Innocent Rabbit von ChiChii ================================================================================ Kapitel 4: ----------- „Wieso hab ich einen Bodyguard bekommen?“, fragte ich, als Aki sich neben mir niederließ und zu meinem Leidwesen die Kontrolle über den Fernseher übernahm. Da ich ohnehin lag, benutzte ich den Schwarzhaarigen unfairerweise als Kopfkissen und legte mich mit einem Arm und dem Kopf auf seine Knie. Nicht dass ich oft ein menschliches Kopfkissen benutzen würde, aber manchmal brauchte Mensch einfach seine Kuschelzeit und besonders wenn dieser Mensch ein Teenager war und gelernt hatte, dass das menschliche Kopfkissen immer angenehm warm war. „Leute aus einem verfeindeten Clan wollen dich umbringen“, erklärte der Schwarzhaarige ruhig und rutschte auf der Couch zurück, wobei er mich liebevollerweise mitzog. Mein Verdacht, dass er eigentlich ein Familienmensch war, verhärtete sich dadurch nur. „Ist meinem Vater doch egal, wenn ich abkratze“, erwiderte ich leise und beobachtete den Fernsehbildschirm, auf dem immer wieder andere Kanäle erschienen, da Aki durchzappte. „Es ist aber auch eine Verletzung der Ehre für ein Clanoberhaupt, wenn er die eigene Familie nicht schützen kann. Anders ausgedrückt, beschützt er durch dich indirekt seine Ehre“, erklärte mir Aki und wuschelte mir kurz durch die Haare. Wahrscheinlich als Aufmunterung gedacht. „Hast du eigentlich Familie?“, fragte ich neugierig und betrachtete aufmerksam das Filmgeschehen. Es war der Anfang zu irgendeinem Horrorfilm, so viel war schon mal klar. „Ich hatte“, antwortete Aki ruhig. Ich drehte meinen Kopf in seine Richtung und sah ihn fragend an, doch da er aufmerksam auf den Bildschirm konzentriert war, fragte ich laut: „Wieso ‚hatte‘?“ „Ich bin Waise und mein Bruder ist vor zehn Jahren gestorben“, antwortete der Schwarzhaarige und seine Augen verdunkelten sich. Vielen Menschen wäre das sicher nicht aufgefallen, aber ich hatte ihn gerne beobachtet. „Tut mir Leid“, murmelte ich und wandte mich wieder nach vorne. Das erklärte, warum er sich um mich kümmerte. Wahrscheinlich war es sein kleiner Bruder gewesen, der gestorben war. Jüngere Brüder pflegten niemanden so rührend. „Du kannst nichts dafür“, gab Aki zur Antwort und klopfte mir auf die Schultern. Es war eine tröstende Geste, obwohl ich nicht traurig war. Eine Weile schwieg ich und verfolgte den Film mit, doch ich war kein Fan von dem Genre. „Erinnere ich dich an ihn?“, fragte ich leise und begann, kleine Kreise mit dem Finger auf sein Knie zu zeichnen. „Nein. Er war kindischer und naiver. Er redete andauernd und dachte nicht viel nach“, erzählte Aki und ließ seine Hand auf meiner Schulter liegen. Es war angenehm, seine Berührung zu spüren. „Oh“, machte ich nur leise. Erneut schwieg ich eine Weile. Inzwischen war der erste Charakter in dem Film gestorben. „Verheiratet bist du nicht, oder?“ „Nein“, antwortete der Schwarzhaarige sofort. „Eine Freundin?“, fragte ich weiter und hielt in der Bewegung, die meine Finger auf seinem Knie vollführte, inne. Stattdessen zog ich mir die Decke etwas höher. Die ganze Zeit blieb Akis Hand auf meiner Schulter liegen, obwohl ich den Arm stark bewegte. „Nein“, kam erneut eine Verneinung. Nachdenklich sah ich auf seine Zigaretten, die immer noch auf dem Tisch lagen, bevor ich wieder auf den Fernseher sah. Es war uninteressant, doch das waren die meisten Horrorfilme am Anfang. Nach einigen Sekunden fragte ich: „Einen Freund?“ „Nein.“ Die dritte Verneinung. „Bist du eigentlich hetero?“, fragte ich weiter. Mir gingen allmählich die Fragen aus, doch ich wollte heute keine Stille. Zusätzlich lenkte es mich von dem grauenhaften Film ab. „Nein.“ Klappe, die Vierte. Mit einem Schmunzeln drehte ich mich auf den Rücken und sah ihn an. „Kommt heute auch noch etwas anderes?