Delilah – Die Liebe einer Wölfin von Darklover ================================================================================ Kapitel 17: 17. Kapitel ----------------------- Delilah hätte vor Erleichterung beinahe aufgeseufzt, als sie einen winzigen Schluck von dem Getränk nahm, das der Barmann ihr hingestellt hatte. Sie hatte zu ihrem eigenen Glück nur Mineralwasser bestellt, anstatt gleich mit einer Mischung aufzuwarten, die sie nicht hätte anrühren dürfen. Vielleicht hatte Dean sie deshalb so komisch angesehen, weil er sie eher für eine Frau hielt, die sich gerne einmal etwas Härteres gönnte? Nun ja, wenn man ihre allererste Begegnung bedachte, dann wunderte sie das überhaupt nicht. Welche Frau trieb sich schließlich sonst in einer absolut zwielichtigen Bar herum, vor der sich ein Haufen Wandler prügelten und trank dann nur Wasser? "Und wie geht’s jetzt weiter?", wollte sie schon mutiger wissen, obwohl so viele Werwölfe auf so engem Raum sie durchaus immer noch einschüchtern konnten. Aber sie war einmal taff gewesen. Wurde Zeit dass sie sich wieder daran erinnerte, nachdem ihre Welt so derartig auf den Kopf gestellt worden war, wie sie es sich nie hätte erträumen können. "Also zunächst einmal, wird Dean seinen Teil der Abmachung einhalten und Blueballs 'Hallo' sagen. Der Rest ergibt sich dann meistens von selbst. Wirst schon sehen." James grinste auf eine Art, die Delilah nicht so recht gefallen wollte. Irgendwie schadenfroh und dann doch mit schlichter Belustigung. Dean selbst rollte nur genervt mit den Augen, stellte seine Coke wieder auf den Tresen zurück und schnappte Delilahs Hand, um sie vom Hocker zu ziehen. "Komm mit. Die Show darfst du dir auf keinen Fall entgehen lassen." Er schob sie näher an sich heran und beugte sich weiter zu ihrem Ohr, damit nur sie den nächsten Satz hören konnte: "Und dafür schuldest du mir nachher einen Tanz." "Aber, ich kann doch gar nicht-", wollte Delilah schon protestieren, doch Dean winkte einfach ab. "Dafür ich und jetzt komm." Obwohl James dicht hinter ihr war, musste sie nun wirklich aufpassen, nicht einfach in der Werwolftraube die sich vor irgendetwas Sehenswertem gebildet hatte, unter zu gehen. Genau aus dieser Richtung waren die Pfiffe und Anfeuerungsrufe gekommen, die Delilah zunächst auf einen Fernseher mit Sportkanal geschoben hatte, doch plötzlich trat Dean vor ihr zur Seite und gab den Blick auf etwas vollkommen anderes frei. Es war ein mechanischer Rodeobulle, wie sie es schon einmal im Fernsehen gesehen hatte und jetzt wusste sie auch, warum die Kerle hier so begeistert pfiffen. Auf dem Bullen saß eine schwarzhaarige Werwölfin in einer so kurzen und engen Jeans, dass sogar Hotpants Anstoß daran genommen hätten. Ihre nackten Beine wirkten dadurch noch länger und da sie auch noch hin und her geworfen wurde, bekam hier jedermann immer wieder ihren Knackpo zu sehen. Mal ganz von den großen Titten abgesehen, die in dem knappen Top nur so hin und her hüpften. Das ganze wurde gekrönt von einem echten Cowboyhut, den sie mit einer Hand festhielt, während das mechanische Tier unter ihr Bocksprünge machen konnte, wie es wollte. Die Frau wurde einfach nicht abgeworfen. Ganz im Gegenteil. Sie schien das alles gewaltig zu genießen. "Scheiße, ist das Naddy?" Delilah sah zu James hoch, der vollkommen gebannt auf die Frau starrte, die gerade in ihrer Sympathie einen rekordverdächtigen Absturz hinlegte. "Jepp. Das ist Nadine. Ich wusste gar nicht, dass sie wieder in der Stadt ist." Dean ließ ebenfalls nicht die Augen von der Frau, schien aber