Growing Up von Minami (NaruSasu | SasuNaru) ================================================================================ Kapitel 9: madness ------------------ „Okay, was ist passiert?“ Mit gerunzelter Stirn setzte sich Kushina gegenüber von ihrem Sohn an den Esstisch. „Ich weiß, dass du ein Morgenmuffel bist, aber das ist selbst für dich extrem.“ Sie deutete auf die halbvolle Schüssel Cornflakes. „Wenn du deinen Appetit verloren hast, dann muss etwas Schreckliches vorgefallen sein.“   Naruto, der sein Gesicht mit einer Hand abgestützt hatte, seufzte, der Blick auf seine Schokocornflakes gerichtet. „Nichts ist los, Mom“, stritt er halbherzig ab, während er mit dem Löffel in der Schüssel herumrührte, „Ich bin nur müde, das ist alles.“   „Wag es dich nicht, deine Mutter zu belügen, junger Mann!“ Kushina zog die Augenbrauen zusammen und beugte sich über den Tisch, um ihm eine Kopfnuss zu geben. „Du bist ein schlechter Lügner. Außerdem bist du mein Kind, also erkenn ich es immer, wenn du mich anlügst.“ Sie stand auf, um sich ein Glas Orangensaft einzuschütten. „Also? Spuck’s aus.“   „Naja…“ Naruto presste die Lippen zusammen und kratzte ein paar der am Rand der Schüssel klebenden Schokoflakes ab. „Es geht um Sakura-chan…“   „Sakura?“ Kushina nippte an ihrem Orangensaft und setzte sich wieder Naruto gegenüber hin. „Was ist mit ihr? Geht es ihr gut? Ich hab sie schon ziemlich lange nicht mehr gesehen.“   „Ich glaub nicht, dass du sie auch irgendwann bald zu Gesicht bekommen wirst…“, sagte Naruto langsam und zog eine Grimasse. „Es ist… Naja, sie ist in Sasuke verknallt, das weißt du, oder?“   „Immer noch?“ Seufzend strich sich Kushina die Haarsträhnen aus dem Gesicht. „Ihre Schwärmerei hält schon ziemlich lange, oder?“   „Seit der Grundschule“, erwiderte Naruto und schaufelte sich ein paar der Cornflakes in den Mund. „Sie ist ziemlich hartnäckig und versucht es immer noch bei ihm und alles. Sie hat auch noch nie einen Freund gehabt, weil sie eben keinen anderen außer Sasuke will.“   „Oh.“ Kushina sah auf ihre Hände. „Dann, denke ich, weiß ich, in welche Richtung dieses Gespräch verlaufen wird…“ Sie schenkte ihm ein schwaches Lächeln. „Sie hat euer Outing also nicht gut aufgenommen?“   „Genau das ist die Scheiße!“ Stöhnend ließ Naruto seinen Kopf gegen die Tischplatte knallen. „Wir haben es ihr noch nicht gebeichtet, weil wir nicht wussten wie und so, und naja… Gestern sind Sasuke und ich im Kino gewesen… Alleine und ich hab ihn… Fuck.“   Er schloss die Augen und versuchte den dicken Kloß, der sich beim bloßen Gedanken an den gestrigen Tag in seinem Hals gebildet hatte, herunter zu schlucken. „Ich hab… Ich hab Sasuke geküsst und… Und irgendwie ist Sakura wohl zur gleichen Zeit auch im Kino gewesen und sie hat uns…“ Ein zittriger Atemzug verließ seine Lippen. „Sie hat uns gesehen. Wie wir uns geküsst haben.“   „Oh… Scheiße.“ Kushina verzog das Gesicht und streckte die Hand aus, um sie auf Narutos Kopf zu legen. „Das ist wirklich ziemlich blöd gelaufen“, murmelte sie leise, während sie ihm sanft durch die Haare strich.   „Wem sagst du das!“ Seufzend schloss Naruto die Augen. „Ich… Du weißt, wie wichtig Sakura-chan mir ist, sie ist schließlich meine beste Freundin! Und… Und sie sollte es nie so erfahren… Verdammt, Sasuke und ich haben nur so lange gegrübelt und damit gewartet, weil wir nach einer Methode gesucht haben, mit der wir sie am wenigsten verletzen würden und jetzt… Fuck, du hättest sie sehen sollen, Mom!“   Er hob den Kopf, um ihr einen verzweifelten Blick zuzuwerfen, die Hände zu Fäusten geballt. „Sie war so tief verletzt und… Fuck, wir haben ihr gestern echt das Herz gebrochen! Nicht nur gebrochen, sondern sogar zerfetzt! Ich wollte ihr alles erklären, aber sie ist weggelaufen und Ino, mit der sie unterwegs war, hat uns gesagt, wir sollten sie erst einmal in Ruhe lassen…“   Als Kushina ihm weiterhin so sanft und beruhigend durchs Haar strich wandte er beschämt den Blick ab. Er sollte sich nicht trösten lassen, er war schließlich der Böse in der ganzen Sache. Er war das Arschloch und nicht das Opfer, das war schließlich Sakura!   „Ich hab sie gestern tausendmal angerufen, Mom“, sprach er leise weiter, „Tausendmal, mindestens, aber sie ist nicht an ihr Handy gegangen… In MSN und so hab ich sie auch angeschrieben, aber da war sie nicht online. Ich denke mal, dass sie mich geblockt hat…“   „Du solltest ihr ein wenig Zeit geben, Schatz“, riet Kushina ihm, „Sie scheint wirklich verletzt zu sein und braucht jetzt einfach ein bisschen Abstand von euch, um die Sache besser verkraften zu können.“ Sie strich ihm mit einem sanften Lächeln eine Haarsträhne hinters Ohr und nahm ihre Hand wieder weg.   „Aber wer weiß, was sie jetzt denkt!“ Mit zusammengezogenen Augenbrauen starrte Naruto in die Schüssel. Er führte seinen Löffel zu seinen Lippen, zögerte kurz und ließ ihn mit einem Seufzen schließlich wieder in die Schüssel fallen. Ihm war der Hunger vergangen. „Ich will ihr ja nur alles erklären, Mom! Damit sie weiß, dass wir keine… was weiß ich was sie jetzt denkt, eine Affäre hinter ihrem Rücken haben oder so! Aber sie gibt mir ja nicht mal die Gelegenheit dazu!“   Er schob die noch nicht mal halbleere Schüssel von sich weg und verschränkte stattdessen die Arme auf dem Tisch, um sein Gesicht in diesen vergraben zu können. „Ich hab deswegen jetzt echt Schiss“, gab er murmelnd zu, „Wie Sakura-chan in der Schule reagieren wird und wie sie uns, mir und Sasuke, gegenüber treten wird und was ich machen soll…“   „Ich würde sie auf jeden Fall nicht bedrängen“, meinte Kushina und stand auf. Sie nahm seine Schüssel und schüttete den Rest in den Mülleimer. „Ich würde sie nach einem klärenden Gespräch fragen, aber wenn sie nicht will oder dich ignoriert, dann würde ich ihr auf keinen Fall nachlaufen, sondern ihr einfach die Zeit geben, die sie braucht.“   „Hmm…“, machte Naruto und runzelte die Stirn, „Meinst du echt? Was ist, wenn sie nie wieder mit mir reden will…?“ Er biss sich auf die Unterlippe.   „Ach was! Denk nicht so negativ, Großer.“ Kushina wuschelte ihm durchs Haar. „Das bin ich gar nicht von dir gewohnt. Sonst denkst du doch auch immer positiv!“ Sie warf ihm ein aufmunterndes Lächeln zu und tätschelte seine Schulter. „Und jetzt komm, ich fahr dich heute zur Schule.“   Naruto erwiderte das Lächeln schwach. „Danke, Mom“, sagte er und erhob sich langsam, „Ich denke, den Bus hätte ich jetzt eh verpasst, heh.“ Er rieb sich über den Nacken und ging zurück in sein Zimmer, um seine Uniformjacke zu holen und anzuziehen.   „Eben, du hast schon genug herum getrödelt und ich kenn meinen kleinen Rabauken doch.“ Mit einem fiesen Grinsen kam Kushina auf ihn zu und zog an seinem Ohr. „Wenn du den Bus verpasst, dann nutzt du das immer als Gelegenheit, um die Schule zu schwänzen.“   „Autsch! Mom!“ Jammernd schlug Naruto ihre Hand weg und ging einen Schritt zurück. „Ich brauch mein Ohr noch, Mann“, beschwerte er sich mit einem Brummen und rieb sich über dieses.   „Wofür?“ Kushina zog eine Augenbraue hoch und zog sich ein leichtes Jäckchen drüber. „Auf deine Mutter und Autoritätspersonen hörst du ja schließlich nie.“   „Sorry.“ Naruto grinste sie frech an und tätschelte ihr den Kopf. „Aber ich kann Zwerge nicht ernstnehmen.“ Er streckte ihr die Zunge heraus und lachte, als sie nach ihm schlug. Es stimmte, seine Mutter war deutlich kleiner als er und das, obwohl Naruto selbst nicht zu den Größten gehörte.   „Hast du alles?“ Kushina schnappte sich ein Zopfband, um ihre langen Haare zu einem Dutt zusammenflechten zu können. „Dann hör auf, herum zu trödeln und komm.“   „Stress mich nicht so, Mann!“ Naruto zog einen Schmollmund und ging in die Küche, um sein Mittagessen für den heutigen Tag in seine Schultasche zu räumen. „Okay“, sagte er und rubbelte sich durchs Haar, „Bin soweit.“   Kushina schnappte sich ihren Schlüssel und dann machten sie sich auch schon gemeinsam auf den Weg zur Tiefgarage. „Gott, wann arbeiten die endlich mal an dem Aufzug?“, beschwerte sich Kushina, als sie an den immer noch kaputten Lift vorbei gingen, „Das ist jetzt schon über einen Monat so.“   „Keine Ahnung, aber das nervt voll!“ Ächzend kämpfte sich Naruto die gefühlt tausend Treppenstufen herunter. „Ich muss jeden Tag die scheiß Treppe herunter rasen, um nicht zu spät zum Bus zu kommen und das ist echt anstrengend! Mir tun davon voll die Waden weh!“   „Naja, sieh es als Sport an.“ Kushina warf ihm über ihre Schulter hinweg ein fieses Schmunzeln zu. „So viel, wie du isst, ist es gut, dass du etwas für deinen Körper tust. Du wirst langsam nämlich speckig.“   „Halt die Klappe!“, fuhr Naruto sie sofort beleidigt an, „Ich bin überhaupt nicht dick!“   „Noch“, sagte Kushina, „Und das darfst du den Treppen verdanken.“   „Pfft.“ Naruto rollte mit den Augen und pikste seiner Mutter in die Seite. „Du solltest aber mal mehr essen, Mom! Du siehst aus wie eine Bohnenstange!“   Kushina lächelte schwach. „Ich esse genug“, sagte sie und hielt für Naruto die Tür offen, als sie in der Tiefgarage angekommen waren, „Ich hab im Moment nur viel Stress, das ist alles.“   „Hmm…“, machte Naruto und betrachtete sie genauer. Sie war wirklich dünn geworden. Früher hatte sie eine perfekte Figur gehabt, mit Kurven an den genau richtigen Stellen, aber inzwischen sah sie nur noch aus wie ein Strich in der Landschaft.   Klapperdürr, total blass und immer diese dunklen Schatten unter ihren Augen. Naruto konnte nicht mehr sagen, wann er sie das erste Mal in ihrem Gesicht gesehen hatte, aber inzwischen waren sie nicht mehr wegzudenken. Sie erinnerte ihn damit an Itachi, Sasukes großen Bruder, und das war nun wirklich kein schöner Gedanke…   Itachi war schließlich ein verdammt gruseliger Typ und Naruto wollte nun echt nicht jedes Mal, wenn er in das Gesicht seiner Mutter sah, an ihn erinnert werden… Ugh, nein! Das musste wirklich nicht sein.   „Mach dir keine Sorgen, Naruto.“ Lächelnd legte Kushina ihm eine Hand auf die Schulter. „Das macht nur Falten.“   „Oh ja, mit Falten kennst du dich aus, Mom“, erwiderte er frech und wich diesmal dem Schlag, der seinem Hinterkopf galt, nicht aus. Den Hieb hatte er verdient, also akzeptierte er ihn auch.   „Frechdachs“, sagte sie, trug aber ein kleines Lächeln auf den Lippen. Sie holte ihren Schlüssel aus der Hosentasche, um ihren weißen Suzuki Alto aufschließen zu können. Naruto pflanzte sich sofort in den Beifahrersitz und schaltete das Radio ein.   „Fuck ja, Killerbee!“ Lachend versuchte Naruto die typische Handbewegung, die der Rapper immer machte, nachzumachen. „Bakayaro konoyaro!“   „Oh nein, nicht der schon wieder.“ Mit einem Seufzen rieb sich Kushina über die Schläfe und wollte den Radiosender wechseln, doch Naruto schlug ihre Hand mit einem bösen Blick weg. „Er kann überhaupt nicht rappen.“   „Killerbee ist der beste Rapper!“, verteidigte Naruto ihn sofort, „Du hast doch nur keine Ahnung, Mom! Du bist zu alt für die Rapszene!“ Lauthals mitrappend hievte er seine Schultasche in seinen Schoß und kramte in dieser auf der Suche nach seinem Handy herum.   „Anschnallen“, befahl seine Mutter und gab ihm einen Klaps auf den Hinterkopf, „Sofort.“   „Jaja.“ Seufzend stoppte Naruto momentan in seinem Tun, um sich anzuschnallen und suchte dann weiter. Er fand sein Handy kurz darauf und zog einen Schmollmund, als er sah, dass er keine SMS bekommen hatte.   Wie gemein. Er schickte Sasuke fast immer eine Guten-Morgen-SMS und bekam meist zwar auch eine Antwort, aber von sich aus würde sein Freund ihn nie begrüßen. Naja, das würde er Sasuke schon noch irgendwie aneignen können.   An: Sasuke mooorgen, mein knuddelbärchen :p mom fährt mich heute zur schule, also musst du nicht auf mich warten!   Er schickte die SMS ab und überlegte, ob er Sakura auch eine schicken sollte, entschied sich aber dann dagegen. Seine Mutter hatte schließlich gesagt, er sollte sie nicht allzu sehr bedrängen, also tat er dies auch nicht. Sie nachher nach einem Gespräch bitten würde er aber dennoch.   „Oh Gott, nein!“ Naruto stöhnte laut, als er die ersten Takte des neu anlaufenden Songs hörte. „Schalt um, Mom, ich hasse das Lied!“   „Nein.“ Kushina warf ihm ein süßliches Lächeln zu und drehte die Lautstärke des Radios stattdessen noch mehr auf. „Ich mag das Lied und eben musste ich mir auch deinen dämlichen Killerbee anhören, also beschwer dich nicht.“   „Aber Carly Rae Jepsen!“ Naruto riss die Augen auf. „Die Frau ist die Hölle! Call Me Maybe hängt mir inzwischen echt aus den Ohren raus!“   „Nicht mein Problem.“ Kushina lächelte ihn weiterhin so bösartig an und fing dann auch noch an, lauthals mitzusingen, als der Refrain ertönte. „Hey, I just met you and this is crazy, but here's my number, so call me, maybe!”   Naruto zog eine Grimasse und hielt sich beide Hände vor die Ohren. „Ich hasse dich!“, brummte er seiner Mutter zu, „Und das Dreckslied auch!“   „Stell dich nicht so an.“ Sie tätschelte ihm den Kopf, drehte die Lautstärke glücklicherweise aber dennoch wieder herunter. „Du regst dich immer so schnell auf, das ist nicht gut für deinen Blutdruck, Liebling.“   „Pfft!“ Naruto gab ein Schnauben von sich und nahm sein Handy in die Hand, als dieses vibrierte. „Aber nur, weil ihr immer alle scheiße zu mir seid!“   „Och, armes Baby.“ Kushina wuschelte ihm durchs Haar und summte leise beim Lied mit, während sie ihren Blinker einstellte und um die Ecke bog.   Naruto schob die Unterlippe hervor, erwiderte aber nichts und machte sich stattdessen daran, die SMS zu lesen.   Von: Sasuke Okay.   …Wow. Sasuke hatte so lange für seine Antwort gebraucht und das, obwohl er nur ein einziges Wort geschrieben hatte?! Naja, es war Sasuke, der nahm sich beim Antworten immer seine süße Zeit. Wahrscheinlich wollte er viel beschäftigt wirken oder so.   Naruto beantwortete seine SMS mit einem einfachen „“ und da er wusste, dass er darauf keine Antwort bekommen würde, räumte er sein Handy zurück in seine Schultasche und machte es sich im Autositz bequem.   Für eine Zeit lang saß er einfach nur da und beobachtete seine Umgebung und die voll befahrenen Straßen, ehe er seine Schläfe mit einem Stöhnen gegen die kühle Scheibe des Fensters lehnte und die Augen schloss.   „Müde?“, fragte Kushina und sah aus den Augenwinkeln zu ihm.   Naruto zuckte schwach mit den Schultern. „Geht“, sagte er und bohrte die Zähne in seine Unterlippe, „Ich bin nur ein wenig… naja, nervös und so.“   „Wegen Sakura?“   Ihr Sohn nickte langsam. „Ja“, bestätigte er, „Ich weiß echt nicht, wie ich mich ihr gegenüber verhalten soll und wie sie es wird… Ob sie mich und Sasuke ignorieren wird oder… keine Ahnung.“ Er stöhnte und presste seine Stirn gegens Fenster.   „Das wird sich mit der Zeit schon regeln, Großer“, versuchte Kushina ihm Mut zu machen und tätschelte sanft seine Schulter, „Wie gesagt, ich würde sie nach einem Gespräch beten und wenn sie nicht möchte, dann würde ich sie auch in Ruhe lassen, bis sie von alleine auf euch zukommt.“   „Und was ist…“ Naruto musste schlucken. „Was ist, wenn sie gar nicht mehr auf uns zukommt?“   „Ich sagte dir doch, du sollst nicht so negativ sein.“ Sie schnipste ihm gegen die Wange. „Es wird sich schon wieder alles regeln, Naruto, mach dir da keine Sorgen.“   Er verzog das Gesicht. „Ich versuch’s“, erwiderte er murmelnd und öffnete die Augen, um das morgendliche Treiben auf Konohas Straßen beobachten zu können.   Knapp fünfzehn Minuten später kam schließlich das Schulgebäude der Konoha High in ihr Blickfeld. Kushina hielt an der Bushaltestelle vor dem Schultor an und wünschte ihrem Sohn noch einmal viel Glück. Naruto bedankte sich bei ihr, gab ihr ein Küsschen auf die Wange und dann war er auch schon aus dem Kleinwagen gesprungen und machte sich auf den Weg zu seinem Klassenraum.   Seine Finger zuckten mit dem Bedürfnis, sich eine Zigarette zu gönnen, aber dafür hatte er leider nicht mehr genug Zeit. Er war eh schon spät dran gewesen und dann hatten sie auch noch so lange im Stau gestanden… Mit der Kippe musste er wohl bis zur Pause warten.   Ächzend fuhr er sich durchs Haar und schluckte die immer wieder aufkeimende Nervosität herunter, während er die knarzenden Treppen hochging. Fuck, er hatte echt… Schiss. Er hatte wirklich überhaupt keine Ahnung, was ihn erwarten und wie sich Sakura verhalten würde…   Er hoffte natürlich, dass sie sich inzwischen vielleicht wieder ein bisschen beruhigt hatte, aber sie sprachen hier von Sakura und diese konnte ziemlich lange einen Groll gegen jemanden hegen, wenn sie wollte und irgendwie… Irgendwie beschlich Naruto das Gefühl, das sie dies auch wollte.   Sasuke und er hatten ihr schließlich das Herz gebrochen, das war nun wirklich nichts, was ein so emotionales Mädchen wie Sakura jemandem schnell verzeihen konnte… Fuck.   Naruto knabberte an seiner Unterlippe herum, als sein Klassenzimmer in Sichtweite kam. Er schloss kurz die Augen, atmete ein letztes Mal tief ein und betrat das Zimmer schließlich. Sein Blick fiel direkt auf ihren Stammtisch. Ihren Stammtisch, der abgesehen von Sasuke leer war.   Narutos Magen verknotete sich, während er sich langsam auf den Tisch in der zweiten Reihe zubewegte und sich auf seinen Platz neben Sasuke plumpsen ließ. „Hey“, begrüßte er ihn mit einem schwachen Lächeln und legte seine Tasche zwischen seinen gespreizten Beinen ab.   Sasuke, der gerade in ein Manga vertieft war, drehte den Kopf zur Seite, um ihn ansehen zu können. „Hi.“   Naruto legte die Hand auf Sasukes Oberschenkel und quetschte ihn sanft. „Wo ist… Wo ist Sakura-chan?“, fragte er und ließ die Hand in seinen Schoß fallen.   Sasuke presste die Lippen zusammen. „Sie sitzt bei Ino“, erwiderte er und widmete sich wieder seinem Manga.   „Oh? Echt?“ Naruto blinzelte verdutzt, weil ihm dies nicht aufgefallen war und drehte sich um, um in die letzte Bankreihe zu sehen. Und tatsächlich, dort, neben Ino saß Sakura. Sie sah aus wie ein Geist, komplett blass und den Blick stur auf die Tischoberfläche gerichtet.   „Hast du…“ Er befeuchtete sich die trockenen Lippen. „Hast du mit ihr geredet? Heute?“   „Nein“, antwortete Sasuke und blätterte in seinem Manga um, „Als ich das Klassenzimmer betreten hab saß sie bereits bei Ino.“   „Oh.“ Naruto biss sich auf die Unterlippe. „Okay.“   Sakura wollte nicht bei ihnen sitzen. Okay, damit hätte er eigentlich rechnen müssen, aber es war dennoch irgendwie… verletzend. Aber nachvollziehbar.   „Ich…“ Naruto blickte auf die Uhr, die über der Türe hing. Noch zwei Minuten bis zum Unterrichtsbeginn. „Ich denk, ich werd mit ihr reden“, meinte er langsam und stand auf.   Sasuke schnaubte. „Glaubst du wirklich, dass sie dir zuhören wird?“ Er klappte sein Manga zu und räumte es in seinen Rucksack.   „Keine Ahnung“, erwiderte Naruto ehrlich. Sein Blick ruhte auf Sakura, während er mit der Zunge über seine Vorderzähne leckte. „Aber ein Versuch ist es wert, oder? Ich will ihr ja… Ich will ihr die ganze Sache ja nur erklären und so.“   „Hmm“, machte Sasuke nur und verschränkte die Finger, um sein Kinn auf seinem Handrücken abzustützen. „Viel Glück.“   „Das werd ich brauchen“, murmelte der Blonde vor sich hin. Er schob die Hände in seine Gesäßtasche und bewegte sich dann langsam auf Sakura zu. Ino warf ihm zwar einen vernichtenden Blick zu, als er vor seiner Freundin stehen blieb, doch er ließ sich davon nicht weiter stören. „Sakura-chan…“   Sakura zuckte leicht zusammen, als sie seine Stimme hörte und bohrte die Zähne in ihre Unterlippe, doch antworten, das tat sie nicht.   „Sakura-chan“, versuchte Naruto es erneut, „Ich weiß, dass es dir beschissen geht und wir dich gestern wirklich verletzt haben und es tut mir auch-“   „Halt den Mund, Naruto“, unterbrach sie ihn leise, der Blick weiterhin auf den Tisch gerichtet, „Ich will deine Ausreden nicht hören.“   „Ich will dir die ganze Sache ja auch nur erklären!“, sagte er verzweifelt und legte die Hände auf ihrem Tisch ab, „Bitte, Sakura-chan, gib mir die Chance-“   „Du hast keine Chance verdient.“ Sakura schnaubte und drehte den Kopf zur Seite. „Und jetzt geh mir aus den Augen.“   „Bitte, Sakura-chan! Bitte!“, flehte Naruto mit Nachdruck, „Gib mir nur eine Gelegenheit, um dir alles zu erklären… Gib mir… Gib mir fünf Minuten und-“   „Geh mir aus den Augen, Naruto.“   „Fünf Minuten, Sakura-chan!“ Naruto biss sich auf die Unterlippe. „Oder… Von mir aus auch nur eine Minute, aber bitte… Sakura-chan, bitte…“ Seine Stimme brach bei den letzten Worten und er blickte beschämt auf seine schmutzigen Schuhe. „Ich flehe dich an, gib mir… Lass mich dir alles erklären…“   Sakura öffnete den Mund und schloss ihn wieder. Man konnte ihr ansehen, wie sehr sie gerade mit sich selbst kämpfte. Ihre Finger zitterten leicht, als sie die Hände zu Fäusten ballte und diese in ihrem Schoß vergrub.   „Bitte…“, murmelte Naruto und warf einen Blick über seine Schulter, als er die Stimme seines Lehrers hören konnte, „Bitte, ich-“   „Eine Minute“, sagte Sakura leise, „Du hast in der Pause eine Minute Zeit, Naruto, und keine Sekunde mehr.“   Naruto fiel ein Stein vom Herzen bei diesen Worten und er musste lächeln. „Danke, Sakura-chan, wirklich!“   Sakura erwiderte nichts mehr, also machte sich Naruto auf den Weg zurück zu seinem Platz, als er von seinem Lehrer dazu aufgefordert wurde. „In der Pause“, sagte er mit einem Grinsen zu Sasuke, als er sich neben ihn setzte, „In der Pause gibt sie mir eine Chance, mit ihr zu reden.“   Sasuke nickte leicht und strich sich eine Haarsträhne aus den Augen. „Das ist gut.“   „Ja, oder?“ Strahlend schnappte sich Naruto seine Hand, um sie sanft zu quetschen. „Das ist wirklich gut! Ich bin echt sau froh, dass sie mir diese eine Chance noch gibt.“   Sasuke erwiderte den Händedruck. „Was wirst du ihr sagen?“   Naruto presste die Lippen zusammen. „Die Wahrheit“, erwiderte er, „Die Wahrheit, Sasuke.“   ~ xXx ~   Noch nie zuvor in Narutos Leben waren zwei Unterrichtsstunden so schnell vergangen wie heute. Es kam ihm vor, als hätte er gerade erst sein Handy abgegeben, da hatte es auch schon zur Pause geklingelt!   „Oh Gott.“ Naruto knabberte an seiner Unterlippe herum, während er seine Unterrichtssachen in die Tasche räumte. „Ich hab die ganzen zwei Stunden überlegt, wie genau ich ihr alles erklären soll und jetzt hab ich dennoch keine Ahnung! Ich mein, ich hab ja nur eine Minute Zeit und so, da kann ich nicht dumm herum drucksen…“   „Sag einfach das, war dir als erstes in den Sinn kommt“, riet Sasuke ihm, der auch mit Bücher einpacken beschäftigt war, „Das werden schon die richtigen Worte sein.“   „Hoffen wir’s.“ Naruto zog eine Grimasse und drückte seine Schultasche an sich. „Wartest du beim Kirschbaum auf mich?“, fragte er den Anderen und sah aus den Augenwinkeln zu Sakura, um sicherzugehen, dass sie nicht abhauen würde.   „Werd ich.“ Sasuke nickte und strich sich eine Haarsträhne hinters Ohr. „Du packst das schon“, sagte er ihm, als er Narutos ängstlichen Gesichtsausdruck sah. Er quetschte sich an ihm vorbei und ließ ihre Hände dabei leicht gegeneinander streifen. „Reden ist doch schließlich dein Element.“   „Heh.“ Naruto grinste leicht und sah ihm nach. „Danke, Sas. Wenn alles gut läuft, dann werd ich hoffentlich mit Sakura-chan zum Kirschbaum kommen, ansonsten…“ Er verstummte leise.   Sasuke nickte ihm abermals zu und drehte sich dann um, um den Klassenraum zu verlassen. Naruto sah ihm nach, bis er aus seinem Blickfeld verschwand und ging dann mit schnell klopfendem Herzen auf Sakura zu.   „Ähm“, fing er an, als er bei ihrem Tisch angekommen war und schenkte ihr ein schiefes Grinsen.   „Lass uns draußen reden“, sagte Sakura leise. Sie drückte ihre Schultasche an ihre Brust, warf einer skeptisch aussehenden Ino ein schwaches Lächeln zu und machte sich dann auf den Weg in den Gang. Naruto folgte ihr.   Draußen angekommen führte sie ihn in ein ruhiges Eckchen und sah ihm schließlich das erste Mal in die Augen. Ihre Augen wirkten glasig, fast so, als wäre sie kurz davor zu weinen. Ihr Gesicht zierten dunkle Schatten und das Schrecklichste war, wie deutlich man ihr ansehen konnte, wie tief sie doch verletzt war.   „Eine Minute, Naruto“, sagte sie ihm. Ihre Stimme klang überraschend standfest dafür, dass sie so aussah, als würde sie jeden Moment in Tränen ausbrechen. „Mehr geb ich dir nicht.“   „Danke…“ Naruto rubbelte sich durchs Haar und holte tief Luft. Er hatte immer noch keinen blassen Schimmer, was er sagen sollte, also tat er es genau so, wie Sasuke es ihm empfohlen hatte; einfach reden, was ihm in den Sinn kam. Es würden schon die richtigen Worte sein und vor allem… Vor allem würden es die sein, die vom Herzen kamen.   „Also… Ich weiß, dass es gestern ein wirklicher Schock gewesen sein muss, mich und Sasuke kü-… Naja, uns zu sehen und glaub mir, ich wollte auch nie, dass du uns so siehst…“ Naruto leckte sich über die Lippen und schloss die Augen. Er konnte Sakura dabei irgendwie nicht in die Augen sehen, er konnte ihren Schmerz einfach nicht ertragen.   „Und… Naja, es ist so, wie es aussah… Sasuke und ich…“ Er biss sich auf die Unterlippe und atmete laut aus der Nase aus. „Wir sind… Wir sind zusammen.“   Er konnte hören, wie Sakura scharf die Luft einzog und kniff die Augen fester zusammen. Fuck, damit hatte er Sakura wohl die letzte Hoffnung genommen. Ein Kuss hieß ja schließlich nichts, es könnte nur aus Spaß oder Ähnlichem passiert sein, aber jetzt… Jetzt wusste sie, dass es kein Spaß, sondern ernst war. Dass er und Sasuke wirklich Gefühle füreinander hatten.   „Ich… Ich weiß auch nicht, wie es genau passiert ist, aber das ist ja eigentlich auch egal“, sprach er schließlich weiter, „Es… Ich… Fuck… Sakura-chan, wir wollten es dir sagen, glaub uns! Aber wir wussten, dass wir dich damit verletzen würden und deswegen haben wir überlegt, wie wir es dir möglichst… ich weiß nicht… Wir haben einfach nach einer Art und Weise gesucht, es dir zu beichten, ohne dabei dein Herz zu… zu brechen und… Ich glaub, das ist uns nicht gelungen.“   Naruto wartete. Auf eine Antwort, eine Reaktion, auf irgendetwas! Aber nichts geschah… Sakura reagierte nicht und das machte ihm Angst. Deswegen öffnete er auch ganz, ganz langsam die Augen, um ihr ins Gesicht sehen zu können.   Es fühlte sich so an, als hätte man ihm eine Faust in den Magen gerammt. Sakura sah… sie sah… Naruto konnte es nicht beschreiben. Sie sah so unglaublich verletzt aus, ungläubig und traurig, aber gleichzeitig… Gleichzeitig konnte er auch etwas Bedrohliches in ihren nassen, grünen Augen funkeln sehen.   Etwas, welches verdächtig sehr nach Hass aussah.   „Sakura-chan“, fing er an, brach allerdings ab, als sie die Hand in die Luft hielt.   „Halt den Mund, Naruto“, sagte sie ihm leise, die freie Hand zur Faust geballt, „Halt einfach den Mund… Du verstehst es nicht, oder?“ Sie knirschte mit den Zähnen. Es war eine seltsame Mischung, ihr Gesicht so hart zu sehen, während ihre Augen gerade zu schrien, wie verzweifelt sie doch war. Und dann waren da noch diese nassen Stellen auf ihrer Wange… Die Tränen, die sie schließlich nicht mehr zurückhalten konnte.   Naruto öffnete den Mund, um nachzufragen was sie meinte, da er im Moment wirklich nicht verstand, doch sie zischte ihm erneut ein „Klappe!“ zu.   „Du machst damit alles… alles k-kaputt“, sagte sie mit gebrochener Stimme, „Alles, Naruto, alles… Du weißt, was ich für S-Sasuke-kun empfinde und wie sehr… wie sehr ich ihn… li…“ Ein Schluchzen verließ ihre bebenden Lippen und sie rieb sich mit den Handrücken übers Gesicht. „Wie sehr ich ihn liebe…“   Sie schluchzte erneut, während Naruto nur mit verzweifelter Miene beobachten konnte, wie immer mehr und mehr Tränen über ihre Wangen rollten und schließlich an ihrem Kinn abperlten.   „Ich l-liebe ihn…“, wiederholte Sakura leise, „Aber das ist dir egal, oder? Du bist so egoistisch, dass du mein gebrochenes Herz in Kauf nimmst und trotzdem mit ihm… mit ihm…. Wie kannst du nur!“   Naruto zuckte zusammen, als sie plötzlich schrie und wich erschrocken einen Schritt zurück. „Sa-“   „Ich dachte, wir sind F-Freunde!“, schrie sie weiter und leckte sich die Tränen von den Lippen, „Ich dachte, wir sind… Aber scheinbar nicht, denn so… So verhalten sich Freunde nicht, Naruto…“   „Aber Sakura-chan…“ Naruto biss sich auf die Unterlippe und kam wieder auf sie zu, die Hände unsicher nach ihr ausgestreckt. Er wusste nicht, was er sagen sollte, sie hatte ja Recht, aber… Aber hatte sie Sasuke nicht auch immer schöne Augen gemacht und das, obwohl sie wusste, dass Naruto zu dem Zeitpunkt in sie verliebt gewesen war…?   Warf sie ihm nicht etwas vor, dessen sie selbst schuldig war…? Egoismus…?   „Ich b-bin… ich bin zutiefst enttäuscht von dir“, sagte sie schniefend und presste die Lippen zusammen, „Ich kann wirklich nicht glauben, dass du… dass du…“ Sie legte eine ihrer zitternden Hände in ihr Gesicht und gab ein Schluchzen von sich, das ihren ganzen Körper zum Beben brachte. „Ich dachte, wir sind Freunde…“   „Das sind wir doch auch!“, versicherte Naruto ihr verzweifelt, „Das sind wir, Sakura-chan! Die besten sogar! Ich… Ich wollte mich doch nie in Sasuke verlieben! Ich hab das doch nicht gemacht, um… um dich zu ärgern oder so, es ist einfach passiert und-“   „Dann hättest du deine Gefühle verdrängen sollen, Naruto!