Sondereinheit Mustang von Schwesel ================================================================================ Kapitel 8: Verlangen -------------------- Endlich war ich in meinem Bett, hatte vorher eine lange Dusche genossen und heute Nacht nur Falman in der Wohnung. Er war ruhig, hielt sich aus meinen Angelegenheiten raus und saß nur für den Fall der Fälle im Wohnzimmer und las, das war das Beste, was ich in dieser Situation erwarten konnte. Jetzt hieß es endlich, nach stundenlangem, erfolglosem Akten durchforsten, schlafen gehen. Papiere, Papiere und noch mehr Papiere, mehr war nicht vor meinen Augen. Ich las sie nicht einmal, unterzeichnete sie nur und schob sie zur Seite, doch es schienen einfach nicht weniger zu werden. Warum musste ich überhaupt die ganze Arbeit machen, auf den meisten Papieren konnte ich den Namen Roy Mustang erhaschen, doch bevor ich etwas richtig lesen konnte, war das Papier schon wieder weg. Die Haufen wurden immer größer und schwankten immer stärker, ich hoffte nur, sie würden nicht umfallen und mich unter ihnen begraben. „Hawkeye! Beeilen Sie sich ein bisschen, das muss alles bis heute Abend fertig sein!“ Der Oberst sah mich wütend an und knallte noch mehr Dokumente auf meinen Papierstapel. Ich wagte es nicht, ihm zu widersprechen, es musste einen Grund für diese Arbeit geben, aber ich kannte diesen Grund nicht. Ich wollte ihn nicht noch mehr verärgern, wenn er schon so sauer war, es gab immer einen Auslöser für so eine Wut, besonders bei Oberst Mustang. Plötzlich stürzte ein Stapel nach dem anderen um und ich wurde unter einer Flut von Dokumenten begraben. Ein warmer Windhauch ließ mich wieder aufblicken. Das Papier war verschwunden, genauso wie mein Schreibtisch und der Oberst. Verwirrt blickte ich mich um, ich sah nur Sand, Sand und nochmals Sand, aber hinter mir konnte ich das leise Rauschen von Wellen vernehmen. Ich saß am Strand, den Blick auf das blaue Meer gerichtet und spürte eine warme Brise auf meiner nackten Haut. Hatte ich nicht gerade noch eine Uniform getragen? Ich konnte mich nicht mehr daran erinnern, jetzt allerdings hatte ich nur einen Badeanzug an, wie ich ihn schon oft in Magazinen gesehen, aber noch nie selbst getragen hatte. Es war ein merkwürdiges Gefühl nur so wenig und zudem enganliegende Kleidung zu tragen und die Brise auf fast jedem Zentimeter meiner Haut zu spüren. Immer hatte ich darauf geachtet, nicht zu viel preiszugeben, um das Tattoo zu verbergen. Das Tattoo. Hastig blickte ich mich um, doch ich konnte nirgendwo jemanden sehen, ich hörte nur einige Vögel ihre Rufe ausstoßen. Ich sollte versuchen Kleidung zu finden, so sehr ich diese Situation auch genoss. Mich immer weiter umblickend ging ich den Strand entlang, irgendwo musste ich etwas finden, niemand durfte meinen Rücken sehen, niemand. Wie ich es auf der Akademie gelernt hatte, sondierte ich meine Umgebung und hielt weitsichtig Ausschau nach Menschen, doch ich erblickte kein einziges Lebewesen. Ruhig atmend versuchte ich mein Tempo bei zu behalten, mich weder von der Panik noch vom Meeresrauschen ablenken zu lassen, doch so ganz gelang es mir nicht. Ich stolperte, den Grund konnte ich nicht ausmachen und fiel mit dem Gesicht voran in den warmen Sand. Ich konnte nicht mehr atmen, aber es störte mich nicht, ich war ganz entspannt, als sich langsam der Sand um mich schloss, als würde ich darin versinken. Ganz umhüllt von warmem Sand lag ich hier und war glücklich. Meine Kehle schmerzte, als hätte ich stundenlang geschrien. Ich versuchte ruhig zu atmen und mich nicht aufzuregen, sonst würde ich nur Ärger bekommen. Ich drückte meine Wange gegen das Kissen, auf dem ich lag und schlang die Arme darum. Ich durfte nicht mehr schreien, ich musste ruhig bleiben, ich tat das freiwillig, weil ich ihn liebte. Doch als die kalte Nadel wieder in meine Haut eindrang, konnte ich einen erneuten Schrei nicht unterdrücken. Mein ganzer Rücken fühlte sich an, als würde er in Flammen aufgehen, welche Ironie. Endlich schien mir eine Pause vergönnt zu sein, doch ich konnte mich nicht rühren, mein Rücken schmerzte zu sehr. Ich spürte wie sich sanft eine warme Hand auf meinen Arm legte. „Es tut mir so leid, Riza“, flüsterte er mir zu. „Bleib einfach liegen, ich hole dir etwas.“ Ich konnte auch nichts anderes tun als liegen und das Kissen an meine noch kaum entwickelte Brust drücken. Nach dem Ticken der Standuhr zu urteilen kam er nach drei Minuten wieder und kniete sich neben mich. Ich konnte sein besorgtes, aber liebevolles Gesicht sehen und erkennen, wie sehr er mit mir litt, er wollte mir nicht weh tun, aber er wusste auch nicht, wie er sein Geheimnis sonst schützen sollte. Es war meine Entscheidung gewesen, also musste ich damit leben, aber es tat zu sehr weh. Sanft schob er mir nach einander drei Tabletten in den Mund und half mir mit einem Glas Wasser sie hinunter zu schlucken. Das Wasser tat so gut und ich trank in langsamen Zügen das ganze Glas leer. Danach legte ich den Kopf wieder auf das Kissen und schloss für einen Moment die Augen, sobald ich sie wieder öffnete, hatte er frisches Wasser in dem Glas und ich roch Suppe. „Riza, bitte mach den Mund auf, du musst ein bisschen etwas essen.