flordelis ================================================================================ Third Record: I'll see what my magic can do. -------------------------------------------- Da ein Kampf unausweichlich schien, zogen Raquel, Jude und auch Yulie bereits ihre Waffen hervor, während Scythe so gelassen dastand, als könnte ihn kein Wässerchen trüben und als wüsste er schon lange, bevor sie überhaupt aufgetaucht waren, dass er gewinnen würde – eine Tatsache, an der Arnaud nicht im Mindesten zweifelte. Seine Furcht ließ immer noch nicht zu, dass er sich rührte und so konnte er nur mitansehen, wie seine Gefährten-wider-Willen sich dem Crimson Noble stellten, nur um – mit vollkommener Sicherheit – von ihm zermalmt zu werden. Aber vielleicht könnte er einfach fliehen, während die anderen ihren Feind ablenkten? Vielleicht könnte er durch seinen fehlenden Widerstand nochmal mit ihm reden. Immerhin war er nicht freiwillig in diese Sache geraten, das müsste er doch einsehen und ihn deswegen am Leben lassen! Doch die amüsierte Stimme Scythes verriet ihm, dass es diesem gar nicht so sehr um Schuld oder Unschuld ging und er lediglich Vergnügen aus dem Winden seiner Opfer zog: „Wahrscheinlich langweilt euch dieses luftige Abenteuer, oder? Nun, ich habe einen Hochgenuss für euch.“ Einen kurzen Moment erlaubte Arnaud sich selbst, sich der Hoffnung hinzugeben, dass er sie gehen lassen würde, doch dieses Bild wurde sofort wieder zerschmettert: „Ich werde euch eine Kostprobe meiner Macht über das Raumgefüge auf dem Schlachtfeld bieten!“ Jude runzelte verwirrt die Stirn. „Raumgefüge? Wovon redest du?!“ In Arnauds Gehirn rasteten derweil einige Räder ein, deren durch sie angetriebenen Mechanismus ihm verrieten, was Scythe damit meinen könnte und in diesem Moment wünschte er sich, den Auftrag, Yulie zu finden, damals abgelehnt zu haben. So wäre er nie in diese Sache hineingeraten. „Dieser Leutnant Scythe“ – Er betonte seinen Posten noch einmal besonders, so als würde er über eine vollkommen andere Person sprechen – „ist niemand anderes als ein Crimson Noble... und ein Meister über den Raum selbst!“ Das ungute Gefühl in Arnaud wurde immer stärker und schien geradewegs an seinem Körper zu ziehen. Es dauerte einen kurzen Moment, bis ihm auffiel, dass es nicht sein Instinkt war, der ihm diesen Eindruck vermittelte und ihn in Sicherheit bringen wollte, sondern das übermächtige Gefühl von Magie, die sich ansammelte, konzentrierte – und das genau in Scythe. Nun war es für Arnaud nicht weiter überraschend, dass er Magie spürte, es war eines der Dinge, die er von seiner Mutter geerbt hatte und im Laufe seines Lebens war er oft in Kontakt damit gekommen, wenn er anderen Leuten begegnet war, die sie wirken konnten. Doch noch niemals war ihm dabei jemand über den Weg gelaufen, dessen Magie so hoch konzentriert, so bösartig war, die regelrecht nur darauf wartete, sie alle zu zerfetzen, inklusive desjenigen, der sie überhaupt rief, um sie einzusetzen. Es war so gewaltig, dass Arnaud nicht anders konnte, als ein leises Keuchen auszustoßen. „Die Menge an Magie, die in seinem Inneren anschwillt, ist wahnsinnig!“ Jude wandte den Blick von Scythe und sah zu ihm hinüber. „Du kannst das spüren?“ „Magie ist meine Spezialität“, antwortete Arnaud zähneknirschend. „Ich kann nicht anders, als es zu spüren. Er ist mehr als ein Mensch... Vielleicht ist er ein Crimson Noble!“ Ein kleines, winziges, geradezu verlorenes Stück in seinem Inneren, klammerte sich noch immer an die Hoffnung, dass dieser Feind doch nur ein Mensch oder alles andere als ein Crimson Noble war. Aber das konnte er nun getrost ignorieren, denn seine Magie verriet ihm, dass er mehr als nur ein Mensch war. Viel mehr. Jude schien das aber nicht wirklich zu bemerken. „Arnaud, es geht alles um Teamwork. Ich bin sicher, wenn wir unsere Kräfte kombinieren-“ „Es ist egal, wie viele von uns da sind!“, unterbrach dieser ihn verärgert. „Wir sind nur Menschen! Wir haben keine Chance gegen ihn!“ „Was sind das für Wesen?