“, brüllte sie ihn an und nahm die Hand wieder von ihrem Gesicht. „Du bist so… so unfair! Du hättest die Gefühle einfach unterdrücken sollen!“   „Aber wieso ist das unfair?!“, fragte Naruto sie verwirrt, „Du wusstest, dass ich in dich verliebt war, aber hat dich das interessiert? Du hast Sasuke dennoch immer ange-“   Klatsch.   Die Ohrfeige kam so überraschend und vor allem so hart, dass Naruto keine Zeit hatte, um reagieren zu können. Er öffnete den Mund zu einem stummen Schmerzensschrei, als sein Kopf wegen der Wucht des Schlags zur Seite gezwungen wurde und starrte mit großen, fassungslosen Augen an die Wand.   „Ich will dich nicht mehr sehen“, sagte Sakura leise, die Stimme auf einmal überraschend ruhig, „Also geh mir aus den Augen und sprich mich nicht mehr an.“   Naruto erwiderte nichts und schloss stattdessen mit einem Klacken den Mund. Er hob die Hand, um sie auf seine pochende Wange zu legen, während er im Hintergrund hören konnte, wie sich Sakura in Bewegung setzte und ihn allein ließ.   Ein Zischen verließ seine Lippen, als seine Finger Kontakt mit seiner geröteten Wange herstellten. Er tastete die Seite seines Gesichts vorsichtig ab, um sicherzugehen, dass sie ihm nicht den Kiefer ausgerenkt hatte und ließ die Hand schließlich fallen.   „Fuck“, fluchte er leise und kniff die Augen zusammen. Ein Versuch, das verräterische Brennen in diesen zu unterdrücken. Eine Zeit lang stand er einfach nur da, die Augen geschlossen und die Arme an seinen Seiten hängend, und lauschte den lachenden und vor allem glücklichen Stimmen um ihn herum.   Als das Brennen schließlich nachließ schlug Naruto die Lider wieder auf und rieb sich mit dem Daumen eine einzelne Träne aus dem Augenwinkel, ehe er sich auf den Weg zum Kirschbaum und zu Sasuke machte.   Sein Freund führte gerade eine Tomate zu seinen Lippen, ließ die Hand allerdings fallen, als er Naruto erblickte. Er legte die Frucht zurück in seine Bentobox und wartete, bis sich ein schwach grinsender Naruto neben ihn hingesetzt hatte, ehe er den Mund öffnete: „Ich denke, ich muss nicht nachfragen, wie es gelaufen ist.“   Vorsichtig streckte er die Hand aus und legte sie auf Narutos deutlich gerötete und geschwollene Wange. Der Blonde zuckte leicht zusammen, machte aber keine Anstalten, den behutsamen Berührungen des Anderen auszuweichen.   „Sie hat mir Vorwürfe gemacht“, sagte er leise, während Sasuke weiterhin über seine Wange strich, „Sie hat mir die Schuld gegeben.“   „Das ist Sakura“, erwiderte Sasuke und strich ihm die ins Gesicht fallenden Haare weg, „Sie gibt immer anderen die Schuld.“   „Ja, schon, aber…“ Naruto biss sich auf die Unterlippe und legte mit einem Stöhnen den Kopf in den Nacken. „Sie hat es so dargestellt, als wäre ich ein Monster, weil ich mich in dich verliebt habe und meinen Gefühlen freien Lauf lasse.“   „Nimm dir ihre Worte nicht so zu Herzen.“ Sasuke nahm wieder seine Essstäbchen in die Hand und aß etwas von dem gebratenem Reis in seiner Bentobox. „Sie ist verletzt. Es ist nur der Neid, der da aus ihr spricht.“   „Aber-“   „Kein aber, Naruto.“ Sasuke legte ihm den Zeigefinger auf die Lippen, die Augen hart. „Es ist nicht deine Schuld, du hast nichts Schlechtes gemacht. Wir haben nichts Schlechtes gemacht.“   Narutos Augen huschten über Sasukes Gesicht, während er dieses nach Anzeichen einer Lüge oder Ähnlichem absuchte, doch als er nichts fand und ihm klar wurde, dass Sasuke die Wahrheit sagte, nickte er.   Sasukes Finger wanderten zu seinem Kinn herunter und umfassten es leicht. „Also hör auf, dir Vorwürfe zu machen. Glaub mir, wenn ich Sakuras Gefühle erwidert hätte, dann hätte sie nicht mal mit der Wimper gezuckt und mich sofort nach einer Beziehung gefragt. Ihr wäre dabei egal gewesen, dass du in sie verliebt wärst, sie hätte keine Gewissensbisse gehabt, also brauchst du das auch nicht.“   „Sie ist doch unsere beste Freundin, Sasuke“, murmelte Naruto leise, „Ich… Ich will sie als diese auch behalten. Ich will nicht, dass sich jetzt alles zwischen uns verändert und unsere Freundschaft zerbricht… Ihr seid die wichtigsten Personen in meinem Leben.“   „Gib ihr einfach ein wenig Zeit“, sagte Sasuke und neigte den Kopf leicht zur Seite, „Sakura ist zuweilen ein sehr egoistischer Mensch, aber sie hat das Herz am rechten Fleck. Sie wird schon einsehen, dass sie einen Fehler gemacht hat und dann wird alles wieder beim Alten sein.“   Narutos Blick wanderte kurz zu Sasukes Lippen, die seinen so verführerisch nah waren, ehe er ihm wieder in die Augen sah. „Versprochen?“, fragte er leise nach, „Versprochen, Sas?“   Sasukes Daumen rieb über seinen Mundwinkel. „Versprochen“, sagte er und küsste ihn.   Naruto schloss die Augen, als sich ihre Lippen trafen und atmete langsam aus der Nase aus. Er nahm Sasuke das Bento aus der Hand und legte es im Gras ab, ehe er seinen Hinterkopf mit einer Hand umfasste und sich in seinen Schoß setzte.   Es war angenehm… beruhigend, das Gefühl von Sasukes Lippen, die sich langsam gegen seine bewegten, und diese Wärme, die seine Präsenz ausstrahlte. Es war ablenkend, es nahm Naruto, wenn auch nur zeitwillig, die unliebsamen und verletzenden Gedanken über Sakura und vor allem… Vor allem machte es Naruto glücklich.   Es machte ihn glücklich, Sasuke so nah zu sein.   Es machte ihn glücklich, Sasuke anfassen zu können.   Es machte ihn glücklich, Sasukes Atem spüren zu können.   Sasuke… Sasuke machte ihn schlicht und ergreifend glücklich.   Naruto stöhnte leise, als sich ihre Zungen für einen hitzigen Kampf trafen und presste sich noch näher an seinen Freund. Ihm war egal, dass sie mitten auf dem Pausenhof waren und ihm war durchaus bewusst, dass gleichgeschlechtliche Beziehungen von der Gesellschaft noch nicht akzeptiert waren, aber er brauchte das jetzt einfach.   Er grinste gegen dünne Lippen, als er den Kampf um die Dominanz gewonnen hatte und begann damit, seine Zunge mehrmals in Sasukes Mund zu stoßen. Sasuke gab ein leises, lustvolles Geräusch von sich, die Hände in Narutos Hemd gekrallt. Naruto leckte über seinen Gaumen und ließ die Zunge über eine Reihe perfekter Zähne gleiten, ehe er den Kuss schwer atmend löste und seinen Mund stattdessen auf die empfindliche Stelle unter Sasukes Kiefer heftete.   „Ich mag das“, murmelte Naruto gegen seine Haut, die Zungenspitze hauchzart über seinen Kieferknochen streichend, „Dass ich dich jetzt immer küssen kann, wann ich will und es nicht mehr heimlich machen muss.“   „Mhh“, machte Sasuke nur. Seine Augen waren halbgeschlossen, der Mund leicht geöffnet und die Wangen bereits mit einer feinen Röte überzogen. Das war etwas, was Naruto sehr mochte. Sasukes Blässe und die Art und Weise, wie sie die Rötungen seines Körpers noch einmal viel deutlicher machte.   „Ich werd dir einen Knutschfleck machen“, sagte Naruto und ließ seine Lippen auf der Suche nach dem perfekten Ort zart über Sasukes Haut gleiten, „Damit jeder weiß, dass du mir gehörst.“   Als er schließlich eine Stelle gefunden hatte, die ihm gefiel, küsste er diese leicht und fing dann an, zu saugen. Hart zu saugen! Es sollte schließlich kein kleiner, mickriger Fleck entstehen, sondern ein richtiger, dunkler Knutschfleck, mit dem Sasuke tagelang zu kämpfen haben würde.   „Naruto…“ Sasukes Hände fanden ihren Weg in blondes Haar und er zog an diesen, ein mickriger Versuch, Narutos Mund von seinem Hals zu bekommen. Aber Naruto kannte seinen Freund inzwischen, er wusste, dass Sasuke es insgeheim auch wollte, da er ihn sonst schon längst von sich geschubst hatte, also ließ er sich davon nicht abhalten und saugte weiter.   „Du gehörst mir“, raunte der Blonde ihm zu, als er stolz sein Werk betrachtete und über den dunklen Fleck auf der blassen Haut leckte, „Und jetzt wissen es auch alle.“ Er wollte sich gerade daran machen, noch ein Mal zu hinterlassen, da hörte er auf einmal ein verächtliches Schnauben.   „Ihr widerlichen Schwuchteln.“   Naruto zog die Augenbrauen zusammen und drehte den Kopf zur Seite, nur um in das angeekelte und zugleich auch wütende Gesicht eines ihm nur allzu bekannten Kerls zu sehen; Hidan. Hidan Nakamura.   Er ging in ihre Parallelklasse und da er bereits das zweite Mal sitzengeblieben war, war er dementsprechend auch zwei ganze Jahre älter als Naruto, nämlich neunzehn. Er war ein großer, muskulöser und vor allem unangenehmer Geselle.   Hidan war vulgär, respektlos, jähzornig und äußerst aggressiv. So gut wie jeder machte einen großen Bogen um ihn herum, weswegen er auch nur zwei Freunde hatte, welche ihn wie Schoßhündchen überallhin nachliefen; Akito Yoshida und Tsuyoshi Sato, beide ebenfalls für ihre gewalttätigen Tendenzen bekannt.   „Ihr seid Abschaum, verfickter Abschaum.“ Hidan spuckte auf den Boden. „Lord Jashin verabscheut solche widerwärtigen Missgeburten, wie ihr es seid.“   „Lass uns mit deiner beschissenen Sekte in Ruhe, Mann!“, erwiderte Naruto knurrend und verengte die Augen zu Schlitzen. „Mir ist scheiß egal, was dein behinderter Lord Jashin sagt! Ich scheiß auf deinen Gott!“   Sasuke, der seine Hände auf Narutos Hüfte ruhen hatte, bohrte die Finger leicht in seine Haut. „Naruto…“   „Du…“ Hidan fletschte die Zähne, der ganze Körper bebend vor Wut. „Wag es dich verfickt nochmal nicht, so noch einmal über Lord Jashin zu reden oder ich schwör dir, du kleine Ratte, du wirst es bereuen!“ Er kam einen Schritt auf sie zu, die Hände zu Fäusten geballt.   „Ich scheiß auf deinen Gott“, wiederholte Naruto, „Genau so, wie ich auf dich scheiße und-“   „Halt die Klappe!“, zischte Sasuke ihm zu und legte schnell eine Hand über Narutos Mund, um ihn vom Reden abzuhalten, „Provorzier ihn nicht, verdammt!“   Naruto warf Sasuke einen bösen Blick zu und löste die Hand von seinem Mund. „Was soll er denn schon machen, Sasuke?