Fight of my heart von Melora (Volleyball kann zwar ein Stückchen Leben, aber das Leben alleine niemals nur Volleyball sein) ================================================================================ Kapitel 7: Vergangenheit ------------------------ Yushima hatte entschlossen das Mädchen ausschlafen zu lassen, schließlich hatten sie ja viel zu viel Zeit. Später würden sie nach Tokorozawa rüber fahren und etwas in der Stadt unternehmen. Vielleicht konnte er sich dort, aber vor allem sie, ablenken. Die Zeit über, als sie noch schlief, machte er einen Dauerlauf nach Niiza und zurück. Als er um halb 11 dann völlig außer Puste zurückkehrte, kam sie ihm entgegen. „Wo warst du denn um die Uhrzeit?“ „Ich hab’s im Bett nicht mehr ausgehalten und bin nach Niiza und zurückgelaufen.“ „Ahja, wegen gestern“, sie senkte leicht den Kopf, „Es tut mir Leid.“ „Braucht es nicht, wir sind immerhin beide erwachsen genug, um damit umgehen zu können.“ Ihr Blick ging nun noch tiefer als bisher. „Ja, du vielleicht... Du hast bestimmt... ach vergiss, was ich gesagt habe!“ Sicher war er total erfahren und hatte schon sehr viele Freundinnen gehabt, im Gegensatz zu ihr. Sie war doch ein unerfahrenes Mädchen und konnte mit so etwas überhaupt nicht umgehen. Leider konnte er das nicht so einfach. Was hatte sie sagen wollen? Bestimmt dachte er einfach nur zuviel nach, aber es kam ganz von selbst. „Ich würde nachher gerne in die Stadt, kommst du mit?“ „Natürlich, wieso auch nicht? Ich habe ja nichts vor“, freute sie sich und lächelte, um das von gestern wieder gutzumachen. Unerwartet, als sie über eine Wiese gingen, entdeckten sie beide jemanden, den sie kannten. Yushima wollte sie erst abhalten, da hier eine Volleyballmannschaft trainierte, aber sie ging voraus und er ihr nach. Kannte sie jemanden, oder war es schlichtweg ihre Sucht nach dem weißen Ball? Ihm war das noch nicht so ganz klar. „Ohara-san!“ rief Mila und winkte dem Kapitän der Mannschaft in Blau zu. „Schön dich zu sehen.“ Verwirrt musterte Yushima die beiden und wirkte reichlich vor den Kopf gestoßen. „Ihr beiden kennt euch?“ Er dachte einen Moment an frühere Zeiten, immerhin war Mari Ohara Yôkos beste Freundin gewesen. Damals, als alles noch so unkompliziert gewesen war. Ohara erschrak, als sie Yushima entdeckte und versuchte ihn weitestgehend zu ignorieren. „Hey, Mila, was treibt dich hierher? Solltest du nicht in Hokkaido trainieren?“ wollte die Uni-Spielerin mit dem langen Pferdeschwanz sofort wissen. „Meine Lungenkrankheit,... ich hab’ gedacht, sie sei vollständig auskuriert, aber ich glaube, es war nur die Luft von Fujimi, die mir gut tat. Ich muss wohl drei Monate pausieren. Ich sehe es jetzt schon als Qual an, das kannst du mir aber glauben. Kannst du dir das vorstellen?“ „Ja, kann ich, das ist für dich sicher ganz besonders hart. Es wundert mich aber doch etwas, dass Hiro bei dir ist...“ Was war denn hier kaputt? Sie nannte ihn beim Vornamen? Auch wenn sie es fast geflüstert aussprach. „Hast du was gesagt? Und wieso flüsterst du denn so?“ Die 17-jährige hatte bereits bemerkt, dass Oharas Blick ab und zu zur Seite schweifte, wo nun mal Yushima stand. „Woher kennst du eigentlich Yushima, Ayuhara?“ „Das könnte ich dich genauso gut fragen, ehrlich. Ich kenne ihn, weil wir beide in der Nationalmannschaft spielen, aber kennen gelernt habe ich ihn in den Bergen von Nara...“ Oharas Blick verwandelte sich in Schockierung. „Was... Nara?