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Moonlight - Änderung des Daseins

Fiktive 3. Staffel
von

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Prolog

„Hast du dich je gefragt, warum die Lila-Kuh lila ist?

Wie es wäre eine Schildkröte zu sein?

Ob das Licht im Kühlschrank wirklich ausgeht, wenn man ihn schließt?

Oder ob dein Haustier der Überzeugung ist, dich in der Hand zu haben?
 

Hast du dich je gefragt, was wäre, wenn du in deinem Leben eine andere Gabelung genommen hättest?

Das Leben hat für uns alle einen Weg vorherbestimmt, aber was geschieht, wenn wir versäumen diesen zu nehmen? Können wir dann glücklich werden, oder zieht es das Herz immer wieder an den Punkt zurück, an dem wir den falschen Weg eingeschlagen haben?

Eine Legende aus Japan erzählt, bei der Geburt binde der Mond den Fuß eines zukünftigen Mannes mit einem roten Band an den Fuß einer zukünftigen Frau. Im Leben ist das Band unsichtbar, doch die beiden Menschen suchen einander, und wenn sie sich finden, erreichen sie das Glück auf Erden.

Manche finden sich nicht; dann ist ihr Leben voller Unruhe und sie sterben traurig; für sie wird das Glück erst in der anderen Welt beginnen: dort werden sie sehen ,an wenn das rote Band sie bindet. Ich weiß nicht, ob ich in dieser Welt das rote Band finden werde, das mich bindet; ich glaube, diese Legende ist, wie alle Legenden, eine poetische Tröstung. Ist der, für den man geschaffen ist, nicht der, für den geschaffen zu sein man annimmt?
 

Hast du dich je gefragt, warum du dein Schicksal nicht selbst in die Hand nimmst und dich auf die Suche begibst nach deinem Glück? Wir alle haben unser Leben selber in der Hand und sollten es vielleicht als solches auch annehmen und nicht darauf hoffen, dass uns das Glück findet. Fehler geschehen, doch manchmal hilfst es, wenn man das auch Jahre später noch erkennt.
 

Hast du dich je gefragt, ob deine Zukunft glücklich sein wird?

Ich frage mich das jeden Tag. Immer wenn ich erwache und nicht weiß, wer ich bin und wohin ich gehöre, aber ich weiß, dass da draußen jemand ist, der auf mich wartet. Ich sehe sie immer wieder in meinen Träumen... hoffentlich werden meine Träume eines Tages wahr.“
 

(Mick St. John, alias John Sheen)
 

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Er drehte die Flasche Whiskey um und beobachtete den letzten Tropfen des Gesöffs, der auf den Boden vor sich tropfte. Ein kleines Seufzen verließ seine Lippen. Kurz wog er die Flasche in seinen Händen, bevor er sie gegen die Wand warf. Jemand räusperte sich hinter ihm

„Henry...?“, murmelte er und warf einen Blick über seine Schulter. „Was machst du hier?“

„Ich dachte ich komm dich mal besuchen...“

Interessiert ließ der junge Mann seinen Blick über die ganzen Zeichnungen gleiten, die überall an der Wand hingen. Ebenso wie Zeitungsartikel und andere Berichte. „Was hast du mit dem zweiten Weltkrieg zu tun...“

“Keine Ahnung, ich muss nur immer daran denken.“, erklärte er und rieb sich die Stirn. „Ich wiederhol mich nur sehr ungern, aber was machst du hier?“

Henry nickte kurz. „Da ist jemand in der Bar. Er hat ein Foto von dir dabei und sucht nach dir.“

Mit zwei eiligen Schritten war Mick bei ihm. „Ein Foto??? Er sucht nach mir??“, stieß er euphorisch auf. Ein breites Lächeln hatte sich auf seinen Zügen gebildeten und er konnte kaum die Tränen zurückhalten! Endlich! Nach so langer Zeit hatte ihn jemand gefunden! Mick zog sich hastig eine Lederjacke über, als sein Blick über Henry glitt. Er sah mit gequältem Ausdruck zu Boden.

„Henry...?“, fragte Mick leise nach und tat einen Schritt auf den Barbesitzer zu. „... alles in Ordnung?“

Der blonde, stämmige Mann sah auf. „Flieh...“, flüsterte er leise und in seinen Augen zeichnete sich das blanke Entsetzen ab. Jegliche Farbe wich aus Micks Gesicht.

Langsam ging er an Henry vorbei, der noch immer mit starrem Ausdruck auf die Stelle sah, an der Mick gerade noch gestanden hatte. Mick schluckte und rannte los. Das Treppenhaus nach unten, die Straße entlang. Der Regen peitschte ihm entgegen und er rannte nur noch. Er hatte nur das bei sich, was er am Leib trug. Kein Handgepäck, keine Wechselkleidung. Nichts! Die nackte Panik hatte ihn gepackt, denn was auch immer Henry so geängstigt hatte, es musste furchtbar sein.

Wer suchte nach ihm? Wer kannte ihn? Vor wem war er auf der Flucht!! Die Straßen flogen nur so an ihm vorbei und die Erschöpfung machte sich immer mehr in ihm breit. Mittlerweile war er so viele Blocks von seiner Wohnung und der Bar entfernt, dass er sich eine kurze Verschnaufpause gönnte. Nur ein paar Augenblicke in denen er seinen Lungen gestattete sich wieder ganz mit Luft zu füllen. Er rieb sich über die Stirn, wischte den Regen aus dem Gesicht.

„Mick??“

Weshalb er auf die Nennung des Namens reagierte, konnte der Mann nicht sagen, aber augenblicklich sah er in die Richtung einer Seitenstraße. Eine Gestalt stand in dieser und sah zu ihm hinüber.

Mick öffnete seinen Mund ein wenig und erkannte ...

I. Zwei Welten - Zurück zu den Anfängen

~ Ein Monate vorher~
 

„Darf ich fragen, warum Sie sich gerade für diese Wohnung interessieren?“

„Nun. Ich war mit dem vorherigen Besitzer überaus gut befreundet und jetzt, da ich nach Los Angeles ziehe und noch dazu die Wohnung frei ist, wäre es ein Jammer, sie ungenutzt zu lassen.“, erklärte Zara und wartete geduldig, bis der hochgewachsene und braungebrannte Immobilienmakler ihr die Tür aufgesperrt hatte. Erst jetzt zog sie sich die große Fliegerbrille von der Nase und präsentierte ihre traurigen Augen, die sämtlichen Glanz verloren hatten, seit jenem Ereignis vor zwei Monaten.

„Er war Privatdetektiv und verschwand von einem Tag auf den anderen. Sie kannten sich also näher...?“, fragte er interessiert nach und gewährte der Lady den Vortritt in die alte Wohnung von Mick St. John. Sofort stiegen dutzend Erinnerungen in ihr hoch. Zaras Blick wanderte über den Küchenboden, zum Sofa und schließlich die Stufen nach oben.

„Ja, ich kannte ihn näher.“ Sie schluckte die aufsteigenden Tränen herunter.

„Wissen Sie wo ich ihn finden kann? Er zahlt noch immer Miete und das, obwohl die Wohnung schon seit vier Monaten leer steht.“

„Das letzte was ich weiß ist, dass er nach Frankreich wollte um seine Ex-Frau zu suchen.“, purzelte über ihre Lippen und sofort schluckte die junge Frau einmal schwer. Ihre Worte klangen so bitter und taten ihr selbst in der Seele weh!

„Oh... dann haben Sie auch keinen Kontakt mehr.... hier ist die Küche. Kaum gebraucht. Verwunderlich, nachdem er so viele Jahre hier lebte.“, führte der Makler sie weiter durch die Wohnung.

„Leider nein. Er hat alle Brücken hinter sich abgebrochen.“, gestand Zara. Ihre Finger wanderten über den kühlen Stahl der Arbeitsfläche.

„Verstehe...“ Der Makler lächelte flüchtig. „Und hier oben ist das...“

Zara fiel ihm ins Wort. „Ich weiß was oben ist. Können wir bitte einfach einen Vertrag machen, ich will hier so schnell wie möglich einziehen.“ Der Mann mittleren Alters stutzte, zeigte aber im nächsten Moment wieder seine strahlend weißen Zähne.

„Natürlich, Miss...“

„... Luengo. Zara Luengo.“ Zumindest stand das so in dem Pass, den sie Josef zu verdanken hatte.

Er nickte und deutete wieder zur Tür. „Dann leiten wir mal alles in die Wege, damit Sie zum Anfang des neuen Monats hier einziehen können.“

„Danke.“, sprach Zara und verweilte noch ein paar Sekunden in der Tür. Die Cleaner hatten zwar alles, was Mick je besessen hatte verschwinden lassen und doch hing noch immer sein Duft in der Luft. Sie schob sich die Sonnenbrille wieder auf die Nase und folgte dem Makler.
 

Zara schritt den Weg entlang zu Josef’ Anwesen, indem zahlreiche Vampire lebten und für ihn arbeiteten. Sie klingelte und konnte schon durch die Glasfenster Josef entdecken. Er telefonierte und nickte lediglich seinem Butler zu, der Zara hinein ließ. Ihre Hände steckten in den Hosentaschen, als er an ihr vorüber ging. Seine Stimme klang erbost.

„Es ist mir um ehrlich zu sein vollkommen egal, ob dafür Ihre Kapazitäten unausreichend sind. Sie sind auf Spionage spezialisiert und bedauerlicherweise sind sie ein Vampir. Ich habe Sie bezahlt und mein Geld haben Sie überaus gerne entgegen genommen, also möchte ich jetzt auch Antworten haben, immerhin mache ich das alles hier nicht zum Spaß!“, knurrte der Vampir in sein Handy.

„Nein. Sicher nicht. Nein.“ Er zuckte in die Richtung von Zara mit seinen Schultern und winkte sie dann einfach mit sich.

„Sie glauben mir also nicht? Gut! Meine Leute sind bereits auf dem Weg zu Ihnen! Sie werden Sie in mehrere Stücke reißen und anschließend mit einem sympathischen Silberschwert enthaupten!“ Wütend legte er auf. „Idiot.“, raunte er noch und rieb sich die Nasenwurzel.

„Immer noch nichts Neues?“

„Nein. Der ganze Clan ist wie verschwunden, einschließlich Mick.“

Zara schluckte und seufzte.

„Willst du was trinken?“

Sie nickte matt. „Aber wo können sie nur sein, Josef? Es sind jetzt zwei Monate vergangen!“

Eine junge Frau trat heran, überreichte Zara ein Glas mit der rubinroten Lebenssubstanz und reichte Josef ihre Hand. Er bevorzugte eindeutig die frische Wahre. Auch wenn Geduld nicht wirklich zu ihren Stärken gehörte, wartete Zara brav ab, bis Josef zu Ende getrunken hatte und nippte dabei nur etwas an ihrem Drink.

„Ich habe keine Ahnung.“, sprach er schließlich.

„Glaubst du er ist ...?“

“Nein!“ Josef wirbelte zu ihr herum. „Auch wenn dieser ganze Palast abgebrannt ist, heißt dass nicht, dass Mick noch in den Räumen war. Er ist zu wertvoll für diese ganze Brut! Er lebt noch Zara und ich schwöre dir, dass wir ihn finden werden. Irgendwie holen wir Mick wieder zurück, hast du mich gehört...?“ Er schüttelte Zara, die wie erstarrt vor ihm stand, kurz an den Schultern, bevor sie nickte.

„Aber was ist, wenn sie ihm korrumpiert haben? Wenn er nicht mehr zu uns gehört, wenn er nicht mehr sich selber gehört.“, fragte sie leise nach.

„Mick lässt sich nicht so ohne weiteres umdrehen und selbst wenn, werden wir ihn schon wieder zur Vernunft bekommen. Mach dir darüber nicht so viele Gedanken, Zara.“ Josef winkte hastig ab und ließ sich auf das Sofa sinken. Von hier aus beobachtete er seine zahlreichen Mitarbeiter, die gerade mit der Marktforschung beschäftigt waren. Nach all dem, was sie erlebt hatten, war es nicht leicht für Josef, aber er musste weitermachen. Irgendwie wieder zu den Anfängen zurück kommen und das ging am Besten, indem er sich in die Arbeit stürzte.

Sie seufzte und ließ sich neben ihn sinken.

„Du ziehst also in Micks alte Wohnung?“

Zara hob ihre Augenbrauen und stemmte eine Hand demonstrativ sauer in die Seite. „Sag mal, spionierst du mir nach??“

Er zuckte mit seinen Schultern und legte die Fingerspitzen ruhig und nachdenklich aneinander. Entrüstet sprang Zara auf. „Tzz, und du fragst dich ernsthaft, warum du keine Freunde mehr hast.“ Sie schüttelte ihren Kopf und stolzierte auf die Tür zu, wobei sie noch einmal stehen blieb. „Danke fürs Aufpassen...“

Josef nickte. „Ich muss doch mein Versprechen halten.“  

Seufzend erhob sich der Vampire und rieb sich seinen Kopf, als Zara bereits verschwunden war. „Mick ... wo steckst du nur...?“

Er sah hinaus und beobachtete die vorbeihuschenden Wolken eine Weile, bevor er sich mit schweren Füßen wieder seiner Arbeit zuwandte.
 

Fest umschlossen hielt er die Flasche, die in die braune Papiertüte eingewickelt war und trank einen Schluck der starken Flüssigkeit Ihm war kalt. Sogar sehr kalt, weshalb er seinen Mantel enger um sich zog. Schniefend wanderte der Deckel der Flasche wieder auf ihren Platz zurück. Kurz darauf verschwand der Whiskey in seiner Jackentasche. Fröstelnd schlug er den Kragen seines Mantels auf, versenkte die Hände in den Taschen und lief weiter durch den Regen. Nur wenige Minuten später, stieß er die Tür eines kleinen Pubs in Mitten der wunderhübschen britischen Stadt Brighton auf.

„Wir haben geschlossen ... ach du bist es.“

Der Barkeeper hob seinen Blick einen Moment lang und musterte den Mann mit der kaputten Kleidung, den zerzausten dunkelbraunen Haaren und den tiefen Ringen, die sich unter den matten, blauen Augen abzeichneten. Er hatte sich garantiert schon lange nicht mehr rasiert und stank einfach nur schrecklich nach dem Whiskey, den er ständig zu sich nahm, als wäre er das einzige Lebensmittel, das er kannte.

„Kannst du arbeiten, oder bist du zu betrunken.“,

„Keine Ahnung.“, gab er mit einem Schulterzucken zurück und hängte seinen Mantel an den Hacken.

„Hör zu, John, ich hab Verständnis für deinen Zustand, aber du willst hier arbeiten und soweit ich weiß brauchst du das Geld, nicht wahr?“

Er schluckte schwer und rieb sich über den Nacken. „Ich muss immerhin Wohnungsmiete bezahlen.“

“Dann hör auf betrunken zur Arbeit zu kommen.“

Er schürzte seine aufgesprungenen Lippen und zuckte erneut mit den Schultern.

„Was hast du davon dich ständig zu betrinken?“, rief der Barkeeper – Henry – ihm nach, als er schon in Richtung Hinterzimmer unterwegs war.

„Es kommen Bilder zurück...“, antwortete Mick ruhig und stieß die Tür auf.

„Hey Mann ... der Arzt meinte, dass die Amnesie nicht so einfach verschwindet und was du unter Bildern deiner Vergangenheit verstehst, sind wohl einfach nur Halluzinationen. Die hat jeder Kerl, wenn er so viel säuft wie du.“, lachte Henry auf.

Micks Blick glitt zu Boden und er knirschte mit seinen Zähnen. „Das sind keine Halluzinationen.“, brummte er vor sich hin.

„Stimmt. Du bist ja in Wirklichkeit ein Bluttrinkender Vampir... dir ist aber schon klar, dass du nur Whiskey zu dir nimmst!“, rief er noch hinterher, doch Mick ließ bereits die Tür ins Schloss fallen. Schweigend führte ihn sein Weg auf die Toilettenräume der Männer. Wie so oft betrachtete er sich im Spiegel.

„Wer bin ich nur ...“, murmelte er und seufzte einmal schwer auf.

John. Nein. So hieß er nicht, auch wenn der Name so schrecklich vertraut klang. Er wusste gar nichts mehr. Er benetzte sein Gesicht mit etwas kühlem Wasser und schraubte erneut die Flasche Whiskey auf, um sich einen weiteren Schluck zu genehmigen.

Er betastete die Brandnarbe auf seinem Gesicht und ertrank die aufsteigenden Schmerzen gleich wieder mit einem starken Schluck Whiskey. Es klopfte an der Tür und sogleich sah er mit einem kleinen Seufzen auf.

„Ich bin ja gleich fertig!“, knurrte er und rieb sich über die vollkommen verspannte Nackenpartie. Arbeit war das halbe Leben und leider musste er nachts arbeiten, auch wenn er sich nach Schlaf sehnte... er verließ die Toiletten und trat hinter den Tresen des Pubs um ein Guiness nach dem anderen zu zapfen.

I. Zwei Welten - Tränen

Es war so eine sinnlose Arbeit. Jeden Tag aufs Neue beobachtete er die Menschen, die sich betranken und ihr Leben einfach so weg warfen, doch war er nicht besser. Für Mick hatte das Leben an Sinn verloren, seit dem er nicht mehr wusste wer er war und wohin er gehörte. Anfänglich hatte er noch nach seinem zu Hause gesucht, doch niemand schien ihn zu vermissen. So hatte er sich tief in sich selber zurückgezogen und versuchte dort Antworten zu finden, die aber immer wieder noch mehr Fragen aufwarfen.

Er verriegelte die Tür des Pubs und schlurfte mit angezogenen Schultern und gesenktem Blick die Straße der Kleinstadt entlang. Ab und zu begegneten ihm vereinzelte Menschen. In den meisten Augen konnte er die Abscheu lesen. Sie ekelten sich vor ihm, vor seinem halb verbrannten Gesicht. Das war alles was er von sich wusste: Er war einem Brand zum Opfer gefallen.

„Nur welchem...“, flüsterte er leise und atmete die kühle Nachtluft ein.

Halbwegs sicher setzte er einen Fuß vor den nächsten und schaffte es sogar trotz seines offensichtlich betrunkenen Zustandes rasch voran zu kommen. Mick lächelte etwas, als das leise Rauschen des Meeres an seine Ohren drang. Immer wieder zog es ihn zu den Ort zurück, an dem er ohne Erinnerung an sein früheres Leben gefunden worden war. Mick zog seine Schuhe aus und wanderte trotz der Kühle über den steinigen Strand bis hin zum gurgelnden und rauschenden Meer.

Langsam ging er in die Hocke und zog ein Foto aus seiner Tasche. Es war alles, das ihm von seiner Vergangenheit geblieben war. Mit zur Seite gelegten Kopf betrachtete er das alte schwarz-weiß Foto, das aus der Zeit vor dem zweiten Weltkrieg stammte. Mutter, Vater und zwei Kinder. Wer sie wohl waren? Mick hatte lange Zeit versucht herauszufinden um wen es sich handelte, denn sie waren zu alt um mit ihm verwandt zu sein, aber auch dieser Versuch war gescheitert.

Seine Finger wanderten über die Knicke des Bildes, über die Gesichter der Personen, die er darauf erkennen konnte. Schließlich seufzte er auf und steckte das Foto wieder in seine Hosentasche zurück.

„Ich will doch nur wissen wer ich bin und wohin ich gehöre. Gibt es niemanden der mich so sehr vermisst, wie ich ihn? Mein Herz sehnt sich nach dir, du unbekannte Schönheit. Immer wieder sehe ich dein Gesicht und ich weiß, dass ich dich in meinem Leben haben will, aber was ist mit dir? Brauchst du mich nicht in deinem Leben? Hast du mich bereits vergessen, oder bist du gar gestorben? Beim Brand? Was war das für ein Brand? Er nahm etwas weg aus meiner Seele, aus meinem Herz und ich weiß nicht was. Ich habe so Vieles verloren... vielleicht ist es ganz gut, dass ich nicht weiß was, aber was bin ich schon ohne Vergangenheit? Nur ein Trunkenbold, der seine Gegenwart überstehen möchte und in der Zukunft schon gar nicht mehr existiert.“, lächelte er bitter und eine kleine Träne glitzerte in seinen großen, blauen Augen.  

Er ließ sich nach hinten fallen und zog die Beine an um so auf das Meer hinaus zu blicken. Für einen Moment kniff er seine Augen fest zusammen. Da war es wieder. Ein wunderhübsches Gesicht einer Latina, die ihn keck anlächelte. Im nächsten Moment war ihr Anblick wie weggewischt, aber Mick konnte sich noch an alles erinnern. An ihre weiche Haut und ihren angenehmen Duft nach Kokos.

Erst die Kälte, die ihn zum zittern brachte, führte dazu, dass er sich wieder erhob und mit langsamen Schritten den Rückweg antrat. Dabei versenkte er seine Hände in den Hosentaschen und versuchte die Verzweiflung weit nach hinten zu schieben. Leider war das gar nicht so einfach. Einige Zeit später suchte er nach seinem Wohnungsschlüssel, als ihm ein weißes Blatt Papier auffiel, das aus seinem Briefkasten hervor spähte. Mick hob eine Augenbraue und zog den Zettel aus dem Schlitz. Er war einmal in der Mitte gefaltet. ‚JOHN’ stand in großen Lettern und geschwungener Schrift darauf geschrieben.

Blinzelnd entfaltete er das Blatt. Viel stand nicht darauf. Nur ein einziger Name war vermerkt: ‚Kostan’.

Mick hob seine Augenbraue. Eine seltsame Vertrautheit löste sich bei dem Klang dieses Namens aus. Er sah sich um. Der Hausflur war leer. Wem hatte er diesen Zettel zu verdanken. Mit leicht mulmigen Gefühl in der Magengegend verschwand er in seiner Wohnung.

„Werde ich beobachtet...? Weiß jemand wer ich bin...?“, fragte er leise.

Noch mehr Fragen, auf die er wohl keine Antworten bekam.
 

~*~
 

Ein Blatt Papier auf dem nur wenige Zeilen geschrieben standen, lag auf dem Bett. Manche Buchstaben waren verschwommen, immer dann wenn eine Träne auf die Tinte getroffen war. Ebenso regungslos wie das Papier lag eine junge Frau auf dem Bett. In einer Hand hielt sie den offenen Füller, während ihre Andere auf ihrem Bauch ruhte. Wieder suchte sich eine stille Träne den Weg über ihre Wangen und tropfte auf die Bettdecke. Ihr Gesicht leicht geneigt und den Blick starr auf das Stück Papier gerichtet, versuchte sie einen klaren Gedanken zu fassen, doch das schien ihr alles andere als leicht zu fallen. Nach so viele Ereignissen. So vielen Momenten, an die sie sich nur schwer erinnerte, denn tief in ihren Herzen tat es so unglaublich weh. Gefühle zuzulassen war nicht immer ihre Stärke und so war es, als ob diese sie nun übermannten. Auf der anderen Seite des Bettes lag ein dickes Tagebuch, dessen letzte Seite voll geschrieben worden war. Etwas krakelig und durchaus Tränen durchnässt war die Seite, da die Worte erst ganz frisch hinzugefügt wurden:
 

»Ich weiß immer noch nicht, wie ich in diese Situation gekommen bin. Wie es so weit gekommen ist, dass ich jetzt, heute alleine hier sitze. Alleine in deiner alten Wohnung, weit weg von dir. Irgendwie hat sich alles verselbstständigt und jetzt gibt es keinen Weg mehr zurück. Zumindest keinen Weg, der für mich offensichtlich ist, sondern lediglich ein kleiner Hoffnungsschimmer, doch dieser scheint so unwirklich und ich bin mir nicht wirklich sicher, ob es sich lohnt zu hoffen, weshalb ich es nicht zustande bringe mich zu bewegen, um diese Hoffnung selber in die Hand zu nehmen, ebenso wie mein Schicksal. Ich schreibe dir in meiner Verzweiflung einen Brief, auch wenn du diesen wohl nie erhalten wirst. Ich weiß nicht wo du bist. Ich weiß nicht, ob wir einander je wieder begegnen werden.

Du fehlst mir, Love... sehr sogar. «
 

Zaras dunkle Haare fielen ihr etwas ins Gesicht, als sie sich auf die Seite legte. Langsam strich sie diese wieder nach hinten, da sie ihren Blick nun zur Gänze auf den Brief richtete. Bislang waren nur wenige Zeilen geschrieben und bei diesen war sich Zara nicht einmal sicher, ob sie wirklich gut formuliert waren.

Leise schluchzte sie und versuchte die Tränen zurückzuhalten, was ihr alles andere leicht fiel. Lange Zeit verweilte sie in dieser Position, wobei immer wieder ein seufzen über ihre Lippen kam. Erst nach etlichen Minuten fuhr sie mit der Hand über die Bettdecke unter ihr Kopfkissen. Erst ein lautes Klopfen riss sie aus ihrer Träumen, ihrer unendlichen Sehnsucht nach keinem geringeren als Mick St. John.

Zara erhob sich vom Bett, bahnte sich ihren Weg durch ein paar Kisten und Taschen und gelangte zu ihrer Wohnungstür, die sie den beiden Mitvampiren Logan und Josef öffnete.

„Weißt du.“, setzte Josef an, woraufhin Zara seufzte.

„Was weiß ich?“

„Du hast Glück.“

„Warum?“

„Weil wir uns noch nicht gut genug kennen, ansonsten hätte ich mich selber rein gelassen.“, kam prompt über seine Lippen. Mit einem breiten Grinsen schob er sich in die Wohnung, dicht gefolgt von Logan, der ihm in den letzten Wochen wie ein kleiner Hund hinterherlief. Inzwischen hatte er sich an den Job eines Assistenten gewöhnt. Mögen tat er ihn nicht. Drum zeichnete er auch oft kleine Mordszenarien in sein kleines schwarzes Buch. Josef Kostan war eine der Hauptpersonen dieser Szenarien.

„Wie geht’s dir?“, fragte Logan leise und schenkte Zara ein aufrichtiges Lächeln.

„Ich bin gerade im Umzugsstress... aber kommt ruhig rein.“, murrte sie leise und schloss die Tür hinter den anderen beiden Vampiren. Josef drehte sich zu ihr um und wedelte mit einer Packung Blut.

„Als Einstandsgeschenk. Salz und Brot erschien mir unpassend.“, lachte er und ließ seinen Blick schweifen. Irgendwie konnte er die Gegenwart von Mick in diesen Räumen noch deutlich spüren, weshalb ihm etwas fröstelte. Mit einem Mal durchdrang ein leises Pochen die Stille, weshalb der Vampir seine Ohren spitzte. Josef hob seinen Blick und sah mit gerunzelter Stirn zu Zara.

„Was ist das für ein Geräusch?“, fragte er nach und lauschte in die Stille. Der Herzschlag eines Lebewesen war für einen Vampir immer allgegenwärtig. Es war die leise Hintergrundmelodie des Lebens. Zara sah ihn fragend an und schluckte dann einmal, als der Blick von Logan ebenfalls zu ihr hinüber glitt. Er konnte es ebenso hören wie Josef, jetzt, da er darauf achtete.

„Zara... bist du schwanger...?“, kam eine durchaus entsetzte Frage über die Lippen von Josef.

I. Zwei Welten - Zukunft

„Zara... bist du schwanger?“, wiederholte Josef und tat einen Schritt auf sie zu. Der leise Herzschlag war nicht zu überhören und somit ließ sich das Kind in ihrem Leib auch nicht leugnen.

„Ich bin mir nicht sicher.“, murmelte die junge Frau und ließ sich auf einen Stuhl sinken.

Logan und Josef standen wie vom Donner gerührt vor ihr. So viele Fragen. So wenig Antworten.

„Wie ... wie kannst du ... dir nicht sicher sein. Hörst du den Herzschlag nicht?“, fragte Josef nach und deutete auf ihren Bauch.

„Und was noch viel wichtiger ist, wie kannst du schwanger sein?“, fügte Logan hinzu.

„Ich weiß es doch auch nicht.“, seufzte sie auf.

„Vampire können nicht schwanger werden.“, sagte Logan matt.

„Na, aber scheinbar bin ich es und mein Vampirdasein willst du auch nicht anzweifeln oder?!“, keifte Zara wütend.

„Moment!“, brachte Josef die beiden mit einer gebietenden Handbewegung zum Schweigen. „Das Präparat?“ Seine Stimme war leise, fast schon scheu, doch die Erkenntnis lag förmlich vor ihnen.

„Das wovon der König gesprochen hat...?“, runzelte Zara ihre Stirn.

„Es klingt logisch. Mick soll angeblich dazu in der Lage sein Kinder zu zeugen. Gesetz dem Fall, es ist von Mick.“, erklärte Josef und schürzte seine Lippen. Er hatte sich an die Küchenzeile gelehnt und tippte seine Fingerspitzen beider Hände aneinander. Immer wieder huschte sein aufmerksamer Blick über Zara, besser gesagt ihren Bauch. Der Herzschlag des Ungeborenen brachte den Vampir sichtlich aus dem Konzept.

„Aber ich habe dieses Präparat nie genommen.“, wehrte sich Zara gegen die Erkenntnis. „Und ja, es ist von Mick!“, keifte sie und schüttelte energisch ihren Kopf! Ihre schmalen Hände fuhren sich durch das Gesicht und zeigten einmal mehr, wie angreifbar Zara geworden war. Schon jetzt zeigte die Schwangerschaft erste Wirkungen. Sie war viel weicher im Gesicht.

„Wir können ja wohl schlecht nach Frankreich fahren und den König fragen, falls er diesen Palastbrand überlebt hat und ich hoffe nach wie vor, dass dem nicht so ist.“, seufzte Josef auf.

„Ich halte Frankreich für keine schlechte Idee, dann können wir endlich nach Mick suchen.“, flüsterte Zara traurig.

Sie schwiegen und starrten frustriert zu Boden. Nur das leise Pochen des Kinderherzens war unignorierbar für die Vampire geworden. Josef’ Blick war starr geworden und er versuchte eine Lösung auf dieses neue, ungewohnte Problem zu finden. Dabei konnte er nicht verhindern, dass seine Gedanken ein wenig abdrifteten.
 

Drei Monate früher
 

Das Flugzeug setzte mit einem sanften ruckeln auf und fuhr das letzte Stückchen zum Tower. Die Passagiere waren schnell entladen und so ging es für fünf niedergeschlagene Gestalten über den Flughafen durch das Menschengedränge. Josef hielt die Hand von Zara fest umschlossen, sie ihren Blick gesenkt.

„Wir hätten ihn nicht einfach zurück lassen dürfen.“, flüsterte Zara leise.

“Uns blieb keine andere Wahl als den strategischen Rückzug anzutreten“, erwiderte Josef leise.

„Wir haben Mick einfach so in der Gewalt des verrückten Königs gelassen und du sagst mir allen ernstes, es war das Richtige? Ich dachte er war dein bester Freund?!“, knurrte sie ihn an.

„Er ist mein bester Freund und jetzt reiß dich zusammen, Zara. Nur weil du Durst hast, brauchst du deine schlechte Laune nicht an mir aus lassen, oder glaubst du wirklich, dass es mir leicht gefallen ist, einfach so wie ein verschreckter Hase davon zu laufen? Ich weiß, dass wir Mick zurückgelassen haben, aber das ist jetzt unabänderbar. Wir werden es schaffen ihn zu befreien, das habe ich dir schon mehrmals gesagt.“, seufzte er resigniert auf. Die Latina riss ihre Hand los und strich sich fahrig durch ihre Haare.

Ihr fehlte Mick so schrecklich. Noch immer fühlte sie seine Lippen auf den ihrigen, spürte seine sanften, aber fordernden Berührungen und schmeckte sein Blut. Er war verschwunden. Wurde von deinem verrückten König, seiner Exfrau und ihrem cholerischen Bruder gefangen gehalten und wo waren sie? In Los Angeles!! Zara seufzte auf und warf einen Blick zu Lisa, Logan und Guillermo, die ihnen folgten.

„Wir treffen uns heute Abend.“, stieß Josef aus und riss somit alle aus den Gedanken.

„Bei mir und dann überlegen wir uns, wie wir weiter verfahren um Mick aus den Klauen dieser Wahnsinnigen zu holen. In Ordnung.“

Guillermo nickte. Seine Hand lag auf dem Rücken von Lisa und so schob er sie ein bisschen voran zu den Taxiständen. Logan folgte ihnen. Zurück blieben Zara und Josef, die sich lange Zeit schweigend anblickten.

„Ich weiß nicht, wo ich hin soll.“, nuschelte Zara mit einem Mal.

Ein leises Aufseufzen verließ ihre Lippen. „Na dann komm.“, murmelte Josef und winkte sie mit sich.
 

LA hatte sich in den Wochen ihrer Abwesenheit verändert. Die Cleaner kontrollierten die ganze Stadt genau und somit blieb auch die Rückkehr des geschrumpften Vampirclans nicht unbemerkt. Schon als Zara und Josef den Flughafen verließen, konnten sie die beiden rothaarigen Cleanerinnen entdecken. Sie blickte schweigend zu ihnen herüber, wandten sich ab und verschwanden in der Menge.

Josef schob sich eine Sonnenbrille auf die Nase und öffnete Zara die Tür der Limousine. Er stieg nach ihr ein.

„Nach Hause, Jeffrey.“, bat er seinen Chauffeur – ebenfalls ein Vampir. Dieser nickte und schon fuhr er los.

Seit zwei Tagen war Mick nun schon in der Gewalt von Coraline und ihrem Vater.

Er kniff seine Augen zusammen und starrte nach draußen. Ebenso wie Zara.

Den restlichen Tag kommunizierten die beiden Vampire nicht miteinander. Josef lenkte sich mit seinen Geschäften ab und Zara lag die ganze Zeit schweigend in dem Gästezimmer von Josef’ Anwesen. Sie dachte an Mick und versuchte ihre Sehnsucht nicht allzu groß werden zu lassen. Leider war das gar nicht so einfach. Sie seufzte tonlos auf.
 

So verstrichen die Stunden. Die Tage. Nichts passierte. Josef hatte einen Spion angeheuert und nach Frankreich geschickt. Doch bislang ohne Ergebnisse. Von Tag zu Tag machte sich mehr Frustration breit. Zara resignierte. Guillermo, Lisa und Logan wandten sich ihrem alten Leben wieder zu und beschäftigten sich nur noch mit der Verdrängungsarbeit. Josef war der Einzige, der immer wieder neue Pläne schmiedete, die aber jedes Mal ins Leere liefen. Es war so schrecklich deprimierend.

Genau acht Tage waren seit Micks Gefangennahme vergangen, als Logan auf das Anwesen von Josef stürmte. Er stürzte durch die Tür und blieb vor Josef und Zara stehen. Beide saßen im Wohnzimmer und tranken ein Gläschen A-positiv.

„Was ist?“, fragte Josef.

„Das Schloss ist niedergebrannt!“, stieß Logan aus und wedelte mit seinem iPad. „Großbrand in Frankreich!! Nach einem Unwetter, der einen Blitzschlag zu folge hatte, begann das Château de Versaille in Flammen aufzugehen! Die Feuerwehr hatte trotz des heftigen Regens Mühe die Flammen einzudämmen. Die Windböen waren unberechenbar. Noch immer brennt das Gebäude. Beten wir zu Gott, dass kein Mensch zu dem Zeitpunkt des Unglücks im Gebäude war ...“, las Logan die Breaking News vor.

Zara und Josef waren aufgesprungen.

„Mick?“, fragte Zara heißer.

„In dem Schloss war sicher kein Mensch. Nur sehr viele Vampire“, murmelte er und strich sich besorgt über die Haare.

„Es brennt. Das Schloss brennt und du weißt genau, was Flammen mit Vampiren machen....“, schluckte Logan schwer.

Zara ließ sich auf das Sofa zurück fallen und murmelte erneut „Mick..?“

Josef kniff seine Augen zu und zückte sein Handy. „Ich las nach ihm suchen. Vielleicht besteht die Chance, dass er es unverletzt geschafft hat.... was ist Logan? Sag schon!“

„Der Blitz hat in dem Turm eingeschlagen ... du weißt wo die Gefangenen festgehalten werden.“, flüsterte er leise.

„Mick ist nicht Tod!“, stieß Josef erbost aus. „Und jetzt hör ja auf dir darüber solche Gedanken zu machen! Er ist nicht Tod und wir werden ihn verdammt noch mal finden! Sieh zu das du mir aus den Augen gehst, bevor ich mich vergesse!!“

Logan wich vor dem Mann zurück.

„... aber was ist wenn...?“, murmelte er leise.

„Dann ist es unsere Schuld, denn wir haben ihn zurück gelassen.“, sagte Zara und blickte Vorwurfsvoll hinüber zu Josef, der ihrem Blick gekonnt auswich. „Er ist nicht gestorben.“, trotzte dieser energisch den ganzen bedrückenden Worten, die auf ihn einregneten. Ein Leben ohne Mick war schwer auszuhalten und so wollte er dem ganzen gar keinen weiteren Gedanken beimessen.
 