“ Er lachte spöttisch und sah zu Hidan, dessen Gesicht immer noch zu einer Grimasse der Wut und des Hasses verzogen war. „Er darf sich keinen Schnitzer mehr erlauben, sonst fliegt er von der Schule! Ich hab keine Angst vor diesem Wichser und seinem erbärmlichen Gott und seiner dummen Sekte!“   Hidan war zwar einige Meter von ihnen entfernt, aber trotz dieser Distanz konnte Naruto hören, wie er mit den Zähnen knirschte. „Das wirst du noch bereuen, Uzumaki“, brachte er knurrend hervor, der Ton so leise und bedrohlich, dass er Naruto einen Schauer über den Rücken jagte, „Keine elendige Schwuchtel wie du es bist wird damit davon kommen, so über Lord Jashin zu reden. Dafür werde ich sorgen.“   „Verpiss dich“, erwiderte Naruto und schlang die Arme um Sasukes Nacken, „Ich bin beschäftigt.“ Ohne eine Reaktion abzuwarten presste er seine Lippen auf Sasukes.   Er konnte Hidan im Hintergrund fluchen hören, doch er beachtete ihn nicht und konzentrierte sich stattdessen auf Sasuke. Sasuke, der komplett bewegungslos blieb und den Kuss kein Stückchen erwiderte. Naruto runzelte irritiert die Stirn, ließ sich davon aber nicht abhalten und machte weiter damit, Sasukes Lippen mit seinen zu massieren.   Nach einigen Sekunden bewegte sich Sasuke schließlich, doch anstatt den Kuss zu erwidern legte er seine Hände auf Narutos Oberarme und drückte ihn so ein wenig von sich weg. „Spinnst du?!“, zischte er ihm leise zu.   „Was?“ Naruto leckte sich über die Lippen und sah ihn verärgert an. „Was ist los? Sag mir nicht, du nimmst dir Hidans Worte zu Herzen…!“   „Ich scheiß darauf, was dieser Erbärmling zu sagen hat, aber du hättest ihn dennoch nicht provozieren sollen!“ Sasuke verengte die Augen zu Schlitzen und bohrte die Nägel in seine Haut.   Schmerzerfüllt verzog Naruto das Gesicht. „Aber ich lass mir so etwas doch nicht bieten, Mann!“, erwiderte er aufgebracht, „Außerdem sind ihm die Hände gebunden, Sasuke! Er darf sich nicht nochmal prügeln, sonst fliegt er von der Schule! Die Pausenaufsicht hat ständig ein Auge auf ihn, es ist also alles gut.“   Mit einem kleinen Lächeln lehnte er seine Stirn gegen Sasukes. „Du musst dir also nicht solche Sorgen um mich machen“, murmelte er, „Auch wenn ich es zu schätzen weiß und wirklich niedlich finde, hehe.“   „Einer muss sich ja Sorgen machen, wenn du Holzkopf es nicht tust“, erwiderte Sasuke brummend, „Was nicht heißt, dass ich derjenige bin.“   „Natürlich nicht.“ Naruto lachte atemlos und umfasste sein Gesicht mit einer Hand. „Natürlich nicht.“ Sasuke wollte weiter protestieren, doch Naruto brachte ihn einfach mit seinen Lippen zum Schweigen.   ~ xXx ~   „Ugh! Autsch, fuck.“ Naruto zog eine Grimasse, als sich die Metallstange des Busses schmerzhaft in seinen Rücken bohrte. „Ich hasse es, wenn der Bus so voll ist, Alter.“   Sasuke, der gegenüber von Naruto stand, grunzte, als ihn jemand von hinten anrempelte und warf der Person einen zornigen Blick zu. „Ich auch“, sagte er und streckte den Arm aus, um seine Hand über Narutos Kopf um die Stange zu schlingen, „Zu viele Menschen.“   „Schon.“ Naruto rutschte ein wenig zur Seite, damit auch er sich bei der Stange festhalten konnte. „Ich mein, ich hab eigentlich nichts gegen Menschenmassen, aber ein voller Bus ist immer scheiße.“   Sasuke gab nur erneut ein Grunzen von sich und wurde leicht nach vorne geschleudert, als sich der Bus plötzlich und abrupt in Bewegung setzte. „Hn.“   „Heh“, machte Naruto und krallte sich mit der freien Hand an Sasukes Gürtel fest. „Hast du heute schon etwas vor? Ich könnte echt ein bisschen Ablenkung gebrauchen wegen Sakura-chan und so…“ Ein niedergeschlagenes Seufzen verließ seine Lippen.   Sakura hatte ihnen den ganzen Schultag über keinen einzigen Blick gewürdigt und dann hatte sie sich auch noch entschieden, mit der U-Bahn nachhause zu fahren anstatt mit dem Bus und das, obwohl sie mit der Bahn deutlich länger brauchen würde, bis sie zuhause ankam.   Es tat weh, wie deutlich sie ihnen aus dem Weg ging.   „Hab ich.“ Sasuke strich sich die Haare aus den Augen. „Meine Mutter wollte heute mit mir und Itachi ins Restaurant gehen, da wir ihrer Meinung nach zu wenig in den letzten Tagen zusammen unternommen haben.“   „Aww.“ Narutos Miene wurde betrübt. „Schade“, sagte er, „Aber wir können nachher ja chatten und so, oder?“   „Können wir“, bestätigte Sasuke mit einem Nicken.   „Cool.“ Naruto grinste ihn an. „Auch skypen?“   „Mal sehen.“ Sasuke presste die Lippen zusammen. „Du weißt, dass ich nicht gerne telefoniere.“   „Weiß ich auch“, erwiderte Naruto, „Aber du musst auch nichts sagen. Ich kann ja das Reden für dich übernehmen, ich will eigentlich einfach nur dein Gesicht sehen.“   „Du konntest den ganzen Tag in der Schule mein Gesicht sehen.“ Sasuke schnaubte amüsiert. „Bist du wirklich so abhängig von mir?“   „Halt die Klappe“, befahl Naruto ihm sofort mit geröteten Wangen und zog leicht an seinem Gürtel, „So mein ich das doch gar nicht, Mann!“   „Ach, und wie meinst du es dann?“, fragte Sasuke mit erhobener Augenbraue nach, „Du kannst dich da nicht herausreden, Naruto, also versuch es gar nicht erst.“   „Fick dich“, brummte Naruto ihm zu.   „Hn.“ Sasuke schmunzelte überheblich. „Ein andermal.“   Die restlichen Minuten redeten sie über dies und das, bis der Bus schließlich bei Sasukes Haltestelle anhielt und die Zeit zum Verabschieden gekommen war.   „Also, wir sehen uns dann später online, oder?“, fragte Naruto nach.   „Werden wir“, sagte Sasuke und schloss kurz die Augen, als sein Freund ihm einen kleinen Kuss aufdrückte. „Bis dann.“   „Bis dann, Sasuke!“ Naruto schenkte ihm ein Lächeln und winkte ihm zu, während er beobachtete wie Sasuke und ein paar andere Leute den Bus verließen. Er seufzte leise, als sich das Fahrzeug wieder in Bewegung setzte und holte sein Handy heraus, um die restliche Fahrzeit mit Twitter zu überbrücken.   Er twitterte ein paar belanglose Dinge und unterhielt sich dann mit Kiba, der ihm nun schon seit Tagen mit Fragen über seine neue Flamme nervte. Bis jetzt hatte ihm Naruto natürlich noch nicht gesagt, dass er mit Sasuke zusammen war, aber auch jetzt, wo die Katze eigentlich aus dem Sack war, wollte er es seinem Freund nicht sagen.   Es war nicht so, als wenn er Kiba nicht vertraute und ihm seine Beziehung verheimlichen wollte oder Ähnliches. Aber er war nun eben das erste Mal mit einem anderen Kerl zusammen und obwohl Kiba wusste, dass er bisexuell war, wollte er seinem Freund von ihm und Sasuke doch lieber von Angesicht zu Angesicht erzählen. Vielleicht via Webcam, aber definitiv nicht über Twitter.   Die Zeit verging wie im Fluge, wenn man Spaß hatte, und so dauerte es nicht allzu lange, bis der Bus bei der Haltestelle in seinem Viertel anhielt und Naruto mit einigen anderen Passagieren ausstieg. Naruto war dabei immer noch so sehr auf sein Handy fixiert, dass er die dunklen, violett schimmernden Augen, die ihn für keine Sekunde aus dem Blick ließen, gar nicht bemerkte.   „Ahh, frische Luft!“, stöhnte er begeistert, als er endlich draußen war und atmete tief ein. Er antwortete auf Kibas letzten Tweet und steckte sein Handy dann in seine Hosentasche, um stattdessen seine Schachtel JPS herauszuholen.   Er schob sich eine der Zigaretten zwischen die Lippen und holte sein geliebtes Zippo-Feuerzeug hervor, um sie anzuzünden. Naruto seufzte zufrieden, als er das Nikotin schmecken konnte und nahm einen tiefen, herzhaften Zug, bevor er die Schachtel und das Feuerzeug wieder wegräumte.   Lächelnd beobachtete er den Rauch, den er bei jedem Ausatmen heraus ließ und nahm wieder sein Handy heraus, während er sich im gemütlichen Tempo auf den Weg nachhause machte.   Es war ein eher ärmeres Viertel, in dem Naruto wohnte. Ein Viertel, in dem viele sozialschwache Familien lebten und ein Viertel, in denen es mehrere Hochhäuser und eine große Anzahl von leer stehenden Bruchbuden gab, aber dennoch fühlte sich Naruto hier wohl.   Es war nur ein Vorurteil, dass in Vierteln wie diesen nur Asoziale und Junkies wohnten. Klar, es wäre eine Lüge zu sagen, dass er noch nie einen Junkie oder Säufer in irgendeiner Ecke herum liegen gesehen hätte, aber er hatte auch sehr viele nette Nachbarn, die er mochte!   Früher, als sein Dad noch gelebt hatte, da hatten sie woanders gewohnt. In einem schöneren Viertel und in einem eigenen Haus, aber seitdem sein Vater gestorben war, hatte sich seine Mutter ihr altes Haus nicht mehr leisten können, also waren sie umgezogen. In eine 3-Zimmer-Wohnung im dritten Stock eines Hochhauses.   Es war dort zwar deutlich kleiner, außerdem war der Geräuschpegel ziemlich laut, da sie direkt an einer viel befahrenen Straße wohnten, aber Naruto fühlte sich dennoch wohl in seinem kleinen Heim und das war doch das Einzige, was zählte, oder?   Naruto summte gut gelaunt vor sich hin, die Zigarette zwischen seinen Lippen hängend, während er sein Blackberry mit beiden Händen hielt und Kiba in Twitter antwortete. Keine seiner Hände war frei und seine ganze Aufmerksamkeit galt seinem Handy, etwas, was ihn unbewusst extrem angreifbar werden ließ.   Ein Fehler.   Naruto hatte die Zigarette gerade zwischen Daumen und Mittelfinger genommen, um die Asche abtippen zu können, da schlang sich plötzlich ein Arm von hinten um seinen Hals, die große Hand auf seinem Mund ruhend, während die andere in seine Taille gekrallt war und ihn gewaltsam in Richtung einer kleinen Gasse zerrte.   Naruto riss die Augen auf und ein erschrockener, panischer Schrei verließ seine Lippen, doch dieser wurde von der Hand gedämpft, sodass er selbst für Narutos Ohren kaum noch wahrnehmbar war. Er wurde mit dem Gesicht zuerst gegen die alte, verschmutzte und aus Ziegelsteinen bestehende Wand eines Hauses gedrückt und musste stöhnen, als er sofort ein schmerzerfülltes Pochen in seiner Nase wahrnehmen konnte.   