“ Wieso eigentlich ausgerechnet dort? Es musste für Yushima immer noch schmerzhaft sein, an diese Berge zu denken, auch wenn er dies immer gut hatte verbergen können. In dem Moment fiel ihr auch auf, dass Mila als Yôkos Zwillingsschwester hätte durchgehen können, vielleicht verstanden sich die beiden ja auch deshalb gut. „Nara ist eine sehr schöne Gegend, aber auch gefährlich...“, meinte Ohara nachdenklich. Mila fiel sofort Oharas Blick auf. ‚Sie weiß es?’ „Wem sagst du das? Man hat mir dort gleich zweimal das Leben gerettet.“ „Ahja.“ Die Ältere setzte sich ins Gras und bat Mila an, sich zu ihr zu setzen, sie folgte der Einladung. „Du wolltest doch wissen, woher ich diesen jungen Mann da kenne. Nun ja, er ist der ältere Bruder von Yôko Yushima. Sie war meine beste Freundin und kam bei einem Ausflug in die Berge von Nara ums Leben. Ich kenne die beiden schon seit meiner High-School-Zeit. Außerdem war er Trainer in unserer Mannschaft, bevor er auf eine Sporthochschule ging.“ Ihr Aussprache ließ nicht darauf schließen, dass sich die beiden nicht gut verstanden, doch ihre Blicke sagten etwas in der Richtung aus. Irgendwas war zwischen ihnen vorgefallen, nur was? „Yôko hat bei uns mitgespielt, doch Volleyball war nicht mehr als ein Hobby für sie, da sie zu ihrem großen Bruder aufschaute. Sie war immer fröhlich und lebenslustig. Aber das ist eben vorbei... Manchmal vermisse ich sie ziemlich, das kann man jedoch nicht ändern. Ich habe sie vor 4 Jahren auf einer Party das letzte Mal gesehen. Sie sang ihr Lieblingslied. Danach haben ich, eine Freundin und sie auf einem Gelände zusammen mit ihm“, sie schaute zu Yushima, wobei ihre Stimme einen ehrfürchtigen Ton annahm, „Volleyball gespielt.“ „Ich glaube, wir beenden allmählich die Märchenstunde“, mischte sich Yushima nun ziemlich verärgert ein und warf Ohara einen bösen Blick zu. „Sag’ mir nicht, was ich zu tun habe, das mochte ich schon damals nicht! Yôko war so stolz auf ihren neuen Aufschlag! Du wusstest nur wie immer ganz genau, wo der Ball aufkommt. Sie wollte einen perfekten Aufschlag spielen, dann hast du mit deinem Schmetterball wieder mal so übertrieben, dass sie geweint hat!“ Jetzt machte sie ihm Vorwürfe, das war ja nicht zu glauben. Mila kam mit seiner seltsamen, manchmal vorhandenen, Härte gut klar. Kein Wunder, dass er fand, sie war seiner Schwester charakterlich nie ähnlich. „Ich kann nichts dafür, dass sie so zimperlich war!“ verteidigte er sich mit einem Seufzen – ihm war doch klar, dass Volleyball für seine Schwester nicht das Richtige gewesen war. „Sie war eine gute Spielerin, aber leider zu anfällig, man konnte sie leicht verängstigen.“ „Hört jetzt auf zu streiten“, versuchte Mila zu schlichten, wobei sie laut und schwungvoll sprach, genau das Gegenteil von Yôko. „Mila, du bist die Gegenseite zu Yôko, du hast Kraft!“ Geknickt ging Yushima jetzt an den beiden vorbei. „Das Thema Yôko, ist immer noch ein Streitpunkt zwischen uns.“ Mila wurde schlagartig bewusst, dass sie ihn im Prinzip nur als Volleyballspieler und Trainer kannte. Doch was wusste sie schon von ihm als Menschen? Dieser Mensch hatte auch so seine Probleme, wie hatte sie das anzweifeln können? Selbst wenn man diese Probleme auf den ersten Blick nicht erkannte. „Ohara-san, darf ich Sie etwas fragen?“ „Aber klar, na sicher, schieß schon los, Mila.“ „Wie war es für Yushima, als Yôko starb?“ „Er wurde zum Volleyballfanatiker, es zählte sonst gar nichts mehr. Er war oft deprimiert, aber ich glaube, der Sport hat ihm geholfen, die nötige Kraft zu entwickeln, um den Schmerz zu überwinden. Er hat sich seit damals sehr verändert...“ „Ich kenne ihn noch nicht allzu lange. Es ist jetzt fast ein Jahr. Manchmal ist er die Nettigkeit in Person, dann... dringt seine andere Seite zu ihm durch“, sie schluckte, „dann weiß ich nie, was ich denken soll. Er ist manchmal zu ehrlich, er vertritt seine Meinung derart drastisch, dass es manchmal wehtut. Er scheint sich alles zu trauen. Was er sagen will, sagt er.