Hinter den Masken von Flordelis ================================================================================ Kapitel 3: Aufstieg ------------------- Die Reise mit der Gruppe war gar nicht so schlimm, wie Hix zuvor gedacht hatte. Auch wenn das nur daran lag, dass Grimare sich in einem der Wägen aufhielt, während die drei Schausteller und auch er und Tengaar neben den Pferden herliefen. Inzwischen hatten sie den Bergpass bereits erreicht, der mit einer sanften Steigung in die Höhe führte. Da dieser Pfad lediglich in das Ödland führte, das schließlich in die Karakas Wüste mündete, gab es dort keinen Grenzposten, der sie aufhalten könnte. Niemand, der noch ganz klar im Kopf war, wagte es, diesen Weg zu gehen. Als Hix dieser Gedanke kam, fragte er sich unwillkürlich, ob er ebenfalls verrückt geworden war, da er Tengaar und den anderen diesen Plan nicht ausgeredet hatte, aber er kam zu dem Ergebnis, dass er einfach nur feige war und sich nicht getraute, ernsthaft zu widersprechen. Zumindest gab es auf diesem Weg keine Monster oder Banditen. Die Frauen blieben neben dem ersten Wagen unter sich, während Hix und Etzel neben dem dritten herliefen. Der rot-braune Wallach, der das Gefährt zog, schien ein wenig zu lahmen, weswegen der Abstand zwischen ihm und den anderen Wägen immer größer wurde, aber keiner der beiden Begleiter störte sich daran. Hix kümmerte sich vor allem nicht darum, da er sich in Ruhe mit Etzel unterhalten wollte. „Wie ist es denn so mit Grimare zu reisen?“ Er bemühte sich, seine Stimme nicht zittern zu lassen, damit der andere nicht bemerkte, wie sehr er sich vor diesem Maskierten fürchtete, immerhin war dieses Gefühl eigentlich absolut unbegründet. Etzel hob die Schultern. „Ich muss ehrlich sagen, dass er sich uns erst kurz vor Radat angeschlossen hat. Eigentlich gehört er also gar nicht zu uns – wir dachten nur, wir sollten ihn mitnehmen, weil er so allein mitten in der Gegend herumstand.“ Das erstaunte Hix. Sicher, er hatte von Anfang an das Gefühl gehabt, dass Grimare einfach nicht dazugehörte, aber das darauf geschoben, dass der Mann einfach anders war und nirgends richtig hineinpasste, ähnlich wie er selbst. „Ist das nicht gefährlich?“, fragte er. Man wusste nie, was in Fremden vorging, wie konnten sie da so vertrauensselig sein? „Das hat Nerthus auch gesagt.“ Etzel lachte amüsiert. „Aber Siglind hat sich durchgesetzt. Sie wirkt burschikos, doch eigentlich ist sie von uns dreien die Umsichtige, die sich für alles verantwortlich fühlt. Deswegen sollte eigentlich sie neben diesem Klepper laufen.“ Er warf einen Blick zu dem lahmenden Pferd und runzelte dabei die Stirn. „Andererseits könnten wir uns auch kein neues Tier leisten und wir brauchen den Wagen.“ „Schon einmal überlegt, euch niederzulassen? Nur so lange, bis ihr das Geld für ein neues Pferd habt.“ Etzel lächelte ihm sanft zu, wie einem Kind, das etwas Dummes gesagt hatte. „Wir haben tatsächlich darüber nachgedacht, aber in unseren Adern fließt Nomadenblut, wir können nicht lange am selben Ort bleiben. Manchmal glaube ich, wir sind Nachfahren der Sindar.“ Er lachte wieder, was Hix verriet, dass er es nicht ernst meinte. Von den Sindar verstand Hix nicht viel, das war nicht sein Aufgabengebiet, aber er wusste, dass Lorelei nach Ruinen dieses Volks suchte. Und in Rious Armee waren neben ihr noch zwei andere gewesen, die sich dafür interessierten. Aber das war wieder eine andere Geschichte, dachte er sich und konzentrierte sich lieber wieder auf sein Gespräch mit Etzel. „Ihr werdet das bestimmt noch anders schaffen.