„Ich hab da gestern was gefunden.“, riss Logan Zara und Josef aus ihren Gedanken.

“Muss ich dich erst lange bitten, bevor du uns erzählst, was du gefunden hast?“, fragte Josef seufzend nach.

„In Plymouth ist ein Mann angeschwemmt worden. Schwere Verbrennungen und mit Gedächtnisverlust, direkt am Tag nach dem Brand. Das Jagdschloss befand sich in der Nähe des Meeres. Vielleicht konnte sich Mick dorthin retten...“, erzählte Logan leise.

Ein kleiner Hoffnungsschimmer blitzte auf den Zügen von Zara auf.

„Ein Mann?“, wiederholte Josef. „Du vergisst wohl, dass Mick nicht einfach mit schweren Verbrennungen in einem Krankenhaus landen kann. Er würde verbrennen, wie jeder andere Vampir.“

„Es sei denn, er ist kein Vampir mehr.“, warf Zara ein.

„Das Präparat.“, murmelte Josef und schloss nachdenklich seine Augen.

“Was haben wir zu verlieren?“, fragte Zara und legte eine Hand auf den Unterarm von Josef.

„England?“, fragte er nach.

Als er in das Gesicht von Zara blickte konnte er gar nicht anders. Er musste sich ihrem Blick geschlagen zu geben. Sie sah so voller Hoffnung aus und wünschte sich wohl nichts sehnlicher, als den Vater ihres Kindes wieder bei sich zu haben.

„Ja.“, grinste sie breit

„Dir muss klar sein, Zara, dass du dich in große Gefahr begibst.“

„Was meinst du?“, blinzelte sie irritiert.

„Du bist der erste Vampir, der schwanger ist... wenn das andere Vampire herausfinden, kann es passieren das zu zur Beute wirst. Das was du hast, wollen sehr viele und ich muss zugeben, ich bin ein bisschen neidisch. Wenn es etwas gibt, das ich mir in meinem langen Leben als Vampir gewünscht habe, dann war es die Zeugung eines eigenen Kindes und nicht das Erschaffen von anderen Vampiren.“, lächelte er rasch und warf eine Blick auf ihren Bauch.

„Sein wir froh, dass es nie lauter kleine Josef Kostans gibt...“, murmelte Logan. „Ansonsten hätte ich ja noch mehr Vampire, die mir in den Hinter treten.“

Die Drei lachten auf.

„Soll ich Guillermo und Lisa informieren?“, fragte Zara nach, doch Josef schüttelte seinen Kopf.

„Je weniger wir sind, desto unauffälliger können wir agieren. Logan, du bleibst hier und hältst die Stellung. Ich und Zara fliegen nach London und von dort aus erkunden wir die Umgebung.“, befahl Josef ruhig.

Die Beiden Vampire nickte.

„Glaubst du wir finden ihn?“, fragte Zara leise.

„Wenn er es ist, dann werden wir ihn aufspüren.“, zwinkerte Josef ihr zu.

So war es beschlossene Sache.

I. Zwei Welten - Hunger!

Mit neuer Energie starteten Josef und Zara Richtung London. Ein langer Flug lag vor ihnen und Josef stand die Sorge um Zara und dem ungeborenen förmlich ins Gesicht geschrieben. Das ein Vampir ein Kind zeugte war für ihn absolut unbegreiflich und es machte ihm auch Angst! Sogar ganz gewaltige Angst, denn es gab viele eigenartige Vampire, die andere, besondere Arten sammelten. Wenn jemand von einem Vampirkind erfuhr, dann würde die Jagd erst richtig los gehen. Josef bemerkte es gar nicht, aber er starrte die ganze Zeit auf ihren Bauch.

„Du weißt schon, dass man einer Frau eigentlich ins Gesicht schaut. Ich weiß, die meisten Männer gucken normalerweise eher wo anders hin, aber deine Blickregion ist schon überaus eigenartig.“, stellte sie fest und tippte Josef gegen die Wange.

„Entschuldige.“, räusperte er sich und schüttelte seinen Kopf.

“Du bist fasziniert von dem Baby oder?“

„Da werde ich nicht der Einzige sein, Zara. Dir ist klar, was es bedeutet, wenn die Ältesten unter den Vampiren davon erfahren. Glaub mir. Gegen die war der König nur ein kleiner Fisch. Ich habe Mick versprochen dich zu beschützen und das werde ich auch tun, solange es mir möglich ist...“, seufzte er auf.

Es blieb abzuwarten, was geschah und noch hoffte er fest, dass es zu keiner Hexenjagd wurde. „Was glaubst du wird es?“, fragte er nach.

„Keine Ahnung. Aber ist doch auch egal ob Junge oder...“

“Das meinte ich nicht.“, fiel Josef ihr ins Wort und klappte den Tisch nach oben. Man konnte ihm ja sowieso nichts zum Essen servieren, auf das er Appetit hatte.

Zara schluckte. „Um ehrlich zu sein glaube ich, dass es ein Mensch ist. Ich esse wieder und ich trinke normale Dinge. Ich brauche zwar auch Blut, aber ... es braucht normales Essen.“

Josef massierte sich die Nasenwurzel. „Seit wann weißt du es.“

„Ein paar Tage.“, zuckte sie mit ihren Schultern und schüttelte dann den Kopf. „Lass uns nicht weiter darüber reden, Josef. Ich will Mick finden und dann können wir überlegen, was mit dem Baby sein wird und jetzt lass mich schlafen.“

Josef schwieg und beobachtete sie noch eine kleine Weile, während sich seine Gedanken überschlugen.

„Oh Mick. Wo steckst du nur...?“, flüsterte er leise, als sich sein Blick im Wolkenmeer verlor.
 

Es war ein eigenartiger Traum, in dem sich Mick in dieser Nacht verlor. Immer wieder wälzte er sich hin und her. So viele Bilder und Eindrücke hagelten auf ihn hernieder. Gesichter. Namen. Stimmen. Empfindungen. Gerüche. Geschmäcker. Erlebnisse. Immer wieder warf sich der junge Mann von einer Seite zur anderen. Schwer beutelte ihn der Alkohol und doch war da so eine tiefe, innere Erkenntnis, die in ihm wuchs. Mehr und mehr, stärker und stärker. Die Fänge der Traumwelt wollten ihn einfach nicht entkommen lassen und warfen so viele Fragen auf.

Mick. John.

John.

War er John? Weshalb kam ihm der Name so vertraut und gleichzeitig so fremd vor? Was war es, das ihn gerade gefangen hielt und ihn immer mehr peinigte. Schreiend fuhr er auf und saß kerzengerade in seinem kleinen Bett. Micks Herz schlug wie verrückt, während er sich in seiner Wohnung umsah, die nur aus einem Raum bestand. „Was ist...?“, fragte er und strich sich über die Augen.

Schluckend stand er auf, schlurfte durch das Zimmer, trank einen Schluck Whiskey. Er schmeckte nach nichts. Aber was war dieses brennende Verlangen in ihm? Was wollte es? Er riss alles aus seinem Kühlschrank was er fand, doch nichts davon konnte diesen unglaublich stechenden Hunger stillen. Mick taumelte zum Waschbecken im Bad und trank Wasser. Immer mehr, doch der brennende Durst wollte nicht verschwinden. Er leckte sich seine Lippen, atmete tief ein und auf einmal war da ein Geruch. Er sah über seine Schulter, atmete wieder ein. Ein süßer, reizender Duft, der ihn buchstäblich anzog.

Er wankte ein paar Schritte in den Raum zurück und stieg Barfuß in eine am Boden liegende Whiskeyflasche. Der Schmerz verschwand nur Sekunden später. Mick sah an sich herab. Seine Hände zitterten wie bei einem Drogensüchtigen auf Entzug und da war er wieder. Er wankte ein paar Schritte weiter, wobei sich das Mondlicht, das durch das Fenster schien auf seinem nackten Oberkörper brach. Ein dünner Film Schweiß überzog seine angespannten Muskeln, als er die Hand ausstreckte und die Türklinge seiner Wohnung nach unten drückte. Die Tatsache, dass er nur eine dünne Schlafanzughose an seinem Leib trug, kümmerte ihn nicht. Nur noch dieser Geruch dominierte sein ganzes sein. Er atmete ein und befeuchtete sich seine Lippen. Die Treppen stürzte er beinahe ohne Sinn und verstand nach unten. Mick schlug sich seine Knie auf. Sofort rappelte er sich auf und sah sich wieder um.

Er fletschte seine Zähne, als er einen jungen Mann entdeckte, der die dunkle Straße entlang wankte. Nur vereinzelt beleuchteten die Straßenlaternen den Gehweg. Lallend wanderte der junge Mann weiter. Mick kannte kein halten mehr! Er rannte auf ihn zu, wurde immer schneller und hörte nur noch einen leisen Schrei des jungen Mannes.

Mick wälzte sich im Bett hin und her, spürte das Verlangen versiegen. Er rappelte sich auf und schlurfte durch die Wohnung. Die Kühlschranktür stand offen. Er ließ sich vor den Kühlschrank sinken, lehnte in ihm und schlief schließlich ein...  
 

__________

„Kein Mensch kann über einen längeren Zeitraum ein Gesicht

für sich selbst tragen und eins für die anderen, ohne im Endeffekt verwirrt zu sein, welches das echte sein mag."
 

Nathanial Hawthorne

I. Zwei Welten - Verwirrung

Es war ein nebliger Tag in der kleinen Stadt Brighton in England. Der Wecker war es nicht, der ihn weckte, sondern ein anderes, aufdringliches Piepen, das ihn einfach nicht schlafen ließ. Dazu kam ein unglaubliches Zittern, dass sich immer weiter ausbreitete. Ihm war kalt. Seine Lippen waren bereits blau gefroren, als er seine Augen öffnete. Er sah sich irritiert um. Wie piepte es und ein paar Sonnenstrahlen fielen durch das Küchenfenster nach drinnen. Ein stechender Schmerz breitete sich von seinem Fuß rasant aus und wieder wurde es kalt.

Seine Pupillen waren geweitet, als er sich umsah.

„Wieso sitze ich im Kühlschrank...?“, fragte er nach und rappelte sich mühsam auf. Nur finster konnte er sich an den Traum der vergangenen Nacht erinnern. Er strich sich durch seine Haare, rieb sich das Gesicht, als ein beißender Geruch in seine Nase stieg. Mick starrte auf seine Hände. An ihnen klebte eine rote Substanz. Zitternd blickte er an sich herab. Er war voller Blut.

„Oh mein Gott!“, stieß er entsetzt aus und lief einen Schritt, doch sein Fuß gab unter seinem Gewicht nach. Er stolperte und stürzte. Erst jetzt bemerkte er die Wunde an seiner Fußfläche. Was war geschehen? Warum blutete er?? Entsetzen machte sich in ihm breit, als er sich wieder auf den Fuß zog und ins Badezimmer hüpfte. Als er sein Bild im Spiegel erblickte, machte sich Entsetzen in ihm breit. Sein Gesicht war Blut verschmiert!

Entsetzt übergab er sich in die Toilette und versuchte einen klaren Gedanken zu fassen, doch noch immer war er wie berauscht. Was hatte er im Suff getan? War das sein Blut...? Mick stolperte unter die Dusche und ignorierte den Schmerz in seinem Fuß.

Lange Zeit stand er unter der warmen Brause und rieb sich das eingetrocknete Blut vom Leib, versuchte sich aufzuwärmen, aber ganz so einfach war es nicht. Immer wieder blitzten Bilder in seinem Unterbewusstsein auf, die ihn selbstverständlich entsetzten. Hatte er jemanden verletzt? Zitternd verließ er die Dusche wieder. Vermutlich litt er an einer Unterkühlung und noch immer tropfte das Blut von seinem aufgeschnittenen Fuß. Mühsam wickelte er einen Verband herum und trat wieder in sein Zimmer zurück.

Er konnte die Glasflasche erkennen, in die er getreten sein musste.

„Es war mein Blut. Ich habe mich verletzt und habe es im betrunkenen Zustand nicht bemerkt.“, versuchte er sich selber zu beruhigen und folgte dem Piepen, das in der Luft lag. Der Kühlschrank. Sein Blick glitt darüber und sogleich stieß er ihn zu.

Eine bedrückende Stille legte sich über die Wohnung als auf einmal ein Geräusch an seine Ohren drang. Sirenen, die immer lauter wurden Mick ging mit langsamen, mechanischen Schritten hinüber zu seinem Zimmerfenster und sah hinaus auf die Straße. Mehrere Polizeiwagen waren vorgefahren und verdeckten die Sicht.  

Mick knabberte auf seinem Fingernagel herum, bevor er ins Schlafzimmer humpelte um sich frische Kleidung über zu ziehen. Noch schnell rubbelte er sich die Haare trocken und warf einen prüfenden Blick in den Spiegel. Er sah wie immer furchtbar aus. Tiefe Augenringe schienen seine strahlenden Augen förmlich zu überdecken. Seine Wangenknochen traten deutlich hervor. Sein üppiger Bart überdeckte die blase Haut. Alles in allem sah er wie das wandelnde Klischee eines Alkoholikers aus, wobei er am heutigen Morgen keinen Kater hatte und sich das erste Mal seit langem nicht so erschöpft fühlte.

Unruhig trat er mühsam vor seine Tür. Eine Menschentraube hatte sich gebildet und er hatte Mühe etwas sehen zu können. Die Polizei hatte Tücher gespannt und verhinderte einen direkten Blick.

„Was ist passiert?“, fragte er eine etwas ältere Lady. Sie war seine Nachbarin und kümmerte sich ab und an um ihn.

„Jamie... er wurde ermordet.“, flüsterte sie leise und warf ihn einen prüfenden Blick zu.

„Ermordet?!“, fragte Mick und schaffte es nicht, das Entsetzen aus seiner Stimme zu erbannen.

„Zerrissen von einem Tier, könnte man meinen.“, murmelte Mrs. Hawkins auf seiner anderen Seite.

Die Beiden waren alte Tratschweiber, aber gerade fühlte Mick deutlich, dass sie die Wahrheit sprachen, weshalb er zu zittern begann. Er hinkte einen Schritt nach vorne um besser sehen zu können.

„Ist alles in Ordnung?“, fragte Mrs. Landorin und warf ihm einen prüfenden Blick zu.

„Ich bin in eine Glasflasche gestiegen und habe die Nacht auf meinem Küchenfußboden verbracht.“, gestand er mit einem kleinen Seufzen. Das war alles woran er sich erinnern konnte.

„Sie sollten endlich in eine Entziehungskur.“, seufzte Mrs. Hawkins.

Sie mochte den jungen John. Er war zwar sehr häufig betrunken, aber ansonsten ein sehr höflicher und hilfsbereiter Mann, der ihr sogar die Einkäufe nach oben trug. Noch immer starrte er wie gebannt auf die Tücher, doch konnte er nichts entdecken. Nur ein angenehmer Duft von frischem Blut stieg ins eine Nase. Mick blinzelte.

„Vermutlich haben Sie Recht.“, sagte er dann und rieb sich hastig über den Nacken.

„Wer könnte das getan haben?“, fragte Mrs. Landorin.

„Mit Sicherheit eine Bestie. Der arme Jamie.“, antwortete Mrs. Hawkins.

Mick zitterte leicht und wandte sich dann ab.

„Was fehlt Ihnen?“

„Übelkeit....“

„Ja, es riecht hier absolut furchtbar.“, rümpfte Hawkins ihre Nase.

Das es hier fantastisch roch und Mick sich am liebsten in der nächsten Blutlache wie ein Hund gewälzt hätte, konnte er ja nicht sagen. Er humpelte ein Stück zurück.

„Halten Sie mich auf dem Laufenden, bitte...“, sagte er noch leise, bevor er wieder in das Wohngebäude zurück wankte. Er zog sich die Stufen nach oben, warf die Tür hinter sich ins Schloss und begann augenblicklich zu zittern.

„Was war das...??? War ich das??“, fragte er sich selber und starrte auf seine Hände.

Hatte er einen Menschen im betrunkenen Zustand umgebracht und warum empfand er den Geruch von Blut als köstlich?? Mick stürzte auf sein Bett zu, steckte seinen Kopf unter das Kissen und versuchte jegliche Eindrücke von draußen auszublenden.

Er war so schrecklich verwirrt. Konnte es sein, dass an seinem Traum etwas wahres war? Ein Vampir? Schon immer fühlte er sich diesem Kult so verbunden. Abwehrend schüttelte er den Kopf und fiel erneut in einen tiefen Schlaf. Zuerst war er sich dessen gar nicht bewusst und er erwachte erst, als es an der Tür klingelte.

Mick setzte sich abrupt auf. Er wagte es kein Wort mehr zu sprechen, als es zu klopfen begann.

„John?? John bist du da??“, rief mit einem Mal eine vertraute Stimme.

„Henry.“

Mick sprang auf, bereute die Tat aber augenblicklich, denn sein Fuß dankte es ihm mit einem unglaublichen Schmerz. Fluchend hinkte er zur Eingangstür und öffnete diese. „Gut, du bist da...“, murmelte Henry und schob sich nach drinnen.

„Ganz schön kalt hier....“

„Ja. Ich hab im Kühlschrank geschlafen.“

Henry sah ihn verwirrt an. „Frag nicht. Ich hatte den eigenartigen Traum zu ersticken nachdem ich in eine Flasche gestiegen bin.“

Der blonde Mann nickte leicht und betrachtete die zerbrochene Glasflasche am Boden. „Drum stinkt es hier auch wie in einem Schnapsladen. Sag mal, wo kommt das ganze Blut her?“

Mick deutete auf seinen Fuß. Der Verband hatte sich mittlerweile rot gefärbt.

„Erst Jamie und jetzt du ... ich hatte ja wirklich Sorgen um dich, als ich gerade das Haus verlassen habe.“, seufzte Henry und schob Mick vor sich her.

„Wohin gehen wir?“, fragte er irritiert.

„Dein Fuß muss genäht werden.“, klärte Henry ihm auf. Wie immer war er besonders führsorglich.

Ein Blick des Mannes glitt auf eine Wand gegenüber. „Was ist das?“

“Artikel über den zweiten Weltkrieg. Ich glaube ich hab mich dafür in meinem früheren Leben interessiert.“, seufzte Mick und ließ sich ohne Gegenwehr wieder nach draußen schieben. Das Polizeiaufgebot war verschwunden und ebenso wanderte die Sonne wieder dem Horizont entgegen.

„Weiß man schon, was mit Jamie passiert ist?“, fragte er leise nach, doch Henry schüttelte verneinend seinen Kopf.

„Jetzt sorgen wir erstmal dafür, dass deine Wunde genäht wird und dann schauen wir weiter...“

„Danke...“, murmelte Mick und atmete erleichtert durch, als er an die frische Luft trat und von seinem guten Freund gleich zum Auto gebracht wurde.

„Ich bin gerade sehr verblüfft.“

„Warum?“, fragte Mick.

„Du bist nüchtern. Seit ich dich kenne habe ich dich nie nüchtern erlebt... du kannst ein richtig netter Kerl sein, weißt du das.“, grinste Henry breit und startete den Wagen.

„Josef sagte immer, ich soll mir die Nettigkeit abgewöhnen ...“, lächelte Mick und erstarrte.

„Wer ist Josef?“, fragte Henry nach.

„Ich habe keine Ahnung .... aber ich glaube ... ein Freund von mir.“, flüsterte er ehrfürchtig.

Henry warf ihm einen kurzen Blick zu. „Na ich sagte doch, dass dein Gedächtnis irgendwann zurück kommt.“

„Ja ... ja.“ Das erste Mal begann Mick Hoffnung zu schöpfen. Ein kleiner Lichtschimmer in seiner Verwirrung.

I. Zwei Welten - Showdown (Teil 1)

Nach einer langwierigen Untersuchung hatte Henry Mick wieder in dessen Wohnung abgesetzt. Ein paar Blutproben waren entnommen worden, um eine Blutvergiftung zu vermeiden und hier und da mussten ein paar Nähte gesetzt werden. Ansonsten ging es seinem Fuß gut. So ließ Henry den vollkommen entkräfteten und müden ‚John‘ zurück um sich der Arbeit zu werden, auch an solchen Tagen musste der Pub aufgesperrt werden und aus dem Grund wanderte er jetzt in die Arbeit.

Das schummrige Licht der Bar bildete einen extremen Kontrast zum hellen Tageslicht von draußen. Henry knabberte auf seiner Unterlippen, bevor er dem inneren Drang, der unglaublichen Sucht nach einem Zug Nikotin nachgab. Seine blonden Haare standen wild in alle Richtungen, als er ein leises Knacken wahr nahm. Er sah über seine Schulter hinweg. Der Raum war leer. Dabei hätte er schwören können, dass das Geräusch von der Tür ausging.

„Wir haben noch geschlossen.“, rief er routiniert, sollte sich doch schon ein Mensch hier her verirrt haben. Keine Antwort. So zuckte er mit den Schultern. Zittrig tasteten seine Finger nach der Schachtel selbstgestopfter Zigaretten in seiner Tasche. „Ich habe geschworen, dass ich mit dem Rauchen aufhöre.“, sprach er zu sich selber, schluckte und ließ seinen Blick einmal leicht schweifen. Es war schwer dem Drang zu widerstehen. Unaufhörlich wisperte ihm eine leise Stimme zu, dass ein letzter Zug in Ordnung war. Nur noch eine einzige Zigarette. Ein kleines bisschen herrlicher Qualm, der ihm die Lungen durchflutete. Henry biss sich auf seine Unterlippen und zog die Schachtel mit dem Teufelszeug aus seiner Hosentasche. Schnaubend warf er sie auf den Bartresen und kehrte ihr den Rücken zu. Emsig versuchte er sich mit dem reinigen seiner Bierkrüge auf andere Gedanken zu bringen. Wie magisch zog ihn die silberne Zigarettenschachtel in ihren Bann zurück. Henry tat langsam einen Schritt in die Richtung,

„Nein.“, murmelte er zu sich und sträubte sich im selben Augenblick gegen die innere Versuchung. Wieder drehte er sich um und kontrollierte ob noch genügend Cola, Limonade und verschiedene Sirupe in den kleinen Kühlschränken verstaut waren. Das Geräusch einen Feuerzeugs ließ ihn die Ohren spitzen.

Henry wirbelte herum. Eine junge Frau saß mit übereinander geschlagenen Beinen auf dem Barhocker, lehnte sich halb auf die Theke und zündete sich eine Zigarette an. Ihre vollen Lippen ruhte am Filter und sie zog einmal genüsslich, ehe sie etwas Rauch aufsteigen ließ. Wie ein Ring sah er einen Moment aus, ehe er verschwand. Kinnlange braune Haare umspielten das makellose und überaus blasse Gesicht der jungen Frau und ihre braunen Augen ruhten auf Henry.

Er schnappte sich ein Handtuch und säuberte sich seine Hände flüchtig. „Wir haben noch geschlossen Lady und das sind mit Verlaub meine Zigaretten.“

„Ohh“, sprach sie gedehnt, fast schon mit einem Seufzen, wodurch Henry seine Augenbraue nach oben zog. „Ich dachte Sie hätten kein Interesse an einer kleinen Zigarette und mir war gerade so danach.“ Erneut wanderte die Zigarette an ihre Lippen. Wie hypnotisiert folgte Henry ihrer anregenden und anmutigen Bewegung.

„Ich bin auf der Suche nach jemanden.“, sprach sie weiter und befeuchtete sich die geröteten Lippen mit ihrer Zungenspitze.

„Für Sie bin ich, wer immer Sie wollen.“, grinste der junge Barbesitzer schelmisch. Seine Hände wanderten ein paar Mal durch seine Haare und eher unbewusst richtete er sich seine Kleidung, wobei er die junge Frau schon förmlich mit seinen Augen auszog. Sie trug ein rotes Kleid aus Seide? War das möglich? Bei der heutigen Mode mit Sicherheit. Sie lehnte sich etwas mehr auf den Tresen und sah ihn unverändert an. „Da bin ich mir ganz sicher, allerdings muss ich sie enttäuschen. Ich bin auf der Suche nach meinem Mann.“, klärte sie ihn dann mit einem Lächeln auf und deutete auf den Ring an ihrem Finger.

„Verstehe, Lady… aber wie kann ich Ihnen da weiter helfen und was ist die Gegenleistung?“, fragte er ohne Umschweife nach.

Er war kein Wohltäter und nur weil er John oftmals beistand, bedeutete das nicht, dass er allgemein ein Menschenfreund war.

„Ich habe gehört Ihnen ist ein Mann mit Amnesie zugelaufen?“, fuhr sie unbeirrt fort und spielte ein wenig mit der Zigarette in ihren Fingern. Wie hypnotisiert folgte Henry ihren kleinen Bewegungen, die ihm jedes Mal einen Schauer über den Rücken jagten. Er wollte sich lieber nicht ausmalen, was solche Finger mit ihm anstellen könnten.

Er schluckte. „Ja.“, antwortete er überaus knapp.

Die Frau zog kurz eine Augenbraue nach oben, ehe sie ein Foto aus ihrer Handtasche zog. Sie hielt es in die Luft. Darauf war unweigerlich John abgebildet! Ein flüchtiges Grinsen huschte über seine Lippen , als er eine Bewegung aus seinem Augenwinkel wahr nahm. Sein Kopf ruckte nach oben und er sah zur Seite.

Eine weitere Frau stand direkt an der Eingangstür. Ihr langes, lockiges Haar fiel ihr über die Schultern. Es kringelte sich wild und rahmte ihr weißes Gesicht förmlich ein. Dunkelrot schimmerten die Haare, die so weich wirkten. Sie trug eine schwarze Hose, dazu schwere Armeestiefel und ein weißes Oberteil, das ihren perfekten Rundungen trotz der Schlichtheit unglaublich schmeichelte. Henry sah ein bisschen verwirrter zu der Frau in rot, die gerade ihre Zigarette ausdrückte.

„Sagen Sie mir einfach wo Mick ist und wir beide bekommen kein Problem miteinander.“, schnurrte sie ihm zu.

Mit einem Mal befiel Henry ein eigenartiges Gefühl. Er wich zurück und stieß gegen die kleinen Kühlschränke. „Ich habe den Kerl noch nie gesehen.“, sprach er abwehrend. Mit einem Mal wurde ihm ganz flau und er fühlte sich auf schreckliche Weise bedroht von den beiden Frauen.

„Es ist nicht klug mich zu belügen Henry. Ich weiß, dass Sie ihn verstecken.“, lächelte die Lady am Tresen und schwang ihre langen Beine nach unten. Sie landete auf den Boden und setzte sich in Bewegung. Ihre Finger streichelten über das Holz der Bar Theke, an der sie entlang schritt, als sie auch schon bei dem kleinen Durchgang angekommen war.

„Hören Sie, Lady. Ich hab keine Ahnung wer er ist und ich sagte Ihnen bereits, dass wir noch geschlossen haben. Es ist jetzt wirklich besser, wenn Sie gehen.“, versuchte es Henry noch überaus freundlich. Schon jetzt war ihm aber klar, dass er in die Enge gedrängt worden war. Wie ein Beutetier, das von Löwinnen verfolgt wurde.

Innerlich verfluchte er den Horrorfilm, den er am vergangenen Abend gespannt verfolgt hatte. „Entweder Sie sagen es mir aus freien Stücken, oder ich werde die Antwort anderweitig bekommen.“, lächelte sie und blieb jetzt vor Henry stehen.

Ein Schweißausbruch jagte den nächsten, denn auch die Frau, die zuvor noch an der Tür gestanden hatte, hatte sich ihm genähert. Mit zusammengezogenen Augenbrauen sah er von einer zur Anderen. Er hob seine Schultern. „Ich weiß nicht wer er ist …“, antwortete er betont ruhig, auch wenn in ihm ein Sturm der Verzweiflung tobte!  Die Angst hatte ihre Fängen ausgestreckt. Vollkommen zurecht! Mit einem Mal riss ihn die Frau in rot von den Füßen!

Ihm wurde ein paar Momente schwarz vor Augen, als er mit dem Hinterkopf auf den kühlen Boden der Bar aufschlug. Sie saß auf seinem Bauch, ihre Fangzähne gefletscht, während die hellblauen, starren Augen die seinen fixierten.

„Jesus!“, stieß er entsetzt aus.

„Der kann dir jetzt auch nicht helfen.“, knurrte sie, präsentierte ihre weißen Schneidezähne, ehe sie ihm diese in die Halsvene rammte. Henry schrie unter Schmerzen auf. Das Blut rauschte in ihren Ohren, als sie von ihm abließ. Sie leckte sich ihre Lippen, wobei ein feine Spur Blut über ihr Kinn nach unten tropfte. Lächelnd tupfte sie über die Einbiss-Stellen an Henrys Hals. „Geh zu ihm, wenn du den nächsten Tag noch überleben willst und sag ihm, dass ein Mann nach ihm sucht…“, flüsterte sie ihm zu und zog ihn auf die Beine.

Der Barbesitzer taumelte, musste sich auf dem nächsten Tisch abstützen und stürzte dann wie betrunken weiter. Ein undefinierbares Zittern hatte ihn befahlen und die Panik saß ihm geradezu im Nacken. Er rannte die Straße entlang, sah weder nach links, noch nach rechts und wurde beinahe von einem Auto erfasst! Das alles kümmerte ihn nicht, denn er wollte nur n och weit weg von diesen verrückten Weibern!

Das Treppenhaus nach oben und schon stand er außer Atem vor der Tür von John. Er hämmerte dagegen. Dachte nicht nach, wollte auch gar nicht mehr denken müssen. Zittrig strich er über das Holz, denn niemand öffnete ihn. „Ich schwör dir, ich werde dich eines Tages erwürgen, wenn du dir immer die Birne zusäufst.“, murrte der Barbesitzer und suchte mit einem immer heftiger werdenden Zittern nach den Zweitschlüsseln zu Johns Wohnung. Schließlich fand er, was er gesucht hatte. Noch kurz warf er einen Blick über seine Schultern, bevor er sie öffnete.

Sein Blick huschte über die zahlreichen Zeitungsartikel und Ausdrucke an der Wand des kleinen Appartements, bevor er John entdeckte. Mit einer Whiskeyflasche hatte er sich vor einer Wand positioniert und starrte an diese. Den Rücken der Tür zugewandt. Erst nach ein paar Augenblicke schien er die Anwesenheit seines Freundes zu bemerken. Er sah über seine Schultern zu ihm. „Henry… was machst du schon wieder hier?“, fragte er mit einem kleinen Seufzen nach.

„Ich dachte, ich komm dich mal besuchen…“, log Henry in seiner Verzweiflung und mit der unglaublichen Panik, die sein Herz befallen hatte. „Was hast du mit dem zweiten Weltkrieg zu tun...“, nickte er in Richtung eines Artikels.

Ein schweres Seufzen verließ die Lippen von John. Er rieb sich über die Stirn und strich sich durch die kurzen, abstehenden, braunen Haare.

“Keine Ahnung, ich muss nur immer daran denken.“, erklärte er und rieb sich die Stirn. „Ich wiederhol mich nur sehr ungern, aber was machst du hier?“

Der Blonde schluckte schwer und kniff die Augen zusammen. Wieder sah er die schrecklichen Bilder vor sich, Spürte das Blut das seinen Körper verließ und so tat er etwas. Er verriet seinen Freund. „Da ist jemand an der Bar … er hat ein Foto von dir und sucht dich.“, sprach er leise die verlangte Lüge aus.

„Ein Foto??? Er sucht nach mir??“ Die Freude und grenzenlose Erleichterung war John geradezu anzusehen. Endlich schien er wieder Hoffnung bekommen zu haben. Henry schloss seine Augen. Er konnte es nicht. Er konnte ihn nicht in den Untergang schicken, denn nichts anderes wartete doch auf John! Wer auch immer ihn suchte… er war ein Monster! John zog sich eine Lederjacke über, als sein Blick über seinen Freund huschte. Unsicherheit erschien in seinem Gesicht. „Henry… alles in Ordnung?“

Der blonde Mann befeuchtete seine Lippen und hob seinen Blick. Er war kreidebleich und seine Augen waren vor Entsetzten geweitet. „Flieh.“, flüsterte er John zu…

I. Zwei Welten - Showdown (Teil 2)

„Flieh.“, wisperte Henry leise. Seine Wort hatte kaum seine Lippen verlassen, als Mick schon herumwirbelte und hastig aus der Wohnung stürzte.

Den Schmerz in seinem Fuß versuchte er zu ignorieren. Die Angst und das Entsetzen in den Augen von Henry war unübertroffen schauderhaft. Es machte ihm Angst ihn so zu sehen und ein schlechtes Gewissen, dass er ihn jetzt zurück ließ. Die Panik hatte den jungen Mann übermannt und er rannte nur noch durch die dunklen Straßen von Brighton. Ein Wolkenbruch ergoss sich über ihm und sorgte dafür, dass er unwillkürlich zu zittern begann. Immer wieder sah er über seine Schulter hinweg, ließ seinen Wohnblock hinter sich. Er durchquerte einen Park und konnte kaum noch atmen. Mick ließ seinen Oberkörper sinken und stützte seine Hände auf den Oberschenkeln ab.

„Was ist nur los?“, fragte er sich selber leise und versuchte zu begreifen, was in seinem Leben momentan schief lief. Wer suchte nach ihm? Wer kannte ihn? Vor wem war er auf der Flucht!! Er gab sich einen Ruck und rannte weiter, ganz gleich wie stark die Erschöpfung war, die sich gerade in seinem Körper ausbreitete. Die Straßen flogen nur so an ihm vorbei. Immer schneller. Immer weiter trugen ihn seine Füße. Die Nähte seiner Wunde waren aufgerissen, aber es kümmerte ihn nicht. Er rannte trotzdem einfach weiter und dachte nicht daran noch einmal zu stoppen. Er rannte viele Minuten wie von Sinnen, verfolgt von einem unsichtbaren Schatten, wie er glaubte. Die Angst saß ihm im Nacken und trieb ihn noch ein Stück weiter. Mittlerweile war er so viele Blocks von seiner Wohnung und der Bar entfernt. Er sah über seine Schulter. Von einem Verfolger war nichts zu sehen, weshalb seine Schritte jetzt etwas langsamer wurden. Schließlich machte er erneut Halt um wenigstens ein bisschen Luft in seine Lungen fluten zu lassen. Er rieb sich über die Stirn, wischte den Regen aus dem Gesicht und blinzelte ein paar Mal.

„Henry...“, flüsterte er und drehte sich um.

Konnte er das was gerade geschah mit seinem Gewissen verantworten? Er ließ seinen besten Freund zurück und lief vor etwas weg, von dem er nicht mal wusste, was genau es war.

Eine Bewegung in seinem Augenwinkel ließ ihn aufschauen. Eine Gestalt stand in der Seitenstraße und näherte sich ihm.

„Mick!“ Laut drang der Ruf einer weiblichen Stimme an sein Ohr. Er blinzelte. Eine warme Vertrautheit machte sich in ihm breit und langsam drehte er sich in die Richtung der Frau, die auf ihn zu rannte. Dicht gefolgt von einer weiteren Gestalt. Er rieb sich die Augen und fühlte wie sein Herz schneller schlug und sich jeder Faser seines Seins nur noch nach der Frau sehnte, die die letzten paar Meter überbrückte und ihre Arme um ihn schlang. Ihr Körper schmiegte sich an seinen und ihre dünnen Arme nahmen ihn geradezu gefangen. Für ein paar Sekunden war er zur Salzsäule erstarrt und schaffte es nicht diese ganzen Eindrücke zu verarbeiten. Sie hielt ihn nach wie vor fest an sich gedrückt und so sah er mit irritiertem Blick zu dem jungen Mann, der jetzt vor ihm zum stehen kam.

“Mick, du bist es wirklich...“, kam über die Lippen des Mannes, der gleich darauf tief durch atmete. Fest sahen sie einander an und wieder überkam Mick eine Welle der Vertrautheit.

„Mick ... ich heiße Mick?“, fragte er nach.

Augenblicklich löste sich die junge Frau von ihm und legte ihre weichen Finger auf seine Wangen. „Du weißt nicht, wer du bist?“, wollte sie von ihm wissen.

Er schüttelte seinen Kopf und sah von einem zum anderen. „Du bist Mick St. John. Privatdetektiv aus Los Angeles. Vor ein paar Monaten bist du uns während einer Tour durch Frankreich abhanden gekommen.“

Mick hob seine Hand und deutete auf ihn. „Josef...?“, fragte er nach und sogleich bildete sich ein breites Grinsen auf den Zügen des jungen Mannes. „Ich wusste, dass du dich an mich erinnerst.“

Mick lachte auf und unterdrückte die Freudentränen , als er wieder zu der jungen Frau blickte, die noch immer ihre Hände auf ihren Wangen positioniert hatte und ihn mit zitternder Unterlippe ansah.

