Des Prinzen Spielmann von MadDog_Tsurugi ================================================================================ Kapitel 2: Kapitel 2 -------------------- Noch nie zuvor hatte er eines der schweren Eisentore durchschritten, weshalb ihm nicht ganz wohl zumute war. Doch kaum nachdem sie eines der Tore im Neutralen-Viertel betreten und einige Meter hinaufgegangen waren, kam er nicht mehr aus dem Staunen heraus. Die Sonne schien weitaus heller zu scheinen als im Rest des Reiches, grüne Grashalme, die sich sachte dem Wind beugten und mit bedacht angelegte Gärten führten den gesamten Kiespfad hinauf. Springbrunnen, bunte Vögel, die er nie zuvor gesehen hatte und frische Luft umgaben ihn. Fast wie in Trance schritt er neben dem Stadtwächter hinauf in Richtung Schloss, war sich nicht sicher, ob er das alles vielleicht nur träumte. Hatte Alessio ihn vorhin vielleicht doch zu hart geschlagen, ihn von der Mauer geschubst und befand er sich nun in einem Zwischenreich zwischen Leben und Tod? Oder war er beim Spielen der Schalmei eingeschlafen und träumte wirklich bloß? Wie er die hohen Türme des Schlosses erblicken konnte, war er sich sicher, dass nur eine der beiden Möglichkeiten in Frage kommen konnten. Denn niemals hätte er erwarten können, einmal das Schloss zu Gesicht zu bekommen oder gar betreten zu dürfen. Unweit des Schlosses befand sich eine Horde Männer in Reiterkleidung. Sicherlich waren es die, die er von der Marktmauer aus gesehen hatte. Die Männer sahen zu ihm herüber, runzelten ungläubig die Stirn. Der ein oder andere belächelte ihn auf unfreundliche Weise. Der Stadtwächter, der sich als Karesh vorgestellt hatte, hatte ihm keine Einzelheiten seines Angebotes genannt, lediglich, dass er ihn mit zum Schloss nehmen wolle. Naiv wie er war hatte Dorian eingewilligt ohne weitere Fragen zu stellen. Doch nun, da er die Schlossmauern immer deutlicher vor sich sah, wurde er unsicher und verlangsamte seine Schritte, was Karesh scheinbar bemerkte und anfing zu lachen. "Was ist los, Bursche? Verschlägt dir der Anblick etwa die Sprache?" hallte seine kratzende Bärenstimme über den Hof und verursachte so noch mehr neugierige Blicke von Bediensteten, die eifrig im Garten beschäftigt waren. "Nein, der Anblick nicht. Aber die Ungewissheit, was ich hier eigentlich soll.." antwortete Dorian. "Nun, nichts weiter als dem Sohn des Königs gegenüber zu treten und dich ihm vorzustellen. Du weißt doch, wonach er sucht, schließlich hast du es selbst verkündet mit deinen kleinen Spielzeugen." Karesh wies auf Drehleier und Schalmei, die sich Dorian wieder umgehängt hatte. Niemals würde er das Haus ohne sie verlassen. Eigentlich hätte er dem Mann nun so einiges an den Kopf geworfen, seine Instrumente als Spielzeuge zu kritisieren, doch ließen die Worte ihn nun sogar in der Bewegung innehalten. Was hatte er gesagt? Er solle dem Sohn des Königs begegnen? Sich ihm vorstellen? "Haltet mich nicht zum Narren! Ein Spielmann wie ich hat doch rein gar nichts zu bieten, was dem Prinzen gefallen würde. Er wird mich hochkant wieder rausjagen, wenn er mich nicht gleich dem Vieh zum Fraß vorwirft!" "Scher dich nicht und lauf weiter, Bursche!", Karesh griff nach seinem Arm, doch Dorian entglitt ihm und lief eigenständig weiter. Schnaubend folgte ihm der Hüne. "Er sucht nicht ohne Grund jemanden aus dem armen Volk und ich würde meine letzte Münze verwetten, dass ihm dein zierlicher Körper gefällt." Zitternd und immer unsicherer werdend folgte Dorian einem Bediensteten, an den Karesh ihn übergeben hatte, hinaus auf den Hinterhof. Durch hohe und helle Gänge mit schimmernden Säulen aus Alabasterstein und Marmor, verzierten Wänden und Deckenbemalungen hatte er ihn geführt. Wie prächtig es wohl sein musste, hier leben und arbeiten zu dürfen, dachte sich Dorian, bevor eine hohe Tür aus milchigem Glas vor ihm geöffnet wurde und den Blick auf eine weitläufige Veranda preisgab. Vögel die ihm bis über die Hüfte reichen dürften mit Federn so lang wie sein Arm liefen frei umher, zwischen akkurat geschnittenen Hecken und Büschen. Ein vereinzelter mit Samt beschlagener Sessel befand sich inmitten der Veranda, neben dem ein Hund seinen Platz gefunden hatte. Ein Wolfshund, wie er feststellte, als dieser das Haupt erhob und zu ihm rüber sah, bevor eine Hand über eben jenen strich. Der Prinz musste auf dem Sessel