Ein großer, muskulöser Körper pinnte ihn gegen die Wand, damit er nicht abhauen konnte. Tiefer, fauler Atem schlug ihm gegens Gesicht, als sich raue Lippen leicht an sein Ohr pressten.   „Wusstest du, dass Gotteslästerung einer der Todsünden im Jashinismus ist, du verfickte Schwuchtel?“   Narutos Herz setzte aus, als er diese raue, bedrohliche Stimme hörte und auch sofort erkannte: es war Hidan, kein Zweifel. Fuck.   „Ich rede mit dir, Schwuchtel!“ Zischend krallte Hidan seine Hand in blondes Haar und fing an, Narutos Gesicht gegen die Mauer zu reiben. „Wo ist deine große Fresse von heute Mittag hin, huh?“   Naruto öffnete den Mund, doch alles, was herauskam, waren ächzende Geräusche des Schmerzes, als ihm wegen der rauen Steine brutal die Haut aufgeritzt wurde. Er konnte Blut schmecken.   „Du bist so erbärmlich.“ Hidan presste sein Gesicht ein letztes Mal so hart gegen die Wand, dass Naruto für ein paar Sekunden nicht mehr atmen konnte, ehe er plötzlich von ihm abließ. „Aber du bist auch nichts weiter, als eine elendige, gotteslästernde Schwuchtel, da war nichts anderes zu erwarten.“ Er gab ein höhnisches Lachen von sich und schnipste mit den Fingern. „Haltet ihn fest, Jungs. Lasst ihn nicht entkommen.“   Naruto ging einen Schritt zurück und konnte gerade noch ein desorientiertes „Waah?“ von sich geben, da erschienen bereits zwei Typen an seiner Seite, die seine Arme gewaltsam nach hinten zerrten und ihn festhielten, damit er nicht abhauen konnte.   Er musste ihnen nicht einmal ins Gesicht sehen um zu wissen, wer die Kerle waren. Akito und Tsuyoshi, Hidans treue Gefolgsleute. Scheiße. Drei gegen einen. Naruto war nun wirklich kein schlechter Kämpfer, er war schnell und flink, aber selbst er konnte es nicht mit drei Gegnern auf einmal aufnehmen.   „Ich soll erbärmlich sein?!“ Naruto lachte humorlos auf und leckte sich das Blut von der Oberlippe. „Wer von uns kämpft denn hier zu dritt gegen einen?!“   „Halt die Schnauze!“, fuhr Hidan ihn an. Er stand einige Schritte von Naruto entfernt und fummelte mit der Kette um seinen Hals herum.   „Du bist ein Schisser!“, brüllte Naruto ihm zu und versuchte, sich aus der Umklammerung der zwei Jungs zu lösen, doch es half nicht. Sie waren zusammen einfach viel zu stark. „Das ist unfair! Das-“   „Halt endlich deine Fresse, Uzumaki!“ Die Faust, die Akito ihm in den Magen rammte, ließ Naruto mit einem Röcheln einknicken. „Stör ihn nicht in seinem Gebet!“   Gebet? Naruto wollte einen höhnischen Kommentar diesbezüglich abgeben, doch als sein Blick erneut auf Hidan fiel, blieben ihm die Wörter im Halse stecken. Er hatte die Augen geschlossen, die Mimik hart und entschlossen und hielt mit einer Hand immer noch das Amulett seiner Kette.   Ein Amulett mit einem Symbol drauf. Ein Symbol, welches er nicht einordnen konnte aber schon öfter gesehen hatte. Es bestand aus einem Kreis, in welchem sich ein umgedrehtes Dreieck befand. Naruto war vor einiger Zeit bereits aufgefallen, dass dieses Symbol auch auf Hidans Chucks gekritzelt war, also vermutete er, dass es irgendetwas mit seiner komischen Sekte zu tun hatte.   Dem Jashinismus. Viel wusste Naruto über diese Religion nicht. Er wusste nur, dass sie zu den Sekten gezählt wurde, irgendetwas mit dem Buddhismus zutun hatte und dass Hidan ein leidenschaftlicher Anhänger von ihnen war.   Hidans Lippen bewegten sich lautlos, bis er schließlich die Augen öffnete und das Amulett zu seinem Mund führte. Er drehte den Kopf zu Naruto, ein wahnsinniger Ausdruck in den Augen und bewegte sich langsam auf ihn zu.   „Lord Jashin verabscheut Schwuchteln“, sagte er, während er auf Naruto zuging. Er hatte ein Grinsen auf den Lippen und rollte mit den Schultern. Ein lautes Knacken ertönte, welches Hidan ein leises Stöhnen entlockte. „Schwuchteln sind Abschaum und deswegen…“   Ein leises Knistern ertönte bei seinem nächsten Schritt, also senkte Hidan den Blick. Naruto tat es ihm gleich und riss die Augen auf, als er sah, was da vor Hidans Füßen lag. Sein Handy. Sein geliebtes, oranges Blackberry. Fuck, das musste er vorhin in seinem Schreck fallengelassen haben.   Hidans Mundwinkel zuckten und dann musste Naruto geschockt beobachten, wie er seinen Fuß mit aller Kraft auf das Handy krachen ließ und dieses in tausend kleine Teile zersprang. Der Blonde öffnete den Mund für einen protestierenden Schrei, doch kein Ton verließ seine staubtrockene Kehle.   „Und deswegen“, fuhr Hidan fort, so, als wäre nichts gewesen und blieb schließlich vor ihm stehen, „Deswegen werde ich dir jetzt im Namen des Lords eine Lektion verteilen.“   Naruto spürte, wie der Griff, mit dem er festgehalten wurde, sich verhärtete und dann kam auch schon die erste Faust, die ihm mitten im Gesicht traf. Naruto stöhnte, als sein Kopf wegen der puren Wucht des Schlages in den Nacken gezwungen wurde und seine Nase ein gefährliches Knacken von sich gab.   Er konnte sie bei jedem seiner rasenden Herzschläge dumpf pulsieren spüren und leckte sich das frische Blut von den Lippen. Fuck. Er war sich ziemlich sicher, dass dieser Schlag seine Nase gebrochen hatte.   Naruto ließ den Kopf in den Nacken fallen, als die nächste Attacke kam. Diesmal war es ein Boxschlag mitten in den Magen. Er gab ein Röcheln von sich und zuckte instinktiv zusammen, doch noch bevor er sich auch nur halbwegs von dem Schlag erholen konnte, kam bereits der nächste. Und dann noch einer… Und noch einer.   „Ohhh ja, du verfickter Sünder! Du Schwuchtel, du Abschaum! Spüre Lord Jashins Zorn, spüre ihn!“   Hidan lachte lauthals, die Augen funkelnd, während er immer weiter auf Naruto einschlug. Keine Stelle war vor ihm sicher, Hidan schlug wie wild auf ihn ein und traf ihn dabei überall; Brust, Rippen, Nieren, Hals, Schulter, Kiefer.   Sein Lieblingsziel schien allerdings Narutos Gesicht zu sein, da ihn die meisten seiner Faustschläge dort trafen. Naruto hatte versucht sich zu wehren, hatte um sich geschlagen und versucht, den brutalen Attacken auszuweichen, doch er schaffte es nicht. Er schaffte es einfach nicht.   Blut spritzte bei jedem Schlag, den Naruto abbekam, und selbst Hidans Gesicht war inzwischen gesprenkelt mit der roten Flüssigkeit. Aber es war nicht sein eigenes Blut, welches an seinen Wangen klebte, oh nein, es war alles Narutos.   Hidans Atem war inzwischen schwerfällig und gehetzt, auch seine Schläge kamen nicht mehr so schnell und hart wie anfangs, aber er hörte dennoch nicht auf. Er war wie im Wahn, die Augen weit aufgerissen und ein verzerrtes Grinsen auf den Lippen.   In diesem Moment, als blaue, trübe Augen auf violette, funkelnde trafen hatte Naruto Angst. Er hatte pure, nackte Angst um sein Leben. Aber er schien nicht der Einzige zu sein, dem die Mordlust in Hidans Blick auffiel.   „Hidan“, sagte Tsuyoshi mit deutlicher nervöser Stimme, als Hidans Faust Narutos geschwollene Wange traf, „Meinst du… Meinst du nicht langsam auch, dass er seine Lektion gelernt hat?“   „Halt die Schnauze“, befahl Hidan ihm, immer noch dieses wahnsinnige Grinsen auf den Lippen.   „Aber Hidan…“, versuchte es nun auch Akito. Auch auf seinem Gesicht befanden sich einige Spritzer Blut. „Sieh ihn dir an…! Er… Er kann nicht mehr, du-“   „Haltet die Fresse!“, brüllte Hidan sie an, als er Naruto einen Kinnhaken verpasste, „Er hat noch lange nicht genug!“   „Du…“ Akitos Augen huschten nervös zu Tsuyoshi. „Du tötest ihn… Verdammt, du bringst ihn um, Hidan! Sieh dir das ganze Blut an! Sein ganzes Gesicht ist voller Blut, er hängt nur noch wie ein nasser Sack in meinen Armen!“   „Er hat den Tod verdient!“ Hidan rieb sich mit dem Arm übers Gesicht, doch anstatt die rote Flüssigkeit wegzubekommen, verschmierte er sie nur noch mehr. „Ihr habt doch gehört, was er über Lord Jashin gesagt hat!“   „Du kannst ihn doch nicht umbringen!“, brüllte Tsuyoshis mit zitternder Stimme. „Es ist mitten am Tag, wir sind in einer Gasse an einer vollen Straße, es könnte jeden Moment jemand kommen und-“   „Dann beeil ich mich eben.“ Hidan grinste und führte seine Hand zu seinen Lippen. Er leckte das Blut von seinen aufgeschürften Knöcheln und holte mit der anderen Hand einen kleinen Gegenstand aus seiner Tasche.   Naruto derweil bekam kaum noch etwas mit. Seine Augen waren dick und geschwollen und er hatte Probleme, sie offen zu halten. Er konnte spüren, dass er kurz davor war, ohnmächtig zu werden, doch er kämpfte. Er würde nicht das Bewusstsein verlieren, diese Befriedigung würde er dem Arschloch nicht geben!   Die Arme, die um seinen Körper geschlungen waren, waren das Einzige, was ihn noch aufrecht hielten und so sank er auch mit einem leisen, schwachen Stöhnen auf die Knie, als sie sich von ihm entfernten.   Er konnte brüllende Stimmen wahrnehmen, doch was sie sagten, das konnte er nicht verstehen. Dafür hörten sie sich viel zu dumpf und distanziert an. Naruto hob eine zitternde Hand, um sie auf seinen Hals zu legen. Jeder Atemzug tat weh, seine Lungen brannten, genauso seine Brust und seine Rippen.   Er schluckte, um das ganze Blut aus seinem Mund zu bekommen, doch es war egal, wie oft er dies tat. Sein Mund füllte sich immer und immer wieder mit der nach Kupfer schmeckenden Flüssigkeit.   Eine Hand war plötzlich in seinem Haar und er stöhnte, als sein Kopf nach oben gezwungen wurde. Naruto verengte leicht die Augen, um besser sehen zu können und blinzelte einige Male, doch sein Blick blieb verschwommen und die Konturen unscharf.   „Hey“, sagte eine Stimme. Hidan. „Sieh mich an, du Arschloch. Sieh mich an.