Erneut schlossen sich die Augen des Mannes und er kämpfte die Tränen nieder, die in ihm aufstiegen. So viele Bilder tauchten mit einem Mal vor seinem inneren Auge auf. Szenen von einem Kampf, sie mit gefletschten Zähnen, gleich darauf ihr hübsches Antlitz auf dem Balkon in Paris. Hinter ihr leuchtete der Eifelturm. Ein Schwertkampf. Ein leidenschaftlicher Kuss. So viele Eindrücke durchflutete ihn und als er die strahlend blauen Augen öffnete bildete sich ein sanftes Lächeln auf seinen Lippen. Noch etwas scheu streckte er die Hand aus und streichelte ihr eine Strähne aus dem Gesicht. „Zara ....“, flüsterte er ihr zu.

Sie nickte und fiel ihm erneut um den Hals. Die Erleichterung verließ mit einem Aufseufzen ihre Lippen, doch mit einem Mal sprang sie zurück.

Mick sah sie irritiert an. Sie hatte ihre Augenbrauen zusammen gezogen und ließ ihren Blick über Mick gleiten.

„Du bist ein Mensch!“, stieß sie heißer aus und jetzt haftete auch wieder Josef Blick auf den jungen, sichtlich irritierten Mann. Laut konnten sie sein Herz schlagen, das Blut durch seine Venen pulsieren hören und der Geruch von Blut und Schweiß lag in der Luft.

„Was soll ich sonst sein...?“, fragte er nach und sah von einem zum anderen. So viele Eindrücke prasselten auf ihn hernieder. Er rieb sich durch die etwas längeren, ziemlich verzottelten Haare und wischte den Regen wieder und wieder aus seinem Gesicht.

Ein Geräusch drang an die Ohren der beiden Vampire und auch Mick konnte ganz deutlich ein Klatschen hören.

Zara entblößte ihre Fangzähne und Mick wich augenblicklich zurück.

„Was zum...!“

Josef packte Mick und schob ihn hinter sich. „Coraline.“, wisperte er in die Dunkelheit herein.

Ihr langes rotes Kleid wehte im Wind und ihre braunen, kurzen Haare wirkten trotz des Regens perfekt gestylt. Sie klatschte Beifall und lachte laut auf, als sie auf die Drei zutraten.

„Beeindruckend. Ihr habt ihn tatsächlich gefunden.“

Hinter ihr tauchte eine schmalere Frau und ein blonder Mann auf. Seine Augen waren rot unterlaufen, die Schultern hielt er angezogen und immer wieder wurde er erfasst von einem schütteln. Er war ein neugeborener Vampir. Er kannte nur eines: Den unendlichen Hunger! Er hatte das Kommando übernommen und verhinderte, dass er noch einen klaren Gedanken formulierte.

„Henry...“, wisperte Mick und sah von einem zum anderen. Zara und Josef hatten sich vor ihm aufgebaut und starrten den Drei entgegen.

Mick verstand so gar nicht, was sich gerade abspielte und was um ihn herum geschah. Es war alles so schrecklich verwirrend.

„Genau, wir haben ihn gefunden und wir werden ihn auch mit nach Hause nehmen, Liebes. Du solltest also gar nicht weiter deine Energien verschwenden. Geh lieber und bau deinen Palast wieder auf.“, sprach Josef mit einem Schulterzucken.

„Ach Josef. Ich hatte dich eigentlich immer als sehr intelligenten Mann in Erinnerung. Ich habe euch damals gehen lassen, weil wir Mick hatten. Du glaubst doch wohl nicht, dass ich das noch einmal machen werde. Hier und heute, werde ich dich umbringen..“, knurrte sie ihm zu.

Josef lachte auf. „Das haben schon Viele vor dir versucht und alle sind gescheitert. Glaube also nicht, dass du meine Existenz auslöschen kannst.“, gab Josef mit einem kleinen Schulterzucken zurück.

Zara betrachtete Henry und warf einen Blick über ihre Schulter zu Mick, der ganz eindeutig ein Mensch war und gerade sichtliche Panik ausstrahlte.

„Einen Vampir tötet man in dem man ihm den Kopf abtrennt oder ihn anzündet. Silber und Holzpfählen lähmen. Knoblauch und Kruzifixe sind ein Scherz, für den dich jeder Vampir auslachen wird.“, sagte sie an ihn gerichtet.

„Was willst du mir damit sagen...?“

„Das du dich verteidigen musst, wenn Josef und ich nicht mehr hier sind!“, rief Zara ihm zu, als Henry auch schon auf sie zustürzte.

I. Zwei Welten - Kollision

Mick legte seine Hände auf die Ohren und schloss seine Augen so fest, das bunte Lichter vor seinem inneren Auge tanzten. Er versuchte nichts zu hören, nichts zu sehen und murmelte immer wieder die wirren Worte: „Das ist nicht wahr. Das passiert nicht wirklich. Ich bin nicht hier. Ich bin nur betrunken.“ Er zählte die Sekunden, atmete tief durch und öffnete seine Augen. Mick zuckte zusammen, als er mitten in das Gesicht von Henry starrte.

Mit blutroten Augen und gefletschten Zähnen trat er langsam auf seinen einstigen Freund zu.

„Hen...ry... hör zu. Du weißt doch wer ich bin. Du kennst mich und... das was passiert, das ist alles en schlechter Scherz. Hör auf mich so anzugucken. Wach auf!!“, schrie er ihn an, als Henry den letzten Schritt auf Mick zutat und seine Fänge nach ihm ausstreckte. Just in dem Moment riss es den blonden Mann von den Füßen. Abermals schloss Mick seine Augen, diesmal aber nur für den Bruchteil einer Sekunde. Als er wider aufsah erkannte er Josef, der Henry zu Boden gerungen hatte und ihn am erneuten Angriff auf Mick hinderte.

Eine schreckliche, beklemmende und lähmende Hilflosigkeit machte sich in ihm breit, als er mit den Rücken gegen eine Hausmauer stieß. Er zuckte zusammen. Gar nicht weit von ihm lag der Kopf der einen, blonden Vampirin. Vor blankem Entsetzen weiteten sich die Augen von Mick noch ein kleines Stückchen weiter und einmal mehr flehte er darum aufzuwachen!

Er schob sich an der Mauer entlang, versuchte den beiden ineinander verbissenen Vampiren keine Aufmerksamkeit zu schenken, zu groß war die Panik, die ihn befallen hatte. Dann sah er sie. Zara lag am Boden. Die dunkelhaarige Frau stand über sie gestützt. In ihrer Hand lag ein silbernes Schwer und so starrte sie auf Zara herab. Mick war unfähig sich zu bewegen. Die Lippen der beiden bewegten sich zwar, aber er konnte kein Wort hören.
 

„Los, Coraline. Bring es zu Ende. Du glaubst doch wohl nicht, dass das irgendwas an Micks Gefühlen verändern wird. Er hasst dich. Aus der tiefe seiner Seele.“, stieß Zara aus. „Du hast ihm so vieles im Leben angetan, wie könnte er dich Monster noch lieben.“

Coraline bleckte ihre Zähne und ließ die Waffenklinge über den Hals ihrer Kontrahentin gleiten. Dann stoppte sie jäh und ihr Blick wurde ungläubiger. Sie spitzte ihre Ohren und richtete ihren Blick auf den Bauch von Zara. „Sag bloß, Ludwig hatte Recht ... es ist möglich ... das wir Kinder in die Welt setzen.“ Die Faszination stand ihr klar und deutlich ins Gesicht geschrieben. So ließ sie ihre Schwerklinge langsam über Zaras Körper nach unten gleiten.

Diese schloss ihre Augen, als sie die Schwerklinge an ihrem Bauch fühlte. „Willst du wirklich sein Kind töten? Willst du ihm das auch noch antun, nachdem du ihm bereits so viel Leid zugefügt hast?“, fragte Zara und versuchte sich dabei nichts von ihrer unendlichen Angst um das Ungeborene anmerken zu lassen.

In dem Punkt war sie jedoch wie jede Mutter. Sie fürchtete um das kleine Wesen, das in ihr heranwuchs und schon jetzt geliebt wurde.

Für einen Moment war das Zögern in Coralines Handeln durchaus fühlbar. Sie haderte mit sich, doch dann trat der eiskalte Ausdruck zurück auf ihre steinernen Züge. Zara kniff die Augen zusammen, fühlte die Schwertklinge und dann auf einmal ... verschwand der Druck. Sie riss ihre Augen auf. Mick hatte sich auf Coraline gestürzt und von den Füßen gerissen. Er taumelte zurück und rappelte sich auf.

„Lauf weg, Zara!“, rief er ihr zu.

„Vergiss es! Du bist ein Mensch!“, fuhr sie ihn an und sprang auf ihre Füße, genauso wie Coraline.

Mick zitterte am ganzen Leib, als er in das Vampirgesicht seiner Ex-Frau blickte. Mit einem Mal kam die Erinnerung an sie zurück. Er wusste ganz genau, wer sie war und das ließ den Zorn in ihm aufsteigen! Josef sprang heran und stand jetzt an Micks anderer Seite. Coraline sah von einem zum anderen und leckte sich über ihre Lippen.

„Wir sehen uns bald wieder... nicht wahr Zara...“, knurrte Coraline, warf einen letzten Blick auf den Bauch ihrer Gegenspielerin und rannte los. Josef tat noch ein paar Schritte, bevor er stehen blieb. Es hatte keinen Sinn ihr hinterher zu jagen.

„Wir müssen ihn hier weg schaffen.“

„Und wo wollt ihr mich hinbringen?“, fragte er nach und sah sorgenvoll in die Gesichter der Beiden, die zwar auf der einen Seite so vertraut, auf der anderen aber so schrecklich fremd waren.

„Ich rede nicht von dir, ich rede von ihm.“

Er nickte in Richtung Mauer. Henry lag mit starren Augen auf dem Boden. In seiner Brust steckte ein Holzpfahl. „Henry!“, stieß Mick aus und rannte in die Richtung seines Freundes. „Was... was ist mit ihm?“

„Er ist ein Vampir ... etwas, das du auch sein solltest. Allerdings ist er ein Neugeborener und das ... erfordert ein bisschen Erziehung.“, murmelte Josef und sah sich um, bevor er sein Handy zückte.

„Hoffentlich stellt der Fahrer nicht allzu viele Fragen.“, murmelte er und rief bei einem Chauffeur an. In der Zwischenzeit alarmierte Zara die Cleaner von Brighton. Dabei ließ sie Mick keine Sekunde aus den Augen. Es war so unglaublich schön ihn wieder zu sehen. Allerdings konnte sie mit seiner Menschlichkeit und vor allem mit der Abscheu und der Angst in seinem Blick nicht umgehen.  Er war fremd und distanziert. Unruhig rieb er sich über den Arm und sah scheu von einem zum Anderen.

Eine Limousine parkte und sogleich packte Josef Henry, den er hinter sich her zerrte. Zara trat an Mick heran und legte ihre schmalen Finger auf seinen Unterarm.

„Komm mit ... wir bringen dich jetzt nach Hause und dann finden wir Antworten auf die Fragen, die jetzt gerade durch deinen Kopf spuken.“, flüsterte sie leise.

Mick richtete seinen Blick auf die wunderhübsche Latina, die so angenehm nach Kokos duftete. Ein warmer Schauer ging durch seinen Körper, während sie ihn so lieblich und verführerisch anlächelte. „Woher weißt du, welche Fragen mir durch den Kopf spuken?“, fragte er nach.

„Weil ich dich kenne und du kennst mich, besser als jedes andere Lebewesen auf dieser Welt. Komm mit mir Mick. Ich brauche dich...“,flehte sie ihn leise an und umfasste ganz sanft seine Finger. Immer noch schien sich Mick nicht sicher zu sein, aber er konnte sich diesen Augen nicht entziehen. Außerdem schlug sein Herz schneller, wenn sie ihn ansah und er fühlte sich wohl und sicher in ihrer Nähe.

„Komm schon, die Cleaner sind unterwegs. Sie dürfen uns hier nicht sehen...“, sagte sie nochmal und zog ihn auch ein Stück in Richtung Auto.

„Wer sind die Cleaner?“

„Das erklär ich dir alles, wenn wir hier weg sind....“, wisperte Zara ihn zu und genau in dem Moment ließ sie seine Hand los.

Mick blieb kurz irritiert stehen. Sie schwang sich in den Wagen. Die Tür stand noch immer offen, allerdings zögerte der Mensch ein paar Sekunden. Er sah sich um. Die Gasse von Brighton war leer und wirkte so kalt auf ihn. Er hob seine Schultern. „Vielleicht bin ich ja doch ein Vampir...“, nuschelte er. „... definitiv hör ich auf mit dem Whiskey trinken, wobei ich mir nicht sicher bin, ob Blut so eine gute Alternative ist.“

Ihm fröstelte, als er an den Mord zurück dachte, der vor wenigen Stunden vor seiner Haustür geschehen war. Vielleicht gab es ja doch für alles eine logische Erklärung.

Er gab sich einen letzten Ruck und schon saß er in dem Auto, das gleich darauf in die Dunkelheit der Nacht brauste.

Ade Brighton.

Auf Widersehen Heimat??

II. Mick St. John - Neugeboren

»„Jeder ist der Architekt seines Schicksals, und lebt in den Mauern seiner Zeit.

Jeder ist der Architekt seines Schicksals, deshalb schaue nicht traurig auf die Vergangenheit, denn sie kommt nicht wieder.“«

(Henry Wadsworth Longfellow)
 

~*~
 

„Wir sollten nicht allzu viel Zeit mit diesem Würmchen von Vampir verschwenden.“, seufzte Josef und schloss die Tür hinter sich.

Sie befanden sich mitten in einem kleinen Hotel der Mittelklasse – um es in Josef‘ Worte zu fassen: Einer billigen Absteige, bei der er sich sicher noch einen Tripper einfangen würde.

Zara hockte auf dem Bett und betrachtete Josef kritisch. „Dir ist schon klar, dass ich das Bad irgendwann mal wieder benutzen möchte. Wenn du ihn weiterhin Blut an die Wand sprühen lässt, müssen wir uns eine sehr gute Ausrede für die Putzfrau einfallen lassen.“

Josef rollte theatralisch mit seinen Augen. „Was sollen wir bitte sonst mit ihm machen. Mick hat darauf bestanden, dass wir ihn mitnehmen.“, seufzte Josef und lehnte sich gegen die massive Holztür. Der Vampir auf der anderen Seite donnerte mit voller Wucht dagegen, worüber Josef nur einmal seufzte.

„… Mick.“, seufzte Zara auf und sah hinter sich. Sie hockte noch immer am Bettrand des Mannes, der absolut überfordert mit allem eingeschlafen war.

„Wie kann das sein, dass er ein Mensch ist und nichts mehr von sich weiß?“, stellte Zara eine klare Frage und streichelte dem Mann einmal durch die zerzausten, dunkelbraunen Haare, die sich wild um ihre Finger kringelten. Zaghaft strichen ihre Finger über seine stachlige Wange und schließlich noch über die ausgetrockneten Lippen. Er war ein Schatten seiner Selbst und doch konnte sie deutlich den alten Mick in ihm erkennen. Immer dann wenn seine strahlend blauen Augen den ihren begegneten.

„Vermutlich hat der König ihm irgendwelcher Tests unterzogen und bei dem Feuer wird er sich irgendwo den Kopf gestoßen haben. Zumindest ist das die einzig logische Erklärung die ich finden kann.“, zuckte Josef mit seinen Schultern.

„Sollten wir ihn nicht verwandeln…?“, fragte Zara nach und hob ihren Blick.

„Nein. Er hasst sein Vampirdasein und wenn nur der Deut einer Chance besteht, dass er ein Mensch bleiben kann, dann werde ich ihm diese nicht verwehren und du solltest es auch nicht machen.“, erklärte Josef ihr ruhig und klopfte kurz gegen das Holz. Sofort ertönte ein lautes Knurren. Henry war noch putzmunter und dachte gar nicht daran in dem Raum zu bleiben. Wie gut, das Josef alles zu vor gut verriegelt hatte.

„Jetzt guck mich nicht so traurig an, Zara. Es wird sich schon alles irgendwie fügen. Ich hab zwar noch keine Ahnung wie, aber ein bisschen mehr Zuversicht wäre wünschenswert. Versuch nicht weiter vor Sorge zu zerfließen, denn Mick wird dich in nächster Zeit brauchen. Er muss sich selber wieder finden und das dürfte äußerst schwer werden.“, raunte Josef und stieß sich lässig vom Holz ab. „Ich ruf Logan an. Wir brauchen einen Privatjet, ansonsten werden wir den Neugeborenen nicht so einfach nach Amerika transportieren können.“

„Du willst ihn wirklich mit nehmen?“, fragte Zara nach. „Ich dachte er ist nur ein Würmchen, der unsere Zeit stielt.“ Sie grinste erheitert auf, woraufhin Josef seine Schultern hob.

„Und du, meine Teure, hast so treffend bemerkt, dass er Mick am Herzen liegt und sollte er sich jemals wieder daran erinnern können, wer er wirklich ist, wird er keine Chance ungenutzt lassen, um mir einen Vorwurf zu machen, wenn ich den Kleinen nicht mitnehme.“, sprach Josef ruhig und trat zur Ausgangstür.

Zara blieb schweigend zurück. Sie lauschte in die Stille. Hörte dem Herzschlag ihres Kindes zu und dem Atmen von Mick. Henry wütete im Badezimmer, bevor er sich auf dem Badeteppich zusammenrollte und noch eine der zahlreichen Blutkonserven leerte. Die Latina sah ruhig auf den schlafenden Mick hinab. Er roch anders. Ein Gemisch aus Whiskey , Blut und einem schwer zuzuordnen Duft – war es Moschus? – stieg ihr in die Nase. Sein Herzschlag übertönte den von dem Säugling, der in Zara heranwuchs. Es war sehr eigenartig ihn als Mensch zu beobachten. Er schlief in einem Bett und wirkte so ruhig und friedlich. Nicht so verbissen wie sonst. Zara neigte ihren Kopf zur Seite und ließ ihre Fingerspitzen über seinen Arm gleiten. Unter seinem kurzen Ärmel hatte sie etwas Verdächtiges hervor blitzen sehen.

„Sag bloß, Mr. St. John hat sich ein Tattoo angelacht…“, raunte sie leise und schob seinen Ärmel etwas nach oben. Tatsächlich. Auf seinem Oberarm prangte ein großes Tattoo. Was genau es darstellen sollte, konnte die Vampirin nicht genau sagen, aber es sah überaus mystisch aus. Lächelnd wanderten ihre Finger über die Konturen der Zeichnung, ehe ihr ein leises Seufzen entwich.

„Ich wünschte nur, du wüsstest, wer ich bin… du bist mir so gefehlt, Love…“, sprach sie leise und neigte sich zu ihm hinab. Nur flüchtig strichen ihre Lippen über seine Stirn. Im nächsten Moment drehte er sich zur Seite und wandte ihr den Rücken zu. Zara lächelte bitter und erhob sich.

Ihre Schritte führten sie durch das kleine Zimmer und ihr Blick wurde eine Prise nachdenklicher. Dass sie sich um Mick sorgte, stand außer Frage. Mit einem leisen Seufzen wanderte sie durch das Zimmer und blieb mit einem nachdenklichen Blick am Fenster stehen. Sie konnte den doch recht sauberen Pool von hier aus betrachten und auch einen guten Blick auf die überaus gigantische Hotelanlage erhaschen. Unbewusst wanderten ihre Finger über ihren Bauch, als sie plötzlich mitten in der Bewegung stoppte.

Es war still im Zimmer.

ZU still.

Nur der leise Herzschlag ihres Säuglings war ganz schwach zu hören. Zara runzelte die Stirn und sah zu Mick hinüber. Er saß aufrecht im Bett und starrte sie Lüsternd an. Sie kannte diesen Blick. Es war keine pure Leidenschaft, die mit einem Mal in ihm entfacht war, sondern grenzenloser Hunger!! Seine weißen Fangzähne schimmerten im Mondlicht, dass das Zimmer durchflutete geradezu.

„Was zum....?“, fragte Zara entsetzt.

Ihr klappte der Mund auf, als Mick sich auf das einzig menschliche Wesen in seiner Umgebung stürzte, dass er in seinem Vampirwahn hören konnte... den ungeborenen Säugling!

Zara sprang zurück und hob schützend ihre Hände, als Mick auf sie traf. Er riss sie zu Boden mit so einer unglaublichen Wucht, die Zara im ersten Moment irritierte. Das war nicht der Mick den sie kannte. Der Hunger hatte von ihm Besitz ergriffen, fast so, als sei er ein Neugeborener und das war es, was ihm gerade eine so unendliche Kraft verlieh, dass die junge Frau nicht anders konnte, als einmal laut unter Schmerzen aufzustöhnen. Sie fühlte den Biss in ihrem Hals, spürte wie das Blut ihren Körper verließ.

„Mick! Ich bin es... was machst du?!“, rief sie und die Verzweiflung drang dabei mit über ihre Lippen. Die absolute Panik herrschte und sie versuchte sich aus dem Griff von Mick zu entwinden, aber es war kaum möglich sich überhaupt irgendwie zu bewegen. Mick riss seinen Kopf nach oben. Das Blut tropfte aus seinem Mundwinkel. Er lauschte und schien den Herzschlag nicht ganz zuordnen zu können. Das sie es nicht wahr, hatte er jetzt am Geschmack ihres Blutes erkannt. Er knurrte und sah sich um. Seine Augen waren Blutrot vor Hunger und jetzt starrte er auf ihren Bauch.

„Vergiss es!!“, stieß Zara aus. Woher sie gerade diese Kräfte nahm konnte sie nicht sagen, aber sie stieß Mick mit voller Wucht von sich. Er taumelte nach hinten, stürzte über das Bett, rappelte sich aber im selben Moment auf um erneut auf sie zuzuspringen.

„Mick!!“, schrie sie ihn an und versuchte sich irgendwie gegen den übermächtigen Vampir zu verteidigen... Vergebens!

Die Beiden stießen gegen ein Regal, das unter dem Gewicht der beiden Vampire zu Bruch ging. Wie von Sinnen drückte Mick die verzweifelt schreiende Frau nieder. Sie wand sich verzweifelt unter ihm, doch Micks Kraft überstieg ihre bei weitem. Seine Hände ruhten kurz auf ihrem Bauch, als sich seine Fingernägel bereits in das Fleisch der jungen Frau bohrten. „Töte nicht dein eigenes Kind!“, schrie sie flehend und leidend auf...

II. Mick St. John - Verloren

Ein dumpfer und drückender Schmerz machte sich in Zara breit und langsam starb ihr Widerstand! Mick dominierte in Kraft und ließ sie das jetzt auch deutlicher spüren! Noch immer schrie, flehte und bettelte sie um das Leben ihres ungeborenen Kindes, das er im Begriff war zu töten, nur um seinen animalischen Blutdurst zu stillen. Was war es nur, das Mick zu dem machte, der er im Moment war? Halb Vampir und halb Mensch? Niemals zuvor war Zara so was begegnet und es machte ihr gelinde gesagt eine verdammte Angst! Sie kniff die Augen zusammen, hielt die Luft an und ...

... mit einem Mal verschwand der Schmerz. Zara wagte es kaum ihre Augen zu öffnen. In ihren Ohren rauschte es und sie kauerte sich zusammen als der Druck von ihrem Körper verschwand. Etwas berührte ihre Wangen und sofort rutschte sie zurück.

“Ich bins!“, stieß Josef auf, als er in die tränenverschleierten Augen von Zara sah. Sie hockte in der Ecke des Zimmers und starrte zu ihm hinüber. Mick rappelte sich wieder auf, sah von Josef wieder hinüber zu Zara und knurrte.

„Zara verschwinde! Los verschwinde!“, zischte der Vampir und bäumte sich vor ihr auf. Das ließ sich die vampirica nicht zweimal sagen. Mühsam rappelte sie sich auf und lief einfach los. Mick versuchte ihr zu folgen, doch Josef schnitt ihm gekonnt den Weg ab. „Vergiss das ganz schnell!“, stieß er aus und betrachtete seinen besten Freund, der sich gerade mitten im Blutrausch befand. Der Hunger dominierte sein Handeln. Oh Josef erinnerte sich noch zu gut an die Zeit, als er sich in diesem Wahn befunden hatte. Es war eine schreckliche Zeit. Jedoch drängte sich ihm unweigerlich die Frage auf, was das überhaupt war. Mick hatte gerade noch wie ein Mensch gerochen und jetzt brach das vampirische Ich wieder durch? Josef hörte den neugeborenen Vampir im Badezimmer wüten und kam nicht umhin einmal zu seufzen. Mick sprang auf ihn zu, kippte zur Seite und blieb regungslos liegen.

Josef lupfte eine Augenbraue in die Höhe und sah auf den schlafenden Mann herab. „Was zum Geier war das??“, fragte er nach und ging neben ihm in die Hocke. Augenblicklich setzte der Herzschlag von Mick ein und er begann tief zu atmen. Ohne mit der Wimper zu zucken rüttelte Josef ihn wach.

„Was ... was ist??“, fragte Mick und setzte sich mit einem irritierten blinzeln auf.

„Was los ist? Das frage ich dich!“, fuhr Josef ihn entsetzt an.

Von einer auf die andere Sekunde war es fast so, als habe Mick keinerlei Erinnerung mehr daran, was sich gerade noch abgespielt hatte. Ihm begegnete ein höchst verwirrter Blick aus einem paar blauer Augen.

„Was?“, fragte Mick erneut, als sich ein eigenartiger Geschmack in seinem Mund breit machte. Sogleich hob er die Hand und strich sich über die Mundwinkel und das Kinn. Blut klebte daran und natürlich wirkte er jetzt vollkommen entsetzt. „Was...?“, nuschelte er nochmal leise und warf einen bittenden, fast schon flehenden Blick zu Josef nach oben.

„Du hast versucht Zara umzubringen...“, stellte Josef nüchtern fest. „Ich weiß nicht was das für ein Blutrausch war, aber du bist nicht nur ein Mensch, Mick.“

„Zara?“, wisperte er leise und sah sich um. Von ihr fehlte jegliche Spur.

„Sie läuft weg. Vor dir!“

Der Mann auf dem Boden zog die Augenbrauen zusammen und rappelte sich mühsam auf. Alles fühlte sich an wie ein großes Nebelloch und noch immer brannte der Hunger in seinem Bauch. „Wieso...?“

„Wieso? Hast du mir nicht zugehört? Du hast versucht sie umzubringen!!“, keifte Josef genervt.

„Sie ist ein Vampir. Genau genommen ist sie schon tot...“, murmelte Mick und rappelte sich mühsam auf.

Sein Blick glitt umher. „Sie schon, aber euer ungeborenes Kind nicht.“

Mick wirbelte augenblicklich herum und starrte Josef an. „Wa?!“, platzte es aus ihm heraus. Mit einem schnellen Schritt war er bei dem Vampir, packte ihn am Kragen und musste ernstlich an sich halten um ihn nicht zu rütteln. „Sie ist schwanger?? Von mir?“

Mick war außer sich und schon prasselten sie auf ihn ein. Dutzende, nein, tausende Emotionen und Gedanken. Josef stieß ihn unsanft nach hinten, sodass er auf das Bett stürzte. „Ich versteh das alles nicht...“, stieß Mick jammernd aus und strich sich über das Gesicht. „Ich kann mich nicht mehr erinnern. An gar nichts mehr. Weder an sie, noch mein altes Leben, wenn es das überhaupt war...“, raunte er auf und spürte eine brennende Flüssigkeit in seinen Augen. Tränen bildeten sich den Weg über seine Schläfe zur Seite. Er lag rittlings auf dem Bett und starrte an die Decke.

„Du wusstest wie sie heißt und auch meinen Namen kanntest du. Also ist nicht alles in dir verschüttet. Es wird sich schon ein Weg finden, deine Erinnerungen zurück zu bringen.“, seufzte Josef auf.

Mick machte so einen zutiefst verlorenen Eindruck und es tat ihm selber in der Seele weh ihn so zu sehen. „Ich kann dir nur eines im Moment mit Gewissheit sagen: Du bist ein Mensch, aber auch ein Vampir und wenn ich raten müsste, dann würde ich doch glatt behaupten, dass dir das Serum gespritzt wurde, dass dich zurück zu einem Menschen gemacht hat.“

“Serum?“, horchte Mick auf.

„Ja. Es hat allerdings nur eine begrenzte Wirksamkeitsdauer. Also befindest du dich gerade auf den Weg um dich zurück zu verwandeln und deshalb bricht zeitweise das vampirische Ich durch.“, zuckte Josef mit seinen Schultern.

Mick atmete tief durch. „Ich sollte Zara suchen.“

“Oh nein, dass machst DU garantiert nicht! Immerhin hast du versucht sie um die Ecke zu bringen. Du bleibst schön hier, bis ich weiß, was mit dir los ist...“, sagte er und warf einen besorgten Blick zur Tür. Hoffentlich kam Zara eine Weile ohne in klar.

„Du solltest schlafen.“, murmelte Josef noch. Mick hatte sich aufgesetzt und sah ebenso besorgt zu Josef.

„Ist das dein ernst? Sie ist ... sie ist doch... schwanger und ... meine Frau?“ Seine Worte klangen mehr wie eine Frage.

„Freundin. Verheiratet warst du mit ihr nicht und jetzt schlaf endlich. Wir haben bald einen langen Flug vor uns und bis dahin muss ich mir überlegen in welche Kiste ich dich stecken werde, damit ihr nichts passiert...“, raunte er noch und wedelte einmal mit seiner Hand. So kehrte er Mick den Rücken zu und wanderte nachdenklich durch das Zimmer.

Das ganze Leben erinnerte an einen Drahtseilakt und langsam wusste er nicht mehr ein noch aus.

II. Mick St. John - Fremde

Mick konnte nicht schlafen. Andauernd sah er nur so viele Bilder vor seinem inneren Auge und so wälzte er sich von seiner Seite auf die andere. Josef seufzte genervt. „Kannst du vielleicht mal still liegen? Ich versuche hier nachzudenken!“, raunte der ältere Vampir genervt. Im Badezimmer erwachte Henry wieder zum Leben, polterte gegen die Tür und schrie laut vor sich hin. Natürlich entlockte das Josef ein weiteres Seufzen. Schon jetzt war er froh, wenn er endlich wieder in seiner Villa war und dort ein bisschen Abstand zu den Beiden hatte.

„Ich kann nicht... ich mache mir Sorgen und Vorwürfe und Gedanken. Ich will wissen wer ich bin, doch ich komme zu keiner Lösung.“, erklärte Mick und stemmte seine Unterarme ins Bett. So hob er seinen Oberkörper ein bisschen an und ließ seinen Blick schweifen.

„Erzähl mir wer ich bin!“, bat er dann innständig und zupfte an seinem Oberteil herum, das inzwischen klatsch nass an seinem Körper klebte. Immer wieder litt er unter einem massiven Schweißausbruch. Sein Körper schien mit einem Infekt zu kämpfen. Vielleicht brütete er lediglich eine Erkältung aus.

„Ich kann dir nicht erzählen wer du bist.“

„Wieso?“, fragte Mick nach.

“Weil du immer dein Leben vergessen und als Mensch glücklich werden wolltest. Hätte ich gewusst, dass du dich an nichts mehr erinnern kannst, hätte ich gar nicht erst nach dir gesucht.“, knurrte Josef und trat auf das Fenster zu. Er schob den Vorhang zur Seite und sah auf den Hof des Hotels herab. Von Zara fehlte nach wie vor jede Spur und auch auf ihrem Handy war sie nicht erreichbar. Langsam machte sich Josef ernstliche Sorgen um sie. Wäre der Zustand von Mick nicht so labil würde er sie sofort suchen.

„Aber du hast mich gefunden und ich will wissen wer ich bin, wer Zara ist und wer du bist ... ich will einfach nur mein Leben zurück, anstatt diese unglaubliche Leere in meinem Inneren zu haben.“, flehte Mick und schwang seine Beine aus dem Bett. Viel zu schnell stand er auf den Füßen und das dankte ihm sein Kopf, indem ihm furchtbar schwindlig wurde. Mick taumelte nach hinten und landete wieder rittlings auf dem Bett. „Autsch.“, murmelte er nach und fühlte wieder das brennende Verlangen in sich aufsteigen. Den Hunger nach Blut. Josef drehte sich zu ihm um und beobachtete die Veränderung auf Micks ausgemergelten Gesicht.

„Hmm, langsam glaube ich, dass das Präparat seine Wirkung verliert.“, mutmaßte er leise.

„Was für ein Präparat?“, fragte Mick und massierte sich seine Nasenwurzel.

„Unwichtig.“

„Jetzt spann mich nicht auf die Folter... Josef.“, raunte er und hockte sich im Schneidersitz auf sein Bett. Nachdenklich zog er seine Augenbrauen zusammen und versuchte das Hungergefühl tief in sich zu vergraben.

„Mick.“

“Josef... wer ist Beth?“, fragte er mit einem Mal nach.

Scharf zog Josef die Luft zwischen seinen Zähnen ein. Auch nach all den Monaten hatte er Beth noch nicht überwunden. Egal ob er alles vergessen hatte, sie drängte sich wieder von seinem Unterbewusstsein nach oben. Ein wenig hartnäckig wie eine Zecke.

„Du hast sie Jahrzehnte lang beschützt. Sie starb vor fast einem Jahr.“, brachte Josef es sehr knapp aber durchaus treffend auf den Punkt.

„Sie war ein Schützling?“, fragte Mick nach und schloss seine Augen.

Wieder tauchten so viele Bilder auf. Eine wunderhübsche Blondhaarige Frau, die ihn mit ihren großen, blauen Augen fast schon durchdringend anblickte und dessen Nähe er brauchte. Da war mehr, doch scheinbar wollte Josef ihm es nicht sagen. Viele kleine Falten bildeten sich auf seinem ganzen Gesicht, als er eine kleine Grimasse schnitt.

„Dann rede halt nicht mit mir darüber! Ich will doch nur wissen wer ich bin... wer ist Mick St. John? Wer? Josef??!“, schrie er los. Ein unglaublicher Schub an Aggression und unglaublicher Wut führte dazu, dass er auf seine Füße sprang und sicher auf diesen stehen blieb. Mick und Josef funkelten sich sekundenlang an.

„Wer du bist, wirst du letzenendlich selbst bestimmen. Im Moment bist du erbärmlich ...“, zuckte Josef dann auch schon mit den Schultern und sah bereits wieder nach draußen. Mit einem Mal verfinsterte sich der Blick des älteren Vampirs gehörig. Düster starrte er nach draußen. Die Nacht neigte sich zwar dem Ende zu, das hinderte den Vampir nicht daran die Badezimmertür verfrüht aufzureißen.

„Na komm schon mit!“, fuhr er den neugeborenen Vampir an. Er hatte das Badezimmer in Schutt und Asche gelegt, die Teppiche zerrissen und überall seine Blutbeutel zerfetzt. Es sah aus als ob sich ein Tier in seiner Beute gesuhlt hätte.

„Wohin gehen wir?“, schaltete sich Mick ein.

“Weg von hier. Wir werden beobachtet und wir müssen Zara finden, bevor ihr was geschieht.“

Josef präsentierte seine perfekten, weißen Fangzähne und beobachtete Henry, der sich brav wie ein Hund neben ihm her drückte.

„Von wem beobachtet?“, fragte Mick nach und augenblicklich machte sich ein mulmiges Gefühl in ihm breit.

„Ich glaube, das will ich nicht wissen.... zumindest nicht im Moment.“, raunte Josef.

Irgendwas stimmte hier nicht. Absolut nicht. Blieb nur zu hoffen, dass es Zara gut ging und sie nicht bereits gefunden worden war.
 

Die Latina rannte, rannte und rannte. Ohne zurück zu schauen, getrieben von der Furcht und der Angst. Erst nach einer ganzen Weile wurden ihre Schritte langsamer. Sie lehnte sich an eine Hausmauer und atmete noch einmal tief durch. „Warum tust du mir das nur an, Mick?“, fragte sie leise nach und zitterte ein bisschen. Traurig glitt ihr Blick gen Himmel. Die Sonne bahnte sich ihren Weg nach oben und die ersten, orangenen Sonnenstrahlen erklommen den dunklen Himmel.

„Alles okay?“, drang eine melodische, weibliche Stimme an Zara’s Ohren.

Sie holte tief Luft und schon stieg ihr der wohl bekannte Duft einer Vampirin in die Nase. Ihre Muskeln spannten sich an und augenblicklich fuhr sie herum. Ihr Blick traf auf den eines jungen Mannes. Wobei jung bei dem Geruch relativ war. Je älter ein Vampir wurde, desto prägnanter und aufdringlicher wurde der Fäulnis Geruch. Sie hob ihre Hände um zu signalisieren, dass von ihr keine Gefahr aus ging.