“ Der andere nickte zustimmend. „Also, was hältst du von Grimare?“, wollte Hix wissen. „Er verbirgt etwas und ich meine damit nicht sein Gesicht. Aber ich weiß intuitiv, dass es nichts Schlimmes ist. Deswegen frage ich ihn nicht weiter, er wird uns nicht gefährlich werden.“ Auch wenn es vorrangig nicht sein Gesicht war, das Grimare zu verbergen gedachte, bereute Hix dennoch, sich nicht getraut zu haben, ihn um das Abnehmen der Maske zu bitten. Wenn er ehrlich war, interessierte er sich nämlich doch für das Gesicht dahinter. Aber die Furcht in jenem Moment war einfach zu stark gewesen. Tengaar schien dasselbe gefühlt zu haben, normalerweise genügte das, damit er den Mut fand, etwas zu unternehmen. Aber bei Grimare schien nichts normal zu sein. Ein wenig war Hix auch neidisch auf die Ausstrahlung dieses Mannes, die so erhaben war, dass sie einem Respekt einflößte, wenn man sich nur in seiner Nähe befand. Wenn er nur ein bisschen so sein könnte wie er, nur ein winziges bisschen, dann könnte er, ohne weitere Bedenken, Tengaar endlich die ersehnte Frage stellen. Dann wäre er ihrer endlich würdig, auch seinem eigenen Gefühl nach, noch dazu, da er im Anschluss das neue Oberhaupt des Dorfs werden würde. In Gedanken versunken, bemerkte er gar nicht, wie Etzel ihm einen fragenden Blick zuwarf, ehe er sich wieder auf das Laufen konzentrierte. Tengaar genoss derweil die Gesellschaft der Frauen und bemerkte auch gar nicht, dass der dritte Wagen sich immer weiter von ihnen entfernte. In der Armee hatte sie sich hin und wieder mit anderen Frauen unterhalten, aber dafür war doch eher selten eine Gelegenheit gewesen. Meist war sie beschäftigt gewesen, Hix zum Trainieren anzuhalten, während er immer wieder Ausreden erfunden hatte, um dem zu entgehen. Manchmal war es ihr so vorgekommen als ob er eigentlich gar nicht daran interessiert wäre, sie zu heiraten. Dass er sie bislang immer noch nicht gefragt hatte, bestätigte sie nur darin. Am Liebsten hätte sie ihn gefragt, was ihn davon abhielt, was er befürchtete, aber sie wusste, dass er nur mit einem verlegenen Stottern antworten würde, deswegen beließ sie es dabei. Im Moment war es auch etwas anderes, das Tengaar beschäftigte: „Warum fährt Grimare eigentlich mit einem Wagen, statt zu laufen?“ Siglind, die um einiges kommunikativer war als Nerthus, antwortete sofort: „Er sagt, er ist nicht sonderlich gut zu Fuß. Außerdem war er so lange zu Fuß unterwegs, da dachten wir, es wäre besser, wenn er fährt.“ „Außerdem haben wir im zweiten Wagen einige zerbrechliche Gegenstände“, erklärte Nerthus weiter. „Da war es uns lieber, jemanden zu haben, der auf sie aufpasst. Früher haben wir uns darin immer abgewechselt.“ Das klang recht sinnvoll, fand Tengaar. „Darf ich dich etwas fragen?“ Siglind wirkte plötzlich überaus neugierig, Nerthus schien bereits das Schlimmste zu befürchten und hielt sich eine Hand vor den Mund als sei sie schon im Vorfeld schockiert. Tengaar dagegen nickte zustimmend, so dass Siglind die Frage stellte: „Fühlst du dich bei diesem Hix wirklich sicher? Er wirkt nicht unbedingt wie jemand, der einen beschützen kann.