Eismond von Nalahime (Der König des Mondes) ================================================================================ Kapitel 1: Mond 1 ----------------- Ich streifte umher. Vorsichtig, bedacht nicht in das Licht des eisigen Mondes zu tauchen und somit für immer in seiner kühlen Umarmung zu erstarren. Wie ich dieses Licht, dieses Gebilde am Firmament verfluchte! Wie viele es doch schon geraubt hatte, wie viele bereits wegen ihm Tränen vergossen hatten. Warum musste es existieren? Das Knacken von Ästen unter Fußsohlen ließ mich zusammenfahren und riss mich aus meinen umher schweifenden Gedanken. Ich spitzte die Ohren und horchte. „Wo ist dieser Kerl hin? Wenn ich den erwische kann diese Flohmatte was erleben!“ „Verdammte Wolfsbrut! Wir haben keine Chance einen Wolfsdämon in einem Wald wieder zu finden.“ „Ja, lass uns gehen, aber wenn ich den wiedersehe ist er fällig! Uns so zu beklauen!“ Ich hörte wie sie sich von mir entfernten und verharrte zur Sicherheit noch ein paar Minuten länger in meinem Versteck. Gelassen streifte ich mit meiner Hand durch meine langen, silbern-schwarzen Haare und lächelte. Lässig warf ich meinen geflochtenen Zopf über meine Schulter. Wieder eine Aktion die von Erfolg gekrönt war. Aufgeregt schwenkte mein Schweif hin und her und ich suchte eifrig in dem kleinen Säckchen nach meiner gestohlenen Beute. Nicht übel. Zehn Goldmünzen und achtzehn Silbermünzen. Damit konnte ich doch eine Weile auskommen. Ich streckte mich genüsslich und tippte leicht mit dem Finger auf meine linke Augenklappe. Diese verdammte Narbe schmerzte schon wieder. Verfluchter Eismonat! Jedes Jahr dasselbe! Und das jetzt schon seit zehn Jahren! Wann würde dieser Schmerz endlich verschwinden? Etwas ärgerlich verstaute ich mein neu gewonnenes Geld und machte mich auf den Weg zurück in die Stadt. Ich würde wohl kaum auf den Luxus eines warmen Essens und Bett verzichten, wenn ich ihn mir schon leisten konnte. Außerdem würde sich vielleicht eine angenehme Gesellschaft für die Nacht finden lassen, worauf ich nun schon seit Monaten hatte verzichten müssen. Auch wenn Dämonen in menschlicher Gestalt erschienen, hatten sie doch immer noch die starken Bedürfnisse eines Tieres. Und wer sehnt sich nicht ab und zu nach ein wenig Zärtlichkeit. Bei dem Gedanken daran stahl sich bereits ein keckes Schmunzeln auf meine Lippen und ich beschleunigte meinen Schritt etwas. Ich blieb kurz vor der Stadt stehen, denn es gab hier keine Möglichkeit mehr dem Mondlicht aus zu weichen. Sicher würden sich jetzt Leute fragen, warum ich nicht einfach durch das Licht ging, aber das war ein Luxus, den sich nur Wesen erlauben konnten, die bereits tot waren. Lebende Wesen erstarrten nämlich augenblicklich zu Eis, wenn sie das Licht des Eismondes berührten. Der Eismond ist ein zweiter Mond, neben dem normalen und ist nur in dem Monat am Anfang des Jahres zu sehen, deswegen nennen wir ihn Eismonat. Städte waren deshalb so aus gelegt, dass man nachts immer von einem Schatten zum Nächsten gehen konnte, damit man nicht getroffen wurde. Man hatte ausschließlich Alleen aufgebaut mit Bäumen oder ähnlichen großen Gewächsen und Bauten. Hier vor der Stadt gab es so etwas Praktisches jedoch nicht und man war dem eisigen Beobachter schutzlos ausgeliefert. Man konnte das Eis nämlich leider auch nicht wieder schmelzen oder zerstören. Einmal getroffen würde man auf ewig, als eine lebende Skulptur verharren. Dieses Schicksal hatte ich selbst miterleben müssen. Vor genau zehn Jahren war mein gesamtes Wolfsrudel zu Eis erstarrt und Schuld daran hatte ein anderer Klan, der uns damals angegriffen hatte. Ich wurde nur verschont, weil mich meine Mutter geschützt hatte. Deswegen bin ich alleine, obwohl ich ein Wolf bin. Seit diesem Vorfall habe ich zwei Ziele. Mein erstes Ziel ist es das Wolfsrudel zu finden, dass uns damals angriff und das zweite Ziel ist die Zerstörung des Eismondes. Das erste Vorhaben würde wahrscheinlich Verständnis bei manchen Leuten finden, weswegen ich nicht unbedingt allein sein müsste. Aber sobald sie von dem Zweiten hörten sahen sie mich an, als wäre ich ein Verrückter der halluzinierte. Also entschied ich mich schon sehr früh dafür, alleine zu leben, was vieles vereinfachte, mich dafür aber zu einem einsamen Wolf machte. Ich brachte mir das Kämpfen bei und verdingte mich danach als Söldner und wenn dies