deutlich weniger beeindruckt von ihr zu sein wie sein Bruder. Sein Blick war … nüchtern, wenn man das überhaupt so nennen konnte. James war schließlich nicht betrunken, hatte er doch noch nicht mal das eine Glas Whiskey ausgetrunken. Aber er war definitiv gerade in seiner eigenen Welt. "Ganz schön gewachsen, die Kleine, was?" Dean rempelte seinen Bruder mit einem wissenden Grinsen hinter ihrem Rücken an. James konterte noch nicht einmal, sondern zuckte nur mit den Schultern. "Ein bisschen. Auf jeden Fall hat sie Blueballs immer noch voll im Griff. Nach der Vorstellung musst du dich aber gewaltig ranhalten, Bruderherz." Okay, James war wieder zurück, denn der verbale Schlenker hatte gesessen. Trotzdem kam sich Delilah plötzlich wie unsichtbar vor und DAS nervte gewaltig. "Woher kennt ihr sie?" Fragen kostete ja schließlich nichts und vielleicht konnte sie sich wenigstens wieder ein bisschen bemerkbar machen, obwohl sie neben dieser Werwölfin nur den Kürzeren ziehen konnte. Selbst wenn sie ihre sexiesten Klamotten angehabt hätte. Dean war so gnädig, ihr zu antworten: "Wir sind zusammen aufgewachsen. Gleicher Kindergarten. Gleiche Schule, aber nach der High School sind ihre Eltern weggezogen und seitdem haben wir sie nicht mehr gesehen." Oh Shit. Das klingt gar nicht gut, Mädl. Nein, ganz und gar nicht gut. "Wart ihr befreundet?" Eigentlich wagte Delilah gar nicht, noch näher nachzuhaken, aber die Worte verließen ihren Mund, bevor sie etwas dagegen unternehmen konnte. Dean lachte kurz auf, aber nicht unbedingt amüsiert: "Kommt darauf an, wie man befreundet definiert. Als wir noch in dem Alter waren, wo wir keine Mädchen mochten, haben wir sie ständig geärgert und sie hat es uns dann heimgezahlt, als wir älter waren." Plötzlich wurde er ernst und seine Stimme war unter dem ganzen Gejohle kaum noch zu verstehen, als er sie senkte: "James mag sie und ich… Naja, ich respektiere das." Im Klartext: Dean konnte sie nicht ausstehen. Allerdings erzählte er ihr nicht, warum er einmal völlig anderer Meinung war als sein Bruder. Diese Nadine verlor noch weitere Symphatiepunkte bei Delilah, obwohl sie die Frau noch nicht einmal gesprochen hatte. Dabei würde das vielleicht gleich der Fall sein, denn Blueballs drehte noch einmal voll auf, bevor er stehen blieb und die junge Werwölfin unter lauten Jubelrufen und Pfiffen leichtfüßig von ihm runtersprang und sich vor der Menge mit einem selbstsicheren Lächeln verbeugte. Verdammt, die Frau war um fast einen Kopf größer als sie! "Los, D. Zeig uns, was du drauf hast." James gab der Frau hinter dem Steuerungspult des mechanischen Bullen ein Zeichen und schob dann seinen Bruder in Richtung Blueballs. "Ich drück dir die Daumen.", rief Delilah ihm schnell nach, woraufhin er ihr ein warmes Lächeln schenkte, ehe er sozusagen seine Strafe antrat und weiterer Jubel ertönte, allerdings bei weitem nicht mehr so laut, wie vorhin noch. Auch die Werwolftraube hatte sich deutlich gelockert und Delilah wurde nicht mehr so von den Umstehenden eingeschlossen. Sie sah, wie Nadine und Dean höfliche Blicke austauschten, aber das war's dann auch schon und die Werwölfin verließ endgültig das Rampenlicht, während er sich so eine Art Kissen mit Loch in der Mitte von der Dame am Steuerpult abholte. Gerade als Delilah den Sinn dieses Kissens erkannte, nachdem Dean sich lässig auf den Bullen geschwungen und es sich als Schutz zwischen seinen Schritt und Blueballs gestopft hatte, tauchte Nadine direkt neben ihr auf, um James anzusprechen. "Hi, Jay-Jay. Lange nicht mehr gesehen." Delilah