“ Sie wollte sofort und ohne Nachzudenken mit einem 'Natürlich' antworten, hielt dann aber doch noch inne und starrte auf den Horizont. Die Sonne war nur noch als blutrote Scheibe zu erkennen, die sich langsam senkte und damit den Himmel verfärbte. Sie dachte nicht nach, ob sie guten Gewissens bejahen könnte, sie wusste die Antwort schon, sie war nur zu der Erkenntnis gekommen, dass eine zu rasche Antwort ein falsches Licht darauf werfen könnte. Schließlich wandte sie ihren Blick vom Horizont ab und wieder der neugierigen Siglind zu. „Ich bin mir absolut sicher. Er wirkt nicht so, aber Hix ist wirklich stark.“ Wenn nur sein Selbstvertrauen auch so stark wäre... „Du liebst ihn wirklich, hm?“ Nerthus lächelte sanft. Tengaar nickte zustimmend, während sie das Lächeln erwiderte. „Ja, das tue ich.“ „Ist es nicht eine große Verantwortung, die Tochter eines Dorfoberhaupts zu sein?“, wollte Siglind wissen. „Also, im Bezug auf die Wahl deines Mannes.“ Ein ähnlicher Gedanke war ihr auch einmal gekommen. Möglicherweise fühlte Hix sich nicht dazu fähig, das nächste Oberhaupt des Dorfes zu werden und deswegen fragte er sie nicht. Aber wie könnte sie ihn davon überzeugen, dass sie an ihn glaubte? „Ja, das ist es. Aber Hix ist durchaus fähig, das nächste Oberhaupt zu werden. Er braucht nur noch ein wenig mehr Selbstbewusstsein.“ Normalerweise genügte die Reise der Männlichkeit, um die Männer aus dem Dorf der Krieger zu einem Ausbund an Selbstbewusstsein werden zu lassen, aber bei Hix genügte das anscheinend nicht. Vielleicht war das sogar ihre Schuld, vielleicht putzte sie ihn zu oft herunter, vielleicht... Sie wusste nichts mehr zu sagen oder zu denken, das alles blieben nur Mutmaßungen, sie konnte ihn nicht einmal fragen, da er nicht darauf antworten würde. Aber früher oder später würden sie darüber sprechen müssen. Immerhin schienen ihre Antworten aber Siglinds Neugierde befriedigt zu haben, auch wenn sie wohl nicht dieselbe Meinung über Hix teilten. Das ist der Grund, weswegen ich ihm immer sage, er soll endlich selbstbewusster werden, damit die anderen ihm das glauben. Die Sonne versank rasch immer tiefer und nahm das Licht mit sich, sie ließ nur einen schwarzen Himmel voller Sterne zurück, ein Mond war bislang noch nicht zu sehen. Glücklicherweise kamen sie nur kurz nachdem die Sonne gänzlich verschwunden war, auf der zuvor erwähnten Plattform an, die tatsächlich groß genug für alle drei Wägen war. Als die ersten zwei Wägen standen, begannen Nerthus und Siglind, aus einem der beiden Gefährte Feuerholz herauszuholen und es auf der Mitte der Plattform aufzuschichten, während Nerthus dann versuchte, ein Feuer zu entzünden, breitete Siglind rund herum Decken aus. Sie taten das so eingespielt als hätten sie ihr Leben lang nichts anderes getan. „Und jetzt?“, fragte Tengaar, als das Feuer schließlich brannte. „Wir warten auf die anderen“, antwortete Nerthus lächelnd. „Das kann bei diesem Pferd eine Weile dauern. Solange werde ich kochen, wir sind nach dieser Anstrengung alle hungrig, nehme ich an.“ Siglind lächelte entschuldigend als wäre das Lahmen des Tiers oder der Hunger der Gruppe ihre Schuld. Doch Tengaar dachte nicht weiter darüber nach, sondern ließ sich auf einer der Decken nieder – und wartete. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)