Ein ungewöhnlicher Mitbewohner von Darklover ================================================================================ Kapitel 10: 10. Kapitel ----------------------- Irgendwann in der Nacht wachte Emily auf. Zuerst war sie vollkommen irritiert und konnte gar nicht sagen, wo sie war. Es war hell und sie blickte auf eine fliederfarbene Oberfläche. Aber ja! – Ihre Couch. Sie musste tatsächlich im Wohnzimmer eingeschlafen sein und das Licht angelassen haben. Unwillig zwinkerte sie vor sich hin und überlegte, ob sie entweder aufstehen und in ihr eigenes Bett gehen oder auch nur das Licht ausschalten sollte. Eigentlich hatte sie zu beidem keine besondere Lust, aber jetzt war sie zu wach, um mit Licht sofort wieder einschlafen zu können. Also würde sie sich doch aufraffen und in ihr Bett hinüber wanken. Gerade war sie im Begriff, die Decke nach oben zu ziehen und aufzustehen, als irgendetwas sie im wahrsten Sinne es Wortes blockierte. Erst einen unendlich langen Moment später kapierte Emily, dass Adrians Bein auf ihrer Decke lag und sie diese deswegen nicht einfach mit sich ziehen konnte. Er war in der gegenüberliegenden Ecke des Sofas eingeschlafen und bis auf die ebene Fläche herunter gerutscht. So wie er seine eigene Decke umklammert hielt, sah sein Schlaf nicht gerade sonderlich friedlich aus. Trotzdem versuchte Emily ihn nicht zu wecken, als sie aufstand und mit ihrem Handy den Weg zum Sofa zurückleuchtete, als sie das Licht gelöscht hatte. Es war eine kleine akrobatische Übung, sich wieder auf ihren Platz zu legen, ohne Adrians Bein zu berühren, das ihre und seine Decke völlig unter sich eingekeilt hatte. Aber er wachte auch dann nicht auf, als sie einmal kräftig an ihrem Ende zog und sich dann wieder zudeckte. Da sie das rote Handy noch in der Hand hielt, konnte sie auch gleich den Alarm ausschalten. Immerhin war Samstag. Warum sollte sie da schon morgens aus den Federn hüpfen. Sie hatte keine Ahnung, um wie viel Uhr sie eingeschlafen war, aber es musste spät gewesen sein und außerdem hatte sie einen anstrengenden Tag hinter sich.    *** Es war Samstag und somit eindeutig die Gelegenheit einmal auszuschlafen. Dennoch weckte ihn ein aufdringliches Geräusch, das ganz und gar nicht zu der gemütlichen Stimmung passte, die sich in ihm ausgebreitet hatte. Müde hob er ein Augenlid und dann das andere. Adrian war noch total schläfrig und seine Augen brannten vor Müdigkeit. Dennoch, als er Emily erblickte, die ihn ebenfalls verschlafen ansah, war er mit einem Schlag wach. Er war tatsächlich mit ihr zusammen auf der Couch eingeschlafen. Das penetrante Geräusch war immer noch zu hören. „Deins?“, nuschelte er, ehe er sich weiter nach oben kämpfte, immerhin berührten seine Waden schon die Außenseite ihres Oberschenkels. Emily war äußerst irritiert, als das Handy auf dem Couchtisch Geräusche von sich gab. Hatte sie den Alarm nicht gestern Nacht noch abgestellt? Sie sah zu Adrian hinüber und reagierte erst, als er sie fragte, ob es ihr Handy war, das da läutete. Noch völlig verschlafen sah sie das kleine rote Telefon ratlos an, bevor sie doch die Annahme-Taste fand und sich meldete. „Guten Morgen, Emily. Hier ist Richard. Ich hoffe, ich störe nicht.“ „Ähm … Nein, schon okay, Richard. Guten Morgen.“ Sie entschuldigte sich wortlos bei Adrian und verschwand so schnell wie möglich auf den Flur. So konnte er vielleicht wieder einschlafen. „Tut mir leid, hab ich dich geweckt?“ „Ja, aber das ist in Ordnung. Ich wollte sowieso aufstehen.“ Das stimmte nicht einmal annähernd, aber sie wollte nicht, dass Richard sich noch weiter entschuldigte. Sie hätte ihr Handy ja auch ausschalten können. „Weswegen rufst du denn an?“ „Es geht um das Essen …“ Sofort breitete sich ein brennendes Gefühl in Emilys Magengegend aus. Sie hatte ihn beim ersten Mal vertröstet und sich daraufhin nie wieder gemeldet. „Ja, richtig …“ „Hör zu Emily. Ich will mich nicht aufdrängen, aber ich würde mich wirklich freuen, wenn du mit mir essen gehst. Vielleicht heute Abend? Ich könnte dich um halb sieben abholen.“ Sie tigerte wortlos den Flur auf und ab und fuhr sich mit der freien Hand durch die Haare. Richard war ein netter Mann und es war nur ein Essen. Sie würden zusammen nach Norwegen fahren. Also … „Warum nicht? Okay. Halb sieben klingt gut.“ „Sehr schön. Ich bin um halb sieben bei dir. Bis dann.“ „Bis dann.“ Sie starrte ihr Handy an, als handelte es sich um ein magisches Werkzeug, das sie zu ihren Antworten veranlasst hatte, ohne dass Emily selbst Kontrolle darüber gehabt hätte. Was hatte sie denn da gerade getan? Sie hatte einem Date mit ihrem Boss zugestimmt. War sie denn verrückt? Sie ging ins Wohnzimmer zurück und setzte sich wieder an 'ihr' Ende der Couch. Das Handy legte sie auf den Tisch und starrte ins Leere, bevor sie bemerkte, dass Adrian immer noch da war. Das Erste was ihm durch den Kopf schoss, als Emily abhob, war etwas, mit dem er nicht gerechnet hätte. Wer zum Teufel noch mal war Richard? Etwa ihr Arschloch von Ex? Nein, oder? Könnte aber durchaus sein. Bisher hatte sie nicht von anderen Männern gesprochen. Außerdem, wer sollte sie sonst am Samstagmorgen anrufen? Überrascht über seine beinahe schon aggressive Reaktion, die sich natürlich nur in seinem Kopf abspielte, hielt er mit seinen Gedanken inne. Was war denn das gerade gewesen? Adrian versuchte das Gefühl zu bestimmen, kam aber nicht darauf, was ihm sein Bauchgefühl sagen wollte. Also schob er diese seltsamen Gedanken beiseite und versuchte nicht zu lauschen, obwohl er Emilys Stimme ohnehin nicht richtig verstehen konnte. “Entschuldige. Willst du weiter schlafen?