Zara wich nichts desto trotz etwas zurück. Ein strahlendes paar blauer Augen sah ihr entgegen und mit einem Mal roch sie eine weitere Gestalt. Zara sah über ihren Rücken. Ein dunkelhaariger Mann versperrte ihr den Weg durch die Gasse.

„Wer seit ihr?“, stieß Zara auf und sah von einem zum anderen.

Eine dritte Gestalt geriet in ihr Blickfeld und langsam wurde ihr richtig mulmig zu Mute. Die Angst stieg in der Latina auf und sie versuchte das Zittern zu unterdrücken.

„Wir tun dir nichts.“, antwortete Gestalt Nummer Drei. Eine weitere Frau, oder noch viel eher ein Kind. Ihrem Aussehen zu folge war sie zirka 20 Jahre.

Wieder sah Zara zu dem Mann in der Gasse. Von ihm ging eine unheimliche Ausstrahlung aus. Seine stechend, hellblauen Augen lasteten auf Zaras ... Bauch. Augenblicklich schlug Zara ihre Hände darauf und entblößte ihre Fangzähne. „Verschwindet!“, knurrte die Spanierin.

„Ich denke nicht.“, antwortete die erste Vampirin. „Wir wollen dir wirklich nichts böses. Aber die, die dich verfolgen sehr wohl... du weißt wer das Vampirkind will, nicht wahr?“ Die Frau strich sich durch ihre langen blonden Haare. Das Mädchen trat nervös von einem Fuß auf den anderen.

„Leute, wir haben es eilig!“, stieß sie aus.

„Ja, ich weiß.“, antwortete die Blonde.

„Warum?“, fragte Zara.

„Lance.“

Der Name jagte Zara einen Schauer über den Rücken und sogleich taumelte sie noch einen Schritt mehr zurück. „Ich ... ich kann ... Mick nicht hier zurücklassen.“, nuschelte die Vampirica. „... bitte... wenn ihr mir helfen wollt, dann ...“

„Was dann?“, durchschnitt eine kühle Stimme die Dunkelheit. Schritte hallten in der Gasse wieder und eine Silhouette erschien in der Finsternis.  

II. Mick St. John - Clan

Zara wirbelte herum und für einen Moment spannte sich ihr kompletter Körper an. Doch anstatt wie erwartet Lance in der Dunkelheit auftauchen zu sehen, trat ein anderer Mann aus dem Schatten der Gasse. Seine schwarzen verwuschelten Haare standen in mehrere Richtungen ab. Sein Bart weckte den Eindruck eines Landstreichers, der von seinem langen, kaputten Mantel und seinen altertümlichen Kleidungsstücken noch weiter bestätigt wurde. Ein paar dunkles Augen funkelte Zara entgegen. Sie war in der Falle!

„Du hast meine Frage nicht beantwortet.“, fuhr er sie barsch an und ließ seinen Blick über ihren Bauch gleiten. Sogleich zog er eine Augenbraue in die Höhe. Die Geschichten um einen schwangeren Vampir waren also wahr und der dunkelhaarige Mann konnte seine Faszination nicht leugnen.

Es war die blonde Frau die mit einem Mal seufzte und mit ihren Augen rollte. „Damien benimm dich!“, fuhr sie ihn an, woraufhin der Vampir zwar die Lippen schürzte, aber es nicht wagte ihr zu widersprechen.

Zara sah wieder zu der Vampirin mit den freundlichen, blauen Augen. „Alles ist gut, Liebes. Wir wollen dir nichts antun.“

Ein paar Sekunden brauchte Zara um zu begreifen, was sich hier abspielte, doch als der Groschen fiel, schlich sich die Erkenntnis auf ihre Züge. „Ihr seit ein Vampirclan ... und du bist ... die Anführerin?“, fragte Zara nach.

„So ist es. Lass dich also von Damien und André-Marek nicht einschüchtern. Sie wollen nur den Clan beschützen.“, lächelte die Frau betörend. Zuerst deutete sie in die Richtung des Mannes, der so verwahrlost aussah und im Anschluss zu jenem Mann mit den hellblauen Augen. Ersterer war Damien und der andere wohl André-Marek.

„Das hier ist unsere kleine Zoe“, wurde das scheue und nervöse Mädchen vorgestellt, das sicher noch nicht lange ein Vampir war. „Und ich bin ...“

„Nayla.“, schallte eine Stimme zu ihnen hinüber.

Damiens Gesichtsausdruck hatte sich verhärtet, als er und André-Marek die drei Gestalten in der Gasse erspäht hatten.

Die Blonde lächelte. „Josef.“, kam sanft über ihre Lippen, als sie sich langsam umdrehte.  

Eine deutliche Spannung machte sich unter den Vampiren – und dem halben Mensch – breit. Mick sah verwirrt von einem zum Anderen und fühlte einen leichten Stich im Herzen, als Zara zurückwich und sich lieber hinter einem Fremden verbarg, anstatt zu ihm zu kommen. Die beiden Männer des Clans hatten Henry mit ihren Blicken fixiert und das Küken – Zoe – trat wieder unruhig von einem Fuß auf den anderen. Josef und die Frau die wohl auf den Namen Nayla hörte, sahen einander eine lange Zeit schweigend und starr an. Keiner der hier Anwesenden wagte es auch nur ein Wort zu formulieren um diese eigenartige Kälte zu durchbrechen. Josef setzte sich in Bewegung und ebenso Nayla. Augenblicklich fletschten André-Marek und Damien ihre Zähne. Henry tat es ihnen gleich, obwohl er keine Ahnung hatte was diese Geste zu bedeuten hatte. Zara wich etwas zurück und machte sich bereits auf das Schlimmste gefasst Die aggressive Spannung lag greifbar in der Luft. Nayla und Josef hatten einander fixiert und betrachteten sich noch immer ausgiebig. Mick sah verzweifelt umher. Nach wie vor herrschte in seinen Gedanken die pure Leere.

Die Sonne warf ihre Strahlen auf die kleine Stadt und tauchte langsam alles in ein warmes Licht. Für einen Vampir war es ein unangenehmes Kribbeln, gefolgt von leicht brennenden Schmerzen. Dennoch zog sich keiner von den Vampiren zurück. Jeder war bereit sich zu verteidigen und der fremde Clan würde wenn nötig bis zum letzten kämpfen. Josef und Nayla blieben voreinander stehen. Seine hellbraunen Augen sahen in ihre strahlend blauen Augen, die ihn immer wieder an den Himmel bei strahlenden Sonnenschein erinnerten.

„Josef!“, stieß Zara aus und Zoe rief nach Nayla.

Doch diese beiden alten Vampire reagierten nicht, starrten einander nur an und schürten die Unruhe in der Gruppe. Mit einem Mal beugte sich Josef herüber, Damien und André-Marek sprangen bereits in die Richtung, bremsten aber abrupt ab, als ebenso Nayla ihre Arme um den Vampir legte.

„Es ist lange her....“, seufzte Nayla und drückte den Vampir an sich heran, der sie fest in seinen Armen hielt.

Die Vampire sahen einander verwirrt an. Die Fangzähne und die typischen Vampiraugen verschwanden. Zoe hob ihre Augenbrauen und warf einen fragenden Blick zu Zara, die lediglich mit ihren Schultern zuckte.

Nichts und niemanden schienen Nayla und Josef um sich herum wahr zu nehmen. Stattdessen hielten sie sich im Arm und genossen diese Nähe, die ihnen seit so vielen Jahren verwehrt geblieben war.

Mick tat einen Schritt in die Richtung, während Henry in die Luft schnupperte. Der Geruch von Mick ließ ihn grinsen und sich Lippen lecken. Der Blutdurst war noch immer vorhanden. Nayla löste sich nach einer kleinen Ewigkeit von Josef und ließ ihren Blick über die Gruppe gleiten.

„Wir sind hier um zu helfen, Josef.“, sagte sie und strich ihm sanft über die Wange. „Ich weiß nicht genau wieso, aber der Mensch und auch ... dein Clanmitglied werden gesucht.“

Sie sah zuerst zu Mick und dann zu Zara. Josef seufzte und nickte sehr langsam. „Weißt du einen sicheren Ort? Es wird noch ein paar Stunden dauern, bevor unser Flugzeug aus LA hier ist.“

Nayla nickte. „Kommt ... Damien, André-Marek, seit doch so gut und nehmt unseren Neugeborenen mit euch.“, lächelte sie sanft in die Runde. Augenblicklich sprangen die angesprochenen Vampire voran. Henry unternahm noch einen letzten Fluchtversuch, doch vergebens. Schon hatten die beiden Vampire ihn zwischen sich genommen und zogen ihn mit.

„Lasst uns gehen.“, sprach Nayla und setzte sich in Bewegung.

Mick blieb stock steif stehen, als die anderen erste Anstalten machten der blonden Frau zu folgen. Zara blickte zu Josef und er sah zu ihr. „Woher kennst du sie?“, fragte die Latina leise nach.

Ein unglaublich sanftes, liebevolles Lächeln umspielte die Lippen von Josef. Er sah zu Zara und hob seine Schultern, ehe er Nayla folgte und Mick nicht weiter beachtete. Zara verstand und lächelte ebenso. „Sie ist deine Schöpferin, nicht wahr?“, rief sie Josef nach.

Er blieb stehen, nickte leicht und schritt weiter. Die Latina atmete tief durch. Bislang hatte sie nie viele Fragen gestellt, aber jetzt da sie sah, wie sich Josef seiner Macherin gegenüber benahm, kamen ihr viele Fragen in den Sinn. Weshalb war er nicht bei ihr, wenn ein offensichtliches Band der Liebe sie auch noch nach vierhundert Jahren Vampir Dasein miteinander verband.

„Zara ...“, rief Mick.

Die Latina horchte auf und blickte zu ihm hinüber. Nur sekundenlang, bevor sie sich umdrehte und den anderen Vampiren folgte. Mick stand alleine auf der kleinen Kreuzung zwischen den verwinkelten Gassen. Die Schritte der Vampire verhallten und doch fühlte er sich nicht dazu in der Lage ihnen zu folgen. Er sah hinauf in den Himmel, blinzelte in das helle Sonnenlicht und holte tief Luft. Die kühle Morgenluft durchströmte seine Lungen. Sein Magen knurrte.

„Kommst du?“, fragte eine helle Stimme.

Die kleine, leicht nervöse Vampirin stand in der Gasse und sah fragend zu Mick. „Ich weiß es nicht.“, antwortete er ehrlich.

„Wieso nicht?“

„Weil ich mir nicht sicher bin, wohin ich gehöre.“, antwortete er bitter und schluckte einmal schwer.

„Und du glaubst, dass du es heraus findest, wenn du hier stehen bleibst?“, fragte Zoe nach und grinste dabei breit.

Mick zog seine Augenbrauen zusammen. „... ich....“, setzte er an.

„Es bleibt deine Entscheidung, ob du den Dingen eine Chance geben willst, oder ob du dich wie ein verschrecktes Tier zurückziehen willst.“, fügte Zoe ihren Worten hinzu.

Er nickte leicht, sah noch einmal in die Sonne, bevor er Zoe in die kühle Dunkelheit der Seitenstraße folgte.

II. Mick St. John - Die Anderen

Zara würdigte Mick keines Blickes, als er das Haus des Vampirclans betrat. Josef und Nayla saßen am Esstisch und redeten in einer merkwürdigen, fremdländlichen Sprache miteinander. Damien und André-Marek begnügten sich damit Zara etwas zu beobachten und die kleine Zoe hatte sich zurückgezogen. Henry war im Keller. Vor der Tür lehnten die beiden Männer und schienen ihn zu bewachen. Ganz langsam nur ging Mick an Zara vorbei und warf ihr einen kleinen fragenden und zu gleich reumütigen Blick zu. „Es tut mir Leid, Zara... ich wollte dir nicht weh tun...“, murmelte er.

Die Latina wandte sich ohne einen Ton ab und sogleich hatte Mick das eigenartige Gefühl als bräche sein Herz in tausende Stücke. Vor seinem inneren Auge tauchte viele Bilder auf. Bilder von ihm und Zara. Bilder, die ihm die Tränen in die Augen trieben.

„Hör zu, ich habe keine Ahnung was ich bin und was in mich gefahren ist, aber ... ich würde doch dir und dem ungeborenen Kind niemals Leid zufügen...“, versuchte Mick sie hastig zu bekehren, doch Zara hob abwehrend ihre Hand.

„Es ist mir egal Mick! Schon klar, du kannst nichts für deinen Zustand, doch das ändert nichts daran, dass ich das Kind in mir schützen werde und im Moment bist du eine Bedrohung und somit kommst du nicht mehr in meine Nähe. Was auch immer die Vampirschwangerschaft zu bedeuten hat, sie wird sehr viele Feinde und Sammler mit sich bringen. Ich kann nicht auch noch den Vater des Kindes gebrauchen, der es jederzeit einfach zerfleischen könnte!“, fuhr sie ihn an, wodurch Mick zusammenzuckte.

„Ich bin keine Bestie...“, versuchte er sich zu verteidigen.

„Im Moment bist du das.“

Es war ein Schlag ins Gesicht und sogleich ließ Mick geknickt seine Schultern hängen. Die kühle in ihrem Blick gab ihm das übrige. So drehte er sich um und schritt langsam wie ein geprügelter Hund die Treppen nach oben.

„Ich weiß zwar nicht, wer ich bin, aber ich weiß, dass ich dich liebe...“, murmelte er leise.

Zara sah ihm noch mit einem kleinen Seufzen nach und zog sich dann in die andere Richtung zurück.
 

Den ganzen Tag hatte er zusammengerollt wie eine Katze auf dem Bett geschlafen, sich sehr wohl darüber bewusst das André vor seinem Zimmer wache stand. Ebenso Damien vor der Kellertür. Alle anderen Vampire hatten sich zurückgezogen und schliefen tief und fest in den Kühltruhen. Mick erwachte erst, als es an der Haustür klingelte und natürlich zog ihn die Neugier nach unten. André-Marek warf ihm einen abschätzenden Blick zu. Er hockte auf der Treppe und beobachtete die Neuankömmlinge. Langsam trugen Mick’s Füße ihn nach unten. Drei Personen waren neu hinzu gekommen. Eine blonde Frau, die am Arm eines Spaniers baumelte und noch ein etwas dicklicher und dümmlich grinsender Mann. Mick blieb auf der untersten Stufe stehen, als die drei ihn bemerkten.

„Hey Mick...“, lächelte die junge Frau, als sich der Spanier von ihm löste, auf Mick zu trat und ihn euphorisch umarmte. „Ich hab mir ganz schöne Sorgen um dich gemacht!“, verkündete er.

„Guillermo. Er kann sich doch an nichts mehr erinnern.“, mahnte der Dickere.

„Ist doch mir egal. Ich kann mich an ihn erinnern. Alles klar? Du siehst ziemlich blass um die Nase aus ... Mensch.“, schnupperte Guillermo und ließ seinen Blick über Mick gleiten. Er war eine Treppenstufe zurück gewissen.

„Wer seit ihr?“, fragte er nach und sah von einem zum anderen.

„Ich bin Guillermo, das ist Lisa und das hier ist Logan... wir sind deine Freunde, dein Clan.“, klärte Guillermo ihn auf.

Mick seufzte. „ich gehöre zu keinem Clan.“, murmelte er leise.

„Doch und ich bin sicher, dass die Erinnerung schon sehr bald zurück kommen wird. Immerhin kannst du uns nicht so ohne weiteres hängen lassen.“, zwinkerte Lisa ihm zu.

Ein leichtes in die Hände klatschen von Josef unterbrach das doch sehr eigenartige Wiedersehen. „Gut, das ihr hier seit. Wir müssen reden.“, sprach er und warf einen kurzen Blick zu Mick. „Du kannst entscheiden ob du mitgehen willst oder nicht. Theoretisch ist das nicht mehr deine Angelegenheit.“

„Praktisch schon, wenn es ... um ihr Kind geht.“, sprach Mick und sah zu Zara die hinter Josef stand.

„Auch das geht dich nichts an.“, raunte Zara.

Wieder ein leichter Messerstich in seinem Herzen! Im Augenblick wünschte sich Mick nichts sehnlicher, als sich endlich wieder daran erinnern zu können, was passiert war. Er wollte wissen wer Zara war. Er wollte sich auf sein Kind freuen und er wollte sie beschützen und nicht zur Bedrohung werden. Leider ließen sich manche Dinge nicht erzwingen und so standen Beide weiterhin höchst distanziert voreinander. Zara rollte mit ihren Augen, drehte sich um und wanderte in den großen Essbereich des Hauses, der allerdings nicht als solcher genutzt war.

„Wie geht es dem Neugeborenen?“, fragte Guillermo nach.

„Den Umständen entsprechend. Kannst du ihn ruhig stellen. Zumindest für eine kurze Zeit?“, fragte Josef nach.

Guillermo nickte, schnappte sich seine Umhängetasche und verschwand in den Keller.

„Was macht er mit Henry?“, fragte Mick nach.

„Nur ein Betäubungsmittel verabreichen.“

„Wie kann man einen Vampir betäuben.“, fragte Mick besorgt nach.

„Brauchst du im Moment nicht wissen.“, antwortete Josef ablehnend. Noch war nicht raus, was Mick war und solange sie nicht sicher waren, dass er wieder zum Vampir war, wollte er seine menschliche Seele mit so wenig Informationen wie möglich belasten. „Du solltest dich wieder hinlegen, meine menschliche Bürde. Das ist nichts, was du wissen brauchst.“

„Ich möchte es aber wissen!“, betonte Mick energisch und schubste Josef ein bisschen beiseite um ebenfalls in das Esszimmer zu treten. Die meisten hatten sich bereits versammelt.

Ebenso Nayla, die am Kopf des Tisches saß.

„Ah. Mick. Ich hoffe du hast gut geschlafen?“, fragte sie nach und ein strahlendes Lächeln blitzte auf ihren Zügen auf.

„Den Umständen entsprechend.“

„Zoe war so freundlich dir ein Sandwich zu richten.“, deutete sie auf einen Teller.

Mick ließ sich auf den Stuhl davor fallen. „Danke... ich habe dementsprechenden Hunger.“, lächelte er erfreut. Die kleine Zoe errötete ein bisschen und beobachtete Mick. Stück für Stück ließen sich alle Vampire an dem Tisch nieder. Ja selbst Damien und André-Marek. Was auch immer zu besprechen war, es schien von äußerster Dringlichkeit. Leise aß Mick sein Sandwich und sah in die angespannten Mienen der Vampire.

Zara saß neben Josef und achtete dabei penibel darauf nicht zu Nahe an Mick heran zu kommen. Er war nach wie vor überfordert mit der gesamten Situation und blickte nun stur auf das dunkle Holz des Tisches.

„Wir haben ein Problem.“, eröffnete Josef der Gruppe.

„Das da wäre?“, fragte Logan sogleich nach. Wenn Josef etwas als Problem betitelte, dann war es das wirklich.

Nayla atmete tief durch. „Es betrifft Lance.“

Guillermo verzog sein Gesicht. „Er lebt also noch.“, seufzte er auf.

„Ja. Und was noch viel schlimmer ist: Er hat einen Bund mit der anderen Vampirrasse geschlossen.“, raunte Josef. Augenblicklich richteten sich alle Augenpaare auf ihn. Das blanke Entsetzen stand ihnen allen ins Gesicht geschrieben.

II. Mick St John - Legende

„Was ist die andere Rasse?“, flüsterte Mick aufgrund des ehrfurchtsvollen Schweigens, das sie innerhalb kürzester Zeit wie ein dunkler Schleier über den Tisch gelegt hatte. Jeder von den Vampiren war wie erstarrt und teils zeichnete sich das blanke Entsetzen auf ihren Zügen ab. Mick kam nicht umhin ebenfalls einmal besorgt zu schlucken. Auch wenn er nicht wusste, wer die andere Rasse war, so meldete sich eine kleine Stimme in seinem Hinterkopf, die ganz laut Gefahr verkündete.

André-Marek – der Vampir mit dein eisblauen Augen – ergriff das Wort. Er lehnte sich zurück, musterte Mick und zog seine Augenbrauen zusammen. Vermutlich gehörte es zu seinem Charakter, dass er einfach nur notirisch genervt wirkte. „Die andere Rasse, sind die Vampire, denen die Nacht gehört. Dracula war einer dieser Vampire. Im Sonnenlicht kann er seinen dunklen Keller nicht verlassen, er kann gepfählt werden und ich schätze, dass auch ein Kruzifix die nötige Wirkung zeigen könnten. Zugleich sind diese Vampire einfach nur Blutsüchtig, töten aus Spaß und sehen in Menschen die perfekte Nahrungsquelle. Während wir uns mit den Jahrhunderten abgespalten haben um in einer ... teils friedlichen Co-Existenz mit den Menschen zu leben, trachten die anderen Vampire allein nach dem kostbaren Lebenssaft, den die Menschen inne haben...“, sprach André-Marek ruhig. Sein Blick wanderte kurz hinüber zu Nayla, die langsam nickte.

„Vor vielen Jahrtausenden gab es nur eine Vampirrasse. Damals lebten alle unter einem König und seiner Königin. Irgendwann konnte die Königin das Morden nicht mehr mit ansehen. Die zahlreichen Orgien, in denen Menschen nur zu einem Zweck missbraucht wurden, waren zu viel. Sie scharrte ein paar Anhänger um sich herum und verließ mit ihnen das Schloss, das Land. Immer mit dem König im Nacken, der sie nachts jagte, kam sie nur langsam voran. Beinahe erwischte der König seine Frau auf der Flucht. Allerdings, so heißt es, paarte sie sich mit einem Menschen. Das Kind, das gezeugt wurde, war ein halbes Wesen. Halb Mensch. Halb Vampir. Die Sonne schmerzte dem Säugling zwar, tötete ihn aber nicht. Die Königin schützte ihr Kind, brachte es als letzten Akt der Liebe in Sicherheit. Das war die Geburtsstunde der zweiten Vampirrasse. Als jenes Kind das Erwachsenenalter erreichte – unentdeckt von dem König – begann er selbst Anhänger um sich zu scharren. Eine neue Vampirrasse. Es kam zu einem großen Krieg, der beim ersten Strahl des Tageslichts endete, denn in dem Moment zerfielen die Vampire des Königs zu Staub... seit jenem Tag lebt diese Rasse sehr zurückgezogen, während unsere Vampirrasse die Welt dominiert.“, erzählte Nayla die Legende der beiden unterschiedlichen Vampirgattungen.

Mick sah sie schweigend an, bevor sein Blick auf Zara fiel.

„Das ist auch unsere Vermutung. Einer von euch Beiden muss den selben genetischen Defekt haben, wie eins die Königin. Wie sonst solltet ihr dazu in der Lage gewesen sein, ein Kind zu zeugen.“, sprach Nayla und faltete schweigend ihre Hände.

Mick zog stumm seine Augenbrauen zusammen und sah auf den Tisch vor sich herab. „... Ich?“, fragte er nach.

Josef atmete tief durch. „Die Vermutung liegt nahe. Irgendwas scheint in dir anders zu sein. Du hast, vor einigen Jahren, ein Präparat zu dir genommen, dass dich wieder menschlich werden ließ. Aufgrund einer Verkettung von unglücklichen Umständen wurdest du jedoch wieder ein Vampir. Seit jenem Tag wirst du von einem französischen König gejagt, der dich... sozusagen für die Zeugung eines Kindes brauchte. Du entkamst. Scheinbar wieder menschlich, wobei etwas in dir noch sehr wohl ein Vampir ist. Ich kann dir nicht sagen, was in den Monaten deiner Gefangenschaft vorgefallen ist. Vermutlich etwas, dass du zu verdrängen versuchst.“, meinte Josef weiter. Mick schluckte schwer.

„Fakt ist, dass sich Zaras Zustand viel zu schnell in der Vampirwelt herum spricht. Es gibt so viele Sammler, so viele Vampire die nach der Menschlichkeit suchen und in ihrer Schwangerschaft die Erlösung suchen. Wenn sie Zara bekommen, dann ist sie dem Untergang geweiht, sobald sie das Kind ausgetragen hat. Was auch immer es sein wird: Es wird die Vampirgeschichte erneut erheblich verändern, wie schon damals das Kind der Königin es getan hat.“, warf Damien ein.

Wieder wanderte der Blick aus Mick’s strahlend blauen Augen hinüber zu Zara, die einfach nur schweigend vor sich auf den Tisch starrte und nicht dazu in der Lage war sich zu äußern. Lisa hatte ihre Hand auf die ihrigen gelegt und auch Guillermo und Logan, sahen sie besorgt an.

Mick rieb sich über die Stirn und seufzte einmal schwer auf. „Und was wird jetzt geschehen?“, fragte er nach.

„Zuerst einmal müssen wir zurück nach Los Angeles.“, nickte Josef.

„Weshalb?“, fragte die kleine Zoe schüchtern nach.

„Hier sind wir zu wenige. In Los Angeles haben wir einen Heimvorteil. Die Cleaner sind besser organisiert und ich habe andere Mittel und Wege, als in dieser englischen Kleinstadt, zumal mir die Nähe zu Frankreich ganz und gar nicht gefällt.“, meinte Josef entschieden. Wer konnte schon wissen, auf was für dämliche Ideen ansonsten Ludwig kam. Er wollte Mick besitzen, so viel war gewiss und Josef wollte das Glück nicht herausfordern.

„Wir werden euch begleiten.“, lächelte Nayla, woraufhin Josef nickte.

„Ich hatte gehofft, dass du das sagst.“, zwinkerte er ihr zu.

„Weshalb?“, wollte André-Marek augenblicklich wissen.

„Weil dieser Krieg uns alle betrifft. Lance hat die anderen Vampire geweckt, sich mit ihnen verbündet und sieht in dem Kind von Zara eine Chance der König von allen Vampiren zu werden. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis er seinen Vater stürzt und vermutlich wird er Zara als seine Königin erwählen. Er will das Kind und wir werden nicht tatenlos dabei zusehen, wie sich unsere Welt dem Ende zu bewegt, André.“, lächelte Nayla sanft.

„Aber ...!“, wollte Damien ihr widersprechen.

„Ihr seit meine Kinder, ebenso wie Josef. In einer Familie hält man zusammen.“, mahnte sie ihn.

Nayla war die Erschafferin von so vielen Vampiren. Sie war alt. Sogar sehr alt und somit wagten es weder Damien, noch André ihrer Macherin zu widersprechen.

Mick erhob sich. „Kann ich dich kurz sprechen?“, fragte er Josef.

Skeptisch wanderten einige Blicke zu Mick hinüber. Sein bester Freund nickte und erhob sich langsam.

„Ihr trefft die Vorbereitungen für unsere Abreise. Sobald der kommende Tag vorüber ist, fliegen wir zurück nach L.A. Ich werde alle Vorkehrungen für unsere Gäste treffen.“, befahl Mick noch.

„Was ist mit den unterschiedlichen Clans? Die Cleaner werden nicht erfreut sein, wenn wir einen anderen Clan in unser Gebiet lassen. Es gibt da klare Verteilungen, und das weißt du auch.“, erhob noch Guillermo sein Wort.

Josef schürzte seine Lippen und warf einen nachdenklichen Blick zu Nayla, die ebenso ihre Stirn in Falten lag. „Es kommt zu diesen schweren Zeiten oft vor, dass sich Cläne zusammen schließen. Lass das also mal meine Sorge sein.“, antwortete Josef und hob gebietend seine Hand.

Er wandte sich ab und folgte Mick nach oben.

„Eines sollte dir jedoch klar sein Mick: Die Vampire hier im Haus haben alle so gute Ohren, dass sie uns sowieso belauschen werden.“, grinste Josef etwas vor sich hin.

Das sich in dem Moment auf den Gesichtern der anderen Vampire ein deutliches Lächeln abzeichnete, konnte Mick glücklicherweise nicht sehen.

„Ich muss dich dennoch unter vier Augen sprechen.“, bat Mick noch einmal und stieg die letzten Stufen zum Dachboden empor. Josef schloss die Tür und sah ihn fragend an.

„Du musst mich wieder zu einem ganzen Vampir machen.“, sprach Mick ohne große Umschweife.

II. Mick St. John - Erinnerung

„Du willst also wieder zu einem Vampir werden. Ohne überhaupt zu wissen wer du bist, oder was auf dich zu kommt...“, stieß Josef durchaus fassungslos aus.

„Vielleicht kommen meine Erinnerungen dadurch wieder.“, rief Mick und begann eifrig mit seinen Händen zu gestikulieren. „Hör zu. Ich kann mich nicht daran erinnern, wer ich bin, aber ich weiß, dass ich Zara beschützen will und das kann ich nicht. Nicht wenn ich ständig zu einer Bedrohung werde. Ich muss sie ...“

Mick brach auf einmal ab und zog seine Augenbrauen zusammen.

„Was ist?“, fragte Josef und verschränkte locker seine Arme vor der Brust. Immer noch stand Mick wie erstarrt vor ihm.

„Du hast mich angelogen!“, platzte es aus Mick heraus.

Josef hob eine seiner Augenbrauen. „Wie darf ich das jetzt verstehen?“, fragte er nach.

„Du hast mir gesagt Beth sei mein Schützling gewesen! Sie war nicht mein Schützling, nicht wahr? Ich habe für sie das Vampirleben in Kauf genommen... sie war ... ich war ... in sie verliebt..“

Mick strich sich fahrig durch seine Haare. Er wusste nicht mehr wer er war und was er fühlen sollte. Alles in ihm war in Aufruhr und so ließ er sich seufzend gegen den Fenstersims sinken.

„Ja. Sie war deine große Liebe, aber ... wenn ich mir eine Einschätzung erlauben darf... hat Beth niemals dein Herz verdient. Zara hingegen....“, setzte Josef an.

Micks blaue Augen begannen zu funkeln, als sich ein kleines Lächeln auf seine Züge stahl und sein Herz doch glatt ein paar Takte schneller schlug. „Sie bekommt mein Kind oder...?“, fragte Mick nochmal nach ob das ganze ein wenig mehr zu begreifen.

Josef nickte leicht. „Etwas, worum ich dich genau genommen beneide...“

„Warum?“

„Vampire können keine Kinder bekommen. Du scheinst irgendeinen genetischen Defekt zu haben.“, zuckte Josef mit seinen Schultern.

Mick wirkte mit einem Mal noch viel irritierter, weshalb er blinzelte, die Stirn runzelte und sich etwas unbehaglich über den Bauch strich.

„Ich muss sie und das Baby beschützen. Verwandle mich!“, bat er erneut.

Josef schüttelte seinen Kopf. „Ich werde dich nicht verwandeln Mick. Nicht so lange du nicht weißt wer du wirklich bist.“, verneinte er vehement.

Mick schürzte seine Lippen. „Du verstehst es nicht oder?? So bin ich eine Bedrohung für Zara und ...“

“... wenn du so sein solltest wie Henry bist du genauso eine Gefahr. Man kann nie sicher wissen ob du gleich wieder zum normalen Vampir wirst und ich habe keine Lust zwei solche Vampire hinter mir her zu schleifen! Du wirst nicht verwandelt Mick ... nicht von mir.“, sagte Josef noch sehr eindringlich.

„Dann suche ich mir jemand anderen.“, brummte Mick und machte auf dem Absatz kehrt.

„Mick.“

“Wir haben ein Haus voller Vampire und so schwer kann das nicht sein, jemanden zu finden, der mich verwandelt.“, stieß er durchaus ein bisschen bockig aus.

Genervt stöhnte Josef auf und schlug sich mit der flachen Hand gegen die Stirn, als Mick trotzig wie ein kleiner Junge aus dem Raum rauschte. „Das darf doch echt nicht wahr sein. Ws habe ich dem Schicksal getan, um so was zu verdienen?“, fragte er mit einem deutlichen Stöhnen nach und warf einmal die Hände in die Luft. Josef schlurfte durch den leeren Raum, als er ein leises Kichern vernahm.

„Du amüsierst dich über mich, Nayla?“, fragte Josef nach und warf einen kleinen Blick über seine Schulter. Schon erblickte er den alten Vampir. Die wunderhübsche Vampirin, mit der er fast zweihundert Jahre sein Leben geteilt hat.

„Ein wenig. Vampire können ja so anstrengend sein.“, seufzte sie auf.

„Du hast eindeutig die richtigen Vergleichsmöglichkeiten, so viele Vampire wie du erschaffen hast.“ , zuckte Josef mit seinen Schultern und drehte sich mit einem kleinen Grinsen zu der blonden Schönheit um.

„Stimmt. Ich weiß wie es aussieht und ich sage dir eines... du wirst ihn nicht daran hindern wieder zum Vampir zu werden.“

„Warum?“, seufzte Josef.

„Weil die Liebe zu einem Kind die größte und reinste Macht auf dieser Welt. Eltern gehen an ihre Grenzen um ihr Kind zu schützen und genau das wird Mick auch tun. Er wird sogar seine Grenzen überschreiten. Es ehrt dich, dass du ihn schützen willst, Josef. Aber davor kannst du ihn nicht beschützen. Auf Mick und Zara kommt eine sehr harte Zeit du und wir können ihnen lediglich beistehen, damit das Baby nicht in die Fänge von Lance und seinen Konsorten gerät.“, sprach Zara, woraufhin Josef noch einmal seufzte und sich kurz das Nasenbein massierte.

„Warum hast du eigentlich immer Recht?“, fragte er leise nach.

„Tja. Das liegt in meiner Natur.“, grinste sie breit.

Josef schüttelte leicht seinen Kopf und schmunzelte über Nayla. „Du weißt hoffentlich, wie sehr du mir gefehlt hast.“, raunte er und blieb vor ihr stehen. Sanft legte er seine Hände auf ihre Hüfte und zog sie an seine heran.

„Ich musste dich verlassen. Es war damals an der Zeit, dass du dich alleine in der Welt zurecht findest und ich mich wieder meinen Aufgaben zuwende.“, flüsterte Nayla und hob ihre Hand. Ganz sanft berührte sie mit den Fingerspitzen die Wange von Josef.

„Ich weiß ich weiß. Du willst immer, dass deine Vampire reif werden und alleine in der Welt bestehen, aber bei uns war es etwas anderes, meinst du nicht auch?“, fragte Josef nach.

Nayla seufzte. „Ja ... du bist der einzige, dem ich je mein Herz geschenkt habe. Selbst jetzt noch.“, raunte sie ihm zu.

„Sag das nicht..“, seufzte Josef und schloss seine Augen einen Moment lang.

Er konnte mit einer solchen Art von Gefühlen nicht umgehen. „Okay, ich sage nichts mehr...“, grinste Nayla und zog Josef etwas nach unten, um ihre Lippen zu einem leidenschaftlichen Kuss zu versiegeln.
 

Mick lief durch das Haus – erwischte Guillermo und Lisa beim Sex – und versuchte sogar Damien davon zu überzeugen ihn zu verwandeln. Dieser lachte ihn nur aus. Langsam verlor er die Hoffnung, obwohl er es sich so leicht vorstellte zum Vampir zu werden. Er rauschte an einer offenen Tür vorbei. Blieb stehen und trat drei Schritte zurück. Sie hockte im Schneidersitz auf dem Bett und guckte auf das Fenster. Die Rollos waren heruntergezogen und doch drang etwas Sonne nach drinnen. Dabei sah sie so verdammt toll aus. Sie trug ein grünes Oberteil, das einen tiefen Ausschnitt am Rücken zeigte. Ihre langen Haare trug sie gerade offen. Die Locken kringelten sich wild und fielen über ihre Schultern. Mick atmete einmal tief durch und sah kurz ein Bild vor sich. Zara vor dem Eiffelturm. Mick lächelte leicht.

„Señorita Vampírica“, raunte er und klopfte mit dem Fingerknöchel gegen die offen stehende Tür von Zara.

„Sí?“, fragte die Latina natürlich auf spanisch und machte keinerlei Anstalten sich zu Mick umzudrehen.

„Zara. Schau mich an.“, bat Mick und verweilte im Türrahmen.

Sie atmete tief durch.

„Zara.“, flüsterte Mick und schubste die Tür zu, als er in den Raum trat.

Sogleich verhärtete sich Zaras Sitzposition. „Ich schwöre dir, ich werde dir dein menschliches Leben aushauchen, wenn du meinem Kind zu nahe kommst.“, knurrte die werdende Mutter.

Mick hob seine Hände. „Klar ... versteh ich.“, murmelte er und sah noch immer auf ihre Rückenansicht.

„Du musst mich verwandeln, Zara.“, raunte er ihr zu.

Die Vampírica seufzte auf. „Ich habe dein und Josef’ Gespräch gehört. Ich werde dich genauso wenig verwandeln, wie er.“, erklärte sie Mick.

„Wieso?“, fragte er seufzend nach und setzte sich an den Bettrand.

