Mädchenherz♥ von Jitsch (Ein unfreiwilliger Geschlechterwechsel für Jûdai und seine Folgen) ================================================================================ Kapitel 6: Mädchen können Helden sein! -------------------------------------- Das Duell befand sich erst im zweiten Zug, doch eines hatte ich bereits begriffen: O’Brien war ein feuriger Duellant, vor dem man sich in Acht nehmen musste. Vor allem aber musste ich mich beeilen, denn Johan konnte jederzeit in die Tiefe stürzen. Und natürlich stand mein Leben auf dem Spiel.   Aber daran dachte ich die meiste Zeit gar nicht.   Das Monster grinste. Die Flammen breiten sich aus und hüllten es im nächsten Moment komplett ein. In diesem Zustand sprang es über Dark Brightman hinweg und rammte mich, so dass ich aufschrie und mehrere Schritte nach hinten stolperte. Beinahe wäre ich dabei in dem langen Kleid gestolpert. Meine Lebenspunkte fielen auf 3000.    Kapitel 6. Mädchen können Helden sein!   Es war immer wieder faszinierend, wie täuschend echt das Solid Vision System einem vorgaukelte, durch den direkten Angriff eines Monsters Schmerzen zu erleiden. „Jûdai!“, schrie jemand entsetzt, als ich getroffen wurde. Nachdem sich der Fire Trooper aufgelöst und ich das Gleichgewicht wiedergefunden hatte, sah ich auch schnell, woher der Ruf gekommen war. Johan musste zu sich gekommen sein, ohne dass es jemand von uns bemerkt hatte. Er sah verwirrt aus, aber vor allem besorgt. „Johan! Alles in Ordnung, ich hol dich da runter!“, rief ich ihm zu.   „Wait a second… hat er gerade >Jûdai< gesagt?“, fragte hinter mir Jim. „Er ist bestimmt noch nicht ganz wach“, meinte Asuka leise. „Nein, ich glaube… Ich glaube er hat Recht!“, widersprach Kenzan aufgeregt. „Ich kenne meinen Aniki! Keiner kann so sauerierstark mit den E-HERO-Karten umgehen wie Jûdai! Du bist es, Mann!“ Ich drehte mich zu den dreien um. „Jetzt ist es raus“, grinste ich und kratzte mich verlegen am Kopf.   Während Jim nur verblüfft seinen Hut zurechtrückte, sah Asuka auf einmal sehr wütend aus. „Du bist das? Schon die ganze Zeit?!“, zischte sie. „Äh, ja“, sagte ich. „Sorry, dass wir euch angelogen haben.“ Im nächsten Moment wurde ich von einer schallenden Ohrfeige zu Boden geschleudert. Die tat deutlich mehr weh als der vergangene Angriff des Monsters.   „Wo- wofür war das denn?“, stammelte ich und hielt mir die Wange. Asuka stemmte die Hände in die Hüften. „Wofür!? Wir haben zusammen gebadet, du perverses Schwein!“ „Ich… ich bin doch nicht mit euch baden gegangen, weil ich euch nackt sehen wollte“, protestierte ich und kam wieder auf die Beine. Asukas Blick nach zu urteilen stellte sie das nicht zufrieden. Schon hatte ich Angst vor einer weiteren Ohrfeige. „Girls, please“, intervenierte Jim und zog Asuka zur Seite. „Diskutiert das später! Johan schwebt in Lebensgefahr!“ Ich nickte und nahm wieder eine Kampfposition ein. „Ich spiele zwei Karten verdeckt und beende meinen Zug“, sagte O’Brien, der offenbar damit gewartet hatte, bis ich wieder auf das Duell achtete.   „Okay, ich bin dran! Draw!“, rief ich und zog eine Karte. Es war mein Ass, E-HERO Neos. „Auf dich hab ich gewartet, mein Freund“, grinste ich und sah O’Brien entschlossen an. „Ich aktiviere die Zauberkarte Fusion auflösen! Damit hole ich NecroDarkman und Sparkman zurück aufs Feld!“ Wortlos löste sich Dark Brightman auf und die beiden Helden, aus denen er entstanden war, landeten wieder vor mir auf der Wiese. „Ich opfere die beiden sofort wieder und beschwöre E-HERO Neos!