nicht reichte wurde ich, wie vor ein paar Momenten, zu einem Gelegenheitsdieb. Es war vielleicht kein „ehrbares“ Leben wie viele sagen würden, aber ich hatte das Gefühl, dass es zu mir passte und ich verspürte eine Art Freiheit durch diesen Lebensstil. Mittlerweile hatte ich mich in den Schatten eines Baumes gesetzt und machte es mir gemütlich, da ich auch nach ausführlicher Suche keinen Weg gefunden hatte in die Stadt zu gelangen. Das war es wohl mit meinem Luxus für die Nacht, einem vollen Bauch und einem warmen Körper zum Anschmiegen. Resigniert seufzte ich und holte meine gewohnte Decke aus meinem Reisesack und kuschelte mich hinein. Ich gähnte noch einmal herzhaft und schloss meine Augen oder besser gesagt eines davon. *** Der nächste Morgen brach kühl an und ich entwirrte mich aus meiner Decke, die ich buchstäblich um mich herum verknotet hatte. Fluchend rutschte ich den kleinen Grasabhang hinunter und sah dabei wahrscheinlich unglaublich erbärmlich aus. Als ich es endlich geschafft hatte mich zu befreien war ich puterrot im Gesicht und konnte zerzauste Haare mein Eigen nennen, die auch als neues Heim für einen Vogel hätten durch gehen können. Verächtlich schnaubend nahm ich die Decke, quetschte sie in meinen Sack und versuchte mich irgendwie einigermaßen präsentabel aussehen zu lassen. Wenigstens musste ich mir um meine Kleidung keine Sorgen machen, da ich einen Ganzkörperlederanzug trug. Er war ärmellos und silberfarben, passend zu meinen Haaren. Über den unteren Teil schlängelten sich schwarze Ranken, welche nur spärlich am Oberkörper auftraten. Ich hatte einen schwarzen Schwertgürtel um meine Hüften gebunden und schwarze Handschuhe an mit offenen Fingerspitzen für meine Krallen, wenn ich sie bräuchte. Meine Stiefel waren ebenfalls schwarz, hatten silberne Bänder um sich herum geschlungen und liefen vorne etwas spitz zu. Am Hals trug ich noch ein schwarzes, breites Lederband, dass meiner Mutter gehört hatte. An meinem linken Arm war das Tattoo meines Klans zu sehen. Ein schwarzer Halbmond durchzogen von einem Pfeil ohne Federung, dafür auf beiden Seiten mit einer Pfeilspitze. Dank meiner Krallen, die man hervorragend als Kamm benutzen konnte, waren meine Haare wieder so wie sie sein sollten und wieder ordentlich geflochten. Mit einem selbstzufriedenen Lächeln ging ich nun also in die Stadt, um mir ein Frühstück zu besorgen. Wo sollte ich jetzt also hingehen? Ich könnte, so wie eigentlich immer, in eine Wirtsstube gehen, wo raues Volk wie ich nicht weiter auffiel, dafür aber das Essen mehr nach Wasser schmeckte als nach Zutaten. Oder ich ging in eines von diesen neuen, schicken Restaurants, wo ich zwar auffiel wie ein bunter Hund, dafür das Essen aber auch wie Essen schmeckte. Mit einem mehr als deutlichen zustimmen meines Magens entschied ich mich für die letzte Variante. So ging ich auf die bereits belebte Hauptstraße und auf ein Gebäude zu, das schon von weitem aussah wie das Zuhause von einem reichen Beamten, welches in Wirklichkeit natürlich nur das besagte Restaurant war. Schon am Eingang wurde ich nicht mit dem üblichen Willkommensgruß eingeladen einzutreten, sondern mit einem skeptischen Blick und gerümpfter Nase. Schief lächelnd sah ich den Kellner an und sagte: „Keine Sorge. Stellen sie sich vor, ich kann ihr Essen auch tatsächlich bezahlen und werde nicht einfach mit gezückter Klinge wieder hinaus spazieren.“ Schnell verbeugte sich der Kellner und verbarg sein peinlich berührtes Gesicht. „Verzeihung, werter Gast. Willkommen.“ Mit einem leisen Lachen begab ich mich zu meinem zugewiesenen Platz und ließ mir die Speisekarte bringen. Ich legte meinen Schwertgurt zur Seite, ebenso mein Gepäck und lehnte mich entspannt auf der Eckbank zurück. Natürlich hatte ich das unauffälligste Plätzchen im ganzen Lokal bekommen. Wie konnte sich auch ein Flegel wie ich sich erdreisten, an so einen Ort zu kommen um zu speisen. Nachdem ich endlich einen vollen Bauch hatte und nun meinen Alkohol genoss, war mir richtig wohl zumute. Mittlerweile hatten sich die Leute wohl auch an meine Anwesenheit gewöhnt, da ich nicht mehr beäugt wurde wie ein neu gefundenes, exotisches Tier. Dann bemerkte ich wie die Angestellten einen furchtbaren Aufstand machten und sah auch in den nächsten Minuten warum. Ein blonder, Schönling hatte das Lokal betreten und hatte sich dazu entschieden