Zum Inhalt der Seite

Mädchenherz♥

Ein unfreiwilliger Geschlechterwechsel für Jûdai und seine Folgen
von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Mädchen hassen abgrundtief

Ich weiß, dass ich vieles nicht weiß. Eigentlich sind Duelle das Einzige, mit dem ich mich auskenne.

Ja, und? Mich hat das nie gestört. Andere haben sich auch selten beschwert. Irgendwie bin ich immer gut durchgekommen. Ich war der festen Überzeugung, das würde immer so bleiben.

Bis mir vor Augen geführt wurde, wie gefährlich es sein kann, etwas nicht zu wissen.

 
 

Prolog. Mädchen hassen abgrundtief


 

Das Kaibaland war an diesem Tag Ende Oktober vollkommen überrannt. Das lag wahrscheinlich an uns, denn unser Schulleiter hatte den gesamten dritten Jahrgang der Duel Academia für einen Tag dorthin geschickt.

Dass das Duell-Center auch so voll war, fand ich aber doch irgendwie seltsam, duellieren konnten wir uns ja auch auf der Insel. Andererseits hatten auch der Austauschschüler Johan Andersen und ich beim Betreten des Kaibalands spontan beschlossen, dass wir den Tag mit einem Duell beginnen sollten unduns gleich ein Duellfeld gesichert.
 

Johan gehörte zu den vier Austauschschülern, die zusammen mit dem Schulleiter der Duel Academia West-School, Professor Cobra, aus allen Teilen der Welt an unsere Duel Academia gekommen waren, um uns Schüler zu motivieren. Nicht, dass ich zusätzliche Motivation brauchen würde, aber gespannt war ich schon, gegen die „Neuen“ anzutreten. Bei Johan hatte das auch nicht lange gedauert, da wir gleich zur Eröffnung der sogenannten Disclosure Duels gegeneinander antreten durften. (Was genau es mit den Disclosure Duels auf sich hatte? Da hatte ich nicht richtig zugehört. Irgendwas von wegen mehr Motivation für die Duellanten und rausfliegen, wenn man nicht gut genug ist. Konnte mir sowieso nicht passieren.)

Ich hatte das Duell gegen Johan zwar gewonnen, aber so ganz zufrieden war ich mit meinem Sieg nicht. Johan hatte nämlich das ganze Duell über darauf hingearbeitet, sein Ass-Monster zu beschwören und im letzten Moment zugegeben, dass die Karte von diesem Monster noch gar nicht gedruckt war. Ihr seht, er ist ein ziemlicher Scherzkeks und deshalb verstehen wir uns wahrscheinlich auch so gut.

 

Diesmal hatte er mir versprochen, nicht auf das Beschwören des sagenumwobenen Rainbow Dragon hinzuarbeiten und es war ein spannendes Duell. Am Ende verlor ich trotzdem, aber so geht das nunmal. Mal gewinnt man, mal verliert man. Außerdem hatte er am Ende auch nur noch 200 Lebenspunkte über.

 

„Gotcha!“, rief Johan neckisch, als meine Lebenspunkte auf Null fielen.

Ich musste augenblicklich lachen, allein schon, weil er nicht nur meinen Spruch sondern auch meine typische Geste imitierte, mit ausgestrecktem Zeige- und Mittelfinger der rechten Hand dabei auf mich zu zeigen.

„War’n tolles Duell!“, rief ich und rappelte mich vom Boden auf, wo ich beim letzten Angriff seiner Monster gelandet war.

Johan schien gerade etwas erwidern zu wollen, als sich vom Rand des Duellfelds eine ganze Horde Mädchen in irrwitzigem Tempo auf ihn zubewegte und in Sekunden umstellte. Einige davon riefen seinen Namen oder dass er sich toll geschlagen hätte, andere, dass sie ein Kind von ihm wollten, oder zumindest ein Autogramm.

Ich seufzte. Natürlich, Johan war bekannt in der Duellwelt. Die anderen hatten mir erzählt, dass der Erfinder von Duel Monsters, Pegasus J. Crawford, ihn für einen der fünf besten Duellanten der Welt hielt. Es wunderte mich nur, dass bei den ganzen Leuten die ihn umringt hatten gar keine Jungs dabei waren.
 

Als ich mich ein bisschen umguckte, weil ich nicht wusste was ich als nächstes machen sollte, bemerkte ich ein Mädchen, das etwas abseits der Menschenmenge stand und diese mit verschränkten Armen betrachtete. Sie war pink. Pinke Haare in zwei Zöpfchen, rosa Oberteil, pinker Rock, pinke Socken, rosa Stiefel. Eben von Kopf bis Fuß pink. Damit fiel sie ganz schön auf.

Ich wendete mich an sie: „Hey, bist du auch Duellantin?“

Sie zuckte zusammen. Drehte sich schlagartig um. Und haute mir dabei die Duel Disk an ihrem linken Arm fast ins Gesicht. 

„Ist es verdammt nochmal so unnormal, dass sich Mädchen auch duellieren?!“, fauchte sie. Das kam mir etwas übertrieben vor. Ich hatte doch nur deshalb gefragt, weil ich die Duel Disk erst gesehen hatte, als sie mir damit schon fast die Nase gebrochen hatte.

„Was soll daran unnormal sein?“, fragte ich also beschwichtigend, allerdings sah sie nicht wirklich besänftigt aus.

„Ja, ich weiß auch nicht“, erwiderte sie harsch und zog dabei die Augenbrauen böse zusammen. Ich wusste wirklich nicht, was sie hatte, also ging ich gleich zu meiner eigentlichen Frage über: „Also du bist Duellantin. Hast du dann Lust auf ein Duell gegen mich?“

Sie sah ein wenig unschlüssig aus und warf einen Blick rüber zu Johan. Der war immer noch von  Mädchen umringt, ich glaube, es waren sogar mehr geworden als vorher.

„Wolltest du dich lieber mit Johan duellieren?“, fragte ich.

„Seh ich etwa so aus?“, blaffte sie. Schon wieder so eine unverständliche Reaktion.

„Ich frag ja nur. Also, duellieren wir uns?“

Sie schloss nochmal kurz die Augen, dann nickte sie. „Okay, dir zeig ich’s!“, verkündete sieund ballte die linke Hand zur Faust.

Ich grinste. „Das freut mich. Ich heiße übrigens Jûdai Yûki.“ Damit hielt ich ihr die Hand hin.

Sie packte sie gleich so fest, dass ich Angst um meine Finger bekam, während sie sagte: „Ich heiße Mika Jotei. Sehr erfreut.“

Irgendwie sah sie dabei gar nicht erfreut aus.

 

Da es inzwischen voller geworden war, mussten wir zehn Minuten warten, bis ein Duellfeld für uns frei wurde. Nachdem wir ausgeknobelt hatten wer beim Duell den ersten Zug machen durfte, saß Mika die restliche Wartezeit mit verschränkten Armen neben mir auf den Plastiksitzen am Rand der Halle und grinstevor sich hin. Irgendwie fand ich sie langsam etwas seltsam, aber Hauptsache, das Duell würde Spaß machen.

 

Auch als wir uns dann auf dem Duellfeld bereit machten, legte sie ihr böses Grinsen nicht ab.

„Ich zeige dir schon noch, was wir Mädels so draufhaben“, kündigte sie an, als sie ihre Duel Disk aktivierte.

„Aber gerne“, erwiderte ich.

Das Duell begann. 

 

„Ich bin dran. Draw!“, verkündete sie sofort und riss die gezogene Karte furios aus ihrem Deck-Stapel.

Ihr erster Zug wurde dann aber doch eher zurückhaltend: „Ich beschwöre ein Monster im Verteidigungsmodus und setze drei Zauber- oder Fallenkarten!“

Das getan, beendete sie ihren Zug auch schon. Also musste ich wohl die Initiative ergreifen.

 

„Mein Zug, Draw“, verkündete ich und zog. Es war die Karte Dummy Marker, aber die brauchte ich eh nicht, denn das Glück war mir mal wieder hold und hatte mir schon bei den ersten fünf Karten alles geliefert, was ich brauchte.

„Ich beschwöre E-HERO Featherman!“, verkündete ich und ließ den grün gerüsteten, geflügelten Helden auf meiner Seite des Feldes erscheinen. Sofort schickte ich eine zweite Karte nach: „Außerdem aktiviere ich die Zauberkarte Fake Hero! Ihr Effekt erlaubt es mir, ein Monster von meiner Hand zu spezialbeschwören!“

Das Hologramm der Karte erschien in überdimensionierter Form auf dem Spielfeld.

„Ich wähle E-HERO Burst Lady!“

Die Fake Hero Karte löste sich in Licht auf und an ihrer Stelle erschien meine rot gewandete Feuerkriegerin mit einem selbstbewussten Kampfschrei. Ich konnte Mika ansehen, dass sie nicht begeistert war, in einem Zug bereits zwei Monster vor die Nase gesetzt bekommen, aber ich war ja noch nicht einmal fertig mit meinem Zug!

„Jetzt aktiviere ich die Zauberkarte Fusion und verschmelze mit ihrer Hilfe Featherman und Burst Lady zu E-HERO Flame Wingman!“

Schweigend sahen wir beide zu, wie die beiden Monster sich in einen Strudel aus Licht stürzten und an ihrer Stelle mein Lieblingsmonster erschien. Flame Wingman hatte die Arme lässig verschränkt und untermalte seinen Auftritt lediglich mit einem lauteren Grummeln.

 

Auch dabei beließ ich es allerdings immer noch nicht. „Jetzt setze ich noch eine verdeckte Karte“, kündigte ich an, „und nun greife ich mit Flame Wingman dein verdecktes Monster an!“

Mein Held sprang in die Luft und sofort bildete sich um ihn eine Schicht aus lodernden Flammen.

„Flame Shoot!“, befahl ich. Mein Elementarheld raste wie geheißen sofort auf das verdeckte Monster zu. Doch Mika hatte vorgesorgt.

„Mein verdecktes Monster, Lightlord Hunter Raikou, hat einen Flipp-Effekt! Wenn der aktiviert wird, kann ich eine Karte auf dem Feld zerstören, indem ich drei Karten von meinem Deck auf dem Friedhof schicke!“

Gesagt getan: Sie warf drei Karten weg und deutete dann zielstrebig auf meine verdeckte Karte: „Die kommt weg!“

Ich war ein wenig irritiert: „Nicht Flame Wingman, damit er dich nicht angreifen kann?“

Da hatte ich wohl erneut etwas Falsches gesagt, denn sie wurde sofort wieder sauer.

„Nein! Hältst du mich für zu doof, die richtigen Entscheidungen zu treffen?“, brüllte sie.

Ich zuckte die Achseln und sah zu, wie sich ihr Monster, ein Wolf in einer silbernen Rüstung, auf meine verdeckte Karte stürzte und sie mit der Schnauze umdrehte.

Mika fixierte die Fallenkarte misstrauisch.

„Das ist Common Sacrifice, eine Fallenkarte, die ich nur aktivieren kann wenn der Gegner drei oder mehr Monster auf dem Feld hat. Ich hätte sie also eh noch nicht einsetzen können“, erklärte ich entschuldigend.

„Was!?“, fragte Mika anklagend.

Ich legte die zerstörte Karte auf meinen Friedhof und seufzte. „Wäre doch schlauer gewesen, Flame Wingman zu zerstören.“

Der setzte nun nämlich seinen Angriff fort und warf sich mit voller Wucht auf Raikou, der beim Aufprall in Datenpartikel zerplatzte.

Mika ballte die Hände zu zitternden Fäusten. „Du glaubst wohl, ich mache solche Fehler weil ich ein Mädchen bin, hä!?“, schrie sie. Eigentlich war das nicht der Fall, aber irgendwie hatte ich das Gefühl, dass ich ihr das sowieso nicht mehr ausreden konnte, also sagte ich lieber gar nichts.

Sie beruhigte sich auch gleich wieder, weil ihr etwas anderes aufgefallen war: „Hey, wieso habe ich nur noch 3800 Lebenspunkte? Raikou war doch im Verteidigungsmodus.“

Ich lächelte. „Das ist Flame Wingmans Effekt! Wenn er ein Monster besiegt, werden dir dessen Angriffspunkte von den Lebenspunkten abgezogen, also sei froh, dass Raikou nur 200 Angriffspunkte hat.“

Mika schwieg diesmal, aber glücklich sah sie nicht aus. Ich warf noch einen Blick auf meine Hand, in der sich jetzt nur noch die Karte Dummy Marker befand, die ich am Anfang des Zuges gezogen hatte. Ich spielte sie verdeckt und beendete meinen Zug.

 

Mika zog und ging gleich in Aktion über.

„Ich beschwöre Lightlord Magician Laila!“

Zumindest das war spannend, denn gegen jemanden mit diesen Monsterkarten hatte ich mich bisher noch nicht duelliert. Das Monster, das sie nun beschwor war eine Frauengestalt in einem weißen Gewand und mit einem langen Umhang, die Unmengen an goldenem Schmuck trug. In der Hand hielt sie einen goldenen Stab mit leuchtender Spitze. Sie hatte 1800 Angriffspunkte, Flame Wingman konnte sie also nicht gefährlich werden. Wieso hatte Mika sie trotzdem im Angriffsmodus gespielt?

Mika betrachtete die restlichen zwei Karten auf ihrer Hand. Scheinbar waren die in dieser Situation nicht sehr nützlich, denn sie spielte nur noch eine davon verdeckt.

„Jetzt beende ich meinen Zug. Davor muss ich noch drei Karten vom Deck auf den Friedhof schicken, weil Laila auf dem Feld ist.“

Das war interessant. Offenbar hatten alle Lightlord-Monster Effekte bei denen sie Karten auf den Friedhof schicken musste. Das könnte heißen, dass ich einfach nur auf Zeit spielen müsste, um zu gewinnen, weil ihr dann die Karten ausgehen würden. Aber… das wäre so oder so nicht mein Stil.

 

Ich zog und bekam die Karte N Signal auf die Hand. Die spielte ich auch sofort verdeckt aus, wichtiger war, dass Flame Wingman mit seinen 2100 Angriffspunkten stärker war als ihre Laila, die nur 200 Verteidigungspunkte aufwies. Ich beschloss also, ihre mittlerweile vier Zauber- oder Fallenkarten zu ignorieren und befahl meinem Monster, ihres anzugreifen.

Ich hatte nicht wirklich damit gerechnet, dass der Angriff durchgehen würde, und tatsächlich grinste Mika sofort breit: „Nichts da!“

Mit einer ausladenden Handbewegung aktivierte sie eine ihrer Fallenkarten, die sofort ein Energieschild zwischen Laila und Flame Wingman entstehen ließ. Angriff Anullieren, ein Klassiker, aber definitiv effektiv. Mein Monster musste den Angriff abbrechen und zu mir zurückkehren.

„Klasse pariert!“, lobte ich.

Sie schien sich darüber nicht besonders zu freuen.

Da ich keine Karten mehr auf der Hand hatte, verkündete ich: „Ich beende meinen Zug!“

 

Mika riss ihre Karte regelrecht aus der Halterung, als sie zog. Ihre Hand mit den Karten zitterte ein wenig. Irgendwie sah sie alles andere als beherrscht aus und ich hoffte irgendwie, dass sie nicht die Konzentration verlieren und ihren Zug in den Sand setzen würde.

„Ich aktiviere die Zauberkarte Hilfstruppen des Lichts“, verkündete sie und deckte eine ihrer verdeckten Karten auf.  Sogleich erklärte sie auch, was diese bewirken sollte: „Indem ich drei Karten von meinem Deck auf den Friedhof schicke, …“ (schon wieder… die musste echt aufpassen dass ihr die Karten nicht ausgingen!) „kann ich ein Lightlord-Monster auf Level Vier oder niedriger auf die Hand nehmen!“

Sie brauchte nicht lange, um das entsprechende Monster aus ihrem Deck zu suchen und dieses wieder zu mischen. Die Karte klatschte sie dann auch gleich auf die Monsterkarten-Zone ihrer Duel Disk.

„Ich beschwöre Lightlord Monk Eirin!“

Das Monster erschien. Es war eine akrobatisch wirkende Frau, deren Oberkörper in einer silbernen Rüstung steckte und deren Beine von einem losen roten Rock bedeckt waren, der ihr aber noch genug Bewegungsfreiheit ließ, erst einmal einen kräftigen Kick in die Luft durchzuführen. Mit der rechten Hand wirbelte sie einen längeren goldenen Stab mit an beiden Seiten leuchtenden Enden herum. Sie hatte 1600 Angriffspunkte, irgendwas musste Mika also noch in der Hinterhand haben, damit dieses Monster es mit meinem aufnehmen konnte.

 

„Als nächstes aktiviere ich den Effekt von Laila! Wenn ich sie in den Verteidigungsmodus versetze, kann ich eine deiner Zauber- oder Fallenkarten zerstören.“ Deshalb hatte sie sie also zuerst im Angriffsmodus gespielt.

Auf meinem Feld lagen in dem Moment zwei verdeckte Karten: N Signal und Dummy Marker. Ich war gespannt, welche sie wählen würde.

Mika fackelte nicht lange und deutete auf die Karte, die von mir aus links lag.

 „Da hast du leider Pech gehabt“, verkündete ich sofort.

„Was?!“, stieß sie erschrocken aus.

Ich grinste, als die Magierin mit einem Schwung ihres Stabes meine Fallenkarte aufdeckte.

„Wenn du versuchst, die verdeckt liegende Karte Dummy Marker zu zerstören, darf ich eine Karte ziehen.“ Was ich auch sofort tat: Die gezogene Karte war Elemental Mirage. Die würde vielleicht noch nützlich werden.

 

Zerknirscht nahm Mika das zur Kenntnis, dann ging sie in den Angriff über: „Los, Eirin, greif Flame Wingman an! Ihr Effekt…“

Das Monster sprang sofort mit gezücktem Stab auf meines zu. Nach wie vor war es eigentlich zu schwach, um Flame Wingman zu schlagen, daher war ich neugierig, was Mika in der Hinterhand hatte, um das noch während des Angriffs zu ändern.

Mika wirkte, als ich sie erwartungsvoll anblickte, allerdings eher schockiert.

Kleinlaut setzte sie fort: „… ihr Effekt besagt, dass sie ein gegnerisches Monster zurück ins Deck schicken kann…“

Das klang doch genau richtig! „Cool!“, rief ich.

Doch sie war noch nicht fertig: „… wenn der Gegner im Verteidigungsmodus ist.“

Das war Flame Wingman allerdings nicht.

Spielend tauchte er unter Eirins Stab durch, setzte ihr die Drachenkanone an seinem rechten Arm ins Gesicht und fegte sie mit einem Strahl aus Flammen vom Feld. Das hatte ich nicht erwartet.

„Ich dachte, jetzt kommt eine tolle Strategie, wie sie schlagartig noch mehr Angriffspunkte bekommt…“, seufzte ich, „irgendwie schade.“

„Schade?“, zischte sie. Irgendwie jagte mir ihr Blick Angst ein, obwohl sie auf einmal nicht mehr so wütend wirkte wie vorher, sondern im Gegenteil ziemlich ruhig.

„Das soll ich dir abkaufen? Dass du das schade findest, dass ich dein Monster nicht vernichten konnte? Sei doch froh“, sagte sie mit beängstigend leiser Stimme.

Sie verschränkte die Arme und senkte den Kopf noch ein wenig tiefer und starte mich dabei an. Ein Schauer lief mir den Rücken runter. „Komm schon, lach mich aus, dass ich dich so hirnlos angegriffen habe! Und am besten gleich auch noch dafür, dass ich genau in deine blöde Falle getappt bin!“, forderte sie mich mit einem verzerrten Grinsen auf.

Ich schluckte. „Wieso, das kann doch jedem mal passieren“, murmelte ich. Das mit dem Angriff eigentlich nicht, aber wenn ich das zugeben würde, würde sie wahrscheinlich noch wütender werden.

„Ich weiß sowieso was du denkst“, sagte sie drohend, aber sie wartete dann doch nicht auf eine Antwort, sondern betrachtete ihre beiden Handkarten und nickte kurz zu sich selbst.

„Ich spiele eine Karte verdeckt. Jetzt muss ich, weil Laila noch auf dem Feld ist, drei Karten auf den Friedhof schicken und nun beende ich meinen Zug.“

 

Ich war also wieder dran. Ich zog und spielte das gezogene Monster gleich aus: „Ich beschwöre ein Monster verdeckt im Verteidigungsmodus!“

Das Monster war E-HERO Clayman, ein Krieger mit 2000 Verteidigungspunkten. Den würde ich nur im Notfall brauchen, jetzt war aber erst einmal Flame Wingman dran: „Los, greif Laila an! Flame Shoot!“

Mikas Grinsen wurde breiter. „Hab ich dich endlich. Ich aktiviere die Fallenkarte Crystal Veil!

Blaue Kristalle bohrten sich quasi aus dem Nichts in einem Kreis um Flame Wingman, der sofort in seinem Angriff innehielt.

„Diese Karte stoppt nicht nur einen Angriff, wenn ich ein Licht-Monster vom Friedhof aus dem Spiel entferne. Sie zieht dir auch die Hälfte der Angriffspunkte des entfernten Monsters von den Lebenspunkten ab.“

Sie zog eine Karte aus ihrem Friedhofstapel und gleichzeitig stieg aus den Kristallen die durchscheinende Gestalt eines Monsters auf: Ein mit einer silbernen Rüstung gepanzerter Drache mit goldenen Flügel-Elementen am mächtigen Helm und an den Schultern. Dieses Monster musste sie irgendwann in den letzten Runden wegen der Lightlord-Effekte auf den Friedhof gelegt haben.

Lightray Diabolos hat 2800 Angriffspunkte, damit verlierst du 1400 Lebenspunkte!“, verkündete sie.

Das durchsichtige Monster stürzte sich mit einem brutalen, von gleißendem Licht umhüllten Faustschlag auf mich. Der, wenn auch holografische, Angriff ließ mich rückwärts stolpern, während sich das Monster auflöste. Meine Lebenspunkte fielen augenblicklich auf 2600. Endlich passierte mal was!

„Wow, krasser Konter! Richtig stark!“, rief ich.

Irgendwie schien Mika auch dieses Kompliment nicht zu freuen.

Jetzt blieb mir nur noch, Elemental Mirage für den Notfall verdeckt zu spielen, dann beendete ich meinen Zug.

 

Mika war am Zug. Die neu gezogene Karte gefiel ihr offensichtlich, denn bei deren Anblick verbreiterte sich ihr diabolisches Lächeln noch um ein Stück. Da kam scheinbar richtig was auf mich zu. Ich musste unwillkürlich grinsen, genau diese Spannung liebte ich so am Duellieren!

Sie fackelte auch nicht lang und spielte die gezogene Karte: „Ich aktiviere den Feldzauber Shine Spark!“

Das Feld wurde augenblicklich in gleißendes Licht gehüllt. Ich musste die Augen zukneifen und sie zusätzlich mit meinem Arm vor dem Lichteinfallschützen, aber schon der erste Moment hatte mich übel geblendet. Zum Glück wurde das Licht nach der Aktivierung der Karte etwas weniger intensiv.Trotzdem tanzten mir Lichtpunkte vor den Augen, als Mika den Effekt des Feldzaubers erklärte.

„Diese Karte erhöht die Angriffspunkte aller Licht-Monster um 500 Punkte und senkt ihre Verteidigungspunkte um 400!“

Ja, die Karte passte gut in ihr Deck, denn soweit ich beobachtet hatte waren all ihre Lightlord-Monster vom Typ Licht.

„Ich versetzte Laila wieder in den Angriffsmodus und greife Flame Wingman an!“

Mit seinen 2100 Angriffspunkten hatte er keine Chance gegen ihr Monster, dessen Angriffsstärke durch den Licht-Bonus nun bei 2200 lag. Mit einem eleganten, aber mächtigen Hieb ihres Stabes löschte ihre Magierin mein Monster aus. Zum Glück verlor ich dabei nur 100 Lebenspunkte und lag damit jetzt bei 2500, also alles im grünen Bereich.

„Hm, jetzt muss ich mir aber was einfallen lassen!“, kommentierte ich das Verschwinden meines stärksten Monsters zuversichtlich.

Mikas Augenbrauen zuckten, aber sie blieb ruhig. „Ich schicke wegen Laila wieder einmal drei Karten auf den Friedhof und beende meinen Zug.“

 

Dann war ich wieder dran. Eigentlich musste ich jetzt ganz schön Glück haben, wenn ich auf einen Schlag Lailas 2200 Angriffspunkte überbieten wollte. Aber ich würde das schon schaffen. Ohne Zögern nahm ich die oberste Karte von meinem Deckstapel – und musste unwillkürlich grinsen. Wenn ich mich auf eins verlassen konnte, dann auf mein Glück beim Ziehen.

„Ich opfere mein verdecktes Monster, E-HERO Clayman, und beschwöre meinen E-HERO Prismer!!“, verkündete ich und rief sofort das soeben gezogene Monster aufs Feld. Der aus Kristallen bestehende Krieger erschien kampfbereit auf meiner Feldseite. Im Licht von Shine Spark schien er golden zu leuchten.

Prismer ist auch ein Licht-Monster, also profitiert er genau wie Laila von deiner Feldkarte!“, rief ich. 2200 Angriffspunkte statt den üblichen 1700 waren immerhin genug, um Laila stand zu halten.

„Nicht so schnell!“, unterbrach Mika meine Siegesgewissheit.

Ein noch übleres, fieseres Lächeln als zuvor zog sich jetzt regelrecht von einem ihrer Ohren zum anderen. Dann brach sie in ein grausiges, hässliches Lachen aus das mir in den Ohren weh tat. Ich verstand damals wie heute nicht, warum sie ausgerechnet mich so hasste – schließlich hatten wir uns nicht einmal eine halbe Stunde vorher kennengelernt – aber scheinbar war ihr in diesem Moment nichts wichtiger, als mir eins auszuwischen.

 

Und aufgeladen mit diesem Hass aktivierte sie die Karte, die mich, oder vielmehr Prismer, aufhalten sollte.

 

„Ich aktiviere die Fallenkarte Gender Bender! Sie vertauscht bei einem Monster vom Typ Krieger, wie Prismer eins ist, die Angriffs- und Verteidigungspunkte!“

 

Aus der Mitte der Karte schoss ein Strahl aus rosa Energie, der fast so sehr blendete wie die Shine Spark Karte zuvor. Deshalb musste ich die Augen zukneifen und konnte nicht sehen, was genau passierte. Aber ich spürte etwas. Zuerst war es wie ein harter Schlag in den Magen, dann wurde mir auf einmal heiß, als würde mein Körper von innen heraus verbrennen.

Hätte das nicht nur wenige Sekunden gedauert, hätte ich mir wahrscheinlich die Seele aus dem Leib geschrien. So hatte ich nicht einmal wirklich Zeit, die Schmerzen überhaupt wahrzunehmen, bevor sie auch schon wieder vorbei waren.

Verwirrt starrte ich Mika an, während ich ein wenig nach Luft schnappen musste. So etwas war mir in einem Duell noch nie passiert und es hatte sich sehr viel realer angefühlt als ein Hologramm.

„Was war das?“, fragte ich.

Dann räusperte ich mich, weil meine Stimme irgendwie seltsam klang.

„W- wie ist das denn jetzt passiert?“, stammelte Mika. Sie sah sogar noch verwirrter aus als ich mich in dem Moment fühlte. Das verunsicherte mich.

„Was… ist passiert?“, stammelte ich. Meine Stimme klang immer noch so seltsam. Anders. Höher.

Mika schüttelte ungläubig den Kopf.

Das war der Moment, in dem ich an mir herunterschaute und sich die Frage von selbst beantwortete. Brüste… Ich hatte Brüste.
 

 

Und das war der Anfang einer ziemlich verwirrenden Geschichte, in der mir erst wirklich klar wurde, was ich alles nicht wusste.

 

Mädchen tragen Röcke

Hätte ich gewusst, was eine „lustige“ Idee von Johan so alles nach sich ziehen würde, hätte ich vielleicht ganz anders gehandelt. Aber ich war unwissend, und hinterher ist man sowieso immer schlauer.

So begann das eigentliche Unglück erst, nachdem ich verwandelt worden war.

 

 

„Was… ist passiert?“, stammelte ich. Meine Stimme klang immer noch so seltsam. Anders. Höher.

Mika schüttelte ungläubig den Kopf.

Das war der Moment, in dem ich an mir herunterschaute und sich die Frage von selbst beantwortete. Brüste… Ich hatte Brüste.