“Weil du so oder so schon eine Bedrohung für dich selbst bist. Auch ohne Vampirdasein. Außerdem wissen wir alle wie sehr du dich nach deinem menschlichen Leben gesehnt hast.“, erklärte Zara. Erst jetzt bemerkte Mick, dass sie ihre Hände gefaltet hatte. Eine kleine Kette lag darin. Offensichtlich betete Zara. Mick rutschte ein kleines bisschen an sie heran.

„Ich bin so oder so eine Bedrohung, das sagst du gerade selber und es ist mir egal, was ich früher wollte. Ich kann mich daran nicht erinnern und im Moment will ich dich und das Kind schützen ... wir bekommen immerhin ein Baby und ich bin der Vater ... ich muss doch auf euch aufpassen.“, flüsterte er leise und streckte seine Hand aus. Ganz leicht berührte er ihren nackten Rücken.

„Zara.... schau mich an.“, flüsterte er ihr noch einmal zu und strich ihre Wirbelsäule langsam entlang.

 

II. Mick St. John - Liebe

Es verstrichen endlose Momente, ehe sich Zara langsam zu ihm umdrehte. Sie hörte ganz deutlichen seinen Herzschlag, der wie eine sanfte Melodie des Lebens in der Luft lag.

„Mick...“, schüttelte sie leicht ihren Kopf und seufzte einmal auf. Es war so schwer ihm wieder gegenüber zu sitzen. Noch immer war da die Furcht in ihren Augen. Was, wenn er auf einmal wieder zu dieser eigenartigen Bestie wurde und nach ihrem Kind verlangte. Zara strich sich eine ihrer langen Haarsträhnen aus dem Gesicht .

„Zara. Du musst mich verwandeln. Ich bitte dich innständig. Lass mich auf dich und das Kind aufpassen. So habe ich eine Chance, dass ich zu eurem Beschützer werde.“

Zara schüttelte verneinend ihren Kopf. „Ich werde dich nicht verwandeln Mick.“, sprach sie ernst.

„Wieso?“, fragte Mike sogleich nach.

„Du hast mir mal etwas erzählt. Von deiner großen Liebe. Von Coraline. Erinnerst du dich an sie...?“, fragte Zara nach und kurz schloss Mick seine Augen.
 

» Die Gäste strömten aus der großen, weißen Villa. Die Band, die an diesem Abend gespielt hatte, war damit beschäftigt die ganzen Gerätschaften aus der Villa zu transportieren. Die Gastgeberin schwamm entkleidet durch ihren Pool und reizte ein wenig den Leader der Band: Mick!  

Im schwachen Mondschein glitzerte ihr Antlitz. Ihre ebenholzbraunen Haare trieben auf dem Wasser und ihr Körper wirkte so unglaublich verführerisch. So trieb sie vor ihm durch den Pool und warf ihm immer wieder einen kleinen neckischen Blick zu. Nach wie vor verweilte Mick am Beckenrand, wusste nicht recht mit der schwimmenden, nackten Schönheit umzugehen. Mit einem kleinen Lächeln entledigte sich Mick seiner Kleidung und trat zu ihr ins Wasser. Die Selbstsicherheit war zurück und so auch die Begeisterung von ihr.

Doch dann kehrte die alte Selbstsicherheit zurück und sogleich packte er sie sanft. Coraline entwich ein kleiner Schreckenslaut und schon schlangen sich ihre Arme um seinen Hals.

„Ich glaube, ich sollte doch Ihren Namen wissen.“, säuselte sie ihm ins Ohr und knabberte sanft an seinem Hals herum. Mick durchfuhr ein Schauer.

„... Mick...“, stieß er hervor.

Er war wie Wachs in ihren Händen. So trafen sich ihre Lippen zu einem ersten, heißen Kuss und das obwohl jederzeit jemand der Band zurückkehren konnte. Mick verlor jegliches Gefühl von Raum und Zeit. Er wollte nur noch ... sie! Für immer und ewig. «
 

Mick zog seine Augenbrauen zusammen. „Ich erinnere mich sehr wage an sie ... was ist mit ihr ... wer war sie?“

„Deine erste Ehefrau. Sie hat dich verwandelt und ... Beth entführt. Es ist eine Menge passiert, Mick, doch eines ist absolut klar: Du hast Coraline niemals verziehen, dass sei dich verwandelt hat. Du hast dich zwar mit dem Vampirdasein abgefunden, aber warst niemals zufrieden. Du sehntest dich nach mehr und das wissen hier alle .... zumindest die des Clans.“, erklärte Zara eindringlich. Mick war ein Stück von ihr zurück gerutscht und dachte ein wenig nach. Immer tiefer wurden die Falten auf seiner Stirn und mehr und mehr drängten sich kurze Sequenzen von Coraline auf. Nervös rieb er seine Handflächen aneinander.

„Ich habe sie geliebt...?“, fragte er leise nach und versuchte das Bild von Coraline vor seinem inneren Auge festzuhalten. Es wirkte so unendlich weit entfernt.

„Davon gehe ich aus. Du hast sie immerhin geheiratet.“, zuckte Zara mit ihren Schultern.

Mick zupfte an seiner Nagelhaut und schob ein bisschen seine Unterlippe nach vorne, legte die Stirn in tiefe Falten und atmete einmal tief durch.

„Das ist es...? Warum du mich nicht verwandeln willst?“, fragte er nach.

„Mitunter. Du hasst sie. Du hast ihr das niemals verziehen und ich weiß nicht ob ich damit leben könnte, wenn ich dir dein menschliches Leben nehme, nachdem du dich seit so langer Zeit gesehnt hast.“, meinte Zara und schnalzte einmal mit der Zunge.

„Du sagtest mitunter?“ Wieder hob Mick seinen Blick und seine verwirrten und auch etwas matten blauen Augen begegneten denen von Zara.

„Mick, ich bin mir nicht sicher, ob es dir so gut tut, wenn du dauernd über die Vergangenheit redest.“, wehrte sie ab.

„Zara. Ich muss es wissen. Mein ganzes Leben kommt mir nur noch vor wie eine unglaubliche Farce, ein schlechter Film und ich muss wissen ob all diese unzähligen Sequenzen, die vor meinem inneren Auge auftauchen auch wirklich passiert sind. Also bitte... hilf mir mich daran zu erinnern, denn ansonsten werde ich einen Weg finden ein Vampir zu werden!“, bat er energisch und rutschte ein Stück näher an sie heran.

Zara wich ihm aus und sogleich senkte er schuldbewusst sein Haupt. „... bitte.“, fügte er leise nuschelnd hinzu und verharrte auf seinem Platz.

„Es hat mit Beth zu tun.“, setzte Zara leise an und sofort hob Mick seinen Kopf.

„Meine Beth?“, fragte er nach und Zara nickte matt.

Nach wie vor glänzte die Liebe in seinen Augen, wenn er an die Blondine dachte, auch wenn er sich gar nicht an sie erinnern konnte. Sie war ein Schatten aus seiner Vergangenheit, von dem er sich nur allzu gerne einholen ließ. Immer wieder, wenn er sie in seinen Gedanken auftauchen sah, fühlte er sich wohl und geborgen.

„Was hat es mit ihr zu tun?“ Micks Blick war fragend und forschend zugleich. Ruhig sah er Zara vor sich an.

Sie hob ihre viel zu schmalen Schultern an und schloss ihre Augen.

“Es gibt vieles, was du mir von ihr berichtet hast. Aber eines, was dir niemals aus dem Kopf ging.“

„Was...“

„Eure letzten, gemeinsamen Stunden.“
 

» „Ich nehme an, eure Vampirangelegenheit war es, Emma aus dem Gefängnis zu holen. Wo ist sie?“, fragte Beth nach und sah ihn fast schon zornig an.

„Sie ist tot. Sie war eine Belastung für unsere Gemeinschaft.“

„Vampire die Vampirgerechtigkeit walten lassen.“

„Es gibt nun mal Regeln!“

„Und Jackson?“

“Er wollte nicht ohne sie weiterleben.“, meinte Mick.

„Also wurden die Zwei einfach hingerichtet?“, seufzte Beth enttäuscht auf. Immer wieder wurde sie mit dem Tod konfrontiert und das verletzte sie auf so massive Weise.

Es war ein mulmiges Gefühl, dass sich in seiner Magengegend breit machte. Beth blauen Augen glitzernden vor Tränen und hier und da kullerte ihr eine über die Wange. Seufzend drehte sie sich um und schritt in ihre Wohnung zurück.

„Ich weiß, dass das nicht leicht für dich zu verstehen ist.“, raunte Mick und folgte ihr in die Wohnung.

Was hatte Beth auf einmal? Sofort begann er wieder sich Sorgen um sie zu machen. Tief seufzte Beth auf und rieb sich über das Gesicht. Weinte sie etwa?

„Hör zu.“, setzte Beth an und machte eine kurze Pause. „Du sagst jetzt seit Monaten, dass es zwischen uns beiden nicht klappen kann, dass wir in verschiedenen Welten leben... und ich wollte das nicht hören, aber vielleicht hast du ja recht. Du kannst nicht in meine Welt zurück kommen und ich bin nicht bereit dir in deine zu folgen.“, schniefte sie auf und wieder verließ eine kleine Träne ihre Augen.

Mick schüttelte energisch seinen Kopf. „Es geht mir nicht darum dich zu verwandeln!“, betonte er energisch. Sein Herzschlag beschleunigte sich und am Liebsten hätte er sie einfach in seine Arme gezogen und auf ewig festgehalten, aber so leicht war es leider nicht.

Beth hob zitternd ihre Schultern an. „Ich weiß nicht ob ich diese Entscheidung je treffen kann... Emma und Jackson haben mich erkennen lassen, was ich wirklich will...“

Emma und Jackson waren zwei Vampire die so viele hundert Jahre zusammen lebten, glücklich waren und letzenendlich war da doch der Betrug von Emma an Jackson. Der Verrat und doch war da noch die Liebe, allerdings hatten sie aufgehört es zu vergessen. Erst im Angesicht des Todes bemerkte Emma ihren Fehler. Doch da war es bereits zu spät.“

„Ich denke nicht, dass ich das noch länger kann.“, stieß Beth zittrig aus.

Mick schluckte schwer, drehte sich um und verließ die Wohnung ohne ein weiteres Wort. Kurz darauf fasste er den Mut um zu ihr zurück zu kehren. Denn die Liebe leitete ihn ... er wollte sie! Denn es ging nicht darum ob man ein Vampir war, oder ein Mensch, solange die Liebe regierte! «
 

„Ich habe die letzten 55 Jahre damit verbracht das Tor zur Unendlichkeit zu verschließen ... doch ich wollte das Tor zu Beth nicht länger verschließen. Ich wusste damals nicht, wohin mich das alles führt, Zara... aber ich wollte nicht länger vor allem weg laufen.“, murmelte Mick und schluckte einmal schwer.

„Sie wollte sich nicht verwandeln lassen... und genauso wenig wolltest du ein Vampir sein.“, meinte Zara.

„Aber mir ist klar geworden, dass es egal ist, solange die Liebe existiert!“, raunte Mick und rutschte wieder an sie heran um ihre Hand zu ergreifen.

„Wenn du mich nicht verwandeln willst, bleibt mir nichts anderes übrig, als als Mensch auf dich aufzupassen.“, sprach er und hielt ihre Hand fest, auch wenn sie ihm diese im ersten Impuls entziehen wollte.

„Ich erinnere mich an noch etwas.“, sagte Mick und strich über ihre weiche Haut der Handflächen. Er zog ihre zierlichen Finger an sich heran und hauchte einen kleinen Kuss auf ihren Handteller.

„An was...?“, fragte Zara und war noch immer versucht ihm die Hand zu entziehen.

„An dich vor dem Eiffelturm ...“
 

» Ihre unglaubliche Silhouette war absolut faszinierend und er vollbrachte es nicht seinen Blick von ihr zu nehmen. Ihre Gestalt verschmolz gerade förmlich mit dem atemberaubenden Panorama der Pariser Skyline. Die Nacht hatte sich über sie gelegt. Der Mond und die Sterne funkelten verheißungsvoll und schmückten den dunklen Nachthimmel. Voll und rund war der Mond an diesem Tag und zog wohl so manchen Vampir wie magisch an. Paris, eine unglaubliche Stadt. Zara streichelte sanft über seine Wange. „Ida Scott Taylor hat einmal gesagt: ‚Schaue nicht zurück und trauere um das Vergangene, denn es ist passiert. Und sorge dich nicht um die Zukunft, die erst noch geschieht. Lebe in der Gegenwart und mache sie zu etwas Schönem, an das du dich gerne erinnerst.’ Verstehst du Mick? Du musst aufhören ständig deinem vergangenen Leben nachzutrauen, denn es ist nicht mehr. Du bist jetzt hier und du bist ein Vampir, der die Gegenwart genießen kann, aber nur, wenn du aufhörst, dir um alles Sorgen zu machen. Die Angst wird dich letzenendlich nur noch lähmen und dir noch mehr Sorgenfalten über die Augenbrauen zaubern.“, erklärte sie ihm leise und streichelte über seine Stirn, bevor sie ihre Hand auf sein Herz ruhen ließ. Leise fuhr Zara fort. „Wir alle leben nur einmal. Uns wurde ein besonders langes Leben geschenkt, aber das bedeutet nicht, dass wir es nicht auch nutzen können. Sieh uns doch an. Wir leben in einer Welt mit knapp 7 Milliarden Bewohnern und unter so Vielen haben wir nur eines, das wir wirklich entscheiden können.“

Mick knirschte etwas mit seinen Zähnen, während er es nicht vermochte seine Augen von denen von Zara zu nehmen, wobei seine Hände nach wie vor auf ihren schmalen Schultern ruhten. „Und was wäre das?“, wollte er wissen.

Zara lächelte flüchtig. „Ob wir Gutes tun oder Böses.“

Augenblicklich wandte sich der Vampir von ihr ab und sah wieder auf die Kulisse der Stadt. Es waren so simple Worte, die Zara gebrauchte und doch waren sie ausreichend um ihn zu verwirren.

„Sieh das Vampirdasein nicht als Bürde, nicht als schweres Schicksal, sondern als Geschenk. Du bist dazu in der Lage etwas zu bewegen in der Welt, weil du über eine Kraft verfügst, die sonst keiner hat. Wenn nur endlich aufhörst, alles so schwarz zu sehen, kannst du erkennen, dass du es bist, der uns hier her gebracht hat um all das hier zu beenden.“, murmelte Zara und schlang ihre Arme von hinten um seine Hüfte. Sie lehnte ihren Kopf gegen seinen Rücken und hielt ihn ganz fest bei sich. „... und du bist doch auch nicht alleine Mick.“

Er legte nachdenklich seine Hände auf der Brüstung ab und sah wieder hinab in das Lichtermeer der Stadt. Mick schloss seine Augen und genau in diesem Moment musste er erkennen, dass er wahrlich nicht alleine war ... er hatte in der Dunkelheit der Vampirwelt jemanden gefunden. Jemanden, der bei ihm war... «
 

Ein kleines Lächeln hatte sich auf Zaras Lippen geschlichen.

„Ich erinnere mich an jedes Wort, dass du damals zu mir gesagt hast. Du warst es, die mir wieder etwas mehr Licht in meinen dunklen Stunden gegeben hat... Zara ich kann mich an nicht viel erinnern.... aber ich weiß mit absoluter Gewissheit, dass ich dich liebe. Okay, ich verlange nicht, dass du mich verwandelst ... doch vielleicht bist du gewillt, mir noch eine Chance zu geben, damit wir uns gemeinsam für das Gute entscheiden können....“

Fest barg er ihre Hand in der seinigen und begann mit einem Mal zu lächeln, als Zara sich nicht mehr gegen seine Berührung sträubte. Er streckte seine Hand aus und strich ihr über die warme Wange...

II. Mick St. John - Verwandlung

Zara schloss leicht ihre Augen, als Mick sie so zärtlich berührte . Auch wenn sein Angriff noch nicht vollkommen vergessen war, so konnte sie sich den Gefühlen für Mick nicht weiter erwähren. Ein leises aufatmen verließ ihre Lippen, als sie sich ganz leicht in diese sanfte Geste sinken ließ.

„Bitte verwandle mich, Zara.“, murmelte er noch einmal, strich über ihre zarte Haut, ließ seine Hände durch ihre Haare gleiten

„Nein.“, sie seufzte und schob seine Hand beiseite.

„Aber Zara...“, mit einem Mal wurde er unterbrochen, als sich Zaras Finger auf seine Lippen legte.

„Ich schwöre dir, ich werde dich verwandeln, aber nur, wenn du dich wieder an deine Vergangenheit erinnern kannst. Wenn du dir sicher bist, dass es das ist, was du möchtest. Du wirst niemanden in diesem Haus davon überzeugen können, dich zu verwandeln, also tust du gut daran mein Angebot anzunehmen.“, nickte sie leicht. Fest biss Mick die Zähne aufeinander, sodass ein leicht mahlendes Geräusch zu hören war. Mick wandte seinen Blick ab.

Sie atmete tief durch, erhob sich und öffnete Mick die Zimmertür. „Du solltest jetzt gehen. Es ist an der Zeit und ich bin erschöpft. Bald schon fliegen wir nach LA und vielleicht kommen dann deine Erinnerungen wieder. Ich wünsche es dir von ganzem Herzen, vor allem, da ich dich so sehr an meiner Seite brauche.“, sprach Zara.

Mick schüttelte leicht seinen Kopf und starrte augenblicklich frustriert auf den Boden. Mit hängenden Schultern erhob er sich und verweilte kurz im Türrahmen.

„Ich bin ein emotionales Wrack. Ich habe vergessen wer ich bin und in deinen Augen kann ich nicht mehr das lesen, was ich früher so genossen habe. Es ist fast so, als habe ich deine Liebe und dein Vertrauen verloren Was nutze ich euch? Ich bin nur zum Ballast geworden.“, sprach er leise und sah wieder in ihr wunderhübsches Gesicht, doch Zara guckte ihn nicht an. Sie lehnte etwas am Türrand und wartete darauf, dass Mick das Zimmer verließ. Sie konnte ihm ganz einfach nicht mehr vertrauen. Sie wollte es nicht. Ihr ungeborenes Kind war wichtiger! Mick atmete tief durch und setzte sich wieder in Bewegung. Die Tür von Zara fiel hinter ihm ins Schloss und er war wieder alleine. Mit hängenden Schultern schlenderte er nach unten. In ein paar Stunden wollte die Gruppe aufbrechen und bis dahin musste er es geschafft haben. Irgendwie! So schwer es im Moment auch sein mochte.

Vor einem Schachbrett in der Küche hockte die kleine Zoe und so blieb er stehen.

„Hey.“, murmelte er.

„Hi ...“, erwiderte die junge Frau und strich sich schüchtern durch ihre Haare. Das sie ihn ziemlich hübsch fand, brauchte sie gerade wohl nicht verheimlichen. Das zeigte schon ganz genau die Röte in ihrem Gesicht.

„Verwandelst du mich?“, fragte Mick nach. Einen Versuch war es wert. Zoe schüttelte eifrig den Kopf, sodass ihre braunen Haare um ihren Kopf zu tanzen begannen.

„Dacht ich mir fast.“, seufzend ließ er sich zu Zoe an den Tisch sinken. „Wollen wir eine Runde spielen?“

„Gerne.“, flüsterte Zoe leise und stellte ihre Spielpositionen des alten Holzschachs.

Schweigend verstrichen die ersten paar Spielzüge, ehe Mick sich räusperte. „Wie funktioniert das eigentlich? Das Verwandeln?“, fragte Mick beiläufig nach.

„Das... das ist eigentlich ganz simpel. Es geht um den Bluttransfer. Vampir und Mensch müssen jeweils vom gegenseitigen Blut trinken.“, antwortete sie und brachte ihren König fürs Erste aus dem Schussfeld. Mick nickte ganz leicht.

„Und warum tickt Henry so aus?“, wollte er weiter wissen und warf ihr einen kurzen Blick zu.

„Das ist der normale Drang eines Vampires. Der ständige Hunger, der sich nicht einfach bekämpfen oder vertreiben lässt.“, nuschelte Zoe leise. Und setzte Mikes König abermals ins Schach.

„Wie lange dauert so ein Drang?“, fragte er interessiert nach.

„Kommt drauf an.“

“Auf was?“, hob er interessiert seinen Blick.

„Den Erzeuger. Mich hat Nayla erschaffen und sie hat sich stets um mich gekümmert und bemüht. Sie hat mir alles beigebracht und so habe ich mich sehr schnell in der Vampirwelt zurechtgefunden. Auch weil ich den Rückhalt des Clans hatte.“, erzählte Zoe scheu und leise.

„Hmm, und ich gehöre eigentlich auch zu einem Clan?“, fragte er weiter.

“Soweit ich weiß schon.“, antwortete sie. „Übrigens bist du Schach Matt.“

Mick sah auf seine Figuren. „Oh... na dann ... nettes Spiel.“, lächelte er ihr noch zu und erhob sich von seinem Platz. Innerlich wurde er ganz ruhig und schon wuchs in ihm ein Plan heran. Zoe lächelte und nickte. Er schlenderte durch die Küche, blickte in den leeren Kühlschrank und öffnete ein paar Schränke, während Zoe das Schach erneut aufbaute.

Mick zog leise das Küchenmesser aus der Schublade.

„Machs gut.“, rief er Zoe entgegen. Sie hob noch einmal ihren Blick und lächelte ihn scheu an. Mick nickte leichthin. Er holte tief Luft, gab sich einen kurzen Ruck und schlenderte den leeren Gang entlang. Vor der Tür zum Kellerabteil machte er kurz Halt. Er schluckte, öffnete die Tür und zog sie sofort wieder hinter sich zu.

„Wenn die mich nicht verwandeln wollen, dann musst es wohl du tun...“, murmelte Mick und sprang die Stufen nach unten. Augenblicklich zückte er sein Küchenmesser und sah sich in dem düsteren, kühlen Kellerraum um. Zusammengekauert in einer Ecke lag Henry. Mick schnalzte mit seiner Zunge und schon stand der Vampir auf den Füßen, fletschte seine Zähne und starrte zu seiner menschlichen Beute. Mick spielte mit dem Messer in seiner Hand, als Henry schon auf ihn zusprang und ihn von den Füßen riss. Krachend landeten sie auf dem Boden – Henry drückte Mick nach unten -  und schon verbiss sich der Vampir in Micks Hals! Er verbiss sich den Schmerz, fühlte wie sich sein Pulsschlag beschleunigte.

„Entschuldige mein Freund...“, brachte er zwischen seinen zusammengebissenen Zähnen hervor.

Mühsam und vor Schmerzen stöhnend schlug er das Messer in das Schlüsselbein von Henry. Der Vampir zog seinen Kopf zurück, riss sich das Messer aus dem Körper und starrte zu Mick. Geräusche ertönten im Haus. Jetzt oder nie!! Er packte Henry und drückte seinen Mund auf die Wunde. Das Vampirblut flutete in seinen Körper und mit einem Mal schien die ganze Welt nur noch in Watte gepackt. Er bekam nicht mehr mit, was sich um ihn herum abspielte...

III. Blut, Tränen & Leben - Die Erinnerungen sind Schatten

Man kann unser zerbrechliches Dasein auf viele Arten beschreiben, ihm so Bedeutung verleihen. Doch es sind die Erinnerungen, die ihm einen Sinn geben. Unsere Geschichte erzählen. Ein persönliches Sammelsurium von Bildern, Ängsten, Gefühlen, Liebe, Trauer. Denn es ist die grausame Ironie des Lebens, dass wir dazu bestimmt sind, in uns das Licht mit dem Dunkel zu vereinen, das Gute mit dem Bösen, den Erfolg mit der Niederlage. Das ist es, was uns von anderen Lebewesen unterscheidet, was uns menschlich macht.

Und am Ende kämpfen wir nur darum uns die Erinnerungen zu bewahren.

 

Mick stürzte auf den Boden. Das Blut rauschte in seinen Ohren und ließ alle anderen Geräusche in der Unendlichkeit verebben. Er bekam nicht mehr mit was sich um ihn herum abspielte. Nur ab und an tauchte eine schemenhafte Gestalt vor seinen weit aufgerissenen Augen auf. Es wurde an ihm gezerrt und der Untergrund änderte sich. Mick starrte noch immer vor sich hin. Der eins so metallene Geschmack in seinem Mund veränderte sich, wurde süßlich, wohlschmeckend. Die Gerüche in seiner Umgebung ließen ihn immer wieder tief durchatmen. Er konnte so unglaublich viel Riechen! Angefangen von Schweiß, Blut und ein ekliges, herbes Männerparfüm und geendet mit einem unglaublich frischen Frauenduft. War das Kokos? Irgendwas war es, dass seine Sinne aktivierte, doch er blieb gefangen in der Erstarrung. Jemand packte ihn hart am Kiefer und schon floss die köstliche, nährende Flüssigkeit – der Lebenssaft – in seine Kehle. Mick leckte sich die Lippen und schon fielen ihm die Augen zu. Er drehte sich zur Seite, zog die Beine an und blieb in dieser Fötusposition liegen. Die tiefe Dunkelheit hieß ihn willkommen und mit einem Mal war Mick gefangen in sich selbst...

 

 „Es ist so dunkel um mich herum. Wo bin ich? Wer bin ich? Um mich herum ist nur noch die ewige Dunkelheit, die kalt ihre Fänge nach mir ausstreckt... Vielleicht sollte ich mich ihr einfach ergeben. Diesen Höllenqualen ein Ende bereiten. So falle ich niemanden mehr zur Last. Dunkel. Schwarz. Die Finsternis in meiner Seele? Ist es das?“ Endlose Gedanken, die durch Micks Kopf wandern. Liegend in der Finsternis. Gefangen im Tod, knapp am Leben vorbei.

„Kannst du mich hören?“, durchschnitt auf einmal eine helle, melodische Stimme die Finsternis.

Mick öffnete seine Augen und mit einem Mal waren da feine Klänge, eine sanfte Melodie, die das Dasein ein bisschen erträglicher gestaltete.

„...Ja“, flüsterte er leise und lauschte weiter auf die Töne. Gespielt von einem Orchester? Wo war er?

„Oh. Du kannst mich wirklich hören.“, erklang die Stimme abermals. Ein Schauer bildete sich auf seinem gesamten Rücken, überzog jeden Zentimeter seiner Haut und breitete sich über seinen ganzen Körper aus. Er holte Luft, atmete tief ein und wieder aus und erhob sich langsam und mit zitternden Knien.

„Wo bist du...?“, fragte er leise und drehte sich um sich selbst.

Schwarz. Alles war schwarz. Nichts konnte er sehen und doch war da ein Gefühl der Wärme, der Geborgenheit, der Liebe.

“Ich bin hier. Du musst nur deine Augen öffnen.“, drang das sanfte Wispern der femininen Stimme an sein Ohr heran. Mick kniff die Augen zusammen.

“Ich kann nicht... sehen.“

“Doch du kannst.“

Ein sanfter Hauch strich über seinen Nacken und löste abermals das Gefühl der Geborgenheit in ihm aus. Mick schüttelte seinen Kopf. „Ich bin hier alleine ...“, nuschelte er und wagte es nicht seine Augen zu öffnen. Was war, wenn das Gefühl verschwand.

„Bist du nicht. Öffne deine Augen.“, wisperte ihm sanft die liebliche Stimme zu.

Mick atmete tief durch und klammerte sich an den Funken Hoffnung, hielt den Mut fest umschlossen, als er erneut seine Augen öffnete. Die Melodie umfing ihn. In der Nähe plätscherte ein Wasserfall, ein paar Vögel zwitscherten und das Licht schien wärmen auf seinen Kopf herab. Die unglaubliche Atmosphäre einer paradiesischen Blumenwiese breitete sich mehr und mehr aus. Bunte, schillernde Schmetterlinge zogen an ihm vorüber, kitzelten ihn an der Nasenspitze. Die Pflanzen erstrahlten in Farben, so hell, dass er seine Augen einen Spalt schließen musste und dann ... stockte ihm der Atem. Ein strahlendes paar blauer Augen guckte ihm aufmerksam entgegen, das Lächeln überzog ihr elfengleiches Gesicht und die blonden Haare, hingen in wilden Locken in ihr Gesicht oder kringelten sich über ihre Schultern. Ihr weißes Kleid bewegte sich sanft im Wind, als ihr Lächeln zu einem breiten Lachen wurde. Ihre weißen Zähne blitzten geradezu und ein Hauch rosé schlich sich auf ihre Wangen.

„Beth ...“, murmelte Mick und nun lächelte er ebenso. Warm durchströmte ihn das Gefühl und einen Moment war es fast so, als ob er schweben konnte. Sehr vorsichtig tat er einen Schritt zu.

War es ein Traum?

“Aber ... du bist tot ...“, schluckte er und streckte seine Hand aus. Langsam näherte sich ihm die wunderschöne Silhouette von Beth.

„Du auch.“, wisperte sie leise und hob ebenso ihre Hand. Zuerst berührten sich nur ihre Fingerspitzen und schließlich ihre Handflächen. Mick blickte auf ihre zierlichen Finger hinab und kreuzte sie mit den seinigen. Es war seine Beth. Das selbe, helle, leuchtende und warme Gefühl.

„Ich bin tot.“, stellte er fest und zog Beth ein bisschen näher an sich heran.

„Zumindest deine menschliche Seite.“

Das Lächeln auf Micks Gesicht verebbte. „Was meinst du damit?“

„Du hattest die Wahl Mick. Willst du Mensch sein, oder Vampir.“, noch immer ruhte ihr Blick auf ihn und so versank Mick wenigstens für ein paar Sekunden in ihren Augen.

„Aber...“, stammelte er.

„... das war kein Fehler Mick. Deine Zeit ist noch nicht vorbei. Es gibt noch so Vieles was du machen musst.“, lächelte Beth warmherzig.

„Wie kann ich das ohne dich. Ich vermisse dich... und ich... ich kann dich nicht gehen lassen.“, drückte er ihre Hand ein bisschen fester.

„Du musst. Es ist an der Zeit mich los zu lassen und im Grunde, bin ich niemals ganz fort. Ich bin immer bei dir, stets in deinem Herzen  und von dort wirst du mich auch nicht mehr weg bekommen.“, trat Beth noch ein Stückchen näher an ihn heran. Zärtlich legte sie ihre andere Hand auf seine Brust. Mick entwich ein kleines Seufzen. Die Liebe überlebt. Sie überdauert selbst den Tod.

„Werde ich dich irgendwann wieder sehen?“, fragte Mick nach, klang bitter, traurig und noch immer so schwer verletzt von ihrem Tod.

„Das weiß ich nicht und jetzt solltest du auch nicht mehr an den Tod denken, sondern an das Leben... dein Leben als Vampir. Du wirst so sehr gebraucht. Von deinen Freunden ... deiner Frau... deinem Sohn.“

Mick riss seine Augen ein bisschen auf. „Woher weißt du ...?“

„Ich weiß nur das, was du weißt. Ich bin lediglich eine Gestalt deiner Vorstellungskraft. Du kennst die Legende. Du hast Lance gehört. Du weißt, was dich erwartet. Du weißt alles.“, sprach Beth und strich ihm sanft über die Wange. Mick richtete sich auf, drückte ihre Hand.

„Ich muss meine Familie beschützen.“, wiederholte er im Grunde die Worte seiner Fantasiegestalt.

„Und das wirst du auch schaffen.“

Mick nickte und neigte seinen Kopf zu ihr hinunter. „Und eines Tages werde ich dich wieder sehen, Beth.“, raunte er ihr sanft zu. Sie nickte ganz leicht und reckte sich ihm ein bisschen entgegen. Ganz leicht nur berührten sich ihre Lippen, wie ein warmer, zarter Hauch an einem kalten Wintertag. Er schloss seine Augen und kostete diese unglaubliche Versuchung noch ein paar Sekunden länger....

 

Mick riss seine Augen auf, fuhr nach oben und atmete panisch, brauchte um seine Atmung auf ein normales Maß zu regulieren.

„Ich erinnere mich...!“, stieß er heißer aus. Er saß kerzengerade auf dem Bett und starrte hinüber zu Josef und Zara, die wie angewurzelt im Türrahmen standen. „Ich erinnere mich an alles!“

 

 

III. Blut, Tränen & Leben - Rückkehr nach LA

Zara schloss ihre Wohnungstür auf und schon fühlte sie Micks Arme, die sie umschlangen. Ganz fest zog er sie an sich heran, schmiegte sich an ihren Rücken und vergrub seine Nasenspitzen in ihrem wohl duftendem Haar. Alles war wieder so wie früher und wenigstens für einen kleinen Moment gab er sich der totalen Zufriedenheit hin, indem er sich an Zara schmiegte und sie ganz fest hielt. Doch er merkte deutlich, wie sehr sie sich noch gegen diese Art der Berührung sträubte und so ließ er sie wieder los.

Josef verpasste ihm einen kleinen Schubs und so trat Mick in seine Wohnung ein. Ebenso wie Zara war auch Josef überaus misstrauisch und so wurde Mick kritisch von den Zwei beäugt. „Was ist? Ich bin wirklich wieder der Alte.“, seufzte Mick auf.

„Da bin ich mir noch nicht so sicher.“, murmelte Josef, als Guillermo und Logan Henry an ihm vorbei führten und ihn zum Sofa bugsierten.

„Ich bin auch wieder der Alte.“, brummte der neugeborene Vampir, der seinen aufmerksamen Blick umher wandern ließ. „Könntet ihr mich jetzt bitte wieder gehen lassen... ich habe eine Bar, die geleitet werden muss.“ Für ihn war das alles schon wahrlich schwer genug. Angefangen mit dem animalischen Blutdurst, geendet mit der vollkommen neuen Umgebung und der Erkenntnis, dass es Vampire doch gab. Er seufzte auf und sah kurz zu Lisa, die die Tür hinter all den Vampiren verschloss und in die Küche stolzierte. Guillermo folgte ihr.

„Du kannst nicht wieder gehen. Es gibt dein altes Leben nicht mehr, gewöhn dich endlich dran und hör auf mir die Ohren voll zu jammern.“, raunte Josef mit einem kleinen Augenrollen.

Mick seufzte leise auf, als Zara ihre Fingerspitzen über seinen Unterarm gleiten ließ und seine Hand ergriff. Er sah zu ihr und zwinkerte ihr zu. Sanft hielt sie sich an ihm fest.

Logan lief durch die Wohnung, kontrollierte das Überwachungssystem und klatschte schließlich in die Hände.

“Der Raum ist Wanzenfrei...“, verkündete er stolz.

“Das beruhigt mich ... weniger beruhigend finde ich dein Überwachungssystem. Was weiß ich schon, was du für schmutzige Fantasien auslebst.“, murmelte Zara mit einem Augenrollen und löste sich wieder von Mick. Sie entzündete ein Feuer im Kamin und warf einen Blick nach draußen.

Die Dunkelheit hatte sich über LA gesenkt und so leuchteten nur die zahlreichen Lichter der Hochhäuser, erstrahlten schier in unterschiedlichen Farben. Die Bewohner der Stadt stürzten sich ins Nachtleben, ohne zu ahnen, wer, oder was draußen auf sie lauerte.

„Ich würde dich nie ausspionieren.“, versicherte Logan, zeigte aber ein deutliches, schelmisches Lächeln. Zara ließ sich neben Henry nieder, der für ein paar Sekunden wie gebannt auf ihren Bauch starrte, in dem der Neugeborene deutlich den Herzschlag des Säuglings wahr nehmen konnte.

„Denk auch nur dran und du wirst deinen Kopf verlieren.“, knurrte Mick, der sich auf der anderen Seite von Zara nieder ließ.

Josef sank mit einem kleinen Seufzen in den Sessel und Logan sprang auf das Sofa neben Henry, der jetzt lieber an die Decke starrte. Guillermo und Lisa kehrten mit einem großen Tablett zurück. Filigrane Weingläser waren gefüllt mit der dunkelroten Flüssigkeit, die einem jedem Vampir das Wasser im Mund zusammenlaufen ließ. Sie nahmen auf dem Sofa gegenüber Platz, nachdem sie die Gläser verteilt hatten. Für ein paar Sekunden herrschte ergriffene Stille, ehe die blonde Vampirin seufzte.

„Ich kann es immer noch nicht fassen, dass wir alle wieder hier sind. Am Leben und wohlbehalten... wer hätte gedacht, dass das eines Tages wieder wahr wird.“, lächelte sie und sah sich in der Runde um. Leider war der Clan nicht mehr vollzählig. Schmerzlich vermisste sie Tess, Gabriel, Thomas und all die anderen. Doch wenigstens waren sie hier und jetzt machte sich endlich wieder ein hoffnungsvolles Gefühl in ihr breit. Guillermo strich ihr sanft über die Schulter und schenkte seiner Partnerin ein liebevolles Lächeln.

„Stimmt. Nach deinem Alleingang war ich der festen Überzeugung, dich verloren zu haben.“, sprach Zara und wandte sich an Mick, der schuldbewusst sein Haupt senkte.