war es bisher noch nie passiert, dass sie bei einer Person, die sie noch nicht einmal kannte, das unbändige Gefühl überkam, die Zähne zu fletschen und lautstark zu knurren. Aber allein Nadines Stimme schien ihre Nerven blank zu legen und Delilah schaffte es gerade noch, das Zähnefletschen in ein Lächeln umzuwandeln. "Hi, Naddy. Seit wann bist du denn wieder in der Stadt?" James bekam gar nicht mit, wie es für seinen Bruder schließlich ernst wurde und der mechanische Bulle noch sehr umsichtig hin und her zu bocken begann, aber langsam an Tempo zulegte. Sie ignorierte er ebenfalls einfach. "Kaum 'ne Stunde." Wusch. Die Tussi warf sich so eindeutig das lange schwarze Haar über die Schulter, dass Delilah sie am liebsten daran gepackt und einmal kräftig gezogen hätte. "War ja klar, dass es dich zuerst hierher verschlägt." James' Lächeln wurde breiter. Er sprang sofort darauf an, während Dean langsam zu kämpfen hatte, sich auf Blueballs oben zu halten. "Natürlich. Ich liebe diesen Laden und-" Delilah hörte nicht länger zu. Stattdessen drehte sie sich endgültig zu Deans Bullenkampf herum und tat das, was sie ihm versprochen hatte. Sie drückte ihm allerdings nicht nur kräftig die Daumen, sondern feuerte ihn auch ordentlich an, was auch die umstehenden Werwölfe dazu motivierte, es ihr noch mal richtig gleich zu tun. Innerhalb kürzester Zeit klingelten ihre Ohren von dem Geschrei, aber als Dean schließlich geschlagen auf der Matte landete, war es das wert. Delilah lief sofort zu ihm. "Alles klar bei dir?", wollte sie besorgt wissen, doch Dean grinste sie nur von unten herauf an. "Dieses Mal hätte ich ihn beinahe gehabt." "Klar hättest du." Sie begann zu lächeln und hielt ihm die Hand hin, die er sofort ergriff, um sich hochhelfen zu lassen. "Oh, Scheiße. Das Teil hat's echt in sich." Dean krümmte sich schon nach dem ersten Schritt leicht und fasste sich zwischen die Beine, woraufhin einige Lacher zu hören waren. "Ja, ja. Lacht ihr nur.", rief er laut in die Runde. "Als wär's euch schon mal besser ergangen." Nun, Deans Grinsen schien es auf jeden Fall nichts anhaben zu können, obwohl Delilah jetzt kapierte, warum sie den Bullen Blueballs nannten. Sie konnte es sich bildlich vorstellen, was sie in Anbetracht der Situation besser sein ließ. "Wenn du auch mal eine Runde drehen willst nur zu. Mich kriegt da heute auf jeden Fall keiner mehr rauf." Delilah versteifte sich kurz, während sie Dean zurück auf sicheren Boden brachte. "Nein, danke. Ich hab' schon vom Zusehen genug." "Glaub ich dir gerne. Wo ist James?" Er sah sich suchend im Raum um, konnte seinen Zwilling jedoch nirgends finden. " Sag bloß, der Penner hat die ganze Show ver-" Dean erstarrte und fluchte keine Sekunde später wie ein echter Vollblutwerwolf. Delilah folgte seinem Blick und wünschte sofort, sie hätte es nicht getan. James stand dicht an dicht mit Nadine in einer eher schummrigen Ecke mit seinem Drink in der Hand und schien sich angeregt mit ihr zu unterhalten. Wobei man nicht den Eindruck hatte, als ginge es um ein Thema über das man ausführlich diskutieren konnte. Mit einem Mal drohte ihre Stimmung endgültig ins Bodenlose zu fallen, bis Dean sie unvermittelt an der Schulter berührte und ihre Aufmerksamkeit wieder auf sich zog. "Komm, lass uns was trinken und danach löst du deine Tanzschuld bei mir ein. Ich will nicht, dass meine Eier umsonst so in die Mangel genommen worden sind." Er war vollkommen ruhig und lächelte sogar wieder, so als würde es ihn plötzlich nicht mehr kümmern, dass James ihn einfach so hängen