Innocent Rabbit von ChiChii ================================================================================ Kapitel 8: ----------- Das Knallen der Tür weckte mich am nächsten Morgen. Erschrocken setzte ich mich auf, da ich dachte, Aki wäre gegangen, doch stattdessen erblickte ich meinen Vater im Türrahmen. Überrascht blinzelte ich ihn an, bis ich kapierte, dass das kein Traum war. Tollpatschig tatschte ich nach Aki neben mit und rüttelte ihn durch, bis er wach war. Keiner von uns konnte reagieren, da war mein Vater schon bei mir und schlug mich. Rasend schnell zog der Schmerz durch meine Wange und ich ließ den Kopf zur Seite gedreht, zu der er bei der Wucht des Schlages geflogen war. „Geht’s dir gut?“, fragte Aki besorgt und wollte mich in seine Arme ziehen, doch ich drückte ihn weg und stand auf. Mit gesenktem Kopf stand ich vor meinem Vater, verbeugte mich kurz, bevor ich aus dem Raum flüchtete. Ich konnte mir vorstellen, was er dachte. Dass ich Schuld an dem Ganzen war, das er soeben gesehen hatte. Aki und ich in einem Bett, wir beide halbnackt. Wenn es nach meinem Vater ging, war ich immer Schuld und bei seiner Weltansicht hatte ich Aki wohl noch verführt. In meinem Zimmer holte ich Akira aus seinem Käfig und kuschelte mich mit dem Hasen auf mein Bett. Von unten konnte ich Stimmengewirr hören, doch was genau geredet wurde, verstand ich nicht. Wie selten in meinem Leben nahm ich meinen Mut zusammen, drückte Akira an meine Brust und schlich zur Treppe. Ich setzte mich so hin, dass man mich von unten nur schwerlich sehen konnte und lauschte. Diesmal verstand ich besser, worum es ging. „… Es war meine Schuld. Der Kleine hat damit nichts zu tun“, erklärte Aki ruhig. Seine Stimme war immer so ruhig. Außer, wenn er mal wieder etwas ganz bestimmtes von mir wollte, doch sonst war sie immer so gelassen. Ich beneidete ihn darum. „Lass doch die faulen Ausreden. Er hat dich verblendet, so wie bei jedem Menschen auch. Seine Mütter hätte ihn niemals retten dürfen“, rief mein Vater aufgebracht. Ich zuckte bei seiner lauten Stimme zusammen. Seine Worte waren verwirrend. Meine Mutter hatte mich nicht gerettet, sie war einfach abgehauen, als ich ein kleines Kind war. Aber wenn mein Vater mir etwas verheimlicht hatte… Bei seinen Worten wurde mir erst klar, dass es wohl durchaus im Bereich des Möglichen wäre, dass mein Vater mich mit einer Lüge hatte aufwachsen lassen. „Ich lüge nicht. Yuki-Mura war normal, er kann nichts dafür, dass ich mehr von ihm wollte. Sie sollten doch selbst wissen, dass man nichts gegen Gefühle machen kann und ich habe sie ganz sicher nicht herbei gewunschen. Ebenso wenig hat Yuki irgendwas gemacht“, redete Aki unbeirrt weiter. Die Stimme meines Vaters schien ihn nicht im Geringsten zu stören. Das lag wahrscheinlich daran, dass er in seinem Beruf mehr durchgemacht hatte, als dass ihn ein aufgebrachter Chef noch weiter störte. „Yuki-Mura ist ein verzogenes Balg. Ab jetzt hältst du dich von ihm fern. Du kehrst zu deinen alten Aufgaben zurück und mehr will ich nicht von dir. Zu meinem Sohn unterbindest du jeden Kontakt“, erklärte mein Vater wutschnaubend. Seine Worte zerrissen mir das Herz. Dass ich ein ‚verzogenes Balg‘, um es mit seinen Worten zu sagen, war, störte ich mich. Ich wusste ja, dass er keine all zu hohe Meinung von mir hatte, doch dass er Aki von mir trennen wollte, schmerzte so sehr wie nichts zuvor. „Aber-“, setzte Aki an, doch was auch immer er sagen wollte, irgendwie brachte mein Vater ihm zum Schweigen. Ich wartete ab, was als Nächstes passieren würde, doch es drangen keine weiteren Worte nach außen. Dafür verließ mein Vater nach einigen Minuten das Gästezimmer. Aki folgte ihm nur wenig später, vollständig angezogen und mit einer gepackten Tasche das Zimmer. Ich zog die Luft scharf ein, als mir bewusst