hier zu frühstücken. Er hatte langes, gewelltes Haar und helle Haut. Sein Körper war schlank und schien zart, war aber offensichtlich sehr muskulös. Nicht zu viel oder zu wenig, genau richtig. Natürlich war zu so einem Anlass auch der Geschäftsführer persönlich zugegen. Schleimend und Hände ringend und ölig grinsend, wie es sich gehörte. Verächtlich lächelnd beobachtete ich diesen Oberbonzen und seinen strikt und ordentlich aussehenden Begleiter, der offensichtlich sein Diener war. Vielleicht auch sein Beschützer, dachte ich weiter, da er mich, aus seinen grauen Augen, mit scharfen Blicken kurz gestreift und seine normale Aura sich flüchtig zu einer mordlustigen Aura gewandelt hatte. Der Mann wusste wer gefährlich war. Ich nahm also meine Sachen, bezahlte und machte mich auf den Weg nach draußen. Als ich gerade durch die Tür verschwinden wollte, wurde ich sanft am Arm zurückgehalten. Ich drehte den Kopf zur Seite und sah den strikten Begleiter vor mir stehen, mit seinen ordentlich zurückgekämmten, kurzen, schwarzen Haaren. Er rückte seine Brille zurecht und lächelte mich süßlich an. „Verzeihung, werter Herr, aber mein Gebieter würde gerne kurz mit ihnen sprechen.“ Ich sah ihn mit hoch gezogener Braue an und feixte. „Ich glaube kaum, dass ich etwas mit so einem feinen Herren zu besprechen habe, zumal er auch noch ein Mensch ist und ich ein Wolfsdämon. Und ich glaube kaum, dass das schwer zu übersehen ist mit meinen Ohren und Schweif.“ „Wohl kaum. Würdet ihr dennoch bitte kommen?“ Ich seufzte tief und zuckte die Schultern. „Fein. Von mir aus. Zuhören kann ja nicht schaden.“ „Vielen Dank. Hier entlang, bitte.“ Entnervt strich ich mir mit der Hand durch die Haare. Das konnte stressig werden. Dämonen und Menschen lebten zwar zusammen, aber das hieß nicht, dass da pure Harmonie herrschte. Vor allem, weil manche Menschen immer noch unter der Schreckensherrschaft der Dämonen litten und manche Menschen Dämonen als Sklaven hielten. Also waren sich beide Seiten nicht besonders grün. Ich setzte mich also diesem „feinen Herren“ gegenüber und wartete darauf, dass er endlich mal den Mund aufmachte um nicht zu essen. Genervt klopfte ich mit dem Finger auf die Tischplatte und schloss die Augen. „Also ich hätte nicht erwartet, dass ein Dämon tatsächlich auch schön aussehen kann. Ich habe bis jetzt immer nur groteske Gestalten gesehen.“ Wie jetzt? Da macht der endlich den Mund zum Reden auf und dann kommt nur so etwas aus dem heraus? Resigniert seufzte ich. „Tja, es gibt eben die Sorte und die Sorte und eine ganz andere Sorte wird ebenso gemacht.“ Der Schönling fing an zu kichern. „Wie Recht sie haben, Herr...?“ Ich öffnete die Augen und sah ihn direkt an. „Anael. Mein Name ist einfach nur Anael. Ohne das Herr.“ „Gut. Dann eben nur Anael.“ „Was wollen sie also von jemandem wie mir?“ Er fing wieder an zu kichern. „Ich möchte sie anheuern, Anael.“ Ich zog eine Braue nach oben. „Sie wissen schon was mein Beruf ist, oder?“ „Ich nehme an, Söldner? Und ja, das weiß ich. Gin hier hat mir bereits gesagt was für einen Beruf sie ausüben.“ Damit deutete er mit einer Handbewegung in Richtung seines Gefährten. Wusste ich doch, dass der Typ wusste was er tat. „Schön. Was genau soll ich also für sie tun? Falls ich akzeptiere.“ Er lächelte nun und sah mich über seine gefalteten Hände hinweg an. Seine meerblauen Augen funkelten belustigt. „Ich möchte, dass sie sich um einen gewissen Dämonenklan kümmern. Er ist in letzter Zeit immer gewalttätiger geworden und bereitet Probleme.“ Ich horchte auf. Das war nicht die Art von Arbeit die ich erwartet hatte. Ich dachte, ich sollte vielleicht einen nervigen Rivalen ausschalten oder ein Familienmitglied ermorden, aber diese Art von Arbeit gehörte eher in den Bereich von einem Lehnsherrn, dem eine Stadt rechtmäßig vom hohen Rat anvertraut worden war. Ich verengte meine Augen zu Schlitzen und setzte mich aufrecht und angespannt hin. „Wer genau sind sie?“ Wieder kicherte er, aber dieses Mal war es nicht das Kichern eines verwöhnten Adeligen. Sondern das Kichern eines Mannes der bekam was er wollte und zwar mit seinen eigenen Händen. „Sagen wir einfach... Ich bin jemand dem sie lieber nichts abschlagen, Anael. Andernfalls könnte es Konsequenzen geben, die sie lieber nicht hätten.