Bloodcage - Teil 1 - Blutmond von DemonhounD (Vampir-Roman) ================================================================================ Kapitel 12: Blutmond (Siren) "Hast du sie weggeschickt?" -------------------------------------------------------- „Hast du sie weggeschickt?“ Wenn meine Stimme in diesem Moment panisch klang, dann nur, weil ich noch immer nicht wusste, wie ich mich Priest nach seinem Angriff nähern sollte. „Ich konnte sie ja schlecht einfach im Regen stehen lassen, nachdem sie mir sagte, dass sie Baalzacks persönliches Protege ist.“, erklärte er mit einem Anflug von Ungeduld. „Sie ist Baalzacks persönliche Hure und das ist alles!“, versetzte ich und hätte ihn am liebsten geschlagen. „Seit wann interessierst du dich eigentlich für Politik?“ Ich war mir mit einer Hand durch die Haare gefahren und merkte, wie mich diese Geste zu beruhigen begann. Sie erinnerte mich an die Zeit in der mein Erschaffer selbiges bei mir getan hatte und das wissen, dass mit seinem Tod diese Sicherheit nie wieder zurück kehren würde brachte mich an einigen Tagen schier um. „Ich interessiere mich so lange für Politik, wie es Euch ermöglicht dieses gestohlene Anwesen auch weiterhin zu bewohnen. Siren, wir haben Glück, wenn wir hier noch wenige Monate bleiben können, ohne, dass jemand Verdacht schöpft – und das auch nur, weil die letzten Angehörigen der Lady Celest in Frankreich weilen. Welche Geschichte willst du ihnen erzählen, wenn sie eines Tages hier stehen?“ Er sagte es leise, um die Person im Nebenzimmer nicht an unserem Gespräch teilhaben zu lassen. Ich schüttelte den Kopf. „Dann zeige ich ihnen das Dokument!“, sagte ich. Natürlich hatte Priest Recht mit seinen Befürchtungen, trotzdem konnte ich ihm das nicht so einfach zugestehen.. „Ich bin es Leid immer nur wegzulaufen.“, flüsterte ich und zum ersten Mal wagte ich es meinem eigenen Diener ins Gesicht zu sehen. „Priest, ich will nicht mehr. Ich kann nicht mehr.“ Eine Hand legte sich auf meine Schulter und streifte dabei wie zufällig meinen Nacken. Ich gab vor es zu ignorieren, obwohl mir die Berührung gut tat. Solche flüchtigen Gesten haben so viele Bedeutungen, dass es mir unmöglich wäre sie vollends zu beschreiben. Die Berührung des Nackens, ein Zeichen der Unterwerfung. Hätte Priest mehr getan, wäre es eine Beleidigung gewesen, während ich meinem Erschaffer sogar gestattet hätte mich im Nacken zu beißen. Und die andere Geste von Bedeutung: Der Kuss auf den Hals – eine Geste des Vertrauens, der Unterwürfigkeit. Priest hätte so etwas bei mir nie getan und ich hätte es nie von ihm verlangt oder zugelassen, so blieb nur die Berührung meiner Schulter als Zeichen der Verbundenheit. Handlungen können sehr viel mehr über das Verhältnis zweier Personen aussagen, als Worte. Ich schloss die Augen, atmete tief ein und dachte an Nathalya. Ihr rotes Haar, die Reflexionen des Lichtes auf ihrem Hals. Sie wäre so eine verlockende Beute gewesen, keine Frage und nun saß sie eine Treppe und einen Gang entfernt in der Bibliothek, die Priest ihr vorgeschlagen hatte, um sich die Zeit zu vertreiben, während sie auf mich wartete. Ich dachte an Askian und die Schwierigkeiten in der er sich befand. Dies würde nur unnötige Zeit rauben. Da es zwischen mir und Priest nichts mehr zu bereden gab, ging ich zu ihr und öffnete die Tür. Sicherlich hatte sie mein Eintreten bemerkt, doch bevor sie den Kopf hob, um mich anzusehen, blieb ihr Blick noch eine Weile in dem Buch, das sie gelesen hatte. „Eine bemerkenswerte Bibliothek habt Ihr.“, sagte sie und ich starrte eine Weile auf die Haare, die im Licht der Mittagssonne beinahe einen goldenen Schimmer hatten. „Ja… ja, sie ist recht umfangreich, was die Literaten unserer Zeit angeht.“, antwortete ich ohne mich aus dem Rahmen der Tür zu lösen. Nathalya schien zu bemerken, dass mich etwas davon abhielt mich ihr zu nähern. Solange sie im Gegenlicht saß, konnte ich ihre Augen kaum erahnen. Näher wollte ich nicht an sie heran. „Ihr sprecht es so aus, als sei das ein Verbrechen.