“ „Nein“, war die knappe Antwort. Mit einem Kopfschütteln setzte ich mich auf und lehnte mich neben Aki an das Rückenteil der Couch. Der Film widerte ich mich immer mehr an, doch mit gelegentlichen Seitenblicken stellte ich fest, dass Aki das Szenario unbewegt mit ansah. „Ich will einen Hund“, murmelte ich irgendwann und ließ meinen Kopf in den Nacken fallen. Ich fand, es war ein schöner Gedanke, einen tierischen Begleiter zu haben. Okay, es musste nicht unbedingt ein Hund sein. Eine Katze oder ein Hase oder waren auch ganz nett. „Du müsstest deinen Vater fragen“, erwiderte Aki unberührt. Mit einem Grinsen sah ich ihn an und piekste ihn in die Seite. „Du hast doch etwas anderes gesagt! Aber er würde nein sagen. Also besorgst du mit mir ein Haustier und wenn ich eines hab, sagt er eh nichts mehr.“ „Hamster“, erklärte Aki und wandte seinen Blick nicht einen Moment vom Bildschirm ab. Es war aber auch ein großer Bildschirm und so konnte man viel sehen. „Hase“, erwiderte ich und als ein kurzes Nicken folgte, triumphierte ich innerlich. Ich blickte wieder zum Fernseher. Komischerweise küssten sich gerade zwei Männer. Also hatte Aki entweder zwischendurch umgeschaltet oder einer würde sterben. Einer starb. „Ich hab das noch nie gemacht“, murmelte ich leise und zog die Beine an. Die Decke legte ich mir um die Schultern, bevor ich die Arme um die Knie schlang. „Einen Jungen geküsst?“, fragte Aki mit seiner ruhigen Stimme. Ich nickte nur. Es war ungewöhnlich, mit irgendjemandem darüber zu reden, aber ich anderseits waren die Fragen des Schwarzhaarigen auch berechtigt, da ich ihn die ganze Zeit ausfragte. „Würdest du es gerne?“ „Weiß nicht“, nuschelte ich und warf ihm einen kurzen Seitenblick zu. Eigentlich war es eine gute Frage. Ich stellte mir vor, wie es wohl wäre, Aki zu küssen. Sicher wären seine Lippen warm und weich und er wäre gleichzeitig dominant und herrisch aber auch liebevoll. Sicher war es auch anders als bei einem Mädchen. „Komm her“, befahl Aki und klopfte mit einer Hand auf sein Bein. Unsicher sah ich ihn an, bevor ich mich aus der Decke schälte und auf seinen Schoß kletterte, je ein Bein auf einer Seite. Ich mochte es nicht, nicht zu wissen, was als nächstes kommen würde. Doch was auch immer ich erwartet hatte, es geschah nichts. Aki sah mich einfach nur ruhig an und seine einzige Handlung war die, dass er mir eine Hand auf die Wange legte und sanft mit dem Daumen darüber strich. Irgendwie war es für mich eine Aufforderung. Unsicher sah ich in die dunklen Augen, bevor ich mich nach vorne beugte und seine Lippen mit den eigenen streifte. Für Aki war das wohl ein deutliches Signal, denn seine Hand rutschte in meinen Nacken und seine Lippen bewegten sich gegen meine, eindeutig fordernder als ich es getan hatte. Eher schüchtern erwiderte ich den Kuss. Seine Lippen waren tatsächlich warm und weich und er bewegte sie dominant und zärtlich. Doch in real war es so viel besser als nur eine Vorstellung. Ein leiser Seufzer kam über meine Lippen und in dem Moment schob sich auch schon Akis Zunge in meinen Mund. Es fühlte sich an, als wäre sie überall. Auf jeden Fall war Aki ein guter Küsser und besser als jedes Mädchen, das ich je geküsst hatte. Natürlich, ich hatte nicht viel Erfahrung, doch er war eindeutig besser. Ich legte meine Arme um seinen Hals und lehnte mich weiter gegen ihn. Doch irgendwann löste Aki den Kuss, aus Mangel an Sauerstoff. Keuchend lehnte ich mich mit dem Kopf an seine Schulter und schloss die Augen. Verzweifelt versuchte ich, wieder zu Atem zu kommen, doch mein Kopf machte nicht mit, da mich der Kuss aus der Fassung gebracht hatte. Akis Atem beruhigte sich deutlich schneller, das spürte ich, da sein Brustkorb sich weniger gehetzt als meiner bewegte. Kaum dass ich einmal tiefer durchgeatmet hatte, hob ich meinen Kopf wieder und legte meine Lippen gierig auf seine. Sofort stieg Aki auf den Kuss ein, ließ mir jedoch diesmal ein wenig mehr Freiraum und so erforschte ich diesmal seine Mundhöhle, fuhr über die geraden Zahnreihen oder zog mit den Zähnen an seiner Unterlippe, bis irgendwann wieder er übernahm und sich wieder daran machte, mich zurück zu drängen. Als wir uns diesmal lösten, kam ich schwerer zu Atem und ließ mich ganz gegen ihn sinken. „Besser… als mit Mädchen…“, keuchte ich und schloss die Augen. „Kleiner, du bist schwul“, erklärte mir mein Bodyguard, doch widersprechen wollte ich nicht. Wieso sollte ich das auch, wenn ich dadurch öfter solche Küsse bekommen konnte anstatt der Zurückhaltenden von weiblichen Personen. „Du küsst gut“, murmelte ich nach einer Weile leise. Ich war gerade definitiv in Kuschellaune, denn ich nutzte Aki gerade als Teddybär aus und schmiegte mich an ihn. „Woher willst du das eigentlich wissen?