 

Kapitel 1. Mädchen tragen Röcke 

 
 

Es dauerte nicht lang, bis mich ein Griff in den Schritt davon überzeugte, dass es nicht nur mein Oberkörper war, der sich verändert hatte.

Ich war ein Mädchen.

Von Kopf bis Fuß.

Während ich noch versuchte, mir irgendeinen Reim daraus zu machen, was gerade passiert war, oder vielmehr, wie es passiert war, hatte Mika schon einen Schritt weitergedacht.

„Surrender!“, rief sie eilig. Die Hologramme verschwanden augenblicklich vom Duellfeld. Mika rannte los. Sekunden später erwachte ich aus meiner Schockstarre. Und rannte so schnell es ging hinterher.

Ich fragte mich sofort, wie Mädchen nur irgendwie Sport treiben können. Mich nervte es schon nach wenigen Metern, wie meine frisch erschienenen Brüste bei jedem Schritt auf und ab hüpften. Aber es gelang mir, das zu ignorieren. Schließlich musste ich Mika einholen und das war nicht einfach, weil in der rappelvollen Duellhalle überall Leute im Weg standen.

Schnell erkannte ich, dass sie auf dem Weg zum Ausgang war. Und sie war ganz schön flink. Ich will mich nicht gerade als Spitzensportler bezeichnen, aber eigentlich hatte ich ein gewisses Selbstvertrauen in meine Fitness. Trotzdem merkte ich schnell, dass sie an Abstand gewann. Und das war schlecht. Also versuchte ich, noch schneller zu rennen und mich dabeikomplett auf sie zu konzentrieren.

 

Schlechte Idee.

 

Kaum dass ich auf diese Weise losgeprescht war, stieß ich in vollem Tempo mit jemandem zusammen. Der hatte mich wohl nicht kommen sehen, weil Mika ihn gerade angerempelt hatte und er ihr verärgert hinterher geschaut hatte. Ich konnte nicht mehr bremsen und prallte genau gegen seinen Rücken.

In dem Moment kamen mir die Brüste auf einmal doch wieder praktisch vor, der Aufprall war jedenfalls nicht so hart wie ich befürchtet hatte. Mein Gegenüber verlor zwar kurz das Gleichgewicht, konnte sich aber sogleich wieder fangen. Es war Johan.

„Was ist denn hier los?“, fragte er vorwurfsvoll und drehte sich zu mir um.

Verblüffung machte sich auf seinem Gesicht breit.

„Jûdai?“

„Wir müssen das Mädchen verfolgen!“, rief ich und zerrte ihn am Handgelenk in die Menschenmenge.

„Wie? Was? Jûdai? Bist du das wirklich?“, brachte er hervor, während ich versuchte, ihn an den vielen herumstehenden Leuten vorbei zu bugsieren und dabei nicht an Tempo zu verlieren. Das funktionierte nicht so richtig, außerdem konnte ich Mika bereits nicht mehr in der Menge ausmachen.

„Wo ist sie hin? Hast du es gesehen?“, fragte ich und blieb nach Luft schnappend kurz stehen.

Er blinzelte mich an. „Du klingst nicht nur wie ein Mädchen, du siehst auch wie eins aus“, sagte er anstelle einer Antwort.

„Johan!“, rief ich verzweifelt. Er schien jedoch anderes im Kopf zu haben.

„Sind die echt?“, fragte er und griff nach meiner linken Brust. Ich war viel zu perplex um zu reagieren, da ließ er schon wieder los. Sein Gesicht sah auf einmal ein bisschen rot aus.

„Ich glaube schon“, beantwortete er seine eigene Frage.  „Und du trägst keinen BH.“ 

„Das ist doch jetzt nicht so wichtig! Wo ist das Mädchen hingelaufen?“, drängelte ich.

„Ich habe sie aus den Augen verloren, als du mit mir zusammengeprallt bist, sorry.“

Ich seufzte.

„Sie kann noch nicht so weit weg sein. Bestimmt ist sie nach draußen gerannt!“, verkündete ich nach kurzem Bedenken und zerrte Johan zur automatischen Eingangstür.

Draußen waren überall Menschen, die zwischen den Attraktionen hin und her schlenderten. Aber Mikas auffälliges Pink war nirgendwo auszumachen. „Siehst du sie?“, fragte ich.

„Nein…“, sagte Johan und drehte sich zu mir um. „Jetzt erklär mir doch erstmal, was überhaupt los ist.“

Ich seufzte erneut.

„Okay, aber unterwegs. Wir müssen diese Mika unbedingt finden!“

 

Während wir quer durch Kaibaland liefen und hin und wieder Menschen fragten, ob sie ein komplett pink gekleidetes Mädchen gesehen hätten, schilderte ich Johan den Verlauf des Duells mit Mika.

„Also Gender Bender hieß die Karte?“, fragte Johan und kratzte sich am Kinn. „Das heißt ja so viel wie Geschlechtswandlung.“

„Ehrlich? Na, das erklärt einiges“, sagte ich und blickte an mir herunter.

Johan lachte kurz, wurde dann aber gleich wieder nachdenklich: „Aber sowas habe ich auch noch nie erlebt. Duellgeister schon, aber dass eine Karte einen Mensch so beeinträchtigt ist mir neu.“

Ich musste schlucken, denn diese Formulierung ließ mich an eine Episode in meiner Vergangenheit denken, die ich am liebsten vergessen hätte. 

„Ich weiß auch nicht“, sagte ich vage.

Johan stupste mich an und riss mich dadurch wieder aus den düsteren Erinnerungen.

 „Wir sollten Riesenrad fahren. Von da oben kann man den ganzen Park sehen!“, schlug er vor. Ich stimmte zu. Dass ich an meine Vergangenheit gedacht hatte, war mir schon wieder entfallen, als wir uns für das Fahrgeschäft anstellten.

 

Wir hatten allerdings mit dem Riesenrad kein Glück. Da nichts darauf hindeutete, dass Mika sich noch im Park befand, verließen wir ihn schließlich, um sie in der Stadt weiterzusuchen.

„Außerdem ist nicht mal gesagt, dass sie dich einfach wieder zurückverwandeln kann“, gab Johan zu bedenken als wir in der U-Bahn Richtung Innenstadt saßen. „Du hast ja gesagt, dass sie selbst total erstaunt war, dass das passiert ist.“

„Hey, das klappt schon irgendwie!“, behauptete ich sofort. Dann fiel mir noch etwas ein. „Wir können doch unsere Duellgeister losschicken, damit sie auch suchen! So groß kann die Stadt gar nicht sein, dass wir sie da nicht finden!“

 

War sie allerdings doch. Es war noch vor 12 Uhr, als wir in der Innenstadt ankamen. Nach einem Zwischenstopp bei Burger World suchten wir ununterbrochen, aber als es langsam zu dämmern begann, hatten weder wir noch die von uns losgeschickten fliegenden Duellungeheuer irgendeine Spur des Mädchens gefunden.

„Vielleicht solltest du dich langsam mit dem Gedanken anfreunden, für längere Zeit ein Mädchen zu bleiben“, schlug Johan vorsichtig vor, als wir uns zum wiederholten Mal vom Uhrturmplatz in der Innenstadt entfernten, wo wir uns mit unseren Monstern getroffen hatten.

Ich ließ den Kopf hängen. „Jaaa“, murmelte ich. Begeistert war ich nicht gerade, aber mir taten die Füße weh und so langsam glaubte ich auch nicht mehr daran, dass wir Mika noch irgendwie finden würden.

„Ja?“, fragte Johan und sah mich irgendwie erwartungsvoll an.

„Das war ein ‚Ja‘“, murmelte ich verwirrt.

Johan grinste und legte mir einen Arm um die Schultern.

„Dann müssen wir jetzt shoppen gehen!“, verkündete er und drehte sich abrupt zu einem Laden um, an dem wir gerade vorbeigekommen waren. Im Schaufenster standen Figuren, die Damenunterwäsche in allen möglichen Farben trugen.

„W- was? Wieso das denn?!“, stammelte ich.

Johan bugsierte mich mit sanfter Gewalt zum Eingang. „Weil ein Mädchen wie du nicht ohne BH rumlaufen sollte, darum.“

 

Der eigentliche Grund für den Einkauf ging mir auf, als wir knapp eine Stunde später in Richtung Fähre hetzten. Mit BH hüpften meine Brüste jedenfalls nicht mehr so durch die Gegend wie vorher, und das war schon irgendwie praktisch.

„Nicht abfahren!“, schrie Johan, als wir um die letzte Ecke bogen und die Fähre in Sicht kam, die uns zurück zur Duellakademie bringen sollte. Völlig aus der Puste legten wir die letzten Meter in Richtung Kai zurück, wo unser Lehrer Herr Chronos uns mit einer gezückten Taschenuhr in der Hand erwartete. Der Motor des Schiffs lief bereits.

„Nunja, Signore, Sie sind ja fast noch pünktlich“, zwitscherte er mit hochgezogenen Augenbrauen, ließ die Uhr in der Tasche verschwinden und dirigierte mich mit einem Klaps auf den Rücken die Gangway hoch.

Am Aufgang erwarteten uns schon unsere Freunde Shô, Asuka, Fubuki und Manjôme, die alle ein bisschen genervt aussahen. 

„Ihr seid die letzten, wisst ihr das?“, fragte Asuka streng, aber mit einem leichten Schmunzeln.

„Ja, tut mir echt leid“, sagte Johan und kratzte sich verlegen am Kopf. Das rief allerdings Stirnrunzeln bei Asuka und ein skeptisches Grunzen bei Manjôme hervor.

„Du brauchst Aniki nicht in Schutz zu nehmen, ihr seid doch bestimmt nur wegen ihm so spät dran“, sprach Shô aus was die anderen beiden wohl auch gedacht hatten.

 

„Signore e Signori, es geht los!“, rief Herr Chronos laut dazwischen. Trotz dieser Ankündigung kam der Ruck, als die Fähre vom Kai zurücksetzte, so plötzlich, dass ich mich an Johan festhalten musste, um nicht zu stolpern. Er grinste mich an, scheinbar war er nicht so leicht aus dem Gleichgewicht zu bringen.

 

Dann wandte er sich wieder an die anderen: „Es war wirklich meine Schuld, dass wir so spät dran waren“, erklärte er, was unsere Freunde mit skeptischen Mienen quittierten. „Ich habe extra auf die Zeit geachtet und wir sind um halb sechs in der Innenstadt losgegangen, aber …“

Ich unterbrach ihn eilig: „…er ist in die völlig falsche Richtung gelaufen, so dass wir an der falschen Station in die U-Bahn gestiegen sind und nochmal umsteigen mussten. Dabei sind wir vorher dreimal an der richtigen Station vorbeigelaufen!“

Grinsend tätschelte ich Johans Arm, um ihm zu signalisieren, dass ich das nicht so schlimm fand. Als er mich mit dem Ellbogen leicht zurückstupste,schaute ich in die Runde und stellte fest, dass ich nicht nur von Shô und Co. sondern auch noch von ein paar anderen in der Nähe stehenden Schülern intensiv angestarrt wurde.

„Was?“, fragte ich verwirrt.

„Du bist ja gar nicht Aniki“, sprach Shô es schließlich aus.

Manjôme nickte. „Du bist’n Mädchen.“

„Wenn auch nicht besonders kurvig“, fügte Fubuki sofort mit einem Augenzwinkern hinzu.

„Aber ich habe Brüste!“, widersprach ich sofort.

Fubuki lachte. „Sollte keine Beleidigung sein, Kleine. Du bist süß, dafür gebe ich dir glatt einen Herzschlag-Punkt!“

Asuka boxte ihn genervt in die Seite. „Das ist doch jetzt irrelevant.“ Dann wandte sie sich mit sehr ernstem Blick an mich: „Also, wer bist du?“

 

„Na, ich bin’s doch, Jû-“, setze ich an, doch Johan unterbrach mich eilig. „Das… ist Jûdais Zwillingsschwester! Sie heißt Jû… äh… Jûjika“, verkündete er lauter als nötig.

Als wäre das noch nicht auffällig genug gewesen,  wiederholten Fubuki, Asuka, Shô und Manjôme sogleich überrascht, aber vollkommen synchron: „Zwillingsschwester!?“

Das konnte natürlich auch Herrn Chronos nicht entgehen, der sofort eilig zu uns herüber stolzierte.

„Was höre ich da? Anstelle von Signore Jûdai hat sich seine Schwester hier eingeschlichen?“

Er beugte sich zu mir herunter und betrachtetemich eindringlich, wobei er sich mit den dunkel lackierten Fingernägeln über das Kinn strich. „Dann müssen Sie mir aber erklären, warum Sie anstelle Ihres werten Bruders hier sind und vor allem, warum Sie seine Schuluniform tragen, Signora!“

„Nein, eigentlich bin ich…“, setzte ich erneut an, doch Johan fuhr mir erneut in die Parade.

„D- das hat alles einen triftigen Grund, Herr Chronos!“, sagte er laut und kniff mir währenddessen unauffällig in die Seite.

„Was soll das?“, flüsterte ich verwirrt, während die anderen offensichtlich darauf warten, dass Johan den triftigen Grund etwas näher ausführte.

„Vertrau mir, das wird bestimmt lustig“, flüsterte Johan zurück und sah dann wieder unseren Lehrer an.

„Also: passen Sie auf“, begann er und stemmte die Arme in die Hüften. „Zuerst mal zu der Frage, warum Jûdai nicht hier ist… Er musste sehr eilig die Stadt verlassen, weil… ja…“

Während er erzählte, ging er nachdenklich im Kreis, während ich ihm genau so gespannt zuhörte wie die umstehenden Schüler, zu denen sich mittlerweile noch ein paar mehr gesellt hatten, die mitbekommen hatten, dass irgendwas Besonderes vor sich ging.

„… weil seine Mutter krank ist.“

Akzeptierendes Nicken bei den Zuhörern. Zum Glück hatte ich nie jemandem von meiner Familie erzählt, sonst hätten sie gewusst, dass ich weder eine Zwillingsschwester hatte noch Eltern, die mich kontaktieren würden wenn einer von ihnen krank wäre.

„Also, nicht einfach nur krank“, spann Johan seine Lügengeschichte fort, „sondern todkrank. Sie hat nur noch wenige Wochen zu leben, deshalb musste Jûdai einfach zu ihr, um sie wenigstens noch ein letztes Mal zu sehen.“

„Oh, wie ergreifend!“, stieß Herr Chronos aus und holte ein großes geblümtes Stofftaschentuch aus seiner Hosentasche, um sich damit über die Augen zu tupfen. Johan nickte zufrieden, ich dagegen fragte mich langsam, worauf das alles hinauslaufen sollte. Aber Johan hatte im Gegensatz zu mir einen Plan, also musste ich ihn wohl machen lassen.

 

„Ja, deshalb ist Jûdai jetzt so kurzfristig verschwunden. Aber er wollte natürlich nicht, dass er deswegen in den Disclosure Duels nicht antreten kann und am Ende von der Schule geschmissen wird!“

„D- davor hätte ich auch Angst!“, rief Shô dazwischen. Johan grinste. „Ja, nicht?“

Er fuhr sich einmal durch die Haare und erzählte dann weiter.

„Nun ja, also hat er seiner süßen kleinen Schwester seine Schuluniform gegeben, damit sie an seiner Stelle an den Disclosure Duels teilnehmen kann. Irgendwie hatten wir gehofft, ihr würdet gar nicht merken, dass sie nicht Jûdai ist.“

Ja, irgendwie hatte ich wirklich gehofft, dass keiner einen Unterschied bemerkt, aber meine Freunde waren einfach zu schlau. Das bewies Asuka auch sofort, indem sie eine skeptische Frage stellte: „Und Jûjika-san macht es nichts aus, wenn sie in den letzten Lebenswochen ihrer Mutter nicht bei ihr sein kann?“

Johan drehte sich zu mir um und erwarteteoffensichtlich, dass ich mich dazu äußern würde. Verdammt. „Äh… ich… ich …“, stammelte ich auf der Suche nach etwas, was ich sagen konnte. Sonst war ich doch immer so schlagfertig. Johan legte sofort einen Arm um mich und erlöste mich damit von dem Druck, selbst etwas sagen zu müssen.

„Die Kleine ist noch ein bisschen durch den Wind. Mir hat sie vorhin erzählt, dass sie Jûdai diese Zeit mit seiner Mutter ermöglichen will, die er in den letzten Jahren nicht haben konnte. Sie wohnt noch zu Hause und hat ihre Mutter in den letzten Jahren immer kränker werden sehen, deshalb ist sie ganz froh, dass sie an der Duel Academia auf andere Gedanken kommt. Sie hat sich auch schon von ihr verabschiedet, deshalb ist sie jetzt natürlich nicht besonders gut drauf.“

Ich nickte bestätigend.

Herr Chronos schluchzte noch ein wenig theatralisch vor sich hin, dann wischte er sich ein letztes Mal über die Augen, steckte das Taschentuch weg und sah mich an. „Ist das alles so, wie Signore Andersen sagt, Signora Yûki?“

„J- ja“, sagte ich. Was denn auch sonst?Die Alternative wäre gewesen, zuzugeben dass Johan gerade einem Lehrer und meinen besten Freunden ins Gesicht gelogen hatte. Dass das für keinen von Vorteil wäre, war ja sogar mir klar. Außerdem war ich mir nicht sicher, ob sie die Wahrheit überhaupt glauben würden, schließlich hatten die meisten von ihnen schon Probleme, zu akzeptieren, dass ich die Geister von Duellmonstern sehen und mit ihnen sprechen konnte.

„Also gut“, verkündete Herr Chronos nach einer kurzen Denkpause, „letzten Endes müssen Sie das natürlich mit unserem Schulleiter ausmachen. Aber wenn Sie ihm die Geschichte schildern, wird er sicher Verständnis haben.“ Er schniefte noch einmal laut.

„Vielen Dank!“, sagte Johan sofort und verbeugte sich artig. Ich machte die Geste nach.

Herr Chronos winkte ab undverschwand dann durch die Tür, die ins Innere der Fähre führte. Auch die meisten anderen Schüler verteilten sich schnell wieder auf dem Schiff, so dass uns schließlich nur noch unsere Freunde gegenüberstanden.

„Also, sorry, dass sie sich nicht richtig vorgestellt hat. Wir waren ziemlich in Eile“, meinte Johan und sah mich auffordernd an.

„Was?“, fragte ich.

„Du sollst dich vorstellen.“

Ich versuchte zu lächeln und streckte meine Hand zuerst in Shôs Richtung aus. „Ja, also, ich bin Jûd- äh, Jûjika Yûki. Freut mich, euch… äh… kennenzulernen.“

 

Als wir die Schifffahrt endlich überstanden hatten und an der Insel anlegten, auf der sich die Duel Academia befand, war es schon dunkel. Ich fühlte mich ziemlich erschöpft, weil vor allem Asuka und Shô die ganze Fahrt über Fragen gestellt hatten. Die meisten hatte Johan beantwortet, bis er sie schließlich damit abgewimmelt hatte, dass ich nach dem Abschied von meiner Mutter noch etwas Zeit für mich bräuchte. Damit war ich aber noch nicht erlöst, denn er hatte mir daraufhin einen Haufen an Dingen genannt, die ich unbedingt beachten müsste, wenn ich mich nicht verraten wollte.

Die Hälfte hatte ich eh schon wieder vergessen, als wir an Land gingen.

 

„Also, ich bringe Jûjika dann mal zum Schulleiter“, verkündete Johan und legte mir zum wiederholten Mal die Hand auf die Schulter.

Wir standen noch direkt am Bootssteg, wo das dunkle Wasser ruhig vor sich hin gluckerte. Die Nacht war sternenklar, aber ein bisschen kühl war es schon geworden.

„Ich hoffe, er lässt dich hierbleiben, Jucchi“, sagte Fubuki, der sich natürlich sofort einen Spitznamen für mich hatte ausdenken müssen. Asuka verdrehte nur die Augen über das Verhalten ihres Bruders. Shô und Manjôme zuckten die Achseln.

„Ich geh dann mal“, verkündete der kleinere Shô und schlurfte in Richtung Osiris Red Unterkunft davon. Manjôme folgte ihm wortlos, nachdem er mir noch einen verachtungsvollen Blick zugeworfen hatte.

Asuka sah ihnen ein bisschen verärgert nach, dann seufzte sie und wandte sich wieder an uns. „Soll ich euch den Weg zum Büro von Herrn Samejima zeigen?“, bot sie an.

Ich winkte ab. „Wieso, ich weiß doch, wo -“, setzte ich an und handelte mir damit ein, dass Johan mich mal wieder in die Seite kniff.

„Ich weiß doch, wo das Schulleiterbüro ist“, sagte er.

Asuka verschränkte die Arme. „Du bis am ersten Tag zu spät gekommen, weil du dich in der Schule verlaufen hattest“, erinnert sie ihn, „und hast gesagt, du hättest keinen Orientierungssinn.“

Johan schüttelte eilig den Kopf. „Das schon, aber ich bin ja jetzt eine Woche hier und kenne mich langsam gut genug aus! Ich komme nur mit unbekannten Orten nicht klar.“

Asuka zuckte die Achseln. „Gut, wenn du meinst.“

Sie lächelte mich aufmunternd an und legte mir die Hand kurz auf die Schulter. „Keine Sorge, du wirst dich bestimmt bald einleben“.

Ich nickte.

Johan hakte sich bei mir ein und zog mich langsam in Richtung Hauptgebäude. „Also, wir sehen uns!“, sagte er und winkte nochmal kurz.

„Mach’s gut, Jucchi!“, rief Fubuki und winkte übermütig.

Johan seufzte an meiner Seite. „Mir war nicht klar, dass der so ein Weiberheld ist“, sagte er leise. Ich schaute nochmal über meine Schulter zurück, was Fubuki bemerkte und mir noch einmal zuzwinkerte. „Er sagt immer, dass er zu Mädchen einfach nett sein muss“, erklärte ich.

 

„Äh, Johan, das ist die falsche Richtung.“

Ertappt blieb mein blauhaariger Freund im Gang stehen und drehte sich wieder zu mir um. Er lachte leise. „Das wusste ich natürlich!“, behauptete er sofort und zog mich in die entgegengesetzte Richtung, in der das Schulleiterbüro lag.

„Du hast echt keinen Orientierungssinn, oder?“, hakte ich nach. Johan lachte nur verlegen.

 

Wir hatten schon unterwegs beschlossen, dass wir Herrn Samejima die ganze Geschichte erzählen würden. Johan hatte mir auch erklärt warum, aber das hatte ich wieder nicht so ganz behalten. Irgendwie hatte es damit zu tun, das wir für die Disclosure Duels alle so ein Armband – genannt Dis-Belt – bekommen hatten, das wir nicht abnehmen konnten und das irgendwelche Daten über uns aufzeichnete.

Unser Schulleiter hörte uns geduldig zu, während ich zum zweiten Mal an diesem Tag schilderte, wie es zu der seltsamen Verwandlung gekommen war. Anschließend führte Johan aus, was er den anderen für eine Story erzählt hatte.

„Gut, ich verstehe. Dann ist es natürlich sinnvoll, wenn wir diese Geschichte beibehalten“, sagte Herr Samejima und stand von seinem Schreibtischstuhl auf, um durch die große Fensterfront über die nächtliche Insel zu blicken.

Ich seufzte resigniert. „Herr Samejima, das schaffe ich nie! Ich bin kein guter Schauspieler!“

Der füllige Mann drehte sich langsam um und musterte mich mit hochgezogenen Brauen.

„Dann sieh es als Herausforderung, junger Mann… oder eher, junge Dame.“

Ich blickte zu Boden.

„Du hast ja mich“, mischte sich Johan ein und legte mir einen Arm um die Schultern. „Ich passe einfach auf, dass du dich nicht verplapperst. Solange wir zusammen sind, kann also nichts passieren.“

Samejima nickte zufrieden. „Ich verlasse mich auf Sie, Andersen-kun. Dann müssen wir nur noch ein paar Kleinigkeiten klären.“

 

Die paar Kleinigkeiten waren Dreierlei.

 

Erstens, das Haus. Johan wäre es am liebsten gewesen, ich käme nach Obelisk Blue wo er ein Auge auf mich haben konnte, aber Samejima wiegelte ab, dass ich dort sowieso in der separaten Mädchenunterkunft wohnen würde. Er steckte mich nach Osiris Red, wo ich in das Dreierzimmer ziehen sollte, in dem bisher nur Rei wohnte. Das entspräche ja auch der Intention, Jûdais Stelle einzunehmen, außerdem hätte ihm schon von Anfang an nicht gefallen, dass Rei dort das einzige Mädchen war.

 

Zweitens, mein Deck. Samejima und Johan waren sich einig, dass ich sofort auffliegen würde, wenn ich weiterhin mit meinem Heldendeck spielte. Außerdem würde das nicht zu einem Mädchen passen. Also bot mir Johan an, das Deck zu benutzen, das er früher gespielt hatte. Seltsamerweise hatte Samejima daran nichts auszusetzen, also musste ich ihm schweren Herzens mein E-HERO-Deck aushändigen und bekam Johans altes Papillon-Deck überreicht.

 

Drittens, die Schuluniform. Johan war der Meinung, dass ich auf keinen Fall in Hose rumlaufen dürfte, weil ich sonst zu sehr wie ich selber aussehen würde. Samejima war auch dafür, dass ich mich als Jûjika nicht so kleiden sollte wie als Jûdai und schickte uns in einen Raum im Erdgeschoss, wo neue Schuluniformen lagerten.

 

„Ich will aber keinen Rock tragen!“

Johan ließ seufzend das Kleidungsstück in seinen Händen sinken. „Wieso denn nicht? Was spricht gegen einen Rock?“, fragte er.

Ich überlegte. „Ich hab in meinem Leben noch nie einen Rock getragen!“

„Natürlich, als Junge macht man das ja auch nicht. Aber als Mädchen eben schon!“ Damit hielt er mir den kurzen weißen Rock wieder hin. Ich griff zögernd danach.

„Probier ihn wenigstens erstmal an“, sagte Johan.

„Okay…“, sagte ich langsam und öffnete den Reißverschluss meiner Hose. 

„Sp- spinnst du?“, stieß Johan aus und drehte sich eilig mit dem Rücken zu mir.

„Hä? Was denn?“, fragte ich. Johan gab ein Geräusch vor sich, das halb wie ein Seufzen und halb wie ein Stöhnen klang. „Du bist jetzt ein Mädchen, also benimm dich auch entsprechend“, murmelte er.

Ich schüttelte meine Schuhe ab und zog die Hose ganz aus. „Was meinst du denn?“

„Zum Beispiel, dass normale Mädchen sich nicht umziehen würden, wenn ein Mann im Raum ist“, sagte er deutlich genervt.

Ich zog den Rock an meinen Beinen hoch und machte den Reißverschluss zu. „Aber du weißt doch, wer ich eigentlich bin“, meinte ich.

Johan drehte sich zu mir um und betrachtete mich, dann griff er nach dem Rock und rückte ihn etwas zurecht. „Okay, das sollte gehen“, sagte er, ohne das Thema nochmal aufzugreifen, „aber du solltest dir die Beine rasieren.“

 

Als wir zur Osiris Red Unterkunft kamen, war es schon fast 9 Uhr Abends. Manjôme saß in der Sitzecke. Er blätterte lustlos in einer Zeitschrift und versuchte dabei, seine Monster, die Ojama-Brüder, zu ignorieren, die um seinen Kopf herumschwebten und ihm am laufenden Band irgendwelche Fragen stellten.

Rei kam die Treppe herunter, kaum dass wir den Raum betreten hatten.

„Hey, ich fass es nicht, ein Mädchen in Osiris Red!“, rief sie und kam gleich auf mich zu, um mir die Hand zu schütteln.

„Ich bin Jûd- äh, Jûjika Yûki“, sagte ich.

Rei musterte mich. „Dann bist du mit Jûdai-sama bestimmt verwandt“, meinte sie.

„Ja, sie ist seine Zwillingsschwester“, mischte sich Johan ein, „und sie soll zu dir ins Zimmer ziehen.“

Rei lächelte. „Das ist toll. Als einziges Mädchen in Osiris Red fühlt man sich schon manchmal etwas einsam!“

„Das merkt man dir aber nicht an“, sagte ich.

Rei wirkte etwas verwirrt. „Wir haben uns ja auch gerade erst getroffen.“

„Oh, ähm, ja, stimmt. War nur so’n Gefühl“, beeilte ich mich zu sagen. Ich meinte, Johan neben mir seufzen zu hören.

 

„Also, ich wollte gerade baden gehen, möchtest du mit? Wir haben hier ein richtig schönes Spa“, sagte Rei und machte eine Kopfbewegung  in Richtung Bad. Deshalb hatte sie also ein Handtuch unter den Arm geklemmt.