“ Als sie schließlich zu ihm zurückkam, musste er sich schwer zurückhalten, um nicht nach dem Anrufer zu fragen und was dieser wollte. Also schüttelte er nur den Kopf. „Nein, ich bin definitiv wach.“ Mehr als das. Er stand auf und merkte erst jetzt, wie verspannt er war. Er hatte sich heute Nacht nicht zu sehr ausbreiten können, da er Emily nicht auf die Pelle rücken wollte. Das dankte ihm sein Rücken jetzt mit Schmerzen. Das Gefühl genießend, sich strecken zu können, riss er die Arme in die Höhe, dehnte seinen Rücken durch, spannte jeden Muskel einzeln an und gähnte danach einmal herzhaft. Natürlich alles zusammen mit dem Rücken zu Emily. „Ich bin mal schnell im Bad“, verkündete er mit leicht rauer Morgenstimme, ehe er ins Badezimmer schlurfte, seinen Bedürfnissen freien Lauf ließ und sich danach eine Handvoll kaltes Wasser ins Gesicht spritze, so dass seine Haut eine gesunde Röte annahm. Er strich seine abstehenden Haare wieder in eine akzeptable Richtung und ging dann in die Küche, um sich Müsli zu holen und falls Emily wollte, auch gleich eine Portion für sie mitzumachen. Dabei ging ihm die ganze Zeit dieser Richard nicht aus dem Kopf. Der Drang seine Mitbewohnerin danach zu fragen, wurde immer stärker. Ja, wollte sie Frühstück oder lieber ins Bett? Das konnte sie selbst gar nicht genau sagen. Sie war zwar wach – immerhin hatte sie das kurze Telefongespräch ziemlich aufgewühlt – aber gleichzeitig von der letzten Nacht noch ziemlich erschlagen. Sie hatte Sicherheitsabstand zu Adrian gewahrt, was nicht einfach gewesen war. Aus verschiedenen Gründen, wie sie erst jetzt irritiert feststellte. Als sie die Spülung im Bad hörte, faltete sie die Decken zusammen und legte sie ordentlich auf die Couch. Sie wusste immer noch nicht, ob sie Lust auf Frühstück hatte. Wie spät war es überhaupt? – Halb neun. Durchaus eine gute Zeit zum Aufstehen, aber auch noch früh genug, um sich wieder hinzulegen. Nach einigen Minuten gab sie doch auf und tapste hinter Adrian in die Küche. Er war dabei, sich Müsli zu machen. Das war eine sehr gute Idee. Müsli war nicht zu schwer, das würde sie auch so schnell nach dem Aufstehen hinunterbringen. Sie griff sich ihre eigene Schachtel aus dem Regal und nahm Adrian die Milch aus der Hand, die er ihr entgegen streckte. „Oh, wegen deiner Frage gestern. Wann hättest du denn Zeit, was zu unternehmen? Musst du heute Nacht arbeiten?“ Sie konnte sich nicht vorstellen, dass er sonderlich viel Lust hatte, nach einer harten Nacht im Club am nächsten Tag mit ihr durch den Zoo zu rennen. Noch dazu, wenn sonntags hordenweise Kinder unterwegs waren. Kinder schön und gut, aber nicht in Massen. Nachdem er noch Wasser aufgestellt hatte – die Lust nach Tee am Morgen war sehr groß – setzte er sich mit seiner Schüssel an den Tisch. „Ja, muss ich. Heute und morgen Abend. Danach habe ich wieder zwei Tage frei. Vorausgesetzt, es ändert sich nichts im Plan.“ Was bei seinem Boss schon oft genug vorgekommen war, Adrian aber meistens nicht störte. Er war lieber in der Arbeit und tanzte sich all den Stress vom Leib, als dass er alleine daheimsaß und über sein Leben sinnierte. Die Erschöpfung war gar nichts gegen diese Gefühle. „Hast du denn für den heutigen Tag schon etwas vor? Ich wollte eigentlich ein bisschen Shoppen gehen, mich vielleicht schon mal nach einem guten Aquarium erkundigen und nach schönen Fischen Ausschau halten. Es würde mich freuen, wenn du Zeit hättest.“ Er lächelte ihr fröhlich zu. Jetzt, da er nun wirklich wach war, kam er wieder richtig in die Gänge und das Gespräch gestern mit Emily hatte seinem Gemüt auch wahnsinnig gut getan. Gott, sie war wie eine kühlende Salbe auf verbrannter Haut. Als das Wasser kochte, suchte er sich seinen Lieblingstee heraus. „Willst du auch einen?“, fragte Adrian sie nebenbei, während seine Gedanken ihm immer noch keine Ruhe ließen. Mann, wer war nun dieser Richard? Ein Freund? Ein Bekannter? Verwandter? Kollege? Ohne es wirklich mitzubekommen, sprach er den Namen leise, aber sehr deutlich aus. „Ja, heute hab ich Zeit. Das mit dem Aquarium würde mich sehr interessieren. Ich hab sowas noch nie ausgesucht, geschweige denn gekauft.“ Außerdem würde sie gern helfen, die Fische auszusuchen. Sie hatte keine Ahnung, ob es für Aquarien auch so schöne bunte Exemplare gab, wie sie sich vorstellte, aber allein in eine Zoohandlung zu gehen und dann Fische in kleinen Plastiktüten voll Wasser nach Hause zu bringen, würde ihr gefallen. Auch zum Tee sagte sie ja und setzte sich nun auch endlich mit ihrem Müsli an den Tisch. Als sie Adrian Richards Namen sagen hörte, blickte sie irritiert auf. Sie hatte ihn sicher nicht missverstanden, aber warum beschäftigte ihn das denn? Nach einer Weile fiel der Groschen. Wahrscheinlich nahm Adrian an, dass Richard ihr Ex war, der sich nun wieder an sie heranschlich. Das wollte sie gleich klären, bevor Adrian sich Sorgen machte. „Richard, der vorhin angerufen hat, ist mein Abteilungsleiter. Er ist derjenige, der die Mumie und die Moorleiche aus Norwegen holen möchte. Er hat mich für heute Abend zum Essen eingeladen.