„Das ist doch jetzt alles unwichtig.“, meinte Josef mit einem Mal. „Wir haben weitaus wichtigeres zu besprechen.“ Er war nach wie vor das unangefochtene Clanoberhaupt und als solches hatte er keine Zeit um sich über so was zu freuen. Viel mehr beschäftigten ihn die wesentlichen Dinge und das nicht erst seit seiner Rückkehr nach Los Angeles.

Alle schwiegen und guckten Josef einfach nur an, der auch sofort weitersprach. „Mick, was ist passiert, während deiner Zeit bei Lance?“, wandte sich Josef an seinen besten Freund. Mick schürzte seine Lippen und starrte auf den Glastisch vor sich. Das Glas mit dem Blut hielt er unberührt in seiner Hand.

„Mick?“, fragte Zara leise nach, denn sie konnte ganz genau sehen, dass die Erinnerung ihn gerade quälte.

„Hört zu. Ich kann mich zwar wieder an alles erinnern, aber es gibt Dinge, die ihr nicht wissen müsst. Lance hat viele Dinge mit meinem Blut und mit mir gemacht. Ich habe es einer Sekunde der Unaufmerksamkeit zu verdanken, dass ich fliehen konnte... und alles Weitere ist nicht von Bedeutung für unser Unterfangen. Es würde uns alle nur unnötig belasten, also bitte, bohrt nicht weiter nach, sondern lasst es einfach darauf beruhen.“, sprach Mick und ergriff sein Glas.

Er wollte sich nicht mehr daran erinnern. Nicht mehr an die Qual und die Pein denken.

„Du hast Feuer gelegt?“, fragte Josef nach, der wenig begeistert von der distanzierten Antwort seines besten Freundes wirkte.

„So in der Art ... Coraline hat Feuer gelegt.“

Jetzt sahen ihn alle irritiert an. „Sie und Lance haben ihren Vater zu Fall gebracht. Jetzt herrschen Coraline und Lance. Ich weiß nicht was sie vor haben, doch sie sind im Begriff eine Armee aufzustellen. Wesen, die tagsüber Menschen und nachts Vampire sind.... ich war ... sagen wir ein Prototyp.“, murmelte Mick und strich sich durch die Haare.

„Ich versteh hier gar nichts.“, stieß Henry mit einem Mal aus und zog alle Blicke auf sich.

„Du musst auch nichts verstehen, solange du deinen Mund hältst und uns in Ruhe lässt.“, brummte Josef.

Logan seufzte. „Es ist alles kompliziert.“, murmelte er und sah wieder zu Mick.

„Wenn du der Prototyp warst, hast du dann nicht unsere beste Chance sie zu besiegen zur Nichte gemacht, indem du dich auf Henry gestürzt hast?“, warf Guillermo ein.

Mick hob seine Schulter. „Ich hatte einen Defekt. Mein Geist hat anscheinend die zwei unterschiedlichen Wesen nicht trennen können und so kam es zu der ständigen Beeinflussung... ich konnte es nicht steuern, wann ich geswitcht bin...“, seufzte er auf.

„Du warst es ...“, rief Henry heißer und saß kerzengerade auf dem Sofa.

„Was war ich...?“

„Du hast Jamie umgebracht. Nicht wahr?“

Mick sank etwas im Sofa zurück. Jamie ... das war der Junge, der vor seiner Haustür ums Leben kam. Tief und zitternd holte er Luft, bevor er etwas nickte. Henry schüttelte seinen Kopf. „Was ist das hier nur für eine Scheiße...!“, stieß der Barkeeper aufgebracht aus und erhob sich. Das Glas fest umklammert schritt er zu dem gigantischen Fenster und starrte hinaus auf die Stadt. Seit seiner Ankunft in LA konnte er noch weniger glauben, was ihm passierte, als zuvor. Das alles war so schrecklich surreal und so falsch! Er wollte nur noch nach Hause. Nach England.

Josef rollte mit seinen Augen. Diese ganze Situation schmeckte ihm so gar nicht. „Also stellt Lance eine Armee auf. Wirklich toll... genauso habe ich mir mein Vampirdasein immer vorgestellt.“, murmelte er pikiert vor sich hin. Mit einem Mal stutzte Josef und sah auf den Bauch von Zara. „Vielleicht haben wir ja noch einen anderen Prototypen.“

Zara und Mick starrte ihn entrüstet an.

„Vergiss es!“, keifte Zara, wirbelte herum und lief schon die Stufen nach oben. Die Angst um ihr Ungeborenes war allgegenwärtig und jetzt, da selbst Josef solche Gedanken äußerte, konnte sie doch niemandem mehr vertrauen! Mick sah ihr verwirrt nach und atmete tief durch. „Halt das Kind raus. Wir müssen es schützen ... im übrigen haben wir größere Probleme.“, seufzte Mick und strich sich fahrig durch die Haare.

„Ach noch größere? Und welche...?“, Logan wirkte entrüstet.

„Die Auferstehung von Lilith steht unmittelbar bevor ... sagte Lance.“

Alle Vampire starrten Mick an.

„Wer ist Lilith?“, fragte Henry, der all das hier gar nicht verstand.

„Die Mutter aller Vampire ... der Urvampir.“, murmelte Josef und leerte sein Glas in einem Zug. Das waren Informationen, die er gerade so gar nicht gebrauchen konnte und auch die anderen schwiegen bestürzt.

 

III. Blut, Tränen & Leben - Clanzusammenführung

„Das heißt also, dass wir uns nicht nur gegen den durchgeknallten Lance verteidigen müssen, sondern wenn alles ganz blöd läuft, auch noch gegen Lilith?“, fragte Guillermo trocken nach. Das Entsetzen stand ihm direkt ins Gesicht geschrieben und genau wie die anderen war er einfach nur geschockt von dieser Information.

Es gab viele Legenden, die sich um die mysteriöse Gestalt von Lilith rankten. Sie, die Ursprungsvampirin. Sie, die Frau die gegen Adam und Gott kämpfte und von Eva enttäuscht wurde. Sie, die Gefährtin des Teufels. Das meiste waren sicher nur Legenden oder Geschichten, die um sie herum gesponnen worden waren, doch eines wusste jeder: Sie war das erste Wesen der Nacht und jene, die den ersten, unsterblichen Vampirclan gründete. Noch heute gab es Anhänger ihres Clans, Vampire, die seit so vielen tausenden Jahren lebten und nur auf die Rückkehr der Königin warteten.

„Ich glaube das sich alles nur um Lilith dreht.“, begann Mick und legte seine Stirn in tiefe Falten.

„In wie fern?“, zog Josef eine Augenbraue in die Höhe und begutachtete seinen besten Freund kritisch.

„Ich glaube Lance ist ein Anhänger des ersten Clans.“

Zara schüttelte ihren Kopf. „Diesen Clan gibt es nicht wirklich und auch Lilith ist eine Märchengestalt.“

„Kann mich hier mal irgendjemand aufklären…“, warf jetzt Henry ein, er von allen einen vernichtenden Blick zugewarfen bekam.

„Was ist, wenn die Geschichten gar keine Geschichten sind, sondern Lilith wirklich existiert…“, kam besorgt über die Lippen von Logan, der die ganze Zeit sehr unruhig hin und her rutschte und sein Glas schon lange geleert hatte.

Schweigend sah Mick in die Runde. Guillermo starte zu Boden, drückte die Hand von Lisa und knirschte mit seinen Zähnen. Josefs Blick war gen Decke gewandert, sein Gesicht angespannt, wutverzerrt. „Wenn es wirklich so ist, dann wird sie das Selbe Ziel haben wie vor so vielen Jahrhunderten…“

„Du warst dabei, als sei Gestürzt wurde, oder?“, fragte Mick leise nach.

Josef nickte. „Es ist jetzt fast 400 Jahre her…“

„Weshalb wurde sie gestürzt?“, kam eine berichtigte Frage von Henry.

„Lilith regierte viele tausend Jahre über die Vampirgemeinschaft. Im Schatten, im Dunkel der Nacht sorgte sie sich stets um die Gemeinschaft, achtete darauf, dass es nicht zu viele Anhänger gab und führte ein eisernes Regiment. Jedoch fanden die Menschen nach und nach einen Vampir. Darunter ihr Geliebter … er wurde auf grausame Weise hingerichtet und so begann die Hetzjagd auf Vampire, Hexen und andere Wesen. Lilith hat diesen Schmerz nie verkraftet. Willkürlich erschuf sie Neugeborene und überließ diese ihrem Schicksal. Die Vampire, die in dieser Zeit zu ihrem engsten Vertrauenskreis zählten, waren damit beschäftigt sich der Neugeborenen anzunehmen, doch sie versagten. Eins gab es nur wenige Vampire. Rasend schnell breitete sich alles wie eine Epidemie aus. Aus wenigen wurden hunderte und aus hunderten tausende! Überall auf der Welt und überall waren sie ohne Erzeuger…“

„Wann war das?“, fragte Logan mit einem Mal.

Mick räusperte sich. „Es gibt einen Grund, warum das finstere Mittelalter so finster war… kennst du die Geschichten nicht.“

„Lass mich weiter reden.“, mahnte Josef und sogleich verstummten die Anderen.

„Lilith führte Krieg gegen die Menschen, trachtete nach Rache und war der festen Meinung, dass die Zeit der Menschen als Herrscher der Welt beendet war. Nur als Nahrung der Vampire sollten sie überleben dürfen, doch sie war es, die den Königsthron über die gesamte Welt einnehmen wollte. In ihren Reihen kam es zu einer Rebellion. Viele Vampire erhoben sich gegen sie, schlossen sich zu kleinen Gruppen zusammen und bekämpften Lilith. Es folgten die wohl schlimmsten Schlachten der Vampire. Ich wurde im Laufe dieses Konfliktes ebenfalls verwandelt und ein Anhänger jener Rebellion, die der wohl größte Feind von Lilith war. Ich kann dir nicht genau sagen, wie lange die Schlacht dauerte, denn auf einmal endete alles.

Einem Vampir war die Tötung von Lilith gelungen…

Es folgten Zeiten der Unruhe, der Neuorientierung und schließlich kam die Geburtsstunde der Gesetze, die auch noch jetzt unsere Welt regeln. Das Bündnis der Cleaner wurde geschlossen und seit dem leben wir versteckt unter den Menschen.“, führte Josef seine Geschichte zu Ende.

Mick atmete tief durch. Zara rutschte auf ihrem Platz hin und her, räusperte sich schließlich. „Ist das eigentlich möglich? Jemanden zurück zum Leben zu erwecken…“

„Es gibt mehr zwischen Himmel und Erde, als man manchmal glaubt.“, antwortete Mick und legte seine Hand auf ihren Bauch.

„Aber mal ehrlich! Was bedeutet das für uns??“, rief Lisa, die sich schutzsuchend an ihren Gefährten kuschelte. Der Spanier hielt sie im Arm und nickte sachte. „Sie hat Recht: Was bedeutet das für uns. Können wir uns auf einen neuen Krieg einstellen?“

Josef lehnte sich zurück. „Natürlich. Jetzt beginnt alles Sinn zu machen!“ Er schlug sich mit einem leisen Klatschen gegen die Stirn.

„Erleuchte uns.“, bat Logan brummend.

„Deshalb hat Lance Clan die Menschen, die den Vampiren zugeneigt waren getötet. Es ist die erste Angriffswelle. Die Verbündeten auslöschen! Genau so war es vor 400 Jahren!“, stieß er aus und fuhr in die Höhe.

Mick nickte. „Lance will die Menschheit versklaven.“, seufzte er auf.

„Na wunderbar. Wir haben ja auch sonst keine Probleme.“, murmelte Zara und sah wieder in die Runde.

„Und was jetzt?? Wie sollen wir mit diesen Informationen umgehen?“, Guillermo legte seine Fingerspitzen aufeinander und lehnte sich zurück.

„Wir müssen die Cleaner informieren…“, antwortete Mick.

„Und wir werden einen stabileren Clan gebrauchen…“, fügte Josef hinzu. „Mit einem Neugeborenen und einer Schwangeren lässt sich nicht sonderlich gut in den Krieg ziehen.“

Zara legte ihre Stirn in Falten.

„Hast du da jemand bestimmtes im Sinn?“

„Nayla und ihre Anhänger. Sie ist eine der ältesten Vampire und sie war damals dabei. Wir können ihre Hilfe brauchen.“, nickte Josef entschieden.

„Was läuft da zwischen euch?“, fragte Logan nach.

Niemandem war die Art und Weise des Umgangs von Nayla und Josef entgangen. „Das geht dich nichts an.“, wehrte Josef ab und schüttelte energisch seinen Kopf.

Micks Hand wanderte über Zaras Bauch. „Wir werden Hilfe brauchen, nicht wahr.“, sprach er ruhig, woraufhin sie nickte. „Hältst du es für eine gute Idee?“, fragte er weiter und wieder nickte Zara. „Eine Clanzusammenführung… dennoch brauchen wir noch andere Anhänger, Josef. Wir können uns mit einer Handvoll Vampire nicht in den Krieg gegen den Orden von Lilith stürzen.“

Nachdenklich rieb sich Josef über das Kinn und lief unruhig durch das Wohnzimmer. „Je mehr Clanmitglieder, desto auffälliger unser Vorhaben. Ich bin dafür es klein zu halten und lediglich jene in den Clan zu lassen, denen wir vertrauen. Nicht das uns nochmal sowas geschieht, wie damals bei Gabriel.“

Mick sah auf. „Gab hat uns nicht verraten…“

„Aber Lance und Verräter bleibt Verräter.“, sprach Josef eisern.

Die Vampire sahen einander an. „Du bist unser Anführer, Josef und wir werden tun, was du für das Beste hältst. Wenn es die Clanzusammenführung mit Nayla und ihren Verbündeten ist, und mit sonst Keinem, dann vertrauen wir dir. Dennoch sollten wir die Cleaner unterrichten, auch auf die Gefahr hin, dass sie unterwandert wurden.“, sprach Mick zustimmend.

Josef fuhr sich durch die Haare.

„Dann … lasst uns doch mal Nayla und ihrer Familie einen kleinen Besuch abstatten und sie über all das in Kenntnis setzen. Logan und Henry, ihr begleitet mich.“, befahl Josef, woraufhin die Anderen sich etwas verwirrt ansahen. Deshalb fuhr Josef sofort weiter: „Zara, nimm es mir nicht für übel, aber wir können es nicht riskieren, dass dir etwas und dem Kind etwas passiert. Uns dürfte doch allen klar sein, was deine Schwangerschaft bedeutet.“

Sie nickte. „Lance wird das Kind nicht bekommen…“, murmelte sie leise.

„Ganz genau. Deshalb bleibst du mit Mick, Guillermo und Lisa hier…“, lächelte Josef. Er leerte noch eilig sein Glas und verließ mit den anderen beiden Vampiren die Wohnung.

Zara schluckte und lehnte ihren Kopf an Micks Schulter. „Ich habe Angst.“, flüsterte sie leise.

„Brauchst du nicht. Ich pass auf dich auf.“, gab Mick leise zurück und hauchte ihr einen Kuss auf den Haarschopf.

 

III. Blut, Tränen & Leben - Doppeltes Glück

Die Villa lag in der Dunkelheit der Nacht vor ihnen. LA schlief zu jenen Stunden tief und fest. Nur jene Kreaturen waren wach, die Nacht bevölkerten. Die Vampire. Josef klingelte und wartete vor dem großen, silbernen Tor.

Logan hatte eine Augenbraue in die Höhe gezogen und sah Josef fragend an.

“Was ist??“, fragte dieser ein wenig gereizt.

„Wie kommt es, dass offensichtlich ein Haus existiert, bei dem das Tor aus Silber ist... das ist der beste Vampirschutz, oder ein Gefängnis, je nachdem....“, gab Logan misstrauisch zurück.

“Es ist eines meiner Häuser. Nayla und ihre Familie haben schließlich einen Ort zum Übernachten gebraucht.“, antwortete Josef mit einem kleinen Schulterzucken.

Das Tor gab ein leises Surren von sich und schwang schließlich mechanisch auf. Josef nickte zufrieden und schritt los.

„Sie ist deine Macherin, oder?“

„Ja...“ Josef’ Antworten beschränkten sich wie so oft auf das Nötigste.

Logan schnalzte mit der Zunge und pfiff anerkennend durch die Zähne, als die beiden Männer über das Anwesen schritten. Es ließ wohl keinerlei Wünsche offen. Pool samt Poolhaus, einem großen Garten und vielen anderen Sachen, die sich sonst nur die Highsocity leisten konnte. Logan nickte einmal anerkennend und beeilte sich um Josef nach drinnen zu folgen. Damien erwartete sie bereits. Der große Mann stand wie eine Art Bodyguard vor der Tür und musterte sie abschätzend, bevor er zur Seite trat und Josef einließ.

„Nayla ist in der Lounge und erwartet dich bereits.“, brummte der Mann und schloss die Tür sofort hinter Josef und Logan.

„Kommt es nur mir so eigenartig vor, oder leidet Nayla unter leichter Verfolgungsangst?“, wisperte Logan leise und legte seine Stirn in tiefe Falten.

„Sie hat allen Grund dazu.“, zuckte Josef mit seinen Schultern.

Logan blinzelte. „In wie fern?“

„Sie ist eine der ältesten Vampire. Manch einer munkelt, dass sie während der Zeiten der großen Königin geboren wurde und eins Jesus begegnet ist. Viele Mythen ranken sich um ihren Namen. Sie ist eine sehr … liebevolle Macherin, lässt nur selten Vampire entstehen und kümmert sich stets um diese. Solch Vampire wie Nayla gibt es selten und so trachten ihr Viele nach dem Leben. Damien und André begleiten sie seit Jahrhunderten und auch ich war fast zweihundert Jahre bei Nayla…“, erzählte Josef ein wenig von seiner Vergangenheit.

„Wieso hast du dich von ihr getrennt?“

„Es war an der Zeit. Nayla lebte als Nomadin, wanderte von Ort zu Ort und ich wollte einen festen Wohnsitz. Aus dem Grund war ich zuerst lange in Chicago und später in Los Angeles. Es hat alles seine Zeit Logan. So wird sich auch dieser Clan auflösen, wenn wir Lance besiegt haben. Danach wird jeder wieder seines Weges ziehen…“, seufzte Josef.

Die kleine Zoe schlenderte den Gang entlang. „Hi….“, wisperte sie schüchtern und warf den beiden Männern ein kleines Lächeln zu. „Nayla wartete schon.“ Ihr Blick wanderte zu Logan. Sogleich wurde das zierliche Mädchen puterrot, senkte ihr Haupt und lief eilig weiter. Logan kratzte sich am Hinterkopf und sah ihr mit einem kleinen Schmunzeln nach. Er war gerade ebenso verlegen.

Josef rollte mit den Augen und stieß die Tür in die große Privatlounge auf. Eine Bar prangte in der Mitte des Raumes. Nayla saß mit überschlagenen Beinen am Tresen und nippte an einem Gläschen Blut. Als sich Josef bemerkte, begannen ihre Augen zu leuchten.

„Ich hatte gehofft, dass du kommst.“, lächelte sie und schwang ihre langen Beine vom Barhocker um auf sie zu zu kommen.

„Tja, wir kommen nicht zum Vergnügen hier her, aber das denkst du dir sicher …“, meinte Josef und gab ihr links und rechts ein kleines Küsschen. Logan zuckte mit seinen Schultern. Er hatte sich noch nie recht mit der Bussi-Bussi-Gesellschaft arrangieren können und so hob er zum Gruße nur seine Hand.

„Ich weiß warum du hier bist und erlaube mir, ich habe bereits erste Schritte in die Wege geleitet.“, sprach Nayla und deutete in die Richtung einer Gestalt, die in einer Ecke stand.

Logan lupfte seine Augenbraue nach oben.

Eine Cleanerin …!

Josef nickte und deutete auf den Tisch. „Dann lasst uns verhandeln, wenn wir unsere Vampirwelt retten wollen. Ich nehme an, du hast bereits die Oberen informiert.“

Nayla nickte. „Unsere Führer schicken einen Botschafter. Wenn Lance seinen Plan in die Tat umsetzen will, muss er sich auf einen folgenschweren Krieg gefasst machen… es werden Viele sterben und umso wichtiger ist es, jetzt einen stabilen Clan zu gründen.“, sprach die blonde Vampirin und beobachtete Logan und Josef. Jeder ahnte bereits, was auf sie zu kam.

 

 

Anders verhielt es sich in der kleinen Wohnung, in der von den Plänen noch nichts geahnt wurde…

Mick stand eine ganze Weile eng umschlungen mit Zara in ihrem Schlafzimmer. Er hielt sie fest, versucht ihr ein Stückchen der lähmenden Angst zu nehmen, auch wenn er es nicht ganz vermochte. Der Vampir atmete tief durch, lauschte dem Herzschlag seines ungeborenen Kindes, dem Ticken der Uhr an der Wand und dem leisen Schwirren der Menschenstimmen von der Straße. Die Welt um ihn herum lief weiter und doch sehnte er sich im Moment nur noch nach Stillstand, danach, dass bald schon alles zu Ende war und er glücklich mit Zara und seinem Kind leben konnte. Er atmete tief durch. Die Veränderung war unaufhaltsam.

Langsam löste er sich von Zara, strich ihr mit dem Daumen die letzten paar Tränen aus dem Gesicht und ging vor ihr in die Hocke. „Was meinst du was wir bekommen ...?“, fragte er leise nach und strich ihr Oberteil beiseite, um ihren Bauch in Augenschein zu nehmen.

„In meinem menschlichen Leben gebar ich zwei Söhne ... es wird langsam Zeit für eine Tochter, wobei ... ich glaube die Welt wird schon schwer genug, da wäre ein weiterer Junge auch nicht unbedingt schlecht.“, seufzte Zara und bemerkte mit einem Mal das Stirnrunzeln von Mick.

„Was ist los?“, fragte sie besorgt nach.

Mick schüttelte seinen Kopf, legte seinen Hände auf ihre Seiten und platzierte sein Ohr auf ihrem Bauch. „Kannst du es nicht hören?“

„Den Herzschlag des Kindes? Doch ... schon die ganze Zeit...?“, Zara wirkte sogleich irritiert, was sich auch deutlich in ihren Gesichtszügen abzeichnete.

„Nein, das mein ich nicht. Sondern das Echo ... da ist  noch ... ein zweiter Herzschlag??“ Er sah zu ihr nach oben. Zara blieb der Mund offen stehen.

„Zwei??“, wiederholte sie starr.

Mick horchte nochmal an ihrem Bauch. „Einen Ultraschall können wir nicht machen oder...? Wobei ich schwören kann, dass ich zwei Herzen höre. Das Eine nur sehr viel leiser. Es wird geradezu übertönt.“, murmelte er leise und strich über ihren Bauch.

„Es sind Zwei, Zara ... wir bekommen Zwillinge.“, staunte er nicht schlecht und sah wieder zu ihr auf. „Hast du gehört, wir wurden mit zwei Kindern gesegnet.“ Er lachte, sprang auf seine Füße, schlang seine Arme um Zara und wirbelte die junge Frau einmal herum. Sie wirkte perplex und verhalten.

„Heyyy.“ Mick stellte sie wieder auf die Füße und platzierte seine Hände erneut auf ihren Wangen. „Love, du musst keine Angst haben, denn ich bin hier um auf dich und die Zwillinge aufzupassen. Hör auf solche Angst zu haben, sondern freue dich. Unsere Kinder haben das verdient und ich bin sicher, sie werden es bei uns gut haben.“

Zara nickte und ein kleines Lächeln blitzte auf ihren Zügen auf.

III. Blut, Tränen & Leben - Außer...

Zara hockte neben Lisa, als die Tür hinter Mick und Guillermo ins Schloss fiel.

„Hältst du das wirklich für eine gute Idee hier alleine zu bleiben?“, fragte Lisa leise und rutschte besorgt auf dem Sofa hin und her.

„Mick muss auf der Ratssitzung erscheinen und im Moment kann er nicht alleine gelassen werden. Du weißt, dass Lance ihn will … und sollte Coraline hier wirklich auftauchen, kann ich mich verteidigen und ich weiß, dass du auch eine hervorragende Kämpferin bist.“, sprach Zara mit einem kleinen Lächeln.

Ihre Finger wanderten über ihren Bauch. Sie musste jetzt stark sein! Für ihre beiden Kinder!

„Ich frage mich manchmal, was passiert wäre, wenn ich mich nie freiwillig für diesen Clan gemeldet hätte.“, seufzte Lisa und lehnte sich zurück. Sie wirkte traurig. Nachdenklich und traurig.

„Dann hättest du wohl niemals Guillermo gefunden.“

Lisa sah auf und begann ein kleines bisschen zu Lächeln. „Oh ich liebe ihn so sehr… ich hätte das nie für möglich gehalten. In all meiner Zeit als Vampir hab ich mich nie verliebt und jetzt ist es um mich geschehen.“, atmete sie tief durch und strich sich durch die langen blonden Haare.

„Und das ist doch auch gut so. Ihr seid glücklich miteinander und ich weiß, momentan ist alles dunkel und grau, aber es wäre doch gelacht, wenn wir diese paar Wolken nicht auch noch vertreiben könnten. Ich bin schwanger und das, hätte ich niemals für möglich gehalten.“

Lisa warf einen Blick auf ihren Bauch. „Hast du nicht Angst?“

„Vor was…?“

„Das es ein Mensch ist.“

Tiefe Falten bildeten sich mit einem Mal auf Zaras Stirn. „Wie … wie meinst du das?“

„Na ja, was ist, wenn es kein halber Vampir ist… du kannst doch dein Kind nicht verwandeln, oder es erwachsen werden lassen und dann verwandeln… ist das nicht … vermessen, einem Kind die Zukunft zu nehmen.“, sprach Lisa ganz ehrlich.

Zara erhob sich jäh. Darüber hatte sie noch nie nachgedacht. „Es werden Zwillinge …“, nuschelte sie leise.

„Das eine hat mit dem anderen nichts zu tun.“, seufzte Lisa.

Zara schluckte schwer und schüttelte abwehrend ihren Kopf. Sie konnte und wollte jetzt nicht daran denken! Erst mal mussten die Kinder gesund auf die Welt kommen, bevor über ihre Zukunft nachgedacht wurde…

„Du klingst so ... verhalten.“, meinte Zara und hob ihren Blick. Fragend sah sie Lisa entgegen und hob ein wenig skeptisch ihre Augenbraue.

„Ich wenn die Chance hätte ein Kind mit Guillermo oder einem anderen Vampir zu bekommen, ich würde es nicht tun.“, zuckte Lisa mit ihren Schultern.

„Wieso?“, wollte Zara ganz ehrlich wissen. Sie verstand nicht recht, was gegen ein Kind sprach. Es grenzte doch eher an ein Wunder, oder besser gesagt, es war ein Wunder, dass sie mit einer Schwangerschaft gesegnet war.

„Das Baby wird irgendwann größer werden, älter, reifer... ein Teenager und vielleicht dann irgendwann ein erwachsener“

„Ja und...?“

„Und was werdet ihr? Ihr seit erstarrt. Ihr werdet weder älter, noch verändert ihr euer Aussehen. Zugegeben, das ist hervorragend für euer Aussehen, aber wie werden eure Kinder leben? Meinst du sie verstehen das, können das ihren Freunden erklären. Ihr könnt niemals mit ihnen ins Schwimmbad oder ans Meer fahren. Wenn du mich fragst ist das kein Leben, dass ein Kind verdient hat.“, beendete Lisa ihre etwas ausschweifende Erklärung.

Zara schwieg und starrte stumm vor sich hin. Ihr Blick glitt in die kleinen Flämmchen, die im Kamin züngelten.

„Die Zwillinge sind ein Geschenk für mich und Mick.. Wir werden die Zwei nicht aufgeben, dazu lieben wir sie jetzt schon viel zu sehr und diese Liebe kannst du als kinderlose Frau nicht begreifen.“, sprach Zara ernst und erhob sich. Sie brauchte eine kleine Abkühlung, weshalb ihr Weg nach oben in die Glasdusche führte. 

 

Josef fing Mick vor der Tür zur Lounge ab.

„Hör mir jetzt gut zu, wir haben nicht so viel Zeit.“, mahnte er seinen besten Freund.

Sogleich wanderte Micks überaus besorgter Blick zu ihm. Der Hohe Rat nahm an dieser Versammlung teil und das, wo bislang kaum ein Vampir jene Führer zu Gesicht bekommen hatte. Eine große Ehre? Oder der erste Schritt in die Verdammnis? Mick konnte das nicht wirklich zuordnen, weshalb er mit einem schweren Seufzen langsam nickte.

„Du darfst ihnen weder ins Gesicht und erst recht nicht in die Augen schauen. Hast du mich verstanden, denn das ist verdammt noch mal die wichtigste Regel!“

“Aber wieso...?“, warf Guillermo ein, der nur ein paar Schritte hinter Mick stand und dementsprechend verwirrt drein sah.

„Ganz einfach: Sie sind Vampire der ersten Spezies und angeblich hat sich die Fäulnis in ihre Gesichter geschlichen, seit sie das Verlangen nach Sonne getestet haben. Reiz es nicht aus, Guillermo. Wir haben hohe Gäste und vielleicht haben wir eine Chance darauf diese Schlacht gegen Lance zu gewinnen, denn laut den Cleanern ist es durchaus realistisch, dass schon sehr bald eine zweite Angriffswelle folgt, um die Menschheit den Vampiren zu unterwerfen.“, sprach Josef und strafte seine Schultern.

Mick trat an ihm vorüber, wurde aber nochmal aufgehalten. Josef stand ganz nah an ihm, flüsterte nur leise in sein Ohr. „Erwähne Zara nicht ... und erst Recht nicht das Ungeborene. Wir können niemals sicher sein, dass der Hohe Rat das Kind nicht für seine eigenen Zwecke missbraucht und mit ihm Dinge versucht...“, flüsterte er mahnend.

Mick sparte sich zu erwähnen, dass er Zwillinge bekam. Stattdessen nickte er ein kleines bisschen und schluckte schwer. Seine Hand ruhte auf dem Türknauf und schon senkte er sein Haupt. In geduckter Haltung schritt er in den Raum hinein und augenblicklich überkam ihn ein Brechreiz. Die Fäulnis in diesem Raum war unbegreiflich. Beinahe so, als läge man auf einer alten, modrigen Leiche, auf der die Tierwelt herumkroch und sich gerade ernährte.

Josef verpasste Mick einen kleinen Schubs und schon gingen die Vampire – einschließlich Guillermo – in die Knie.

„Mick St. John.“, ertönte eine kühle Stimme.

„Mylord.“, wisperte Mick.

„Ihr seit also der Vampir, der derzeit in aller Munde ist. Jener Auserwählte, dessen Blut eine ganz besondere Bedeutung haben soll. Du sollst ein Gegenmittel in die Tragen, doch, wenn ich nicht recht irre bist du ein Vampir.“, fuhr die Stimme fort.

Deutlich fühlte Mick den schweren Blick auf ihn laste. Er schluckte erneut und nickte.

„Jawohl, Mylord. Jedoch befand ich mich zwischenzeitlich zwischen den ... Welten. Ich war mal Mensch, mal Vampir, doch ich habe mich für eine Seite entschieden.“, sprach Mick und fixierte einen Punkt auf dem hellen Birkenboden.

„hmm, lass uns deine Beweggründe wissen.“, befahl der Sprecher des Hohen Rates.

„Es ist leichter Vampir als Mensch zu werden. Außerdem ... muss ich meinen Clan beschützen und was bin ich für ein Clanmitglied, wenn ich nicht mal auf mich selber aufpassen kann und Gefahr laufe, jeden Moment von Lance und seinen Konsorten gefangen zu werden?“, antwortete Mick ruhig und versuchte dabei so sachlich wie möglich zu bleiben. Natürlich vermied er es von Zara zu sprechen und so blieb ihm nur zu hoffen, dass seine Antwort geduldet wurde.

Eine eisige Stille legte sich über den Raum. Kein Geräusch. Kein Herzschlag. Kein Wispern. Es war die bloße Stille, die alle für ein paar Sekunden aushalten musste.

„Nun. Mr. Kostan erwähnte Eingangs bereits, dass uns ein Krieg bevor steht.... wie darf ich das verstehen?“, fragte mit einem Mal eine weibliche Stimme.

Micks Kopf bewegte sich zwar ein Stück, doch er starrte lieber weiterhin auf den Boden. „Ich war in Gefangenschaft und ich hörte ein Menge Gespräche. Es dreht sich alles um die Rückkehr von Lilith... ihre Auferstehung steht uns unmittelbar bevor.“, raunte Mick leise.

Wieder herrschte Stille. „Das ist unmöglich.“, wisperte der Mann mit einem Mal.

„Außer ...“, sprach die Frau.

Mick sah auf und starrte zu den drei Ratsvorsitzenden. Ihre Gesichter waren alt, uralt, eingefallen und ausgemergelt. Fast grau schimmerte die faltenbestückte Haut. Ihre Augen waren rot wie der Tod und sofort durchzuckte Mick ein unangenehmer Schauer. „Verzeiht...“, murmelte er, sprach aber sofort weiter. „Was meint Ihr mit ‚Außer’?“

Der Dritte im Bunde räusperte sich.

„... außer Lance ist mit einem Nekromanten im Bunde....“

“Nekromant?“

„Ein Beschwörer des Todes... eine Hexe, wenn du so willst....“

Guillermo räusperte sich. „Es gibt Hexen?“, kam fast schon spöttisch über seine Lippen.

„Nein. Eigentlich nicht, denn wir haben dafür gesorgt, dass sie bereits vor Jahrhunderten ausgerottet wurden. Jene Hexen waren eins im Bund mit Lilith... sie beschworen tote Wesen, machten sie gefügig und arbeiteten mit ihr zusammen.“

Mick schluckte und sah zurück zu seinen Gefährten.

„Ich  meine, wir haben jene beschworenen Wesen bereits gesehen... vor einigen Monaten ... eigenartige Vampire, mehr Kreaturen.“, murmelte Mick und schon wuchs die Sorge.

Wieder legte sich die eigenartige Stimme auf den Raum, ehe sich die Frau des Hohen Rates musterte. „Dann ist es an der Zeit uns für die Schlacht bereit zu machen... Lance hat sich noch nie an die herrschenden Gesetze gehalten und wir alle können nicht riskieren, dass Lilith wieder zurückkehrt. Cleanerin... sende deine Boten aus und sorge dafür das so viele Vampire wie möglich sich bereit machen um mit uns in die Schlacht zu ziehen... sucht nach Lance und seinen Anhängern, bringt sie zu uns und dann wird über jene gerichtet.“, befahl sie.

Ihren Worten war nichts mehr hinzu zu fügen, außer ...

„Mick St. John. Ich möchte gerne alleine mit Dir sprechen.”

Sie erhob sich, rauschte an den gebückten Männern vorbei und verschwand im Nebenraum. Mick blinzelte ein wenig irritiert, hob seine Schultern und folgte ihr.

III. Blut, Tränen & Leben - Mylady

Henry hockte neben André und ließ seinen Blick schweifen. „Irgendwie komm ich mir unnütz vor .... ich wurde nur verwandelt um Mick eine Botschaft zu überbringen und jetzt bin ich hier und habe von nichts eine Ahnung.“, seufzte der blonde Vampir.

„Da bist du nicht der Einzige.“, meinte André und hob seine Schultern. „Ich habe gelernt, dass es recht praktisch ist, sich für nichts zu interessieren, denn letzenendlich blickst du sowieso durch nichts mehr durch.“ Er war da recht praktisch veranlagt, hob seine Schultern und trank seine Milch mit dem Schuss Blut. Henry seufzte abermals auf.

„Was passiert jetzt??“, fragte er nach und diesmal wanderte sein Blick zu Damien, der im Türrahmen lehnte und hinüber zu dem Raum starrte, in dem sich so viele mächtige Vampire befanden.

„Es läuft alles auf einen Krieg raus ... einen Krieg, den Viele von uns wohl nicht überleben werden. Aber ich bin bereit zu sterben... dann hat mein langes Vampirdasein wenigstens einen Sinn.“

„Das klingt echt sehr nobel, aber ich habe Neuigkeiten für dich: Nicht alle sind dazu bereit. Ich bin genau 34 Jahre und ich habe wahrlich keinen Lust jetzt ins Gras zu beißen, nur weil ich auf einmal zum Spielball einer verrückten Mörderbraut wurde.“, knurrte Henry und strich sich fahrig durch das blonde, kurze Haar. Der junge Mann war kurz vorm Verzweifeln.

Damien und André tauschten einen kurzen Blick miteinander, hoben ihre schultern und wandten ihren Blick ab. Von ihnen konnte Henry kein Mitleid erwarten, so viel war gewiss. Henry stieß ein entrüstetes Seufzen auf und erhob sich.