“ Kampfbereit erschien der weiße Krieger. „Es freut mich, wieder bei dir zu sein“, sagte er zu mir. „Ja, mich auch“, entgegnete ich lächelnd. „Also los, zeig’s ihm! Neos, greif O’Brien direkt an!“   Der Held stürmte los, aber so einfach machte es mir mein Gegner natürlich nicht. „Ich aktiviere meine permanente Fallenkarte Fire Wall! Damit kann ich den Direkten Angriff eines Monsters stoppen, indem ich ein Monster vom Typ Pyro von meinem Friedhof aus dem Spiel verbanne!“ Eine Wand aus Feuer schoss augenblicklich aus dem Boden und warf Neos hart zurück. „Verdammt!“, stieß ich aus. Dass die Fallenkarte permanent war, hieß, dass O’Brien mich immer wieder würde stoppen können, solange er noch Monster auf dem Friedhof hatte. Wie viele waren das bis jetzt noch gleich gewesen? Ich öffnete den Mund um zu sagen, dass mein Zug beendet war, als Johan nach mir rief: „Jûdai, bitte hör auf!“ Ich war gerade so gut im Duell drin gewesen. „Die Edelstein-Bestien sagen, dass du sterben könntest, wenn du dich duellierst! Also bitte hör auf“, rief Johan schwach. Er schien noch ziemlich erschöpft zu sein. „Tut mir leid, Johan, aber ich hab das Duell angenommen. Und ein Duell ziehe ich immer bis zum Ende durch! Außerdem würde er dich abstürzen lassen, wenn ich jetzt einfach aufgebe!“ „Allerdings“, bestätigte O’Brien. Ich konnte Johan nicht gut sehen, weil zwischen mir und O’Brien, der immer noch direkt vor dem Baum an der Klippe stand, mehrere Meter lagen. Aber ich meinte, zu erkennen, dass er sich auf die Lippen biss. „Jûdai, ich... ich hab es nicht verdient, dass du das für mich riskierst…“ Seine Worte waren jetzt so schwach, dass ich Mühe hatte, sie zu hören. „Ob du das verdient hast oder nicht ist ja wohl meine Entscheidung!“, rief ich und pochte mir auf die Brust. „Außerdem hast du selber gesagt, dass du ohne mich besser dran wärst! Dann komm jetzt nicht damit an, dass du dir Sorgen um mich machst!“ Dass Johan diese Worte betroffen zur Kenntnis nahm, konnte ich auch aus der Entfernung sehen. Sofort fühlte ich mich mies. Er setzte an, etwas zu sagen, doch O’Brien hatte jetzt scheinbar genug. „Beende endlich deinen Zug!“, fuhr er mich an und fuchtelte drohend mit der Fernbedienung, die Johan jederzeit zum Absturz bringen konnte. Ich nickte eingeschüchtert. „Ich beende meinen Zug.“   O’Brien steckte sich die Fernbedienung an den Gürtel und zog. „Als erstes muss ich 500 Lebenspunkte zahlen, damit Fire Wall auf dem Feld bleiben kann“, erklärte er seelenruhig. Damit war er auf 3500 runter. „Ich aktiviere jetzt den Effekt von Volcanic Bullet auf meinem Friedhof. Indem ich weitere 500 Lebenspunkte bezahle, kann ich eine zweite Volcanic Bullet Karte aus meinem Deck auf die Hand nehmen.“ Ich schluckte. Was als nächstes kommen würde, war leicht vorherzusehen. „Jetzt opfere ich Volcanic Bullet von meiner Hand, um den Effekt von Blaze Cannon zu aktivieren! Blaze Cannon, Feuer eröffnen auf Neos!“ Der Feuerstrahl fraß sich durch mein Monster, das mit einem entsetzlichen Schrei verschwand. „Verzeih mir“, flüsterte es noch. „Oh-oh!“, hörte ich Asuka hinter mir sagen. „Das sieht verdammt nochmal not well aus“, fand auch Jim. Von Kenzan ertönte dagegen ein gurgelndes Knurren, das mich zusammenzucken ließ. „K- Kenzan-kun? Was ist los?“, hörte ich Asuka erschrocken fragen. Aber ich musste mich jetzt auf das Duell konzentrieren! O’Brien war jedoch scheinbar fertig mit seinem Zug. „Letztlich ist dein Krieger Neos also gefallen, ohne einen Nutzen zu haben“, stellte er fest. „Auch das ist das Schicksal eines Söldners. Ich setze eine Karte und beende meinen Zug.