“ Was hinter der Essenseinladung genau steckte, wusste sie selbst nicht so richtig. Vielleicht hatte sie Richard falsch verstanden und er wollte nur über die Arbeit und die Reise sprechen? So ein Quatsch, natürlich wusste Emily, dass Richard sie nicht deshalb zum Essen eingeladen hatte. Aber eigentlich war sie nicht bereit, sich sofort in eine neue Beziehung zu stürzen. Und schon gar nicht in unverbindlichen Sex. Adrian stellte ihr den Tee hin und setzte sich dann mit seiner eigenen Tasse wieder auf den Sessel. Dieses Mal so, dass er ein Bein auf den Boden stellte und das andere an seine Brust zog und eine Hand darum schlang. Als ihm Emily nun erklärte, wer Richard war, verstand er nicht sofort, wie sie darauf kam. Bis ihm klar wurde, dass er den Namen vermutlich laut ausgesprochen hatte. Innerlich fluchte er, wurde aber etwas ruhiger, als er hörte, dass es nicht ihr Ex war. Allerdings beruhigte ihn die Tatsache, dass sie mit diesem Kerl heute zu Abend aß, kein Bisschen. Gut, er war in der Arbeit und konnte sowieso nicht mit ihr diese Zeit verbringen, aber trotzdem. Geschäftsessen hin oder her, für Samstag erschien ihm das etwas ungewöhnlich. Um sich selbst von dem Thema abzulenken, wechselte er den Gesprächsstoff. „Könnten wir vielleicht mit deinem Auto fahren? Wenn wir uns heute schon für etwas Passendes entscheiden, würde das den Transport erleichtern. Was hältst du eigentlich von Süßwasserfischen? Die Pflege ist einfacher und sie sind genauso hübsch wie Salzwasserfische. Die Auswahl dürfte ohnehin enorm sein.“ Außerdem gab es noch so viele andere interessante Tiere in einer Zoohandlung. Reptilien interessierten Adrian dabei auch sehr. Aber er hätte nicht sagen können, wie Emily das aufgenommen hätte. Immerhin fand er auch Taranteln ziemlich spannend. Aber selbst die kämen ihm nicht ins Haus. „Klar, kein Problem. Allerdings weiß ich nicht, wo ein Zoogeschäft ist und ob es da eine Parkmöglichkeit gibt. Kennst du dich da aus? Ob Süß- oder Salzwasser ist mir egal. Hauptsache bunt.“ Dabei grinste sie ihn an. Es entsprach absolut der Wahrheit. Das Tollste an Aquarien waren doch die bunten Fische und diese Plastikdeko, die man kaufen konnte, damit die Fische dazwischen herumschwimmen konnten. Ob Adrian sich zu einem Schloss und einer Schatztruhe überreden lassen würde? Ohne es selbst zu bemerken, fiel die Anspannung nach Roses Kurzaufenthalt von ihm ab und ein freudiges Funkeln erhellte seine Augen. Er war aufgeregt, als er an den Kauf der Fische dachte. Und er freute sich, mit Emily wieder einkaufen zu gehen. „Wenn du sonst noch etwas aus der Stadt brauchst, kein Problem. Ich gehe gerne einkaufen.“ Er grinste. Wusste er doch, dass sein Geschlecht normalerweise nicht stundenlang im Kaufhaus verbrachte, während ihre Frauen sie von einem Geschäft zum anderen schleppten. Aber bei der Richtigen, wie könnte man da keine Geduld aufbringen? „Oh, klasse, ich freu mich.“ Adrian spurtete mehr oder weniger sowieso schon los, bevor Emily ihr Müsli beendet hatte. Sie hüpfte nur noch schnell ins Bad, brachte ihre Haare in Ordnung, legte etwas Wimperntusche auf und zog sich dann in ihrem Zimmer um. Heute würde es sicher warm werden, vor allem wenn sie viel in der Stadt unterwegs waren. Also schlüpfte sie in einen hellblauen Rock, ein schwarzes Oberteil und zog passende, schwarze Ballerinas dazu an. Dann schnappte sie sich ihre Handtasche, warf Handy, Geldbeutel und Schlüssel hinein und kam wieder als Zweites an die Tür. „Okay, und los.“    *** Sie fuhren kreuz und quer durch die Stadt, da sie beide keine Ahnung hatten, wo sie ein Zoogeschäft finden würden. Aber am Ende wurden sie doch fündig und standen bald vor den Regalen mit Aquarien. „Ähm … Ich hoffe, du hast eine Vorstellung von dem, was du möchtest. Ich hab nämlich keine Ahnung. Ich will nur ein Schloss.“ Adrian sah sie verständnislos an, aber Emily war schon dabei, die Reihe mit den Aquarien abzulaufen und sich vor allem für diejenigen zu interessieren, die bereits einen Deckel mit integrierter Lampe hatten. Sie konnten ja keine von der Decke herunter hängen. Als sie die kleinen Dekosachen im nächsten Regal fand, war sie völlig aus dem Häuschen. Sie nahm ein kleines Plastikschloss mit einem hohen Turm in die Hand und drehte es herum. Es gefiel ihr zwar, war aber ein wenig zu kitschig. Daneben stand allerdings genau das, was sie suchte. Ein einzelner Turm, der aussah, als wäre er aus großen Steinen gebaut. Mit Zinnen und einer kleinen Öffnung am unteren Ende, durch welche die Fische schwimmen konnten. Dazu gab es eine Schatztruhe, die sogar golden glitzerte. Adrian fühlte sich wie im Paradies, als er mit Emily die Gänge entlang ging, und sie sich die vielen verschiedenen Sachen anschauten, die es für Fische gab. Die Zoohandlung war ohnedies riesig. Es gab vom Hamster angefangen bis zum Pferd, alles, was man für die Tiere kaufen konnte. Von den kleinen Tieren gab es sogar lebende Exemplare zu ersteigern. Doch Vögel, Hamster, Schildkröten und Mäuse interessierten ihn relativ wenig. Wie magisch zog es ihn zu den Fischen. Gut, dass Adrian noch die Maße im Kopf hatte, die sie beim Regalkauf berücksichtigt hatten. So war es auch kein Problem ein passendes Aquarium zu finden. Er entschied sich kurzerhand für ein teures Modell mit knapp einem Meter Länge, vierzig Zentimeter Tiefe und ebensolcher Höhe. Der Deckel, das Licht, die Pumpe, alles war schon integriert. Ein vollausgestattetes Set mit PH-Wertmesser und Temperaturregler. Während er so darüber nachdachte, welche Pflanzen dazu passen könnten, riss Emily ihn aus seinen Gedanken. Ein Schloss? Etwa ein Vorhängeschloss? Seine Verwirrung löste sich in Luft auf, als sie zu den Dekosachen kamen und sie einen Turm samt Schatztruhe betrachtete. „Eine gute Wahl“, pflichtete er ihr bei. „Falls du sonst noch etwas im Auge hast, nur zu. Ich suche derweil die Pflanzen aus. Danach können wir uns ja bei den Fischen treffen.