“   Naruto keuchte, als Hidan ihm eine Ohrfeige verpasste und kniff die Augen zusammen, ehe er sie langsam wieder öffnete. Es dauerte ein paar Sekunden, doch seine Sicht wurde immer besser, bis er Hidans grinsendes Gesicht schließlich klar und deutlich erkennen konnte.   „Du bist perfekt“, sagte der Andere ihm, als er vor ihm auf die Knie ging, die Hand immer noch in sein blondes Haar gekrallt. „Du bist das perfekte Opfer für Jashin.“   Naruto fletschte die Zähne. Er war zwar vielleicht zu schwach, um sich zu wehren, doch sein Widerstand, der hatte nicht an Hidans Schlägen gelitten und war weiterhin ungebrochen. „F… Fick… d-dich“, konnte er mit Schwierigkeiten herausbringen, die Stimme nicht lauter als ein heiseres Wispern. „Fick dich…“, sagte er und spuckte.   Er spuckte Hidan mitten ins Gesicht, eine Mischung aus Speichel, Schleim und Blut.   Hidan blinzelte verdutzt. Man konnte ihm ansehen, dass er mit so etwas nicht gerechnet hatte. „Du verfickter… Hurensohn“, zischte er mit vor Zorn verengten Augen zu und hielt ihm etwas Silbernes an die Kehle.   Naruto schluckte, was das silberne Etwas dazu brachte, leicht in seine Haut zu schneiden. Es war eine Klinge. Es war die Klinge eines kleinen, spitzen Taschenmessers. Naruto schloss die Augen, als ihm auf einmal schwindelig wurde. Hidan hatte… Fuck.   „Du kleiner Hurensohn“, wiederholte Hidan mit einem Wispern.   Naruto öffnete die Lippen einen Spalt breit, als die Spitze des Messers in die Unterseite seines Kinns piekte. Er versuchte nicht zu schlucken, aus Angst, dass die Klinge tiefer in die empfindliche Haut seines Halses schneiden würde, doch er hatte so viel Blut im Mund, dass er nicht anders konnte.   „Ich könnte dir die Kehle aufschlitzen“, flüsterte Hidan, „Oder dein Gesicht mit noch mehr Narben entstellen.“ Er ließ die Messerspitze hauchzart von seinem Hals zu seiner Wange herauf wandern. „Ich könnte dir das Zeichen des Lords in die Haut ritzen.“   Er malte mit dem Messer einen Kreis auf Narutos rechte Wange. „Hier zum Beispiel“, murmelte er und hinterließ einen kleinen, aber feinen Kratzer in seiner Haut, der Naruto scharf die Luft einziehen ließ, „Oder hier.“ Das Messer wanderte zu seiner Stirn hoch. „Ja, hier wäre gut.“   Hidan summte leise, ein kleines Lächeln auf den Lippen. „Die Stirn, das gefällt mir. Ein leicht zu entdeckender Ort.“   Narutos Körper fing an zu beben, als Hidans Klinge weiterhin so sanft sein Gesicht erkundete. Als die Spitze über seine geschlossenen Augenlider strich hielt er für einen schier unendlichen Moment die Luft an. Erst, als das Messer weiter wanderte, ließ er den zittrigen Atemzug seinen aufgeplatzten Lippen entkommen.   „Oder-“ Die Klinge war erneut bei Narutos Kehle angekommen, da ertönte auf einmal die Sirene eines Polizeiwagens. Hidan erstarrte für einen Moment und lauschte. Als die Sirene immer lauter und lauter wurde, wurde ihm klar, dass der Wagen in ihre Richtung kam, also sprang er mit einem Fluchen auf.   „Du hast Glück gehabt, Uzumaki.“ Hidan sah ihn an und ließ seine Zunge über die gesamte Länge des Messers gleiten. „Aber glaub mir, der Zorn des Lords wird nicht vergehen. Du wirst noch deine gerechte Strafe bekommen.“ Er klappte das Messer zu und steckte es wieder ein, ehe er sich umdrehte und mit schnellen Schritten die Gasse verließ.   Naruto sah ihm nach und blickte auf die Straße. Die Sirene wurde tatsächlich immer lauter, bis das Polizeiauto an der Gasse vorbei fuhr und sich entfernte. Schwer atmend rieb sich Naruto mit dem Arm über die Stirn, damit ihm nicht noch mehr Blut in die Augen lief und versuchte dann, sich aufzurichten.   Seine Beine zitterten allerdings und waren zu schwach, um sein Gewicht zu halten, weswegen er nach wenigen Sekunden mit einem Fluchen wieder hinfiel. „Scheiße“, sagte er und rieb sich erneut übers Gesicht, bevor er langsam und schwerfällig in Richtung Straße krabbelte.   Dort angekommen sah er sich um, konnte allerdings keine Menschenseele entdecken, also lehnte er sich mit dem Rücken gegen eine brüchige Mauer und schloss die Augen. Ihm tat alles weh, der gesamte Körper. Jede Bewegung war schmerzhaft, genau wie jeder Atemzug. So würde er nicht weit kommen. Das Hochhaus, in dem er wohnte, konnte er von hier bereits sehen, aber er wusste, dass er es in diesem Zustand nicht erreichen könnte, also versuchte er, sich zu beruhigen und Kraft zu sammeln.   Naruto hatte keine Ahnung, wie lange er einfach nur da saß, die Beine vor sich ausgestreckt und die Augen geschlossen. Er konnte die Motoren von Autos hören, ebenfalls wie die Stimmen von Menschen, doch keiner beachtete ihn. Für sie war er nur einer von den vielen Pennern, die hier lebten und vor sich hin vegetierten, bis die Polizei eines Tages ihre Leichen aufsammeln musste.   Niemand beachtete ihn, niemand beachtete den blutigen und schwer verletzten Jungen, bis… Bis Naruto schließlich eine helle, neugierige Stimme hörte. „Onkel? Hast du Aua?“   Langsam, und mit Schwierigkeiten, schlug Naruto die Lider auf und blickte in das runde, pausbäckige Gesicht eines kleines Mädchen. Ihre dunklen Haare waren zu zwei Zöpfen geflochten und sie trug ein knielanges, geblümtes Kleid. Ihre großen, runden Augen waren auf ihn gerichtet, als sie noch einen Schritt näher auf ihn zu kam.   „Hey“, begrüßte Naruto sie mit einem Lächeln, „Hey, Süße.“   „Hat Onkel Aua?“, wiederholte sie neugierig ihre Frage und drückte ein rosanes Hasenkuscheltier an ihre Brust.   „Ein bisschen“, antwortete Naruto und rieb sich mit beiden Händen übers Gesicht, um so grob das inzwischen zum größten Teil schon getrocknete Blut wegzuwischen. Er wollte dem kleinen Mädchen schließlich keine Angst machen. „Was ist mit dir? Bist du ganz alleine? Hast du dich verlaufen?“   Stumm schüttelte sie den Kopf. „Nein“, sagte sie und kam noch einen Schritt auf ihn zu, „Mami hat eine Freundin getroffen und die beiden reden. Aber ich find Reden blöd, deswegen bin ich vorgegangen!“ Sie blies die Wange auf und blieb schließlich vor ihm stehen.   „Geh lieber zurück zu ihr“, sagte Naruto lächelnd, „Sonst macht sie sich Sorgen und sucht dich.“   „Nein!“ Das Mädchen blies erneut die Wangen auf. „Wer hat Onkel Aua gemacht?“   „Ach… So ein blöder Kerl aus meiner Schule.“ Naruto rubbelte sich durchs Haar und ließ die Hände in den Schoß fallen. „Ist aber nur halb so schlimm. Sieht schlimmer aus, als es ist, heh…“   „Wo hat Onkel am meisten Aua?“, fragte sie mit großen Augen weiter.   „Hier.“ Naruto legte die Hand auf seine Brust. Sein Stolz, das war es, was am meisten verletzt wurde.   Das Mädchen zog einen Schmollmund. „Aua ist blöd“, sagte sie, während sie an ihrem Kleid herum zupfte, „Ich hab oft Aua und muss dann immer weinen. Hat Onkel auch geweint?“   „Nein.“ Naruto schüttelte den Kopf. „Aber es ist okay zu weinen. Also wein ruhig, wenn du Aua hast, okay?“   „Nicht geweint?!“ Sie riss den Mund auf. „Onkel ist stark!“   „Hehe.“ Grinsend rieb sich Naruto über die Nase, fluchte im nächsten Moment aber leise, als ihn ein höllischer Schmerz durchzuckte.   Das Mädchen zog an den langen Ohren ihres Kuscheltiers herum, ehe sie es Naruto mitten ins Gesicht drückte. „Hier!“, sagte sie mit einem Strahlen, „Mimi-chan küsst mein Aua immer besser, also kann Mimi-chan es bei Onkel auch machen!“   Naruto biss sich auf die Zunge, da sie ihm das Kuscheltier genau gegen die Nase drückte, lächelte sie aber dennoch an. „Danke, hehe. Das ist sehr lieb von Mimi-chan.“   „Ja, oder?“ Das Mädchen kicherte und drückte den Hasen wieder an sich. „Ich liebe Mimi-chan über alles! Und Mimi-chan liebt Megumi!“   „Megumi?“, wiederholte Naruto und zog beide Augenbrauen in die Höhe. „Wer ist Megumi?“   „Ich bin Megumi!“ Entrüstet blies sie die Wangen auf und deutete mit dem Daumen auf ihre Brust. „Dummer Onkel!“   „Oh.“ Naruto lachte leise. „Stimmt, dummer Onkel. Aber du solltest nun wirklich zurück zu deiner Mutter gehen, Süße.“   „Nein!“ Megumi schüttelte heftig den Kopf. „Onkel hat immer noch Aua, also muss Mimi-chan ihn-“   „Megumi!“, ertönte plötzlich eine erleichterte Frauenstimmen, „Ich hab dir doch gesagt, du sollst nicht immer weglaufen!“   „Mami!“ Megumi fuchtelte wild mit den Armen herum. „Guck, Onkel hat Aua!“   „Wer- Oh mein Gott!“ Eine etwas rundliche, aber liebenswert aussehende Frau mittleren Alters erschien neben Megumi und riss die Augen auf, als sie Naruto erblickte. „Alles in Ordnung bei Ihnen?!“   „Ja, geht schon. Danke.“ Naruto grinste sie schief an. „Ist nur halb so wild.“   Die Frau starrte ihn weiterhin fassungslos an. „Was… Was ist passiert?“, fragte sie nach und legte eine Hand über ihre Brust, „Soll ich einen Krankenwagen rufen?“   „Nein, nein!“ Naruto hielt abwehrend die Hände in die Luft. „Ist schon okay. Ich bin mit einem meiner Schulkameraden aneinander geraten, aber geht schon.“ Er biss die Zähne zusammen und richtete sich mit Schwierigkeiten auf. Als er schließlich leicht gebeugt dastand hielt er sich mit einer Hand an der Wand fest, um nicht wieder hinzufallen.   „Oh Gott…“ Die Frau krallte ihre Finger leicht in das Material ihres Kleids. „Wo… Wo wohnen Sie? Soll ich… Soll ich sie zum Krankenhaus bringen? Oder nach Hause?“   „Geht schon, keine Sorge.“ Naruto schenkte ihr ein beruhigendes Lächeln und deutete mit dem Zeigefinger auf das Hochhaus, in dem er wohnte. „Ich wohn da hinten, in dem Hochhaus. Der Weg ist nicht weit, den schaff ich schon alleine.“   Die Frau knabberte unsicher an ihrer Unterlippe herum und packte eine lauthals singende Megumi mit einem „Ssh!“ am Oberarm. „Und Sie meinen wirklich…?“   „Meine Mutter ist Krankenschwester.“ Mit wackeligen Beinen drückte sich Naruto von der Wand ab. „Die wird mich schon wieder zusammenflicken.“   „Okay…“ Die Frau nickte schließlich langsam.   „Also dann.“ Eine Grimasse ziehend beugte sich Naruto etwas herunter, um Megumi eine Hand aufs Haupt zu legen. „War nett, dich kennenzulernen, Megumi.