“ Und somit hatte ich mich wohl in den größten Ärger meines Lebens verfrachtet. *** Langsam wachte ich auf. Irgendwie war mir kalt, aber ich fühlte mich seltsam befriedigt... Befriedigt? Ich schlug die Augen auf und war hellwach. Wütend blickte ich an mir hinunter. Genüsslich verging sich da jemand an meinem Körper. Ich fluchte wie wild und trat dem Lüstling gegen den Kopf und schlang mir eine Decke um den Unterleib. „Gott, verflucht! Askan, sie verdammter, sexgeiler Teufel! Wie häufig muss ich noch sagen, dass sie mich nicht anrühren sollen?!!!“ Wutschnaubend hatte ich, während ich das sagte, Messer nach ihm geworfen. Lachend hatte sich Lord Askan in Deckung gebracht und war jedem Messer geschickt ausgewichen. Er leckte sich die Finger und schmunzelte. „Was kann ich dafür dass ihr so delikat seid, Anael, dass ich einfach meine Finger nicht von euch lassen kann? Und ihr habt so tief geschlafen, dass ihr mich nicht habt hereinkommen hören. Da konnte ich einfach nicht anders, als die Situation auszunutzen, mein wölfischer Engel.“ Ich fluchte wieder. „Hört endlich auf mich so zu nennen, sie Perverser! Und jetzt raus hier! Ich will sie nicht sehen, bevor ich nicht angezogen und bis an die Zähne bewaffnet bin! Raus, sie Casanova!!!“ Lachend verließ der Herr den Raum und schloss die Tür, mit einem anzüglichen Lächeln auf den Lippen. Knurrend suchte ich meine Kleidung zusammen und machte mich fertig. Ich war nun seit ungefähr einem halben Jahr im Palast des Lehnsherren Askan. Ich hatte seinen Auftrag angenommen und jagte nun den Wolfsklan von dem er mir berichtet hatte. Sie waren nichts weiter als ekelhafte Banditen, Mörder und Diebe. Warum ich den Auftrag angenommen hatte? Weil ich herausfand, dass es derselbe Klan war, den ich bereits gesucht hatte. Das Merkwürdige an dem Klan war, dass sie anscheinend erst vor zehn Jahren damit begonnen hatten so zu handeln. Mein Klan war ihr erstes Opfer gewesen. Der Grund dafür war ihr Anführer. Normalerweise wurde ein Wolfsrudel von einem Wolf geführt, logischer Weise. Dieses wurde nun aber von einem Hundedämon angeführt. Sein Name war Rutilo, der Ruhmreiche. Ruhmreich unter Verbrechern vielleicht, dachte ich jedes Mal und schnaubte verächtlich. Ich war bereits mehrfach sehr nah an ihnen dran gewesen, verlor aber seltsamerweise nach einer Weile die Spur. Als hätten sie sich in Luft aufgelöst. Nach meinem dritten gescheiterten Versuch Rutilo ausfindig zu machen, hatte Lord Askan mir befohlen in den Palast zu ziehen. Damit ich „nicht unnötig Zeit und Geld darauf verschwendete“ ihn aufzusuchen und dann eine Unterkunft zu finden, mit Geld das ich nicht besaß. Da der Lord kein nein zugelassen hatte musste ich widerwillig zustimmen. Der Lord war erfreut und ich fürchtete um meinen Körper. Askan war vielleicht ein ausgezeichneter Lehnsherr und beschützte sein Land und seine Leute, aber er war ein verfluchter Casanova, der hinter allem her war was sein Interesse von Schönheit weckte. „Also, mein lieber wölfischer Engel. Wann hast du noch einmal vor Rutilo zu finden?“ „Sag mal, müssen sie immer auf Dingen herumreiten, auf denen sie nichts zu suchen haben?“ „Aber es macht zu viel Spaß darauf herumzureiten. Besonders wenn es von dir kommt.“ „Ugh! Ich hasse sie!“ „Ich liebe dich auch, Anael.“ Ich rümpfte die Nase und setzte mich hin. Ich war nun in den Wohngemächern von Askan und wollte Bericht erstatten. Wieder über einen Fehlschlag. „Du musst gar nichts sagen, schließlich haben wir das bereits geklärt.“ „Das weiß ich auch! Herzlichen Dank auch! Also, wissen sie schon wo er wieder auf getaucht ist?“ Askan nickte und schnippte mit dem Finger. Gin trat aus den Schatten, rückte seine Brille zurecht und berichtete. Mein nächstes Ziel war also ein kleines Kaff, das unter keinem Lord stand und so gut wie nichts zu bieten hatte. „Wieso zum Henker, überfällt diese Hundebrut so was?“ „Wir wissen es nicht. Rutilos Ziele waren allesamt unzusammenhängend und variieren von Armut geplagten, kleinen Dörfern bis zu reichen Städten die von Gold überquellen.“ Gin zuckte mit den Schultern und rückte sogleich seine schwarze Weste wieder zurecht. Askan fächelte sich Wind zu und lag lasziv, mit ausgebreitetem Kimono auf seinem Platz aus Kissen. „Können sie sich nicht einmal vernünftig hinsetzen?!“ fauchte ich ihn an, sodass sogar mein Schweif ab stand. „Wieso? Gefalle ich dir nicht, Anael?