Mehr Schein als Sein von abgemeldet (Seto x Ishizu) ================================================================================ Kapitel 1: ----------- Mokuba nippte zufrieden an seiner Tasse. Es war ein ruhiger Morgen, und die Sonnenstrahlen versprachen einen guten Start in den Tag. „Es reicht!“ Der wütende Schrei, der quer durchs Haus schallte, erschreckte Mokuba, sodass er unbeabsichtigt zusammenzuckte. Beinahe verschüttete er seine Milch. Anscheinend teilte nicht jeder seine gute Laune. Sekunden später stürmte Seto in die Küche. Man behauptete ja oft, dass er ein Eisberg war – frei von allen Emotionen und seinen Mitmenschen gegenüber stets unterkühlt. Davon machte sich im Moment wenig bemerkbar. Ganz im Gegenteil – er kochte förmlich vor Wut. „Was ist passiert?“, fragte Mokuba unsicher nach. Seto knallte einen Haufen Papiere auf den Frühstückstisch, und zwar so heftig, dass die darauf stehenden Gläser und Tassen einen Augenblick lang zitterten. Verwirrt stellte Mokuba fest, dass es sich dabei um Briefe handelte. Zerknüllte Briefe, wohlgemerkt. Seto funkelte den Haufen vor ihm dunkel an. Innerlich verfluchte er jeden einzelnen dieser Umschläge. Langsam dämmerte Mokuba, was los war. Obwohl sein Bruder nicht gerade in Bestlaune war, konnte er sich das Grinsen nicht verkneifen. „Fanpost?“, fragte er amüsiert nach, um das bestätigt zu bekommen, was er ohnehin schon wusste. Setos Blick richtete sich auf ihn, wurde dadurch aber auch nicht freundlicher. „Ich versteh diese Idioten nicht! Kapieren die denn nicht, dass ich nichts von denen will?!“ „Sei doch nicht so“, lachte Mokuba, und griff nach einem der Briefe, „Sieh mal, der hier hat sogar Herzchen auf dem Umschlag.“ „Das ist nicht lustig, Mokuba! Kannst du dir vorstellen, wie nervig es ist, jeden Tag einen Postkasten voll mit diesen Briefen zu bekommen?!“ Und es hörte da noch lange nicht auf. Mittlerweile scheuten es die Leute nicht einmal, ihm hinterher zu spionieren. Vor der KC fanden sich jeden Morgen Frauen, die darauf warteten, dass er in die Arbeit kam, und bei seinem Anblick begeistert zu kreischen begannen. Seto war sich sicher, dass er mittlerweile nicht einmal mehr in den Supermarkt gehen könnte, ohne, dass ihn irgendein Mädchen ansprechen würde. Wenigstens kümmerte sich das Personal um solche Kleinigkeiten wie das Einkaufen. Der kleinere Kaiba glättete den Brief, den er gerade in der Hand hielt, sorgsam, und öffnete ihn. „So schlimm ist es doch auch wieder nicht – ist ja nicht so, als ob du sie lesen würdest.“ „Trotzdem will ich nicht mit so etwas zugemüllt werden! Woher haben die überhaupt unsere Adresse?! Man müsste meinen, dass ich ein Fünkchen Privatsphäre verdient hätte!“ Da Mokuba Setos Ansprache, die er immer hielt, wenn er sich über die Fanpost aufregte, quasi auswendig kannte, hörte er ihm nur halbwegs zu. Stattdessen lachte er über den Inhalt des Briefs. „Die hier hat sich besonders viel Mühe mit ihren Recherchen gegeben. Sie hat dir noch ein Bild von deiner Lieblingskarte dazugelegt – dem, ich zitiere, eiskalten Drachen mit weisem Blick. Keine Sorge, sie hat zwar weder den Namen richtig, noch kennt sie den Unterschied zwischen ‚wissen‘ und der Farbe ‚weiß‘, aber immerhin hat sie dem Drachen Herzchenaugen gemacht.