“, murmelte ich leise, ohne dass ich das eigentlich gewollt hatte. Candace runzelte die Stirn, während sie darüber nachzudenken schien. „Ich habe sie auch noch nie gesehen. Aber in Ruinen wie diesen findet man nicht selten ungewöhnliche Monster.“ „Das ist wahr“, stimmte Abiel zu. „Aber es verwundert mich, dass wir oben keine Spur von ihnen entdeckt haben.“ „Können wir darüber vielleicht ein andermal sprechen?“, fragte ich mit wachsender Nervosität, als die Wesen immer näherkamen. Sie liefen nur langsam, aber dafür stetig und unaufhaltsam, es kümmerte sie ja nicht einmal, dass sie von der Treppe herabfielen und das flößte mir Furcht ein. Ich wollte nur noch fort von diesem Ort. Sendoa stimmte mir offenbar zu, denn er zog sein Schwert und stürmte in einer fließenden Bewegung auf die Wesen zu. Seine todbringende Klinge fuhr herab und traf fast die gesamte erste Reihe. Jeder menschliche Gegner wäre dadurch gestürzt, aber diesen Kreaturen schien das absolut nichts auszumachen, die Risse, die entstanden, verschwanden sofort wieder, als wären sie nie dagewesen. Sie hielten lediglich einen kurzen Moment inne, bewegten sich dann aber weiter. Sendoa bewegte sich rückwärts und begab sich somit wieder zu uns, worauf wir alle einen ratlosen Blick miteinander tauschten. Ich versuchte, mir etwas auszudenken, aber da ich noch nie an einen solchen Feind geraten war, kam mir nur der Gedanke, dass wir weglaufen sollten. Wenn wir dem Gang folgen würden, kämen wir sicherlich irgendwo raus – oder wir würden in einer Sackgasse oder einem ewigen Labyrinth enden und elend sterben. Es war egal, dass wir zu fünft waren, bei Wesen, die weitaus mehr als Menschen waren, gab es keinerlei Aussicht, sie zu besiegen, wir hatten keine Chance. Aber keiner wollte die Idee mit der Flucht aussprechen, auch ich nicht. Ich war ein Anfänger, wer würde mich schon ernstnehmen? Zu meinem Glück war es Abiel, der mit einer Idee kam: „Es gibt ähnliche Gegner in anderen Ruinen und diese waren immer mit Magie zu besiegen. Vielleicht sollten wir es so versuchen.“ Damit richteten sich alle Blicke auf mich. Im ersten Augenblick fragte ich mich, was alle von mir wollten, aber dann fiel mir wieder ein, dass ich tatsächlich genau wegen solcher Situationen angeheuert worden war. Ich atmete tief durch und nickte. „Okay...“ Beim Anblick der sich uns nähernden Front lief mir immer noch ein eiskalter Schauer über den Rücken, einer jener Art, den man spürte, wenn man sich mit etwas konfrontiert sah, das einem eigentlich nur in Albträumen begegnen sollte. Aber wenn ich überleben wollte, blieb mir wohl kaum eine andere Wahl. Die anderen stellten sich hinter mich, was meine Furcht nicht minderte, sondern sie weiter anfachte. Schlagartig fühlte ich mich einsam, verlassen, als ob sie hinter meinem Rücken ohne mich fliehen würden und schon lange nicht mehr sichtbar waren, selbst wenn ich mich umdrehen würde. Also tat ich genau das nicht und konzentrierte mich lieber auf das, was vor mir war. Zu meinem Glück waren die Wesen zumindest stehengeblieben. Ich gab mich der Hoffnung hin, dass sie eigentlich gar nicht aggressiv waren und nur mit mir zu kommunizieren versuchten, aber das wurde sofort wieder zerschlagen. Um eine der Kreaturen sammelten sich Funken und im nächsten Moment schlug direkt vor meinen Füßen ein Blitz ein, dem ich nur ausweichen konnte, weil ich einen Schritt zurücksprang. Immerhin wusste nun, dass sie gefährlich waren und ich mich keiner Illusion hingeben musste, hier ohne jede Anstrengung herauzukommen. Candace klopfte mir aufmunternd auf die Schulter, der letzte Anstoß, den ich brauchte. Ich konzentrierte mich auf die Magie in meinem Inneren, die träge zum Leben erwachte, sich zäh durch meinen Körper bewegte und sich nur unwillig in den Einsatz begab. Meine Haarspitzen begannen zu knistern, als die mich umgebende Magie sich jener in meinem Inneren anzuschließen versuchte, auch wenn das ohnehin nicht funktionierte. Ich konnte sehen, wie die Wesen vor mir sich anschickten, einen weiteren Zauber zu wirken. Das Prickeln auf meiner Haut bestätigte mich darin und es sagte mir