“ „Du hast selbst gesagt, dass es besser als mit Mädchen war. Das lag nicht daran, dass ich mehr Erfahrung habe, sondern dass es dir mehr gefällt“, erklärte der Schwarzhaarige ruhig. „Aso“, nuschelte ich noch, bevor ich allmählich ins Reich der Träume versank. Aki hatte eine zu beruhigende Wirkung auf mich. Es war Sonntag, als ich aufwachte, doch ich wollte einfach weiterschlafen. Murrend drehte ich mich auf den Bauch und vergrub den Kopf im Kissen, doch wirklich helfen tat es nicht, also stand ich nach einigem Hin und Her doch noch auf und tapste müde ins Bad. Eine warme Dusche später war ich eindeutig wacher. Nur mit einem Handtuch um die Hüften, ging ich in die Küche und holte mir ein Glas Cola. Gleichzeitig schaltete ich den Milchkocher ein, den ich an einem Morgen wie diesem liebte. Mit der Cola in der Hand ging ich auf mein Zimmer zurück und zog mich an. Es war Sonntag und ich hatte nichts vor, also blieb es bei einer alten Jean und einem zu großen Shirt. Während ich mich anzog, trank ich immer wieder etwas von dem dunklen Getränk und verschwand schlussendlich im Bad, um mir die Haare trocken zu rubbeln und den Scheitel zu machen. Wenn ich sie nicht frisierte und wartete, bis sie trocken waren, würden sie eine schöne Form haben und ich hatte weniger Aufwand beim Stylen. Mit einem großen Handtuch um die Schultern und dem leeren Glas in der Hand, begab ich mich wieder in die Küche. Einer meiner Lieblingsplätze im Haus. In einer Tasse rührte ich Kakaopulver mit kalter Milch an, bis es eine schöne braune Mischung ergab und leerte dann noch die heiße Milch darüber. Auf den Milchschaum kam noch eine Brise von dem Schokoladenpulver, bevor ich mich auf die Terrasse begab und auf einen Stuhl setzte. Interessiert betrachtete ich, wie der Wind durch die Zweige der Bäume fuhr und ein paar Vögel durch die Äste hüpften. Es war teuer, in Tokyo ein Haus mit einem Garten zu bekommen, da es solche nicht in vielen Vierteln gab. Doch wenn der eigene Vater mit den illegalen Geschäften genug Geld einnahm, konnte man sich das durchaus leisten. Dazu kamen die Beziehungen zu Politikern und anderen Personen und man hatte ein schönes Haus mit großem Grund. An sich betrachtet ein unangenehmes Gefühl, in einem Gebäude zu leben, dass auf Kosten des Lebens, Geldes oder der Ehre anderer verdient war, doch man freundete sich mit dem Gedanken an. Vorsichtig löffelte ich in den Milchschaum aus der Tasse und behielt den Löffel am Ende eine Weile im Mund, bevor ich das warme Getränk schluckte. Ein Weile blieb ich noch so sitzen, bevor ich wieder hinein ging, die leere Tasse in die Spüle stellte und mir Schokoflakes mit Milch machte. Erneut machte ich mich auf den Weg auf die Terrasse. Ich beobachtete gerne den Garten und die Natur. Viel anderes konnte ich ohnehin nicht machen. Als das Telefon klingelte, unterbrach ich mein Frühstück und ging in den Flur, in dem sich auch das nette, nervtötende Geräusche von sich gebende Gerät befand. „Hai?“, meldete ich mich und ließ mich auf die unteren Treppenstufen nieder. Zumindest so weit reichte das Kabel der veralteten Anlage noch. „Yuki-Mura? Wo ist Aki?“, erklang die eisige Stimme meines Vaters durch den Hörer. „Aki? Den habe ich heute noch gar nicht gesehen. Aber es ist Sonntag und vielleicht-“ „Sag ihm, er soll sich melden, wenn er zurück ist“, unterbrach mich mein Erzeuger herrisch. Gute Laune hatte der Mann sicher nicht. „Ich muss dir was sagen“, meinte ich noch, bevor der Alte auflegen konnte. „Oder eher zwei Dinge“, hängte ich noch dran. „Schieß los, meine Zeit ist knapp!