“ Seto starrte das Bild, das sein kleiner Bruder ihm hinhielt, ungläubig an. Wer auch immer diesen Brief geschrieben hatte – war das ihr ernst?! Wie konnte sie seinen Drache nur so von seiner Würde berauben! Im Grunde sollte er ihr antworten und ihr mal ordentlich klar machen, was er von Personen hielt, die zu dämlich waren, um seinem Drachen den nötigen Respekt zu erweisen! „Nicht nur, dass die Welt überbevölkert ist, nein, offensichtlich handelt es sich dabei auch um Vollidoten!“, stöhnte er kopfschüttelnd. Mokuba hatte inzwischen den nächsten Brief aus dem Haufen gefischt. „Hm, wie langweilig. Die hier will nur wissen, ob du sie heiraten willst. Der wievielte Hochzeitantrag ist das eigentlich?“ „Der zehnte“, murmelte Seto, der sich genervt die Schläfen massierte. So viel Dummheit hielt er bei bestem Willen nicht aus. Er würde erst einmal einen Kaffee brauchen. „Diese Woche waren es zehn.“ „Dabei haben wir doch erst Mittwoch“, lachte sein kleiner Bruder. Schön, wenn es Mokuba so unterhielt. Ihm selbst ging es gehörig auf die Nerven! Es gab andere Dinge, denen er seine Aufmerksamkeit widmen wollte. Allerdings schien das den Rest der Welt herzlich wenig zu interessieren. „Warum gönnt mir keiner ein bisschen Ruhe?“, stöhnt der Brünette genervt. Aber nein – offenbar sahen ihn Frauen -und auch ein erschreckend hoher Anteil von Männern- als unbestrittene Liebe ihres Lebens an. Er fühlte sich wie ein Stück Fleisch. Ein Stück Fleisch, das man hungrigen Piranhas zum Fraß vorgeworfen hatte. „Dabei ginge es so einfach, dir deinen Fanclub vom Hals zu halten.“ Ein simpler Satz, der sofort Setos Aufmerksamkeit bekam. Hatte sein kleiner Brudertatsächlich eine Lösung gefunden? Und wenn diese tatsächlich so einfach war, warum war sie ihm noch nicht eingefallen?! „Such dir eine Freundin.“ Einen Moment lang herrschte Stille zwischen den beiden Brüdern. Dann lachte Seto auf. Keineswegs amüsiert, sondern vielmehr verächtlich. „Eine Freundin?“, wiederholte er, „Ist ja ganz nett von dir, dass du mich aufheitern willst, aber ich weiß echt nicht, woher du deine schrägen Ideen herhast.“ Seto schüttelte den Kopf, doch als Mokuba nichts darauf erwiderte, sah er zu ihm hinüber. Oh Gott. Sein kleiner Bruder hatte seinen Vorschlag völlig ernst gemeint. „Nein“, sagte er bestimmt, „Ganz sicher nicht. Ich hab keine Zeit, mich um solche kleinen Spielerein zu kümmern.“ Damit war für ihn das Thema auch schon wieder vom Tisch. Er war eben dazu verdammt, das euphorische Gekreische zu ertragen und von Fanpost begraben zu werden. Mokuba wollte so schnell nicht von seinem Vorschlag ablassen. „Ich fände es schön, wenn du dir mal eine Freundin zulegen würdest. “ Seit wann war sein kleiner Bruder zu einem kleinen Frechdachs mutiert? „Gut zu wissen, dass dich mein Beziehungsstatus so interessiert. Man müsste meinen, dass man dir in der Schule genug Hausaufgaben aufgibt, um die du dich eigentlich kümmern solltest.“ „Ich mein das ernst, Seto! Du lässt niemanden an dich ran, und benutzt mich seit Jahren als Ausrede dafür. Klar, du willst keine Freundin, weil du das Bisschen Freizeit, das du hast, mit mir verbringen willst, aber ich bin kein Kleinkind mehr! Du solltest dir echt langsam mal jemanden suchen!