ließ. Aber Delilah wusste, dass es ihm gegen den Strich ging und verdammt noch mal, ihr ebenfalls! Aber gerade deshalb und weil sie kein Recht hatte, eifersüchtig zu sein, folgte sie Dean zurück an den Tresen und nahm erst einmal ein paar tiefe Züge von ihrem bisher kaum angerührten Mineral. Dean blieb auch weiterhin bei Coke und überraschte sie damit, dass er sie so leicht von der Tussi und seinem Bruder ablenken konnte, wie es nur ihm gelang. "Ich glaube einfach nicht, dass du nicht tanzen kannst.", begann er unvermittelt. "Gib's zu. Das ist doch nur eine Ausrede, oder?" "Nein, ehrlich nicht. Ich meine, das bisschen Herumgezappel in der Disco kann man nicht wirklich als Tanz bezeichnen und was anderes habe ich nie gelernt. Es überrascht mich allerdings, dass du es offensichtlich kannst. Gesehen habe ich ja noch nichts davon." Dean nahm noch einen kräftigen Schluck von seiner Coke, ehe er sie breit anlächelte. "War das eine Aufforderung, dir sofort mein Können zu beweisen? Von mir aus kann's gleich losgehen." "Wow, stopp." Sie hob abwehrend die Hände. "Das war es definitiv nicht. Außerdem will ich deinen Eiern noch eine kleine Schonpause gönnen, also bleib sitzen." Dean setzte einen überlegenden Gesichtsausdruck auf, ehe er offen zu lächeln begann. "Ich denke, etwas zu warten, kann wirklich nicht schaden. Du hast Recht. Meine Eier werden es dir auf jeden Fall danken. Wieder einmal." Damit brachte er sie nun doch zum Grinsen. Das Gehänge eines Kerls war normalerweise kein Thema, über dass sie sich so auslassen konnte, aber bei Dean wirkte es irgendwie. Er schaffte es dabei Humor zu zeigen, aber nicht anzüglich zu werden und das gefiel ihr sehr an ihm. Diese Unbefangenheit, die sie in seiner Nähe trotz allem hatte, war sehr angenehm, aber leider überkam sie auch immer wieder der Drang, sich umzudrehen und einen Blick in diese schummrige Ecke zu werfen, die sein Bruder da mit dieser Tussi in Beschlag genommen hatte. Eine Weile konnte sie sich ja noch davon ablenken, aber als der Drang zu übermächtig wurde, blieb ihr nichts anderes übrig, als Deans Hand und damit die Flucht zu ergreifen. "Wenn deine Eier bereit sind, dann bin ich es auch." Er verstand sie sofort richtig, trank noch den letzten Rest der Coke aus, ehe er das Glas entschlossen auf den Tresen stellte und sie in eine gänzlich andere Richtung als der schummrigen Ecke direkt zur kleinen Tanzfläche zog. Die Countrymusik kam aus einer Musikbox, neben der es sich ein älterer Werwolf mit Cowboyhut bequem gemacht hatte, um immer wieder neue Lieder auszuwählen, damit die Stimmung hier nicht einfach so abriss. Dean nickte ihm zur Begrüßung zu, drehte sich dann aber zu ihr herum und stellte sich dicht vor sie. "Linke Hand auf meine rechte Schulter, die rechte gibst du mir." Er zeigte ihr, was er meinte, in dem er Delilahs Hände in seine nahm, die eine an die richtige Stelle an seiner Schulter legte und die andere mit seiner festhielt. Danach berührte seine freie Hand sie sanft im Rücken, was ihr endgültig bewies, wie ernst es ihm mit dem Tanzen war. So manch andere Kerle hätten es nicht so genau genommen und ihr gleich direkt auf den Po gefasst. Das nächste Lied lief zwar schon längst und ein paar Pärchen hüpften im Takt um sie herum, aber davon ließ er sich nicht aus der Ruhe bringen. "Lass dich einfach von mir führen und sieh bloß nicht auf deine Füße. Das bringt dich nur durcheinander." "Ehm, ookay." Jetzt würde Delilah sicher erst recht auf ihre Füße sehen und zugegeben; Dean hatte ganz schön große Treter, wenn er ihr also damit