“ Er berührte kurz ihre Schulter, ehe er sich auf den Weg zu den Pflanzen machte. Sand und Steine brauchten sie auch noch. Kurze Zeit später trafen sie sich bei den Fischen. „Also zwei oder drei Putzerfische wären sicher gut und auch noch Wasserschnecken als Grundausstattung.“ Während er das sagte, glitt sein Blick über die vielen Glasbehälter mit den unterschiedlichsten Fischen darin. Form, Farbe und Aussehen waren einfach so bezaubernd, dass er sich gar nicht richtig entscheiden konnte. „Also den schwarzen mit den gelben Streifen und der blauen Flosse, nehme ich auf jeden Fall.“ Ja, der war sehr hübsch und hatte auch eher männlichere Merkmale, als die weiblicher wirkenden Zierfische mit den Flossen die so aussahen wie Seidenschleier. Dennoch, sie waren wunderschön. Emily grinste in sich hinein, während sie den kleinen Turm und die Schatztruhe in den Händen durch den Laden trug. Sonst fand sie außer etwas Fischfutter nichts Nennenswertes und gesellte sich bald zu Adrian, der wohl schon ein interessiertes Auge auf die Fische geworfen hatte. Er erklärte ihr ohne Umschweife, was sie auf jeden Fall brauchen würden und suchte sich einen recht schillernden Fisch aus. „Wie viele wollen wir denn kaufen?“ Das Aquarium war doch recht geräumig, aber Emily hatte keine Ahnung, wie viele Fische auf wie viel Raum unterzubringen waren, so dass sie sich wohl fühlten. „Also wenn ich die Wahl habe, möchte ich zwei von den gelben und einen von den roten.“ Soeben trat ein Verkäufer mit einem breiten Lächeln und strahlend blauen Augen hinter sie. Emily fiel auf, dass seine Augen nur eine Nuance dunkler waren als die von Adrian und ausnehmend gut zu seinen dunklen Haaren passten. “Hallo, kann ich Ihnen helfen?“ Er hatte sie beide gleichermaßen angesprochen, sah nun aber Emily strahlend ins Gesicht, die sich genötigt fühlte, zu antworten. „Ja, ich denke schon. Wir haben ein Aquarium ausgesucht und möchten nun die passenden Fische dazu. Wir hätten auf jeden Fall gern diese Vier.“ Sie versuchte mit dem Finger auf die vier mehr oder weniger Glücklichen zu zeigen, was dem Verkäufer wiederum ein Lächeln entlockte, das Steine zum Schmelzen hätte bringen können. „Sehr schön. Gute Wahl. Haben Sie sonst alles, was sie brauchen? Ich hörte, dass sie auch an Schnecken gedacht hätten. Allerdings würde ich ihnen eher zu zwei Welsen raten. Die sehen schöner aus und vermehren sich nicht so unkontrolliert.“ Diesmal strahlte er Adrian an und Emily entging das kleine Funkeln in seinen Augen nicht, als er sein rothaariges Gegenüber freundlich musterte. Jetzt musste Emily lächeln. Vielleicht sollte sie sich noch einmal zu den Dekoschlösschen verziehen, um die beiden allein zu lassen? Sie wollte erst Adrians Reaktion abwarten, bevor sie sich aus dem Staub machte. Immerhin wollte sie ihn nicht einfach stehen lassen, falls er Schützenhilfe brauchen sollte. „Können Sie uns die Welse zeigen?“, fragte sie wie nebenbei, um das Gespräch am Laufen zu halten. “Aber klar. Die haben wir hier.“ Er deutete mit einem eleganten Finger auf eines der unteren Regale und Emily ging in die Hocke. Adrian entging der Gesichtsausdruck des Verkäufers nicht, der sich hilfsbereit einschaltete und Emily strahlend anlächelte. Also entweder mochte der seinen Beruf sehr gerne, oder die Erscheinung seiner Mitbewohnerin brachte in so zum Strahlen, als hätte man hinter seinen Augen eine Glühbirne angeknipst. Er gab es ja nur ungern zu, aber der Blick störte Adrian. Sofort versuchte er, sich auf das eigentliche Thema Fische zu konzentrieren, als Emily dem Verkäufer zeigte, welche der Wasserbewohner sie sich bisher schon ausgesucht hatten. Ach du Schande, während der Typ ihrem Finger folgte, setzte er ein Lächeln auf, das einen blenden konnte. Oh ja, Adrian fühlte sich langsam definitiv abgelenkt von ihrem eigentlichen Vorhaben, sich weitere Mitbewohner zu kaufen. Reiß dich zusammen, Mann. Er ist nur nett. Mehr nicht. Also vergiss es und konzentrier dich wieder auf die Fische!, schimpfte er in Gedanken mit sich selbst. Außerdem geht dich das nichts an! Obwohl sein Gewissen natürlich Recht hatte und seine sich leicht anbahnende Eifersucht völlig unpassend war, konnte er es nicht leugnen, dass es ihn störte. Darum versuchte er, sich umso verbissener wieder auf das Gespräch zu konzentrieren. Wo waren sie geradestehen geblieben? Welse? Ja, genau. Als Adrian gezwungenermaßen dem Verkäufer ins Gesicht sah, erstarrte er innerlich. Diesen Blick kannte er. Zumindest glaubte er, ihn deuten zu können. Allerdings verwirrte ihn das jetzt ganz schön. Es war, als hätte der Typ den Scheinwerfer von Emily abgeschwenkt und nun vollkommen auf ihn selbst gerichtet. Das Einzige, was Adrian daraufhin einfiel, war seine Konzentration auf die Fische zu richten und den leicht musternden Blick des Verkäufers zu ignorieren. Zum Glück gab es ja noch die Welse! Froh darüber, etwas anderes ansehen zu können, beugte er sich zu Emily herab und sah in das Becken. Die Welse sahen schön aus und bestimmt war es eine gute Idee, diese anstatt der Schnecken zu nehmen. Wie der Typ schon gesagt hatte – der sich wohl zwischen männlich und weiblich nicht entscheiden konnte – Schnecken vermehrten sich doch zu unkontrolliert. Ihr Lächeln entwickelte sich zu einem breiten Grinsen, als sie den Blick bemerkte, den der Verkäufer kurz auf Adrians Hinterteil richtete, als jener sich zu Emily hinunter lehnte, um sich die Fische anzusehen. „Na, was meinst du?