“ Er lächelte sie an.   „Und Mimi-chan!“ Sie hielt ihm ihr Kuscheltier unter die Nase.   „Und Mimi-chan“, bestätigte Naruto mit einem Lachen. Er wuschelte ihr durchs Haar, was sie zum Kichern brachte und verabschiedete sich dann bei ihrer Mutter, ehe er schwerfällig in Richtung seines Hochhauses humpelte.   Es war wirklich eine Tortur. Jeder Schritt schmerzte und als er sich dann auch noch die drei Stockwerke hochkämpfen musste hätte er am liebsten geschrien, doch er blieb ruhig und biss die Zähne zusammen.   Nach einer gefühlten Ewigkeit kam er schließlich vor seiner Haustür an und kramte den Schlüssel aus seiner Schultasche, um sie aufzuschließen. Er wusste, dass seine Mutter zuhause war, also holte er tief Luft, um seine Nerven zu beruhigen, und trat schließlich mit einem leisen „Hey, Mom“ ein.   „Naruto!“, donnerte sofort die wütende Stimme seiner Mutter, „Warum kommst du so spät, junger Mann?! Ich hab dich mehrmals angerufen, aber du…“ Sie kam in den Flur, die Miene wutverzerrt, doch als sie ihn sah, wich mit einem Mal der komplette Ärger aus ihrem Gesicht und wurde mit der nackten Panik ersetzt.   „Naruto…!“ Sie ließ das Telefon, das sie in ihren Händen hielt, achtlos fallen und eilte auf ihn zu. „Was ist passiert?! Geht es dir gut, Schatz?!“   Naruto zischte schmerzerfüllt auf, als Kushina seinen Kopf zwischen ihre Hände nahm. „Alles okay, Mom“, bestätigte er.   „Lüg mich nicht an!“ Sie warf ihm einen bösen Blick zu und fing vorsichtig damit an, sein Gesicht abzutasten. „Ist irgendetwas gebrochen?“   „Ich glaub, meine Nase.“   Kushina nickte und strich mit den Fingerspitzen behutsam über seinen Nasenrücken, was Naruto ein Wimmern entlockte. „Ja, Nase ist gebrochen“, bestätigte sie mit zusammengepressten Lippen, „Sonst noch etwas?“   „Äh… Au, Mom!“ Naruto jammerte, als Kushina ihn weiterhin abtastete und seine Augen überprüfte, indem sie an seinen Augenlidern zog.   „Ist dir schwindelig?“, fragte sie ihn, „Übelkeit? Erbrechen? Gedächtnisverlust?“   „Schwindelig“, bestätigte Naruto mit einem Grunzen, „Aber sonst nichts, also hör auf!“   „Gut.“ Kushina atmete erleichtert aus. „Also keine Gehirnerschütterung. Was tut dir sonst noch weh, Liebling?“   Naruto schnaubte. „Alles?“, sagte er und zog eine Augenbraue hoch. „Aber inzwischen geht’s. Vorhin war’s schlimmer, da hatte ich Probleme beim Atmen und so, aber jetzt geht’s wieder.“   Kushina summte leise und strich ihm liebevoll das Haar aus dem Gesicht. „Okay.“   „Aber, äh, ich glaub, einer meiner Zähne ist locker.“ Naruto öffnete den Mund und stupste einen Zahn in der oberen Reihe mit seiner Zunge an. „Fühlt sich zumindest so an.“   „Mal sehen.“ Kushina runzelte leicht die Stirn und tastete seine Zähne ab. „Stimmt“, meinte sie nach ein paar Sekunden, „Da ist einer lose. Ist das dein Milchzahn?“   Naruto umfasste ihr Handgelenk, um ihre Finger aus seinem Mund zu ziehen. „Glaub schon“, erwiderte er und grinste sie an, „Ist das nicht geil?!“   Kushina schnaubte und schlang die Arme vorsichtig um seine Schultern, um ihn an sich ziehen zu können. „Es war eh verwunderlich genug, das so ein Rabauke wie du noch einen Milchzahn hat.“   Naruto erwiderte die Umarmung schweigend. Eine Zeit lang standen sie einfach nur so da, bis Kushina sich zurückbeugte und sein Gesicht erneut zwischen ihren Händen hielt. „Was ist passiert, Naruto?“   Er antwortete für ein paar Sekunden nicht und spielte stattdessen mit seinem wackeligen Zahn herum. „Ein paar Typen aus meiner Schule sind mir gefolgt und haben mich vermöbelt“, sagte er schließlich und atmete geräuschvoll aus der Nase aus.   „Warum?“ Sie befeuchtete ihren Daumen und rieb Naruto etwas von dem getrockneten Blut aus dem Gesicht. „Hast du wieder jemanden provoziert?“   „Mom, ich bin doch kein Kind mehr!“ Naruto rümpfte die Nase, stöhnte im nächsten Moment aber, da dies verdammt wehtat.   „Du hast meine Frage nicht beantwortet, Naruto.“   Er seufzte. „Vielleicht ein bisschen“, gab er zu und rubbelte sich durchs Haar, „Aber er hat angefangen. Das war so ein homophobes Arschloch, das mich und Sasuke gesehen hat und uns dann als Dreck und so beschimpft hat.“ Er knirschte mit den Zähnen und ballte die Hände zu Fäusten. „Das konnte ich einfach nicht auf mir sitzen lassen.“   „Ach, Großer, du musst über solchen Leuten stehen.“ Kushina strich ihm sanft über die Wange. „Ich weiß, dass so etwas sehr verletzend sein kann, aber du musst versuchen, dir die Worte nicht zu Herzen zu nehmen.“   „Das ist leichter gesagt als getan“, nuschelte Naruto und blickte zur Seite.   „Ich weiß, aber versuch es wenigstens, okay?“ Kushina schenkte ihm ein aufmunterndes Lächeln und küsste seine Stirn. Sie ließ ihre Augen erneut über seinen Körper gleiten, um nochmal nach Verletzungen zu suchen, da fielen ihr die dünnen Striche auf seiner Kehle auf.   Naruto, der ihren Blick bemerkte, zuckte leicht zusammen und legte sich instinktiv die Hand über den Hals. Fuck… Fuck, fuck, fuck! Hoffentlich waren ihr nicht die kleinen Kratzer von Hidans Taschenmesser aufgefallen…! Aber als er in ihre harten, und zugleich auch ängstlichen, Augen sah wusste er, dass sie sie gesehen und eins und eins zusammengezählt hatte.   „Wer war es?“, wollte sie wissen, die Lippen zu einer dünnen Linie zusammengepresst. „Wie war sein Name, Naruto? Wir werden ihn anzeigen.“   „Mom, ich-“   „Name, Naruto.“   Er starrte sie mit offenem Mund an und überlegte, ob er sie anlügen sollte, entschied sich aber dann dagegen. Wenn er ehrlich war, dann hatte Naruto nun schon ein wenig Schiss vor Hidan. Der Typ war schließlich komplett übergeschnappt und hatte die ganze Zeit irgendetwas von einer Opferung geredet…   „Hidan“, sagte er schließlich und leckte sich über die Lippen. „Hidan Nakamura.“   Kushina nickte und strich sich eine Haarsträhne hinters Ohr. „Okay.“ Sie lächelte und gab ihm noch einen Kuss auf die Stirn. „Ich bin wirklich froh, dass dir nichts Schlimmeres passiert ist. Du bist doch schließlich das Einzige, was mir im Leben noch geblieben ist.“   Naruto schloss die Augen und nahm ihre Hand, um seine Wange dagegen pressen zu können. „Ich weiß. Ich liebe dich, Mom.“   „Ich dich auch, mein Großer, ich dich auch.“ Kushina schloss ihn in eine Umarmung. „Ich weiß, dass du es in letzter Zeit nicht leicht hattest, aber ich bin sehr stolz auf dich, dass du trotzallem nicht aufgibst und nie deine Fröhlichkeit verlierst.“   „Hehe…“ Naruto grinste sie verlegen an und küsste ihre Wange. „Kann ich… Kann ich gleich mit dir reden?“ Er biss sich auf die Unterlippe und warf ihr einen schüchternen Blick zu. „Ich hab ja heute mit Sakura-chan geredet und… und…“ Er schluckte und verstummte leise.   Scheiße, der bloße Gedanke daran schnürte ihm die Kehle zu und irgendwie… Irgendwie fühlte er sich gerade so unglaublich schwach und erschöpft, dass er nicht einmal gegen die Tränen ankämpfte, die ihm in die Augen stiegen.   „Natürlich, Schatz.“ Kushina strich ihm durchs Haar und legte ihre Hände auf seine Schulter. „Du kannst immer mit mir reden, aber wir sollten dich zuerst sauber machen und uns um deine Verletzungen kümmern. Danach sollten wir uns um dieses Arschloch Hidan kümmern.“   „Okay.“ Naruto nickte langsam und lächelte sie zaghaft an. „Okay, Mom.“   Seine Mutter erwiderte das Lächeln und schlang ihren Arm um seine Hüfte, damit sie ihn vorsichtig ins Badezimmer führen konnte. „Wir kriegen das schon wieder alles hin, Großer, glaub mir.“   Und glauben, das tat Naruto ihr auch. Sie war schließlich seine Mutter und wenn sie ihm sagte, dass alles okay sein würde, dann würde es das auch sein.   -------------------------------------------------------------------------   Oh Gott, mein armes Tuck Tuck ;____; *knuddelt Naruto und lässt ihn nie mehr los* Hach… Ich weiß nicht, ob ich es schon einmal erwähnt hab, aber ich hasse es, Kampfszenen zu schreiben :/ In meiner Vorstellung ist das alles immer so dynamisch und BÄM, aber wenn ich es schreibe… Weiß nicht, ob ich es auch so gut rüber bringen kann, aber ich hoffe es uwu   Ich hab kA wie Hidan geworden ist und ob er nun OOC ist oder nicht, ich kann das bei Hidan irgendwie gar nicht beurteilen xDDD War auf jeden Fall lustig, ihn mal zu schreiben und irgendwie muss ich jetzt an die Hidan Cosplayerin von der Yukon denken xDDD   Megumi ist niedlich, oder? *3* Ich musste am Ende einfach noch etwas Süßes einbauen, damit es nicht zuu... ja, weiß nicht, krass oder so ist q.q   Sakura… Ach, Sakura :/ Ich glaub, einige hatten Angst, dass sie jetzt zu einer Art… Racheengel oder so wird, aber ich kann euch versichern, dass sie das nicht wird xDD Sie hat sich zwar zwischen sie gestellt und versucht, sie von einer Beziehung abzuhalten, aber wenn sie erst einmal in einer sind, dann ist sie doch kein so großes Arschloch und versucht es weiter oder so xD   Sakura ist einfach eben nur verletzt und ich denke, da ist es am besten, wenn man erst einmal Abstand und sich die Zeit nimmt, über alles nachzudenken und joa D:   An dieser Stelle nochmal DANKESCHÖN für über 100 Kommis! Wow, ihr seid der Wahnsinn, so viele Kommis und das erst nach 7 Kapiteln, ich glaub, ich spinne ;u; Dankeee   Im nächsten Kapitel von Growing Up: Wie wird Sasuke auf einen so bös zugerichteten Naruto reagieren? Und dann… Dann ist es endlich so weit. Es wird Zeit, das erste gemeinsame Mal Sex zu planen und wow, das ist schon eine ziemlich peinliche Angelegenheit…   Bis dann   PS: Der Altersunterschied-Oneshot Vertigo ist übrigens veröffentlicht, also falls ihr es noch nicht gelesen habt: http://animexx.onlinewelten.com/fanfiction/autor/487884/298596/ (http://animexx.onlinewelten.com/fanfiction/autor/487884/298596/) 8D Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)