“, befahl mein Vater nicht gerade höflich. Das war allerdings auch nicht seine Art, sonst wäre er nicht so erfolgreich in dem, was er tat. „Ich bin schwul und ich kauf mir einen Hasen“, erklärte ich gelassen. Ich störte mich lange nicht mehr an der harschen Art und er war im Ausland, also konnte er mir nicht großartig viel anhaben. „Du bist schwul?“, wiederholte der Alte und irgendwas lag in seiner Stimme, das ich nicht richtig deuten konnte. Ich war mir nicht sicher, ob ich überhaupt wissen wollte, was das war. „Ja“, meinte ich leise. „Aber das interessiert dich sicher gar nicht. Tut mir leid, ich wollte es dir nur sagen.“ „Vergiss nicht, Aki zu sagen, er soll anrufen. Und den Hasen kannst du dir ruhig sonst wo hin stecken“, teilte mit mein Vater mit. Dabei klang er deutlich angepisst, doch ich fragte mich gar nicht, wieso das so war. Wäre ohnehin nutzlos gewesen, da er schon aufgelegt hatte. Stirnrunzelnd brachte ich das Telefon wieder auf die Station und ging zurück zu meinem Frühstück. Ich fragte mich, was er wohl so dringendes von Aki brauchte, um dermaßen auszurasten. Oder wieso er so wütend war, weil ich nicht straight war. Was ich mich aber fragte, war, ob er nicht eigentlich untergetaucht war. Das passierte alle paar Jahre mal und dann blieb er für ein paar Monate weg. Seine Lebenszeichen waren dann vereinzelte Anrufe, aber weiter darauf eingegangen war ich noch nie. Einfacherweise weil ich nicht viel mit dieser ganzen Sache von wegen Mafia zu tun haben wollte. Meine Pläne waren ein Hochschulabschluss, auf der Universität zu studieren, in einem anständigen Job Geld zu verdienen und eventuell eine Familie zu gründen. Den letzten Punkt konnte ich von meiner Liste streichen, da ich ohnehin kein Interesse an Frauen hatte. Das würde dann wohl auch erklären, wieso ich nie allzu viel Lust hatte, etwas mit Mädchen zu unternehmen. Ich war ja schon in der Mittelschule beliebt gewesen und hätte leicht eine Freundin haben können, doch es hatte mich einfacherweise nie gereizt. In der High School hatte ich durch meine ruhige Art nicht viel mit den Leuten zu tun gehabt, doch ich wusste, dass ich einer der beliebtesten Jungen des Jahrganges war. Nicht dass ich eingebildet war, aber irgendjemand hatte mal eine Umfrage gestartet und ich hatte es im gesamten Jahrgang auf Platz Sieben geschafft und das war immerhin etwas, wenn es um vier Klassen ging. Doch allein Akis Kuss hatte mich eindeutig süchtiger gemacht, als es all die Erlebnisse hätten machen können, von denen die typischen Idioten eines jeden Jahrganges redeten. Also die, die sich grundlos betranken, von denen einige rauchten und die meinten, Frauen flachzulegen wäre ein Grund, sich wie der König der Welt zu fühlen. Als ich hörte, wie die Tür ins Schloss fiel, stand ich schnell auf und lief zu Aki, der gerade heimgekommen war. Ich wünschte, ich hätte es nicht getan, denn sein eigentlich weißes Hemd war von mehreren roten Flecken übersäht und an seinem Gürtel hing der Holster einer Pistole. „Du sollst Vater anrufen“, brachte ich noch hervor, bevor ich nach oben rannte und mich in meinem Bad übergab. Nicht so, dass ich kein Blut sehen konnte, aber das war kein Blut, das von Personen stammte, die in diesem Moment noch lebendig waren. Während mir das bewusst wurde, kam mir mein Frühstück wieder hoch und am Ende lag ich erschöpft in meinem Bett und konnte nur hören, dass Aki anscheinend noch telefonierte. Der Tag war wirklich nicht mehr zu retten. ______________________________ Okay, das Kapitel ist eigentlich ereignislos, aber man erfährt doch ein bisschen etwas von Aki, ne~? Ach, und ist Akis Logik nicht toll? Behauptet einfach, Yuki sei schwul und der Kleine glaubt das auch noch ô___o Naja, das war das vierte Kapitel und das nächste kommt Mittwoch~ ^^ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)