“   „Dino-Boy, bleib ruhig!”,rief Jim. Jetzt drehte ich mich doch um. Kenzan sah nicht gut aus. Seine Augen waren geweitet und seine Pupillen hatten sich zu reptilartigen Schlitzen verengt. Offenbar hatte irgendwas die Dinosaurier-DNA in seinem Blut aktiviert. Gleichzeitig schlug auch das Krokodil auf Jims Rücken heftig mit dem Schwanz. „Damn!“, knurrte Jim. „Tomorrow-Girl, halt Dino-Boy die Augen zu!“ Mit „Tomorrow-Girl“ meinte er offenbar Asuka, denn die versuchte sofort, die Anweisung umzusetzen. Es endete darin, dass Kenzan sie aggressiv zurückstieß. Sie stolperte und fiel. Jim war es in der Zwischenzeit aber gelungen, dem Krokodil auf seinem Rücken die Augen mit dem Tuch zu verbinden, das er sonst um den Hals trug. Das schien das Reptil zumindest ein wenig zu beruhigen. Beherzt stürzte er sich danach auf Kenzan. „Jûdai-kun, du musst dich auf das Duell konzentrieren!“, rief Asuka, als sie wieder auf die Beine kam. „Aber was geht hier vor sich!?“, rief ich verwirrt. Jim schaffte es, Kenzan einen Arm auf den Rücken zu drehen und ihn mit der Brust ins Gras zu drücken. „Das sind die Electromagnetic Waves!“, rief er. Ein plötzliches Zucken, das über den ganzen Körper des Krokodils lief, riss ihm den Hut vom Kopf. „Sie sind so strong, dass sie die beiden Reptilien hier total durcheinanderbringen!“ Asuka trat neben Jim und sah mich sehr besorgt an. „Je stärker die Wellen, desto mehr Energie verliert ihr nach dem Duell“, erklärte sie. Ich schluckte.   „Jûdai, das darfst du nicht tun! Du musst das Duell sofort abbrechen!“, schrie Johan verzweifelt von der Klippe aus. „Hört doch mal alle auf, mir da reinzureden! Ich sagte doch schon, ein einmal begonnenes Duell breche ich nicht einfach ab!“, rief ich aufgebracht. „Aber… Jûdai… ich will dich nicht verlieren, verdammt! Ich…“, rief Johan, dann versagte ihm die Stimme. Auf die Entfernung war es schwer zu erkennen, aber es sah so aus, als würde er weinen. Das ergab doch alles keinen Sinn!   „Jetzt hör mir mal zu, Johan!“, schrie ich.„Vor zwei Tagen hast du mir noch gesagt, dass ich am besten verschwinden soll, damit es dir besser geht! Also sag jetzt nicht einfach das genaue Gegenteil! Ich… ich hab mittlerweile kapiert, dass du nicht mit mir befreundet sein willst, aber das heißt noch lange nicht, dass ich dich hier abstürzen lasse, nur damit ich nicht vielleicht sterben muss!!“ Ich holte tief Luft, dann sprach ich weiter. „Und weißt du auch warum? Weil ich mich in dich verliebt habe!“   Jetzt war es raus. Irgendwie fühlte es sich befreiend an, es Johan endlich persönlich gesagt zu haben. Niemand sagte etwas.Nur das Sirren der Säge, die nach wie vor den sprichwörtlichen Seidenen Faden bedrohte, an dem Johan hing, war zu hören.   „Okay, das reicht jetzt“, sagte O’Brien und zückte einmal mehr die Fernbedienung. „Du bist am Zug, Jûdai Yûki.“ Ich nickte. Jetzt, wo ich alles gesagt hatte, was mir durch den Kopf ging, konnte ich mich vielleicht endlich ohne Unterbrechung auf das Duell konzentrieren. „Was ist mit dir, O’Brien?“, fragte ich einem spontanen Gedanken folgend, als ich meine Karte zog. „Willst du sterben? Du wusstest doch sicher, was es bedeutet, dich mit mir zu duellieren!“ „Ich aktiviere die Fallenkarte Draw Bomb. Wenn mein Gegner eine oder mehrere Karten aus dem Deck zieht, kann ich ihm 1000 Lebenspunkte Schaden zufügen“, war seine einzige Antwort. Pulverfässer tauchten urplötzlich als Hologramme um mich herum auf. Es gab einen lauten Knall. Als sich der Qualm verzogen hatte, waren meine Lebenspunkte nunmehr auf 2000 gefallen. Diesmal schrie Johan nicht. Dafür bemerkte ich, dass Jim sich langsam in Richtung Klippe schlich. Er fing meinen Blick auf und legte eilig einen Finger auf die Lippen. Ich nickte unmerklich und sah O’Brien wieder an. Umdrehen wollte ich mich nicht, obwohl ich mich fragte, wer Kenzan jetzt festhielt. Wahrscheinlich Asuka. „Du willst mir wohl keine Antwort geben?