auf die Zehen stieg, war das nicht gerade eine Kleinigkeit. "Nicht nachdenken, Deli.", raunte Dean ihr ins Ohr, ehe er ohne Vorwarnung loslegte. Im ersten Moment bekam sie fast Panik, als er sie rückwärts führte und sie nicht sehen konnte, wo es hinging. Außerdem riss es ihren Blick dabei regelrecht zu Boden und auf ihre Füße, die keine Ahnung hatten, wo sie hingehen sollten, um Dean nicht im Weg zu sein. "Delilah, sieh mich an." Dean umfasste ihre Taille mit einem Arm, während er die andere Hand dazu benutzte, ihr Kinn wieder in die Waagerechte zu bringen. Scheiße, er blieb dabei noch nicht einmal stehen oder wurde langsamer. Es glich fast einem Wunder, dass sie ihm noch nicht auf die Füße getreten war. Sofort suchte ihre freigewordene Hand seine Brust und wollte ihn stoppen, doch Dean fing sie einfach mit einem Lachen wieder ein und riss sie weiter mit sich. Gut, genaugenommen riss es sie nicht hin und her, sondern viel mehr war es ein Schwingen und obwohl sie anfangs total steif dabei war, wurde es besser, als sie ihm in die Augen sah und dieses so warme Karamellbraun auf sie einwirkte. Delilah wurde entspannter, nachdem es auch am Ende des ersten Liedes noch keine Massenkarambolage zwischen ihrer beider Füße gegeben hatte. Nach dem zweiten Lied, begann ihr die Sache sogar Spaß zu machen und nach dem dritten hatte sie die schwarzhaarige Tussi schon längst aus ihren Gedanken verbannt. Stattdessen lag ein heiteres Lächeln auf ihren Lippen und ein wahnsinnig heftig knisterndes Gefühl in ihrem Bauch. So ausgelassen hatte sie sich schon lange nicht mehr gefühlt. Delilah wurde sich allerdings nach und nach immer deutlicher bewusst, wie nahe sie Dean im Augenblick war und wie nahe sie sich beide erst gestern noch gekommen waren. Der Gedanke hätte sie eigentlich ernüchtern sollen, aber inzwischen hatte die Musik auf langsam geschaltet und sie spürte nur zu deutlich, Deans warme Hände auf ihrem Körper und wie er sie nun deutlich langsamer hin und her wiegte, während ihre eigenen von sich aus zu seiner Taille gewandert waren, um sich dort fest zu halten. Delilah war nicht dumm und leider nicht naiv genug, um nicht die Anziehung zu spüren, die zwischen ihnen wie kleine Funken hin und her sprang. Sie hätte es vielleicht ignorieren können, wenn sie gestern nicht mit ihm geschlafen oder ihn überhaupt geküsst hätte. Aber so fühlte es sich an, als hätte der gestrige Tag sie nur noch sensibler diesen Berührungen gegenüber gemacht und das machte sie verdammt noch mal nervös. Bevor sie dem Drang erliegen konnte, sich einfach an Deans warme Brust zu schmiegen, löste sie sich vollständig von ihm und trat zur Sicherheit noch einen Schritt zurück, obwohl das Lied noch nicht vorbei war. Aber sie konnte das einfach nicht länger. "Es tut mir leid, Dean. Aber können wir nach Hause fahren?" Sie hatte genug von diesem Abend und das musste er ihr auch ganz deutlich ansehen, denn er widersprach nicht. "Natürlich. Ich gebe nur noch James Bescheid. Warte hier." Delilah nickte kurz und stellte sich an den Rand der Tanzfläche, um zu warten, während Dean in der Menge verschwand. Es dauerte keine fünf Minuten, da kam er auch schon wieder zu ihr zurück. Alleine. "Wo ist James?" "Hat noch andere Pläne für heute Abend. Wir können also fahren." Dean nahm ihre Hand und dieses Mal war sie froh, dass er sie auch nicht los ließ, als sie über den nur mäßig beleuchteten Parkplatz gingen. Delilah hatte das Gefühl, als könnte sie plötzlich fallen, würde er sie nicht festhalten. "Was ist los, Delilah? Du warst die ganze Fahrt