“ Es war interessant für ihn zu erfahren, wie Mokuba über ihn dachte. Beziehungen machten für Seto keinen Sinn. Das ganze Prinzip der sogenannten ‚Liebe‘ war für ihn unlogisch. Diese ganzen Emotionen, die einen nur angreifbar und verletzbar machten. Warum sollte man sich selbst in eine so ungeschützte Position bringen? Die Wahrscheinlichkeit, dass eine Beziehung früher oder später zu Bruch ging, war weitaus größer, als dass sie tatsächlich anhielt. Er schloss schließlich auch keine Geschäfte ab, bei denen das Risiko auf Verluste zu groß war. ‚Und sie lebten glücklich bis an ihr Lebensende‘ - das gab es nur in Märchen. Und Seto Kaiba mochte keine Märchen. „Deiner Meinung nach soll ich also rausspazieren und mir die erstbeste aus der Masse rauspicken?“ Freiwillige gab es ja offensichtlich mehr als genug. Der Brünette stieß ein verachtendes Schnauben aus. „Nicht die Erstbeste – ach, keine Ahnung, wie du jemanden finden sollst. Vielleicht gehst du mal mit jemanden aus, den du schon kennst?“ „Ach? Wer schwebt dir da so vor?“, fragte Seto in einem spöttischen Ton. „Tea?“ „Willst du mich umbringen?! Das letzte was ich brauche, ist ein Abend mit Tea Gardner! Ich kann diese Frau nicht einmal ansehen, ohne, dass sie mich an Yugi und den Köter erinnert! Außerdem geht mir allein ihre Stimme sowas von auf die Nerven – ich schwöre dir, jedes Mal, wenn sie den Mund aufmacht, erzählt sie irgendwas über ihre Freunde oder Teamwork. Mit anderen Worten, genau die Themen, die mir am Herzen liegen.“ Grimmig verzog er das Gesicht. „Gut, dann eben nicht Tea“, murrte Mokuba, der seine Enttäuschung schwer verbergen konnte. Seto wusste, dass er aus irgendeinem unerklärlichen Grund einen guten Draht zu Yugis Kindergartentruppe hatte. „Wie wäre es dann mit Serenity?“ Stille. Seto hob eine Augenbraue in die Höhe. „…wer?“ „Seto! Ich rede von Joeys Schwester! Du weißt schon, sie war mit uns damals in der virtuellen Welt gefangen!“ „Oh, richtig, ich erinnere mich. Fällt jedenfalls weg. Man sieht ja, was für einen tollen Eindruck sie bei mir hinterlassen hat.“ Er selbst fand es nicht schlimm, dass er vergessen hatte, wer diese Serenity war. Schließlich traf er tagtäglich auf neue Menschen, die meist eine wichtigere Rolle für ihn spielten, zumal es sich dabei oft um Geschäftspartner handelte. Außerdem war dieses Mädchen doch recht unscheinbar. „Was ist mit Mai?“ „Tolle Idee. Sie wirkt auf mich auch genau wie der Typ Frau, der überhaupt nicht materialistisch ist. Wir hätten reichlich Gesprächsstoff. Den Umsatz der KC, zum Beispiel. Oder mein genaues Gehalt.“ Eigentlich war es nicht fair, so über die Blondine herzuziehen, da er kaum ein Wort mit ihr gewechselt hatte. Doch Seto verschwendete keinen Gedanken daran. Viel wichtiger war es für ihn, die Argumente seines kleinen Bruders zu schwächen. Mokuba seufzte. „Bist du endlich fertig, mit deinen wahnwitzigen Vorschlägen? Gut, dann kann ich ja jetzt gehen. Ich muss mich noch auf meine Geschäftsreise vorbereiten.“ Seto leerte den restlichen Inhalt seiner Tasse in einem Zug und wollte den Raum verlassen. „Ishizu.“ Der Ältere stockte. Langsam drehte er sich zu seinem kleinen Bruder um. „Was ist mit Ishizu?