„Au ja, gerne“, sagte ich sofort, denn der Gedanke an ein schönes warmes Bad gefiel mir nach dem langen Tag richtig gut. Außerdem gehörte zu der Mädchenschuluniform nur ein Oberteil ohne Ärmel, da war mir auf dem Weg hierher schon etwas kalt geworden.

Johan räusperte sich. „Sicher?“, fragte er.

Ich drehte mich zu ihm um. „Ja, klar!“

Er hob die Augenbrauen. „Ja, stimmt, es ist ja ganz normal wenn zwei Mädchen zusammen ins Bad gehen“, sagte er in einem Tonfall, den ich nicht so richtig deuten konnte.

„Ganz genau!“, bestätigte ich und drehte mich zu Rei um. „Also los!“

Sie nickte freudig und setzte sich Richtung Bad in Bewegung. Ich drehte mich nochmal um. „Also, gute Nacht, Johan“, sagte ich.

„Gute Nacht“, sagte er mit einem Gesichtsausdruck, der so aussah als hätte er Zahnschmerzen.

 

Das war der Abend, an dem ich lernte, wie man sich die Beine rasiert und an dem ich erfuhr, wieso in unserem Bad zwei Haarwaschmittel (Shampoo und Conditioner) stehen.

 

Mädchen verlieben sich

Für mich war die Welt der Mädchen eine völlig neue. Es gab so viel zu entdecken, dass ich viel zu aufgeregt war, um zu merken, was währenddessen an meiner Schule vor sich ging.

 

Vor allem aber begriff ich nicht, was in diesen Tagen in Johan vor sich ging und das war im Nachhinein das Schlimmste.

 

Kapitel 2. Mädchen verlieben sich

 

Wie im Flug verging mein erster Tag als Mädchen an der Duel Academia. Das nennenswerteste Ereignis war, dass Asuka beschloss, zu mir und Rei in das große Zimmer von Osiris Red zu ziehen. Sie erklärte mir, dass sie das Gefühl hatte, ich bräuchte eine Ansprechpartnerin in der Nähe. Und zwar eine, sich schon ein bisschen besser auskannte als Rei, die selbst erst seit Schuljahresbeginn bei uns war. Ich hatte nichts dagegen einzuwenden.

Und so saßen wir am Abend zu dritt im heißen Wasser des Spa. Am ersten Tag hatte noch die Neugierde überwogen, weil ich (abgesehen von meiner Mutter, und das war ewig her) zum ersten Mal in meinem Leben ein nacktes Mädchen gesehen hatte, aber irgendwie war der Anblick auch nicht mehr so besonders, wenn man schon selber Brüste hatte.

 

„Du, sag mal, Jûjika-chan“, fragte Rei, als sie als letzte zu uns ins heiße Wasser stieg, „kann es eigentlich sein, dass du in Johan verliebt bist?“

Ich lachte. „In Johan? Er ist doch ein Junge!“

Rei runzelte die Stirn. „Ja, genau. Die meisten Mädchen verlieben sich in Jungs.“

Ich kniff die Lippen zusammen. Natürlich hatte ich mal wieder vergessen, dass ich mittlerweile kein Junge mehr war.

„Wie kommst du überhaupt darauf, dass sie in ihn verliebt sein soll?“, fragte Asuka, wofür ich ihr sehr dankbar war.

Rei suchte sich eine bequeme Sitzposition im Wasser und hob dann die linke Hand als Faust.

„Also, erstens“, sagte sie und streckte den Zeigefinger aus, „folgst du ihm überall hin. Also, wirklich überall. Du wärst ihm dreimal fast aufs Männerklo hinterher gegangen.“

„Nach dem Sport wollte sie auch erst mal in die Männerumkleide“, erzählte Asuka ihr, was Rei zufrieden aufnahm, weil es ihre These untermauerte.

 

Ja, das stimmte. Die hatten ja auch keine Ahnung, wie schwer es war, sich so schnell umzugewöhnen, nachdem ich 17 Jahre meines Lebens auf Männerklos gegangen war. Immerhin hatte Johan mich jedes Mal noch rechtzeitig drauf hingewiesen, dass ich auf die Damentoilette gehörte. Ja, wenn ich ihn nicht hätte.

 

Rei streckte als nächstes den Mittelfinger aus: „Außerdem redest du fast nur mit ihm und kaum mit uns.“

 

Auch das stimmte. Natürlich redete ich lieber mit ihm, weil ich da keine Angst haben musste, irgendwas Falsches zu sagen.

 

Als nächstes kam der Ringfinger von Rei zum Einsatz. „Du hängst auch regelrecht an ihm dran. Ständig hältst du dich irgendwo an ihm fest. Zum Beispiel an seinem Arm.“

Asuka nickte zustimmend. „Das beruht allerdings auf Gegenseitigkeit. Ständig legt er seinen Arm um dich.“

 

Das war mir ehrlich gesagt noch gar nicht so aufgefallen, aber wenn die beiden das so sagten, stimmte es wahrscheinlich. Aber was sollte das bitteschön beweisen?

 

Zuletzt klappte Rei den kleinen Finger ihrer Hand aus. „Außerdem hast du ihn beim Mittagessen gefüttert!“

Ich musste lachen. „Das war doch nur, weil er noch nicht mit Essstäbchen umgehen kann und ich es nicht mit ansehen konnte, wie er sich damit abgemüht hat!“

In diesem Fall stimmte Asuka mir zu. „Er ist eben Ausländer.“

 

Rei betrachtete ihre Hand und klappte den kleinen Finger wieder zurück und kratzte sich mit der anderen Hand im Nacken. Dann fiel ihr offenbar doch noch wieder was ein und sie hielt mir die Hand mit jetzt wieder vier ausgestreckten Fingern vor die Nase.

„Außerdem hast du viel zu gute Laune dafür, dass deine Mutter todkrank ist! Das kann nur daran liegen, dass du nur Augen für Johan hast und gar nicht mehr daran denkst!“, verkündete sie triumphal.

 

Darauf wusste ich nichts zu erwidern.

 

„Also, ich weiß nicht“, meinte Asuka nun. „Für mich sieht das alles eher so aus, dass sie in einer neuen Umgebung jemanden braucht, an den sie sich halten kann und das ist in diesem Fall Johan.“

Ich nickte zustimmend. Die Vorstellung, dass ich in Johan verliebt sein sollte, war ziemlich absurd.

Rei schüttelte vehement den Kopf. „Ich erkenne ja wohl ein verliebtes Mädchen, wenn ich es sehe!“, protestierte sie.

Asuka seufzte und griff nach ihrem Handtuch, um das heiße Wasser zu verlassen. Rei und ich blieben noch sitzen, während sie sich kalt abduschte. Als sie damit fertig war und das Wasser abgedreht hatte, drehte sie sich wieder zu uns um: „Abgesehen davon finde ich nicht, dass sich Jûjika-san gegenüber Johan irgendwie anders verhält als Jûdai-kun.“ 

Jetzt stand auch Rei auf. „Und was soll das beweisen?“, fragte sie ein wenig bissig, setzte sich auf einen der Hocker und drehte die kalte Dusche voll auf.

Asuka ging zu den Handtüchern und wickelte sich zuerst eines um ihre langen Haare.

„Das heißt, dass nach deiner Argumentation Jûdai-kun auch in Johan verliebt sein müsste.“

 

Ich brach in Gelächter aus. „Das geht doch gar nicht!“

Rei stellte ihre Dusche ab und sah mich an. „Wieso soll das nicht gehen?“

Ich hatte jetzt auch genug von dem heißen Wasser und setzte mich, immer noch kichernd, neben Rei auf einen der Badehocker. „Na, ich und – nein, ich meine, Jûdai und Johan sind doch beides Jungs!“, sagte ich glucksend und fing an, mich abzuduschen.

„Das ist doch kein Grund!“, widersprach Rei.

Ich lachte weiter, während ich mir das Wasser über den Rücken laufen ließ. „Werd nicht albern. Jungs verlieben sich doch nicht in Jungs!“

„Doch, das kann theoretisch passieren“, mischte sich Asuka ein, die sich schon in ein Handtuch gewickelt hatte und an der Tür zum Umkleideraum stand. Ich hörte auf zu lachen. „Ihr meint, das geht?“, hakte ich verblüfft nach und stellte das Wasser ab.

Rei griff nach ihrem Handtuch und fing an, ihre Haare abzurubbeln. „Na klar. Wieso sollte die Liebe denn vor irgendwelchen Geschlechtergrenzen halt machen?“, fragte sie vorwurfsvoll. Ich dachte nach. Das klang irgendwie logisch.

„In manchen Ländern dürfen Männer sogar heiraten“, erklärte Asuka.

„Was echt?“, fragte ich und musste sofort wieder losprusten. „Wenn zwei Männer heiraten, wer trägt denn dann das Hochzeitskleid?“

Das ist deine wichtigste Frage dazu?“, fragte Rei vorwurfsvoll.
 

Da sie mittlerweile auch ein Handtuch umgebunden hatte, schnappte ich mir schnell meines und wir gingen rüber in die Umkleide, wo wir uns abtrockneten. „Die Vorstellung von einem Mann im Hochzeitskleid ist halt komisch“, verteidigte ich mich grinsend, weil Rei mich immer noch missbilligend ansah. 

„Also, ich glaube nicht, dass einer von beiden ein Hochzeitskleid tragen muss, wenn er nicht will“, sagte Asuka.

Ich hatte mich fertig abgetrocknet, legte mein Handtuch zur Seite und wollte gerade in mein Höschen (eins von denen, die ich mit Johan extra gekauft hatte weil er meinte, ein Mädchen könnte nicht in Boxershorts rumlaufen) schlüpfen, als Rei fragte: „Was hast du denn da gemacht?“

„Wo?“

Sie zeigte auf meinen Rücken, wo es eine auffällig rote Stelle gab. „Oh“, machte ich. „Das war Johan.“  Genauer gesagt war es die Stelle, an der mich Johan immer kniff, wenn ich mal wieder im Begriff war, etwas Falsches zu sagen.

„W- was hat er gemacht?“, stammelte Rei und beugte sich zu der betroffenen Stelle herunter. „I- ist das ein Knutschfleck!?“

„Ein was? Er hat mich einfach nur gekniffen!“

Rei richtete sich wieder auf und verschränkte die Arme. „Das glaubt dir doch kein Mensch. Wenn er dich nur kneift, wird das nie im Leben so rot!“

„Er hat mich oft gekniffen“, widersprach ich.

Rei schüttelte den Kopf. „Warum sollte er das tun?“

„Weil ich ein zu loses Mundwerk habe“, erklärte ich. Genau das hatte Johan zu mir gesagt, als ich mich irgendwann beschwert hatte, dass die Stelle langsam ganz schön weh tat.

Rei sah nach wie vor skeptisch aus, ließ das Thema aber tatsächlich fallen. „Okay, zurück zum Thema“, beschloss sie. „Du hast immer noch nichts dazu gesagt!“

„Was, wozu?“

„Ob du in Johan verliebt bist!“

Diesmal lachte ich nicht. Stattdessen hatte ich eine Frage. „Woher weiß ich überhaupt, ob ich verliebt bin?“, wollte ich wissen.

 

Auf Reis Gesicht machte sich eine Mischung aus Entsetzen und Mitleid breit.

„Warst du etwa noch nie verliebt?“

Ich war langsam fertig mit Abtrocknen und schlüpfte in die Jogginghose, die ich nach wie vor zum Schlafen trug. „Nee“, murmelte ich. 

„Du Arme!“, seufzte Rei und beugte sich zu mir rüber. „Dabei ist es doch so wunderbar, verliebt zu sein!“

Ich wich ein bisschen zurück. „Jetzt erklär mir doch erstmal, wie man überhaupt merkt, ob man verliebt ist!“

Rei sprang auf und begann, auf und ab zu laufen, während Asuka im Hintergrund begann, ihre Haare zu föhnen.

„Weißt du, das ist schwer zu erklären“, sagte Rei, nachdem sie dreimal hin und her gelaufen war. Um den Föhn zu übertönen musste sie ein bisschen lauter sprechen. „Es ist eben… wenn man verliebt ist, dann mag man jemanden ganz besonders. Man bewundert ihn, findet alles an ihm toll, will immer bei ihm sein und dafür würde man alles tun. Man ist glücklich, wenn man nur mit ihm zusammen sein kann. Und natürlich bekommt man ganz unglaubliches Herzklopfen, wenn sich die Blicke treffen!“

„Herzklopfen? So wie wenn man nur noch 100 Lebenspunkte hat und unbedingt die richtige Karte ziehen muss, um nicht zu verlieren?“, fragte ich nach.

Rei sah mich an. „Genau so!“, rief sie.

„Dann bin ich nicht in Johan verliebt. Sowas ist mir bisher nur im Duell passiert“, sagte ich und setze mich neben Asuka, um meine Haare auch ein bisschen zu trocknen.

Rei ließ sich neben mir auf den Stuhl fallen. „Und ich war mir soo sicher…“

 

In der Nacht hatte ich wieder den Traum, der mich schon seit Beginn des Schuljahrs Nacht für Nacht heimsuchte. Ein orange leuchtendes Auge, das nahezu frei in der Finsternis schwebte und meinen Namen sagte: „Jûdai… mein geliebter Jûdai… ich liebe dich… bitte komm zu mir…“

Die Stimme, die dort sprach, kam mir irgendwie vage bekannt vor, aber ich kam einfach nicht drauf, woher.

 

Am nächsten Morgen beim Frühstück sprach mich Rei darauf an, dass ich ziemlich unruhig geschlafen hätte, aber ich meinte nur, dass ich einen Alptraum gehabt hätte. Asuka vermutete gleich, dass es dabei um meine todkranke Mutter gegangen wäre und dabei beließ ich es, außerdem kam dann auch schon Johan, um mit mir zusammen zum Unterricht zu gehen.

 

Obwohl die Duel Academia dieselbe war wie immer und ich auch wie zuvor in Osiris Red wohnte und die meiste Zeit mit Johan verbrachte, war es doch alles wie eine neue Welt für mich. Weil Johan mir eingeschärft hatte, dass ich im Unterricht auf keinen Fall schlafen dürfte weil ich das als Jûdai immer tat, mühte ich mich nach Kräften, wach zu bleiben. Das klappte zunehmend besser, und zu meiner Überraschung entdeckte ich, dass nicht alles, was die Lehrer uns beizubringen versuchten, vollkommen uninteressant war.

Rei und Asuka hielten sich wie Johan auch viel in meiner Nähe auf und waren immer bereit, mir Dinge zu erklären. Von ihnen lernte ich erstaunliche Dinge, zum Beispiel, dass Fingernägel viel schöner aussehen wenn man sie zurechtfeilt statt sie abzukauen wie ich das bis dahin immer gemacht hatte.

Aber die meiste Zeit war ich doch bei Johan, weil es einfach herrlich war, mit ihm zusammen zu sein, herumzualbern, sich zu unterhalten oder einfach nur irgendwo zusammen zu sitzen. Das war zwar schon vor meiner Verwandlung so gewesen, aber irgendwie fühlte es sich trotzdem ein bisschen anders an.  Besser.

 

Johan sprach in den folgenden Tagen noch manchmal an, dass wir eigentlich einen Weg suchen müssten, wie ich zurückverwandelt werden konnte. Allerdings hatten wir beide keine zündenden Ideen, wie wir das anstellen sollten.

Während der Disclosure Duels heimlich die Insel zu verlassen, um uns noch einmal auf die Suche nach Mika zu machen, hielt Johan für unmöglich. Außerdem gab er zu bedenken, dass wir ja schon lange nach ihr gesucht und sie nicht gefunden hatten. Eigentlich hatten wir überhaupt keine Anhaltspunkte; wir wussten nicht mal, ob sie aus Domino City kam oder wie wir nur zu Besuch dort gewesen war.

Nicht zuletzt bezweifelte ich auch nach wie vor, dass Mika mich mit Absicht verwandelt hatte. So hatte sie nicht ausgesehen. Und wie sollte sie etwas rückgängig machen, von dem ihr nicht einmal selbst klar war, wie sie es angestellt hatte?

Letzten Endes hatte ich auch nach ein paar Tagen einfach keine Lust mehr, mir den Kopf zu zerbrechen. Ich war ein Mädchen, na und? Ich kam mit den Leuten klar, hatte Spaß wenn ich mit Johan zusammen war und fühlte mich eigentlich ganz wohl in meinem Körper, seitdem ich mich daran gewöhnt hatte im Sitzen zu pinkeln.

 

Abgesehen von den mysteriösen Träumen hätten diese Tage also sogar ziemlich toll sein können, wenn es nicht ein großes Problem gegeben hätte, mit dem ich einfach nicht fertig wurde.

Irgendwie schien mir bei der Verwandlung in ein Mädchen jegliches Gefühl für das Kartenspiel Duel Monsters abhanden gekommen zu sein.

Das erste Duell, das ich gegen Rei bestritt, weil sie unbedingt herausfinden wollte ob ich so gut wäre wie mein männliches Ich, lief katastrophal. Irgendwie gelang es mir nie, die vielversprechenden Monster aufs Feld zu bringen, die ich auf der Hand hatte oder zog Zauber- und Fallenkarten erst nachdem ich sie wirklich hätte gebrauchen können. Das Duell verlor ich mit einem sagenhaften Vorsprung von Rei, die am Schluss immer noch 3800 Lebenspunkte hatte.

 

Natürlich schob ich diesen Misserfolg erst einmal auf das Deck, aber Johan weigerte sich natürlich  zu glauben, dass es an seinem Deck lag. Dass er damit in der Vergangenheit dutzende Duelle gegen Top-Duellanten aus ganz Europa  erfolgreich bestritten hatte, sprach nicht wirklich dafür. Und trotzdem – ich kam einfach nicht klar. Obwohl ich mit Johans Hilfe das Deck ein wenig umstellte, um es mehr auf meine offensive Art zu spielen auszurichten und in kurzer Zeit verinnerlicht hatte, welche Karten es gab und welche Strategien man damit spielen konnte, klappte es im richtigen Duell irgendwie nie so, wie ich wollte.

Und ich duellierte mich viel, wenn auch vor allem gegen Johan. Während der Disclosure Duels fand der Unterricht grundsätzlich nur vormittags statt, damit wir mehr Zeit zum Duellieren hätten, und meistens machten wir den ganzen Nachmittag nichts anderes. Oft genug schliefen wir beide, nachdem Johan gewonnen hatte, regelrecht an Ort und Stelle ein. Ich schob das darauf, dass mir wegen der seltsamen Träume, und weil ich im Unterricht ständig wach war, einfach der Schlaf fehlte. Trotzdem blieb es dabei, dass ich als Mädchen eine lausige Duellantin war, und das sprach sich an der Schule schnell herum, so dass ich hin und wieder blöde Bemerkungen kassierte wie „Duellieren liegt wohl nicht im Blut“, oder „Jûdai war zwar nervig, aber duellieren konnte er sich“.

Was gab es schlimmeres, als gegen sich selbst zu verlieren?

 

So verging fast eine Woche, ohne dass irgendwas meinen neuen Alltag an der Duel Academia unterbrochen hätte. Der Freitag allerdings begann schon unter schlechten Vorzeichen, nämlich damit, dass Rei mich nur wachbekam indem sie mich aus dem Bett schmiss. Das allein wäre nicht einmal schlimm gewesen, aber da stand Johan schon vor der Tür und bestand darauf, dass ich ohne Frühstück mitkam, weil Zuspätkommen typisch Jûdai und folglich für Jûjika unpassend war. Folglich knurrte mir den ganzen Vormittag der Magen und als wir endlich in die Cafeteria stiefeln konnten, fühlte mich, als müsste ich jeden Moment vor Hunger tot umfallen.

 

Damit nicht genug: Als wir mit endlich gefüllten Mägen aus dem Hauptgebäude kamen, wurde ich auch noch von einem Krokodil angefallen, das mir aus einem Busch entgegensprang!

Genau, ein Krokodil. Es gehörte Jim, der wie Johan als Austauschschüler an unsere Schule gekommen war und er hatte es bei der Einführungsfeier sogar auf dem Rücken mit sich herumgetragen.

Zum Glück passierte mir nichts, weil ich einigermaßen schnell reagieren konnte und das Reptil deshalb nur meine Duel Disk erwischte. Außerdem war Jim dicht hinter ihm her und rang es Sekunden später zu Boden. „I’m sorry! Seit yesterday benimmt sie sich irgendwie seltsam“, entschuldigte er sich dann auch sofort, verband seinem Krokodil die Augen und schnallte es sich wieder auf den Rücken.

Ich verzieh ihm, weil ich eh nicht verletzt war, aber wir verzogen uns, nachdem Jim sich verabschiedet hatte, dann doch lieber auf meinen Lieblingsplatz auf dem Dach der Schule, wo definitiv kein Krokodil aus dem Gebüsch springen würde.
 

Und ich dachte eigentlich, damit hätte ich den schlimmsten Teil überstanden.

 

 

Die Sonne ging bereits unter, als wir unser letztes Duell beendeten. Johan hatte – mal wieder – haushoch gewonnen.

„Bin ich kaputt!“, stieß ich aus und ließ mich mit ausgestreckten Beinen auf dem Boden nieder.

Johan setzte sich im Schneidersitz neben mich und lehnte sich zurück, um in den Himmel zu schauen. Der Duellgeist Ruby Carbuncle, ein katzenähnliches Wesen, erschien neben ihm und folgte seinem Blick. Sah irgendwie nett aus, wie die zwei da so einig in dieselbe Richtung über de Insel schauten. Johan hatte mal gesagt, dass seine Edelstein-Bestien für ihn so etwas wie eine Familie waren, und in diesem Moment konnte ich das sehr gut nachvollziehen.

„Ich fühl mich auch ziemlich alle. Das heißt wohl, dass wir alles gegeben haben“, sage Johan matt.

Ich nickte und blinzelte in die Abendsonne, die das Meer am Horizont in ein funkelndes Orange tauchte.

„Du lächelst“, stellte Johan fest. „Dabei warst du eben beim Duell so verbissen.“

Ich ließ mich auf den Rücken fallen und starrte jetzt auf die lose verstreuten Wolken über uns, die an den Rändern ebenfalls orange angelaufen waren.

„Na ja“, sagte ich nachdenklich, „ich kann mich ja nicht die ganze Zeit ärgern. Außerdem ist es schön hier.“

Johan ließ sich neben mich fallen und sah mich direkt an. „Stimmt.“

Er hatte wirklich schöne Augen, fiel mir auf. Sie waren blassgrün, eine Farbe, die mich irgendwie immer an die ersten Blumen nach einem langen Winter denken ließ. Ich merkte, wie sich auf einmal mein Herzschlag beschleunigte.

 

Bevor ich darüber nachdenken konnte, was das zu bedeuten hatte, landete Ruby genau zwischen uns. Er drehte sich einmal auf der Stelle und stieß dann ein klagendes Fiepen aus. Vielleicht vermisste er meinen Duellgeist Hane-Kuriboh, mit dem er sonst gerne mal spielerisch in die Haare geriet. „Hey… alles in Ordnung…“, murmelte Johan beruhigend auf ihn ein.

Ich seufzte und schaute wieder in den Himmel. „Eigentlich könnte schon irgendwie alles so bleiben.“

Johan setzte sich wieder auf und sah mich mit einem breiten Lächeln an. „Finde ich auch.“

„Bis auf eins natürlich“, fügte ich hinzu.

Johan lachte. „Das ist klar.“

Rubi sprang auf seine Schulter und trillerte zustimmend.

 

„Ich wette, mit meinen Heldenmonstern könnte ich viel besser spielen. Ob Herr Samejima mir mein Deck wiedergibt, wenn ich nett frage?“

 

Johan sah mich verblüfft an. „Das ist dein größtes Problem?“

Ich rappelte mich vom Boden hoch und fächerte mein Deck auf. „Na ja, ich vermisse meine Monster. Mit deinen Schmetterlingen verbindet mich ja überhaupt nichts. Ich wette, daran liegt es, dass ich ständig verliere.“

Johan fuhr sich durch die Haare, die der laue Abendwind sowieso schon ein bisschen durcheinandergebracht hatte. 

„Das klingt jetzt so, als wäre es dir egal, ob du jemals wieder ein Junge wirst“, bemerkte er.

Ich steckte meine Karten wieder weg und schlang die Arme um meine Knie. „Na ja, ist es auch… irgendwie“, murmelte ich. „Ich meine, es ist immer noch schwierig, ständig so zu tun als wenn ich nicht Jûdai Yûki wäre, aber…“

Ein plötzliches Trillern von Ruby ließ mich den Satz unterbrechen. Der Duellgeist sprang von Johans Schulter und rannte ein paar Schritte in Richtung der Tür, die auf das Dach führte. Aufmerksam sah er sich um, aber dann kehrte er wieder zu uns zurück und setzte sich neben Johan. Der machte ein besorgtes Gesicht, aber ich überging das, weil ich den Satz zu Ende bringen wollte.

„Also, was ich sagen wollte… es ist zwar schwierig, aber … solange du bei mir bist ist das alles nicht so schlimm. Dann vergesse ich manchmal sogar, dass irgendwas anders ist als vorher“, gestand ich und legte meinen Kopf an seine Schulter.

Johan sah mich verblüfft an, dann drehte er seinen Kopf wieder nach vorne, in Richtung Abendsonne.

Er schwieg, und so sahen wir gemeinsam zu, wie sich die Sonne langsam von Orange nach Rot verfärbte und schließlich nach einem letzten Aufleuchten in der weiten See versank. Ein sanfter Wind kam auf und ich schmiegte mich noch ein wenig enger an Johan, weil er so schön warm war.

Es war angenehm, diesen Moment zu teilen. Ich war glücklich.

 

Auf einmal kam mir ein Gedanke. Was hatte Rei nochmal gesagt?

 

„Man ist glücklich, wenn man nur mit ihm zusammen sein kann. Und natürlich bekommt man ganz unglaubliches Herzklopfen, wenn sich die Blicke treffen!“

 

Was, wenn sie Recht gehabt hatte? War ich wirklich in Johan verliebt? Hatte mein Herz nicht eben angefangen zu klopfen, als wir uns angeschaut hatten? Oder war das nur Zufall gewesen?

 

Um das herauszufinden, gab es wohl nur einen Weg.

Ich musste ihm noch einmal in die Augen sehen.

 

„Johan“, sagte ich leise und hob den Kopf.

 

Er drehte sich zu mir, aber kurz bevor sich unsere Blicke trafen, drehte er sich plötzlich weg.

Im nächsten Moment sprang er auf die Füße und ich musste mich eilig abstützen, um nicht wegzukippen.

„Johan?“, fragte ich, aber als ich mich zur Tür umdrehte, sah ich nur noch Rubys Schwanzspitze durch die Tür verschwinden und hörte, wie sich Johans Schritte eilig entfernten.
 

 

Und von da an wurde es eigentlich erst richtig kompliziert.

 

Mädchen kennen Tränen

Johan hat mir bis heute nicht erzählt, was genau er in der darauf folgenden Nacht geträumt hat. Ich weiß nur, dass er irgendwann mitten in der Nacht aus einem Traum erwachte, den er nicht noch einmal haben wollte. Deshalb blieb er den Rest der Nacht wach, bis ihn, als die Dämmerung über der Insel einsetzte,  dann doch die Müdigkeit übermannte.

 

Davon hatte ich natürlich keine Ahnung. Dass etwas nicht stimmte, fiel mir erst im Laufe des Tages auf.

 
 

Kapitel 3. Mädchen kennen Tränen

 

Ich hatte auch eher schlecht geschlafen, weil ich in der Nacht dreimal von der geheimnisvollen Stimme geträumt und danach aufgewacht war. Asuka kannte allerdings kein Erbarmen: Sie weckte mich pünktlich, weil sie keine Lust darauf hatte, im Unterricht wie am Vortag mein lautes Magengrummeln ertragen zu müssen. Das Frühstück schaufelte ich mir im Halbschlaf in den Mund.

 

„Seltsam, Johan ist gar nicht da“, bemerkte Asuka, als wir den Speisesaal von Osiris Red verließen. Rei war noch in der Küche, da sie einem Mitschüler eine Lunchbox zubereiten wollte.

Ich blinzelte trägeins Morgenlicht.

„Vielleicht hatter auch verschlaf‘n“, murmelte ich. Ich war zu müde, um mir jetzt mehr Gedanken darüber zu machen.

Asuka sah auf die Uhr ihres Duel Pagers. „Wir sollten los. Johan wartet wahrscheinlich am Hauptgebäude“, vermutete sie und ging los. Ich stapfte ihr hinterher.