“, fragte ich. „Also gut. Ich spiele ein Monster verdeckt im Verteidigungsmodus und beende meinen Zug.“ Das war in dem Moment sowieso meine einzige Option.   O’Brien zog eine Karte und nahm schweigend zur Kenntnis, wie seine Lebenspunkte erneut um 500, diesmal auf 2500, fielen, damit Fire Wall aktiv bleiben konnte. „Ich aktivere noch einmal den Effekt von Volcanic Bullet auf dem Friedhof um die dritte und letzte Volcanic Bullet Karte aus meinem Deck auf die Hand zu nehmen“, erklärte er und nahm die Karte aus dem Stapel. Natürlich behielt er sie nicht lange in der Hand: „Und mit ihr füttere ich wieder Blaze Cannon! Feuer auf die verdeckte Monsterkarte!“ Ein erneuter Feuerstrahl landete auf meiner Seite des Feldes und zerriss die Karte in der Luft. Allerdings hatte ich damit gerechnet. „Das verdeckte Monster war Dandylion! Wenn er auf den Friedhof geschickt wird, kann ich an seiner Stelle zwei Flaum-Token im Verteidigungsmodus spezialbeschwören!“ Auf meiner Seite des Feldes materialisierten sich zwei kleine Löwenzahn-Samen, die dabei ein leises Quieken von sich gaben. „Gut pariert, aber ich frage mich, ob dein verzweifeltes Verteidigen zu irgendwas führen wird“, sagte O’Brien ruhig. Ich dagegen fragte mich langsam, ob er vorhatte, mich irgendwann auch noch mal mit Monstern anzugreifen. Bisher hatte er meine Lebenspunkte allein durch seine Karteneffekte reichlich dezimiert. Dieser Stil gefiel mir nicht. Dann bemerkte ich, dass Jim sich anschickte, auf den Baum zu klettern, an dem Johan hing. O’Brien hatte noch nichts bemerkt.   „Dafür, dass du so tust als würde es dir nichts auszumachen, zu sterben, bist du ganz schön feige!“, rief ich, um die Aufmerksamkeit meines Gegners auch weiterhin gefangen zu halten. „Feuerst aus der zweiten Reihe auf mich! Wieso lässt du keine Soldaten antreten? Hast du etwa Angst um sie?“ „Ganz und gar nicht“, entgegnete O’Brien und legte eine Karte verdeckt ab. Aber seine Handbewegung wirkte unsicherer als zuvor. „Okay, ich bin wieder dran! Mach dich auf was gefasst!“, rief ich und zog. Ein Blick auf die Karte ließ mich lächeln. „Das ist genau, was ich jetzt brauche!“, verkündete ich. „Du scheinst sehr viel Glück zu haben“, stellte O’Brien fest. „Ja, das kann sein!“, rief ich und legte die gezogene Karte aufs Feld. „Ich aktiviere die Zauberkarte Neospacia Wave! Wenn in meinem Deck mehr Neo Space Monster sind als ich auf dem Feld habe, was definitiv der Fall ist, kann ich alle meine Monster vom Feld auf den Friedhof schicken und durch zufällige Neo Space Monster ersetzen!“ Die beiden kleinen Löwenzahnsamen lösten sich in einem Strudel aus Farben auf, während ich die in meinem Deck zuoberst liegenden beiden Neo Space Monster heraussuchte. Währenddessen warf ich einen kurzen Blick zu Jim. Der schien jedoch Probleme damit zu haben, dass das sich drehende Sägeblatt Funken genau in seine Richtung sprühte. Außerdem war das Seil, an dem Johan hing zu lang, als dass Jim ihn mit der Hand erreichen konnte. Gleichzeitig bemerkte ich auch, dass die Sägezähne dem tragenden Seil, an dem Johan hing, schon gefährlich nahe gekommen waren. „Ich rufe jetzt Neo Space Air Hummingbird und Neo Space Aqua Dolphin!” Mit einem lauten „Wo-hoo, jetzt komme ich!