“ Sie sah Adrian mit einem schelmischen Blick in die Augen. Es war klar, dass sie mehr meinte als die Welse. Obwohl ihr die genauso gut gefielen wie der Rest der 'Aussicht'. Mit leicht hochgezogener Augenbraue wandte Adrian sich fragend an Emily, als er ihren eindeutig zweideutigen Tonfall sehr genau mitbekommen hatte. Kurz riskierte er einen flüchtigen Seitenblick auf den Verkäufer, der immer noch lächelte, allerdings nicht unbedingt die Welse im Blickfeld hatte. Sofort richtete sich Adrian wieder kerzengerade auf und schenkte nun seinerseits dem Verkäufer ein strahlendes Lächeln. „Wir nehmen zwei davon.“ Gott, fühlte er sich mit einem Mal schlecht in seiner Haut. Als wäre sie irgendwie eingegangen oder als stünde er nackt vor einem Publikum und müsste eine Rede halten, die ihm einfach nicht mehr einfallen wollte. Auf jeden Fall definitiv sehr unwohl. Denn jetzt hatte er das Ganze erst begriffen. Offenbar stand dieser Mann auf Kerle, hatte wohl auch nichts an Adrians Aussehen auszusetzen und als wäre das für einen absoluten Hetero nicht schon schlimm genug, wies ihn Emily dezent aber deutlich daraufhin, dass er ja eigentlich schwul zu sein hatte. Er musste sich regelrecht dazu zwingen, jetzt nicht seine fröhlich freudige Ausstrahlung fallen zu lassen, mit der er das Geschäft betreten hatte. Und es wäre auch dem Verkäufer unfair gegenüber, unfreundlich zu werden. Also lächelte er weiter. „Könnten wir schon einmal das Aquarium, den Sand, die Pflanzen, die Deko und das Futter ins Auto bringen, ehe wir uns noch weiter mit den Fischen beschäftigen? Dann müssen sie nicht zu lange in den Plastikbeuteln bleiben.“ „Aber natürlich“, bestätigte der Blauäugige hilfsbereit und schenkte Adrian einen Blick aus leicht gesenkten Wimpern. Na, wenn man das Mal keinen dezenten Flirt nannte! Seit Adrian sich etwas zu hastig aufgerichtet hatte, um dem Verkäufer zu sagen, dass die beiden Welse gekauft waren, hielt sich Emily aus der gesamten Verkaufsaktion heraus. Patrick war mehr als hilfsbereit und die beiden Männer schienen weibliche Einmischung weder in Fragen Fische noch anderweitig zu benötigen. Mehr aus großer Neugier, als aus Interesse folgte sie den beiden beim Verladen des Aquariums und aller Kleinigkeiten nach draußen auf den Parkplatz. Sie hätte nie gedacht, dass der Glaskasten in ihren Mini passen würde. Aber mit ein wenig Umklapparbeit und Fingerspitzen gefühlt, vor allem auf Patricks Seite, der so etwas nicht zum ersten Mal machte, passte es um Haaresbreite. „Mit dem Styropor um die Ecken dürfte gar nichts passieren.“ Patrick strahlte bei diesem Satz natürlich Adrian an, der seinerseits freundlich zurücklächelte. Allerdings fiel Emily auf, dass ihr Mitbewohner nicht auf den Verkäufer zuging. Er war freundlich und offen, das ja, aber mehr eben auch nicht. Da war kein zusätzliches Lächeln, kein Ansatz zu einem Gespräch, das sich nicht auf die Fische direkt bezog oder auch nur eine überflüssige Handbewegung auf den Anderen zu. Von Adrians Seite schien es, wenn überhaupt, sehr viel weniger gefunkt zu haben, als es Patrick lieb gewesen wäre. Allerdings gab der Dunkelhaarige nicht auf und Emily sah, wie er seine Nummer auf der Visitenkarte notierte, die er Adrian zusammen mit der Rechnung in die Hand drückte. Insgeheim hoffte sie, dass Adrian ihn anrufen würde. Einfach nur, damit er mal raus kam und außerhalb seines Jobs ein wenig um die Häuser zog. Patrick erschien sehr nett, und selbst wenn sie kein Paar wurden, wäre es sicher gut, noch jemand anderen als diesen Tyson um sich zu haben, von dem er ihr erzählt hatte. Sollte er eine männliche Version von Julie sein, war ihr Patrick jetzt schon lieber. Die Fische waren schließlich schnell ausgesucht, die Pflanzen ebenfalls und schon standen sie an der Kasse. Adrian bezahlte die volle Rechnung, da er sich auch um die Fische kümmern wollte und alles zusammen ohnehin ganz schön teuer war. Zwar teilte er die Tiere gerne mit Emily aber sicherlich nicht die Rechnung. Zusammen mit dem Rechnungsbeleg überreichte Patrick ihm noch eine Visitenkarte des Ladens. „Für mögliche Fragen, Notfälle oder andere Hilfestellungen“, erklärte der Blauäugige mit Betonung auf das letzte Wort und schenkte Adrian noch einmal sein schönstes Lächeln. Dieser bedankte sich und machte sich schließlich mit Emily auf den Weg zum Auto. Nachdem die Fische verstaut waren und sie beide wieder nach Hause fuhren, drehte Adrian aus einem Gefühl heraus die Visitenkarte um. Auf der weißen Rückseite war eine Nummer per Hand darauf geschrieben worden und darunter das Wort 'Patrick'. Na wunderbar. „Er war süß, findest du nicht?“ Bevor Adrian auch nur so tun konnte, als wüsste er nicht, was sie meinte, fügte sie hinzu: „Wirst du ihn anrufen?