“ Askan öffnete spielerisch noch ein wenig weiter seinen Kimono und lächelte flirtend. Nun war seine komplette Brust enthüllt und eine Menge Leute hätten ihn wohl jetzt ohne zu denken angesprungen. Was er wohl auch gewollt hätte. „Oh, bitte! Ich bin nicht einer ihrer Spielkameraden Askan! Ich bin ihr Söldner und damit basta!“ „Sei doch nicht so prüde!“ Langsam schlich er auf allen Vieren auf mich zu und manchmal fragte ich mich ernsthaft, ob dieser Mann wirklich kein Dämon war. Er war so verdammt raubtierhaft, wenn er jemanden verführen wollte und das wollte er eigentlich dauernd. Er hatte mich jetzt erreicht und schmiegte sich an mich. Gesicht an Gesicht. „Lass mich dich doch ein wenig verwöhnen, Anael,“ hauchte er mir ins Ohr. Woraufhin sich meine Ohren erregt bewegten. Er war ja nicht unattraktiv, aber ich fing erstens sicher nichts mit meinem Boss an, zweitens war er ein Casanova und hatte so viele Kerle und Frauen, wie Sand am Meer und drittens war ich bis jetzt nie an einem Mann interessiert gewesen. „Was? Damit ich am Ende wie deine Wäsche am Haken hänge und nass zu Tode gebissen werde? Vergiss es!“ Jetzt fing er an zu prusten, sein Kopf glitt an meiner Brust nach unten, sein Körper bebte und er brach in schallendes Gelächter aus. Amüsiert wischte er sich die Tränen aus den Augen. „Du hast das gesehen?“ „Natürlich hab ich das gesehen. Wäsche nass von solchem Zeug raus zu hängen ist auch wirklich idiotisch. Wer hängt den schon seine von Sperma triefende Unterwäsche nach draußen? Sie können von Glück reden, dass die Hunde keine Magenverstimmung deswegen haben.“ „Naja, es war ja nicht meine, also halb so schlimm.“ „Na toll! Noch schlimmer!“ „Ach, Anael... Ich liebe dich. Ganz ehrlich!“ „Bitte. Ich glaube, das habe ich bereits oft genug gehört. Im Ernst. Was machen sie, wenn auf einmal die Person ihrer Träume vor ihnen steht? Die wird ihnen nicht ein Wort glauben können.“ „Du hast Recht. Das tut sie nämlich wirklich nicht. Ich glaube ich sollte überzeugender werden.“ „Ohne mich und hören sie auf mich dauernd zu veräppeln.“ „Wer sagt, dass ich das tue?“ „Ihre Begleitungen, die ich jeden Abend in ihr Zimmer gehen sehe und die erst bei den ersten Sonnenstrahlen wieder daraus verschwinden. Wie gesagt, niemand würde es ihnen glauben. Selbst dann nicht, wenn sie auf dem Totenbett lägen und es beschwören würden.“ Askan sah mich mit traurigen Augen an und seufzte resigniert. „Ja, du hast Recht. Eigentlich zu bemitleiden. Wahrscheinlich werde ich mutterseelenallein sterben und in einer Stunde vergessen sein und das nur, weil ich meine Triebe nicht unter Kontrolle habe.“ „So schlimm ist es ja nun auch wieder nicht! Gott, sie müssen doch nicht gleich dramatisch werden! Ich gehe jetzt jedenfalls! Ich werde schließlich nicht fürs Reden bezahlt! Wir sehen uns wenn ich zurück bin und dann sind ihre Finger da wo sie hingehören, Askan!“ „Ja, ja,“ Askan machte eine wegwerfende Handbewegung und grinste frech. Ich schnaubte und ging aus dem Zimmer. Dieser verdammte Schauspieler! *** Jetzt war ich also hier. In einem kleinen Kaff am Ende der Welt... Nun gut, mehr in der Mitte der Welt, aber trotzdem ein Kaff. Die Bewohner des kleinen Dorfes sahen mich alle verängstigt und nervös an. Sie rechneten wohl damit, dass ich sie angriff, überfiel oder schlimmeres. Gut, ich war ein Dämon und ja, die meisten Menschen könnte ich wohl einfach so in der Luft zerfetzen, aber ich tat es nicht. Ich mochte den „Frieden“ zwischen Menschen und Dämonen und sah in keinster Weise eine Veranlassung dazu, es plötzlich anders zu empfinden und auf die Barrikaden zu gehen. Ich hatte den Leuten nur eine Frage gestellt und die war: „Entschuldigung. Könnten sie mir sagen, wo ich den Dorfführer finden kann?“ Seitdem hatte sich Totenstille um mich herum ausgebreitet und ich wurde angestarrt wie ein wildes Tier, das gerade ihre Häuser zerstörte. Na ja, vielleicht war es auch nicht gerade vorteilhaft, dass ich ein Wolfsdämon war, aber was sollte ich tun? Mich als Fuchs ausgeben? Ich konnte es den Leuten auch nicht verübeln, nachdem sie von Wölfen so beraubt und verletzt worden waren, aber musste man deswegen gleich jeden Wolf so behandeln? Ich kratzte mich überlegend am Ohr und seufzte. Die Leute wichen erschrocken einen Schritt zurück. So langsam wurde ich wütend. Ich fragte mehrere Leute die gleiche Frage die ich bereits vorher gestellt hatte und bekam jedes Mal nur ein nervöses