Every girl's a target von Flordelis (And some boys too?!) ================================================================================ Kapitel 4: Over and out ----------------------- „Du bist doch ein Mitglied der G-Klasse, oder?“ Sie war größer als er, weswegen sie mit einem leicht überheblich erscheinendem Blick auf ihn herabsah. Dass sie ihn nicht wirklich kannte, obwohl er sich oft in der Nähe von Zeri aufhielt, wunderte ihn nicht weiter. In der Welt einer Juliana Everhart existierte jemand wie er sicherlich nicht einmal. „Ich bin Pete Stang“, stellte er sich vor, worauf sie das Gesicht verzog. „Du bist der kleine Freund von Hardins, nicht wahr?“ Er nickte grinsend und vergaß die Situation, in der sie sich im Moment befanden. Dass er einen bleibenden, wenn auch geringen Eindruck auf sie hinterlassen hatte, machte ihn doch ein wenig stolz. „Was tust du hier?“, fragte Juliana. Schlagartig erinnerte er sich wieder an Melissa und die angeblichen Feinde Zeris zurück. Also erklärte er ihr knapp, was ihn auf das Trainingsgelände geführt hatte, es war immerhin auch gut möglich, dass sie eine Erklärung für all das hatte. Tatsächlich seufzte sie, nachdem er ausgesprochen hatte. „Ich fürchte, sie hat uns beide ausgetrickst. Wir müssen sie finden und zur Rechenschaft ziehen. Niemand legt sich ungestraft mit Juliana Everhart an!“ Sie wartete seine Erwiderung nicht einmal ab, sondern lief bereits mit großen Schritten voraus, die besser als ihr neutrales Gesicht verrieten, wie wütend sie über diese ganze Sache war. Pete hatte einiges an Mühe, ihr zu folgen, da sie aufgrund ihrer Größe weiter ausholen konnte. „Was meinst du damit?“, hakte er nach, da er noch nicht so ganz verstand, was eigentlich vorging. „Wo sind Zeris Feinde?“ Verärgert runzelte sie ihre Stirn, blickte aber nach wie vor stur geradeaus. „Hast du es denn immer noch nicht begriffen?! Es gibt keine Feinde! Ich gehe davon aus, dass Dalen uns gegeneinander ausspielen wollte.“ „Und warum sollte sie das tun?“ Er hätte es verstanden, wenn er Cosette wäre, die sich oft in der Nähe von Avan und Zeri aufhielt oder irgendeines der anderen Mädchen, das verrückt nach dem Darcsen war, aber warum gerade er? „Vor einer Weile hat Dalen etwas Ähnliches mit Hardins gemacht“, fuhr Juliana in ihrer Erklärung fort. „Damals stahl sie die Bilder, die Zeris Fanclub in ihrem Raum aufbewahrten und Hardins musste ihr helfen, den Zorn der Mädchen abzuwenden.“ Deswegen war Avan also so ängstlich, wenn es um sie ging, er hatte tatsächlich schon einiges an Erfahrungen mit ihr durchgemacht. Das hätte er ihm aber ruhig einmal sagen können, Pete würde sich bei ihm noch gehörig beschweren – sobald er sich erst einmal bei Melissa ausgelassen hatte. „Wie hat sich denn hergelockt?“ Er sah zu Juliana hinüber, diese presste aber unwillig die Lippen aufeinander, offenbar wollte sie nicht wirklich darüber sprechen. „Das ist jetzt unwichtig“, erwiderte sie schließlich statt einer Antwort. „Hat Dalen dir gesagt, wo sie sich verstecken wird?“ Er dachte an die kurze Einsatzbesprechung zurück, musste aber mit dem Kopf schütteln. Melissa hatte nur ihm Anweisungen gegeben, aber nicht verraten, was sie selbst tun würde. Er war nur automatisch davon ausgegangen, dass sie sich im Containerbereich aufhalten würde, wo sie ihre Fähigkeit zum Verstecken bis aufs Äußerste nutzen konnte. Plötzlich zweifelte er sogar daran, dass sie beide dieses menschliche Chamäleon fangen könnten. Würde es nur um ihn gehen, hätte er sich einfach umgezogen, wäre ins Bett gegangen und hätte bis zum nächsten Schultag gewartet, an dem er Melissa auf jeden Fall hätte sehen müssen, aber die ebenfalls anwesende Juliana war jetzt wütend und es brachte