 

Johan wartete nicht am Hauptgebäude, also gingen Asuka und ich gleich weiter zum Vorlesungssaal. Dort war Johan auch nicht, aber wahrscheinlich würde er bald kommen. Ich setzte mich auf meinen Platz und legte den Kopf aufs Pult. Noch bevor der Unterricht anfing, war ich eingeschlafen.

 

Erst als die Schulklingel das Ende des Unterrichts verkündete, wachte ich wieder auf. Als erstes drehte ich mich nach rechts, wo normalerweise Johan saß, doch sein Platz war seltsamerweise leer.

„Falls du Johan suchst, der war den ganzen Vormittag nicht da“, sagte Asuka, die in der Reihe hinter mir saß.

Ich sah sie verblüfft an.

„Dann muss er ja wirklich müde gewesen sein“, stellte ich fest.

Sie hob die Augenbrauen. „Nur weil du müde bist, muss das nicht für ihn gelten. Ich hoffe, ihm ist nichts passiert“, meinte sie und klang dabei irgendwie besorgt.

„Was meinst du?“, hakte ich nach.

Asuka schüttelte den Kopf. „Nein, nichts, schon gut. Wahrscheinlich hat er verschlafen und wollte nicht mittendrin in den Unterricht reinplatzen.“

Ich sprang auf. „Das wird es sein. Am besten gehe ich gleich mal zu ihm und frage!“

„Weißt du überhaupt, wo Johans Zimmer ist?“, fragte Asuka, als ich schon am Ende der Bankreihe angekommen war.

Ich schüttelte den Kopf.

„Kein Problem, Jucchi! Ich bringt dich sofort zu seinem Zimmer!“, mischte sich Fubuki ein, der neben Asuka saß und bis dahin schweigend zugehört hatte.

„Au ja, danke!“, rief ich und strahlte ihn an.

Er zwinkerte mir mit einem breiten Grinsen zu. „Einer hübschen Dame wie dir helfe ich doch immer gern“, verkündete er. 

Asuka verdrehte die Augen.

 

Als wir die Obelisk Blue Jungenunterkunft betraten, fiel mir auf, dass ich noch nie dort gewesen war. Ich kannte nur die Fassade, die natürlich auch schon beeindruckend war und aussah wie die eines europäischen Schlosses. Der Eingangsbereich ließ mich dann aber doch erstmal beeindruckt stehenbleiben und mich umsehen. Die Bodenfliesen waren so sauber, dass man sich in ihnen spiegeln konnte. Durch die großen Frontfenster fiel goldenes Sonnenlicht in die Halle und brachte die pompösen Kronleuchter zum Glitzern, die an der Decke hingen. Rechts und links führten zwei gewundene Treppen ins nächste Stockwerk, das sich in einer Galerie einmal um die Halle zog.

„Hier würde die Osiris Red Unterkunft ja dreimal reinpassen!“, stieß ich aus.

Fubuki lachte. „Das könnte sein, aber wir haben ja auch viel mehr Schüler als Osiris Red“, bemerkte er.

„Ist trotzdem groß“, sagte ich und folgte Fubuki, der in Richtung Treppe schlenderte und nebenbei ein paar Schüler freundlich grüßte, die ihm entgegenkamen.

Er führte mich in den zweiten Stock, wo wir einem mit blauem Teppich ausgelegten Gang folgten, von dem in recht großen Abständen Türen aus dunklem Holz abgingen. Die Zimmer der Austauschschüler lagen recht weit weg vom Haupteingang am Ende eines Flurs. 

 

Einer der Austauschschüler, Amon Garam, kam uns gerade entgegen als wir dorthin abbogen.

„Hey, kannst du uns sagen, welches das Zimmer von Johan Andersen ist?“, fragte Fubuki.

Amon blieb stehen und rückte seine Brille zurecht.

„Ihr wollt ihn besuchen? Das ist aber nett von euch. Es scheint ihm nicht gut zu gehen, er hat das Zimmer heute noch nicht einmal verlassen“, erklärte er besorgt und deutete auf die hintere linke Tür.

„Danke, nett von dir“, sagte ich.

Amon lächelte. „Ist doch selbstverständlich“, bemerkte er und  machte sich dann davon.

Fubuki klopfte mir auf die Schulter. „Ich geh dann auch mal“, sagte er und wandte sich zum Gehen.

„Wieso das denn? Willst du gar nicht wissen, wie es Johan geht?“, fragte ich verwirrt.

Fubuki winkte ab. „Sprich du mal mit ihm, da freut er sich sicher drüber! Bis später, Jucchi!“

Damit folgte er Amon. Ich sah ihm noch nach, bis er um die nächste Ecke gebogen war und ging dann zu Johans Zimmertür.

 

Mit einem lauten „Huhu, Johan!“, stieß ich die Tür schwungvoll auf.

Das Zimmer war finster. Die Vorhänge waren zugezogen und die Lampen aus, sodass das einzige Licht durch die Tür kam und lediglich meinen Schatten eingerahmt von einem hellen Rechteck auf den Boden warf. „Johan?“, fragte ich.

In der rechten Zimmerhälfte nahm ich eine Bewegung wahr. Dann erkannte ich Johans Silhouette. „Jûjika? Kannst du nicht wenigstens anklopfen?“, fragte er. Ich wunderte mich etwas, dass er mich mit meinem Mädchennamen ansprach, aber vielleicht hatte er nicht gleich gesehen, dass ich alleine war.

Ich schloss die Tür hinter mir und ging erstmal an den undeutlichen Schemen von ein paar Möbeln vorbei, um den Vorhang vor einem der beiden Fenster zu öffnen. Die Mittagssonne flutete sofort mit voller Strahlkraft in den Raum.

„Was hockst du denn hier im Dunkeln?“, fragte ich und drehte mich zu Johan um. Jetzt konnte ich alles besser erkennen: Er stand neben einem kleinen Sofa, das zusammen mit einem niedrigen Tisch in einer Hälfte des Zimmers stand. Am Körper trug er nichts als eine Boxershorts.

„Sag du mir lieber, warum du hier bist“, erwiderte er und setzte sich wieder auf das Sofa.

Ich verstand ihn nicht so recht. „Na, du warst heute gar nicht im Unterricht, da wollte ich mal sehen, wie es dir geht!“

Johan seufzte.

„Ich habe doch gesagt, dass er genau das tun wird“, meldete sich eine Frauenstimme zu Wort. Es war Johans Monster, Edelstein-Bestie Amethyst Cat, das in seiner geisterhaften Gestalt neben dem Sofa erschien. Die Raubkatze ging auf mich zu und musterte mich scharf. „Du hast keinen guten Zeitpunkt erwischt“, erklärte sie mir.

„Wie meinst du das?“, fragte ich und ging zu der Sitzgruppe herüber, wobei ich im Vorbeigehen einen bewundernden Blick auf den riesigen Flachbildfernseher warf, der in der Zimmerecke stand.

Johan bedeckte seine Augen mit einer Hand und senkte den Kopf.

„Was ist, geht es dir nicht gut? Ist dir schlecht?“, fragte ich und beugte mich über den kleinen Tisch hinweg zu ihm. Er machte eine abwehrende Handbewegung.

„Mir geht’s gut, ich brauch nur ein bisschen Ruhe“, murmelte er ohne mich anzusehen.

 

„Er hat schlecht geschlafen“, mischte sich eine weitere seiner Edelstein-Bestien ein: Sapphire Pegasus, ein weißes, geflügeltes Pferd mit einem langen, dunkelblauen Horn auf der Stirn.

„Ach so, also ist alles halb so wild“, stieß ich erleichtert aus. „Aber ich kann mir schönere Plätze zum Schlafen vorstellen als ein dunkles Zimmer. Lass uns raus gehen, wir können uns doch unter den Baum an der Klippe legen.“

Johan schüttelte den Kopf. „Ich möchte hierbleiben. Geh bitte.“

Das konnte ich so nicht stehen lassen. Ich setzte mich schräg gegenüber von Johan auf das Ecksofa und verschränkte die Arme.

„Ich will aber den Nachmittag mit dir verbringen!“

Johan stöhnte auf. 

„Ich hab’s dir gleich gesagt“, sagte Amethyst Cat spitz.

„Wenn du nicht raus willst, kann ich auch hier bleiben“, bot ich an.

Johan schüttelte den Kopf.

„Was denn nun?“, fragte ich verwirrt.

 

„Wie schwer von Begriff kann man eigentlich sein?“, mischte sich die Raubkatze wieder ein, während sie auf mich zu tapste. „Johan will jetzt einfach nicht mit dir zusammen sein.“

Das fühlte sich an wie ein Messerstich in die Brust.

„W- was soll das heißen?“, stammelte ich und sah hilfesuchend zu Johan. „S- stimmt das?“

Er sackte ein wenig zusammen. Den Kopf hatte er so tief gesenkt, dass seine Haare die Augen komplett bedeckten. Kein Wort kam über seine Lippen.

„Johan!“, flehte ich. Er sollte irgendwas sagen!

 

Johans rechte Hand ballte sich zur Faust und er drückte sie zitternd ins Sofa.

„Er will nicht mit dir reden, Kleine!“, verkündete das dritte seiner Monster. Cobalt Eagle, der Raubvogel mit dem großen Edelstein auf der Brust materialisierte sich direkt neben Johan auf der Sofalehne und plusterte sein Gefieder auf, um größer zu wirken.

„So leicht wirst du mich nicht los! Fehlt dir irgendwas? Hast du ein Problem? Ich könnte dir helfen!“, sagte ich und schob halb im Stehen den Oberkörper auf Johan zu.

 

„Nein“, sagte er.

„Was nein?“

„Du kannst mir nicht helfen“, sagte er leise.

„Du kannst ihm nicht helfen“, wiederholte Amethyst Cat mit Nachdruck.

Ich richtete mich auf und breitete aufgebracht die Arme aus. „Woher wollt ihr das so genau wissen? Ich hab’s doch noch nicht mal versucht! Und wenn ihr mir nicht sagt, was das Problem ist, kann ich das auch nicht!“

 

„Das Problem ist etwas, über das er mit dir nicht reden kann“, meldete sich Amber Mammoth, das größte von Johans Monstern mit seiner tiefen Stimme zu Wort. Das Mammut erschien zwischen Bett und Fenster, wo es den Freiraum fast komplett ausfüllte.

„Dann soll er mir das selber sagen!“, rief ich aufgebracht und sah Johan auffordernd an. Er wich meinem Blick immer noch aus.

„Warum kannst du mich nicht einfach in Ruhe lassen, wenn ich dich darum bitte?“, fragte er gequält.

Ich stemmte die Arme in die Hüften. „Weil wir Freunde sind, verdammt!“, rief ich. Johan zuckte zusammen.

„Und Freunde helfen sich gegenseitig, wenn sie in Schwierigkeiten sind!“

 

Er schüttelte den Kopf, den er jetzt mit dem Gesicht in beide Hände gelegt hatte.

 

Ihn so zu sehen, tat weh. Irgendwas machte ihn doch unglücklich, aber ich hatte nicht den blassesten Schimmer, was.

Vorsichtig streckte ich die Hand nach ihm aus. „Lass mich wenigstens versuchen, dir zu helfen, okay? Wir schaffen das schon.“

Als ich seine Schulter berühren wollte, schlug er meine Hand weg. Ruckartig stand er auf. Sein Gesicht konnte ich nicht sehen, weil das Sonnenlicht, das ihm genau in den Rücken schien, es in tiefe Schatten tauchte. Dann begann er zu reden, und mit jedem Wort wurde seine Stimme lauter und schriller.

 

„Du kannst mir aber nicht helfen, verdammt! Nicht du! Wenn du nicht wärst, würde es mir jetzt viel besser gehen!“

 

Das saß.

 

Ich wollte etwas sagen, aber in meiner Kehle hatte sich ein dicker Kloß gebildet.

Ein, zweimal öffnete ich den Mund, ohne dass ich auch nur den kleinsten Laut herausbrachte.

Als ich blinzelte, merkte ich, dass meine Augen feucht wurden.

 

„Geh jetzt“, sagte Johan. Es klang, als hätte er Schmerzen, aber das war mir jetzt egal. Ich wollte sowieso nur noch weg.

 

Ich fand den Weg zur Tür, riss sie auf und rannte den Gang herunter. Erst, als ich abgebogen war, hörte ich seine Zimmertür hinter mir ins Schloss fallen, aber das nahm ich nicht mehr bewusst wahr.

Mein Blick verschwamm immer mehr, während ich ziellos durch die Gänge rannte. Einmal lief ich fast einen Jungen um, der gerade aus seinem Zimmer kam, aber ich musste weiter. Mehr und mehr Tränen bahnten sich den Weg über meine Wangen.

 

Irgendwie fand ich den Weg zurück ins Foyer, wo auf einmal Fubuki vor mir stand.

„Meine Güte, Jucchi! Was ist passiert?!“, rief er entsetzt.

„J- Johan… hat…“, war das einzige, was ich hervorbrachte, bevor mir die Stimme versagte und ein neuer Schwall Tränen aus mir hervorbrach.

„Komm mit“, sagte Fubuki und legte mir einen Arm um die Schulter.

 

Kurze Zeit später saß ich auf einem der Sessel in unserem Zimmer und klammerte mich an eine Tasse Tee. Ich weinte immer noch. Meine Wangen waren komplett nass. Und jedes Mal, wenn ich das Gefühl hatte, dass die Tränen langsam versiegten, hallten wieder Johans Worte durch meine Erinnerung und der Schmerz schoss wieder wie ein Pfeil durch meinen ganzen Körper.

Ich konnte mich nicht erinnern, jemals zuvor so geweint zu haben.

 

„Ich…“, brachte ich schließlich unter Tränen hervor, „ich weiß nicht, was ich machen soll…“

„Möchtest du mir erzählen, was überhaupt passiert ist?“, fragte Rei, die mir gegenüber auf einem zweiten Sessel saß. Fubuki hatte mich zu ihr gebracht und uns dann rücksichtsvoll alleine gelassen. Eigentlich wäre es mir lieber gewesen, wenn Rei auch gegangen wäre, aber das kam für sie scheinbar nicht in Frage. Und irgendwie hatte ich, jetzt wo sie fragte, tatsächlich den Bedarf, irgendwem davon zu erzählen. Da meine Monster ausfielen, die immer noch in einer Schublade im Büro von Herrn Samejima lagen, musste es wohl sie sein.

Mit zitternden Fingern hob ich die Teetasse und nahm einen Schluck. Die Flüssigkeit fühlte sich angenehm an in meiner Kehle. Heiß war sie mittlerweile auch nicht mehr.

„Ich… Johan… er…“, setzte ich an. Ich wusste einfach nicht, wo ich anfangen sollte.

Rei legte mir die Hand auf den Oberarm. „Ganz ruhig. Alles der Reihenfolge nach. Johan war heute nicht im Unterricht, richtig?“

Ich nickte. „D- Deshalb bin ich… bin ich ihn besuchen gegangen…“, begann ich.

 

Es dauerte ziemlich lange, bis ich Rei unser ganzes Gespräch geschildert hatte, weil ich zwischendurch immer wieder in Tränen ausbrach und mir dann die Stimme versagte. Als ich Amethyst Cat erwähnte, fragte sie einmal verblüfft nach, aber im weiteren Gesprächsverlauf nahm sie die Existenz der Edelstein-Bestien so hin.

Schließlich endete ich: „Und dann hat er gesagt… dass… dass … er … dass es ihm besser gehen würde, wenn ich nicht wäre!“

Sofort schossen wieder Tränen aus meinen Augen und tropften über mein Kinn in die mittlerweile fast leere Teetasse.

 

„Das hat er gesagt?“, fragte Rei betroffen. Alles, was ich jetzt noch zustande brachte, war ein Nicken.

„Okay, das ist hart“, gab sie zu.

„Ich… ich habe einfach keine Ahnung, warum er das gesagt hat“, murmelte ich. „Warum würde es ihm dann besser gehen? Heißt das, ich hab irgendwas Schlimmes getan und deshalb ist er so komisch drauf?“

Hilfesuchend blickte ich Rei an. Sie versuchte zu lächeln.

„Das kann ich mir nicht vorstellen. Das müsstest du doch wissen.“

 Ich stellte meine Tasse zur Seite. Mittlerweile waren nur noch ein paar Schlucke darin, und die schmeckten salzig von meinen Tränen.

„Ich weiß nicht, wie ich ihn verletzt haben könnte! Aber so wie er es gesagt hat, bin ich Schuld!“

Rei seufzte. „Ehrlich gesagt klingt das ziemlich rätselhaft. Aber du hast ihm nicht mit Absicht wehgetan, deshalb solltest du dir auch nicht die Schuld geben.“

„Mit Absicht? Natürlich nicht!“, stieß ich aus. „Er ist doch mein Freund… ich meine… ich…“

Da waren die Tränen wieder. Eigentlich müssten sie mir längst ausgegangen sein.

„Ich… ich will doch nicht, dass es ihm schlecht geht“, schluchzte ich. „Ich… ich liebe ihn doch.“

 

Ich hob den Kopf und sah Rei mit Tränen in den Augen an.

„Was soll ich denn jetzt machen?“, fragte ich hilflos.

 

Rei schloss die Augen und wiegte nachdenklich den Kopf hin und her.

„Ich kann mir nicht vorstellen, dass Johan dich nicht mag“, erklärte sie dann. „Was auch immer sein Problem ist, vielleicht kannst du wirklich nichts daran ändern.“

„Aber er hat gesagt, dass ich dafür verantwortlich bin!“, widersprach ich.

Sie zog die Beine an und stützte den Kopf auf ihre Knie. „Wenn er ein Problem mit dir hat, dann kann das auch an ihm liegen. Vielleicht erinnerst du ihn an Jûdai-sama und er vermisst ihn…“

„Glaube ich nicht“, widersprach ich sofort. Johan wusste schließlich, wer ich war.

Rei zuckte die Achseln. „Ich finde trotzdem, du solltest erstmal ein paar Tage abwarten. Vielleicht kann Johan sich demnächst dazu durchringen, dir doch noch zu erklären, was mit ihm los ist. Oder, wenn es an ihm liegt, findet er selbst eine Lösung.“

Ich lehnte mich im Sessel zurück und ließ meinen Kopf in den Nacken fallen. „Dann kann ich ja gar nichts machen. Wie blöd.“

Rei lachte. „In dem Punkt bist du deinem Bruder dann doch ziemlich ähnlich“, stellte sie fest.

Ich richtete mich wieder auf. „Was für ein Punkt?“

„Dass du es nicht leiden kannst, irgendwo herumzusitzen und zu warten. Wenn es ein Problem gibt, musst du es einfach anpacken. So ist Jûdai-sama jedenfalls…“

Reis Wangen röteten sich auf einmal. „Hach, Jûdai-sama… kaum bin ich an der Schule, verschwindet er einfach…“

Ach ja, sie war ja auch irgendwie in mich verliebt gewesen.

 

Auch wenn ich mich nun nicht mehr so fühlte, als müsste ich jeden Moment wieder in Tränen ausbrechen, blockte ich ab, als Rei fragte ob ich nicht mit ihr zur Ra Yellow Unterkunft gehen und einen Freund von ihr besuchen wollte. So ging sie schließlich alleine, riet mir aber, mich irgendwie abzulenken.

Das war leichter gesagt als getan. Unter normalen Umständen hätte ich mich jetzt irgendwohin zurückgezogen und mich mit meinen Monstern unterhalten. Das Problem war nur, dass Johans Schmetterlinge sich mir einfach nicht als Duellgeister zeigen wollten. Also musste ich jetzt doch zu Herrn Samejima gehen und mir mein Deck wiederholen.

 

Ich kam nicht weit. Als ich gerade das Gebäude verlassen wollte, kam mir Manjôme entgegen, der sogar irgendwie grimmiger aussah als sonst. Vielleicht lag das an den Ojama-Brüdern, die um seinen Kopf Ringelrein tanzten und dabei sagten: „Du vermisst Jûdai, du vermisst Jûdai!“

Dieser Anblick entlockte mir irgendwie ein Grinsen.

„Was glotzt du so blöd?“, pampte mich Manjôme dafür auch prompt an.

„Du vermisst ihn also?“, fragte ich neckend.

Manjôme kniff die Augen zusammen. „Kannst du diese Störenfriede etwa sehen?“

Die „Störenfriede“ brachen natürlich sofort in Panik aus.

„Sie kann uns sehen!“, quäkte Ojama Yellow.

„Oh-oh, so können wir uns doch keiner Dame zeigen“, jammerte Ojama Green mit Blick auf die rote, gelb geblümte Badehose, die er genau wie seine beiden Brüder trug. Alle drei stießen spitze Schreie aus und gingen augenblicklich hinter Manjôme in Deckung.

Ich lachte. „Deine Duellgeister sind witzig.“

„Sind sie nicht“, widersprach Manjôme sofort. „Ich würd sie dir sofort abgeben.“

„Waaas!?“, riefen die drei Quälgeister sofort synchron und stoben auseinander.

„Das kannst du nicht machen, Aniki!“

Manjôme ballte die Fäuste in der Luft. „Ach, haltet einfach alle die Klappe!“, rief er und wollte an mir vorbei zur Sitzecke gehen, als ihm etwas auffiel.

 

„Sag bloß, du hast geheult?“, fragte er.

„Sieht man das etwa?“

Der Schwarzhaarige verdrehte die Augen. „Deine Augen sind komplett rot und geschwollen. Ist schwer zu übersehen.“

Er kratzte sich am Hals, schaute kurz weg und dann wieder zu mir.

„Wer… hat dich denn so zum Weinen gebracht?“

Ich musste grinsen. Manjôme war immer so herrlich lustig, egal ob er sich total übertrieben aufregte oder versuchte, nett zu sein ohne dabei nett rüberzukommen. Doch eine Frage hatte ich. 

„Warum willst du das wissen? Willst du ihm dann eins auswischen, indem du ihn im Duell besiegst oder so?“

Manjôme verschränkte die Arme. „So ein Quatsch. Es interessiert mich halt… einfach so…“

Ich boxte ihm spielerisch gegen den Arm. „Du kannst einfach nicht ehrlich sein“, lache ich.

„Halt die Klappe! Und tu nicht so, als würdest du mich so gut kennen“, schnauzte mich Manjôme an. Dann setzte er endlich das Vorhaben in die Tat um, an mir vorbeizugehen und sich in der Sitzecke mit ausgestreckten Armen auf eines der Sofas zu setzen.

Ich folgte ihm und setzte mich ihm gegenüber. „Wollen wir uns duellieren? Mir ist etwas langweilig.“

Manjôme zog die Augenbrauen hoch. „Mit mir? Was ist mit deinem Lover, dem Lila-Hemden-Träg-   … oh.“

Seine Gesichtszüge hellten sich für wenige Sekunden ein wenig auf, dann sprang er auf und knallte seine rechte Hand mit voller Wucht auf die Tischplatte und sah mich siegesgewiss an.

„Er hat dich zum Weinen gebracht, richtig? Der blöde Austauschschüler, der sich für was Besseres hält, weil er von seinen ach-so-tollen Edelstein-Bestien-Karten ausgewählt wurde?“

„Bravo, Aniki! Du bist ein Meisterdetektiv!“, rief Ojama Yellow und applaudierte.

„Wir haben dich auch ausgewählt“, wollte Ojama Black dagegen loswerden.

 

„Er hält sich doch nicht für was Besseres“, widersprach ich hingegen Manjômes Aussage.

Manjôme schüttelte den Kopf.

„Oh nein, ich habe ihn durchschaut. Immer tut er so freundlich, als könnte er kein Wässerchen trüben, und in Wahrheit ist er ein elender Heuchler, der Mädchenherzen bricht, ohne mit der Wimper zu zucken!“, rief er und stellte sogar seinen Fuß auf den Tisch, um noch größer zu wirken.

„Das stimmt doch gar nicht! Johan ist ein sehr netter Mensch“, protestierte ich und sprang auf.

„Ein netter Mensch bringt aber keine hübschen Mädchen zum Weinen“, konterte Manjôme. „Ich finde, allein dafür hat er es verdient, dass ich ihn vernichtend schlage! Der kann sich auf was gefasst machen!“

Damit sprang er auf und wollte eilig den Raum verlassen, aber ich konnte ihm gerade noch folgen und ihn am Arm packen.

„Bitte, lass Johan in Ruhe!“

Manjôme wand sich eilig aus meinem Griff: „Und wieso?“

Ich ballte die Fäuste. Johan hatte irgendein Problem, das hatte ich deutlich gesehen. Ich wusste zwar nicht, warum es an mir lag, aber eins war klar: Es würde das Problem nicht lösen, wenn Manjôme sich mit Johan duellierte.

„Ich… das hat er nicht verdient!“, rief ich.

Manjôme verzog das Gesicht. „Er hat dich zum Weinen gebracht. Das ist einfach nur erbärmlich.“

„JOHAN IST NICHT ERBÄRMLICH!“, schrie ich ihm so laut ins Gesicht, dass er sich verschreckt zusammenkauerte. Schon kamen die Tränen wieder und kullerten mir übers ganze Gesicht.

„Johan ist der netteste Mensch, den ich kenne! Er ist aufmerksam, schlau, witzig und vor allem liebt er Duel Monsters mehr als alles andere!“
 

Ich holte tief Luft.

 

Manjôme rappelte sich auf. „Ich…“, setzte er an, doch weiter kam er nicht, weil in dem Moment die Tür aufging.

„Was ist denn hier los?“, rief Fubuki empört, als er uns beide sah. Eilig rannte er zu mir und legte mir die Hände auf die Schultern, dann drehte er sich zu Manjôme um.

„Hast du sie etwa zum Weinen gebracht?“, fragte er lauernd.

Manjôme trat entnervt mit einem Bein auf. „Mir reicht’s, ich helfe gar keinem mehr“, verkündete er und verließ mit stampfenden Schritten den Raum.

Fubuki und ich sahen zu, wie die Tür ins Schloss fiel. Dann reichte mir Asukas Bruder ein Taschentuch, mit dem ich mir über die Augen wischte. „Danke“, murmelte ich.

Er lächelte mich großzügig an. „Weißt du, was du jetzt brauchst? Eine große Portion Eis. Komm mit“, verkündete er und setzte sich mit mir in Bewegung.

 

Ich glaube, das Eis war das einzige Gute an diesem verkorksten Tag.

Mädchen sind Prinzessinnen

Eben in diesen Tagen war ich viel zu sehr mit meinen eigenen Problemen beschäftigt, um mitzubekommen, was währenddessen an der Akademie vor sich ging. Während ich mich bei Rei ausheulte, brachen meine Freunde Shô Marufuji und Tyranno Kenzan nach einem Duell so entkräftet zusammen, dass sie die Nacht und den folgenden Tag im Krankenzimmer verbringen mussten. Fubuki erzählte mir später, dass er das mitbekommen hatte, mich aber in meinem Zustand nicht noch mehr beunruhigen wollte.

 

So war mein einziges (und größtes) Problem  als ich am nächsten Morgen aufwachte, dass ich immer noch nicht wusste, was mit Johan los war. Dabei blieb es aber nicht.

 

Kapitel 4. Mädchen sind Prinzessinnen

 

Mein entsetztes Aufschreien musste in der ganzen Unterkunft zu hören gewesen sein. Auf jeden Fall klopfte Rei, die ich zuletzt beim Haare kämmen in unserem Zimmer im ersten Stock gesehen hatte, nur wenige Momente später an die Klotür.

„Jûjika-chan, was ist passiert? Geht es dir gut?“, rief sie besorgt.

„Ich… ich blute!“, stieß ich aus.

„Was? Hast du dich verletzt?“

„Nein ich… ich weiß auch nicht… ich blute… unten raus…“

Ich sah hilfesuchend zur Tür, doch Rei blieb eine ganze Weile still.

„Das ist doch ganz normal. Kein Grund uns alle zusammenzuschreien“, hörte ich sie dann resigniert sagen.

„Normal!? Ich blute! Hier ist… überall… Blut!“, protestierte ich verzweifelt.

„Du willst mir doch nicht ernsthaft erzählen, dass du gerade das erste Mal deine Periode kriegst, oder? In deinem Alter?“

„Was für eine Periode?“, fragte ich.

Ich hörte Rei seufzen.

„Ist das Blut auch in deiner Kleidung?“, fragte sie anstatt meine Frage zu beantworten.

„Nein…“, sagte ich. Angefangen hatte es erst, als ich mich aufs Klo gesetzt hatte.