Kopfschütteln als Antwort. Ich verbrachte so den ganzen Tag. Resigniert seufzte ich und setzte mich in der Dämmerung der Nacht an den Fluss. Wütend warf ich Steine in das klare Flusswasser und fluchte. Nach einiger Zeit spitzten sich meine Ohren, da ich etwas hörte. Es war eine Stimme, eine klare, leise Singstimme zog durch die Dämmerung und übertönte die Grillen. Ich stand auf und folgte ihr. Ich hatte beschlossen einen letzten Versuch zu starten. Etwas Flussabwärts fand ich dann auch die passende Person zu der Stimme. Es war ein junges Mädchen oder eher junge Frau? Ich überlegte einen Moment. Sie schien um die achtzehn Jahre alt zu sein, also wohl eher eine Frau? Manchmal verwirrte ich mich selbst. In dieser Hinsicht waren Dämonen und Menschen doch zu unterschiedlich. Die Lebenspanne eines Menschen war meinem Geschmack nach einfach zu kurz. Die ältesten Dämonen waren schließlich um die tausendachthundert Jahre alt, aber Menschen wurden nur knappe hundert. Ich schüttelte den Kopf. Es konnte mir ja eigentlich auch egal sein. Ich wollte sie ja nur etwas fragen. Ich ging also hinter sie und tippte ihr leicht auf die Schulter. Sie erschrak. „Verzeihung.“ „Ja, bitte?“ Sie drehte sich um und schrie auf. Sahen meine Augenklappe und Narbe denn wirklich so furchtbar aus, dass man deswegen gleich schreien musste? „Verzeihung,“ begann ich erneut. „Könnten sie mir vielleicht freundlicherweise sagen wo ich den Dorfführer finden kann?“ Sie hatte sich die Hände vor das Gesicht gehalten, nahm sie jetzt jedoch wieder weg. „Bitte? Sie wollen zum Dorfführer?“ Ich nickte. Erst jetzt bemerkte ich, dass sie offensichtlich ein verletztes Bein hatte. Auch das sie anscheinend ihren linken Arm nicht sehr gut bewegen konnte. „W-weswegen wollen sie denn zu ihm?“ „Ich wollte ihn nur etwas fragen. Ich bin für jemandem in einem Auftrag unterwegs und bräuchte Auskunft über eine Person die hier... durch kam.“ „Oh... Sie meinen die Banditen?“ Ich blickte zur Seite und nickte. „Nun, vielleicht kann ich ihnen ja bereits helfen. Ich sah in welche Richtung sie verschwanden und musste ihnen damals auch Alkohol reichen. Warum suchen sie sie denn?“ „Um sie festzunehmen.“ „Sind sie etwa ein Polizist? Oder Soldat von der Stadt?“ Ich schüttelte den Kopf. „Nein, ich wurde nur dazu beauftragt.“ Sie nickte. „Gut, dann...“ Wir wurden unterbrochen, da ich einen ziemlich großen Stein an den Kopf geworfen bekam. Verärgert wirbelte ich herum und stand, ein paar Meter von mir entfernt, einem Jungen gegenüber, der mich böse anfunkelte. „Was soll das, du...!“ „Lass gefälligst meine große Schwester in Ruhe, du Bestie!“ Ich zog eine Augenbraue nach oben. „Deine Schwester? Hör mal, Kleiner. Ich tu dir und...“ „Jetzt hau schon ab und lass uns in Ruhe! Ihr habt schon genug angerichtet!“ Nach dieser Bemerkung folgten mehr Steine, die ich einfach mit der Hand abfing. „Nicht doch, Kai! Dieser Herr hier ist...!“ Aber der Kleine hörte nicht und bewarf mich weiter. „Komm rüber zu mir, Kurenai! Solange ich ihn ablenke kann er dir nichts tun!“ „Aber, Kai!“ Als sie versuchte zu ihrem Bruder zu gehen und dabei versuchte einem Stein aus zu weichen, strauchelte sie und fiel rücklings ins Wasser. Der Junge hörte geschockt auf mich zu bewerfen und lief zum Wasser. „Schwester! Sie kann doch nicht schwimmen! Das ist alles deine schuld!“ fauchte er mich an. Ich fluchte, warf meinen Reisesack und Schwert zur Seite und sprang der ertrinkenden Schwester hinterher. Sie wedelte mit dem Arm und versuchte sich irgendwie mit ihrem einen Bein über Wasser zu halten. „Keine Sorge! Bleib ganz ruhig und leg deinen Arm um mich!“ Ich legte einen Arm um ihre Hüfte und hielt ihren Kopf über Wasser. Auf dem Rücken schwamm ich dann zurück zum Ufer. Klitschnass schüttelte ich mich etwas trocken. In einiger Entfernung natürlich. Ungläubig blickte der Junge nun an mir hoch. „Ich dachte sie sind ein Böser, weil sie ein Wolfsdämon sind.“ „Kleiner. Ich sag dir jetzt mal was. Ist jeder Mensch böse, bloß weil es ein Mensch ist?“ Er schüttelte heftig den Kopf. „Siehst du? Warum sollte es bei Dämonen dann anders sein? Steck uns nicht alle in einen Sack und verurteile uns, okay?“ Der Junge blickte mich entschuldigend an und nickte. „Gut!“ Ich strubbelte ihm lächelnd durchs Haar. „Vielen Dank.“ Ich blickte zu der jungen Frau. „Nicht der Rede wert, aber sie sollten schnell etwas Anderes anziehen. Sonst werden sie noch krank. Moment...