Herzschlag von Swanlady (Frankenwolf) ================================================================================ Kapitel 1: Herzschlag --------------------- Als er die Wohnung betrat, wusste er sofort, dass etwas nicht stimmte. Die Stille wurde nicht von den üblichen, leisen Geräuschen durchbrochen. Sie lastete auf einmal wieder schwer auf seinen Schultern, wie vor einigen Monaten noch. Es war schon merkwürdig, wie schnell man sich daran gewöhnen konnte, ständig jemanden um sich zu haben, wie leicht es einem fiel, sich von der Einsamkeit zu verabschieden. „Ruby?“, rief er in die Dunkelheit hinein, ehe er an der Wand entlang tastete, um das Licht einzuschalten. Die Antwort blieb aus. Die Tür hinter sich schließend, ließ Victor seinen Blick über den Boden schweifen. Rubys Schuhe waren noch da. Wenn sie die Wohnung nicht barfuß verlassen hatte, dann war sie immer noch hier, wollte ihm nur nicht antworten oder konnte ihn nicht hören. Sich aus seiner Winterjacke schälend, die Schuhe ausziehend und die Tüte mit Einkäufen einfach bei der Eingangstür lassend, bewegte sich Victor auf das Wohnzimmer zu. „Ruby?“, versuchte er es noch einmal und wollte gerade einen Blick in die Küche werfen, als ihm etwas auf der Couch auffiel: ein in eine Decke gewickeltes Bündel, das – wenn man der Größe und den dunklen Haaren, die unter dem Stoff herauslugten, trauen konnte – verdächtig nach der gesuchten Person aussah. Als sie plötzlich von gleißendem Licht geblendet wurde, murrte Ruby protestierend und kniff die Augen zusammen, versuchte ihren Kopf noch mehr in das Kissen zu drücken, um das sie ihre Arme geschlungen hatte. Sie lag zusammengekauert auf dem Sofa und wollte dem Störenfried, der ihr die Decke geklaut hatte, ihr Eigentum wieder entreißen, doch um das zu erreichen, müsste sie ihren Arm unnatürlich verrenken können. Seufzend gab sie auf und öffnete ein Auge, um in das bekannte Gesicht zu blicken, dessen Ausdruck eine Mischung aus Heiterkeit und Fürsorge zeigte. „Du kannst dich nicht den ganzen Tag hier verstecken, Ruby“, sagte Victor und auch wenn er versuchte nicht allzu tadelnd zu klingen, verzog sie dennoch das Gesicht. „Doch, kann ich“, gab sie beinahe patzig zurück, aber statt ihn damit zu verscheuchen oder ihn wenigstens genervt mit den Augen rollen zu lassen, entlockte sie ihm nur ein ersticktes Glucksen. „Das ist nicht lustig“, jammerte Ruby, doch je länger sie seine Mundwinkel beim verräterischen Zucken beobachtete, desto hartnäckiger wollte sich auch ein Lächeln auf ihre Lippen schleichen. „Ich weiß. Ist es noch sehr schlimm?“ Seine verständnisvolle Art erzielte wohl den gewünschen Effekt, denn kaum hatte sich Ruby auf die Seite gelegt, nahm Victor auch schon den kleinen Platz, den sie ihm damit geschaffen hatte, in Anspruch. „Heute Morgen war es schon schlimm, aber ich will gar nicht wissen, was heute Abend sein wird…“ Frustriert zog Ruby die Augenbrauen zusammen, doch ihre Muskeln entspannten sich sofort wieder, als sie spürte, wie Victors Hand ein paar Mal durch ihre langen Haare fuhr. Ruby mochte es, wenn er das tat. Zuerst hatte sie geglaubt, dass es ihre Wolfsseite war, die gekrault werden wollte, aber mittlerweile konnte sie mit Sicherheit sagen, dass sie es war, die es schlicht und einfach angenehm fand. „Kann ich irgendetwas für dich tun?