wurde, dass er diesen Befehl meines Vaters befolgen würde. Langsam stiegen mir die Tränen in die Augen, während ich den Schwarzhaarigen dabei beobachtete, wie er zur Haustür ging, wo er seine Schuhe anzog. Vor lauter Schrecken ließ ich Akira los, der nun zu Aki, nach dem er eigentlich benannt worden war, die Treppen hinunter hoppelte. Ich hielt das kleine Tier nicht auf, sondern blieb auf meinem Platz und versuchte verzweifelt, nicht einem Zusammenbruch zu erliegen. Aber Aki würde gehen. Es war wahrscheinlich, dass ich ihn nie wieder in meinem Leben sah. Ich würde nie wieder seine weichen Lippen spüren oder seine warme und angenehme Haut spüren. Nie wieder den Glanz in seinen Augen sehen, der das einzige Zeichen von Gefühl war. Nie wieder sein Essen essen, das er immer nur für mich kochte. Nie wieder mit ihm in einem Auto sitzen oder seine Gesellschaft genießen. All das und noch so viel mehr ging mit dem Schwarzhaarigen aus meinem Leben. Ich schluchzte verzweifelt auf, als Aki den schwarzen Hasen hochhob und nun zu mir blickte. Es war kein Wunder, dass er mich so schnell erblickte, denn immerhin lag die Treppe gegenüber der Tür. „Du hast es versprochen“, murmelte ich erstickte, bevor ich auf sprang und in mein Zimmer stolperte. Ich konnte es nicht ertragen, seinen ruhigen Blick zu sehen, wenn wir beide wussten, dass er gehen würde und nie wieder käme. In meinen eigenen vier Wänden verzog ich mich in das Eck hinter der Tür und setzte mich mit angezogenen Beinen auf den Boden. Das Gesicht vergrub ich an meinen Knien, in der schwachen Hoffnung, dass das alles nur ein fürchterlicher Alptraum war. Es konnte doch nicht einfach so vorbei sein. Aki konnte nicht einfach so gehen, nur weil mein Vater das verlangte. Er konnte mich nicht alleine lassen. Und dennoch flüsterte etwas tief in meinem Inneren, dass er es doch konnte, was meine Tränen nicht verhinderte. Selbst als Minuten vergingen, wachte ich nicht auf und meine Hoffnung, dass das alles nur ein Traum war, verblasste immer weiter. Als die Tür aufging, schaute ich hoffnungsvoll auf, doch es war mein Vater, der in mein Zimmer ging, Akira unsanft in seinen Käfig steckte und schließlich mich mit seinen eisigen Augen anblickte. Unvorstellbar, dass sie früher voller Liebe waren, als meine Mutter noch da gewesen war. „Ab Montag bekommst du einen neuen Bodyguard. Er bringt dich zur Schule und holt dich von dort ab. Wenn du irgendwohin gehst, begleitet er dich. Wenn du irgendwas machst, sagst du es ihm“, erzählte er mit seiner gletscherkalten Stimme, bei der mir Schauer über den Rücken liefen. „Er kommt nicht wieder?“, fragte ich, wollte doch nur noch ein wenig Hoffnung in meinem Leben haben, dass Aki zurück kommen würde und mich wieder mit seiner ruhigen Stimme tadeln, loben, mir Komplimente machen, Befehle erteilen. Es kam keine Antwort, dafür trat mein Vater auf mich zu und schlug mich erneut. Diesmal auf die andere Wange. Ich verkniff mir das Wimmern. Mein Vater verließ das Zimmer wieder und schlug die Tür hinter sich zu. Bei dem lauten Geräusch zuckte ich zusammen. Es war alles so vorhersehbar gewesen. Er würde nachhause kommen, ich bekäme den Ärger und Aki gehen. Dennoch hatte ich meine Augen all die Wochen davor verschlossen. Mit zittrigen Beinen stand ich auf und ging zu meinem Bett, auf dass ich mich fallen ließ. Ich rollte mich zusammen und schnappte mir eines der Zierkissen, die zuhauf auf dem viel zu großen Bett lagen. Trostsuchend klammerte ich es an meine Brust und vergrub mein Gesicht in dem Federkissen. Immer wieder brachten Schluchzer mich zum Erschüttern, die Tränen kamen mir unaufhörlich und der Schmerz wollte einfach nicht verschwinden. Irgendwann kam es so weit, dass ich nicht mehr richtig zu Atem kam. Erstickt versuchte ich, wieder Luft in meine Lungen zu bekommen, doch es klappte nicht. Immer mehr beschleunigte sich mein Luftholen, bis ich irgendwann nur noch keuchte und kam Sauerstoff einsog, als ich diesen auch wieder ausstieß. Mein Handyklingeln war es, das mich die Luft anhalten ließ, die ich gleich wieder ausatmete. Schnell sprang ich auf und kramte auf meinem Schreibtisch nach dem kleinen Telefon. Ich war nicht total verloren. Ich hatte Akis Nummer und er hatte meine. Wir konnten immer noch telefonieren oder schreiben. Es würde alles wieder gut werden. „Kleiner?