“, bemerkte sie und ich wich ihrem Blick aus, während ich vorgab in die Regale zu blicken. „Ich bin mehr für traditionellere Werke.“, gab ich zu, vielleicht nur aus gewohnter Höflichkeit, bevor ich mich darauf besann, dass ich diesen Besuch so kurz wie möglich gestalten wollte. „Wie habt Ihr mich gefunden?“, fragte ich fast feindselig. Nathalya taxierte mich und versuchte Blickkontakt zu suchen. Ich schlug die Augen nieder. Vielleicht deutete sie das als den Anflug eines schlechten Gewissens. Ich muss auf sie gewirkt haben wie eine verschüchterte Jungfrau. „Baalzack nannte mir Euren Namen, Shairin.“, sagte sie. „Ihr kennt Euch wahrscheinlich noch nicht, aber er hat schon viel über Euch gehört. – Und ich kannte Magdalena sehr gut. Ein Wunder eigentlich, dass wir uns nicht früher schon begegnet sind. Allerdings hat sie nie viel gesellschaftlichen Kontakt gepflegt und wenig von sich selbst Preis gegeben. Indes war ich eine der wenigen, die von ihrer kleinen… Liaison wussten.“ Ich zuckte mit den Schultern, als würde mich das nichts angehen, in Wahrheit zuckte ich wohl nur bei dem Gedanken zusammen Nathalya könnte es sein, die Verdacht schöpfte, was mit ihrer Freundin geschehen war. „Jemand, dem sie das Haus vererbt hat, wusste doch sicherlich davon.“ Meine Kehle fühlte sich trocken an. „Ja, ich habe Rydian gekannt, weniger sie.“, gab ich zu und dachte an seinen aufgeschnittenen Hals und wie gut das rote Blut sich vom Marmorboden abgehoben hatte. Was für ein wunderschönes Bild und was für eine Schande, dass eine so strahlende Kreatur wie er zum Sterben verdammt gewesen war. „Ein Wunder, dass er sie geheiratet hat.“, setzte ich abgelenkt hinzu in dem Versuch die Unterhaltung so oberflächlich wie möglich zu halten. Nathalya lachte. „Sonst wäre das Anwesen mit all seinem Reichtum wohl kaum Euch zugefallen. Euch kann es nur Recht gewesen sein!“ Ich beschloss mich auf einen bordeauxroten Sessel zu setzen, der am weitesten von Nathalya entfernt vor einem Buchregal stand und antwortete nicht. „Könnt Ihr es glauben? Baalzack hat mich davor gewarnt zu Euch zu gehen und meinte eure Gesellschaft würde mir auf Dauer nicht gut tun.“, wand sie sich neckisch einem neuen Thema zu. „Da wusste ich, dass ich Euch noch einmal sehen muss.“ Sie war viel zu herzlich und zu aufdringlich für die Fremde, die sie war. „Doch hatte Euer sogenannter Schutzherr vermutlich Recht.“, warnte ich nachdenklich. Sie runzelte die Stirn und drehte sich dann zu dem kleinen Glastisch um, der neben ihr stand, um sich eine Tasse mit Tee einzuschenken - aus einer dampfenden Kanne, die Priest ihr vermutlich nicht all zu lang vor meiner Rückkehr gebracht hatte. „Trinkt eine Tasse mit mir!“, forderte sie mich auf. „Ich trinke keinen Tee.“, sagte ich und wurde vollständig ignoriert, denn sie goss noch eine weitere Tasse ein, ohne meinem Einwand Beachtung zu schenken. Dann stand sie auf und stellte die Tasse in eine freie Stelle des Regals. Da ich ihrem Gesicht auswich, fiel mein Blick auf die kunstvollen Perlenornamente ihres Rockes. Auch heute war sie wieder in grün erschienen, jedoch war das Kleid das sie trug weitaus weniger aufreizend und äußerst exquisit. Sie ging zurück zu ihrem Stuhl und trank. „Wie ich sehe behandelt Baalzack seine Mädchen gut. Das Kleid, der Schmuck…“, ich sagte es lässig in der Absicht sie zu beleidigen und ich denke sie begriff es, denn sie stellte ihre Tasse ab und fixierte mich eine Weile so direkt, dass es mich fast wie ein Peitschenhieb traf. „Ich schlafe nicht mit Baalzack.“, sagte sie rundheraus und ich war überrascht über diese direkte Antwort. Ich wusste auch nicht, ob ich ihr glauben schenken sollte. „Baalzack hat mich aufgenommen als ich 13 Jahre alt war und mich immer sehr großzügig behandelt.