“ Ich nahm meinen Reisesack und kramte darin herum bis ich eine Decke herauszog. Ich ging zu ihr hinüber und legte sie ihr um die Schultern. „Das ist besser als gar nichts, bis sie Zuhause sind. Und keine Angst, Flöhe habe ich keine.“ Sie schmunzelte und lachte dann leise. Lächelnd blickte sie mich an. „Sie sind wirklich anders, als die Dämonen die ich kenne. Welcher Dämon macht sich schon über sich selbst lustig?“ „Ich denke so gut wie keiner,“ antwortete ich und kratzte mich am Ohr. „Aber ich finde, dass man über sich selbst lachen können sollte, weil man sonst über andere Dinge nicht wirklich lachen kann.“ „Vielleicht, haben sie damit Recht, Herr Wolf.“ *** Immer noch nass und an Ohren und Schweif tropfend, saß ich nun bei der jungen Frau und ihrem Bruder Zuhause und machte es mir an einem warmen Feuer gemütlich. „Es tut mir wirklich leid, was da eben passiert ist.“ „Ich sagte doch schon, nicht der Rede wert. Wie wäre es, wenn sie mir jetzt erzählen würden was sie über Rutilo wissen? Das würde mir sehr weiterhelfen.“ Sie nickte und begann zu erzählen. Rutilo und seine Bande waren einfach in das Dorf gestürmt und hatten sich alles zu Eigen gemacht, was nicht niet- und nagelfest war. Danach hatten sie eine Sauforgie veranstaltet und waren im Morgengrauen des nächsten Tages wieder verschwunden. Das Übliche eben. „In welche Richtung sind sie also gegangen?“ „Richtung Westen.“ „Schon wieder Richtung Westen? Warum immer nur nach Westen?! Und dann tauchen die auch nur immer wieder im Osten auf! Die wollen wohl die Sonne nachahmen, was? Verflucht nochmal! Und wahrscheinlich wird ihre Witterung wieder einfach irgendwo im Nirgendwo enden! Wie ich das hasse!“ Ich raufte mir die Haare und fluchte lautstark. „Meine Eltern haben gesagt man soll nicht fluchen, Herr Wolf.“ Der Junge blickte mich vorwurfsvoll an. „Kleiner, eigentlich haben deine Eltern Recht, also mach es nicht wie ich, aber manchmal muss man als Dämon eben fluchen. Ansonsten wären wir keine Dämonen, sondern diese blöden geflügelten Viecher von eurem komischen Glauben.“ „Sie meinen Engel?“ „Genau die meine ich. Geflügelte Viecher eben.“ „An die glaube ich nicht. Die gibt’s doch sowieso nicht. Dämonen sind wenigstens real.“ Damit setzte er sich mit verschränkten Beinen neben mich und grinste. „Sonst könnte ich jetzt nicht neben ihnen sitzen, Wolfsdämon.“ Lächelnd sah ich ihn an und strubbelte ihm durchs Haar. „Stimmt wohl, Kleiner. Aber nenn mich nicht immer Wolf oder Dämon. Mein Name ist Anael, merk dir das.“ Lachend hielt er meine Hand fest. „Dann nennen sie mich nicht immer Kleiner! Ich heiße Kai!“ „Fein. Ich merke es mir, kleiner Kai.“ Ich zwinkerte ihn an. „Ich bin nicht klein, Anael!“ „Das sagen nur Leute die auch wirklich klein sind.“ Sprachlos viel ihm der Mund zu und er schmollte. „Ich bin aber nicht klein...“ „Ja, ja, du grooooßer Kai!“ sagte ich und kitzelte ihn durch. Nach ein paar Stunden herumtollen mit dem Kleinen, war er müde eingeschlafen. „Sie verstehen es anscheinend mit Kindern um zu gehen.“ Ich sah Kais Schwester an und schüttelte den Kopf. „Ach, was! Ich hatte bloß kleinere Geschwister und Freunde um die ich mich kümmern musste. Da lernt man so etwas schnell, wenn man nur ein bischen offen ist.“ „Wirklich? Wie geht es ihren Geschwistern jetzt? Wissen sie das?“ Sie stellte mir einen Tee hin und setzte sich. Mit einem melancholischen Blick sah ich in die grüne Flüssigkeit. „Alle gestorben ohne über das Kleinsein hinweg gekommen zu sein...“ Ich seufzte und nahm einen Schluck. Sie schlug sich die Hand vor den Mund und sah mich traurig an. „Das tut mir ja so leid! Ich wollte nicht...“ Ich wehrte mit einer Handbewegung ab. „Ist schon gut. Das ist jetzt über zehn Jahre her, also nichts wofür man sich entschuldigen müsste.“ Sie nickte stumm und starrte nun ebenfalls in ihren Tee. „Was haben sie jetzt vor?“ „Die Witterung von Rutilo aufnehmen, die wahrscheinlich wieder im Nichts endet und meinen Fehlschlag meinem Herren berichten. So wie das eben läuft.“ Sie blickte mich durchdringend an. „Anael, würden sie dann wieder hierher zurückkommen?“ Ich blickte auf und sah sie fragend an. „Warum sollte ich?“ „Nun...“ Sie bewegte sich langsam auf mich zu und sah mir in die Augen. Verlangen lag darin und ich begriff. Sie legte ihren Kopf auf meine Brust und ihre Arme um meinen Rücken. „Es ist schön, wenn sie hier sind. Kai mag sie und ich fühle mich wohl, wenn sie da sind...