“, erschien der rote Vogelkrieger auf dem Feld. Sein blauer Kollege war ein bisschen weniger übermütig und nickte mir ermutigend zu, als er auf dem Rasen landete. „Ich aktiviere den Effekt von Air Hummingbird. Für jede Karte in der Hand meines Gegners bekomme ich 500 Lebenspunkte.“ „Auf geht’s!“, frohlockte das Monster und hüpfte zu O’Brien hinüber, aus dessen beiden Handkarten zwei große, rote Blumen sprossen, die mein Monster eine nach dem anderen mit seinem langen Schnabel aussaugte. „Mit 3000 Lebenspunkten hat er erstmal wieder etwas Luft“, stellte Asuka hinter mir fest. „Ist das wirklich gut?“, fragte Kenzan, dessen Stimme leicht gedämpft klang. „Es geht doch gar nicht drum, wer gewinnt. Je länger das Duell geht, umso mehr Energie für Cobra, oder?“ „Kenzan-kun… du bist wieder bei Besinnung?“ „Ja, ich glaub schon. Ich fühl mich nicht mehr so aggressiv wie gerade eben noch.“ „Jûdai-kun, hast du das gehört? Du solltest das Duell jetzt zu Ende bringen, solange die Wellen schwach sind!“  „Hatte ich sowieso vor!“, erklärte ich. „Los, Air Hummingbird, Aqua Dolphin, greift O’Brien direkt an!“   Der Söldner lächelte schmal. „Tut mir leid, aber ich habe hier immer noch meine Fire Wall. Ich muss nur zwei Pyro-Monster vom Friedhof aus dem Spiel entfernen und ich kann sie beide aufhalten!“ Die Flammen fauchten laut, als sie meine beiden Monster zurückschleuderten. „Uiuiui, Heiß!“, rief Air Hummingbird. „Das macht nichts, nächstes Mal kriege ich dich!“, verkündete ich. Viele Monster konnte er jedenfalls nicht mehr auf dem Friedhof liegen haben. „Ich beende meinen Zug.“   O’Briens Blick wirkte ein wenig gedankenverloren, als er seine Karte zog. Seine Lippen bewegten sich zu einem kurzen Wort. Dann sah er mich entschlossen an und griff nach der Fernbedienung an seinem Gürtel. Ich zuckte zusammen, ebenso wie Jim, der es immer noch nicht geschafft hatte, Johan irgendwie von dem Baum zu bekommen. „Das brauche ich jetzt nicht mehr“, sagte O’Brien zu meinem Erstaunen jedoch und drückte einen Knopf. Das sirrende Geräusch der Säge, das die ganze Zeit unbewusst unser Duell untermalt hatte, verstummte. „Ich wusste es! Du bist kein schlechter Kerl!“, rief ich. Johan und Jim sahen, soweit ich das erkennen konnte, erleichtert aus, aber keiner von beiden sagte ein Wort. O’Brien sah mich ernst an. „Ich glaube, ich habe jetzt begriffen, dass es nicht die Aufgabe eines Söldners ist, sich freiwillig auf die Schlachtbank zu begeben“, sagte er lediglich und musterte seine Karten. Seine Lebenspunkte fielen erneut um 500, auf nur noch 1500, da er Fire Wall weiter auf dem Feld beließ. Später erfuhr ich, dass O’Brien sich während des Duells plötzlich an seinen Vater hatte denken müssen. Dieser hatte ihm zwar beigebracht, dass ein Söldner den Anordnungen seines Auftraggebers Folge leisten muss, aber auch das Recht hat, sein eigenes Leben zu beschützen. Und das hatte ihn dazu bewegt, das Duell möglichst schnell beenden zu wollen, solange die elektromagnetischen Wellen schwach waren.   „Ich beschwöre Volcanic Buckshot!“, verkündete er und ließ ein Monster erscheinen, das aussah wie drei ineinander verwachsene Volcanic Bullets. Genau wie diese war es von lodernden Flammen umgeben. Das Monster hatte nur 500 Angriffspunkte, war also schwächer als Aqua Dolphin mit seinen 600 und Air Hummingbird mit seinen 800 Angriffspunkten. Allerdings hatte O’Brien auf seiner Feldseite noch eine verdeckte Fallenkarte in Reserve. „Endlich kommt mal ein Monster!