über so still." Dean stellte den Motor ab, machte aber keinerlei Anstalten, auszusteigen und auch sie zögerte für einen Moment. "Ich bin nur müde. Das ist alles." Nein, das war bei weitem nicht alles, trotzdem öffnete sie die Wagentür, um endgültig die Flucht anzutreten. Was sollte sie Dean auch erzählen? Dass es sie durcheinander brachte, in seiner Nähe zu sein, weil sie ihn trotz ihres Entschlusses immer noch wollte? Oder dass sie eifersüchtig auf die schwarzhaarige Werwölfin war, die höchstwahrscheinlich gerade ihre Bekanntschaft mit James besonders gründlich auffrischte? Wie könnte sie ihm jetzt von der Schwangerschaft erzählen, wo sich das alles doch zu einem immer größer werdenden Haufen voller Probleme entwickelte, mit dem sie einfach nicht mehr fertig wurde? Gar nicht und das war auch ein Problem. Im Haus war es still und alle Lichter waren aus, weshalb wenigstens der alte Werwolf ihr den Gefallen tat und nicht auf der Bildfläche erschien. Eigentlich hatte Delilah vorgehabt, sofort in ihr Zimmer zu gehen, um sich unter der Bettdecke zu verkriechen, doch bereits im Flur konnte sie noch die Reste ihres Abendessens wittern, weshalb sie kurzentschlossen in der Wohnküche das Licht anmachte. Wie sie erwartet hatte, war der Abwasch noch nicht erledigt worden, obwohl wenigstens das Geschirr schon feinsäuberlich gestapelt zum Spülen bereit stand. Also ließ sie Spülwasser ein und krempelte währenddessen die Ärmel ihrer Bluse hoch. Vielleicht würde Delilah die Arbeit gut tun, um auf andere Gedanken zu kommen und wenn sie schon sonst nichts zu ihren Unterhalt beitragen konnte, dann wenigstens das. Kaum dass sie mit dem Abwasch begonnen hatte, kam Dean in die Küche und schnappte sich ein Geschirrtuch, um ihr zu helfen, ohne jedoch noch einmal zu versuchen, ein Gespräch zu beginnen. Stattdessen arbeiteten sie eine Weile einträchtig nebeneinander her, bis sie selbst es war, die das Schweigen brach. "Warum hast du es ihm gesagt?" Delilah versuchte es nicht anklagend klingen zu lassen, aber sie konnte Dean dabei auch keinen Moment lang ins Gesicht schauen, obwohl sie immer noch das Bild von heute Morgen vor Augen hatte, als der Riss in seiner Unterlippe noch deutlich zu sehen gewesen war. Dean hielt für einen Moment in seiner Tätigkeit inne, ehe er betont langsam den Teller in seiner Hand an den dafür vorgesehenen Platz stellte. Er fragte nicht einmal nach, was genau sie denn meinte, also musste er es ganz genau wissen. "Wir haben keine Geheimnisse voreinander.", erklärte er schließlich leise und schnappte sich den nächsten Teller. Auch sie arbeitete weiter, obwohl sie gerne noch einmal gefragt hätte, warum genau sie sich geprügelt hatten. Sie wollte jedoch nicht noch einmal angelogen werden und inzwischen konnte sie es sich auch irgendwie denken, was es damit auf sich hatte. Ein Grund mehr, warum sie das mit James so irritierte. War das mit dieser Nadine nun sein Ernst, oder eher die Rache dafür, dass sie mit seinem Bruder geschlafen hatte? Gott, sie wusste es einfach nicht. Genauso wenig, wieso sie das überhaupt so sehr beschäftigte. "Warum hast du damals die Fotos mitgehen lassen?" Delilah ließ vor Überraschung beinahe den Topf in ihren Händen fallen, also legte sie ihn vorsichtig zurück ins Wasser, wo sie ihn behutsam zu schrubben begann, während sie über Deans Frage nachdachte. Wie er jetzt darauf kam, war ihr nicht klar, aber er hätte es nicht auf den Tisch gebracht, wenn es ihn nicht beschäftigen würde. "Ich … weiß es nicht genau." Zumindest war sie sich nicht mehr so sicher. Inzwischen