“ „Mhm?“ Seine Meinung? Das war eher Besserwisserei, so empfand das zumindest Ohara. „Ich kann seinen Kummer wegen seiner Schwester nachvollziehen. Ich habe diese Erfahrung auch schon machen müssen...“, meinte Mila bedrückt und seufzte anschließend. „Wie stehst du zu ihm, Mila, verrätst du mir das? Seid ihr Freunde?“ „Ich weiß es oft selbst nicht, tut mir Leid...“ Noch ein Seufzen kam, diesmal jedoch ziemlich genervt, wenn auch nicht von der Person an ihrer Seite. „Bevor Yôko von uns ging, war er meine große Liebe...“ „Ich... ich weiß nicht, was ich dazu sagen soll... er ist schon ganz nett und sieht gut aus...“, die 17-jährige errötete leicht. „Warum ist er überhaupt so schnell weg?“ „Ich glaube, es ist wieder Yôko...“ Ohara blickte während ihrer Worte zu Boden. „Er hat sie wirklich geliebt, mehr als alles andere...“ Die Worte schmerzten, Mila kannte dieses Gefühl nur zu gut, so sehr, dass ihr Tränen kamen und sie hastig aufsprang. „Ich muss zu ihm!“ Sie rannte davon und hoffte ihm auf dem Weg zu begegnen. Doch er war nirgends auffindbar, also fragte sie ihre ehemalige Mannschaft, ob sie ihn gesehen hatten. „Ich habe vorhin ein dröhnendes Geräusch gehört, als ich vom Training kam“, meinte Midori, „Ich denke, er trainiert irgendwo... in der Nähe...“ „Danke, Midori...“ Mila ging nach draußen und sah sich etwas um, bis sie das Geräusch eines Balles vernehmen konnte, der gegen eine Wand flog und diesem folgte. Schließlich wurde der Lärm lauter und sie entdeckte ihn. Er machte einen Aufschlag und Schmetterball nach dem anderen. Durch den Aufprall gegen die Wand flog er verstärkt zurück. Er nahm ihn an, schmetterte ihn und jagte sich so von einer Ecke in die andere, als wolle er sich für irgendetwas bestrafen. Dennoch entging ihr nicht die Deprimierung, die sein Blick zeigte. So einen Blick hatte sie noch nie an ihm gesehen und es tat ihr in der Seele weh, wie er auf den Ball einschlug, obwohl er wohl lieber sich selbst schlagen würde. Als er dies wieder tat, stellte sie sich zwischen den Ball und ihn, überschätzte die Schnelligkeit und Härte, so dass sie ihn nicht annehmen konnte, ohne dabei zu Boden zu gehen. Sie rieb sich das Handgelenk und richtete sich allmählich wieder auf. „Mannoman, da steckt aber Kraft dahinter. Kannst du mir mal sagen, was das soll?“ „Ich trainiere, das siehst du doch, also, mach Platz, du störst mich dabei!“ meinte er unbeherrscht und schrie dann fast. „Geh zur Seite, ich schlag’ auf!“ „Wenn du trainierst, tue ich das auch!“ brüllte sie ihn an. „Lass mich, du sollst dich schonen...“ „Der Ball kann nichts dafür.“ Daraufhin begann er zu zittern, da ihm klar war, dass sie Recht hatte und ging vor ihr auf die Knie. Er krallte sich in den Boden. „Sie fehlt mir.“ „Wer? Yôko oder Ohara?“ fragte Mila unschlüssig und ging langsam auf ihn zu. „Meine kleine Schwester, wie kommst du auf Mari?“ Sie sah schon, dass er kurz davor stand, zu weinen. „Schon gut...“, meinte sie und kniete sich zu ihm hinab, wie er es einmal getan hatte, als sie sich schlecht fühlte. „Mein bester Freund starb, als ich ein wichtiges Spiel hatte...“, platzte aus ihr heraus, diesmal jedoch weinte sie nicht wie so oft, wenn sie darüber redete. „Was?“ Schockiert sah er sie an und sah Tränen in ihren Augen funkeln. „Nein, er war sogar mehr als nur ein Freund. Ich habe oft daran gedacht ihm zu folgen...