“ Obwohl sie sich noch nicht so lange kannten, hätte ihm Emily dazu geraten, wenn er verneinen sollte. Freunde konnte man nun mal nie genug haben. Außerdem mussten sie ja nicht gleich auf wilde Partys gehen, sondern konnten sich nur auf einen Kaffee treffen. Kurz warf sie einen Blick zu Adrian hinüber. Vielleicht hätte sie das nicht tun sollen, denn er sah sie zwar nicht an, aber sein Gesichtsausdruck verwirrte sie. Er sah so aus, als hätte er gerade erst weggesehen, um den Blickkontakt mit ihr zu vermeiden. Und da war noch irgendetwas Anderes. Sie konnte nicht sagen, was es war, aber bei jedem Anderen hätte sie vermutet … Nein, das bildete sie sich bestimmt nur ein. In diesem Moment dachte sie an Richard. Nicht unbedingt unvermittelt, denn er hatte ihr nur zu deutlich zu verstehen gegeben, dass das Essen heute Abend mehr bedeutete als ein bloßes Treffen unter Freunden. Emily wurde wieder deutlich bewusst, dass sie das eigentlich gar nicht wirklich wollte. „Vielleicht nach dem Wochenende, wenn ich frei habe“, gab er schließlich zu, sah Emily dabei aber von der Seite an, als würde er nicht meinen, was er sagte. Als sie ihren Kopf zu ihm herumdrehte, schaute er sofort weg. Mann, das wurde immer komplizierter. Anstatt Patrick anzurufen, wäre er lieber heute Abend mit ihr essen gegangen, anstatt sie diesem Richard zu überlassen. Aber da er ohnehin arbeiten musste, ging das schon einmal sowieso nicht. Außerdem musste er sich zusammenreißen, wenn er in der Wohnung bleiben wollte. Wenn sie auch nur einen Hauch von einer Ahnung hatte, dass er an ihr interessiert sein könnte, würde das bestimmt in einem Desaster enden. Darauf konnte er verzichten. Da mimte er lieber noch etwas länger den homosexuellen Mitbewohner. Wenn es sein musste, konnte er auch noch härtere Geschütze auffahren. Immerhin lag da etwas in ihrem Blick … Adrian wusste auch nicht so recht, aber sie war nicht dumm, und wenn er nicht genau aufpasste, könnte er sich womöglich doch noch unabsichtlich verraten. „Und ja, süß ist er. Allein mit dem Hintern könnte man Nüsse knacken.“ Zumindest, wenn man darauf wert legte. Verdammt, wie wollte er damit nur fertig werden? „Oh ja?“ Emily grinste in sich hinein, als Adrian seine Meinung zu Patricks Hintern kundtat. Ihr selbst war das gar nicht aufgefallen. Wahrscheinlich war sie viel zu sehr damit beschäftigt gewesen, den beiden beim Flirten zuzusehen. „Das ist schön. Auch wenn nichts draus wird, scheint er einfach ein netter Kerl zu sein. Es ist immer gut, ein paar neue Leute kennenzulernen.“ Das hörte sich ja fast so an, als wollte sie ihm neue Freundschaften aufdrängen. Dabei hätte sie bestimmt nichts dagegen gehabt, wenn er seine Freizeit mit ihr verbrachte. So viel davon hatte er ohnehin nicht. „Dem kann ich nur zustimmen.“ Auch wenn er für gewöhnlich keine Zeit für Freunde hatte und schon gar nicht für die Suche nach neuen. Tyson war hartnäckig, verbissen und gerne ein Egoist. Das war auch der einzige Grund, warum er Adrian nicht schon längst die Freundschaft gekündigt hatte. Oder vielleicht wegen der Tatsache, dass er ebenfalls sehr beschäftigt war. Eigentlich wollte Adrian auch gar nicht mehr Leute kennen, vor denen er sein wahres Wesen verbergen musste. Das war auf die Dauer einfach zu anstrengend. Bei Emily war das etwas anderes. Sie wohnten zusammen und es war schön, einmal mit einer Frau einfach so reden zu können, ohne sich darüber Gedanken machen zu müssen, wo, wie und auf welche Weise sie später noch berührt werden wollte. Obwohl – er warf einen kurzen Seitenblick auf Emily – bei ihr würde es ihm vielleicht sogar Spaß machen, ihre Vorlieben zu erraten. Sofort sah er wieder weg und schlug sich den Gedanken aus dem Kopf. Sie war seine Mitbewohnerin. Basta. „Weißt du schon, wo du und Richard heute Abend essen werden? Ich kenne ein paar gute Restaurants, falls du Empfehlungen brauchst.“ Gerade wollte sie sich erklären, als er von Richard anfing. Warum beschäftigte ihn das denn? Schon am Morgen nach dem Anruf hatte Adrian den Namen erwähnt. Da hatte Emily noch vermutet, dass er sich Sorgen machte, sie könnte sich wieder auf ihren Exfreund einlassen. Aber dieser unvermittelte Themenwechsel brachte sie ein wenig aus der Bahn. „Keine Ahnung, um ehrlich zu sein.“ Sie konzentrierte sich kurz auf die Straße, um an der Kreuzung links abzubiegen und fuhr dann fort. „Er meinte nur, dass er mich abholt. Ich nehme an, dass er bereits ein Restaurant ausgesucht hat.“ Sie würde sich da überraschen lassen. Immerhin mochte sie verschiedenes Essen und mit dem Restaurant konnte man bei ihr nur dann etwas falsch machen, wenn sie sich underdressed oder völlig unter den falschen Leuten fühlte. Sie wollte sich beim Essen nicht so vorkommen, als müsse sie auf jeden Handgriff achten, damit die Kellner in der Küche keine Witze über ihr ungehobeltes Auftreten rissen und über sie lachten. Das erzählte sie Adrian, wobei ihr der Gedanke kam, dass er sich in diesen Kreisen bestimmt stilvoll bewegen konnte. Immerhin hatte sein Aufzug letztens so ausgesehen, als wäre er zu einem teuren Abendessen unterwegs gewesen. Als sie in ihre Straße einbog, seufzte sie leicht auf und sah wieder zu ihm hinüber, während sie beide nach einem Parkplatz Ausschau hielten, der nicht zu weit von der Eingangstür entfernt war. Immerhin mussten sie das Aquarium sowieso in den ersten Stock hinauf schleppen. „Irgendwie möchte ich da heute Abend auch gar nicht hin, sondern lieber einen ruhigen Abend zuhause …“, fing sie an, ohne allerdings weiter zu sprechen. Es war nur eine Aussage, die Adrian entweder aufnehmen konnte oder eben nicht. Sie wollte ihm mit ihren Bedenken nicht auf die Nerven gehen. Immerhin konnte sie ihm doch nicht immer mit ihren Männerproblemen in den Ohren liegen. Emily fand schließlich einen Parkplatz in der Nähe. Die leichten Sachen konnten sie in das leere Aquarium geben, ehe sie sich aufmachten, es in die Wohnung zu tragen. „Warum willst du eigentlich nicht mit? Weil es ein Geschäftsessen ist, oder will der Typ was von dir und du hast kein Interesse? Ich meine, so kurz nach der Trennung mit deinem Ex kann ich das total nachvollziehen, wenn du erst einmal eine Weile alleine sein willst.