nichts, ihr das ausreden zu wollen. Der Container-Bereich des Trainingsgeländes lag wie üblich völlig ruhig da. Während des Trainings hallte das Geräusch des Wassers oft sehr weit, wenn sich Rekruten durch das Nass bewegten, aber im Moment war davon nichts zu hören, also ging Juliana offenbar davon aus, dass sie diesen Bereich gänzlich außer Acht lassen konnte. Also schweifte ihr Blick über die aufgestellten Container, in deren Schatten sich auch während der Übungen immer Einheiten versteckten. Ein eiskalter Schauer fuhr langsam Petes Rücken hinab und brachte ihn dazu, sich zu schütteln. Er fühlte sich von allen Seiten beobachtet und glaubte, Melissas Lachen zu hören, das ebenfalls von überall her zu kommen schien. Er fühlte sich wie der Hauptcharakter einer Horrorgeschichte und hätte sich am Liebsten unter seine Bettdecke verkrochen. Zu seinem Glück blieb Juliana aber vollkommen ruhig – zumindest schien sie so. Sie fasste das Schwert, das sie als Fencer mit sich trug, fester und lief langsam auf einen der Container zu. Mit dem Kopf gab sie Pete zu verstehen, dass er von der anderen Seite aus herumgehen sollte, um die Person, die sich möglicherweise dort verbarg, in die Zange zu nehmen. Er reagierte sofort und tat das, was sie wollte, wenngleich er sich um einiges langsamer bewegte als sie, weil die Furcht ihn immer noch zu lähmen versuchte. Mit rationalen Gedanken versuchte er sich selbst zu beruhigen. Es gab immerhin keinen Grund, vor Melissa Angst zu haben, sie war ein Mensch, genau wie er und kein Monster. Sie konnte ihm nicht schaden, es sei denn, er ließ es zu. Aber ein Monster wäre mir im Moment doch lieber... Bei einem solchen hätte er immerhin auch nicht gezögert, seinen Gegenüber direkt mit Kugeln zu durchlöchern – auch wenn die Platzpatronen, die er im Moment im Gewehr hatte, nicht wirklich effektiv gewesen wären. Als er an der Ecke des Containers angekommen war, warf er einen Blick dahinter. Tatsächlich entdeckte er im Dunkeln jemanden, der auf dem Boden kniete und es sah nicht so aus, als ob diese Person auf ihn achtete. So leise wie möglich schlich er sich weiter und erkannte, dass es sich wirklich um Melissa handelte, die leise vor sich herzusummen schien. Er erkannte die Melodie nicht, aber für einen kurzen Moment fühlte er sich wie verzaubert und hielt inne, was ihm nicht einmal aufgefallen war. Kaum war er sich dessen bewusst geworden, setzte er seinen Weg fort, aber weil er seine Verzögerung durch raschere Fortbewegung ausgleichen wollte, erzeugten seine Schritte wieder knirschende Geräusche, die dazu führten, dass Melissa ihn einfach hören musste. Zwar fuhr sie nicht herum, aber sie hörte auf zu summen. „Was willst du jetzt tun, Stang?“ Erneut hielt er inne, aber dieses Mal vor Schreck. „W-was...?“ „Du willst bestimmt wissen, warum ich dich und Everhart hergerufen habe.“ Das hatte er eigentlich nicht sagen wollen, aber es traf doch sein Interesse, wie er zugeben musste. Dennoch sagte er nichts und wartete einfach darauf, dass sie fortfuhr, was sie auch sofort tat: „Es ist ganz einfach. Ihr seid meinem Zeri zu nahe.“ Er stutzte ein wenig. „W-was?“ Nun wandte sie ihm tatsächlich das Gesicht zu, so dass er sehen konnte, dass sie ein wenig lächelte. Dieses feine Lächeln, das auf den ersten Blick so liebenswert wirkte, bei genauerer Betrachtung aber seine Arglist verriet. „Verstehst du es denn nicht? Jeder, der meinem Zeri zu nahe kommt, ist ein Ziel für mich. Und du, genau wie Hardins, kommst ihm viel zu nahe.