“, fragte er, während er Mokuba dunkel anfunkelte. „Ich weiß, dass du sie sehr respektierst – wäre sie nicht gewesen, wärst du sicher nicht zum Battle City Finale gegangen.“ „Das Thema hatten wir bereits durchbesprochen – ich bin nur aus Neugier zum Finale gegangen. Ich wollte nur rausfinden, ob Yugi seine Chance nützen würde.“ „Seto, ich bin kein kleines dummes Kind, dem nichts auffällt!“, jammerte Mokuba, „Wir wissen doch beide, dass das nicht stimmt! Genauso, wie uns beiden bewusst ist, dass du nicht wolltest, dass sie wieder nach Ägypten geht!“ „Und woher willst du das bitte wissen?!“ „Hallo? Du hast dich den ganzen Monat darauf in deiner Arbeit begraben!“ „Ja, du hast vollkommen Recht. Das hatte rein gar nichts damit zu tun, dass ich eine Firma leiten muss!“ „Das lag sehr wohl an Ishizu!“ „Mokuba, das hat es nicht, verdammt noch mal!“ „Und warum schreist du mich dann so an, und bist so bemüht darum, mich vom Gegenteil zu überzeugen? Vorhin, bei den anderen, hast du noch ganz ruhig gesprochen!“ Seto hielt inne. Ihm war nicht aufgefallen, dass seine Stimme immer lauter geworden war. Plötzlich wurde ihm auch bewusst, dass sein gesamter Körper sich verkrampft hatte. Er bebte innerlich. Das Thema Ishizu war für ihn abgeschlossen. „Weil deine permanente Fragerei mir auf die Nerven geht“, erwiderte er schließlich. Er hatte seine Stimme wieder unter Kontrolle, und sprach langsam und ruhig. „Du kannst dir gerne in deiner Fantasie einbilden, was du willst. Fakt ist: Ishizu bedeutet mir genauso wenig, wie der Rest. Und jetzt entschuldige mich, ich muss noch einige Dokumente vor der Geschäftsreise durchgehen.“ Er warf Mokuba einen kühlen Blick zu, und verließ die Küche, ohne ein weiteres Mal aufgehalten zu werden. Kapitel 2: ----------- Er konnte nicht im Geringsten nachvollziehen, warum dieses Land für so viele Menschen ein absolut traumhafter Urlaubsort war. Die Sonne schien unbarmherzig vom Himmel herab. Die Verkäufer waren drauf und dran, jeglichen Krimskrams zu verkaufen. Und Sand, wo das Auge nur hinsah. „Wie gefällt es ihnen hier in Ägypten?“ Seto sah langsam zu der lächelnden Rezeptionistin auf. „Es gibt einen Grund, warum ich mein klimatisiertes Hotelzimmer nur ungern verlasse“, erwiderte er kühl. Seine Worte verwirrten sie sichtlich. Aber das war wirklich nicht sein Problem. „Ah, Mr. Kaiba!“, mischt sich nun eine weitere Stimme ein. Als der junge Firmenchef sich umsah, erblickte er Mr. Reza, den Geschäftspartner, auf den er hier in der Hotellobby gewartet hatte. Mit einem strahlenden Lächeln –was wenig verwunderlich war, schließlich war er dabei, mit einer der prestigevollsten Firmen ins Geschäft zu kommen- kam er auf Seto zu und reichte ihm seine Hand. „Ich hoffe, Sie haben ihren Aufenthalt hier in Ägypten bisher genossen?“ Anscheinend legten die Leute hier viel Wert darauf, dass man ihr Land mochte. Seto verkniff sich eine weitere schnippische Antwort. Schließlich gehörte sich das nicht zwischen Businessmännern. „Ich hatte noch keine Gelegenheit dazu“, erwiderte er stattdessen schlicht. „Ah, natürlich – Sie sind noch nicht lange hier! Sie sollten sich unbedingt die Pyramiden ansehen, das ist ein Anblick, den Sie niemals vergessen werden!