“ Er gab seine Meinung so objektiv wie möglich ab, während er versuchte, nicht weiter darüber nachzudenken. Da das Aquarium schwer war, zog er mit einer Hand den Schlüssel aus seiner Hosentasche und sperrte auf, während er den Glasbehälter mit der anderen Hand und zusammen mit Emilys Hilfe festhielt. „Stellen wir das erst einmal auf den Couchtisch.“ Ohne dass irgendetwas in die Brüche gegangen war, schafften sie es, die ganzen Sachen in die Wohnung zu schaffen. „Richard ist mein Abteilungsleiter und eigentlich ein netter Kerl. Wir verstehen uns recht gut …“ Das 'aber' hing so schwer im Raum, dass sie es nicht einmal hätte aussprechen müssen. Dennoch tat sie es. „Aber wie du sagtest. Das mit Zach ist erst ein paar Tage her … Ich weiß nicht. Außerdem ist Richard mein Chef …“ Da die Fische nicht zu lange in den Plastikbeuteln bleiben sollten, stellten sie das Aquarium ohne Deckel und Inhalt schon einmal ins Regal, was perfekt passte und Adrian begann damit, den Sand einzufüllen. Danach kam Wasser bis ungefähr zur Hälfte, um die Deko an den richtigen Ort zu bringen und die Pflanzen einzusetzen. Das ganze Verfahren ging alles ziemlich reibungslos, aber sie hatten ja auch keine hochempfindlichen preisgekrönten Zierfische gekauft. Die Normalen taten es schließlich auch und waren genauso hübsch, wenn auch um einiges billiger. „Gut, dass wir die große Couch gekauft haben, dazu passt unsere Riesenwasserwelt“, kommentierte Emily lachend und half Adrian dann so gut sie konnte mit dem Befüllen. Eigentlich suchte sie nur eine Stelle für ihren Zinnenturm und die Schatztruhe aus, den Rest ließ sie ihn machen. Als alles zu seiner Zufriedenheit im Glaskasten und unter Wasser saß, füllte er den Rest des Beckens mit Wasser. Emily hatte derweilen eine Tüte hochgehoben und sah sich den Fisch darin an. „Hast du schon etwas zum Anziehen heraus gesucht?“, fragte Adrian schließlich in der perfekten Schwuler-Freund-Manier. „Allerdings ist das gar nicht so einfach, wenn du nicht weißt, in welches Restaurant ihr gehen sollt. Hmmm.“ Er begann nachzudenken. Vielleicht wäre es einfacher, einfach schon zwei Outfits vorzubereiten und dann einfach zu sehen, wie dieser Richard erschien. Wenn er so gestylte war wie Adrian vor kurzem, ging es in ein Nobelrestaurant, was ihn noch mehr wurmen würde. Geschäftsessen in diesem Niveau abzuhalten, wäre sehr ungewöhnlich. Zumindest bei ihrem Job. Bei Managern, Mafiosos oder Drogenbossen, okay, aber doch nicht bei so etwas. Gott, wie sehr ihm das bereits jetzt auf die Nerven ging. Vermutlich würde sein Auftritt heute von Fehlern verunstaltet werden, weil er sich nicht darauf konzentrieren konnte. Aber es wäre eine gute Übung, wieder zur Besinnung zu kommen. „Nein, ich hab noch nichts ausgesucht. Aber an sich weiß ich, was ich anziehen will.“ Es war ihr Lieblingskleid, obwohl sie es noch nicht oft hatte tragen können. Emily ging nicht oft zu Veranstaltungen, bei denen sie sich derart schick machen konnte oder musste. Aber an diesem Kleid hatte sie damals trotzdem nicht vorbei laufen können. Zumal es ihrer Meinung nach mit den richtigen Accessoires zu einem sehr noblen Anlass genauso passte, wie mit flachen Schuhen zu einem normalen Date im Mittelklasse-Restaurant. „Aber ob so oder so, ich sollte mich langsam fertigmachen“, stellte Emily mit einem kurzen Blick auf die Uhr fest. Nachdem Emily im Bad verschwunden war, um sich auf ihre Verabredung vorzubereiten, prüfte Adrian den PH-Wert und die Temperatur des Wassers. Als beides schließlich passte und für die Fische bereit war, begann er einen nach den anderen, in ihre neue Heimat zu entlassen. Es war ein wunderbares Gefühl, diesen kleinen, schönen Lebewesen einen größeren Freiraum zu gewähren. Diese schienen sich ebenfalls sehr darüber zu freuen, denn sie schwammen aufgeregt im Wasser herum, knabberten an den Pflanzen, schienen an den Steinen zu schnüffeln und einer der gelben Fische schwamm sogar durch den Zinnturm hindurch, den sich Emily ausgesucht hatte. Eigentlich hätte sie das sehen müssen, aber er konnte den Föhn hören. Seufzend entließ er auch die Welse in ihr neues Zuhause, ehe er den Deckel schloss und die Pumpe einschaltete. Kurz betrachtete er ihre neue Wasserwelt, wie Emily es genannt hatte, doch so recht Freude aufkommen, wollte momentan nicht in ihm. Damit das Aquarium keine negativen Suggestionen abbekam, kehrte er dem Behälter schließlich den Rücken zu und machte sich daran, die Sachen wegzuräumen. Unter der Dusche überlegte sie sich, was sie mit ihren Haaren anstellen sollte. Das Kleid, das sie tragen wollte, war schulterfrei. Also wäre ein strenger Pferdeschwanz, mit dem