„Gut, dann warte kurz, ich hole dir was.“

 

Etwa eine halbe Stunde später hatte ich schon wieder etwas Neues gelernt. Mädchen bekamen also einmal im Monat ihre „Tage“ und bluteten dann ein paar Tage. Zum Glück gab es Binden, die man sich ins Höschen kleben konnte, um das Blut aufzufangen.

Das hatte ich alles nicht gewusst. Rei dagegen schüttelte nur den Kopf und meinte, dass ich das zumindest mal in der Schule gelernt haben müsste. Außerdem glaubte sie mir nach wie vor nicht, dass es das erste Mal war, weil das normalerweise im Alter von 13 oder 14 Jahren anfing. Sie hatte übrigens das erste Mal ihre Tage bekommen als sie erst 10 gewesen war.

Rei versuchte auch, mir zu erklären, wie das mit dem Blut zustande kam, aber so richtig kam ich da nicht mehr mit, weil in der Erklärung viel zu viele Wörter vorkamen, die mir nichts sagten.

Da ich ziemliche Bauchschmerzen hatte (Rei sagte, das wäre normal, aber weh tat es trotzdem), legte ich mich nach dem Frühstück auf ihr Anraten mit einer Wärmflasche ins Bett, wo ich den ganzen Vormittag liegen blieb. Schlafen konnte ich nicht, aber so richtig gelang es mir auch nicht, irgendwelche klaren Gedanken zu fassen. Nur eins dämmerte mir: Mädchen waren ganz schön hart im Nehmen, wenn sie diese Schmerzen jeden Monat durchmachten, ohne dass es ihnen anzumerken war.

 

Irgendwie war ich dann irgendwann doch weggedämmert, denn als Fubuki an der Tür klopfte, schrak ich aus dem Traum auf, der mich schon seit Tagen verfolgte.

„Jaaa…“, murmelte ich. Nach wie vor fühlte ich mich schrecklich und die Bauchschmerzen waren auch nicht weniger geworden.

„Jucchi, ich habe Neuigkeiten“, sagte er, als er den Raum betrat. Ich setzte mich im Bett auf. Fubuki wedelte mit einem Briefumschlag in der Hand und kam, gefolgt von Rei in den Raum, um ihn mir zu übergeben.

„Was ist das?“, fragte ich und nahm den Brief überrascht entgegen. Er war aus edlem Papier und hatte einen goldenen Rahmen. In schwarzer, ordentlicher Schrift stand darauf der Name Jûjika Yûki.

„Mach ihn auf“, forderte mich Fubuki auf. Ich zuckte die Achseln und riss den Umschlag auf. Zum Vorschein kam eine Karte.

 

„Einladung zur Einstandsparty von Amon Garam an der Duellakademie. Offenes Buffet. Ort: Festsaal von Obelisk Blue. Zeit: Heute um 18 Uhr. Duel Disks sind mitzubringen“, las ich vor. Darunter waren ein paar seltsame Kringel, neben denen in japanischen Schriftzeichen „Amon Garam“ stand.

Ich sah Fubuki und Rei fragend an.

„Ich glaube, alle Schüler haben so eine Einladung bekommen“, erklärte Rei. Ich nickte abwesend. Eine Party also…

„Du kommst natürlich“, sagte Fubuki. Es war eine Feststellung, keine Frage.

„Na ja…“, sagte ich, „eigentlich fühle ich mich nicht so gut.“

„Das ändert sich bis heute Abend bestimmt“, meinte Rei zuversichtlich. „Außerdem ist es eine tolle Gelegenheit, sich mal richtig in Schale zu werfen und total gutes Essen abzustauben!“

Ich schaute nochmal auf die Karte. Richtig, da stand was von einem Buffet.

„Ich weiß nicht…“, meinte ich trotzdem. Schon beim Frühstück hatte ich keinen richtigen Appetit gehabt, weil mein Bauch so schmerzte.

 

„Johan kommt auch“, sagte Fubuki.

Ich hob sofort den Kopf. „Ehrlich?“

Fubuki nickte mir zwinkernd zu. „Das wäre doch die ideale Gelegenheit, euch zu versöhnen!“

Ich senkte den Kopf. „Eigentlich haben wir uns nicht mal gestritten…“, murmelte ich.

„Auf jeden Fall könnt ihr auf der Party zusammen Spaß haben, da bin ich mir sicher!“, sagte Fubuki und stemmte die Arme in die Hüften.

„Du solltest auf jeden Fall versuchen, dich mit ihm auszusprechen“, meinte auch Rei.

Ich sah die beiden noch kurz unschlüssig an, dann nickte ich langsam.

Fubuki grinste breit. „Das wollte ich hören!“

 

Irgendwie hatte ich wohl nicht kapiert, wozu ich da Ja gesagt hatte.

 

Wenige Stunden später stand ich vor dem großen Spiegel in unserem Zimmer und erkannte mich selbst nicht wider. Fubuki war der Meinung gewesen, dass man auf einer Party nicht einfach in Schuluniform auftauchen könnte. Deshalb steckte ich nun in einem langen Kleid, das in den Farben von Osiris Red gehalten war, meine Füße in roten Schuhen in denen ich kaum stehen geschweigedenn gehen konnte und in meinem hochgesteckten Haar eine rote Rose.

Vor allem aber erkannte ich mein Gesicht nicht wieder, nachdem Fubuki fast eine halbe Stunde daran herumgewerkelt hatte. Meine Augenlider hatte er weiß angefärbt, meine Wimpern wirkten getuscht fast doppelt so lang wie zuvor, auf meine Wangen hatte er großzügig rosa Puder aufgetragen und meine Lippen waren so kirschrot wie mein Kleid.

 

„Jûjika-chan, du bist so hübsch!“, schwärmte Rei. „Fast wie eine Prinzessin!“

Von Prinzessinnen hatte ich nicht viel Ahnung, aber möglicherweise hatte sie recht.

„Nein nein, meine liebe Rei, da muss ich dich korrigieren“, sagte Fubuki gelassen. Wir beide sahen ihn fragend an. „Sie kann gar nicht wie eine Prinzessin aussehen, weil jedes Mädchen von Natur aus eine Prinzessin ist!“

Rei und ich nickten wenig überzeugt. Dann ergriff Rei wieder das Wort: „Jedenfalls würde dich so nie im Leben jemand mit Jûdai-sama verwechseln!“

Irgendwie gefiel mir diese Aussage nicht. Das fiel auch Fubuki auf und er legte mir ermutigend die Hände auf die Schultern. „Keine Sorge, niemand verwechselt dich mit deinem Bruder. Du sieht ihm vielleicht ähnlich, aber du bist ein Individuum und hast einen ganz anderen Charakter als Jûdai.“

Ich musste schlucken und sah mein Spiegelbild an. Ein ganz anderer Charakter? Ein unverwechselbares Aussehen? Er hatte recht, stellte ich fest. Ich sah nicht nur anders aus, ich hatte mich verändert. Zuerst, weil Johan mich davon abgehalten hatte, Dinge zu tun, die ich sonst ohne Überlegen immer wieder tat, aber ich hatte mich schnell daran gewöhnt. Daran, aufs Mädchenklo zu gehen, an Türen zu klopfen anstatt Zimmer einfach zu betreten, im Unterricht aufzupassen und mir Essen nicht wie wild in den Mund zu stopfen, um dann gleichzeitig zu kauen und zu reden.

Aber … wenn das alles stimmte… war ich wirklich zu „Jûjika Yûki“ geworden.

Und was war mit Jûdai? War er einfach verschwunden?

 

Ich blinzelte mein Spiegelbild an und schüttelte langsam den Kopf.

So konnte das nicht weitergehen. Ich wollte doch gar kein anderer Mensch werden.

„Ich muss zu Herrn Samejima! Jetzt!“, sagte ich zu Fubuki, der mich verdattert anstarrte.

„Wieso das?“, fragte er verblüfft.

„Das kann ich dir nicht erklären. Aber ich muss zu ihm!“, erklärte ich entschlossen.

Fubuki seufzte und schüttelte den Kopf. „Das geht nicht. Die Party fängt in einer halben Stunde an und die Zeit brauchen wir wahrscheinlich auch, um nach Obelisk Blue zu kommen. Schließlich kommst du in den Schuhen kaum vorwärts“, bemerkte er und deutete auf meine Füße. Ich seufzte. Das stimmte natürlich, aber…

„So wichtig kann das doch gar nicht sein“, meinte auch Rei. „Lass uns heute Abend erstmal feiern. Du kannst ja auch noch morgen zu ihm gehen.“

Ich war nicht begeistert, aber so richtig wehren konnte ich mich auch nicht. Am nächsten Tag würde ich aber definitiv als erstes zu Samejima gehen und ihn bitten, mir mein Deck wiederzugeben.

 

Wir brauchen tatsächlich fast die volle halbe Stunde bis zur Party, weil ich in den hohen Stöckelschuhen immer wieder zu stolpern drohte und nur ziemlich langsam vorwärts kam, auch wenn ich mich bei Fubuki unterhaken konnte, um mich im Notfall an ihm festzuhalten. Warum trugen Frauen nur freiwillig solche Schuhe?

 

Der Festsaal lag im zweiten Stock der Obelisk Blue Unterkunft, so dass wir uns, um dort hin zu gelangen erst einmal die Treppe hochquälen mussten. Der Saal selbst war beeindruckend hoch und wurde von mehreren antik wirkenden Säulen gestützt. Wände und Boden glänzten matt golden und an mehreren Stellen hingen in derselben Farbe gemalte Gemälde, die Obelisk den Peiniger zeigten. Entlang der rechten Wand war das Buffet auf einem langen Tisch angerichtet. In der Mitte des Saals standen ein paar Stehtische. Der Bereich  vor den riesigen Fenstern, in denen sich aufgrund der mittlerweile eingetretenen Dunkelheit der Raum spiegelte, war dagegen freigehalten worden.

Ich registrierte, dass Rei, Fubuki und ich in etwa die einzigen waren, die nicht in Schuluniform gekommen waren. Rei trug ein rotes Kleidchen, das ihr etwa bis zu den Knien ging, Fubuki eine violette  Jacke, aus der am Hals und an den Ärmeln reichhaltige Rüschen hervorquollen.

Überall liefen Ra Yellow und Obelisk Blue Schüler herum, auch einige der wenigen weiblichen Schülerinnen waren gekommen. Menschen, die ich etwas besser kannte, waren aber kaum auszumachen: Weder war Asuka da, noch konnte ich Shô oder Kenzan entdecken. Lediglich Manjôme erspähte ich nach kurzem Umsehen in einer Ecke, wo er gelangweilt  und mit verschränkten Armen an der Wand lehnte. In dem weißen Anzug, den er mit einer schwarzen Weste trug, bot er einen ungewohnten Anblick. Johan war entgegen Fubukis Ankündigung auch nirgendwo zu sehen.

„Also, ich muss nochmal kurz weg“, sagte Fubuki, nachdem auch er sich umgesehen hatte und verschwand ohne ein weiteres Wort wieder aus dem Saal. Ich drehte mich zu Rei um, doch die hatte gerade jemanden entdeckt.

 „Martin-kuuuun!“, rief sie und eilte auf einen kleinwüchsigen schwarzhaarigen Ra Yellow  Schüler zu.

Und was sollte ich nun machen?

 

Nachdem ich mich noch wenig umgesehen hatte und nichts passierte, ging ich zum Buffet. Mir fiel ein, dass ich zu Mittag gar nichts gegessen hatte. Außerdem waren meine Bauchschmerzen weniger geworden und der Anblick der Speisen ließ mir schnell das Wasser im Mund zusammenlaufen. Also schnappte ich mir einen Teller, kraxelte in meinen unmöglichen Schuhen am Buffet entlang, stopfte mir kleinere Snacks gleich in den Mund und lud den Rest auf meinen Teller. Es war alles unglaublich köstlich, auch wenn ich es schade fand, dass es keine frittierten Garnelen gab. Trotzdem ging ich am Ende ganze drei Mal am Buffet entlang und fand immer noch etwas Neues.

Während ich aß, beobachtete ich die anderen Schüler. Die Band, die auf der kleinen Bühne am Ende des Saales Position bezogen und nur leise im Hintergrund vor sich hin geklimpert hatte als wir kamen, spielte inzwischen etwas schnellere Musik und ein paar wenige Paare nutzten die Freifläche vor den Fenstern, um zu tanzen. Rei war auch dabei und wirbelte den etwas widerwillig aussehenden Ra Yellow durch die Gegend. Die meisten anderen Pärchen bestanden auch aus Jungs mit Mädchen, und dann gab es noch ein paar Jungs, die sich alleine ein wenig verlegen im Takt der Musik bewegten. Ich konnte eh nicht tanzen, erst recht nicht in diesen Schuhen, deshalb reichte es mir, zuzugucken. So langsam fragte ich mich aber, warum ich überhaupt meine Duel Disk mitgebracht hatte, die ich mittlerweile auf dem Tisch abgelegt hatte, neben dem ich stand. Der Gastgeber Amon ließ sich auch nicht blicken.

 

„Jucchiiii!“

Ich sah auf, als ich Fubuki (niemand sonst nannte mich Jucchi) meinen Namen rufen hörte. Der ältere der beiden Tenjôin-Geschwister hatte gerade den Saal betreten und schob dabei jemanden vor sich her – Johan.

Mein Herz machte einen Sprung.

Sie kamen auf mich zu, Johan wirkte allerdings eher widerwillig, auch wenn er im Näherkommen immer mal wieder zu mir schaute. Auch er trug zum festlichen Anlass nicht seine übliche Kleidung sondern einen blauen Frack, der stark an die Jungenuniform von Obelisk Blue erinnerte, aber mit schwarzen anstelle von weißen Streifen verziert war. Kombiniert hatte er das ganze mit einer weißen Hose und einer dünnen grünen Schleife im Hemdaufschlag.

„Schau mal, wen ich mitgebracht habe“, sagte Fubuki stolz zu mir und schob Johan die letzten Meter auf mich zu.

Johans Blick richtete sich irgendwo auf den Boden neben mir. „Hallo Jûjika“, sagte er mit einem bemüht freundlichen Lächeln. „Gut siehst du aus…“

„Hallo Johan“, sagte ich, weil mir nichts Besseres einfiel. Ich musterte sein Gesicht. Er sah ein wenig müde aus.

„Jetzt seid doch nicht so schüchtern“, stieß Fubuki aus und glitt zwischen uns beide. Er griff vorsichtig nach meiner rechten und nach Johans linker Hand und führte sie zusammen. Ich zuckte ein wenig zusammen, als wir uns berührten. Auf einmal schlug mein Herz wie wild. Vorsichtig hob ich den Blick und für einen Moment traf ich seinen, doch dann schaute er schnell wieder weg.

„Na los, tanzt! Das ist keine Stehparty hier!“, rief Fubuki und klopfte mir auf den Rücken, so dass ich einen Schritt vorwärts auf Johan zu machen musste. Der legte mir ohne Vorwarnung die rechte Hand an die Taille und zog mich noch ein Stück näher zu sich heran.

 Wieso war ich auf einmal so aufgeregt? Ich war ihm doch nicht zum ersten Mal so nahe!

„Leg deine linke Hand an meine Schulter“, sagte er leise.

Ich tat wie geheißen.

„Ich nehme an, du hast noch nie im Leben getanzt“, vermutete er dann. Alles, was ich zustande brachte, war ein Nicken. „Pass dich meinen Schritten an. Wir fangen ganz langsam an“, instruierte er mich.

 

Dann begannen wir zu tanzen.

 

Zuerst war es schwierig. Eigentlich machten wir die ganze Zeit nur einzelne Schritte vor und zurück, aber in den ungewohnten Schuhen war allein das schon schwierig genug. Erst nach und nach gelang es mir, nicht bei jedem Schritt aus dem Gleichgewicht zu geraten. Bis ich dann auch noch in den Rhythmus hineingefunden hatte, dauerte es eine Weile. Johan aber beschwerte sich nicht: Geduldig führte er mich weiter über die Tanzfläche, ohne ein Wort zu sagen.

Schließlich war ich so weit, mich gar nicht mehr konzentrieren zu müssen, um die Schritte zu finden und konnte Johan ansehen, während wir uns langsam im Takt der Musik um unsere eigenen Achsen drehten.

Sein Blick ging irgendwie über mich hinweg. Wenn ich so darüber nachdachte, wich er meinem Blick schon aus, seit er zwei Tage zuvor auf dem Dach vor mir weggelaufen war. Aber wieso? Was hatte sich denn geändert, dass er mich nicht mehr ansehen wollte?

 

Ich wollte etwas sagen, vielleicht würde er mich dann endlich anschauen. Ich öffnete den Mund, doch dann schloss ich ihn wieder. Was sollte ich denn sagen?

Dass ich gestern endlos geweint hatte wegen ihm? Dass ich gemerkt hatte, dass ich in ihn verliebt war? Dass er mir endlich sagen sollte, warum er gestern so seltsam reagiert hatte? Und was würde er dann antworten?

Ich konnte es mir nicht vorstellen. Bis vor ein paar Tagen hatte ich geglaubt, ich würde ihn verstehen. Nein, wir hatten uns verstanden. Fast immer waren wir einer Meinung gewesen, und oft genug hatten wir beide gleichzeitig angesetzt, dasselbe zu sagen. Aber jetzt wusste ich überhaupt nicht mehr, was er dachte.

 

Und das machte mich traurig.

 

Um die aufsteigende Trauer abzuwenden, versuchte ich mich abzulenken. Ich konzentrierte mich auf unsere Hände, die ineinander lagen. Seine Hand war warm, genau wie bei unserer ersten Begegnung. Und trotzdem fühlte es sich anders an. Vielleicht, weil ich jetzt verliebt war?

 

Aber je länger wir tanzten, umso weniger kamen mir solche Gedanken. Langsam begann ich, es einfach zu genießen. Es war zwar noch nicht alles geklärt, aber langsam fühlte es sich wieder wie vor ein paar Tagen an, mit Johan zusammen zu sein.

Ihm schien es auch zu gehen, denn wenn ich jetzt sein Gesicht mit dem Blick streifte, trafen sich manchmal unsere Blicke, ohne dass er sofort wieder woanders hin schaute. Jedes Mal wenn das passierte, fing mein Herz wieder heftig an zu klopfen, doch dann schaute er irgendwann doch wieder weg. Langsam taute auch sein Gesichtsausdruck auf: die krampfhaft nach oben gezogenen Mundwinkel verwandelten sich langsam in ein echtes Lächeln, das sich bei Blickkontakt mit mir oft sogar noch verbreiterte.

Das fühlte sich richtig an. So musste es zwischen uns sein.

 

Doch dann verstummte die Musik auf einmal und stattdessen brandete Applaus auf. Verwirrt kam Johan zum Stehen und ich tat es ihm gleich. Als ich mich umsah, entdeckte ich schnell den Grund für das Händeklatschen um uns herum: Amon war endlich erschienen und winkte uns von der Bühne aus zu.

Johan und ich drehten uns auch in seine Richtung. Zögernd löste er dabei die Hand von meiner Hüfte und ließ meine Hand los. Ich hätte sie gerne noch länger gehalten.

 

„Meine lieben Freunde von der Duel Academia!“, grüßte Amon, nachdem er sich einmal deutlich geräuspert und damit die letzten Gespräche zum Verstummen gebracht hatte. Er sprach ohne Mikrofon, dennoch war er im ganzen Saal gut zu hören.

„Es freut mich, dass ihr so zahlreich erschienen seid. Es tut mir leid, dass ich erst jetzt hier sein kann, es kam leider zu unplanmäßigen Verzögerungen. Aber ich sehe, dass ihr nichtsdestotrotz eine gute Zeit hattet.“

Ein paar Schüler klatschten. Amon lächelte freundlich in die Runde.

„Also, dann lasst mich zum eigentlichen Anliegen des heutigen Abends kommen! Ihr habt euch sicher alle schon gefragt, warum ihr eure Duel Disks mitbringen solltet. Nun, das ist einfach. Ich möchte diese Party zu einem kleinen Disclosure Duel Wettbewerb machen!“

Sofort brach die Menge um uns herum in Gespräche aus. „Können die uns nicht mal damit verschonen? Das ist sowieso schon genug Druck!“, hörte ich jemanden neben mir sagen. Ich dagegen witterte meine Chance. Vielleicht würde ich mich mit Johan duellieren können. Ein Duell war erfahrungsgemäß noch immer die beste Methode, um mit jemandem zu kommunizieren. Vielleicht würde mir das verraten, was Johans Umgang mit mir so verändert hatte!

Amon klatschte in die Hände, um die Duellanten zur Ruhe zu bewegen. Es funktionierte. 

„Natürlich habe ich noch einen kleinen Anreiz für euch bereitgehalten“, rief er uns zu und machte ein paar Schritte zur Seite, wo auf einem Sockel etwas lag, das mit einem goldenen Tuch bedeckt war. Amon zog es zur Seite und enthüllte einen Gegenstand, der sich bei genauerem Hinsehen als Duel Disk entpuppte – nur, dass sie mit Gold überzogen und mit dutzenden Juwelen in verschiedenen Farben verziert war.

„Diese juwelenbesetzte Duel Disk stammt aus dem Besitz meiner Familie. Ich möchte, dass wir hier heute ein kleines Turnier veranstalten, und dem Sieger winkt sie als Preis!“

Jubel brach aus. Für die anderen war so ein Preis wohl mehr Motivation als die alleinige Aussicht auf ein paar Duelle.

„Nun, wir machen es ganz einfach“, erklärte Amon nun und breitete die Arme aus. „Jeder von euch sucht sich selbst einen Gegner. Wer ein Duell verliert, ist raus, wer gewinnt, darf sich anschließend unter den anderen Siegern einen neuen Gegner suchen. Wer bis ans Ende immer weiter gewinnt, bekommt den Preis!“

Das klang wirklich verblüffend einfach. Das Beste aber war, dass wir uns unsere Gegner aussuchen konnten – da stand meiner schon fest.

 

„Alsdann – Duel Start!“, kommandierte Amon. Ich drehte mich sofort zu Johan um, doch in dem Moment huschte auf einmal ein weißer Schatten zwischen uns. Es war Manjôme, der einen Arm in die Hüften gestemmt hatte und mit dem anderen anklagend auf Johan zeigte.

„Ich fordere dich heraus, Andersen!“, rief er.

„Manjôme, richtig?“, fragte Johan.

„San, verdammt!“, fuhr ihn der Schwarzhaarige an, beruhigte sich aber schnell wieder. „Also was ist? Angst?“

„M- Moment mal“, meldete ich mich zu Wort. Manjôme drehte sich zu mir um.

Ich sah ihn an. „Du willst dich doch nur mit ihm duellieren, weil du ihm eins auswischen willst, oder?“, fragte ich vorwurfsvoll.

„Sei still“, grummelte Manjôme und drehte sich zu Johan um. „Hör mal, ich weiß nicht, was du für Gründe hast, aber dafür, dass du Jûjika-kun zum Weinen gebracht hast, hast du eine Abreibung verdient!“

Johan warf mir einen erschrockenen Blick zu.

„Tu nicht so unwissend. Sie hat sich deinetwegen die Augen ausgeweint!“, rief Manjôme aufgebracht.

„Genau! Du bist ein Monster“, stimmte Ojama Yellow seinem Besitzer zu und erschien auf dessen Schulter.

Neben ihm zeigten sich sofort auch seine zwei Brüder. „Monster! Monster!“, riefen sie im Chor.

Johan senkte den Blick. „Ich weiß, dass ich mich nicht richtig verhalten habe…“, sagte er leise.

„Monster! Monster! Monster!“, schrien die drei Ojama-Brüder weiterhin und schienen sich dabei prächtig zu amüsieren.

„Jetzt reicht es aber!“, fauchte Amethyst Cat und erschien sprungbereit neben Johan. „Ihr habt doch überhaupt keine Ahnung, was er gerade durchmacht!“

Ich wollte etwas sagen, doch Manjôme kam mir zuvor: „Jetzt tu nicht so, als wärest du hier der Geschädigte. Mir ist egal, was du für’n Problem hast, aber wenn ich dich schlage, wirst du dich bei Jûjika-kun entschuldigen!“

Johan hob den Kopf und sah mich an Manjôme vorbei an. Er lächelte schwach.

„Das werde ich. Aber glaub nicht, dass ich es dir leicht machen werde“, sagte er mit fester Stimme.

„So will ich dich sehen! Zeig’s ihm!“, brüllte Topaz Tiger, eine weitere seiner Edelstein-Bestien. Johan nickte. „Fang!“, rief in dem Moment Fubuki, der bis dahin vom Rand zugesehen hatte, und warf ihm seine Duel Disc zu.

Johan fing sie auf, band sie um und steckte das Deck in die Halterung.

Auch Manjôme machte sich kampfbereit, indem er ein paar Schritte zurück ging.

Ich wich zur Seite aus und seufzte. Ich war mir nicht sicher, wem von beiden ich die Daumen drücken sollte.

 

Fubuki legte mir eine Hand auf die Schulter. „Manjôme hat eben einen starken Gerechtigkeitssinn, das kannst du ihm nicht austreiben“, stellte er fest und drückte mir meine Duel Disk in die Hand. Dann machte er einen Schritt zurück und verbeugte sich galant.

„Schenkt Ihr mir dieses Duell, Mylady?“

Ich nickte. Viel anderes blieb mir auch nicht übrig, da eigentlich alle Anwesenden schon Duellgegner gefunden hatten.  Wir stellten uns in genügendem Abstand voreinander auf. Alle waren jetzt bereit, zu beginnen.

 

„Duell!!“, schallte es durch den Saal.

 

Dass es dabei um mehr ging als eine mit Edelsteinen besetzte Duel Disk und eine Entschuldigung, merkte ich allerdings erst nach dem Duell.

Mädchen wissen, was sie wollen

Ich hatte bis dahin gedacht, dass meine Verwandlung und Johans Verhalten die einzigen seltsamen Vorgänge an der Duel Academia wären, aber auch damit hatte ich mich ganz extrem geirrt. Mir waren ganz einfach in den vergangenen Tagen sämtliche Hinweise auf die vonstattengehenden Vorgänge nicht aufgefallen.

 

Und so war, als ich endlich bemerkte, was los war, keine Zeit mehr, sich großartig Gedanken zu machen.

 

Kapitel 5. Mädchen wissen, was sie wollen

 

Als ich die Augen öffnete, war ich im ersten Moment einfach nur verwirrt.

Ich wusste nicht, wo ich war und wie ich da hingekommen war. Das letzte, an das ich mich erinnern konnte war, wie Fubuki seinem Panther Warrior mithilfe der Zauberkarte Weisung des Schicksals ermöglicht hatte, mich direkt anzugreifen und damit meine letzten Lebenspunkte ausgelöscht hatte.

Und wo war ich? Ein Blick um mich herum verwirrte mich eher: Rechts von mir lag Fubuki, links ein Ra Yellow Schüler den ich nicht kannte, beide auf Futons und mit Decken über dem Körper. Und neben ihnen, genauso wie vor mir lagen weitere Schüler. Keiner von ihnen bewegte sich. Schliefen sie etwa? Dann ging mir auf, dass wir in der großen Duellhalle im Hauptgebäude waren. Aber was machten wir hier? Und was war mit all den Schülern geschehen?

Als ich mich genauer umsetzte, entdeckte ich auch Johan, der neben Manjôme neben mir lag. Bei Johan schaute unter der Decke das Ende der Schleife hervor, die er schon am Vorabend getragen hatte.

Ein bisschen weiter weg entdeckte ich auch Shô. Neben ihm hockte Tyranno Kenzan und musterte ihn besorgt. Im Gegensatz zu all den anderen war er offenbar wach.

Ich wollte winken, aber mein Arm fühlte sich extrem so schwer an, dass ich die Hand nur wenige Zentimeter über den Boden bekam und sie dann erschöpft zurückfallen ließ. Da musste ich mich ja wundern, wie ich es überhaupt geschafft hatte, mich aufrecht hinzusetzen.

Da das nicht funktionierte, rief ich einfach nur: „Hey, Kenzan!“

Meine Stimme war auch weniger laut, als ich beabsichtigt hatte.

 

Der Angesprochene sah mich und sprang sofort auf.

„Frau Ayukawa! Es ist jemand wach geworden!“, rief er und eilte zwischen den am Boden liegenden Duellanten zu mir. Vom anderen Ende der Halle kamen nun auch drei weitere Personen angelaufen. Vorneweg die Schulärztin, Frau Ayukawa, dicht gefolgt von Asuka und Jim, der zur Abwechslung kein Krokodil auf den Rücken geschnallt hatte.

„Jûjika-san! Ein Glück“, rief Asuka.