“ Ich schloss die Augen. „Ich bin ein Dämon, Kurenai.“ Ich packte sie an den Schultern und hielt sie sachte von mir. „Ich weiß! Aber das stört mich nicht! Ich mag sie!“ „Kurenai... Mögen ist nicht Liebe. Aus mögen kann Liebe werden, aber ich habe nicht vor, das jemals zwischen uns geschehen zu lassen.“ Kurenai sah zur Seite. „Ist es wegen meinem Bein und meinem Arm...?“ Ich schüttelte vehement den Kopf. „Nein. Sie sind eine sehr junge und attraktive Frau, aber nein. Es liegt nicht an ihrem Körper. Es liegt an mir. Erstens glaube ich nicht, dass ich mehr für sie empfinden kann, als ich es jetzt tue und zweitens bin ich ein Dämon. Ich werde viel länger leben als sie. Selbst wenn ich bei euch bleiben wollte, ihr würdet alt und ich würde jung bleiben. Ihr würdet viel früher sterben als ich und selbst wenn wir Kinder hätten, sogar die würde ich überdauern, sogar noch meine Enkel und deren Enkel... Es tut mir leid, aber wir würden beide, im Endeffekt, nur Schmerz empfinden...“ Sie sah mich mit traurigem Blick an und lächelte. „Sie haben Recht... Ich habe nicht nachgedacht. Vor allem, weil sie am Ende der mit den meisten Schmerzen wären und das würde ich nicht wollen. Verzeihung...“ „Ist schon gut... Ich bin sicher, dass da draußen jemand auf sie wartet, der all das mit ihnen teilen kann. Und sie werden glücklich mit ihm sein können.“ Sie nickte und entschuldigte sich noch einmal. „Vielleicht,“ sagte sie dann und blickte aus dem Fenster. „Vielleicht bin ich auch einfach nur einsam...“ Ich schwieg und blickte in die Flammen des Kochfeuers. Einsamkeit... Das kannte ich besser als jeder andere... *** Am nächsten Morgen tat ich genau das, was ich gesagt hatte, dass ich tun würde und natürlich verlief es auch genauso. Ich ging zirka dreißig Kilometer im Vogelflug und verlor dann die Witterung. Als hätte sich Rutilo einfach in Luft aufgelöst. Schweigend ging ich die ganze Strecke wieder zurück. Am nächsten Morgen wäre ich dann wieder im Dorf angekommen. Im Morgengrauen kam mir jedoch eine kleine Gestalt entgegen getorkelt. Ich nahm Witterung auf und wusste sofort, dass es Kai war. Ich beschleunigte meinen Schritt und war in wenigen Minuten bei ihm. Er hatte eine Platzwunde am Kopf, schien ansonsten aber in Ordnung zu sein. „Kai! Was ist passiert?!“ „Anael! Banditen! Banditen sind wieder da!“ Er fiel auf die Knie und fing an zu weinen. „Meine Schwester meinte ich solle dir hinterher, weil die auch einen Hundedämon als Anführer haben. Sie konnte aber nicht sehen ob es dieser Rutilo ist!“ „Weswegen hast du dann diese Wunde am Kopf?“ „Weil ich meine Schwester vor denen beschützen wollte. Die haben sie einfach davon geschleppt zusammen mit anderen jungen Frauen. Sie hat es mir hinterher gerufen und ich bin einfach gerannt!“ Jetzt blickte er auf und Tränen flossen ihm übers Gesicht, wie kleine Wasserfälle. Er schluchzte heftig. „Anael... Bitte, hilf meiner Schwester und dem Dorf! Bitte!“ Ich nahm den Kleinen in den Arm und tröstete ihn. Nachdem er sich beruhigt hatte sah ich ihn an. „Wir gehen jetzt ins Dorf zurück. Wenn wir ankommen, will ich, dass du dich versteckst, hörst du? Und du kommst erst wieder raus, wenn deine Schwester oder ich dich abholen. Verstanden?“ Kai nickte heftig. „Gut, und jetzt gleich steigst du auf meinen Rücken. Und versuch nicht allzu überrascht zu sein.“ Nach diesen Worten verwandelte ich mich vor Kais Augen in einen großen, silberfarbenen Wolf, auf dem gemütlich zwei Menschen sitzen konnten. Ich sah ihn aus meinen grün-grauen Augen an und bedeutete ihm auf zu steigen. Kai sah mich mit offenem Mund an, nickte dann aber eifrig und kletterte auf meinen Rücken. Ich lief so schnell ich konnte, achtete aber immer darauf, dass Kai nicht hinunterfiel. In wenigen Augenblicken waren wir am Dorf angekommen und ich vernahm schon die Geräusche und Düfte der Banditen von weitem. Strahlend stieg der Kleine von meinem Rücken und blickte mich fasziniert und mit einem Funkeln in den Augen an. „Das müssen wir unbedingt nochmal machen, wenn das hier vorbei ist.“ „Klar,“ sagte ich nachdem ich mich zurück verwandelt hatte. „Aber nächstes Mal ohne einen Banditenangriff und lauernder Gefahr.“ Kai schmunzelte. „Klar!“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)