sie sich normalerweise recht wohl fühlte, wohl das Falsche. Nur in ein Handtuch gehüllt, föhnte sie sich die Haare, ließ sie offen und drehte nur an der Seite ein paar Strähnen ein, die sie dann hinten feststeckte, um doch etwas strenger zu wirken. Dann legte sie leichtes Make-up auf, sprühte ein wenig Parfüm in ihre Haare und zog sich die Unterwäsche an, die sie bereitgelegt hatte. Das Kleid in cremefarben, mit den großen braunen Paisleymustern, passte gut zu ihren dunklen Augen. Je nach Richards Auftreten würde sie noch eine einfache Perlenkette zu ihren passenden Ohrringen tragen oder eben keinen Schmuck um den Hals. Dann noch eine kleine braune Handtasche und entweder flache braune Schuhe oder welche mit Riemchen und Absätzen. Gerade als sie ihre Wäsche vom Tag in ihrem Zimmer in Ordnung gebracht hatte und Adrian nach seiner Meinung zu ihrem Outfit fragen wollte, klingelte es an der Tür. Richard war drei Minuten zu früh. Er stand bereits vor der Tür. Die blonden Haare ordentlich frisiert, die braunen Augen strahlend. Sein grauer Anzug mit dem weißen Hemd und der hellblauen Krawatte saß perfekt und Emily roch teures Aftershave, als Richard ihr einen Kuss auf die Wange hauchte und ihr sagte, dass sie wunderbar aussehe. Perlenkette, eindeutig. Sie wollte sich gerade mit einem leichten Erröten auf den Wangen entschuldigen, als Adrian aus der Küche zu ihnen stieß. „Adrian, das ist Richard. Richard, Adrian. Mein Mitbewohner.“ Als Adrian gerade in der Küche unter der Spüle das Plastik in den Müll warf, läutete es an der Tür. Sofort erstarrte er in seiner Bewegung und sein Magen schnürte sich ihm zu. Was auch immer da in ihm vorging, das war kein gutes Zeichen. Absolut kein Gutes. Mit zusammengebissenen Zähnen zwang er sich dazu, wieder in seine charmante, lockere Art zu schlüpfen und die düsteren Gefühle tief in seinem Körper zu vergraben. Nein, er war nicht eifersüchtig! Beim Klang der Stimmen überkam ihn noch ein letztes Beben, ehe er sich völlig gefasst hatte und ein geübtes Lächeln aufsetzte, das unglaublich echt aussah, aber keinen Moment lang seine Augen erreichte. Das Erste, was Adrian sah, als er in den Flur trat, waren Emilys nackte Schultern. Auf der Stelle wollte er ihr etwas darüber ziehen, zwang sich aber dann dazu, stattdessen ihren künftigen Begleiter für diesen Abend zu mustern, während er ihm die Hand schüttelte. „Freut mich“, säuselte er, ehe er ihn dann wieder losließ. Gott, wenn der Typ wenigstens hässlich gewesen wäre! Aber nein, er sah hochanständig in diesem Anzug aus. Richard wirkte etwas älter als Emily, was Adrian in diesem Augenblick unglaublich störte. Jetzt kam er sich wie das Kind in der Gruppe vor und zugleich sagte ihm eine innere Stimme, die normalerweise die Klappe zu halten hatte, dass er sich hier auch wie das Kind aufführte. Zumindest was seine Gedanken anging. „Also, ich wünsche euch beiden einen schönen Abend. Viel Spaß.“ Er richtete sich nun ganz an Emily und konnte sehr deutlich ihr dezentes Parfum riechen. Am liebsten hätte er in diesem Augenblick die Hosen runter gelassen und sein Revier markiert. Bis ihm wieder einfiel, dass das hier Emilys Wohnung und er kein Pitbull war. Darum sah er sie nur entschuldigend lächelnd an. „Ich muss mich jetzt für die Arbeit fertigmachen. Wir sehen uns dann morgen.“ Er machte auf dem Absatz kehrt und flüchtete in sein Zimmer. Dabei die Tür ganz langsam und leise zumachend, anstatt sie heftig zuzuschlagen, wonach ihm momentan eher gewesen wäre. Richard musterte unauffällig Emilys Mitbewohner, als sie sich die Hand gaben. Einen festen Händedruck hatte der Kerl schon mal auf jeden Fall. Aber seit wann hatte sie einen männlichen Mitbewohner? Sollte er sich deswegen Sorgen machen? Wenigstens hatten sie beim Abendessen genug Zeit, diese Frage zu klären. Und er bestand darauf, sie in Sicherheit zu wissen. Immerhin sah der Typ nicht gerade aus wie ein Engelchen. Da war so ein seltsamer Ausdruck in seinen Augen, der nicht zu dessen Lächeln passen wollte. Nun, wenigstens machte er einen schnellen Abgang. Somit mussten sie sich nicht weiter mit ihm herumschlagen. Charmant lächelte er Emily an. Sie sah fast schon unheimlich gut aus in diesem wunderschönen Kleid. Geradezu bezaubernd. „Wollen wir?“ Emily war irritiert von Adrians schnellem Abgang. Aber was hätte er auch groß sagen oder tun sollen? Wahrscheinlich war er einfach viel zu höflich, um hier noch lange herumzustehen. Sie wünschte ihm ebenfalls eine schöne Nacht, was er aber vielleicht gar nicht mehr mitbekommen hatte, da keine Sekunde später schon seine Tür geschlossen war. Ließ er sie sonst nicht immer nur angelehnt? In ihrem Inneren regte sich etwas, das sich wie schlechtes Gewissen anfühlte. Aber das konnte doch nicht sein. Adrian ging zur Arbeit und hätte daher sowieso keine Zeit gehabt, um den Abend mit ihr zu verbringen. Warum fühlte es sich denn nur so an, als hätte sie ihn … verletzt? Bevor sie noch weiter nachdenken konnte, zog Richard ihre Aufmerksamkeit auf sich. „Natürlich. Gib mir bitte noch zwei Minuten.“ Schnell ging sie noch einmal in ihr Zimmer, legte die Perlenkette an und griff sich einen braunen Schal mit türkisen Mustern, den sie sich um die Schultern schlingen konnte, sobald es kühler wurde. Kaum in ihre hohen Schuhe geschlüpft trat sie mit Richard aus der Tür hinaus. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)