sitzen, dachte er schwer schluckend, wusste nicht recht, ob er warten oder dem jungen Mann folgen sollte, als dieser auf den Sessel zuschritt, sich aber noch einmal zu ihm umdrehte und ihm bedeutete zu warten. Die beiden Männer wechselten ein paar Worte, dann wurde er von dem Bediensteten herbei gewunken. Zögernd kam er der Aufforderung nach, machte einen weiten Bogen um den Wolfshund, der seinen Blick stur auf ihn gerichtet hielt und kam vor dem Prinzen zum stehen, der den Mann mit einem Wink davonschickte. Die ganzen Gruselgeschichten des Volkes waren Schuld daran, dass er sich immer ein schlechtes Bild vom Sohn des Königs gemacht hatte, doch nun wurde er eines besseren belehrt. Der Mann war so bildschön, dass sein Anblick dazu führte, sich selbst als unwürdig zu empfinden, überhaupt vor ihm stehen zu dürfen. Helles Haar, das nicht mehr Blond aber noch nicht wirklich Braun war, fiel ihm wie Seide über die Schultern, fand erst unterhalb des Brustkorbes ein Ende, seine blaue Augen funkelten im Sonnenlicht wie die Oberfläche des Meeres. Fein geschnittene Gesichtszüge und hohe Wangenknochen gaben ihm einen Ausdruck von ungewöhnlicher Reinheit und passten perfekt zu der hellen Haut. Bei jedem normal sterblichen Mann hätte sie den Anschein erweckt, er habe nie das Licht der Sonne auf der Haut spüren dürfen. "Wie ist dein Name, Spielmann?" Die Stimme des Prinzen klang wie gesprochenes Silber, so rein und freundlich, voller Wärme. Dorian brauchte einen Moment, um wieder zu Atem zu gelangen, hatte er den Prinzen doch tatsächlich angestarrt wie ein Durstender ein Glas Wasser anstarren würde. "Mein Name ist Dorian, Herr." sprach er eilig mit einem verunglücktem Lächeln und schallte sich selbst einen Narren für sein Benehmen. Was würde man von ihm denken, wenn er sich wie ein ungeschickter Bauer verhielt? Der Prinz schien seine innere Unruhe zu bemerken und gab ein belustigtes Kichern von sich. "Nun, Dorian. Wie ich hörte, hat Karesh dich hergebracht. Du scheinst die Kunde meines Vorhabens in der Stadt breit zu tragen, also wirst du wissen, weshalb du hier bist?" Dorian schluckte schwer. Dieses unschuldige Lächeln gepaart mit Worten, die undurchdringlich waren, versetzten ihm einen derben Schlag. Er konnte aus ihnen nicht heraushören, ob sie ein Vorwurf waren oder tatsächlich nur eine Frage. "Um... um mir die Zunge abzuschneiden, damit ich schweige?" Der Mann vor ihm blinzelte sichtlich überrascht über seine Annahme, bevor ein glockenhelles Lachen über seine feinen Lippen drang. "Oh, wahrlich. Du bist ein Spielmann.", lachte der junge Prinz noch immer und rieb sich über die Augen, bevor sein Lachen beim Anblick des gezwungen lächelnden Dorian verklang, "Gehe ich recht in der Annahme, dass das kein Scherz sondern deine wahrliche Vermutung ist?" "Um ehrlich zu sein, man hat mich nicht wirklich aufgeklärt, weshalb ich hier bin und ich habe nicht nachgedacht, als man mir anbot, das Schloss sehen zu dürfen. Vorfreude hat meine Vernunft und die Gabe des Denkens überlagert." gab Dorian zu und kratzte sich nervös lächelnd am Hinterkopf. "Ach je, entschuldige das Fußvolk meines Vaters, Dorian. Natürlich bist du nicht hier, damit man dir die Zunge abschneidet." Erneut folgte ein belustigtes Kichern des Prinzen, dann erhob er sich aus seinem Sessel, lächelte Dorian freundlich zu und schritt mit geschmeidigen Bewegungen an ihm vorbei auf die Wiese, wobei er ihm mit einem Wink bedeutete ihm zu folgen. Einen Blick auf den Hund werfend, der jedoch still liegen blieb, kam er der stillen Aufforderung nach, achtete jedoch darauf, eine gewisse Distanz zu wahren. "Tatsächlich bist du hier, damit ich mir ein Bild von dir machen kann, genauer gesagt um zu entscheiden, ob du mir gefällst oder nicht." Verwirrt blickte Dorian auf und blieb neben dem Prinzen stehen, der sich nun einem der exotischen Vögel zu wandte und über dessen bunte Federn strich. "Ob ich Ihnen gefalle, Herr?" fragte Dorian, woraufhin der Prinz nickte und von dem Tier abließ, um sich ihm zuzuwenden. "Weißt du, das Leben in einem goldenen Käfig wie diesem kann mit der Zeit recht trübsinnig werden. Ich gehe früh zu Bett, schlafe bis zur Mittagsstunde und lungere den lieben langen Tag herum, mit der Nase in unzähligen Büchern oder dem Treiben der Stadt lauschend, es aber niemals zu Gesicht bekommend. Es gibt keine