Frau Ayukawa hockte sich neben mich, sobald sie mich erreicht hatte und wickelte mir eine Binde um den Arm. „Mach bitte kurz eine Faust“, forderte sie mich auf, während sie sie enger schnallte. Das bekam ich gerade noch hin.

„Wie fühlst du dich?“, fragte sie besorgt.

„Ziemlich erschöpft“, stellte ich fest. Sie nickte ernst.

„Es wundert mich ehrlich gesagt, dass du schon wieder auf den Beinen bist… dein Blutdruck ist auch ganz schön niedrig“, stellte sie fest und machte die Armbinde wieder ab.

„Hier“, meinte sie dann und steckte mir etwas in den Mund. Es war süß. Traubenzucker?

„Wasch scholl daschallesch hier?“, nuschelte ich, an der Süßigkeit lutschend.

„Das fragen wir uns auch“, sagte Asuka. „Alle Schüler hier in der Halle sind gestern direkt nach ihren Duellen auf Amons Party zusammengebrochen. Bei allen ist der Zustand ähnlich wie vorgestern bei Kenzan-kun und Jim-san.“

Ich schluckte den Rest Traubenzucker runter: „Wieso, was war denn mit euch?“, fragte ich Kenzan.

„Hat dir das keiner erzählt?“, fragte Kenzan. Ich schüttelte den Kopf.

„We haben uns duelliert, weil ich Electromagnetic Waves bemerkt habe, die Karen crazy werden ließen. Deshalb hat sie dich vorgestern attacked“, erklärte Jim. Seine Art, ständig englische Wörter einzustreuen war irgendwie verwirrend, so dass ich nur die Hälfte verstand, aber ich nickte trotzdem nachdenklich.

„Also ham wir uns sauriermäßig im Wald duelliert. Und als das Duell zu Ende war, sind wir beide umgekippt“, fügte Kenzan hinzu.

„Und das war der Proof, dass es kein Zufall ist, dass immer wieder Students Erschöpfungserscheinungen hatten“, nickte Jim.

„Geht das irgendwie verständlicher?“, fragte ich nun doch. Asuka seufzte.

„Die Schüler verlieren Energie, wenn sie sich duellieren. Das heißt, jemand klaut ihnen die Energie. Und wir sind uns ziemlich sicher, dass dieser Jemand Professor Cobra ist“, erklärte sie.

Das  machte mehr Sinn. „Aber wie klaut man Energie?“, fragte ich.

„Weißt du was?“, sagte Asuka und stand auf, „Am besten besprechen wir das beim Frühstück. Du hast bestimmt Hunger.“

Da hatte sie allerdings Recht.

 

Kurze Zeit später saßen Asuka, Jim, Kenzan und ich um einen Tisch in der Cafeteria. Vor mir lag eine ganze Platte voller Hamburger, bei der ich mich nach und nach bediente. Ich konnte mich nicht erinnern, jemals so einen mordsmäßigen Hunger gehabt zu haben.

„Das liegt daran, dass dir Energie fehlt. Die lässt sich am besten durch Kalorienzufuhr wieder aufbauen“, erklärte Asuka. Ich erwähnte nicht, dass ich keine Ahnung hatte was „Kalorien“ waren und aß weiter.

 

Währenddessen erklärte mir Asuka, hin und wieder unterstützt von den beiden anderen, was sie herausgefunden hatten. Augenscheinlich waren es die Dis-Belts von Professor Cobra, die zum Energieentzug führten, und zwar immer nur nach der Beendigung eines Duells. Ob man verloren oder gewonnen hatte spielte dabei scheinbar keine Rolle. Aber verschiedene Leute waren hinterher verschieden erschöpft: Jim und Kenzan, erzählten mir die beiden, waren nach ihrem Duell ohnmächtig geworden, aber schon wenige Stunden später wieder ansprechbar gewesen. Die meisten Schüler, die es bei der Party erwischt hatte, waren jetzt, knappe zehn Stunden nach den Duellen, immer noch nicht wieder zu sich gekommen.

Amon Garam dagegen, der sich am Vorabend außerhalb der Party mit Shô duelliert hatte, hatte sich nach dem Duell sogar noch aus eigener Kraft in sein Zimmer schleppen können, Shô dagegen war wie die anderen Schüler noch lange nicht ansprechbar.

„Wir vermuten, dass es damit zu tun hat, wie fit jemand ist“, erklärte Kenzan. Wenn ich mir seine Muskeln so anschaute wunderte es mich nicht, dass er schnell wieder aufgewacht war.

„Bei dir hätte ich allerdings nicht damit gerechnet, dass du so bald wieder aufwachst. Die Mädchen, die in den letzten Tagen im Krankenzimmer gelandet sind, haben alle länger gebraucht als ihre männlichen Duellgegner, um wieder fit zu sein. Woher nimmst du die ganze Energie?“, fragte Asuka.

Ich zuckte ratlos mit den Achseln und wickelte einen weiteren Burger aus der Verpackung.

„Was hast du yesterday gemacht?“, hakte Jim nach.

„Den Vormittag hab ich nur im Bett gelegen“, sagte ich zwischen zwei Bissen, „und dann war ich auf der Party… das Buffet war lecker.“

„Verstehe. Du hast viel geschlafen und beim Buffet vor dem Duell viel gegessen, deshalb waren deine Energiereserven voll und du bist jetzt schon fast wieder fit“, nickte Asuka.

Ich zuckte mit den Achseln. Mir war eigentlich egal, warum es mir besser ging als den anderen.

„Wachen denn die anderen auch bald wieder auf?“, fragte ich.

„Das wissen wir nicht“, murmelte Kenzan.

„Kommt ganz drauf an“, sagte auch Asuka. Ich seufzte.

 

„Sag mal, Jûjika-senpai. Kannst du nicht irgendwie Kontakt zu Aniki aufnehmen? Also zu Jûdai?“, fragte Kenzan nun. Ich hielt mitten in der Kaubewegung inne und schluckte den Rest runter, den ich noch im Mund hatte. „Wieso?“

Er lehnte sich in der Sitzbank zurück und starrte an die Decke.

 „Dein Bruder ist’nsaurierstarker Typ. Der wüsste bestimmt, was jetzt zu tun ist!“, sagte Kenzan.

Asuka nickte. „Ich würde mich auch sicherer fühlen, wenn er hier wäre. Auch, wenn er ein Chaot ist… Irgendwie läuft immer alles gut, wenn er dabei ist.“

Ich musste schlucken. Das mochte ja sein, aber … im Moment lief bei mir gar nichts gut.

„Also, I don’t understand wieso ihr so abhängig von Jûdai-boy seid“, mischte sich Jim ein. „I think wir sollten selbst etwas unternehmen. Die Disclosure Duels müssen aufhören!“

Asuka seufzte. „Dann sag mir, was wir tun sollen. Professor Cobra ist unauffindbar und Herr Samejima hat gestern Nachmittag die Schule verlassen, weil er jemanden treffen musste. Es ist niemand da, der die Disclosure Duels offiziell beenden kann.“

„Noch dazu kriegen wir diese Armbänder nicht ab“, sagte Kenzan und ruckelte an dem Dis-Belt an seinem Handgelenk.

 

Ich stand auf und knüllte das Papier des letzten Hamburgers zusammen.

„Ich kümmere mich darum“, sagte ich.

Alle drei sahen mich erstaunt an. „Und what willst du machen?“, fragte Jim.

Ich sah kurz in die Runde, dann nickte ich entschlossen. „Ich hole Jûdai wieder“, sagte ich.

Bevor einer der drei etwas sagen konnte, zog ich mir die unsäglichen Stöckelschuhe aus, raffte mein Kleid hoch und eilte los. „Viel Glück!“, rief mir Kenzan hinterher.

 

Jûdai wiederzuholen sah für mich so aus, dass ich mir mein Deck wiederholte. Dann musste ich mir nur noch etwas anziehen, in dem man sich besser bewegen konnte und dann würde mir bestimmt irgendwas einfallen, was wir unternehmen konnten.

 

Herr Chronos und Herr Napoléon standen im Schulleiterbüro, als ich es betrat.

„Können Sie nicht anklopfen, Signora!?“, beschwerte sich der blonde Lehrer sofort.

„Sorry. Ich brauche mein Deck“, erwiderte ich und ging zielstrebig zum Schreibtisch von Herrn Samejima. Ich wusste noch, in welche Schublade er mein Deck vor einer Woche gesteckt hatte, nachdem er es mir abgenommen hatte. Die Schublade hatte ein Schloss, aber Herr Samejima hatte sie damals nicht abgeschlossen, nachdem er mein Deck hineingelegt hatte und tatsächlich ließ sie sich auch heute direkt aufziehen.

„W- was machen Sie denn da?“, rief Herr Napoléon. „Sie können doch nischt einfach an Monsieur Samejimas Unterlagen gehen!“

Das kümmerte mich wenig, aber es gab ein anderes Problem: „Es ist weg!“

„Was ist weg?“, fragte Herr Chronos streng.

Ich sah die beiden Lehrer an. „Mein Deck! Herr Samejima hat es in diese Schublade hier gelegt, das weiß ich genau! Aber jetzt liegen da nur noch irgendwelche Mappen drin!“

Chronos runzelte die Stirn. „Signora, Sie müssten mir erst einmal erklären, warum Signor Samejima überhaupt ihr Deck haben soll. Das hier ist doch keine Aufbewahrungsstelle für die Decks von Schülern!“

Ich seufzte.

„U- Un moment!“, mischte sich Napoléon ein und stieß mich zur Seite, um die Schublade näher zu betrachten. „Das ist doch die Schüblade, die Monsieur Samejima immer abschließt, wenn er die Schüle verlässt! Wieso ist sie offen?“

„Tja, keine Ahnung. Aber sie war offen“, gab ich zurück.

Napoléon kniff die Augen zusammen. „Es sieht so aus, als ’ätte jemand sisch an diese Schloss zu schaffen gemacht.“

„Mamma Mia!“, stieß Chronos aus.

„Dann hat jemand mein Deck geklaut!“, rief ich und sprang auf.

„Ich bitte Sie. Warum sollte sich jemand für das Deck einer Osiris Red Schülerin interessieren, die neu an der Schule ist und überhaupt noch keine großen Leistungen vorweisen kann?“, winkte Herr Chronos ab.

„Mein richtiges Deck!“, rief ich genervt. „Meine E-HERO-Karten! Mein Partner Hane-Kuriboh! Meine NeoSpacians!“

Ich drängelte mich an Napoléon vorbei zur Tür. „Ich muss sie finden!“, verkündete ich und rannte los.

„S- Signor Jûdai!?“, rief mir Herr Chronos noch ungläubig hinterher, aber ich reagierte nicht darauf. Ich musste mein Deck finden!

 

Als ich die Treppe wieder herunter kam, warteten Asuka, Jim und Kenzan dort mit besorgten Mienen auf mich. Jim trug jetzt wieder sein Krokodil auf dem Rücken.

„Ist irgendwas passiert?“, fragte ich ein wenig außer Atem, als ich den Fuß der Treppe erreichte. Mir taten auch meine Füße weh, denn barfuß kam ich zwar schneller voran, aber es war auch unangenehmer, gerade auf kaltem Boden.

Asuka reichte mir wortlos meine Duel Disk. An dieser klebte ein Zettel, auf dem in etwas ungelenken Schriftzeichen stand: „Ich habe Johan Andersen. Komm zum Baum an der Klippe bei der Osiris Red Unterkunft.“

Eine Unterschrift gab es nicht. Erschrocken sah ich die drei anderen an.

„Während wir essen waren, hat sich O’Brien, der Austauschschüler von der West-School, in die Haupthalle geschlichen und ihn mitgenommen. Frau Ayukawa konnte ihn nicht aufhalten“, sagte Asuka.

Ich schluckte, dann schaute ich noch einmal auf den Zettel und nickte entschlossen. Was auch immer dieser O’Brien von mir wollte, ich konnte nicht zulassen, dass er Johan irgendwas antat.

Als ich mich an Kenzan vorbei drängeln wollte, packte er mich an der Schulter.

„Warte, wir kommen mit!“, verkündete er.

Ich musste unwillkürlich lächeln. „Danke, Leute.“

 

Da ich barfuß nicht so schnell vorwärts kam, nahm Kenzan mich schließlich Huckepack und wir eilten zu dem Ort, der auf dem Zettel gestanden hatte.

Unweit der Osiris Red Unterkunft, ein paar Schritte in den Wald hinein, gab es einen Baum, der seine Wurzeln genau auf der Klippe geschlagen hatte und nahezu senkrecht über das Wasser hinausragte. Dort konnte man nett sitzen, die Beine baumeln lassen und nach unten schauen, wie das Meer gegen die Klippen rauschte. Auch mit Johan hatte ich das ein paar Mal getan. Der Platz war auch deshalb ideal, weil direkt an der Klippe der Wald etwas zurückgezogen war und man auf dem Rasen zwischen Klippe und Bäumen genug Platz hatte, sich zu duellieren.

Austin O’Brien, den ich bisher eigentlich nur gesehen hatte, als die Austauschschüler uns vorgestellt wurden, war ein muskulöser Mann mit dunkler Haut, der vollkommen in Schwarz gekleidet war. Er stand wenige Schritte von dem Baum entfernt. Nachdem mich Kenzan im Gras abgesetzt hatte, entdeckte ich auch Johan. In den Baumstamm war ein Keil gerammt, an dem ein Seil hing. Und das andere Ende dieses Seils war mehrmals um den Oberkörper von Johan gewickelt, der damit mitten in der Luft, dutzende Meter über dem Meeresspiegel, hing. Augenscheinlich war er noch immer bewusstlos, denn sein Kopf lag auf seiner Brust und auch sonst sah er ziemlich schlaff aus.

„Was hast du mit Johan angestellt?“, rief ich.

O’Brien kam seelenruhig auf mich zu und holte etwas aus der Brusttasche seiner Weste. Instinktiv zuckte ich zurück, doch dann hörte ich eine vertraute Stimme.

„Kuri~!“

Verblüfft sah ich auf und entdeckte den Duellgeist Hane-Kuriboh, der freudig auf mich zu schwebte. Was O’Brien in der Hand hatte, war ein Deck, und er hielt es mir entgegen.

„Ich will, dass du dich mit mir duellierst. Mit diesem Deck“, sagte er.

Zögernd griff ich nach den Karten und fächerte sie auf. Tatsächlich, das war mein Deck! Mein Duellmonster schmiegte sich an mich und rief aufgeregt „Kuri-Kuriri!“. Es war irgendwie beruhigend, ihn wieder bei mir zu haben.

Du hast das Deck aus Herrn Samejimas Büro geklaut?“, fragte ich O’Brien.

 

Der Entführer machte wieder ein paar Schritte zurück und löste ein gelb lackiertes Gerät von seinem Gürtel, das aussah wie eine Pistole. Als er es an seinen linken Arm schnallte und sich ein Teil davon umklappte, erkannte ich, dass es eine Duel Disk war.

„Ich habe niemandem etwas geklaut. Dieses Deck habe ich durch einen Tauschhandel bekommen“, erklärte er lediglich.

Ich starrte auf meine Karten, dann wieder zu O’Brien, der ein kleines, graues Gerät gezückt hatte. Es sah aus wie eine Art Fernbedienung. „Wirst du dich duellieren? Du solltest es tun, denn sonst…“

Er drückte einen Knopf auf dem Gerät und ein Sirren erklang aus Johans Richtung. Erst jetzt erkannte ich, dass es nicht einfach nur ein Keil war, an dem er hing. Das Seil war um eine dünne Stelle des runden Stabes gebunden, der rechts und links davon erheblich breiter war. Auf der Seite, die in die Luft ragte, wies dieser Teil außerdem, soweit ich das erkennen konnte, Sägezähne auf, die in Richtung Seil zeigten. Und dieser drehte sich mit irrwitziger Geschwindigkeit, wobei er sich scheinbar, wenn auch ganz langsam, in Richtung Seil bewegte. Über kurz oder lang würden also die Sägezähne das Seil berühren.

„Dein Freund hängt an einem Stahlseil. Wie du vielleicht weißt, ist Stahl sehr robust, aber nicht unzerstörbar. Über kurz oder lang wird es also reißen – und Johan Andersen stürzt ins Meer“, erklärte O’Brien.

„Oh my God!“, stieß Jim aus.

Ich ballte die Fäuste. „Wieso tust du so etwas!?“, rief ich.

O’Brien steckte sich die Fernbedienung an den Gürtel.

„Ich möchte, dass du dich mit dem Deck, das ich dir gerade gegeben habe, mit mir duellierst. Das sagte ich doch bereits.“

„Tu das nicht, Jûjika-Senpai!“, rief Kenzan aufgeregt. „Der gehört zu Cobra! Wenn du dich jetzt duellierst, klauen sie dir all deine Energie!“

„Aber… Johan…“, gab ich zu bedenken.

„Sehr richtig. Wenn dir irgendwas an deinem Freund liegt, solltest du dich duellieren“, erklärte O’Brien.

„Are you crazy?!“, mischte sich Jim an meinen Gegner gewandt ein. „Das ist dangerous – auch für dich! Ihr verliert beide eure Energie!“

O’Brien verschränkte die Arme. „Ich bin nur ein Soldat und führe aus, was mir aufgetragen wird. Also, duelliere dich mit mir!“

Ich schluckte und warf einen erneuten Blick zu Johan. Auf einmal erschienen seine Edelstein-Bestien als Duellgeister um ihn herum.

 

„Lass es sein, Kleiner“, sagte Topaz Tiger. „Johan würde nicht wollen, dass du dich für ihn in Gefahr begibst.“

Ich starrte ihn ungläubig an.

„Wollt ihr etwa, dass er stirbt!?“, rief ich.

„Wollen wir nicht, aber wenn du dich duellierst, stirbst du vielleicht“, entgegnete Kenzan, der wohl glaubte, ich hätte mit ihm geredet. Ich drehte mich zu den drei anderen um.

„Das stimmt“, sagte Asuka ernst. „Auch wenn du gerade wieder fit bist, du hast erst gestern Abend viel Energie verloren. Außerdem glauben wir, dass Cobra kontrollieren kann, ob die abgezweigte Energiemenge groß oder klein ist. Wenn er es will, kann er dir so viel Energie stehlen, dass du einfach tot umfällst.“

Ich schluckte, aber dann zog ich trotzig das Schmetterlingsdeck aus der Halterung der Duel Disk und hielt es Asuka hin. Sie nahm es irritiert entgegen. Ich drehte mich wieder zu O’Brien um und machte mein Heldendeck einsatzbereit.

„Ich werde nicht zulassen, dass Johan irgendwas passiert, weil Cobra meine Energie haben will“, verkündete ich und aktivierte meine Duel Disk.

„Sehr vernünftig“, sagte O’Brien. Wir beide zogen unsere ersten fünf Karten und starrten uns kampflustig an.
 

„DUELL!!“

 

„Und jetzt lass Johan frei“, rief ich, während ich meine erste Karte zog.

O’Briens Gesicht zeigte keine Gefühlsregung, als er antwortete: „Du musst mich missverstanden haben. Ich sagte nicht, dass er in Sicherheit ist, sobald du einem Duell mit mir zustimmst. Im Gegenteil – du sollst dich unter dem Druck duellieren, dass dein Freund ins Meer stürzt, wenn du dich zu sehr zurückhältst und das Duell in die Länge ziehst.“

„D- das ist sauriermäßig hinterhältig!“, protestierte Kenzan.

„Ihr könnt sagen, was ihr wollt. Ich werde meinen Befehlen folgen. Und übrigens – denkt gar nicht daran, Andersen helfen zu wollen. Ich muss nur auf den richtigen Knopf drücken und er stürzt sofort!“

Jim, Asuka und Kenzan machten jeder einen Schritt rückwärts.

„Wenn du glaubst, dass du mich so entmutigst, hast du dich aber geirrt!“, rief ich erbost. Aber O’Brien hatte recht – ich durfte keine Zeit verlieren. Also musste ich all meine Aufmerksamkeit auf das Duell richten.
 

Ein Blick auf die ersten sechs Karten, die ich gezogen hatte, sagte mir, dass meine Pechsträhne beim Duellieren vorbei war. So ein gutes Blatt hatte ich aus Johans geliehenem Papillon-Deck nie gezogen.

„Ich beschwöre E-HERO NecroDarkman!“, verkündete ich und schickte den roten Skelettkrieger aufs Feld.

„Elemental Heroes?“, rief Kenzan verblüfft. Ich ließ mich davon nicht aus der Ruhe bringen.

„Als nächstes aktiviere ich die Zauberkarte Tag Request! Sie erlaubt mir, ein Monster von mir auszuwählen und ein zweites zu spezialbeschwören, das dieselbe Anzahl an Angriffspunkten hat. Und ich wähle E-HERO Sparkman!“

In Blitze gehüllt erschien der zweite Held auf meiner Feldseite.

„Tatsächlich, das sieht aus wie Jûdai-kuns Deck“, sagte Asuka.

„Jetzt aktiviere ich Fusion und verschmelze meine beiden Monster zu E-HERO Dark Brightman!“

Meine Monster sprangen in die Luft, wo sie in einem leuchtenden Strudel verschwanden, dann landete kampfbereit mein neuer Held auf dem Boden. In einem schwarzen, hautengen Anzug, über dem eine ausladende goldene Rüstung prangte. Schwarze Blitze zuckten um ihn herum.

„Schön, du gehst gleich aufs Ganze. Etwas anderes hatte ich auch nicht erwartet“, bemerkte O’Brien.

„Jetzt spiele ich noch zwei Karten verdeckt und beende meinen Zug!“, rief ich und legte damit meine letzten beiden Handkarten in die Zauber- und Fallenkartenzone. Ich musste jederzeit bereit sein, sie einzusetzen. Nur so würde ich das Duell beenden und Johan retten können.

 

„Ich bin hier“, rief O’Brien, der bemerkt hatte, dass ich nicht ihn sondern Johan ansah. Der Blauhaarige war immer noch ohnmächtig.

 

Mein Gegner zog und musterte dann seine Handkarten. Sein Pokerface war perfekt, ich hatte nicht den blassesten Schimmer, ob er etwas Gutes gezogen hatte oder nicht.

„Ich aktiviere die permanente Zauberkarte Blaze Cannon“, erklärte er schließlich. Neben ihm erschien eine Art Kanone, die auf drei dünnen Beinen stand. O’Brien erklärte auch sogleich, wie die Karte funktionierte: „Indem ich eine Monsterkarte vom Typ Pyro, die 500 Angriffspunkte oder weniger hat, opfere, kann ich eines deiner Monster zerstören. Allerdings kann ich danach nicht mehr angreifen.“

Er schob eine Karte in seinen Friedhof. „Ich opfere Volcanic Bullet, ein Monster mit 100 Angriffspunkten.“

Ein Monster, das aussah wie ein in Flammen stehender, gepanzerter Wurm, schoss aus dem Friedhof in die Kanone. Diese feuerte augenblicklich einen Feuerstrahl ab, der Dark Brightman direkt in die Brust traf. Mit einem Ächzen löste sich mein Monster auf. Hinter mir konnte ich Asuka erschrocken einatmen hören.

Aber ich war vorbereitet: „Jetzt aktiviere ich meine Fallenkarte Elemental Mirage! Sie holt einen E-HERO von mir zurück, wenn er durch einen gegnerischen Effekt auf den Friedhof geschickt wurde!“

Mit einem selbstbewussten „Haa!“ erschien mein Held wieder auf der Bildfläche. So leicht wollte ich es O’Brien ja nun wirklich nicht machen.

„Nicht schlecht, aber glaub nicht, dass du jetzt sicher bist“, meinte O’Brien nur und spielte eine Monsterkarte: „Ich beschwöre FireTrooper.“

Ein reptilienartiges Wesen mit einem langen, violetten Mantel erschien. Seine Hände und sein Kopf waren in lodernde Flammen gehüllt. Dieser O’Brien schien das Feuer ja wirklich zu lieben. Hoffentlich würde er sich daran noch die Finger verbrennen! Immerhin hatte sein Monster nur 1000 Angriffspunkte und damit deutlich weniger als Dark Brightman. Außerdem konnte er in diesem Zug ohnehin nicht mehr angreifen.

 

Natürlich machte O’Brien es dann doch nicht so einfach: „FireTrooper kann, nachdem er beschworen wurde, von mir geopfert werden, um meinem Gegner 1000 Lebenspunkte Schaden zuzufügen“, erklärte er und streckte die Hand aus. „Los, FireTrooper!“

Das Monster grinste. Die Flammen breiten sich aus und hüllten es im nächsten Moment komplett ein. In diesem Zustand sprang es über Dark Brightman hinweg und rammte mich, so dass ich aufschrie und mehrere Schritte nach hinten stolperte. Beinahe wäre ich dabei in dem langen Kleid gestolpert. Meine Lebenspunkte fielen auf 3000. 

 

Sich in einem Kleid zu duellieren, ist übrigens ganz schön unpraktisch. Deshalb habe ich mir in diesem Duell auch geschworen, das nie wieder zu tun.

 

Mädchen können Helden sein!

Das Duell befand sich erst im zweiten Zug, doch eines hatte ich bereits begriffen: O’Brien war ein feuriger Duellant, vor dem man sich in Acht nehmen musste. Vor allem aber musste ich mich beeilen, denn Johan konnte jederzeit in die Tiefe stürzen. Und natürlich stand mein Leben auf dem Spiel.

 

Aber daran dachte ich die meiste Zeit gar nicht.

 

Das Monster grinste. Die Flammen breiten sich aus und hüllten es im nächsten Moment komplett ein. In diesem Zustand sprang es über Dark Brightman hinweg und rammte mich, so dass ich aufschrie und mehrere Schritte nach hinten stolperte. Beinahe wäre ich dabei in dem langen Kleid gestolpert. Meine Lebenspunkte fielen auf 3000. 
 

 

Kapitel 6. Mädchen können Helden sein!

 
 

Es war immer wieder faszinierend, wie täuschend echt das Solid Vision System einem vorgaukelte, durch den direkten Angriff eines Monsters Schmerzen zu erleiden.

„Jûdai!“, schrie jemand entsetzt, als ich getroffen wurde.

Nachdem sich der Fire Trooper aufgelöst und ich das Gleichgewicht wiedergefunden hatte, sah ich auch schnell, woher der Ruf gekommen war. Johan musste zu sich gekommen sein, ohne dass es jemand von uns bemerkt hatte. Er sah verwirrt aus, aber vor allem besorgt.

„Johan! Alles in Ordnung, ich hol dich da runter!“, rief ich ihm zu.

 

„Wait a second… hat er gerade >Jûdai< gesagt?“, fragte hinter mir Jim.

„Er ist bestimmt noch nicht ganz wach“, meinte Asuka leise.

„Nein, ich glaube… Ich glaube er hat Recht!“, widersprach Kenzan aufgeregt. „Ich kenne meinen Aniki! Keiner kann so sauerierstark mit den E-HERO-Karten umgehen wie Jûdai! Du bist es, Mann!“

Ich drehte mich zu den dreien um.

„Jetzt ist es raus“, grinste ich und kratzte mich verlegen am Kopf.

 

Während Jim nur verblüfft seinen Hut zurechtrückte, sah Asuka auf einmal sehr wütend aus.

„Du bist das? Schon die ganze Zeit?!“, zischte sie.

„Äh, ja“, sagte ich. „Sorry, dass wir euch angelogen haben.“

Im nächsten Moment wurde ich von einer schallenden Ohrfeige zu Boden geschleudert. Die tat deutlich mehr weh als der vergangene Angriff des Monsters.

 

„Wo- wofür war das denn?“, stammelte ich und hielt mir die Wange.

Asuka stemmte die Hände in die Hüften. „Wofür!? Wir haben zusammen gebadet, du perverses Schwein!“

„Ich… ich bin doch nicht mit euch baden gegangen, weil ich euch nackt sehen wollte“, protestierte ich und kam wieder auf die Beine. Asukas Blick nach zu urteilen stellte sie das nicht zufrieden. Schon hatte ich Angst vor einer weiteren Ohrfeige.

„Girls, please“, intervenierte Jim und zog Asuka zur Seite. „Diskutiert das später! Johan schwebt in Lebensgefahr!“

Ich nickte und nahm wieder eine Kampfposition ein.

„Ich spiele zwei Karten verdeckt und beende meinen Zug“, sagte O’Brien, der offenbar damit gewartet hatte, bis ich wieder auf das Duell achtete.

 

„Okay, ich bin dran! Draw!“, rief ich und zog eine Karte. Es war mein Ass, E-HERO Neos.

„Auf dich hab ich gewartet, mein Freund“, grinste ich und sah O’Brien entschlossen an.