“ „Mich interessiert eher der Anblick eines Vertrages, in dem wir uns auf eine funktionierende Zusammenarbeit geeinigt haben.“ „Ah, ich habe schon gehört, dass sie stets das Geschäftliche im Hinterkopf haben“ lachte Mr. Reza, „Sie sollten sich doch erst einmal von ihrer langen Reise erholen!“ Die Entwicklung des Gesprächs gefiel dem Jüngeren nicht. Er ahnte, dass sein Geschäftspartner noch auf etwas anderes hinaus wollte. Offenbar spürte Mr. Reza, dass Seto unzufrieden war. „Ich will ehrlich zu Ihnen sein, Mr. Kaiba“, gestand er schließlich, „Die Dokumente, die Sie uns haben zukommen lassen, sind noch in der Rechtsabteilung. Nicht, dass ich Ihnen misstrauen würde, aber Kontrolle ist bekanntlich besser als Vertrauen.“ Setos Mundwinkel zuckten kurz grimmig nach unten. Mit anderen Worten: er hätte ruhig noch ein, zwei Tage in Domino bleiben können. Offensichtlich war Mr. Rezas Anwaltsteam nicht sonderlich kompetent. Zumindest nicht für Setos Standards. „Sie wollen mir also sagen, dass ich umsonst hergekommen bin?“ „Keineswegs!“, wurde ihm sofort versichert, „Spätestens morgen früh können wir mit den Verhandlungen beginnen und ich bin mir sicher, dass wir schnell zu einer Einigung kommen. Die Zusammenarbeit mit der KC bedeutet uns eine Menge. Mir und meiner gesamten Firma ist die Situation furchtbar unangenehm.“ „Das sollte sie auch sein. So ein Verhalten ist mehr als nur unprofessionell.“ Seto sah sein Gegenüber kühl an. „Ich verstehe ihre Wut durchaus, aber wir haben auf Kosten der Firma ein Alternativprogramm zusammengestellt, damit Sie die schönen Seiten unseres Landes genießen können.“ Nach Setos vorherigen Worten würde die Rezeptionistin, hätte sie Mr. Rezas Aussage gehört, einiges zum Lachen gehabt haben. Er hatte keine Lust bei der drückenden Hitze durch Sanddünen zu fahren. Allerdings wollte er noch weniger rumzicken. Das Angebot abzulehnen würde ihn als sehr undankbar dastehen lassen. Nicht unbedingt ein Ruf, den man sich in der Geschäftswelt aufbauen wollte. Nachdem keine Widerworte gekommen waren, sah Mr. Reza das Schweigen als Zustimmung an. „Ich bin mir sicher, dass Sie den Tag nichtsdestotrotz genießen können!“ Der sogenannte Urlaub wurde immer mehr zu einem Albtraum. „Ich freue mich wirklich, ihre Begeisterung für Ägypten entfachen zu dürfen“, lächelte die junge Frau neben ihm. Als er vom Hotel in Mr. Rezas Limousine eingestiegen war, hatte sie sich vorgestellt und ihm erklärt, dass man ihr gesagt hatte, dass sie sich heute um ihn kümmern sollte. Ihren Namen hatte er zwar gehört, aber sofort wieder vergessen. Stattdessen starrte er grimmig das ägyptische Museum an. Hatte er sich im Laufe seines kurzen Lebens nicht schon genug ägyptische Märchen und Sagen anhören dürfen? Wenn irgendwer da drinnen ihm gegenüber auch nur ein Wort über das Herz der Karten verlieren würde, … dann Gnade dem Gott. „Diese Ausstellung ist weltweit renommiert“, fuhr die Frau fort, „Ich bin mir sicher, dass ihnen die Tour gefallen wird“ Sie bemühte sich einen Tick zu sehr, ihm zu gefallen. Die ganze Fahrt über hatte sie schon versucht, mit ihm in ein Gespräch zu kommen. Frauen waren wohl überall auf der Welt gleich, wenn es um Seto Kaiba ging. Anstatt auf sie zu achten, ging Seto alleine los. Wenn er sich diese dämliche Ausstellung schon antun musste, dann wollte er es nicht auch noch mit einer Nervensäge im Schlepptau machen. „Warten Sie doch, Mr. Kaiba!