“ Diese Frage hatte er ihr schon heute Morgen gestellt, als er zur Arbeit gegangen war und sie hier auf der Couch zurückgelassen hatte, aber nicht ohne sie zu dem Versprechen zu zwingen, sich nicht den gesamten Tag hier zu verstecken. Sie hatte es nicht gebrochen, denn sie war draußen gewesen – allerdings nur, um den Müll rauszubringen. Ruby plagte das schlechte Gewissen und das nicht wirklich wegen ihres nicht gänzlich eingehaltenen Versprechens. „Es tut mir leid, dass du wegen mir heute zu Hause bleiben musst…“, murmelte sie und erhielt als Antwort sogleich ein skeptisches Stirnrunzeln. „Du weißt genau, dass ich einen ruhigen Abend jeder Feierlichkeit vorziehe“, erinnerte er sie an eine offensichtliche Tatsache und schüttelte sachte den Kopf, als gäbe es nichts, wofür sie sich entschuldigen müsste. „Dann gibt es wohl wirklich etwas, das du für mich tun könntest…“, begann Ruby nach einer Weile, nachdem sie sich seine Worte durch den Kopf hatte gehen lassen und schenkte ihm ein Lächeln, das andeutete, dass sie seine Hilfe annahm. Abwartend sah er sie an. „Bleib hier.“ Kurz huschte Verwirrung über Victors Züge, doch als Ruby noch mehr zur Seite rutschte, um ihm mehr Platz zu machen, begann er zu verstehen. Ein raues Lachen drang unwillkürlich aus seiner Kehle. Er lachte über sich selbst und fragte sich abermals, wann sie es geschafft hatte, ihn so um den Finger zu wickeln. „Als ob ich so eine Einladung ablehnen könnte…“, raunte er und legte sich – mitsamt Hemd und Schuhen – neben Ruby, die im Gegensatz zu ihm viel bequemer angezogen war. Das rote Nachthemd, das sie trug, verriet ihm, dass sie heute wohl wirklich nicht draußen gewesen war, aber wirklich verübeln konnte er es ihr nicht. Er hatte gesehen, wie sehr sie heute Morgen gelitten hatte. Victor hatte zwar damit gerechnet, dass sie sich einen angenehmen Abend machen und gemeinsam etwas essen würden, aber er sah, dass Ruby ihn brauchte und wohl alles andere als hungrig war. „Ich wollte den Abend nicht ruinieren…“, begann sie wieder, doch diesmal wollte er nichts davon hören und legte ihr sogleich die Finger auf den Mund, um sie zum Schweigen zu bringen. „Ich würde nie auf die Idee kommen, mich jetzt zu beschweren“, sagte er mit einem eindeutigen Blick, der Ruby endlich wieder zum Schmunzeln brachte. Victor konnte fühlen, wie sich ihre Lippen unter seinen Fingern bewegten. „Außerdem… wir können uns auch morgen einen schönen Abend machen.“ Kurz mit den Schultern zuckend, hob er schließlich einen Arm an, um ihn um Ruby zu legen. „Heute können wir auch einfach hier liegen bleiben.“ Als einige Stunden später überall in Storybrooke das Feuerwerk losging, kuschelte sich Ruby näher an den warmen Körper neben sich und presste ihr Ohr fest gegen Victors Brustkorb. Sie versuchte sich nur auf seinen Herzschlag zu konzentrieren und die lauten Knalle, die schmerzvoll gegen ihr empfindliches Trommelfell pochten, zu ignorieren. Sein Herz schlug schnell, unregelmäßig und schien selbst nach all den Monaten immer noch auf ihre Nähe zu reagieren. Dieser Gedanke war angenehm und sie würde ihn festhalten, bis dieser schreckliche Lärm vorbei war. Sein Herzschlag war das einzige laute Geräusch, das ihre Sinne nicht überstrapazierte, sondern sie nur noch mehr stimulierte und Ruby hoffte, dass sie sich auch nächstes Jahr an Silvester damit würde ablenken können. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)