„Ich aktiviere die Zauberkarte Fusion auflösen! Damit hole ich NecroDarkman und Sparkman zurück aufs Feld!“

Wortlos löste sich Dark Brightman auf und die beiden Helden, aus denen er entstanden war, landeten wieder vor mir auf der Wiese.

„Ich opfere die beiden sofort wieder und beschwöre E-HERO Neos!“

Kampfbereit erschien der weiße Krieger.

„Es freut mich, wieder bei dir zu sein“, sagte er zu mir.

„Ja, mich auch“, entgegnete ich lächelnd. „Also los, zeig’s ihm! Neos, greif O’Brien direkt an!“

 

Der Held stürmte los, aber so einfach machte es mir mein Gegner natürlich nicht. „Ich aktiviere meine permanente Fallenkarte Fire Wall! Damit kann ich den Direkten Angriff eines Monsters stoppen, indem ich ein Monster vom Typ Pyro von meinem Friedhof aus dem Spiel verbanne!“
 

Eine Wand aus Feuer schoss augenblicklich aus dem Boden und warf Neos hart zurück. „Verdammt!“, stieß ich aus. Dass die Fallenkarte permanent war, hieß, dass O’Brien mich immer wieder würde stoppen können, solange er noch Monster auf dem Friedhof hatte. Wie viele waren das bis jetzt noch gleich gewesen?

Ich öffnete den Mund um zu sagen, dass mein Zug beendet war, als Johan nach mir rief: „Jûdai, bitte hör auf!“

Ich war gerade so gut im Duell drin gewesen.

„Die Edelstein-Bestien sagen, dass du sterben könntest, wenn du dich duellierst! Also bitte hör auf“, rief Johan schwach. Er schien noch ziemlich erschöpft zu sein.

„Tut mir leid, Johan, aber ich hab das Duell angenommen. Und ein Duell ziehe ich immer bis zum Ende durch! Außerdem würde er dich abstürzen lassen, wenn ich jetzt einfach aufgebe!“

„Allerdings“, bestätigte O’Brien.

Ich konnte Johan nicht gut sehen, weil zwischen mir und O’Brien, der immer noch direkt vor dem Baum an der Klippe stand, mehrere Meter lagen. Aber ich meinte, zu erkennen, dass er sich auf die Lippen biss.

„Jûdai, ich... ich hab es nicht verdient, dass du das für mich riskierst…“ Seine Worte waren jetzt so schwach, dass ich Mühe hatte, sie zu hören.

„Ob du das verdient hast oder nicht ist ja wohl meine Entscheidung!“, rief ich und pochte mir auf die Brust. „Außerdem hast du selber gesagt, dass du ohne mich besser dran wärst! Dann komm jetzt nicht damit an, dass du dir Sorgen um mich machst!“

Dass Johan diese Worte betroffen zur Kenntnis nahm, konnte ich auch aus der Entfernung sehen. Sofort fühlte ich mich mies.

Er setzte an, etwas zu sagen, doch O’Brien hatte jetzt scheinbar genug. „Beende endlich deinen Zug!“, fuhr er mich an und fuchtelte drohend mit der Fernbedienung, die Johan jederzeit zum Absturz bringen konnte.

Ich nickte eingeschüchtert. „Ich beende meinen Zug.“

 

O’Brien steckte sich die Fernbedienung an den Gürtel und zog.

„Als erstes muss ich 500 Lebenspunkte zahlen, damit Fire Wall auf dem Feld bleiben kann“, erklärte er seelenruhig. Damit war er auf 3500 runter.

„Ich aktiviere jetzt den Effekt von Volcanic Bullet auf meinem Friedhof. Indem ich weitere 500 Lebenspunkte bezahle, kann ich eine zweite Volcanic Bullet Karte aus meinem Deck auf die Hand nehmen.“

Ich schluckte. Was als nächstes kommen würde, war leicht vorherzusehen.

„Jetzt opfere ich Volcanic Bullet von meiner Hand, um den Effekt von Blaze Cannon zu aktivieren! Blaze Cannon, Feuer eröffnen auf Neos!“

Der Feuerstrahl fraß sich durch mein Monster, das mit einem entsetzlichen Schrei verschwand. „Verzeih mir“, flüsterte es noch.

„Oh-oh!“, hörte ich Asuka hinter mir sagen.

„Das sieht verdammt nochmal not well aus“, fand auch Jim. Von Kenzan ertönte dagegen ein gurgelndes Knurren, das mich zusammenzucken ließ.

„K- Kenzan-kun? Was ist los?“, hörte ich Asuka erschrocken fragen. Aber ich musste mich jetzt auf das Duell konzentrieren!

O’Brien war jedoch scheinbar fertig mit seinem Zug.

„Letztlich ist dein Krieger Neos also gefallen, ohne einen Nutzen zu haben“, stellte er fest. „Auch das ist das Schicksal eines Söldners. Ich setze eine Karte und beende meinen Zug.“

 

„Dino-Boy, bleib ruhig!”,rief Jim. Jetzt drehte ich mich doch um. Kenzan sah nicht gut aus. Seine Augen waren geweitet und seine Pupillen hatten sich zu reptilartigen Schlitzen verengt. Offenbar hatte irgendwas die Dinosaurier-DNA in seinem Blut aktiviert. Gleichzeitig schlug auch das Krokodil auf Jims Rücken heftig mit dem Schwanz.

„Damn!“, knurrte Jim. „Tomorrow-Girl, halt Dino-Boy die Augen zu!“

Mit „Tomorrow-Girl“ meinte er offenbar Asuka, denn die versuchte sofort, die Anweisung umzusetzen. Es endete darin, dass Kenzan sie aggressiv zurückstieß. Sie stolperte und fiel.

Jim war es in der Zwischenzeit aber gelungen, dem Krokodil auf seinem Rücken die Augen mit dem Tuch zu verbinden, das er sonst um den Hals trug. Das schien das Reptil zumindest ein wenig zu beruhigen. Beherzt stürzte er sich danach auf Kenzan.

„Jûdai-kun, du musst dich auf das Duell konzentrieren!“, rief Asuka, als sie wieder auf die Beine kam.

„Aber was geht hier vor sich!?“, rief ich verwirrt.

Jim schaffte es, Kenzan einen Arm auf den Rücken zu drehen und ihn mit der Brust ins Gras zu drücken. „Das sind die Electromagnetic Waves!“, rief er. Ein plötzliches Zucken, das über den ganzen Körper des Krokodils lief, riss ihm den Hut vom Kopf. „Sie sind so strong, dass sie die beiden Reptilien hier total durcheinanderbringen!“

Asuka trat neben Jim und sah mich sehr besorgt an. „Je stärker die Wellen, desto mehr Energie verliert ihr nach dem Duell“, erklärte sie. Ich schluckte.

 

„Jûdai, das darfst du nicht tun! Du musst das Duell sofort abbrechen!“, schrie Johan verzweifelt von der Klippe aus.

„Hört doch mal alle auf, mir da reinzureden! Ich sagte doch schon, ein einmal begonnenes Duell breche ich nicht einfach ab!“, rief ich aufgebracht.

„Aber… Jûdai… ich will dich nicht verlieren, verdammt! Ich…“, rief Johan, dann versagte ihm die Stimme. Auf die Entfernung war es schwer zu erkennen, aber es sah so aus, als würde er weinen. Das ergab doch alles keinen Sinn!

 

„Jetzt hör mir mal zu, Johan!“, schrie ich.„Vor zwei Tagen hast du mir noch gesagt, dass ich am besten verschwinden soll, damit es dir besser geht! Also sag jetzt nicht einfach das genaue Gegenteil! Ich… ich hab mittlerweile kapiert, dass du nicht mit mir befreundet sein willst, aber das heißt noch lange nicht, dass ich dich hier abstürzen lasse, nur damit ich nicht vielleicht sterben muss!!“

Ich holte tief Luft, dann sprach ich weiter.

„Und weißt du auch warum? Weil ich mich in dich verliebt habe!“

 

Jetzt war es raus. Irgendwie fühlte es sich befreiend an, es Johan endlich persönlich gesagt zu haben.

Niemand sagte etwas.Nur das Sirren der Säge, die nach wie vor den sprichwörtlichen Seidenen Faden bedrohte, an dem Johan hing, war zu hören.

 

„Okay, das reicht jetzt“, sagte O’Brien und zückte einmal mehr die Fernbedienung. „Du bist am Zug, Jûdai Yûki.“

Ich nickte. Jetzt, wo ich alles gesagt hatte, was mir durch den Kopf ging, konnte ich mich vielleicht endlich ohne Unterbrechung auf das Duell konzentrieren.

„Was ist mit dir, O’Brien?“, fragte ich einem spontanen Gedanken folgend, als ich meine Karte zog. „Willst du sterben? Du wusstest doch sicher, was es bedeutet, dich mit mir zu duellieren!“

„Ich aktiviere die Fallenkarte Draw Bomb. Wenn mein Gegner eine oder mehrere Karten aus dem Deck zieht, kann ich ihm 1000 Lebenspunkte Schaden zufügen“, war seine einzige Antwort. Pulverfässer tauchten urplötzlich als Hologramme um mich herum auf. Es gab einen lauten Knall.

Als sich der Qualm verzogen hatte, waren meine Lebenspunkte nunmehr auf 2000 gefallen. Diesmal schrie Johan nicht.

Dafür bemerkte ich, dass Jim sich langsam in Richtung Klippe schlich. Er fing meinen Blick auf und legte eilig einen Finger auf die Lippen. Ich nickte unmerklich und sah O’Brien wieder an. Umdrehen wollte ich mich nicht, obwohl ich mich fragte, wer Kenzan jetzt festhielt. Wahrscheinlich Asuka.

„Du willst mir wohl keine Antwort geben?“, fragte ich. „Also gut. Ich spiele ein Monster verdeckt im Verteidigungsmodus und beende meinen Zug.“

Das war in dem Moment sowieso meine einzige Option.

 

O’Brien zog eine Karte und nahm schweigend zur Kenntnis, wie seine Lebenspunkte erneut um 500, diesmal auf 2500, fielen, damit Fire Wall aktiv bleiben konnte.

„Ich aktivere noch einmal den Effekt von Volcanic Bullet auf dem Friedhof um die dritte und letzte Volcanic Bullet Karte aus meinem Deck auf die Hand zu nehmen“, erklärte er und nahm die Karte aus dem Stapel. Natürlich behielt er sie nicht lange in der Hand: „Und mit ihr füttere ich wieder Blaze Cannon! Feuer auf die verdeckte Monsterkarte!“

Ein erneuter Feuerstrahl landete auf meiner Seite des Feldes und zerriss die Karte in der Luft. Allerdings hatte ich damit gerechnet.

„Das verdeckte Monster war Dandylion! Wenn er auf den Friedhof geschickt wird, kann ich an seiner Stelle zwei Flaum-Token im Verteidigungsmodus spezialbeschwören!“

Auf meiner Seite des Feldes materialisierten sich zwei kleine Löwenzahn-Samen, die dabei ein leises Quieken von sich gaben.

„Gut pariert, aber ich frage mich, ob dein verzweifeltes Verteidigen zu irgendwas führen wird“, sagte O’Brien ruhig.

Ich dagegen fragte mich langsam, ob er vorhatte, mich irgendwann auch noch mal mit Monstern anzugreifen. Bisher hatte er meine Lebenspunkte allein durch seine Karteneffekte reichlich dezimiert. Dieser Stil gefiel mir nicht.

Dann bemerkte ich, dass Jim sich anschickte, auf den Baum zu klettern, an dem Johan hing. O’Brien hatte noch nichts bemerkt.

 

„Dafür, dass du so tust als würde es dir nichts auszumachen, zu sterben, bist du ganz schön feige!“, rief ich, um die Aufmerksamkeit meines Gegners auch weiterhin gefangen zu halten. „Feuerst aus der zweiten Reihe auf mich! Wieso lässt du keine Soldaten antreten? Hast du etwa Angst um sie?“

„Ganz und gar nicht“, entgegnete O’Brien und legte eine Karte verdeckt ab. Aber seine Handbewegung wirkte unsicherer als zuvor.
 

„Okay, ich bin wieder dran! Mach dich auf was gefasst!“, rief ich und zog.

Ein Blick auf die Karte ließ mich lächeln. „Das ist genau, was ich jetzt brauche!“, verkündete ich.

„Du scheinst sehr viel Glück zu haben“, stellte O’Brien fest.

„Ja, das kann sein!“, rief ich und legte die gezogene Karte aufs Feld. „Ich aktiviere die Zauberkarte Neospacia Wave! Wenn in meinem Deck mehr Neo Space Monster sind als ich auf dem Feld habe, was definitiv der Fall ist, kann ich alle meine Monster vom Feld auf den Friedhof schicken und durch zufällige Neo Space Monster ersetzen!“

Die beiden kleinen Löwenzahnsamen lösten sich in einem Strudel aus Farben auf, während ich die in meinem Deck zuoberst liegenden beiden Neo Space Monster heraussuchte. Währenddessen warf ich einen kurzen Blick zu Jim. Der schien jedoch Probleme damit zu haben, dass das sich drehende Sägeblatt Funken genau in seine Richtung sprühte. Außerdem war das Seil, an dem Johan hing zu lang, als dass Jim ihn mit der Hand erreichen konnte.

Gleichzeitig bemerkte ich auch, dass die Sägezähne dem tragenden Seil, an dem Johan hing, schon gefährlich nahe gekommen waren.

„Ich rufe jetzt Neo Space Air Hummingbird und Neo Space Aqua Dolphin!”

Mit einem lauten „Wo-hoo, jetzt komme ich!“, erschien der rote Vogelkrieger auf dem Feld. Sein blauer Kollege war ein bisschen weniger übermütig und nickte mir ermutigend zu, als er auf dem Rasen landete.

„Ich aktiviere den Effekt von Air Hummingbird. Für jede Karte in der Hand meines Gegners bekomme ich 500 Lebenspunkte.“

„Auf geht’s!“, frohlockte das Monster und hüpfte zu O’Brien hinüber, aus dessen beiden Handkarten zwei große, rote Blumen sprossen, die mein Monster eine nach dem anderen mit seinem langen Schnabel aussaugte.
 

„Mit 3000 Lebenspunkten hat er erstmal wieder etwas Luft“, stellte Asuka hinter mir fest.

„Ist das wirklich gut?“, fragte Kenzan, dessen Stimme leicht gedämpft klang. „Es geht doch gar nicht drum, wer gewinnt. Je länger das Duell geht, umso mehr Energie für Cobra, oder?“

„Kenzan-kun… du bist wieder bei Besinnung?“

„Ja, ich glaub schon. Ich fühl mich nicht mehr so aggressiv wie gerade eben noch.“

„Jûdai-kun, hast du das gehört? Du solltest das Duell jetzt zu Ende bringen, solange die Wellen schwach sind!“ 

„Hatte ich sowieso vor!“, erklärte ich. „Los, Air Hummingbird, Aqua Dolphin, greift O’Brien direkt an!“

 

Der Söldner lächelte schmal. „Tut mir leid, aber ich habe hier immer noch meine Fire Wall. Ich muss nur zwei Pyro-Monster vom Friedhof aus dem Spiel entfernen und ich kann sie beide aufhalten!“

Die Flammen fauchten laut, als sie meine beiden Monster zurückschleuderten. „Uiuiui, Heiß!“, rief Air Hummingbird.

„Das macht nichts, nächstes Mal kriege ich dich!“, verkündete ich. Viele Monster konnte er jedenfalls nicht mehr auf dem Friedhof liegen haben.

„Ich beende meinen Zug.“

 

O’Briens Blick wirkte ein wenig gedankenverloren, als er seine Karte zog. Seine Lippen bewegten sich zu einem kurzen Wort. Dann sah er mich entschlossen an und griff nach der Fernbedienung an seinem Gürtel. Ich zuckte zusammen, ebenso wie Jim, der es immer noch nicht geschafft hatte, Johan irgendwie von dem Baum zu bekommen.

„Das brauche ich jetzt nicht mehr“, sagte O’Brien zu meinem Erstaunen jedoch und drückte einen Knopf. Das sirrende Geräusch der Säge, das die ganze Zeit unbewusst unser Duell untermalt hatte, verstummte. „Ich wusste es! Du bist kein schlechter Kerl!“, rief ich. Johan und Jim sahen, soweit ich das erkennen konnte, erleichtert aus, aber keiner von beiden sagte ein Wort.

O’Brien sah mich ernst an. „Ich glaube, ich habe jetzt begriffen, dass es nicht die Aufgabe eines Söldners ist, sich freiwillig auf die Schlachtbank zu begeben“, sagte er lediglich und musterte seine Karten. Seine Lebenspunkte fielen erneut um 500, auf nur noch 1500, da er Fire Wall weiter auf dem Feld beließ.

Später erfuhr ich, dass O’Brien sich während des Duells plötzlich an seinen Vater hatte denken müssen. Dieser hatte ihm zwar beigebracht, dass ein Söldner den Anordnungen seines Auftraggebers Folge leisten muss, aber auch das Recht hat, sein eigenes Leben zu beschützen. Und das hatte ihn dazu bewegt, das Duell möglichst schnell beenden zu wollen, solange die elektromagnetischen Wellen schwach waren.

 

„Ich beschwöre Volcanic Buckshot!“, verkündete er und ließ ein Monster erscheinen, das aussah wie drei ineinander verwachsene Volcanic Bullets. Genau wie diese war es von lodernden Flammen umgeben. Das Monster hatte nur 500 Angriffspunkte, war also schwächer als Aqua Dolphin mit seinen 600 und Air Hummingbird mit seinen 800 Angriffspunkten. Allerdings hatte O’Brien auf seiner Feldseite noch eine verdeckte Fallenkarte in Reserve.

„Endlich kommt mal ein Monster!“, rief ich.

O’Brien konzentrierte sich jedoch schon auf sein nächstes Vorhaben: „Ich aktiviere die Zauberkarte Fire Soul, die ich vorhin gesetzt hatte. Wenn ich sie aktiviere, darfst du als erstes eine Karte ziehen.“

Ich zog. Es war E-HERO Edgeman, ein starkes 7-Sterne-Monster. Wenn ich meine beiden Neo Space Monster dafür opferte, würde ich ihn rufen können.

„Nun zum Effekt von Fire Soul. Indem ich ein Monster aus meinem Deck aus dem Spiel entferne, kann ich dir die Hälfte von dessen Angriffspunkten als Schaden von den Lebenspunkten abziehen. Ich entferne Volcanic Devil aus dem Spiel, ein Monster mit 3000 Angriffspunkten!“

„Wow“, pfiff ich durch die Zähne. Auf O’Briens Feldseite materialisierte sich ein drachenartiges Wesen mit roter, von Blasen übersäter Haut, das in einer schwarzen Rüstung steckte. Aus seinem Helm stieg dichter, roter Qualm auf. Im nächsten Moment loderten um das ganze Monster herum Flammen auf. Es stürzte sich direkt auf mich und ich konnte nur noch schützend die Arme hochreißen.

„Jûdai!“, hörte ich Johans Aufschrei, als ich von der Attacke getroffen rückwärts stolperte.

Meine Lebenspunkte fielen schlagartig wieder auf 1500. Damit herrschte jetzt Gleichstand.

 

Als ich mich wieder gefangen hatte, sah ich, dass Johan in Sicherheit war. Er hockte neben Jim auf dem Baumstamm und winkte mir zu. Ich winkte erleichtert zurück.

 

„Eine Geisel brauche ich jetzt eh nicht mehr. Lass es uns zu Ende bringen“, rief O’Brien mir zu. Ich nickte. Er war wirklich ein grandioser Gegner, das musste ich ihm lassen.

„Weil ich Fire Soul aktiviert habe, kann ich diese Runde nicht angreifen. Allerdings aktiviere ich noch eine Zauberkarte: Blaze Cannon – Trident, und zwar indem ich Blaze Cannon auf den Friedhof schicke!“

Die kleine Kanone verschwand und an deren Stelle landete ein mächtiges Gerät, das mit drei langen Abschussrohren ausgerüstet war.

„Ich kann ein beliebiges Pyro-Monster opfern um die Kanone zu laden! Also schicke ich Volcanic Revolver von meiner Hand auf den Friedhof!“

Ein zweibeiniger, kugelförmiger Roboter erschien und wurde in die Kanone gesaugt.

„Diese Salve vernichtet nicht nur eins deiner Monster, sie verursacht dir auch 500 Lebenspunkte Schaden“, erklärte O’Brien. „Feuer auf Air Hummingbird!“

Die Salve traf mein Monster, das mit einem verschluckten „Mach’s gut!“ verschwand. Der Feuerstrahl versiegte danach jedoch nicht, sondern traf als nächstes mich frontal in die Brust. Ich keuchte. Die Hitze fühlte sich so realistisch an, dass ich mit einem Brandfleck in meinem Kleid rechnete. Meine Lebenspunkte fielen auf 1000.

„Jûdai“, sagte Johan auf einmal. Ich drehte mich verblüfft um. Dass er und Jim jetzt hinter mir standen, hatte ich gar nicht bemerkt. Johan war offenbar noch ein wenig schwach auf den Beinen, denn Jim musste ihn stützen.

„Du… musst das Duell schnell zu Ende bringen“, bat er.

„Aber klar“, entgegnete ich mit einem breiten Lächeln. „Und eins versprech ich dir: Sterben werde ich nicht!“

Johan lächelte müde. „Stimmt.“

 

Ich drehte mich wieder zu O’Brien um. „Ich sag dir was, O’Brien. Das Duell hat mir wahnsinnig Spaß gemacht. Du bist ein klasse Gegner!“, rief ich ihm zu.

Der Schwarze lächelte schmal. „Du bist auch ein starker Gegner, Jûdai Yûki“, sagte er.

Ich glaube, wir wussten beide, dass das Duell fast zu Ende war.

Eigentlich kam jetzt alles darauf an, ob ich irgendeine Karte zog, die mir helfen würde, Edgeman zu beschwören. Da O’Brien keine verdeckten Fallen mehr auf dem Feld hatte, wäre das sein Ende. Wenn ich es allerdings nicht schaffte, könnte ich mit Aqua Dolphin zwar vielleicht seinen Volcanic Buckshot vernichten, aber er musste nur ein wenig Glück beim nächsten Zug haben und dann würde er stattdessen mich schlagen.

 

„Jûdai, du schaffst das“, sagte Johan leise hinter mir. Offenbar hatte er auch erkannt, dass mein nächster Zug über Sieg und Niederlage entscheiden könnte.

Ich schloss die Augen und legte meine Hand auf mein Deck, um die nächste Karte zu ziehen. Eigentlich konnte mir nichts passieren. Das war mein Deck. Auch, wenn ich immer noch in diesem Mädchenkörper steckte, hatte ich das Gefühl, schon wieder Jûdai Yûki zu sein. Und Jûdai Yûki verlor einfach nicht!

 

Ich zog.

 

Ich schaute O’Brien entschlossen an.
 

Dann warf ich einen Blick auf die gezogene Karte.

 

Und lächelte. „Die passt gut“, stellte ich fest und steckte sie in einen Schlitz für Zauber- und Fallenkarten.
 

„Ich aktiviere Hero’s Comeback!!“

 

In dem Moment begann meine Duel Disk zu leuchten. Geblendet kniff ich die Augen zu. Ein warmes Gefühl erfasste michplötzlich. Es breitete sich von meiner Brust wie eine warme Welle über meinen ganzen Körper aus.
 

Dann war es auch schon wieder vorbei.

 

„Was war das?“, fragte Asuka.

Ich zuckte die Achseln. Ich befand mich mitten in einem Duell.

„Hero’s Comeback holt einen E-HERO vom Friedhof zurück, allerdings mit 500 Angriffspunkten weniger als ursprünglich“, rief ich und zog eine Karte aus meinem Friedhof. „Ich wähle E-HERO Neos!“

Das war zwar nicht ganz, was ich geplant hatte, aber Neos war für den finalen Schlag mindestens genau so gut geeignet wie Edgeman.

Mit kraftvoll geballten Fäusten erschien Neos vor mir. „Schön, dich wiederzuhaben“, grüßte ich.

Neos dreht sich um. „Schön, dich wieder so zu sehen“, sagte er.

Ich blinzelte. „Was meinst du?“

Dann fiel mir auch endlich auf, dass meine Stimme auf einmal viel tiefer klang – oder vielmehr, nicht mehr so ungewohnt hoch. Ein Blick an meinem Körper herunter bestätigte meinen Verdacht: Die Brüste waren weg. Ich war wieder ein Junge!

 

„Wow“, murmelte ich.

 

Damit hatte ich tatsächlich als letztes gerechnet. Eigentlich war es mir sogar langsam egal gewesen, schließlich hatte ich in diesem Duell gemerkt, dass ich trotz allem immer noch derselbe geblieben war. 
 

„Jûdai-kun, dreh dich mal um“, sagte Asuka.

Ich tat wie geheißen. Johan, Jim, Kenzan und Asuka sahen mich langsam an.

Dann brachen sie alle vier in Gelächter aus.

 

„W- was?!“, fragte ich irritiert.

Kenzan fand als erster die Sprache wieder. Sich Lachtränen aus den Augenwinkeln wischend erklärte er: „N Kerl in nem Kleid ist echt’n sauriermäßig abartiger Anblick.“

Die anderen kicherten bestätigend.

„Schön, dass ihr was zu Lachen habt. Ich habe ein Duell zu beenden“, meinte ich trotzig und drehte mich wieder zu O’Brien um.

„Jûdai Yûki, ich danke dir für diesen Zweikampf“, sagte der und klang dabei sehr entspannt. Er hatte natürlich bereits die Situation erfasst. Auch wenn er schwächer war als ursprünglich, hatte Neos immer noch 2000 Angriffspunkte. Die 1500 Punkte, um die er die Angriffskraft von Volcanic Buckshot übertraf, waren genau die 1500 Lebenspunkte, die O’Brien noch hatte. Es war vorbei.

 

„Neos, greif an!“ 

 

Mein Monster schlug zu und zerfetzte den Feuerwurm O’Briens in der Luft. Seine Lebenspunkte fielen augenblicklich auf Null. Ich hörte meine Freunde meinen Namen rufen, drehte mich um und fand mich im Nächsten Moment in einer engen Umarmung von Johan wieder. Dann knickten mir die Beine weg und ich verlor das Bewusstsein.

 

Und damit war nicht nur dieses Duell, sondern auch meine Zeit als Mädchen endgültig vorbei.

 

Mädchen sind nachtragend

Diese Episode hatte mir einiges beigebracht. Ich hatte nicht nur viel über Mädchen gelernt, sondern auch über mich selbst. Zum Beispiel, wie stark meine Bindung zu meinen Monstern wirklich ist, und dass es sogar gut tun kann, sich jemandem anzuvertrauen, wenn man nicht mehr weiter weiß.

 

Und natürlich, dass ich in Johan verliebt war. 

 

Mein Monster schlug zu und zerfetzte den Feuerwurm O’Briens in der Luft. Dessen Lebenspunkte fielen augenblicklich auf Null. Ich hörte meine Freunde meinen Namen rufen, drehte mich um und fand mich im Nächsten Moment in einer engen Umarmung von Johan wieder. Dann knickten mir die Beine weg und ich verlor das Bewusstsein.

 

Epilog. Mädchen sind nachtragend

 

Um mich herum war alles schwarz.Nichts als gähnende Leere.

Dann erklang eine Frauenstimme: „Mein geliebter Jûdai!“, rief jemand. Ich fuhr herum. Aus der Finsternis schälte sich die Silhouette eines einzelnen Auges mit rot leuchtender Iris. Es war von einem violetten Wulst eingerahmt, von dem einzelne Verästelungen abgingen, ansonsten schwebte es scheinbar körperlos in der Finsternis.

„Mein geliebter Jûdai. Heute hätte ich dich verlieren können“, sagte die Stimme. Ich wollte etwas sagen, aber ich hatte keine Stimme. Nicht einmal einen Mund, mit dem ich hätte sprechen können. Ich war ein körperloses Wesen und konnte nur weiter der Stimme lauschen.

„Ich habe dich davor bewahrt, dass du deine gesamte Energie verlierst, Geliebter. Du darfst noch nicht sterben. Erst musst du zu mir kommen.

Komm…

zu mir…“

 

Die letzten drei Worte hallten noch eine ganze Zeit lang nach, während das Bild des Auges vor mir verschwamm.

 

Dann blinzelte ich in helles Sonnenlicht.