“ Ihr Blick ging nun zu Boden. Sie klang jetzt genauso deprimiert, wie er, was er einfach nicht ertragen konnte, so dass er sich einen Moment nicht unter Kontrolle hatte und die Fassung in Form einer Ohrfeige verlor. „So etwas darfst du nicht einmal denken!“ Er rüttelte an ihren Schultern. „Das Leben ist ein Geschenk.“ „Hey, hey, ganz ruhig, ich werde mich schon nicht umbringen...“ Sie schüttelte den Kopf. „Ich sagte nur, dass ich mal darüber nachdachte. Wolltest du noch nie alles hinschmeißen? Bist du immer nur glücklich? Wohl kaum!“ „Natürlich nicht, aber sag’ nicht, dass du sterben willst! Dafür hast du keinen Grund!“ Er wischte sich Schweiß von der Stirn. „Sterben können wir früh genug, man weiß doch nie, ob man den nächsten Tag noch erlebt...“ „Das weiß ich, Yushima... was hältst du davon, wenn wir uns gegenseitig trösten, anstatt einen Ball und uns selbst zu quälen?“ Die Dunkelhaarige rutschte näher an ihn heran und blickte ihm tief in die Augen, die Schmerz und Trauer widerspiegelten. „Tsutomu wusste damals schon mehr über mich, als ich selbst. Seine Mutter gab mir sein Tagebuch, in dem drinnen stand, dass er mir sagen will, dass er mich liebt, sobald ich die beste Angriffsspielerin der Welt bin...“ Nun musste sich die 17-jährige doch die aufkommenden Tränen wegwischen, um nicht zu weinen. „Dann hat er dich eben besser gekannt, als alle anderen, er war sicher ein toller Mensch. Schade ist nur, dass du Yôko und ich Tsutomu... dass wir die beiden nicht kennen lernen können...“ Es kamen ihr erneut Tränen, die er ihr sanft wegwischte und dabei sogar ein Lächeln über sich brachte. „Ist das ein Grund zu weinen?“ „Wir denken beide immer noch oft an sie.“ „Das sind bloß Erinnerungen, nicht mehr und auch nicht weniger“, meinte Yushima in einem Ton, der undefinierbar klang, sie wusste nicht, ob sie ihn positiv oder negativ deuten sollte. „Ich finde es furchtbar traurig“, sie lehnte den Kopf an seine Brust und schloss die Augen. Tsutomu begleitete sie oft in ihren Träumen, sie fühlte sich einfach nicht frei. Es belastete sie, zu wissen, dass es ihm da mit einer anderen Person wohl ähnlich ging. ‚Nein, nicht wirklich! Es ist magisch – ich musste dich schließlich dort treffen, wo einst alles aufhörte und doch…’ Ein Ende war immer auch ein Neuanfang, so war es eben, sie hatten es nie leicht gehabt und würden es wohl auch nie leicht haben. „In Momenten wie diesen fühle ich mich gar nicht so traurig“, obwohl er es flüsterte, verstand sie es sehr genau, sie spürte seinen Atem über ihr Ohr streifen und löste sich, um ihm ins Gesicht zu sehen, nur ihre Hände blieben mit ihm im Kontakt, indem sie auf seiner Brust liegen blieben. „Wieso das denn?“ In seinen Augen sah sie dieses Funkeln, aber sie wusste es nicht zu deuten und musste nachhaken. „Du stellst interessante Fragen – welcher Mann hat traurige Gedanken mit einem hübschen Mädchen in seinen Armen?“ Er wusste, dass er sie verlegen machte und sie wohl gleich wieder wütend werden würde, wenn er so etwas sagte, aber der 23-jährige konnte nicht anders. Es war auch irgendwie ein spielerisches Necken, wenn sie wieder einmal nichts verstand. Stattdessen trat eine zarte Röte in ihr Gesicht – wieso musste er solch peinliche Sachen von sich geben? „Ach, hör auf!“ „Wieso sollte ich? Es macht Spaß.“ Was daran so spaßig sein sollte, verstand sie beim besten Willen nicht. Er schien sich nicht daran satt sehen zu können, sie zu ärgern und zu verunsichern. Nie wusste sie, ob es nun ein Scherz oder Ernst war. Wenn er auch immer so grinste – ja genau dieses freche, dreiste Grinsen, wie man es eben von Männern kannte, die etwas von sich hielten – so war es doch? Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)