“, rief die junge Frau ihm nach und holte ihn mit eiligen Schritten ein, „Sollten Sie zu irgendetwas eine Frage haben, bin ich Ihnen gerne behilflich. Ich habe mich extra genauestens informiert, um alle Unklarheiten zu beseitigen.“ Ja, Seto hatte in der Tat eine Frage. Wo war der Knopf, um diese lästige Frau abzuschalten?! Nicht einmal meilenweit von Domino entfernt hatte er seine Ruhe. Wenig begeistert trat er in den ersten, größeren Raum. Eigentlich war er es gewohnt, dass er es war, der normalerweise angestarrt wurde. Diesmal war es anders. „Haben Sie etwas interessantes entdeckt?“, fragte Rezas Angestellte neugierig. Ihre Augen klebten geradezu an ihm, doch sie hatte das aufblitzen in seinem Blick falsch verstanden. Es war kein Ausstellungsstück, dass Seto Aufmerksamkeit erlangt hatte. Es war Ishizu. Ishizu Ishtar, die nicht einmal die Höflichkeit besaß, ihn, Seto Kaiba, zu bemerken, und sich stattdessen lieber mit irgendwelchen unbedeutenden Besuchern des Museums unterhielt. „Wie viele Einwohner hat Ägypten?“, fragte er ruhig. Die Frage kam unerwartet. „Ich… äh… weiß nicht genau. Etwa 82 Millionen?“ Seto stieß ein verachtendes Lachen aus. Was für eine Ironie, dass er dabei auf den einzigen Menschen stieß, den er nicht sehen wollte. Damit nicht genug. Die Leute, mit denen Ishizu sich unterhalten hatten, waren weitergegangen. Somit hatte sie nichts davon ablenken können, zu bemerken, dass er sie unverschämt anstarrte. Sie war überrascht, ihn hier zu sehen, doch die Überraschung wich einem gezwungen höflichen Lächeln. Sofort kam es wieder in ihm hoch. Die unerklärliche Wut und die Enttäuschung, die er verspürt hatte, als er herausgefunden hatte, dass Ishizu damals wieder zurück nach Ägypten gegangen war, ohne ihm auch nur ein Wort zu sagen. Gut, sie waren keine Freunde. Sie hatten zwei komplett unterschiedliche Weltbilder. Und es war auch nicht so, als ob er ihr je den Eindruck vermittelt hätte, dass ihre Anwesenheit ihm auch nur das Geringste bedeutete. Hatte sie im Grunde ja auch nicht. Dieser Irrglauben war Seto erst durch ihre Abwesenheit bewusst geworden. „Wer hätte gedacht, dass ich hier auf dich treffe, Seto Kaiba“, sagte sie, als sie zu ihnen hinüberkam. Aus der Nähe bemerkte der Firmenchef, dass ein Schild an ihrer weißen Bluse angebracht war. Es war also anzunehmen, dass sie in dem Museum arbeitete. „Ach? Hat deine Kette dir diesmal keine Vorwarnung mitgeteilt?“, fragte Seto mit einem spöttische Unterton. Manche Frauen ließen seine Beleidigungen über sich ergehen und lachten, als ob er gerade einen Witz erzählt hätte, in der Hoffnung, dass sie auf seine gute Seite kamen. Ishizu zählte nicht dazu. Ihr Lächeln verblasst nicht, aber ihre Augen verrieten, dass sie ihm viel Spaß bei seiner Fahrt in die Hölle wünschte. Eine ungewohnte Reaktion, doch eine willkommene Abwechslung von den ganzen Schmeicheleien. „Sie kennen sich?“, meldete sich nun Rezas Angestellte wieder zu Wort, „Ähm, Mr. Kaiba, Frau Ishizu ist die Museumsleiterin und Organisatorin dieser Ausstellung.