 

„Er kommt wieder zu sich!“, sagte jemand. Ich musste mehrmals blinzeln und hatte Schwierigkeiten, die Augen richtig auf zu bekommen, dann erkannte ich Johan neben mir. Als nächstes registrierte ich, dass mich jemand trug. Es war Kenzan, der mich auf den Rücken genommen hatte.

„Hey, Jûdai, wie fühlst du dich?“, fragte Johan.

Ich hatte Mühe, wach zu bleiben. „Tjaa… lebendig…“, murmelte ich.

Johan lächelte. Er schien auch noch etwas schwach zu sein, denn Jim musste ihn beim Gehen stützen. Verblüfft stellte ich fest, dass wir sogar noch im Wald waren.

„War ich… lange weg?“, fragte ich.

„Nope. Wir sind gerade erst aufgebrochen“, erklärte Jim. Ich versuchte, ein wenig mehr Kraft aufzubringen und linste über Kenzans Schulter, wo Asuka allen voran ging.

„Wo is’n O’Brien?“

„Er sagte, er würde Professor Cobra zur Rede stellen. Soweit ich das verstanden habe, war ihm bisher nicht wirklich klar, dass wir alle durch die Disclosure Duels in Lebensgefahr gebracht wurden“, erläuterte Asuka.

Ich lächelte. „Ich wusste es, der ist kein schlechter Kerl.“

Dazu sagte eine Weile keiner was, dann traten wir aus dem Wald. Die Osiris Red Unterkunft lag vor uns.

„Wie fit fühlst du dich?“, fragte Asuka mich. „Sollen wir dich zu den anderen Schülern in die Haupthalle bringen?“

„Krank fühl ich mich nicht. Nur kaputt“, entgegnete ich.

„You bet“, grinste Jim. „Es ist wahrscheinlich the best, wenn du und Johan erstmal eine Runde relaxt und was esst, um wieder zu Kräften zu kommen.“

Kenzan lachte. „Und du solltest dir was anderes anziehen, Aniki!“

Stimmt ja, ich trug immer noch das Ballkleid vom Vorabend. „Gute Idee“, stimmte ich also zu.

 

Jim und Kenzan trugen uns also in mein Zimmer – mein richtiges Zimmer, das ich mit Shô und Kenzan bewohnte – und verabschiedeten sich dann. Kenzan wollte unbedingt noch einmal nachsehen, wie es Shô ging und ihm wenn möglich erzählen, dass ich endlich offiziell wieder da war. Da Johannoch die Kleidung vom Ball am Vorabend trug, erklärte sich Jim dazu bereit, ihm sein normales Outfit aus seinem Zimmer zu holen. Asuka wiederum war in die Küche im Erdgeschoss verschwunden, um uns etwas zu Essen zu machen, mit dem wir schnell wieder bei Kräften sein würden.

 

Jetzt waren wir also allein. Johan hockte auf einem der Drehstühle, über dessen Lehne er mit dem Oberkörper hing. Er sah ernsthaft erschöpft auf, aber er schaffte es trotzdem, den Kopf zu heben. „Jûdai, ich…“, setzte er ernst an, doch dann glitt sein Blick über meinen Körper und er musste plötzlich grinsen: „Ich finde, du solltest dich erstmal umziehen.“

 

Mich des Kleids und der Damenunterwäsche zu entledigen ging schnell, aber um das ganze Make-Up von meinem Gesicht zu schrubben, das Fubuki mir am Vorabend verpasst hatte, brauchte ich eine ganze Weile. Vor allem die Wimperntusche war echt hartnäckig.

„Ah, jetzt siehst du endlich wieder wie ein Junge aus“, bemerkte Johan, als ich mich zu ihm umdrehte.

Ich grinste. „Du glaubst nicht, wie gut es sich anfühlt, endlich wieder ’ne Hose zu tragen!“

Johan sah lächelnd zu mir hoch. Ich zog einen zweiten Drehstuhl heran und setzte mich ihm abwartend gegenüber. „Also?“, fragte ich. Er hatte mir wirklich eine Menge zu erklären.

Er wich meinem Blick aus und seine Wangen sahen röter aus als sonst. So verlegen hatte ich ihn noch nie erlebt. Sonst war er doch immer so schlagfertig und direkt. „Ich… hast du das vorhin ernst gemeint?“, fragte er.

Ich wusste sofort, was er meinte und auf einmal begann mein Herz wie wild zu pochen. „Ja. Ich liebe dich, Johan“, sagte ich. Es überraschte mich etwas, wie selbstverständlich mir das jetzt schon über die Lippen kam, aber es war eben die Wahrheit.

Johan sah mich jetzt endlich direkt an. Als sich unsere Blicke trafen, hatte ich das Gefühl, mein Brustkorb müsste jeden Moment explodieren, so wie mein Herz wummerte.

„Wie lange… bist du dir dessen schon bewusst?“, fragte Johan zögernd und senkte den Blick wieder. Worauf wollte er eigentlich hinaus?

„Neulich auf dem Schuldach… da hab ich das erste Mal gedacht, dass Rei und Asuka vielleicht recht hatten“, murmelte ich. Mein Herz klopfte noch immer. Es war genauso, wie Rei gesagt hatte.

„Rei und Asuka?“, hakte Johan neugierig nach.

„Die zwei haben gleich vermutet, dass ich in dich verliebt bin, als ich ein Mädchen geworden bin. Ich… ich hab das erst für Blödsinn gehalten, aber dann habe ich langsam gemerkt, dass sie Recht hatten.“

Ich musste schlucken. „Aber dann hast du dich auf einmal so seltsam verhalten und auch noch gesagt, dass es dir ohne mich besser gehen würde... und guck dich doch an, O’Brien hat dich nur entführt, weil er mich zu dem Duell zwingen wollte, also stimmt es sogar… Wenn ich nicht wäre…“

Weiter kam ich nicht, denn Johan legte mir den Finger auf die Lippen und brachte mich damit zum Verstummen. Er schüttelte den Kopf, was mich nur noch mehr verwirrte.

„Ich bin froh, dass du da bist, okay?“, sagte er.

Das machte wieder keinen Sinn. „Aber du hast doch gesagt…“, setzte ich wieder an, aber er unterbrach mich erneut. Diesmal, indem er mit beiden Händen meine Mundwinkel nach oben zog.

„Jûdai, hör mir zu“, bat er. Ich nickte, woraufhin er wieder losließ und sich auf dem Stuhl so drehte, dass er mir eine Seite zuwandte. Er setzte mehrmals an, etwas zu sagen, bis er schließlich zu sprechen begann.

„Ich weiß ehrlich gesagt nicht, wo ich anfangen soll. Mir wird gerade klar, dass ich mich wie ein Idiot verhalten habe. Eigentlich… bin ich nämlich auch schon eine ganze Weile in dich verliebt.“

 

Ich traute meinen Ohren nicht.

„Sag das nochmal“, stammelte ich und rollte mit dem Stuhl zu ihm. Johans Wangen waren ziemlich rot, als er sich zu mir drehte, aber seine Stimme war überraschend fest und er sah mir direkt in die Augen, als er sagte: „Ich liebe dich, Jûdai.“

Ich umarmte ihn so stürmisch, dass ich ihn vom Stuhl riss und wir beide auf dem Boden landeten. Ich konnte mich gerade noch mit den Händen abstützen, um nicht mit vollem Gewicht auf ihn zu fallen.

„Jûdai, du bist echt ein Wirbelwind“, lachte Johan.

Unwillkürlich konnte ich nicht anders, als breit zu grinsen. „Ich freu mich nun mal“, sagte ich und bemerkte auf einmal Tränen in meinen Augenwinkeln. Wo kamen die denn auf einmal her?

Johan lächelte mich an und nahm mein Gesicht in beide Hände.

Er zog mich ein wenig zu sich heran, aber dann war ich es, der die letzte Distanz zwischen uns überbrückte und instinktiv meine Lippen auf seine drückte.

Es war, als würde in meinem Bauch ein Feuerwerk explodieren.

Ich spürte, dass Johan den Kuss mit sanftem Druck erwiderte. Es war ein völlig neues Gefühl, aber alles anderes als unangenehm.

 

Schließlich löste ich mich wieder von ihm und setzte mich neben ihm auf den Boden. Johan richtete sich auf und sah mich dabei an. Seine Augen strahlten regelrecht. „Jûdai…“ sagte er sanft. Aus seiner Stimme klang Erleichterung, auch wenn ich nicht so recht wusste worüber. Ich gab dem Impuls nach und küsste ihn gleich nochmal.

 

Als es an der Tür klopfte, fuhren wir erschrocken auseinander.

„Jaa?“, rief ich, stand auf und half auch Johan wieder auf die Beine.

Die Tür öffnete sich und Jim trat ein, wobei er sich arg bücken musste, weil er so groß war. In der Hand hielt er einen Stapel aus Johans normaler Kleidung.

„Hab ich euch irgendwie gestört?“, fragte er verschmitzt und warf Johan den Stapel zu.

Ich wusste nicht so recht, was ich sagen sollte, weil ich in Gedanken noch ganz woanders war.

„Ein bisschen“, sagte Johan überraschend ehrlich.

Jim pfiff durch die Zähne. „Okay, dann stör ich auch mal nicht weiter. Karen braucht some food und ein bisschen Auslauf“, erklärte er und deutete mit dem Daumen auf das Krokodil, in der Tragetasche auf seinem Rücken. Dann verschwand er auch schon wieder und zog die Tür hinter sich zu.

 

Johan stellte seinen Stuhl wieder hin und legte die Kleidung auf dessen Sitzfläche bereit, dann begann er sich auszuziehen. Ich nahm auf meinem Stuhl Platz und beobachtete ihn dabei.

„Das hab ich neulich schon gedacht, aber du bist echt ganz schön muskulös“, stellte ich fest, als er sein Hemd über die Stuhllehne hängte. Johan drehte sich zu mir um.

Beim Anblick seines nackten Oberkörpers wurde ich irgendwie nervös. Oder nein, nicht nervös, aber irgendwie kribbelig. Johan schien das auch zu merken. „Gefällt dir der Anblick?“, fragte er und breitete die Arme aus.

„Ich glaub‘ schon“, murmelte ich. Je länger ich Johan so betrachtete, umso mehr hatte ich das Gefühl, dass es im Zimmer ganz schön heiß war.

Johan drehte sich wieder um und schlüpfte in sein normales Oberteil.

„So wie du gerade hab ich mich die ganze Zeit gefühlt, wenn ich mit dir in den letzten Tagen zusammen war“, sagte Johan jetzt, während er die Schuhe auszog.

Ich runzelte die Stirn. „Du meinst so… wuschig?“

„Nenn es wie du willst. Du hast es aber auch herausgefordert! Ständig hast du dich an mich geklammert, so dass ich deine Brüste berührt habe ohne es zu wollen und dann konnte ich dir auch noch ständig unter den Rock gucken“, sagte er eilig und ohne mich anzusehen.

„Du hast gesagt, wenn ich Shorts drunter trage ist es egal, ob man mir unter den Rock gucken kann oder nicht“, erinnerte ich ihn.

„Dachte ich auch, war es aber nicht“, meinte er resigniert. „Also stand ich ständig unter Spannung wenn ich mit dir zusammen war. Praktisch den ganzen Tag. Ständig hatte ich Angst davor, dass ich die Kontrolle verliere und wer-weiß-was mit dir anstelle!“

Ich musste schlucken. Ich hatte zwar nur eine grobe Vorstellung davon, was Johan damit meinte, aber die reichte schon aus, dass mir wieder heiß wurde.

Johan ließ sich auf seinen Stuhl zurücksinken und starrte irgendwo an die Wand.

„Deshalb bin ich neulich auf dem Schuldach so schnell weggelaufen. Ich war drauf und dran, dich zu küssen, aber ich wusste ja nicht, was du davon halten würdest. Wir sind schließlich beide Jungs…“

Ich nickte langsam. Wenn ich nicht davor schon mit Rei und Asuka über das Thema gesprochen hätte, hätte ich es wahrscheinlich bestenfalls seltsam gefunden, hätte er mich plötzlich geküsst. Aber ich konnte mich des Gedankens nicht erwehren, dass es mir einige Tränen erspart hätte, wenn er es einfach trotzdem getan hätte.

 

Johan fuhr fort: „Es hat nicht viel gebracht, wegzulaufen. In der Nacht danach hatte ich einen ziemlich erotischen Traum von dir…“

Augenblicklich wurde mir wieder heiß.

Johan strich sich mit der Hand über die Augen und sprach weiter: „Nachdem ich von diesem Traum aufgewacht bin, wollte oder konnte ich nicht wieder einschlafen, ich habe die halbe Nacht wachgelegen. Ich hab mich dafür geschämt, dass ich solche Dinge träume, von dir als Mädchen. Ich hatte das Gefühl, das würde man mir sofort ansehen und ich hatte Angst davor, was du sagen würdest wenn du das erfahren würdest.Vor allem hab ich aber befürchtet, dass diese Gefühle nur daher kommen, dass du ein Mädchen geworden bist und dass ich sie nicht mehr haben würde, wenn du wieder ein Junge wärst. Was heißen würde, dass ich dich nicht als Person liebe sondern nur weil du ein Mädchen warst.“

Ich wusste nicht, was ich dazu sagen sollte und ging langsam zu Johan herüber, der die ganze Zeit in Richtung Fenster gesprochen hatte.

„Deshalb wollte ich dich auch nicht sehen und habe gesagt, dass ich ohne dich diese Probleme nicht hätte… Ich brauchte einfach Zeit, um mir darüber klar zu werden, was ich eigentlich von dir will…“

Damit drehte er sich auf dem Stuhl zu mir herum. „Aber das hat sich ja inzwischen geklärt“, verkündete er mit einem breiten Lächeln, das mich sofort auch dazu brachte, zu grinsen.

„Du hast einfach zu viel drüber nachgedacht“, stellte ich fest.

Johan stand auf und kratzte sich am Kopf. „Passiert mir leider viel zu oft“, murmelte er und entledigte sich schlussendlich auch der weißen Hose, die er auf der Party getragen hatte, um wieder in die gewohnte schwarze mit den dunkelvioletten Streifen zu schlüpfen.

Während er seine Stiefel anzog und die braunen Stulpen darüber zog kam mir der Gedanke, dass das wohl der Punkt war, in dem wir uns am meisten unterschieden. Wo Johan sich wie in diesem Fall zu viele Gedanken machte, machte ich mir meistens eher zu wenig. Aber das hieß ja auch, dass wir uns gut ergänzen konnten, oder?
 

Johan war jetzt fertig mit Umziehen und stand auf.

„Jetzt habe ich aber wirklich Hunger. Sollen wir mal nachschauen, wie weit Asuka schon ist?“, schlug er vor. Das klang gut.

 

Der Geruch, der den Speisesaal erfüllte, als wir ihn betraten, war schon einmal extrem vielversprechend. Bis dahin hatte ich mich nicht einmal besonders hungrig gefüllt, aber auf einmal lief mir das Wasser regelrecht im Mund zusammen.

„Ist das Essen schon fertig?“, rief ich in Richtung Küche, während wir uns dieser näherten. Asuka tauchte in der Durchreiche auf. „Noch nicht ganz“, erklärte sie. „Aber ich glaube, Spanner wie du haben meine Lunchbox auch gar nicht verdient.“

Ich zuckte zusammen.

„Du bist mir immer noch böse?“, fragte ich kleinlaut. 

Asuka drehte sich wieder um, um irgendwas in der Pfanne zu wenden, das dort verführerisch vor sich hin brutzelte. „Natürlich, du hast dich ja auch noch nicht entschuldigt“, sagte sie kühl.

Ich sah hilfesuchend Johan an. „Du solltest dich wohl entschuldigen“, sagte er nur. Also gut.

„Es tut mir leid! Bitte verzeih mir! Ich tu’s nie wieder!“, rief ich theatralisch und machte eine tiefe Verbeugung.

„Das hoffe ich doch“, sagte Asuka. Sie klang tatsächlich schon sehr viel versöhnlicher.

Ich richtete mich wieder auf. Zu meiner Überraschung lächelte sie sogar.

„Ich schätze, da du dich offensichtlich nicht für Frauen interessierst, kann ich dir auch nicht wirklich böse sein“, sagte sie und drehte sich dann wieder zum Herd, wo sie mit einer Schöpfkelle frisch frittierte Garnelen aus einem Topf fischte und über vier große Lunchboxen verteilte, die daneben standen.

„Wie meinst du das?“, fragte ich verwirrt. Neben mir hörte ich Johan leise kichern.

Asuka drehte sich wieder um. „Du hast doch vorhin gesagt, dass du in Johan verliebt bist. Das heißt doch, dass du schwul bist, oder?“

Ich errötete. Ich hatte schon wieder völlig vergessen, dass ich Johan meine Liebe vorhin vor Zeugen gestanden hatte und auf einmal war mir das ein wenig peinlich.

Asuka erwartete scheinbar auch keine großartige Antwort, stattdessen stellte sie jetzt die vier Lunchboxen in die Durchreiche. Alle vier waren gleich und sahen extrem lecker aus, vor allem wegen der frittierten Garnelen, die jeweils oben auf dem Reis thronten. „Na los, greift zu“, sagte Asuka großzügig. Das ließen wir uns nicht zweimal sagen.

 

Asuka erzählte uns beim Essen ein wenig über die Ereignisse der letzten Nacht und so erfuhr ich auch endlich, warum sich Shô am Vorabend mit Amon duelliert hatte. Offenbar hatte er geglaubt, dieser hätte etwas mit den vielen entkräfteten Schülern zu tun, die schon in den Tagen davor aufgetaucht waren und auch, dass es eine Verbindung dieser Ereignisse zu meinem plötzlichen Verschwinden gab. Offenbar war die Geschichte mit der kranken Mutter nicht so überzeugend gewesen, wie ich gedacht hatte.

Später erfuhr ich von O’Brien auch noch, dass es Amon gewesen war, der mein Deck aus Samejimas Büro gestohlen hatte. Später hatte er es O’Brien zusammen mit der Information über Jûjikas wahre Identität übergeben. Offenbar hatte er mich und Johan irgendwann mal belauscht und so mitbekommen, wer ich wirklich war.

 

Als wir gerade bei den letzten Bissen waren, kamen dann auch Kenzan, Jim und – zu meiner Überraschung – auch Shô zu uns, der schon wieder recht fit aussah.

„Aniki!“ Shô ließ es sich nicht nehmen, sofort zu mir zu eilen. Sekundenlang sah er mich freudig an, dann verschränkte er die Arme. „Du hast uns ganz schön hinters Licht geführt“, sagte er streng. Offenbar hatte Kenzan ihn bereits aufgeklärt, was mir wenigstens lange Erklärungen ersparte.

Ich lachte verlegen. „Sorry, wirklich. Ich tu’s nie wieder.“

„Und eigentlich ist das alles meine Idee gewesen, also wenn du jemandem dafür böse sein willst, dann mir“, mischte sich Johan ein.

Shô warf ihm einen bösen Blick zu. „Das hätte ich mir denken können“, sagte er spitz. An seiner Abneigung gegenüber Johan hatte sich wohl nicht viel geändert. Da sollte ich ihm wohl nicht auch gleich noch auf die Nase binden, dass Johan und ich jetzt gewissermaßen ein Paar waren.

„Wir sind aber auch selber schuld, dass wir drauf reingefallen sind“, mischte sich Kenzan ein, was ihm nur noch einen fiesen Blick von Shô einbrachte. Offenbar ärgerte er sich selbst, dass er mich nicht wiedererkannt hatte, was ich irgendwie verstehen konnte.

„Bei Rei solltest du dich auch noch entschuldigen, wenn sie wieder aufgewacht ist“, sagte Asuka. Ich nickte sofort.

„Versprochen“, sagte ich. „Und bei Fubuki muss ich mich später unbedingt bedanken. Und bei Manjôme…“ Ich drehte mich zu Johan um. „Er hat sich doch mit dir duelliert, wer hat da eigentlich gewonnen?“, fragte ich neugierig.

Johan grinste. „Er war zwar gut, aber nicht gut genug. Vielleicht sollte er sich mal mehr mit seinen Monstern anfreunden statt sich mit ihnen zu streiten“, meinte er nur. 

 

Dann ergriff Jim das Wort, um die Konversation wieder in Richtung der aktuellen Lage zu lenken.

„Es sieht alles pretty bad aus. Mister Samejima ist immer noch abwesend. Allerdings haben wir jetzt eine Spur, wo Professor Cobra sein könnte.  Ich war vorhin bei Amon, weil er endlich aufgewacht ist, und er meinte, er hätte Cobra und O’Brien mal zu einer technischen Anlage mitten im Wald gehen sehen. Wisst ihr anything darüber?“

Ich war ehrlich gesagt ratlos. Shô und Asuka allerdings sahen sich an. „Vielleicht meinte er das SAL-Labor“, erklärte Shô schließlich.

„Ein Labor? Hier auf der Insel?“, fragte Johan verblüfft.

Asuka nickte. „Jûdai, erinnerst du dich nicht? Im ersten Schuljahr hast du dich mit einem Affen duelliert, der aus dem SAL-Labor geflohen war.“

Ich schlug mir mit der Faust auf die Handfläche. „Natürlich erinnere ich mich! Der hatte ein paar coole Strategien drauf!“

Kenzan war beeindruckt: „Ein Affe? Ist ja saurierstark!“

 

„Darum geht es jetzt nicht“, erinnerte Asuka ihn und verschränkte die Arme. „Wir müssen annehmen, dass Cobra dort ist. Und O’Brien ist immer noch nicht zurück. Was, wenn ihm etwas passiert ist?“

Ich stopfte mir die letzte frittierte Garnele in den Mund und sprang auf. „Okay, dann gibt es nur eins! Wir gehen selbst da hin und sorgen dafür, dass Cobra keinen Schülern mehr Energie stiehlt!“

Alle Anwesenden stimmten mir umgehend zu.

„Wir sollten los, solange the sun noch nicht untergegangen ist“, schlug Jim vor.

Dagegen gab es nichts einzuwenden. Wir alle standen auf. Groß vorzubereiten gab es nichts mehr, unsere Duel Disks und Decks hatten wir alle dabei. Jim verließ den Raum als erster. Ich wollte eilig folgen, doch Johan hielt mich am Handgelenk fest und wartete dann, bis alle anderen draußen waren. „Wir kommen gleich nach!“, rief er ihnen zu.

 

Wir sahen uns an. „Ich kann’s kaum erwarten, dem Kerl die Meinung zu geigen“, kündigte ich an. Johan lächelte. „Ich habe irgendwie nichts anderes von dir erwartet.“

Damit küsste er mich zärtlich. Ich erwiderte den Kuss, auch wenn ich mir dabei nach wie vor ziemlich ungeschickt vorkam.

„Irgendwie erleichtert mich das“, sagte Johan. „Du hast dich zwar zurückverwandelt, aber meine Gefühle sind gleich geblieben.“

Ich legte den Kopf schief und sah ihn an. „Warum soll das denn auch einen Unterschied machen?“

Johan zuckte die Achseln. „Stimmt, das war eine blöde Bemerkung“, murmelte er und küsste mich nochmal. Dann nahm mein Gesicht in die Hände und grinste. „Wenn wir das mit Cobra hinter uns haben, machen wir an dieser Stelle weiter, hm?“

Ich spürte, wie die Hitze in meine Wangen stieg und nickte eilig.

Hand in Hand verließen wir den Raum und setzten uns ganz an die Spitze der kleinen Gruppe, die es diesem Energieräuber Cobra mal so richtig zeigen würde!

 

In meinem Optimismus damals ahnte ich natürlich nicht, dass das alles nicht so einfach werden würde, wie ich mir das vorstellte. Und dass ich mich bald dem Wesen aus meinen Träumen und einer damit zusammenhängenden verdrängten Episode aus meiner Vergangenheit würde stellen müssen. Aber das ist nun wirklich eine andere Geschichte.

 

***

 

Wer wissen will, wie es ab da weitergeht, schaut einfach Yu-Gi-Oh! GX ab Episode 113, die Story ist nämlich so konzipiert, dass es danach quasi genau so wie in der Serie weitergehen kann.


 

***

Demnächst kommen noch ein paar Fanarts von mir und das war's dann mit dieser Story. Das war von Anfang an so geplant, tut mir leid. Ich hoffe, die Story hat euch trotzdem gefallen.
 

Ich bedanke mich bei allen Lesern für's Lesen und Kommentieren, bei Elaine_Eden für wertvolle Anregungen zum Epilog, bei Ditsch für's Betalesen und bei Skyrider für seine allgemeine Unterstützung! 



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu dieser Fanfic (28)
[1] [2] [3]
/ 3

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  hAyLeY9pOtTeR
2012-11-12T21:43:46+00:00 12.11.2012 22:43
wow schon zu ende? ach und was ist mit dem mädchen in rosa? frag mich, warum sie judai anfangs bei der geschichte in ein weib verwandelt hat? armor ist sie auf jeden fall nicht!
beim story:
süss endlich gestehen johan und judai die liebe zueinander! <3 <3
asuka mag zwar noch wütend sein wegen judai, aber dafür hat er sich entschuldigt. aber eines hat die obeliskblueschülerin heraus gefunden, dass dass judai schwul ist! es hat mir super gefallen der story! ^O^ und finde es schade, dass es fertig ist! :( spiritshipping ist DAS dreampairing in ganz ygo gx!!! :D :D <3 <3
Von:  Raishyra
2012-11-06T16:45:39+00:00 06.11.2012 17:45
Ich kann ShinoYuta nur zustimmen xD
Ich mag eigentlich auch kein shonen-Ai^^", aber die Story war sehr schön geschrieben und man konnte sich gut in Jaden hinein versetzen ;3

*Like-Button drück* xD
Von:  ShinoYuta
2012-11-05T23:23:50+00:00 06.11.2012 00:23
hammer story!
ich steh zwar gar nicht auf shonen-ai, aber bei jaden und jesse ist das irgendwie was anderes :D
schade, dass es schon zu ende ist. es war mega spannend und ich habe echt rein gar nichts auszusetzen <3
Von:  fahnm
2012-11-05T23:13:36+00:00 06.11.2012 00:13
Gelungenes Ende.
Ich muss mwohl mal wieder die GX Folgen ansehen.^^
Von:  hAyLeY9pOtTeR
2012-11-04T16:01:14+00:00 04.11.2012 17:01
mann echt spannend, was da ablief!^^ oje, jetzt bekamen es die anderen mit, dass jujika judai ist! asuka reagiert aber nicht erfreut, über die entlarvung! scheisse! >.< dann noch nen ohrfeige verpasst! jim versucht johan zu retten aus o briens hinterhalt! komisch... später hielt der dunkelhäutiger anderson nicht mehr gefangen! warum denn das? ist doch schön dass judai wieder er selbst! und dass er noch in dem weiberfummel steckt! echt brüllend komisch! xDD ich bin mega gespannt, was dann als nächstes passieren wird!
Von:  hAyLeY9pOtTeR
2012-11-04T15:18:17+00:00 04.11.2012 16:18
judai wäre ohne sein e-hero deck nicht er selbst! chronos und napoleon fanden heraus, wer er in wirklichkeit ist! geht halt nicht anders! man muss halt etwas dagegen machen, um einen freund zu retten, der ihm so richtig bedeutet! in dem aufzug würde ich verstehen, dass es unpraktisch ist in ein eleganten kleid rum zu laufen, plus noch mit stöckelschuhen! >.<
Von:  fahnm
2012-10-31T21:52:57+00:00 31.10.2012 22:52
Hammer Kapi^^
Ich habe aber das gefühl das er bald wieder ein Mädchen sein wird.
So schnell kann er doch nicht wieder ein Junge werden.
Freue mich schon aufs nächste kapi.^^
Von:  Raishyra
2012-10-31T12:27:51+00:00 31.10.2012 13:27
Schade, das er kein mädchen geblieben ist xDD
Nun ja, aber allein der Gedanke an ihm im Kleid ist einfach herrlich lustig xDD
Super gemacht ~ :3
Von:  fahnm
2012-10-25T21:30:52+00:00 25.10.2012 23:30
Yeah^^

Er/Sie hat das richtige Deck wieder.
Bin mal gespannt wie Jujika es den anderen erklären will.
Ausser sie erzählt das sie des selbe Deck wie Jaden verwendet.
Freue mich schon aufs nächste kapi.^^
Von:  Raishyra
2012-10-24T10:22:29+00:00 24.10.2012 12:22
Uhh, cool *-*

Endlich hat Judai sein/ihr Deck wieder! ^o^

Nun zeig es O´brien!

Wirklich wieder ein gelungenes Kapi^^

Ich glaube nur am Anfang ist Duel Academia oder wie es auch geschrieben wird, da fehlt ein leerrzeichen^^


Zurück