“ Innerlich war ich fast zufrieden, dass Zorn in ihrer Stimme aufkam. „Und Eure Profession?“, fragte ich, um noch weiter in der Wunde zu stochern. „Ein Hobby? Ein Zeitvertreib? Meine Art ihm zurück zu zahlen, was ich ihm schulde? Auch Ihr solltet wissen, dass der sicherste Weg durch diese Welt zu kommen im offerieren von Lust besteht. Zumindest wenn stimmt, was man über Euch und Euer Auftreten erzählt.“ Ich atmete tief ein. „Seid ihr gekommen um mich zu beleidigen?“ Ich verfluchte sie für ihre Augen. Wie gerne hätte ich sie einfach zur Strecke und zum Schweigen gebracht. „Nein.“, sagte sie doch in ihrer Stimme war immer noch Zorn. Sie begann ihre Hände zu entspannen. „Nein.“, wiederholte sie noch einmal ruhiger. „Ich bin gekommen, weil ich nicht glaube, dass Euer Zorn an jenem Abend mir galt. Ich weiß nicht, welcher Dämon euch umtreibt, aber ich wollte Euch noch einmal sehen und mit Euch sprechen.“ Ich stockte und für einen kurzen Moment blieb mein Blick in ihren grünen Augen hängen. Was ich getan hatte war gut gewesen! Lavoreas Leben war ihre Schuldigkeit an mich. Ihr Tot verdient, selbst wenn ich mich zum Zeitpunkt der Tat alles andere als unter Kontrolle hatte. Hätte es einen anderen Weg gegeben mich zu befreien? Nein! - Und selbst wenn so hätte ich ihn nicht gehen wollen. Warum also blieb diese nagende Unruhe in mir? Warum konnte ich nicht mit der Tatsache abschließen, dass mein Erschaffer, dass Amen, letztendlich nur ihretwegen Ekel vor mir empfunden hatte – und dass ich seinen Hass zugelassen hatte, um das Geheimnis zu bewahren, was ihre Taten an mir betraf. Ob sie meinen trauernden Blick wohl als Schwäche deutete? Ich weiß es nicht. Immerhin fand ich meine Stimme bald wieder. „Ihr wollt sprechen?“, fragte ich. „Ich bin hier und höre zu.“ Ich konnte ihrer Miene ansehen, wie gern sie ihre Hand ausgestreckt hätte, um mich zu berühren. Mitleid ist so eine unnötige Emotion. Ich war zu schwach ihr dieses Gefühl auszureden. „Ich denke, ich habe bereits genug gesagt.“, gab sie zu. „Aber ich möchte Euch gern wiedersehen. Vielleicht morgen Abend, oder auch später. Mein Herr gibt fast täglich Feiern für seine engen Freunde. Es wird Euch nicht schwer fallen ins Anwesen zu gelangen.“ „Um Eurer Zeitvertreib zu sein?“, fragte ich und wusste selbst nicht wieso ich dies sagte, anstatt die Einladung einfach auszuschlagen. „Vielleicht auch das.“, gab Nathalya mit leichtem Spott in der Stimme zu und stand auf. Ich erhob mich, wie es die Etikette von mir forderte und öffnete die Tür. Als sie an mir vorbei aus der Tür schritt versuchte sie noch einmal Blickkontakt aufzubauen. Ich bemerkte es an der Art, wie sie den Kopf wand, während ich selbst aus den Augenwinkeln den Saum ihres Kleides beobachtete, der beinahe den Boden zu berühren schien, während sie ging. Ich begleitete sie nicht bis zur Tür, sondern blieb in der Bibliothek. Das Buch auf dem Tisch war ein Märchenbuch über Feen und Kobolde und Geister. Ich betrachtete eine Weile den Einband auf dem eine weiße Schattengestalt im Mondlicht gezeichnet war. Ein Nachtkleid schien auf dieser Zeichnung zu unbestimmtem Leben erwacht zu sein und ich war sicher in den feinen Schatten auch Blutflecken zu erkennen, obwohl es sich dabei eher um Schmutz handelte, denn das Buch war schon alt. „Ja. Sie ist ihr ähnlich.“, flüsterte ich und berührte das Bild mit den Fingerspitzen. Hoffnungslosigkeit. Von so vielen Worten auf der Welt ist dies beinahe mein Liebstes, sagt es doch so viel aus und schon in seinem Klang verbirgt sich dieses schleppende Gefühl, dass die gesamte Welt zu Eis erfrieren lässt. Hoffnungslosigkeit bedeutet nicht, niemals Hoffnung besessen, sondern sie verloren zu haben und so sehr man auch versucht gegen diesen Zustand anzukämpfen, so wird sich doch stets ein Gefühl von Trauer und Verlust dazugesellen, so oft man dieses Wort ausspricht. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)