“, erklang Akis Stimme, nachdem ich abgenommen hatte und hastig nickte ich, bis mir einfiel, dass ich am Telefon saß und nicht vor meiner Webcam. „Hai“, schniefte ich ins Telefon und ließ mich auf meinen Schreibtischstuhl fallen. Seine Stimme in meinem Ohr. Der Schmerz von eben war vergessen, allein indem ich diesen angenehmen Klang hörte. „Es tut mir so leid. Ich wollte dich nicht verlassen“, erklang die ruhige Stimme, mit einem leichten Unterton der Angespanntheit. Es schmerzte ihn selbst, was vorgefallen war. „Du kannst nichts dafür“, flüsterte ich heiser und krallte die Finger in mein Knie. Anlässlich des so typischen Gespräches für uns, bestehend aus der Entschuldigung und der Erwiderung, dass der andere nichts dafür könne, musste ich lächeln. „Hör zu, Kleiner. Schreib die Nummer auf und versteck den Zettel dann irgendwo. Wahrscheinlich wird dein Vater dir ein neues Handy besorgen. Wenn du eine neue Nummer hast, meldest du dich bei mir“, befahl Aki ruhig und es drängte sich mir die Frage auf, wie oft er so etwas in der Art wohl schon durchgemacht hatte. Ob immer Gefühle dabei im Spiel gewesen waren. „Ich mach das“, murmelte ich leise und kramte bereits nach einem Zettel und einem Stift, während ich nach einem geeigneten Versteck suchte. „Aki?“ „Ja, Kleiner?“, fragte Aki, seine Stimme klang so müde. Ich wollte mich jetzt an ihn kuscheln und durch seine Haare streichen, bis wir beide eingeschlafen waren und ich mich dabei an ihn kuschelte, während er seinen Arm um mich legte, ohne dass wir beide irgendwas bemerkten. „Ich liebe dich“, nuschelte ich leise. Es war möglich, dass wir trotzdem nicht mehr miteinander sprachen, doch das wollte ich mir nicht einmal vorstellen. „Ich muss jetzt auflegen“, war Akis knappe Antwort, bevor seine Stimme wirklich durch das Tuten ersetzt wurde. Verschreckt sah ich auf das Display. Erneut stiegen mir die Tränen in die Augen. Normalerweise hätte Aki mich geküsst, wenn ich ihm das gesagt hätte, doch er war nicht da. Ich wollte ihn wieder. Ich hielt meine Gefühle für wenige Moment zurück und schrieb die Telefonnummer schnell ab, bevor ich den Zettel nahm, zusammen faltete und in einer Packung mit Ersatzseiten für meine Gitarren in meinem Nachtkästchen versteckte. Dann holte ich Akira aus seinem Käfig und kuschelte mich mit ihm wieder aufs Bett. „Wenigstens du bist mir geblieben“, flüsterte ich leise gegen sein flauschiges Fell, während die Tränen wieder zu fließen begannen. Wie sollte ich bloß ohne Aki weitermachen? Ich wollte nicht wieder alleine sein und ich wollte auch keinen neuen Bodyguard haben. Ich wollte ihn einfach wiederhaben und mich von ihm trösten lassen. In seine Arme schmiegen und die schützende Wärme spüren können. Mit diesen Gedanken schlief ich irgendwann ein. Keuchend fuhr ich aus dem Schlaf hoch. Alles war so erschreckend und real gewesen. Die Männer im Anzug, die in unserem Garten erschienen waren, während ich meiner Mutter dabei half, die Wäsche aufzuhängen. Sie redete kurz mit ihnen, doch ich verstand nicht, worum es ging. Dann zog einer der Männer eine Waffe. Sie rief nur noch, ich solle laufen. Ich lief. Im Hintergrund knallte ein Schuss. Mir fielen die verstörenden Worte ein, die mein Vater gestern gesprochen hatte. „Seine Mütter hätte ihn niemals retten dürfen“ hatte er gesagt. Also