“ „Wieso wundert mich das nicht? Hier gibt es bestimmt genügend Leute, die sich deine ägyptischen Märchen gerne anhören.“ „Manche verstehen die Bedeutung der Vergangenheit eben schon nach einem Museumsbesuch. Andere wiederum organisieren riesige Turniere, und versuchen vergeblich ihre größten Rivalen zu besiegen, anstatt sich mit ihrem Schicksal abzufinden.“ Ishizu sprach ruhig, doch die Freundlichkeit hatte ihr Gesicht verlassen. Seto war bewusst, dass sie es überhaupt nicht ausstehen konnte, wenn man sich über ihre Arbeit lustig machte. Ein Punkt, den er ohne Schwierigkeiten nachvollziehen konnte. „Mr. Kaiba, Sie müssen sich so etwas nicht anhören, ich-“ „Ich will mich alleine mit Frau Ishtar unterhalten“, unterbrach Seto Rezas Angestellte. Die junge Frau sah ihn verwirrt an. Sie hatte wohl gedacht, dass er das Gespräch als beendet angesehen hatte und von Ishizu wegwollte. Tja, wie sehr man sich doch irren konnte. Wiederwillig ließ sie ihn schließlich mit Ishizu alleine. „Wenn du nur hier bist, um dich über mich und meine Arbeit lustig zu machen, dann kannst du gerne wieder gehen. Und nimm deine kleine Verehrerin da drüben gleich mit.“ „Glaub mir, ich bin nicht freiwillig hier. Wenn es nach mir ginge würde ich schon mit einem unterzeichneten Vertrag in meinem Jet Richtung Domino sitzen“, erwiderte Seto, und verschränkte seine Arme, „Und wenn du die schon für lästig hältst, müsstest du erst einmal meinen Fanclub zu Hause sehen.“ „Danke, ich hab selber schon genug am Hals“, sagte sie trocken. Das überraschte ihn wenig. Es war kein Wunder, dass eine Menge Männer an ihr interessiert waren. Ishizu fiel unbestritten in das Schema, das man als hübsch bezeichnete. Wem machte er was vor, man konnte sie guten Gewissens als Schönheit einstufen. Seto verfluchte sich innerlich für den Gedanken. Nein, er hatte mit dieser Frau abgeschlossen! „Dabei wäre es so einfach, in Ruhe gelassen zu werden" Moment Mal. Das klang verdächtig nach seiner eigenen Stimme. Wieso in aller Welt wiederholte er Mokubas Aussage?! Als Firmenchef war er es gewohnt, seinen Angestellten öfters klar zu machen, dass sie aufhören sollten, Schwachsinn von sich zu geben und stattdessen eher ihr Hirn einschalten sollten. In diesem Moment wünschte er sich, er hätte auf seinen eigenen Rat, den er sonst immer befolgte, gehört. Ishizu sah ihn stirnrunzelnd an. Es war derselbe skeptische Blick, den er selbst noch vor kurzem seinem kleinen Bruder zugeworfen hatte. Sie zeigte keinerlei Verwirrung, sondern wartete offensichtlich auf eine Erklärung seinerseits. Eine Antwort, die Seto nicht parat hatte. Das Schweigen zwischen ihnen wurde von Sekunde zu Sekunde unangenehmer. Aber Seto wollte nicht auf den Vorschlag seines kleinen Bruders zurückgreifen. Das würde sich wie ein furchtbar schlechter Flirtversuch anhören. Genau das war der Grund, warum er Ishizus Anwesenheit nicht mochte. Er konnte einfach keinen klaren Gedanken fassen. Leute machten ihm tagtäglich Geschäftsangebote, Liebeserklärungen Morddrohungen - normalerweise fiel ihm immer eine passende Antwort ein. Gott, warum sahen ihre Augen ihn nur so durchdringend an?! Er musste etwas sagen – irgendwas! „Eine Scheinbeziehung.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)