“ Wieder fuhr ihm ein eiskalter Schauer über den Rücken. Er hätte verstanden, wenn sie nur von Mädchen gesprochen hätte, die Zeri zu nahe kamen, weil sie an diesem interessiert waren – aber er konnte doch keine Gefahr für sie sein! Also warum war er ebenfalls ein Ziel? „Eigentlich hatte ich gehofft, du und Everhart würdet euch gegenseitig für eine Weile ins Lazarett befördern. Aber dem helfe ich auch gerne nach, damit ihr meinem Zeri endlich fernbleibt.“ Er fühlte sich immer noch unfähig, sich zu rühren, auch als sie sich aufrichtete. Sie hob das Gewehr über ihren Kopf, um ihn mit dem Kolben an der Stirn zu treffen – und als er das erkannte, kehrte das Leben wieder in seinen Körper zurück. Pete wich zurück und wollte das Gewehr hochreißen, um ihr zumindest einen Schuss mit der Platzmunition zu verpassen. Aus dieser Nähe dürfte auch das immerhin recht wirkungsvoll sein. Doch noch ehe er den Abzug betätigen konnte, sackte Melissa plötzlich mit einem dumpfen Schmerzenslaut zusammen. Er blinzelte verdutzt, als er sich wieder Juliana gegenübersah, deren Anwesenheit ihm während des kurzen Gesprächs entfallen war. Sie schnaubte wütend, während sie auf Melissa hinabsah. „Niemand legt sich mit einer Everhart an und kommt damit davon! Du kannst froh sein, wenn du mit einer einfachen Strafe davonkommst.“ „Ah-ah-ah“, meldete sich plötzlich eine weitere Stimme, die Pete aber durchaus bekannt vorkam, immerhin hörte er sie seit seiner Ankunft in Lanseal fast jeden Tag. „Ich glaube, sie lernt es schon mit einer einfachen Strafe.“ Petes Blick wanderte zu dem braunhaarigen Mann, der aus den Schatten in sein Blickfeld trat. „Mr. Brixham?!“ Die Anwesenheit seines Lehrers verwirrte ihn sichtlich, aber Juliana schien davon nicht im Mindesten überrascht, eher verstimmt darüber, dass Melissa mit einer einfachen Strafe davonkommen sollte. Brixham nickte. „Juliana hat mich davon in Kenntnis gesetzt, dass Melissa andere Schüler anfeindet. Das müssen wir natürlich unterbinden.“ Er sah zu Melissa hinüber, die sich den schmerzenden Hinterkopf rieb. „Aber nur keine Sorge, Juliana, ich werde sicherstellen, dass die Strafe entsprechend hart ausfällt.“ Pete erinnerte sich an die Worte von Brixham, während er aus dem Fenster auf den Sportplatz hinabsah. Noch immer war ihm Julianas genervtes Seufzen, das sie auf dem Rückweg zur Akademie ausgestoßen hatte, im Gedächtnis. Es war der totale Gegensatz zu dem zufriedenen Laut, den sie nun von sich gab, während sie neben ihm stand und ebenfalls hinaussah. Es war nur ein Zufall, dass sie nebeneinander standen, aber er passte außerordentlich gut, auch wenn sie nur einen kurzen Augenblick dieselbe Situation hatten durchstehen müssen. Pete für seinen Teil dachte gar nicht gern diese Nacht zurück und er hoffte, dass sie gemeinsam mit den Erinnerungen an diese furchteinflößende Zeit langsam verblassen würde. Deswegen empfand er kein Mitleid mit Melissa, so wie zum Beispiel Cosette, die bereits ein leises „Owww“ von sich gegeben hatte, als Brixham die Abwesenheit ihrer Mitschülerin im Unterricht hatte. Nein, er verspürte eine wohlige Genugtuung, während er beobachtete, wie Melissa damit beschäftigt war, schwere Geräte zu bedienen, um dem Sportplatz einen neuen Anstrich zu geben. Es sollte sie lehren, die Allgemeinheit zu schätzen, indem sie etwas Gutes für eben diese tat, das waren Brixhams erklärende Worte dafür gewesen, auch wenn er nicht weiter ausgeführt hatte, was genau der Grund für diese Strafe war. Neben der Tatsache, dass sie damit tagsüber beschäftigt sein würde – und das eine ganze Weile – wäre sie im Anschluss zu müde, um sich weiterhin um ihre Konkurrenz zu kümmern. Pete freute sich bereits auf die ruhige Zeit, in der er sich nicht mehr davor fürchten musste, dass Melissa ihm auflauerte – und einläuten würde er diese Zeit mit einem herzhaften Mittagessen. 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