hatte er damit gemeint, dass sie mich gerettet hatte, als ein verfeindeter Clan auf unser Grundstück gekommen war. Danach waren wir umgezogen. Akira war wieder in seinem Käfig verschwunden, dessen Türe immer noch offen stand. Also war er auch gegangen. Ich blieb den ganzen Tag im Bett liegen, hatte das ganze Zimmer verdunkelt und betrachtete die Leuchtsterne an meiner Decke. Ich versuchte zu verdauen, was am Vortag passiert war und was das alles bedeutete. Aki war weg. Ich würde nur mit ihm telefonieren können und selbst dabei wusste ich nicht, wie oft und wie lange. Ich konnte ihn wahrscheinlich nie wieder sehen, es sei denn, dass er hier vorbeikam, wenn er etwas von meinem Vater wollte. Doch solange mein Vater da war, durfte ich ihn nicht berühren, vielleicht von meinem Platz auf der Treppe aus ansehen. Dazu kam, dass meine Mutter nicht abgehauen war. Sie war tot, für mich gestorben. Mein Vater hasste mich, weil er mir die Schuld daran gab, dass seine Frau gestorben war. Ich hatte all das Leid in seinem Leben verursacht und ich war es ihm nicht einmal wert, dass er mich nun vor dem gleichen Schicksal bewahrte. Er hasste mich einfach abgrundtief. Das alles zusammen genommen, bedeutete, dass ich noch mindestens vier Jahre in diesem Haus verbringen musste, bis ich gesetzlich erwachsen und somit für mich selbst verantwortlich war. Bis dahin konnte Aki sonst was widerfahren sein. Vielleicht hätte er sich in dieser Zeit auch neu verliebt. Doch all die Grübelei half mir nicht, den Schmerz in meinem Herzen zu vergessen. Ich fühlte mich leer, mir fehlte die doch so vertraute Nähe meines Betreuers. Ich wollte wieder Akis Hand spüren, die mir durch die Haare fuhr oder die Lichtspiegelung auf seinen Haaren betrachten. Ihm wieder einen Zug aus seiner Zigarette klauen, was meistens in einem Kuss endete. Zigarette. Es würde mich beruhigen und mir schaden. Und ich könnte diesen Schmerz unterdrücken. Dagegen sprach, dass ich Aki versprochen hatte, niemals mit dem Rauchen anzufangen. Ich war doch immer brav, ich konnte nicht mit dem Verzehren der Krebserreger anfangen. Doch wichtiger als diese Tatsache: Ich durfte nicht! Ich hatte es versprochen und ich wollte ihn doch nicht enttäuschen. Ich wollte, dass Aki stolz auf mich war, wenn er zu mir zurückkam und nicht erkennen musste, dass ich ihn enttäuscht hatte. In diesem Moment wünschte ich mir zum ersten Mal, mein Vater würde mich wieder lieben. Dann würde er mich jetzt trösten und vor meinem Schmerz bewahren. Er könnte mich aus diesem Elend an Schmerz befreien. Ein verzweifelter Schluchzer stahl sich über meine Lippen, als mir klar wurde, dass ich alleine war. Ich hatte niemanden mehr und ich würde alleine bleiben. Aber ich wollte das nicht. Ich wollte nicht alleine sein. Zumindest musste ich nur noch diesen Tag hinter mich bringen, dann würde die Schule anfangen und ich war wieder unter Menschen. Früher hätte ich mir das nicht gewünscht, ich hatte immer Wert darauf gelegt, Abstand zu den Leuten in meiner Umgebung zu halten. Ich mochte diese Verdorbenheit nicht, wie schnell Lügen verbreitet wurde und wie man immer über alles und jeden herzog. Ironie des Schicksals dass ich als Sohn eines Yakuza Bosses so dachte. Ich bewegte mich den gesamten Tag nicht aus meinem Zimmer. Hunger verspürte ich keinen, also aß ich nichts. Mir schmeckte ohnehin nichts, was nicht von Aki kam. Trinken tat ich nur wenig. Bediente mich des winzigen Lagers aus Cola Flaschen in meinem Schreibtisch. Ich war einfach am Ende. ____________________________ So, und das ist das achte Kapitel ^^ Yuki muss leiden und, ich gebe es zu, es wird auch nicht besser für ihn "^^ Aber wen es beruhigt: Lange ist die Geschichte nicht mehr ^^ noch drei weitere Kapitel :3 LG~ *wink* *keks dalass* Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)