„Darf ich jagen gehen?“, fragte er nach.

Wieder erntete er einen knappen Blick. Die Männer sahen den neugeborenen Vampir mitleidig an.

„Na danke auch.“, brummte Henry und ließ sich wieder an den Tisch sinken. Zoe und Nayla betraten den Raum und sogleich richtete sich jegliche Aufmerksamkeit auf die bildschöne Nayla.

„Wie stellt er sich an?“, wollte Damien wissen und schielte an Nayla vorbei. Logan trat unsicher in den Raum und setzte sich neben Henry. Dem Computerfreak war die Schüchternheit geradezu anzusehen.

„Bislang ganz gut. Der Hohe Rat wird wohl zum Krieg aufrufen.“, seufzte Nayla.

„Ist es nicht das, was wir gewollt haben?“, fragte André skeptisch nach.

„Durchaus, allerdings scheint eine der Drei noch ein anderes Interesse an Mick zu haben. Sie verlangt nach einem vier Augen Gespräch.“, klärte Nayla ruhig auf.

André zog eine seiner geschwungenen Augenbrauen nach oben und begutachtete seine Clanführerin skeptisch.

„Vielleicht seine Zeugungskraft.“, witzelte Damien.

„Sicher nicht, denn davon wissen nur wir hier und das wird auch so bleiben!“, warf Nayla ihm zu. Widerspruch zu geben wäre sinnlos.

Ihr Blick wanderte hinüber zu der geschlossenen Tür, hinter der sich die ältesten Vampire der Welt befanden...

 

Die Vampirdame schloss die Tür hinter Mick, der in einen kleinen Raum – ein kleines Wohnzimmer – getreten war. Sie sahen einander an. Mick seufzte und starrte wieder zu Boden. Ihr Gesicht erfüllte ihn mit einer leichten Angst. Gerade wollte er nur noch weg. Weit weg.

„Stimmen die Gerüchte, die sich um dich ranken?“, fragte sie mit einem Mal nach.

„Welche Gerüchte?“, Mick wirkte skeptisch, hoffte, dass nicht Zara  Teil dieses Gerüchts war.

„Du hast deine menschliche Gefährtin vor Kurzem verloren?“, fragte sie nach.

Mick knirschte mit seinen Zähnen. Seine Wangenpartie arbeitete förmlich, als er ein schwaches Nicken zu Stande brachte.

„Wie war ihr Name...?“

„Beth.“, antwortete er mit einem kleinen, sehnsuchtsvollen Lächeln. Noch immer hatte er sie nicht ganz los gelassen. Er vermochte es einfach nicht, denn sie war ein Teil seines Lebens, seit sie ein ganz kleines Mädchen war. Wieder verließ ein Seufzen seine Lippen.

„Doch du hast eine neue Begleiterin gefunden? Diesmal Eine unserer Rasse?“, kam die nächste Frage.

Oh, Mick gefiel überhaupt nicht, worauf das hinaus lief!

„Ja, Mylady...“

„Ihr Name?“

„Zara.“, antwortete er knapp und schielte noch einmal nach oben. Ihre roten Augen sorgten dafür, dass er seinen Blick lieber wieder schnell abwandte und einen Fleck am Boden fixierte. Möglicherweise Rotwein, tendenziell eher Blut.

„Ich hörte etwas über sie und ich möchte, dass Du mir ehrlich antwortest.“

„Natürlich, Mylady.“, raunte Mick und verneigte sich noch einmal.

„Hat sie ein Kind von dir empfangen?“

„Nein.“, antwortete Mick ohne Umschweife und sah wieder auf.

Ganz bewusst sah er in das Gesicht der jungen Frau, sah sie forschend, prüfend und abwartend an. Auch wenn er Hochverrat beging, musste er Zara und seine ungeborenen Kinder schützen, ganz gleich, was es ihn auch kosten mochte.

„Und du bist dir mit deiner Antwort sicher?“

„Absolut.“

Ein kleines Lächeln umspielte ihre krausen Lippen. „Nun, dann werde ich das so meinen beiden Gefährten mitteilen. Es besteht für mich kein Zweifel an der Glaubwürdigkeit deiner Worte.“, nickte sie und machte kehrt. Mick blinzelte irritiert. Sie blieb noch einmal stehen und sah hinüber zu Mick. „Du wirst in diesem Krieg gut auf deine Gefährtin aufpassen müssen.“, sprach sie zu ihm.

Mick nickte langsam und nun bildete sich auch ein kleines Lächeln auf seinen Zügen.

„Viel Erfolg.“, raunte die alte Vampirin und glitt geradezu aus dem Raum. Erst jetzt erlaubte es sich Mick einmal tief durchzuatmen. Lange Zeit verharrte er noch auf seinem Platz, lauschte den Geräuschen im Haus und dann – endlich! – verschwand der beklemmende Geruch des hohen Rates. Sie verließen das Haus und zogen von dannen.

Josef erschien im Türrahmen.

„Alles klar?“, fragte er leise nach.

„Alles okay.“, nickte Mick.

„Lass uns gehen, der Krieg erwartet uns. Es wurden bereits Botschaften in sämtliche Länder der Welt geschickt und ich bin sicher, dass all jene Vampire kommen werden, denen bereits ein Mensch genommen wurde. Lance wird keinen Erfolg haben, so viel ist gewiss.“, meinte Josef und nickte mit seinem Kopf in Richtung Tür.

Mick setzte sich in Bewegung.

„Wir sollten übrigens hier einziehen.“, zuckte Josef mit seinen Schultern.

„In wie fern?“, blieb Mick stehen.

„Hier ist mehr Platz für unsere neuen Clanmitglieder.“

„Hier können mehrere Vampire Zara verraten und finden. Wir bleiben in meiner Wohnung. Ich habe sie damals nicht ohne Grund ausgewählt und es hat auch einen Grund, warum Zara  unbedingt die Wohnung zurück wollte. Sie ist ein sicherer Ort und genau das braucht sie in den nächsten Wochen und Monaten ganz besonders.“, sprach Mick und ließ keinerlei Widerworte zu.

Josef hob eine Augenbraue, seufzte und zuckte matt mit den Achseln.

„Sie bekommt übrigens Zwillinge.“, murmelte Mick.

„Treffer versenkt würde ich meinen...“, raunte Josef.

„So in der Art.“

Mick seufzte und verließ nun endgültig das Haus. Es wurde Zeit die ersten Kriegsvorbereitungen zu treffen, denn so viel war gewiss: Es würde nicht mehr lange dauern, bis die ersten Verbündeten eintrafen.

 

Zwei Monate waren mittlerweile ins Land gezogen und noch immer fehlte von Lance und seinen Konsorten jegliche Spur. Der sternenklare Himmel an jenem Tag zeigte einen vollen Mond, der LA einen zusätzlichen, schimmernden Glanz verlieh. Bedrohlich legte sich die Nacht über die Stadt. Seit genau zwei Monaten waren das Leben der Menschen auf der einen Seite gefährlicher, auf der anderen sicherer geworden. Hunderte Vampire waren dem Ruf des Hohen Rates gefolgt und machten sich für einen Krieg bereit, um die Menschen zu schützen... leider gab es ein kleines Ernährungsproblem und so musste manch ein Mensch ein paar Liter Blut lassen ... ob freiwillig oder nicht.

Mick und Zara lagen zusammen in der Wohnung und beobachteten den aufgehenden Mond. Fest kuschelte sich Zara an seine Brust und seufzte einmal auf. Sie lagen auf dem Balkon. Micks Blick glitt immer wieder in den Himmel hinauf, während Zara ihm über die nackte Brust strich und ihr Gesicht an seiner Haut vergrub.

„Du musst dich nicht fürchten Zara. Ich pass auf euch auf...“

„Du kannst uns hier nicht ewig einsperren und mittlerweile kann man es nicht mehr leugnen oder vertuschen. Jeder Vampir hört die schlagenden Herzen von den Zwillingen doch sofort.“, seufzte sie auf. Es war eine große Bürde die sie trug. Meistens eingesperrt in der Wohnung, bekam sie nur selten Besuch. Alle Freunde steckten mitten in der Kriegsvorbereitungen und selbst Mick war nur selten bei ihr. Er seufzte auf und strich durch ihre samtig weichen Haare.

„Es ist das Beste so, Zara...“, nuschelte er ihr zu.

Sie nickte. Natürlich war es das, doch das bedeutete nicht, dass es leicht war, ein solches Schicksal zu tragen.

„Ich.. ich muss gehen.... wir wollten uns in der Villa...“

Zara fiel ihm ins Wort. „Bitte bleib doch noch ein kleines bisschen.“, flehte sie ihn innständig an, schlang ihre Arme um seine Hüfte und presste sich regelrecht an ihn. „... ich will nicht immer alleine sein.“

Er atmete tief durch.

„In Ordnung... noch ein paar Minuten.“, räumte er ihr leise ein.

III. Blut, Tränen & Leben -Auf den Spuren des Mythos

Ich (Kain) war allein in der Dunkelheit

und ich verspürte Hunger

Ich war allein in der Dunkelheit

und mir ward kalt

ich war allein in der Dunkelheit

und ich weinte.

 

Mick seufzte auf und rieb sich die Nasenwurzel. Er hatte bereits so viele dutzende von diesen Büchern gelesen. Seit einer halben Ewigkeit befand er sich nun schon in der großen Staatsbibliothek von Los Angeles, wälzte Roman um Roman und verbrachte sowohl Tage, als auch Nächte in der Welt der Mythen und Legenden. Mit ihm auch so viele andere Vampire. Da war die kleine Zoe und der stämmige Damien, Logan – der immer mal wieder heimlich PSP spielte – und ab und an auch Josef. Mit ihnen ein Haufen unbekannter Vampire, die aus aller Welt gekommen waren um zu helfen.

Die Sonne sank dem Horizont entgegen und schien gerade mit den Dächern von Los Angeles zu verschmelzen. Mick beobachtete aus dem großen Fenster das Schauspiel und seufzte erneut auf, bevor sein Blick wieder in das Buch wanderte und er die Legende weiter las. Die Darstellungen von Lilith waren so vielseitig.

Damien gähnte lautstark, rekelte und streckte sich auf seinem Stuhl. Auch er las in einem Buch. Neben ihm hockte Zoe im Schneidersitz. Vollkommen versunken in einen griechischen Mythos, der mit ihrem Unterfangen nur wenig zu tun hatte. Mick sparte sich sie darauf hinzuweisen. Sie waren alle müde und des Recherchierens Leid...

 

Dann sprach zu mir,

eine süße Stimme,

eine Honigstimme

Worte des Beistands

Worte des Trostes

 

Mick guckte wieder in sein Buch und mit einem Mal schienen die Buchstaben förmlich zu einer Masse zusammen zu schmelzen.

„Wir schließen jetzt.“, räusperte sich die Bibliothekarin, die sie Tag um Tag aus den Räumen der Bücherei warf. Sie gingen und kehrten wenige Minuten später durch ein offen gelassenes Fenster zurück.

„Wir gehen gleich.“, raunte Mick und las noch eine kleine Randbemerkung, die irgendwer dorthin gekritzelt hatte. ‚Ich bin alleine in der Dunkelheit’.

Mick hob seine Schultern an und folgte Damien, Logan, Zoe und den anderen Vampiren nach draußen. Die laue Nachtluft hieß die Vampire willkommen. Die Sonne war verschwunden und nun dominierte das schwache Mondlicht den Himmel.

„Wie machen wir es heute Nacht?“, fragte Damien, der sich ausgiebig streckte. „... willst nicht mal du auf die Jagd? Du kannst dich nicht ewig von deinen Blutbeuteln ernähren. Ein wenig solltest du deine Instinkte schon noch beherrschen. Immerhin steht uns ein Krieg bevor.“

Mick seufzte auf. Eigentlich zog es ihn mehr zu Zara oder in die Bibliothek zurück, anstatt auf die Jagd nach Blut, nach Menschen.

„Ich begleite dich auch. Dann können mal die Jungs ohne uns weiterarbeiten.“, sprach Zoe scheu. Die dunklen Augen der Kleinen leuchteten förmlich. Mick rang sich ein Lächeln ab und nickte schließlich.

„Wir sind in einer Stunde wieder zurück – Jonas, du kommst auch bei uns mit.“, befahl Mick.

Der hochgewachsene Vampir aus dem Mittelalter nickte und folgte Mick und Zoe hinein in die Nacht.

Hier und da war das leise Hupen eines Autos zu hören und auch das eifrige Gemurmel und Gewisper der Menschen. Wie ein emsiger Bienenschwarm stürzten sie sich in das Nachtleben, feierten und dachten nicht an morgen! Niemand von ihnen ahnte, dass sie eine mögliche Beute für ein paar Raubtiere waren. Mick schielte hinauf in den Himmel. Er betrachtete den sichelförmigen Mond, fühlte diese Sehnsucht nach Zara und seufzte einmal leise auf.

Zoe räusperte sich leise, weshalb Mick ihr einen fragenden Blick zukommen ließ. „Was gibt’s?“, fragte er mit einem verwirrten Lächeln.

Sie biss sich auf die Unterlippe und trat von einem Fuß auf den anderen.

„Jetzt sag es schon...“, grinste Mick und stupste sie in die Seite.

In einer Seitengasse stürzte eine Mülltonne um. Mick warf einen kurzen Blick in die Richtung, kümmerte sich nicht weiter darum.

„Meinst du ... meinst du Logan mag mich...“, fragte sie leise und schüchtern nach.

Ein warmherziges Lächeln legte sich auf Micks Züge. So lief also der Hase. Aus dem Grund begleitete Zoe sie immer in die Bibliothek, wenn Logan mit dabei war. Da hatte die kleine Vampirin einen Narren an dem Außenseiter gefressen. Er kam nicht umhin darüber leicht zu grinsen.

„Er wäre doof, wenn er dich nicht mögen würde. Immerhin bist du ein hübsches, intelligentes Mädchen.“, zwinkerte Mick ihr zu. Augenblicklich errötete Zoe und fixierte den Boden mit ihren Blicken. Mit der Fußspitze kickte sie eine leere Coladose beiseite und zog ein paar Kreise. Es war ja schon fast niedlich wie schüchtern sie sich gerade gab.

Doch mit einem Mal zerriss die ruhige Atmosphäre! Etwas fiel mit einem eigenartigen, klatschenden Laut vor ihnen auf den Boden. Mick erstarrte und Zoe quietschte einmal auf. Vor ihnen lag der abgetrennte Kopf von Jonas! Augenblicklich spannten sich sämtliche Muskeln in Micks Körper an. Er wirbelte herum und schon sah er sie: Coraline!

 

Eine Frau,

dunkel und lieblich

mit Augen, die

die Dunkelheit durchdrangen

kam zu mir.

 

Ihre burschikos kurzen Haare standen ihr wild vom Kopf ab und auf ihren Lippen lag ein kühles Lächeln. Die Fangzähne leicht entblößt schimmerten die starren Vampiraugen geradezu in der Dunkelheit. Mick schob sich beschützend vor die kleine Zoe und starrte hinüber zu seiner Exfrau.

„Was tust du hier...“, knurrte er ihr entgegen.

Seine Hände ballten sich zu Fäusten und seine Augen verengten sich zu Schlitzen, als auch seine Schneidezähne zu Fangzähnen wurden.

Sie lachte auf, gab nicht viel auf seinen Zorn und schritt langsam auf ihn zu. Eine Hand locker in die Seite gestemmt betrachtete sie den Mann, den sie eins geliebt hatte und vielleicht noch immer liebte. Sie wollte ihn besitzen. Auf immer und ewig!

„Wir haben ein paar Dinge zu klären Mick, denn so geht es doch zwischen uns nicht weiter. Du weißt doch im Grunde schon ganz genau, dass du nicht gegen mich gewinnen kannst, ganz gleich wie viele lächerliche Vampire du auch anheuern wirst. Wir besitzen andere Qualitäten...“, lächelte sie ihm entgegen.

„Hast du aus dem Grund deinen eigenen Vater umgebracht?“, schallte Micks Stimme durch die Dunkelheit.

Sie rollte mit ihren Augen. „Der alte Mann war uns im Weg und somit musste er mir und Lance weichen. Seine Zeit war gekommen.“, nickte sie bestätigend.

„Vor ein paar Jahren bist du zu mir gekommen, um Hilfe gegen Lance zu ersuchen. Du hast ihm etwas gestohlen, dich gegen deine Familie gestellt und jetzt bist du ihm hörig und unterwürfig, tötest sogar deinen eigenen Vater?“, kam spöttisch über seine Lippen.

“Dinge ändern sich. Lance Weg ist der einzig Wahre und noch kannst du dich uns anschließen Mick. So oder so, bist du einer von uns. Schon seit ich dich damals verwandelt habe.“, meinte Coraline energisch.

„Du irrst dich. Ich werde niemals einer von euch sein und egal was es auch kostet, ich werde Mittel und Wege finden, euch zur Strecke zu bringen.“, raunte er energisch. Coraline hatte nur ein kleines Kopfschütteln für ihn übrig.

 

"Kain von Nod"

sagte sie lächelnd.

"Du hast Hunger. Komm!

Ich habe Nahrung.

Dir ist kalt. Komm!

Ich habe Kleider.

Du bist traurig. Komm!

Ich habe Trost.

 

Sie tigerte die Seitenstraße entlang, betrachtete Mick und die scheue Zoe, die sich kaum hinter seinem Rücken hervor traute.

„Mick du vergisst, wer dich geschaffen hat. Ich lehrte dich ein Vampir zu sein, ich führte dich in diese Welt. Mir hast du es zu verdanken und du weißt selbst, wie stark das Bündnis zwischen dem Macher und dem Vampir ist. Dagegen wirst du dich nicht auflehnen können.“, nickte sie mit einem milden Lächeln.

„Das werden wir noch sehen, denn ich werde dich töten... ich habe dich schon einmal verbrennen lassen und glaub mir, diesmal mache ich nicht den Fehler, deinen Tod nicht zu überprüfen. Ich werde es sein, der dir deinen hübschen Kopf abschlägt und diesem ganzen Theater ein Ende setzt. Was ihr vor habt ist vermessen und ebenso dumm war es, dass du dich hier alleine eingefunden hast. Das besiegelt deinen Untergang nur noch.

 

Wer würde einen trösten,

der verflucht ist wie ich?

Wer würde mich kleiden?

Wer würde mich nähren?

 

„Mick, du warst doch sonst immer so clever, glaubst du wirklich ich würde mich dir offenbaren, wenn ich nicht einen Grund dafür hätte. Du hast dir ja eine niedliche kleine Armee aufgebaut, nur von der Kriegsführung verstehst du gar nichts... SIE braucht etwas von dir und genau deshalb bin ich hier...“, lächelte Coraline finster.

Mick stutzte und betrachtete mit angespannten Kiefermuskeln Coraline, die ihn wie eine Löwin umkreiste.

„Sie ist bereits erweckt worden, nicht wahr?“, wisperte er in die Dunkelheit.

Ein kleines Lächeln kräuselte die Lippen von Coraline. „Unsere Mutter ist zurück...“, antwortete sie ihm und ließ ihren Blick an Mick vorbei gleiten.

Augenblicklich befiel ihm ein schrecklich kalter Schauer und ein eigenartiger Geruch stieg in seine Nase. Zoe stieß gegen seinen Rücken. Die beiden Vampire standen Schulter an Schulter und sie wussten, wer dort auf sie lauerte.

 

"Ich bin deines Vaters erste Frau,

die mit ihm droben uneins war

und Freiheit errang in der Dunkelheit

Ich bin Lilith!!“

IV. Ein neues Zeitalter - Die Vampirmutter

„Riechst du das...“, flüsterte Zoe ängstlich. Ein unwillkürliches Zittern glitt durch ihren gesamten Körper, während sie ihren Rücken an den von Mick drängte. Er starrte noch immer die Straße entlang. Eine wunderhübsche Frau löste sich aus dem Schatten und schritt in Richtung Coraline. Ihre langen, dunkelroten Haare wehten etwas im Wind und wippten bei jedem graziösen Schritt den sie tat. Die langen Locken fielen ihr über die Schultern und hier und da fiel ihr eine Strähne ins Gesicht. Mit einer anmutigen Bewegung zwirbelte sie die Haarspitzen um ihre Finger und kämmte sie hinter ihr Ohr zurück. Aschweiß war ihre Haut und ihre Augen rot wie Blut. Die schneeweißen Fangzähne blitzten etwas in der Dunkelheit, denn sie lächelte in die Richtung von Mick St. John.

„Wie könnte ich es nicht riechen. Wir sind umgeben von Vampiren der Nacht...“, murmelte er leise.

Jene Vampire, die im Sonnenschein elendig verbrennen würde.

Jene Vampire, die sich in der Dunkelheit kaum von Menschen unterschieden und somit unerkannt blieben. Doch jetzt roch Mick die Vampire und auch ihn befiel die Angst. Sie waren umringt und er wusste genau, worauf es Lilith und ihre Anhänger abgesehen hatten: Auf ihn! Mick schauderte.

„Nur keine Angst, Zoe... wir kommen hier schon wieder raus.“, flüsterte er ihr zu  und atmete einmal tief durch.

„Du kannst deine kleine Gefährtin gerne gehen lassen... komm mein Sohn.“, ertönte auf einmal die sanfte, liebliche Stimme von Lilith. Ihre Stimme war nur ein leises Wispern, voll mit Wärme und Güte. Mick fühlte genau, wie sich jeder seiner Sinne auf diese Frau ausrichtete, die ihre Hand nach ihm ausstreckte. Es rauschte in seinen Ohren und es fiel ihm wahrlich schwer, dieser Frau zu widerstehen. Ein paar großer, blauer Augen sah Lilith entgegen. Micks Hand zuckte leicht, doch schon im nächsten Moment schüttelte er energisch seinen Kopf!

„Ich bin garantiert nicht dein Sohn und ich gehöre auch nicht zu euch! Das hier ist nicht mehr deine Zeit Lilith! Du bist vor so vielen tausend Jahren gestorben und das hat auch seinen Grund! Deine Zeit ist abgelaufen und wir werden höchst persönlich dafür Sorge tragen, dass du wieder das zeitliche segnest!“, rief Mick energisch.

Jede einzelne Faser in seinem Körper war angespannt, während er Lilith entgegen blickte. Die roten Augen der rothaarigen Schönheit blitzten auf.

“Du hast keine Ahnung, was für ein Angebot du da ausschlägst.“, wisperte sie bedrohlich.

„Und ob ich das weiß! Ich werde mich nicht in die Dienerschaft begeben! Niemals! Ich bin der Herr meines Schicksals. Ich bin der Kapitän meiner Seele. Du wirst mich nicht auf deine Seite ziehen können, eher sterbe ich und auch das kommt für mich nicht in Frage, denn du bist es, die hier nicht mehr her gehört.“, redete sich Mick förmlich in Rage. Eine kleine Ader zeigte sich deutlich auf seiner Stirn.

Ein leises Raunen ging durch die Vampirgemeinschaft. Der ein oder andere Vampir lachte finster und machte sich bereits jetzt dazu bereit anzugreifen. Mick schluckte einmal schwer. Er und Zoe waren heillos in der Unterzahl und doch war er absolut nicht gewillt einfach so aufzugeben. Er musste kämpfen! Für sich! Für Zara! Und vor allem für die Zwillinge, die er beschützen musste!

Lilith schnalzte mit ihrer Zunge und betrachtete einen Moment lang ihre Fingernägel, bevor sie kühl auflachte. Zuerst noch verhalten stimmten schließlich ihre Anhänger mit in das kalte Lachen ein.

„Nun ja, Mick St. John, wenn dem so ist, ist es nun Zeit zu sterben....“, rief eine dunkle Stimme.

Mick fröstelte und wieder war da dieser unverkennbare Duft. Jener Geruch, den er bereits so oft gerochen hatte und der seine Wirkung nach wie vor nicht verfehlte: Lance. Fest biss Mick die Zähne aufeinander und starrte zu Lilith. Aus dem Schatten trat der hochgewachsene Mann. Der lange Mantel flackerte leicht im aufkommenden Wind. Er verschränkte seine Arme locker vor der Brust und blickte mit einem Gemisch aus kühler Überlegenheit und blanker Aggression zu Mick und Zoe herüber.

„Wir sind verloren.“, jammerte Zoe leise.

„Sind wir nicht. Erst wenn wir nicht mehr in der Lage sind uns zu wehren sind wir verloren, doch bis es soweit ist, werde ich kämpfen Zoe und ich verspreche dir was: ich bringe dich hier raus, schon alleine, damit du Logan endlich einen Grund gibst, aus seinem stillen Kämmerchen zu kriechen. Wird Zeit, dass er nicht ständig vor den Computern abhängt.“, meinte Mick entschieden.

„Ich hänge da gar nicht immer ab...“, rief eine Stimme.

Mick atmete schwer aus. „... Logan...“, murmelte er, als ein lautes Gelächter ertönte.

Unruhe machte sich in der Horde der Feinde breit und immer mehr sahen sich immer wieder verdutzt um. „... riechst du das auch?“, zwinkerte Mick in die Richtung von Zoe.

Sie begann zu strahlen. „Unser Clan.“, flüsterte die kleine Vampirin andächtig.

„Und nicht nur die.“, nickte Mick bekräftigend.

Fest umfassten seine Finger die von Zoe. Er zog sie eilig mit sich und rannte einfach los, blindlings auf die Menge zu – die Unruhe ausnutzend.

„Was machst du...?“

„Wir müssen weiter weg von der Stadt. Je weniger Opfer desto besser!“, schrie Mick ihr zu, rannte weiter und wurde schneller und schneller.

Eine wilde Hetzjagd der Vampire begann. Über Mauern, Dächer, Häuser ... immer weiter und weiter! Hier und da erkannte Mick das Gesicht eines Verbündeten. Wie viele Vampire gerade durch die Straßen liefen konnte er selbst nicht ermessen, doch eines war wohl gewiss: Es waren zwei Armeen die im Begriff waren die erste Schlacht in Angriff zu nehmen!

Mick war zu allem bereit!

Etwas außer Atem kam er schließlich stehen und blickte auch schon in das Gesicht von Josef. „Schön dich zu sehen...“, raunte Mick leise. „Ich dachte schon ihr taucht gar nicht mehr auf.“, murmelte er.

„Tzz, als wenn ich dich so einfach alleine lasse.“, wehrte Josef mit einem Grinsen ab. Immer mehr Vampire tauchten auf.

„Das kann ich nur zurück geben...“

„Wo ist Zara?“

„Dort wo sie hin gehört: Gut versteckt und weit weg von dieser Schlacht.“, nickte Josef und wandte sich um.

Die mächtigen Drei Vampire – Coraline, Lance und Lilith – hatten sich vor ihnen positioniert und sahen mit nach oben gezogenen Augenbrauen zu ihnen.

„Das war alles? Eine kleine Show? Ein lachhafter Fluchtversuch?“, fragte Lance kühl nach und schüttelte seinen Kopf. Er hatte sich eindeutig mehr erhofft.

„Oh nein.“, grinste Josef und stemmte seine Hände in die Seite. „Das war der Auftakt zu deinem Untergang.... und du musst Lilith sein.“ Der Clanführer grinste amüsiert und ließ seinen Blick einen Moment über Lilih gleiten. Nayla war es die leise seufzte.

Lilith schwieg. Ihre blutroten Augen starrte zu der Gruppe hinüber, die sich längs vor ihnen aufgestellt hatte. Vampirclan gegen Vampirclan.

„Es ist nicht relevant, wer ich bin, denn du wirst nicht lang genug Leben um die Information zu verarbeiten... lasst es uns nun beenden....“

IV. Ein neues Zeitalter - Bestimmung

Die Menschen von LA schliefen tief und fest und ahnten nicht, was sich in einer entlegenen Gasse, am Rande der Stadt abspielte. Die Nacht war sternenklar und schon jetzt zogen dunkle Gewitterwolken heran. Der Donner grollte leise in der Ferne und hier und da erhellte ein greller Blitz die Dunkelheit. Zwei Armeen trafen in jener, schicksalsverändernden Nacht aufeinander.

Damien und André standen links und rechts von Zoe. Nayla hatte ihnen diesen Auftrag gegeben. Die Kleine war noch so hilflos... ebenso wie Henry, der unruhig hin und her trat. So viele Vampire hatten sich eingefunden, die meisten knurrten, fletschten ihre Zähne und sahen hinüber zu Lilith, Lance und Coraline.

„Ihr wart es!“, stieß Lisa aus und schluckte schwer. „Ihr habt die Menschen getötet, die unser Geheimnis kannten und uns doch so mochten wie wir waren.“

Coraline  benetzte ihre Lippen mit der Zungenspitze. „Natürlich waren wir es. Die Menschen sind lediglich im Weg. Es beginnt ein neues Zeitalter und dabei brauchen wir keine Menschen als Freunde, nur als Nahrung.“, hob sie ihre Augenbrauen an.

Die Wut machte sich in der Gruppe breit und das Knurren wurde lauter. Mick stand Lance unmittelbar gegenüber, starrte in seine kühlen Augen. Eines davon war so schwarz und so tief wie die unendliche Dunkelheit der Nacht.

„Du hast mir meine Beth genommen.“, murmelte Mick. Endlich! Nach so vielen Monaten konnte er Lance zur Rechenschaft ziehen.

Lance lachte auf.

“Du meinst also ich habe Beth getötet ...“, fragte er belustigt, verschränkte die Arme vor seiner Brust und funkelte Mick entgegen. Sein schwarzes Auge wirkte noch eine Priese düsterer als sonst. Unwillkürlich musste Mick schlucken, als er zu Coraline sah.

„... Du...“, stieß er heißer aus.

„Sie hätte ein so schönes Leben haben können. Damals bei uns! Wir hätten es schaffen können, doch du hast dich schon in ihrem Kindesalter für sie entschieden. Es war an der Zeit Beth in ihre Schranken zu verweisen und das ist auch geschehen!“, verteidigte sich Coraline.

Leichthin schüttelte Mick seinen Kopf. Damien fletschte seine Zähne, als ein Vampir ihnen langsam näher kam.  Enttäuscht sanken die Schultern von Mick nach unten. „Wie konntest du nur einem unschuldigen Menschen das Leben nehmen, nur weil du mich besitzen wolltest? Merkst du eigentlich, was für Unrecht du angerichtet hast, dass du im Begriff bist mit deinen Intrigen die Vampirwelt ein für alle Mal in den Untergang zu stürzen? Du hättest ein glückliches Leben führen können, doch so selbstsüchtig wie du bist, dreht sich stets und ständig alles nur um dich Coraline!“, rief Mick wütend und rieb sich mit der freien Hand über die Stirn. Mit der anderen hielt er das Schwert fest umklammert.

„Sieh hat das Zeug der nächsten Königin.“, warf Lilith ein und beobachtete Henry, der sich an der Mauer herum druckste.

Josef und Nayla standen dicht neben ihm.

„... und ich soll den König spielen?“, fragte Mick fast schon belustigt nach, schüttelte dabei auch einmal seinen Kopf.

„Ich denke nicht, dass es so weit kommen wird.“, seufzte Josef.

Lilith öffnete ihren Mund, doch Josef fiel ihr rüde ins Wort. „... heute Nacht endet es. Ich habe keine Lust mehr ständig darauf zu warten, dass ihr endlich in die Gänge kommt und wieder irgendeinen hinterhältigen Plan ausheckt. Am nächsten Morgen wissen wir, welche Vampirrasse von jetzt an auf Erden wandelt....“, raunte er und präsentierte seine weißen Fangzähne.

Lilith Augen hatten sich zu engen Schlitzen verengt. „Ich gebe euch eine letzte Chance, schließt euch uns an und wir werden gut für euch Sorgen. Die Vampire werden bald die Welt beherrschen, also seit kein Narr...“, sprach Lilith wieder mit der wunderhübschen, süßlichen Stimme, der man nur allzu gerne lauschte.

„Das soll ja wohl ein schlechter Scherz sein! Wir werden uns niemals gegen die Menschen stellen!“, rief Guillermo. „... denn wir haben gelernt miteinander zu leben!“

„Immerhin waren auch wir eins Menschen und sind es im Grunde unseres verkorksten Lebens noch immer.“, bestätigte Logan mit einem knappen Schulterzucken.

Die Königin sah langsam von Einem zum Anderen.

„Nun gut... ihr habt es nicht anders gewollt... jetzt werden wir euch vernichten.“, seufzte Lilith ein letztes Mal auf. Sie hob ihre Hand und dann öffnete die Hölle ihre Pforten. Anders ließ sich wohl jener Angriff nicht beschreiben, denn die Vampire der Nacht, jene Anhänger von Lilith, gingen Unmittelbar zum Angriff über! Mick schaffte es nicht mal mehr zu begreifen, wie ihm geschah, ehe die ersten Vampire auf ihn trafen. Blut floss, Vampire schrien, verbissen sich ineinander.

Lilith küsste sanft die Lippen von Coraline. „Hol dir, wonach du verlangst, mein Kind, du hast es verdient.“, flüsterte die Vampirmutter und trat einen Schritt zurück. Mitten im allgemeinen Getümmel der Nacht, schritt Coraline erhobenen Hauptes durch die Menge, half hier und da einem Verbündeten, oder griff einen gegnerischen Vampir an, bis sie schließlich ihre Beute entdeckte: Mick!

 

So viele Freunde fielen bereits und je mehr Vampire auf dem Boden landeten, desto schwerer wurde es für Mick den Geruch zu ignorieren. Der Tod hing schier in der Luft und unweigerlich drängte sich ihm die Frage nach dem Wieso? auf.

„Mick!“, rief Josef noch gerade rechtzeitig, warf ihm eines der mitgebrachten Schwerter zu und schon klirrten die Klingen.

Mick blinzelte.

„Coraline...“, murmelte er leise und sah in das bildhübsche Gesicht seiner Ex-Frau. Er spürte einen kleinen Stich im Herzen. Sie war so bildschön und er konnte sich noch gut an die Zeit der unendlich tiefen Liebe erinnern und was war jetzt? Er fühlte nur noch den Hass, der sein herz schneller schlagen ließ. Sein Zorn trieb ihm die tiefe Wut ins Gesicht und er schluckte schwer.

Der Wind brauste. Keiner der Vampire bewegte sich. Stattdessen starrten sie einander an, pressten die knirschenden Klingen aufeinander und knurrten leise.

„Ich habe es nicht verstanden, Coraline.“, stieß Mick aus und fletschte seine Zähne noch ein wenig mehr.

„Was?!“, knurrte sie ihm zu.

„Wieso ich... wieso konntest du dir keinen anderen Mann erwählen? Was war an mir so interessant. Hättest du mir dieses Leid nicht ersparen können? Seit so vielen Jahrzehnten muss ich leiden und das ALLES WEGEN DIR!“, schaukelte sich Micks Zorn immer weiter hoch und brach mit einem wütenden Faustschlag aus ihm hervor. Noch immer das Schwert in einer Hand halten, sprang er einen Schritt zurück und sah einen Moment verwirrt drein.

Coraline war zu Boden gegangen – keuchte mittlerweile schwer. Das Blut floss aus ihrer Nase und benetzte die Straße. Mit dem Handrücken strich sie sich das letzte bisschen Blut aus dem Gesicht und rappelte sich auf, das Schwert wieder in beiden Händen liegen.

„Weil du dich um mich bemüht hast... nicht um die Schöne, die ich bin, sondern um mich als Person. Du hast mich berührt und mich verzaubert und jetzt, willst du mir wirklich weiß machen, du empfindest nicht mehr das, was du damals gefühlt hast?!“, fragte sie ungläubig nach.

Mick schnellte nach vorne und schon bohrte sich seine Schwertklinge zwischen ihren Rippen hindurch. Coraline erstarrte mit schmerzverzerrtem Gesicht.

„M... M.... Mick...“, wisperte sie und starrte an sich herab. Immer mehr Blut trat aus der lähmenden Wunde.

„Ich liebe dich nicht mehr und das schon seit sehr langer Zeit. Ich habe Beth geliebt, doch du hast sie mir genommen...“, beugte er sich zu ihr nach unten. „... und jetzt lasse ich nicht zu, dass du mir auch noch Zara nimmst. Es ist Zeit, eure Machenschaften zu beenden, damit die Welt wieder sicher wird. Es ist an der Zeit, dass euer Königsgeschlecht abdankt.“ Er flüsterte die Worte kalt in ihr Ohr, versuchte sich gar nicht erst anmerken zu lassen, wie sehr es ihn doch schmerzte. Immer wieder war in ihm die Hoffnung aufgekommen, dass vielleicht ein Funken Hoffnung in Coraline zurück geblieben war... vergeblich!

Ihr Schwert fiel klirrend zu Boden, als sie ihre Hand auf seiner Brust positionierte und nur schwer und rasselnd atmete.

 

IV. Ein neues Zeitalter - Tod

„.... ich werde dich für immer lieben ...“, wisperte Coraline leise. Micks Hand hatte sich in ihren dunklen, kurzen Haaren vergraben und sein Blick ruhte kühl auf der jungen Frau.