Abwechslung, nichts was mich erheitert. Gefangen von Schlossmauern und umgeben von Heuchlern, die so wohl erzogen sind, dass sie nicht immer ehrlich zu mir sind, sondern mir nach dem Mund reden und mir alles Recht machen wollen. Das ist der Grund, warum ich jemanden aus dem einfachen Volk in meiner Nähe wünsche." Dorian lauschte den Worten des Prinzen, konnte in etwa nachempfinden, was er meinte, auch wenn er sich nicht recht vorstellen wollte, wie man sich in einem Schloss gefangen fühlen konnte. Er selbst stellte sich ein solches Leben voller Luxus unglaublich praktisch und wundervoll vor. "Soll das bedeuten, ich könnte dieser jemand aus dem einfachen Volk sein?" fragte er ungläubig, wollte nicht, dass diese Vorstellung vorschnell in ihm wuchs und ihm Hoffnung auf ein Leben im Schloss brachte. "Nun, wenn ich dich so betrachte..", begann der hochgewachsene Mann und umrundete ihn musternd, mit einem kecken Lächeln auf den Lippen, "Du bist ein hübscher Bursche, das muss ich zugeben und wie ich erkennen kann, sitzt der Schalk in deinen Augen. Sicherlich bist du jemand, den ich mir gut hier vorstellen könnte. Musik scheinst du auch machen zu können, sonst wärest du kein Spielmann. Ich denke, alles in allem, sollte ich dir einen Tag auf Probe gestatten." Dorian glaubte sich verhört zu haben, rieb sich die Ohren und verarbeitete die Worte des Prinzen für einen Moment. "Einen... einen Tag auf Probe? Also... einen ganzen Tag im Schloss bei Ihnen, Herr?" Der Prinz nickte überzeugt und klatschte einmal laut in die Hände, woraufhin sich die gläserne Tür öffnete und der Bedienstete, der ihn hergebracht hatte, sich ihnen eiligen Schrittes näherte. "Das heißt, wenn es dir Recht ist, auf mein Angebot einzugehen, würde ich dich Morgen vor Sonnenaufgang bis zum nächsten Sonnenaufgang hier behalten und mich vergewissern, dass der Schein nicht trügt. Selbstverständlich würdest du in Zukunft dann ebenfalls im Schloss leben. Das Privileg deine Freunde und Verwandte zu besuchen, würde dir jedoch erhalten bleiben, allerdings hättest du nicht mehr so viel Zeit, wie zuvor, doch würden dir auch entsprechende Gelder zur Verfügung stehen." erklärte der Prinz und wartete auf eine Antwort Dorians, der von seinen Worten vollends überrascht war und einen Augenblick lang nach Luft schnappte. Ein Leben im Schloss ... Er dachte an Alessio. In Zukunft würde er nicht mehr viel Zeit für ihn haben, wenn er denn tatsächlich dem Prinzen so gut gefiel, dass er hier bleiben dürfte. Doch vielleicht wäre dies gar nicht das Schlimmste, immerhin hatte auch Alessio nicht mehr viel Zeit und vielleicht, auch wenn er sich dessen alles andere als sicher war, würden seine Gefühle für ihn ein wenig abklingen können und somit auch der Schmerz der Gewissheit, ihn niemals an seiner Seite haben zu können. Dorian nickte. Ein Tag auf Probe würde sicherlich nicht schaden, zumahl er sich immer mal gewünscht hatte, einen ganzen Tag im Schloss verbringen zu dürfen. "Fein, dann ist es abgemacht. Gregor, bring mir doch bitte den Anhänger." Der junge Mann tat wie ihm befohlen und eilte in das Schloss zurück. "Den Anhänger?" fragte Dorian neugierig geworden nach und sein Blick folgte dem Bediensteten, der kaum ein Augenzwinkern später wieder durch die Tür auf sie zu schritt. Der Prinz setzte sich nun ebenfalls in Bewegung, nahm etwas von dem Mann entgegen und lächelte zu Dorian zurück, der wie angewurzelt stehen geblieben war und erst auf einen Wink des Prinzen reagierte und auf die Veranda zurück schritt. "Er ist nichts besonderes. Nicht wertvoll genug, um ihn zu verkaufen, aber wertvoll genug, um von den Wachen durch jedes Tor der Stadt gelassen zu werden." Es war eine kleine Plakette, die der Prinz Dorian vor die Nase hielt und nach der er zögernd griff, fest damit rechnend, dass der Mann sie jeden Moment wieder zurückziehen würde. Allein der Anblick versetzte ihn in Staunen, welches sich nur verstärkte, als er den Anhänger in Händen hielt. Er war aus feinstem Gold und Silber in Handarbeit hergestellt worden, wobei die Unterseite gänzlich aus Silber bestand und in der Mitte ein goldenes 'R' prangte, feinste Ranken, ebenfalls aus Gold zierten gänzlich die Ränder des runden Stücks. Allein das Gewicht verriet ihm, dass es wertvoll genug war, sich einen eigenen Hof erbauen zu lassen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)