auch, dass ich etwas tun musste, wenn ich nicht ein Häufchen Asche werden wollte. Ich hob meine Hand, in der sich die Magie sammelte und drückte die Faust zusammen. Der Zauber explodierte regelrecht, ergriff allerdings nicht meinen Körper, sondern die Mitte der versammelten Wesen, in einem Versuch, möglichst viel Schaden anzurichten. Tatsächlich gaben sie allesamt ein lautes Kreischen von sich, als die Explosion die Mitte der Meute zerriss, sie geradezu auflöste und ins Nirvana schickte, während denen um sie herum Körperteile abgerissen wurden. Ein wenig war ich dennoch stolz auf mich, immerhin war es das erste Mal, dass ich einen Zauber mit derartigem Ergebnis gewirkt hatte, bislang hatte ich immer nur Übungsziele genutzt. Aber gleichzeitig war es erschreckend. Natürlich bluteten sie nicht, aber es war dennoch ein grotesker Anblick, sie alle mit fehlenden Armen, Beinen oder sogar nur noch halben Köpfen zu sehen. Es ließ mich zurückweichen, bis ich Candaces Hände in meinem Rücken spürte. „Das war super!“, rief sie aus und mir erschien es wie ein Paradoxon, für derartige Katastrophen gelobt zu werden. „Wenn du das noch einmal tust, dann...“ Sie brach urplötzlich ab und senkte die Hände, worauf ich einen Blick hinter mich warf. Trotz der Furcht, dass sie alle fort sein könnten und Candaces Stimme und Berührungen nur Teil meiner Einbildung waren, musste ich wissen, was los war. Zu meiner großen Erleichterung war sie noch da, genau wie alle anderen. Aber die Blicke aller waren weder auf mich, noch auf die anderen gerichtet. Ich hob eine Augenbraue, folgte den Richtungen, in die alle sahen – und spürte, wie sämtliche Farbe aus meinem Gesicht wich. Das Moos an den Wänden leuchtete nicht mehr nur, es brannte regelrecht. Ein unheilvolles blau-grünes Feuer, das nicht von mir verursacht worden war. „Es muss auf die Magie in der Luft reagieren“, vermutete Abiel. „Aber solange es das einzige ist, was uns hier-“ Wieder wurde ein Satz nicht beendet, aber diesmal lag es an dem Knall, der die Luft zerschnitt, gefolgt von einem dumpfen Aufprall auf dem Boden. Ich sah zuerst ein Loch in dem Moos, das von diesem selbst verursacht worden sein musste, denn dahinter war lediglich die Wand zu sehen. Erst als ich die Flugbahn von dem verfolgte, was da abgeschossen worden war, erkannte ich, was die Ursache für den dumpfen Aufprall. Hätte ich in diesem Moment noch Blut in meinem Gesicht gehabt, hätte es dieses nun verlassen, so schien aber mein Herz für einen Augenblick auszusetzen. Sendoa lag reglos auf dem Boden, eine Blutlache breitete sich rasch unter ihm aus. Auch wenn ich im Dunkeln nicht sehen konnte, wo er getroffen worden war, so wusste ich doch sofort, dass er nicht mehr aufstehen würde – und so ging es nicht nur mir. Candace stieß ein trockenes Schluchzen aus. „Sendoa!“ Chad fluchte leise, während Abiel nur wortlos auf hinabsah, mit einem Ausdruck des Schmerzes in seinen Augen. Ich atmete tief durch, während ich zu begreifen versuchte, was geschehen war und mein Herz wieder in Bewegung zu setzen. Ein lautes Kreischen ließ es wieder innehalten. Eines der Wesen war näher herangekommen, ohne dass einer von uns bemerkt hatte und riss Abiel mit diesem Laut zu Boden. Kaum waren sie in einen Nahkampf verwickelt, begann das Wesen zu brennen und ich spürte an der ausströmenden Energie, dass es mein Zauber war, den es gespeichert hatte und nun abgab, um Abiel zu töten. Ich wich zurück, als er gequälte Schreie ausstieß, die von seinem Todeskampf zeugten, das Moos gab wieder einen Knall von sich, etwas schlug an der gegenüberliegenden Wand ein, Chad rief uns zu, vorsichtig zu sein, während Candace einen Heilzauber auf den noch immer kämpfenden Abiel zu wirken versuchte und die Wesen weiter näherkamen und dabei leise Stöhnlaute von sich gaben. In diesem Moment, in dem all diese Eindrücke auf mich niederprasselten und ich meinen eigenen Tod vor mir sah, schnappte etwas in meinem Inneren, mein Fluchtinstinkt erwachte zu neuem Leben – und ich rannte. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)