war so viel passiert und das Bild hatte immer mehr an Bedeutung für sie gewonnen. "Ich denke, ich wollte einfach etwas haben, das mich an diese Tage erinnern würde. An die Zeit, als ich beinahe gestorben wäre und ich so absolut gründlich wachgerüttelt worden bin." "Wovon?" Dean hatte aufgehört, Geschirr abzutrocknen und sah sie stattdessen abwartend an. Zunächst begriff Delilah nicht, da sie immer noch mit seiner Frage beschäftigt war, doch dann fiel ihr Blick auf ihre ruhenden Hände und dass es für ihn nichts mehr gab, was er hätte abtrocknen können. Langsam zog sie den sauberen Topf aus dem Wasser und reichte ihn an Dean weiter. "Von der Art wie ich davor gelebt habe." Es fiel ihr unglaublich schwer, das zuzugeben, aber sie konnte ihre Worte nicht stoppen. "Ich habe in meinem Leben schon so viel Zeit verschwendet und absolut nichts erreicht. Allerdings ist mir das erst an diesem einen Tag so richtig klar geworden…" "Verstehe." Ob er das wirklich tat? Delilah hatte da so ihre Zweifel, wenn man bedachte, wie das Leben der Brüder im Gegensatz zu ihrem aussah. Es war ein Unterschied wie Tag und Nacht. "Und warum hast du uns beide gewollt und nicht bloß einen von uns?", wollte er weiter wissen. Seinem Tonfall entnahm man keinerlei Gefühlsregung, die ihn irgendwie in die eine oder andere Richtung verraten hätte. Ja, sie könnte sogar schwören, dass er sich vollkommen ruhig und gelassen anhörte, obwohl diese eine Frage absolut ausreichte, um eine Welle an Adrenalin durch ihren Körper zu jagen. Warum fragte er sie das? "Ich…" Sie kam ins Stocken. Es wollte ihr einfach nicht über die Lippen und es half dabei auch überhaupt nicht, dass er kaum einen halben Meter von ihr entfernt da stand und auf weiteres Geschirr wartete, das sie ihm momentan nicht geben konnte, da ihre Finger zu sehr im Spülwasser zu zittern begonnen hatten. Das Thema war einfach so verdammt nahe an dem wahren Grund ihrer Anwesenheit hier, dass es ihr die Sprache verschlug. "Warum, Deli?" Er kam noch näher und berührte ihr Kinn um ihren Blick auf sich zu ziehen. "Du hättest James wegschicken können. Oder mich. Warum hast du dich für uns beide entschieden?" Diese Augen… Verdammt, diese Augen! "Weil…" Das Zittern begann sich auch auf ihren Körper auszubreiten, während ihr das Herz bis zum Hals schlug. "Es … war für mich einfach keine Frage der Entscheidung. Nicht zwischen dir und ihm." Sie konnte genau erkennen, dass sich bei ihren Worten etwas in Deans Augen veränderte. Aber nicht genau was. Zudem berührte er sie immer noch am Kinn, so dass sie den Rest seiner Gesichtszüge nicht wirklich lesen konnte. Dafür war er schon viel zu nahe und sie konnte mit jeder Faser ihres Körpers spüren, dass er sie küssen wollte, doch er tat es nicht. Stattdessen ließ er sie schließlich los und trat zurück, so dass sie endlich wieder tiefer durchatmen konnte. "Geh ruhig ins Bett, Delilah. Ich mach' das hier schon fertig." Seine Stimme klang rau und leicht belegt, doch sein Blick war ernst und unergründlich. "Ich…" Sie zögerte noch einen Moment. Deutlicher hätte er sie wohl nicht mehr entlassen können, also senkte sie den Blick und trocknete sich noch rasch die Hände an dem feuchten Geschirrtuch ab. "Danke. Gute Nacht." "Nacht." Es wollte ihr die Nackenhärchen zu Berge stellen, als sie sich umdrehte und selbst dann noch seinen Blick auf ihrem Rücken zu spüren glaubte, als sie schon längst in ihrem Zimmer verschwunden war. Was zum Teufel war das gerade gewesen? Hosted by Animexx e.V. 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