“, rief ich. O’Brien konzentrierte sich jedoch schon auf sein nächstes Vorhaben: „Ich aktiviere die Zauberkarte Fire Soul, die ich vorhin gesetzt hatte. Wenn ich sie aktiviere, darfst du als erstes eine Karte ziehen.“ Ich zog. Es war E-HERO Edgeman, ein starkes 7-Sterne-Monster. Wenn ich meine beiden Neo Space Monster dafür opferte, würde ich ihn rufen können. „Nun zum Effekt von Fire Soul. Indem ich ein Monster aus meinem Deck aus dem Spiel entferne, kann ich dir die Hälfte von dessen Angriffspunkten als Schaden von den Lebenspunkten abziehen. Ich entferne Volcanic Devil aus dem Spiel, ein Monster mit 3000 Angriffspunkten!“ „Wow“, pfiff ich durch die Zähne. Auf O’Briens Feldseite materialisierte sich ein drachenartiges Wesen mit roter, von Blasen übersäter Haut, das in einer schwarzen Rüstung steckte. Aus seinem Helm stieg dichter, roter Qualm auf. Im nächsten Moment loderten um das ganze Monster herum Flammen auf. Es stürzte sich direkt auf mich und ich konnte nur noch schützend die Arme hochreißen. „Jûdai!“, hörte ich Johans Aufschrei, als ich von der Attacke getroffen rückwärts stolperte. Meine Lebenspunkte fielen schlagartig wieder auf 1500. Damit herrschte jetzt Gleichstand.   Als ich mich wieder gefangen hatte, sah ich, dass Johan in Sicherheit war. Er hockte neben Jim auf dem Baumstamm und winkte mir zu. Ich winkte erleichtert zurück.   „Eine Geisel brauche ich jetzt eh nicht mehr. Lass es uns zu Ende bringen“, rief O’Brien mir zu. Ich nickte. Er war wirklich ein grandioser Gegner, das musste ich ihm lassen. „Weil ich Fire Soul aktiviert habe, kann ich diese Runde nicht angreifen. Allerdings aktiviere ich noch eine Zauberkarte: Blaze Cannon – Trident, und zwar indem ich Blaze Cannon auf den Friedhof schicke!“ Die kleine Kanone verschwand und an deren Stelle landete ein mächtiges Gerät, das mit drei langen Abschussrohren ausgerüstet war. „Ich kann ein beliebiges Pyro-Monster opfern um die Kanone zu laden! Also schicke ich Volcanic Revolver von meiner Hand auf den Friedhof!“ Ein zweibeiniger, kugelförmiger Roboter erschien und wurde in die Kanone gesaugt. „Diese Salve vernichtet nicht nur eins deiner Monster, sie verursacht dir auch 500 Lebenspunkte Schaden“, erklärte O’Brien. „Feuer auf Air Hummingbird!“ Die Salve traf mein Monster, das mit einem verschluckten „Mach’s gut!“ verschwand. Der Feuerstrahl versiegte danach jedoch nicht, sondern traf als nächstes mich frontal in die Brust. Ich keuchte. Die Hitze fühlte sich so realistisch an, dass ich mit einem Brandfleck in meinem Kleid rechnete. Meine Lebenspunkte fielen auf 1000. „Jûdai“, sagte Johan auf einmal. Ich drehte mich verblüfft um. Dass er und Jim jetzt hinter mir standen, hatte ich gar nicht bemerkt. Johan war offenbar noch ein wenig schwach auf den Beinen, denn Jim musste ihn stützen. „Du… musst das Duell schnell zu Ende bringen“, bat er. „Aber klar“, entgegnete ich mit einem breiten Lächeln. „Und eins versprech ich dir: Sterben werde ich nicht!“ Johan lächelte müde. „Stimmt.“   Ich drehte mich wieder zu O’Brien um. „Ich sag dir was, O’Brien. Das Duell hat mir wahnsinnig Spaß gemacht. Du bist ein klasse Gegner!“, rief ich ihm zu. Der Schwarze lächelte schmal. „Du bist auch ein starker Gegner, Jûdai Yûki“, sagte er. Ich glaube, wir wussten beide, dass das Duell fast zu Ende war. Eigentlich kam jetzt alles darauf an, ob ich irgendeine Karte zog, die mir helfen würde, Edgeman zu beschwören. Da O’Brien keine verdeckten Fallen mehr auf dem Feld hatte, wäre das sein Ende. Wenn ich es allerdings nicht schaffte, könnte ich mit Aqua Dolphin zwar vielleicht seinen Volcanic Buckshot vernichten, aber er musste nur ein wenig Glück beim nächsten Zug haben und dann würde er stattdessen mich schlagen.   „Jûdai, du schaffst das“, sagte Johan leise hinter mir. Offenbar hatte er auch erkannt, dass mein nächster Zug über Sieg und Niederlage entscheiden könnte. Ich schloss die Augen und legte meine Hand auf mein Deck, um die nächste Karte zu ziehen. Eigentlich konnte mir nichts passieren. Das war mein Deck. Auch, wenn ich immer noch in diesem Mädchenkörper steckte, hatte ich das Gefühl, schon wieder Jûdai Yûki zu sein. Und Jûdai Yûki verlor einfach nicht!   Ich zog.   Ich schaute O’Brien entschlossen an. Dann warf ich einen Blick auf die gezogene Karte.   Und lächelte. „Die passt gut“, stellte ich fest und steckte sie in einen Schlitz für Zauber- und Fallenkarten. „Ich aktiviere Hero’s Comeback!!“   In dem Moment begann meine Duel Disk zu leuchten. Geblendet kniff ich die Augen zu. Ein warmes Gefühl erfasste michplötzlich. Es breitete sich von meiner Brust wie eine warme Welle über meinen ganzen Körper aus. Dann war es auch schon wieder vorbei.   „Was war das?“, fragte Asuka. Ich zuckte die Achseln. Ich befand mich mitten in einem Duell. „Hero’s Comeback holt einen E-HERO vom Friedhof zurück, allerdings mit 500 Angriffspunkten weniger als ursprünglich“, rief ich und zog eine Karte aus meinem Friedhof. „Ich wähle E-HERO Neos!“ Das war zwar nicht ganz, was ich geplant hatte, aber Neos war für den finalen Schlag mindestens genau so gut geeignet wie Edgeman. Mit kraftvoll geballten Fäusten erschien Neos vor mir. „Schön, dich wiederzuhaben“, grüßte ich. Neos dreht sich um. „Schön, dich wieder so zu sehen“, sagte er. Ich blinzelte. „Was meinst du?“ Dann fiel mir auch endlich auf, dass meine Stimme auf einmal viel tiefer klang – oder vielmehr, nicht mehr so ungewohnt hoch. Ein Blick an meinem Körper herunter bestätigte meinen Verdacht: Die Brüste waren weg. Ich war wieder ein Junge!   „Wow“, murmelte ich.   Damit hatte ich tatsächlich als letztes gerechnet. Eigentlich war es mir sogar langsam egal gewesen, schließlich hatte ich in diesem Duell gemerkt, dass ich trotz allem immer noch derselbe geblieben war.  „Jûdai-kun, dreh dich mal um“, sagte Asuka. Ich tat wie geheißen. Johan, Jim, Kenzan und Asuka sahen mich langsam an. Dann brachen sie alle vier in Gelächter aus.   „W- was?!“, fragte ich irritiert. Kenzan fand als erster die Sprache wieder. Sich Lachtränen aus den Augenwinkeln wischend erklärte er: „N Kerl in nem Kleid ist echt’n sauriermäßig abartiger Anblick.“ Die anderen kicherten bestätigend. „Schön, dass ihr was zu Lachen habt. Ich habe ein Duell zu beenden“, meinte ich trotzig und drehte mich wieder zu O’Brien um. „Jûdai Yûki, ich danke dir für diesen Zweikampf“, sagte der und klang dabei sehr entspannt. Er hatte natürlich bereits die Situation erfasst. Auch wenn er schwächer war als ursprünglich, hatte Neos immer noch 2000 Angriffspunkte. Die 1500 Punkte, um die er die Angriffskraft von Volcanic Buckshot übertraf, waren genau die 1500 Lebenspunkte, die O’Brien noch hatte. Es war vorbei.   „Neos, greif an!“    Mein Monster schlug zu und zerfetzte den Feuerwurm O’Briens in der Luft. Seine Lebenspunkte fielen augenblicklich auf Null. Ich hörte meine Freunde meinen Namen rufen, drehte mich um und fand mich im Nächsten Moment in einer engen Umarmung von Johan wieder. Dann knickten mir die Beine weg und ich verlor das Bewusstsein.   Und damit war nicht nur dieses Duell, sondern auch meine Zeit als Mädchen endgültig vorbei.   Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)