„Du hast mir so vieles genommen, Coraline ... wie könnte das, was du empfindest noch Liebe sein. Du bist diejenige, die stets die Fäden im Hintergrund gezogen hat. Und weißt du noch was Coraline, nicht nur dass das Königsgeschlecht heute aussterben wird, nein ... es wird euch niemand eine einzige Träne nachweinen.“, raunte er ihr leise zu. Ihre Hand rutschte von seiner Brust, als sie mit einem letzten Aufwimmern nach hinten kippte und auf den Boden knallte. Ihre Augen starr gen Horizont gerichtet ging Mick vor ihr in die Hocke.

Er führte seine Schwertklinge an ihren Hals und schluckte einmal schwer. „Bleibt zu hoffen, dass du dennoch deine Ruhe findest, du arme geschundene Seele, die so viele hundert Jahre Schmerz und Leid erdulden musste.“, sprach Mick ruhig und berührte noch ganz leicht ihre Wange, bevor er die Schwerklinge nach unten senkte, um den letzten Funken Lebens aus ihrem Körper zu treiben.

Eine kleine Träne bahnte sich über Micks Wange und tropfte zu Boden. „Vielleicht gibt es ja doch jemanden, der den schönen Zeiten mit dir hinterher trauert.... lebe wohl, Coraline.“, flüsterte er ihr zu und erhob sich.

Erst jetzt nahm er das Umfeld um sich herum wieder wahr.

Der Kampf war im vollen Gange! Guillermo befand sich im Zweikampf mit einem Mann, der Sheriffstern und Schrottflinte aus dem wilden Westen bei sich trug. Logan lag verbissen in einen Vampir auf dem Boden und Zoe versuchte ihm beizustehen. Damien und André mischten wie andere aus der Truppe überall mit und  Nayla und Josef... die befanden sich direkt im Kampf mit Lilith und Lance! Mick lockerte seine Schulterpartie und fühlte ein sachtes Vibrieren seiner Hosentasche. Er stutzte. Es war sein Handy und ihm war auch klar, wer ihn gerade anrief. Nur blieb dafür keine Zeit!

Er umfasste seine Schwert fester und  sprang mitten ins Getümmel, versuchte die Schreie zu überhören und auch das Leid, und den Schmerz in so manch einem Gesicht.

 

Nayla taumelte schwer getroffen zurück und stürzte zu Boden. Lilith ging vor ihr in die Hocke und strich ihr durch die Haare.

“Schhh, Liebes, ich bin nicht die Böse in diesem Schauspiel. Komm  zu mir. Du bist eine alte Seele und du gehörst zu uns. Wage es...“, flüsterte sie mit lieblichen Ton.

Als Antwort fletschte Nayla ihre Zähne und schlug in Richtung Lilith. Diese sprang leichtfüßig zurück.

„Ich werde mich niemals dir unterordnen. Du bist schon lange Vergangenheit und wenn ich eines in meinem Leben als Vampir gelernt habe, dann die Tatsache, dass alles was tot ist, auch tot bleiben sollte! Du wurdest vernichtet und das von deinen engsten Vertrauten. Du wirst niemals wieder zurück kommen, denn die Herzen der Vampire haben sich verändert. Wir leben mit den Menschen zusammen. Lieben und lachen. Etwas, das du schon vor langer Zeit in der Dunkelheit verloren hast. Es mag sein, dass wir nicht mehr dazu in der Lage sind das Tageslicht zu sehen, doch viel Wichtiger ist das Licht, dass in unserem Inneren scheint. In dir ist nur Finsternis und ein verkümmertes Etwas, das irgendwann ein liebendes Herz war...“, schüttelte Nayla ihren Kopf.

Nur einen Moment lang sah sie sich nach Josef um, der sich gerade einen wilden Zweikampf mit Lance lieferte. Es war ein Augenblick der Unaufmerksamkeit... dieser reichte um Nayla zu Boden zu befördern. Lilith war unmittelbar zum Angriff übergegangen und verbiss sich in der Halsschlagader. Nayla schrie laut auf, versuchte sich zu befreien und fühlte das Blut aus ihrem Körper weichen.

 

Der Spanier hatte indes schwer zu kämpfen. Spätestens seit sein Körper vollgepumpt mit einer Ladung Schrot war, hielt er sich kaum noch auf den Beinen.

„Verzieh dich...“, knurrte er mit verschleiertem Blick und wich vor dem Cowboy zurück. Der hochgewachsene Mann mit Schnurrbart und lässigem Hut schritt auf ihn zu. Immer wieder klirrte seine Schuhe und die Ketten, an seiner Hose rasselten. Er spuckte etwas Kautabak auf den Boden und lachte einmal auf.

„Erst wenn du deinen Kopf los hast, Amigo.“, stieß er keuchend lachend aus.

Der Spanier rieb sich die Augen. Es half nichts. Er war unfähig noch etwas im dichten Nebel zu sehen. Sein Körper fühlte sich schwach und ausgelaugt, sehnte sich nach der unendlichen Dunkelheit. Der sank auf die Knie, die Handflächen auf den rauen Asphalt gestützt. Wie aus dem Nichts kam ein Blondschopf geschossen, schlug gegen den Cowboy und stürzte taumelten zu Boden. Ebenso landete der Cowboy auf allen Vieren. Er fletschte seine Zähne und sprang in Richtung Henry, der im nächsten Moment längs auf dem Steinboden landete. Über ihm kniete der Kontrahent, drückte seinen Kopf in den harten Boden und stieß dabei einen der typischen Vampirknurrer aus.

Die Hand des Spaniers tastete über den Boden und schließlich fand er einen Handgroßen Stein. Er warf ihn mit voller Wucht in Richtung Cowboy.

Als der Stein gegen den Kopf des Angreifers schlug, ließ dieser von Henry ab, rannte auf Guillermo zu, machte aber unterwegs Halt um sein Gewehr neu zu laden.

Guillermo blieb regungslos liegen. Er fühlte sich wie gelähmt, konnte nicht mehr, denn zu viel von den silbernen Patronenhülsen befand sich in seinem Körper Das Silber in seinem Blutkreislauf sorgte dafür, dass sich der Vampir nicht mehr bewegen konnte. Er versuchte zu atmen: Vergeblich. Ein erneuter Schuss und schon verlor Henry den Boden unter den Füßen. Hart schlug der neugeborene Vampir auf dem Boden auf. Röchelte, japste und versuchte hinfort zu kriechen. Doch vergebens!

Der Jäger ging vor ihm in die Hocke und trennte den Kopf von den Schultern. Guillermo griff die Augen zusammen und hörte erneut das  Klicken der Schrottflinte, die gerade geladen wurde. Fest biss er seine Zähne aufeinander und tastete schwach über den steinigen Untergrund, um noch eine Waffe zu finden. Vielleicht die letzte Chance einer Verteidigung.

Der Cowboy schritt auf ihn zu. Der Stern an seinem Stiefel klirrte leise und das düstere Lachen wurde laut, als er das lange Messer an Guillermos Kopf legte.

IV. Ein neues Zeitalter - Sonnenuntergang

Dicke Wolkenschwaden zogen heran und schon mischte sich in den Geruch des Blutes noch ein sanfterer: Regen. Ein kühler Wind drang durch die Gassen von LA. Keiner der kämpfenden Vampire nahm eine Notiz davon. Stattdessen kämpften sie: Kämpften auf Gedeih und Verderb!

Mick befreite Zoe, warf das Federgewicht zu Logan, der sie in Sicherheit brachte. Wie eine kleine Puppe kam sich Zoe an jenem Tag vor. Kaum in der Lage sich selber zu helfen, war sie doch immer da, half den Leuten auf die Füße, schenkte aufmunternde Worte und kleinen Lächeln. Vielleicht war es das, was sie zu etwas ganz besonderes auf diesem Schlachtfeld machte. Sie kämpfte nicht und war doch eine der Wichtigsten Teilnehmer. Mitten in der Hitze des Gefechts drückte sie Logan einen flüchtigen Kuss auf die Lippen, bevor sich dieser beflügelt von neuer Kraft ins Getümmel stürzte. Immer weniger Vampire standen auf den Beinen.

Mick kam seinem besten Freund zur Hilfe und mit vereinten Kräften schafften sie es Lance wenigstens für ein paar Minuten auszuschalten. Der Vampir sprang zurück und brachte sich mit einem Silberdolch im Arm kurzzeitig in Sicherheit, natürlich verfolgt von Mick. Immer mehr zerrte das alles an den Kräften von ihm und hin und wieder ertappte er sich bei dem Gedanken nach Erlösung, nach einem menschlichen Leben... er kämpfte nur noch um Zaras Willen.... hoffentlich wäre sie auch ohne ihn sicher!

Fest umfasste Josef die Hüfte von Lilith und zerrte die tobende Vampir von Nayla herab. Zoe eilte herbei und zog Nayla ein Stück weg, während sich Lilith auf Josef stürzte, der die wild gewordene Vampirmutter gegen die nächste Wand beförderte und mit dem Schwert auf sie los ging, bevor etwas anderes ihre Aufmerksamkeit weckte.

Lance, der nach ihr rief! Innerhalb weniger Augenblicke überquerte sie das blutgetränkte Schlachtfeld, während Mick zurück wich und zu dem letzten Rest seines Clans stieß. Nicht mehr Viele standen  und langsam wurde klar, wer unterlegen war... doch manchmal veränderten sich Machtverhältnisse schneller als gedacht....

 

Der Donner grollte an diesem Morgen über das Land und schon benetzten die ersten Regentropfen den heißen Asphalt. Mit einem ekelerregenden Laut warf Josef den Kopf des Kontrahenten beiseite und ging langsam neben Nayla in die Hocke. Zoe saß zitternd bei ihr und hielt den verletzten Vampir in ihrem Arm.

„Es soll aufhören.“, jammerte sie leise und versuchte ihre Ohren vor dem Krieg der Umwelt zu verschließen. Vergeblich. Die Vampire knurrten, schrien. Klingeln kreuzten sich klirrend und immer wieder ertönten die panischen Schmerzensschreie, kurz bevor ein Vampir das zeitliche segnete. Josef kniete sich neben Nayla und strich ihr durch die Haare. Schwer seufzte er auf.

„Sie ist nur bewusstlos und ich bin mir sicher, dass es sehr bald aufhören wird.“, murmelte Josef und hob seinen Blick. Er sah sich langsam um. Immer mehr Vampire fielen und starben. Auf beiden Seiten. Die Schlacht war im vollen Gange und hier und da geriet ein Mensch in den Konflikt der beiden Vampirfronten.

„Heute Nacht beginnt es...“, murmelte Nayla und öffnete schwach ihre Augen.

„Was?“, wisperte Zoe furchtvoll.

„Ein neues Zeitalter. Nur ist es nicht klar, ob es unser Zeitalter wird oder das von ihnen.“, schüttelte sie sehr leicht ihren Kopf.

„Schh.“, Josef legte ihr einen Finger auf die vollen Lippen. „Du solltest dich noch schonen Nay, du bist sehr schwer verletzt...“

„Du siehst auch nicht besser aus...“, antwortete Nayla leise.

„Ich wurde ja auch als Cocktail missbraucht.“, brummte Josef. Er fühlte sich so schrecklich Blutleer! Ein kleiner Wunschtraum nach einer Blutbank machte sich in ihm breit!

 

Guillermo schloss seine Augen und versuchte an etwas schönes zu denken: An Lisa! Sein Lichtblick in schweren Stunden, die Liebe seines Lebens. Der Cowboy schrie laut auf, als sich eine Silberkugel durch seinen Körper bohrte. Er wirbelte herum. Lisa stand mit gezückter Waffe mitten auf der Straße.

“Finger weg von meinem Latino!“, knurrte sie zornig. Guillermo lag noch immer regungslos am Boden.

„Na komm her Püppchen.“, lachte der Vampir auf und schritt langsam auf sie zu.

Erneut dröhnte ein Schuss durch die Luft. Der Vampir stürzte zu Boden, stand ein paar Sekunden trotz der silbernen Kugel wieder auf den Füßen. Lisa entblößte ihre Fangzähne. „Glaub nicht, ich hätte Angst vor dir.“, stieß sie aus und schoss erneut... immer wieder und wieder. Der Cowboy blieb unbeirrt und langsam machte sich Panik in Lisa breit. Sie schluckte schwer, taumelte zurück und stieß mit dem Rücken gegen eine Hausmauer.

Mit einem Mal erstarrte der Cowboy.

Jegliche Farbe wich aus seinem Gesicht und er legte den Kopf in den Nacken. Nur noch ein paar Regentropfen fielen zu Boden und benetzten seine Haut. Die Wolkendecke riss an manchen Stellen auf.

Mick stieß gegen die Wand, die Augen geweitet und mit vor Entsetzen halb offenen stehenden Mund. Durch die dichte Wolkendecke drangen die ersten Sonnenstrahlen des Tages, suchten sich ihren Weg um die Erde trotz der Regenstimmung zu erhellen. Sonnenaufgang! Mick schluckte und beobachtete, wie nach und nach die gegnerischen Vampire erstarrten, die sich bislang so in der Überzahl befunden hatten. So viele Vampire hatten bereits ihren Tod gefunden, doch jetzt veränderte sich alles.

„Die Sonne geht auf...“, flüsterte ein stämmiger, hochgewachsener Vampir mit bärtigen Kinn.

Der erste Vampir begann zu schreien. Seine Haut begann zu brennen und er sank vor Schmerzen auf die Knie. Ein paar der Vampire versuchten noch die Flucht zu ergreifen, doch es war zu spät. Die Sonne zwang sie in die Knie und forderte ihr Tribut: Den Tod jener, die im Tageslicht nichts zu suchen hatten. Nach und nach brannten die Vampire, wanden sich vor Schmerzen auf dem Boden, krampften und heulten. Nur noch Asche blieb zurück .... der Wind nahm sie mit sich und schon schien sich das Machtverhältnis gehörig zu verändern. Mick zog seine Augenbraue nach oben.

„Scheint fast so, als wären wir jetzt unter uns.“, rief er kühl und beobachtete Lance und Lilith, die keinerlei Anstalten des Rückzugs machten, sondern sich weiterhin in der Überlegenheit wogen.

Wie in einer gigantischen Schlacht im Mittelalter hielten die Vampire ihre silbernen Schwerter umklammert und sahen zu jenen Vampiren, die mit zu den ältesten und mächtigsten zählten: Lilith und Lance!

 

 

IV. Ein neues Zeitalter - Vorhersehung

So schrumpfte die Armee um Lilith auf eine weitere Person. Lance und sie standen nebeneinander und sahen sich nun dem letzten Rest von Mick und seinen Freunden gegenüber. Lisa hockte mit gebleckten Fangzähnen neben Guillermo am Boden, saugte das Silber aus seiner Wunde und spuckte das eklige Gemisch aus Blut und Silberschrott von sich. Logan stand verteidigend vor Zoe, die zitternd am Boden kniete und den letzten Rest ihrer Kräfte mobilisierte. Josef und Nayla rappelten sich just in dem Moment mühselig auf. Die beiden Bodyguards Damien und André hatten sich vor ihnen aufgebaut, starrten hinüber zu Lilith und Lance, die sich in Verteidigungsposition befanden.

Mick sah noch einmal auf den Leichnam von Coraline herab und seufzte einmal schwer auf. Er hatte sich nie gewünscht, dass es eines Tages so endet, doch leider konnte er nur so eine sichere Zukunft für seine Familie anstreben. Mühsam erhob er sich, klopfte sich den Dreck von den Hosenbeinen und strich sich zittrig durch die nassen Haare. Blut, Schweiß, Regen und Dreck klebten an seinem ganzen Körper und hatten sich zu einer harten Masse vermengt. Mick bückte sich und hob das Schwert auf, als sich Damien und André leise in Bewegung setzten.

„Holen wir sie uns ...“, zischte Damien.

„Und reißen wir ihn in Stücke.“, stimmte André ihm finster lachend zu.

Die beiden Vampire lösten sich als erstes und rannten ungebremst auf Lance und Lilith zu.

Laut drang ein einziger Ruf über Naylas Lippen. Ein lautes, schmerzhaftes „Nein!!“, gefolgt von einem Aufschrei des Entsetzens. Die Tränen schossen ihr in die Augen und sofort vergrub sie ihr Gesicht an Josef‘ Brust. Zitternd konnte sie nicht mit ansehen, wie ihre zwei wertvollen Weggefährten enthauptet wurden. Ohne den Hauch einer Chance fielen sie zu Boden.

Lilith knurrte und schoss los, direkt in Richtung Mick! Lance tat es ihr gleich, doch war sein auserkorenes Opfer kein geringerer als Josef!

 

Mick sah den Aufprall bereits kommen, war jedoch unfähig zu reagieren, seine Reflexe wollten einfach nicht mehr so wie er. Viel zu geschwächt war sein Körper. Lilith schlug gegen seinen Körper, beide landeten auf dem Boden und rappelten sich wieder auf. Eilig griff Mick nach seinem Schwert und stürzte sich förmlich auf Lilith. Das Metall klirrt, vibrierte, während die Vampire mit gefletschten Fangzähnen voreinander standen und versuchten sich mittels ihrer Waffen zu Boden zu drücken. Micks Muskeln waren zum Bersten angespannt und er hatte schwerlich Mühe sich gegen Lilith durchzusetzen. Die Frau wirkte nur so zierlich, doch in Wirklichkeit war sie eine Kriegerin und noch dazu die älteste Vampirin die hier wandelte. Sie schlug ihn zurück! Griff mit einem Kreischen an und riss Mick erneut von den Füßen.

Josef bremste Lance, bevor dieser Nayla erreichen konnte. Das letzte bisschen Vampirkraft mobilisiert suchten seine weit aufgerissenen Augen nach einer Möglichkeit Lance zu schaden! Ihn wenn möglich zu töten. Mit Fäusten und Klauen lieferten sie sich einen erbitterten Kampf und schon nach wenigen Momenten war klar, wer der Schwächere war…

Josef lag auf dem Boden, Lance drückte seine Fingernägel tief in die Wangen und knurrte dabei bestialisch. Ein lautes Dröhnen ließ Josef zusammenzucken und bereits seine letzten Abschiedsgedanken formulieren. Dem Dröhnen gefolgt zuckte Lance zusammen, schrie auf und stürzte zurück. Tief bohrte sich die Schrottkugel in seinem Körper. Zoe lud die Waffe erneut. Mit zitternden Fingern! Logan schoss mit Lisas Waffe, sämtliche Kugeln in den Körper von Lance, der sich immer weiter wand, schrie und quälte.  Josef rappelte sich auf, lief ein paar Schritte und schon lag der Holzpfahl eines anderen Vampirs in seiner Hand. Mit letzter Kraft hechtete er zu Lance und bohrte den Dolch in seinen Körper.

Stille. Lance sank zu Boden und blieb regungslos liegen. Der letzte Funken Leben wich aus seinem Auge und färbte sich ebenso schwarz wie das Andere. Josef ließ sich auf die Knie sinken.

„Gewonnen…“, murmelte Josef und japste nach Luft.

 

Schwer verletzt und mühsam atmend lag Mick auf dem Boden. Das Blut rauschte in seinem Kopf und er hatte Mühe nicht in die Welt der Bewusstlosigkeit abzugleiten. Er rutschte über den nassen Asphalt, tastete nach seiner Waffen – fand sie nicht. Lilith umkreiste ihn, bevor sie ihren Fuß auf Micks Brust stellte.

„Du hättest es gut haben können, Mick. Es war deine Bestimmung eine neue Vampirart zu gründen. Mit mir ... du hast mich verraten und jetzt ist es an der Zeit, dass du für diesen Verrat büßt.“, weinte die Vampirmutter förmlich. Sie schüttelte ihren Kopf und hob die blutverschmierte Schwertklinge an. Das silberne Metall glänzte in den Sonnenstrahlen, die sich ihren Weg durch die Regenwolken bahnten. Langsam sank die Spitze auf Mick hernieder und schon fühlte er den kühlen Stahl auf seiner Brust, direkt über seinem Herzen.

Mick schrie auf und kniff seine Augen zusammen, fühlte schon das blanke Metall, dass seinen Körper durchbohrte. Das Silber berührte seine Brust und die Spitze drang langsam in seine Brust. Der Schleier der Nacht legte sich auf Mick und ein paar Sekunden sah er einen schwachen Lichtstreifen in der unendlichen Dunkelheit vor sich. Beth wartete auf ihn! Die blonde Schönheit streckte ihre Hand nach Mick aus, doch er verharrte.....

Mick blinzelte, als etwas heißes über sein Gesicht floss. Lilith Kopf schlug auf seine Brust, kullerte auf den Boden und blieb dort liegen. Panik machte sich in Mick breit! Er rutschte über den Boden zurück, strich fahrig über seine Brust, an der das Blut klebte und.... starrte in das Gesicht von Zara. Zitternd hielt sie das Schwert umklammert.

„Solltest du nicht zu Hause bleiben!“, stieß Mick aus und rappelte sich eifrig auf.

„Du bist nicht an dein Handy gegangen!“, machte sie ihm sofort zum Vorwurf.

Klirrend fiel das kühle Metall auf die Erde und im nächsten Moment fand sich Zara in Micks Armen wieder. Sie küsste ihn eifrig, heiß und leidenschaftlich, während die Tränen über ihre Wangen kullerten. Die letzten paar Regentropfen nahmen die Tränen und das Blut auf den Straßen mit sich, spülten die letzten Spuren des Kampfes hinweg, wie einen bösen Traum.

Josef ging neben Nayla in die Hocke und zog sie zu sich in die Arme.

„Ich werde dich niemals wieder gehen lassen, dass ist dir doch klar, oder?“, fragte er leise. Sie lehnte ihren Kopf gegen seine Brust, atmete tief durch und nickte schließlich. „Ich hoffe das, denn ich kann mir ein Leben ohne dich nicht mehr vorstellen... von jetzt an bleiben wir zusammen, gehen auf Welttour und wer weiß... vielleicht finden wir ja ein neues zu Hause.“

Josef lachte leise auf und küsste ihren hellen Haarschopf, in dem noch ein bisschen Blut klebte. Es war vorbei. Endlich, war alles vorbei!

Lisa wog Guillermo Lisa  in seinen Armen hin und her – er guckte sich noch etwas benommen um - und Zoe hockte neben Logan, der auf dem Rücken am Boden lag und in den Himmel starrte. Ganz leicht nur strich Zoe durch seine Haare und beobachtete die Sonne, die sich ihren Weg durch die Wolken bahnte. Zwar kribbelte es leicht auf der Haut, aber sie lebten …

Sie alle hatten den Untergang der Menschenwelt aufgehalten.

„Räumen wir auf.“, murmelte Josef und erhob sich langsam. Müde und erschöpft begann die Gruppe damit die toten Körper der Vampire einzusammeln um die letzten Spuren zu beseitigen. Kein Mensch sollte erfahren, was in jener Nacht wirklich geschehen war.

 

 

 

 

IV. Ein neues Zeitalter - Abschied

Es war vorbei. Die letzte große Schlacht um das Leben der Vampire war zu Ende. Noch lange standen die Gefährten in jener Nacht zusammen und beobachteten das große Feuer in dem die Leichen verbrannten. Guillermo und Lisa waren die Ersten, die sich leise zurück zogen, noch ein Lächeln an in ihre Freunde schickten und schließlich verschwanden. Ihr gemeinsamer Weg sollte sie in ein neues Leben führen, fort von LA, direkt nach Spanien... Guillermo wollte in die Heimat zurück.

Logan ergriff zögerlich die zierliche Hand von Zoe, drückte sie und zog die kleine Vampirin mit sich. Von jetzt an war er nicht mehr alleine, sondern er hatte jemanden an seiner Seite... beide wollten weg von hier. Ein neues Leben anfangen. Fern ab von Krieg, Kampf und Verlust. Wo? Nun ja, überall auf der Welt, wo sie eine Heimat fanden.

Zurück blieben Nayla, Josef, Zara und Mick. Das Feuer schimmerte auf ihrer Haut und warf ein paar Schatten. Es knisterte und die Glut stieg hinauf in die Luft. Mick und Josef sahen einander an und umarmten sich still.

„Pass auf dich auf mein Freund ...“, raunte Josef.

„Du auch auf dich. Viel Glück mit Nayla... melde dich irgendwann mal, oder kommt vorbei.“, meinte Mick leise.

„Wir werden sehen...“

Josef legte den Arm um Nayla und schritt los. Das hier war kein Abschied für immer, sondern nur auf eine bestimmte Zeit. Zara seufzte, die Hände auf den Bauch gelegt, lehnte sie ihren Kopf an Micks Schulter.

„Glaubst du wir werden sie wieder sehen?“, fragte sie leise nach.

„Eines Tages ganz gewiss. Jetzt ist es erstmal an der Zeit in Glück und Freude zu leben... jetzt da wir die ganze Kämpfe gewonnen haben.“, atmete Mick leise aus und nahm die Hand seiner Gefährtin. „Lass uns gehen, Zara... ich bin müde und will nur noch in meine Kühltruhe.“

„Aber nur, wenn du da auch ein Plätzchen für mich hast.“, zwinkerte Zara ihm zu.

Mick lachte auf und kehrte dem Feuer den Rücken. Gemeinsam mit Zara schritt er von dannen, ließ die Schlacht hinter sich und auch die Qualen, die er so lange ertragen hatte. Von jetzt an sollte alles besser werden!

Die Zeit schritt voran und so vergingen Monate. Monate des Friedens. Die Düsternis konnte aus den Herzen der Vampire verbannt werden und an den drohenden Untergang, erinnerten sich jene Vampire nur noch, wie an einen dunklen Schatten. Es war Vergangenheit. Der Krieg war vorüber und auch wenn viele Verluste ertragen wurden, so hatte es doch etwas Gutes: Die Welt der Vampire war sicherer geworden.

 

Das dunkle Firmament überzog die Stadt Los Angeles und hüllte sie in eine sanfte Dunkelheit. Vereinzelt strahlte ein Stern am Himmel und mitten unter ihnen schimmerte der volle Mond. Weiß und groß strahlte er auf die Stadt hernieder. Glitzerte, schillerte, weckte verborgene Wünsche. Im schwachen Mondlicht blieb so manche Gestalt unentdeckt, manche Tat unerkannt. Die gigantischen Wolkenkratzer ragten in den Himmel, spendeten Sicherheit und auch die ein oder andere verwinkelte Gasse. Das Licht des Mondes leuchtete kühl und ließ die Stadt der Engel wie in jeder Nacht zur Stadt der Vampire werden... Mondlicht, Dunkelheit. Die Zeit der Jäger! Die Stunde der Vampire!

Der Morgen graute langsam heran und die Vampire zogen sich zurück. Nicht aber Zwei von ihnen. Denn ein die beiden Vampire hatten noch etwas dringendes zu erledigen.

Mick ergriff sanft Zara’s Hand und beobachtete das Haus auf der anderen Straßenseite ganz genug. LA lag noch im dunkeln. Die Menschen schliefen, wobei manch einer bereits erwachte. Die Straßen wurden vom warmen Licht der Laternen erhellt, doch Zara und Mick hielten sich im Dunklen, in den Schatten und warteten. Eine kleine Träne purzelte über Zara’s Wange. Sie wurde von Mick aufgefangen und hinfort geküsst.

Die Lichter im Haus gingen an und die beiden Bewohner gingen wohl ihren täglichen Ritualen nach. Aufstehen. Duschen. Frühstücken. Zur Arbeit gehen.

Samuel Jenkins öffnete die Tür beschwingt und erstarrte, als sein Blick auf das Körbchen fiel. Die zwei Säuglinge schlummerten tief und fest, träumten von einer besseren Welt. Sam ging in die Hocke und ergriff den Brief, der zwischen ihnen steckte.

„Lieber Sam,

Liebe Julia.

Sie kennen uns nicht, doch wir kennen Sie. Sie sind schon seit langer Zeit auf der Suche nach einem Baby, einem Kind, den sie ihre Liebe schenken können und wir sind auf der Suche nach einem sicheren und guten zu Hause für Mikaela und Zane. Alle Papiere liegen bei und wir hoffen sehr, dass die Zwillinge Ihr Leben von jetzt an bereichern und Sie die Liebe bekommen, die Sie verdienen.“

Samuel sah auf. Sein Blick huschte über die Umgebung, doch er konnte Mick und Zara nicht entdecken. Er sprang auf, ergriff das Körbchen und lief rufend nach seiner Frau in das Haus hinein. Das Glück sprang ihm geradezu aus dem Gesicht. Seine Frau weinte vor Freunde und Dankbarkeit, diesen fremden Menschen gegenüber.

Und Zara weinte. Sie lag in Micks Armen und schon jetzt fühlte sie die unendliche Sehnsucht nach ihren Babys. Mick schluckte schwer, legte den Arm um ihre Schulter und schritt voran. Es dauerte lange Zeit, bis ihre Tränen getrocknet waren und das Loch in ihrem Inneren blieb bestehen.

Zara hockte auf dem Balkon der Wohnung und beobachtete die Stadt. Die Sonne sank dem Horizont entgegen und verabschiedete sich für jenen Tag.

„Sag mir noch mal, warum wir das getan haben...“, flüsterte Zara leise und betrachtete das einzige Foto ihrer beiden Kinder.

„Sie sind Menschen und wir sind Vampire. Wir altern nicht, sie schon. Wir werden niemals die Nacht verlassen können und das, wo Zane und Mikaela den Tag verdienen. Sie sind nicht dazu bestimmt in einem ewigen Kampf der Vampire zu leben, wie wir es sind.... du weißt, wir haben richtig gehandelt.“, sprach Mick und strick über den Handlauf des Balkons.

Zara holte tief Luft und nickte. „Ja, das haben wir. Unsere beiden Kleinen haben das schönste Leben verdient, dass ihnen die Welt bieten kann.... nur leider ist es nicht bei uns.“

„Wir werden auf sie aufpassen, Zara. Von jetzt bis in alle Zeit, werden wir in ihrer Nähe sein und über sie wachen. Ich bin mir sicher, dass Beide wissen werden, dass sie Eltern haben, die sie lieben.“

Wieder nickte Zara. „... hör nur nie auf mich daran zu erinnern.“

“Keine Sorge, ich werde dir es jeden Tag aufs Neue sagen.“, flüsterte Mick und griff in seine Hosentasche. Er zog eine dünne Goldkette mit einem Medaillon hervor. Sanft legte er es Zara um den Hals.

„Was ist das...?“

„Mach es auf...“, erklärte er und hauchte ihr einen Kuss auf die Schläfe. Fragend huschte ihr Blick über Mick, bevor sie mit zittrigen Fingern nach dem kleinen Anhänger griff und ihn öffnete. Links glänzte das Gesicht der kleinen Mikaela und rechts davon Zane.

„Wir tragen unsere Kinder immer in unserem Herzen.“, raunte Mick und zeigte auf seinen Anhänger, der die gleichen Bilder zeigte.

Zara lächelte und sah hinaus in das Lichtermeer. Die Sonne verschwand und ließ eine Flut an hellen Lichtern der Gebäude zurück. Ihre Hand ruhte auf ihrem Herzen. „Niemals werde ich euch vergessen... ich liebe euch .... und ich liebe dich.“, wanderte ihr Blick wieder zu Mick.

„Und ich liebe dich.“, nickte er ihr sanft zu, beugte sich zu ihr und gab ihr einen innigen Kuss. Geschickt hob er seine Schöne auf den Arm und trug sie in die gemeinsame Wohnung.

Ein langer, mühsamer Weg lag nun hinter Mick. Er hatte seine große Liebe verloren, eine anderen gefunden und diese wieder verloren. Coraline war nur noch ein Schatten seiner Vergangenheit und Beth stets eine süße, warme Erinnerung, auf die er zu gerne zurück blickte. Mittlerweile hatte er in Zara sein Glück gefunden. Sie war sein Leben, seine Partnerin, mit der er die Stadt beschützte, vor allem, was sich ihnen noch in den Weg stellen musste. Vieles war nicht leicht zu ertragen. Der Verlust von Freunden, von den eigenen Kindern, doch so war das Leben... es war wunderschön, trotz aller dunklen Momente, die der Vampir ertragen musste....

Er war bereit sich jedem neuen Abenteuer zu stellen, doch nun war es erstmal an der Zeit das Leben mit Zara zu genießen.

 

 

~ Alle Veränderungen, sogar die meistersehnten, haben ihre Melancholie. Denn was wir hinter uns lassen, ist ein Teil unserer selbst. Wir müssen einem Leben Lebewohl sagen, bevor wir in ein anderes eintreten können.~

 

 

Zukunft


 

------------- 18 Jahre später -------------

 

Sie ließen sich in der letzten Stuhlreihe nieder. Eine Sonnenbrille auf der Nasenspitze versuchten sie das bisschen Schatten zu finden, dass die Bäume spendeten. Ganz aufgeregt redeten die Menschen miteinander. Es klang wie das emsige Surren eines Bienenschwarms.

„Erinnerst du dich noch an deinen Abschluss?“, fragte Logan an seine Lebensgefährtin gewandt. Zoe zuckte mit den Schultern. „Schon ja ...“

„Ich war nie auf der High School.“, warf Josef ein und lehnte sich zurück. „Wobei das sicher mal eine Erfahrung wäre.“

„Ich glaube dafür schaust du zu alt aus....“, schmunzelte Nayla und schüttelte leicht ihren Kopf.

„Fang am Besten mit dem College an ...“, meinte Lisa und drückte die Hand von Guillermo.

Am heutigen Tag waren die Gefährten alle wieder zusammen gekommen. Die Sonne schien hell über ihren Köpfen und trieb den Vampiren die ein oder andere Schweißperle auf die Stirn, aber das war es wert. Die langen Stuhlreihen füllten sich immer weiter. Hier und da wurden die ersten Fotos geknipst und dann kehrte Ruhe ein. Eine Scharr junger Leute wanderte die hohen Steinstufen hinab. Die Männer trugen blaue Roben, die Frauen violette.

Zara begann zu strahlen. „Da sind sie ...“, flüsterte sie ergriffen.

Schulter an Schulter schritten zwei Teenager herab, winkten der Menge zu und grinsten breit und schelmisch. Ihre spanische Herkunft ließ sich nicht leugnen, doch das markante an ihnen waren die strahlend blauen Augen – Micks Augen. Mikaelas lange, dunkle Haare kringelten sich wild um ihr bildschönes Gesicht und Zanes kurze Haare standen ihm wild in alle Richtungen ab. Auf seinem Kinn hatte sich der erste Flaum eines Bartes gebildet.

„Sie sehen aus wie ihr in jung...“, grinste Zoe.

Mick und Zara beobachteten ihre Kinder, die auf dem besten Weg waren, erwachsen zu werden. Zwei gesunde, glückliche Menschen, die nichts von ihrer wahren Herkunft ahnten. Genau so sollte es sein, denn die Zwei wuchsen in einer normalen, sicheren Umgebung auf und wurden von Julia und Sam Jenkins geliebt!

Die Menschenmenge klatschte und hieß die jungen Highschool Absolventen willkommen. Hier und da wurde laut gejubelt, ehe die Ansprachen beginnen konnten.

Die Direktorin rief nach der Reihe die jungen Leute auf, überreichte die Zeugnisse und verabschiedete sich. Zu guter Letzt trat die Schulsprecherin Mikaela auf die Tribüne, neigte sich zu dem Mikrofon herab und sah dabei in die Runde. Nur kurz blieb ihr Blick an Mick und Zara hängen und für ein paar Sekunden stutzte sie. Zara lächelte, nickte. Auf den Zügen der wunderhübschen Mikaela bildete sich ebenfalls ein Lächeln und noch einen Moment stutzte sie, bevor sie ihre Stimme erhob.

„Und wenn ich euch noch einen Rat mit auf den Weg geben darf: Illegitimi non carborundum – lasst euch von den Mistkerlen nicht unterkriegen!“, grinste Mikaela in das Mikrofon, ehe sie ihre Ehrenurkunde ergriff und zu ihren Freunden lief.

Mick klatschte. Zara schniefte und auch die anderen stimmten in die freudigen Jubelrufe mit ein. 

„Genau meine Kleine. Lass dich von den Mistkerlen niemals unterkriegen! Ganz gleich wie finster auch die Schatten sind, die noch auf dich warten und sei dir sicher, ich pass auf, dass dir kein Mistkerl zu nahe kommt.“, flüsterte Mick noch und ergriff die Hand von Zara.

„Kommt jetzt. Lasst uns nach Hause gehen...“, rief Mick und sah noch einmal zurück zu seinen beiden Kindern, die er stets aus der Ferne bewachte.

Die Zwei waren glücklich.

Und so war es gut!

 

Gemeinsam schlenderten die acht Vampire von dannen.

Starteten in eine weitere, glückliche Zukunft.

 
 

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The End

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