“ Ganz langsam ließ ich mich mit etwas Suppe füttern und trank noch mehr Wasser. Es gab keinen Teil meines Körpers der nicht schmerzte, ich konnte mich nicht entspannen und verstärkte so den Schmerz noch mehr. Erneut schloss ich die Augen, um Ruhe zu finden, doch es wollte mir nicht gelingen, erst hinderte mich der Schmerz und dann meine eigenen Gedanken. Ohne nachzudenken drehte ich mich auf den Rücken, um in dieser Position Schlaf zu finden. Ein spitzer Stein bohrte sich durch die Decke in meinen Rücken, was mich sofort aufspringen ließ. Ich musste vorsichtig sein, um nicht gegen die Zeltplane zu stoßen, die sowieso nicht sehr stabil befestigt war, also ging ich schnell wieder auf die Knie und entfernte mehrere kleine Steine unter meiner Decke. Ich hasste es in diesem Lager, unbequem war einfach kein Ausdruck und selbst wenn ich eine bequeme Position gefunden hatte, wurde ich durch Krämpfe gequält. Ich wollte nach Hause, auch wenn ich dort allein war, überall war es besser als hier. Vorsichtig legte ich mich wieder hin, um nicht erneut auf einem Stein zu landen. Nach einer halben Stunde lag ich endlich bequem und war kurz davor Ruhe zu finden, doch plötzliche Schmerzen hinderten mich daran. Ich zog die Knie nah an meine Körpermitte und schlang die Arme um mich, um so den Schmerz besser ertragen zu können, doch es half nichts. Nur langsam und kaum merklich ließen die Schmerzen nach und ich konnte endlich etwas Schlaf finden auf dem kalten, harten Boden. Im Halbschlaf konnte ich hören, wie ein kräftiger Wind über das Lager fegte und schon kurz darauf trommelten die ersten Regentropfen auf die Zeltplanen nieder. Zuerst war ihr Rhythmus langsam, wurde dann aber immer kräftiger, bis es so stark regnete, dass es wie ein einziger Ton klang. Dieses Geräusch wirkte beruhigend auf mich und ich konnte mich weiter entspannen, zumindest bis ich mit Schrecken feststellte, dass ich komplett nass in einer Pfütze lag und zu zittern begann. Mein Kopf schmerzte, nur mühsam gelang es mir die Augen zu öffnen. Ich spürte, wie sich etwas Warmes unter mir ausbreitete, ich schätzte es war Blut, das aus diversen Verletzungen floss. Außer dem warmen Blut war es kalt, zu kalt. Ich fror auf dem kalten Steinboden, eher eine Straße und zitterte. Aber nicht nur die Kälte verursachte mein Zittern, der Hauptgrund war er. Er hatte nicht bemerkt, dass ich wieder zu Bewusstsein gekommen war und ich würde es ihm auch nicht zeigen, aber solange er nicht hinsah, konnte ich ihn beobachten und vielleicht einen Ausweg aus dieser Situation finden. Sein Gesicht konnte ich nicht sehen, nur seine kaputte Hose und sein zerknittertes Jackett. Es gab keine Auffälligkeiten, aber ich musste welche finden, wie sollte ich ihn sonst dingfest machen. Verzweifelt versuchte ich einen Anhaltspunkt zu finden, aber mein Schädel dröhnte immer lauter, was mir das Denken erschwerte. Da kam endlich etwas Bewegung in ihn. Er griff in seine Tasche und zog ein Klappmesser heraus, aber ein Klappmesser würde ihn nicht als Täter qualifizieren, viele Männer hatten eines. Doch wenn ich genau hinsah, konnte ich auf dem Griff etwas erkennen, ein Name. Das Glück war doch wieder auf meiner Seite. Opinel stand in klaren Buchstaben auf dem Griff. Orientierungslos blickte ich an die Decke. Es war meine Decke und ich konnte Black Hayate auf meinen Beinen spüren. Vorsichtig sah ich mich um, ich schien wirklich in meinem Bett zu liegen, ich hatte also nur geträumt. Aber es war an einigen Stellen so real gewesen. Langsam griff ich mir an den Hinterkopf, noch immer war dort die Wunde zu ertasten. Vielleicht war es doch kein Traum gewesen. Ich setzte mich auf und stützte das Kinn in den Händen ab. Ganz sicher war es kein Traum gewesen, ich hatte mich wieder an etwas erinnert und ich konnte diese Information gebrauchen. Ganz ruhig versuchte ich aufzustehen und zur Tür zu gehen, doch ganz so ruhig, wie ich es mir gewünscht hätte, war ich nicht, dafür war es zu wichtig. Endlich am im Wohnzimmer stehenden Telefon angekommen, rief ich mir erneut den Namen ins Gedächtnis, ich wusste ihn noch, gut. „Oberleutnant Hawkeye, ist alles in Ordnung?“ Ich konnte hören, wie Falman aufstand, während ich die Nummer des Obersts wählte, es war noch dunkel, demnach würde er wohl nach Zuhause sein. „Oberleutnant?“ Er klang wirklich ein wenig besorgt, aber er würde schon verstehen, sobald das Telefonat beendet war, deshalb forderte ich ihn mit einer Handbewegung zum Schweifen auf. Endlich nahm auch jemand ab. „Hm?“ Ich hatte ihn also wirklich geweckt. „Es ist Nacht, wer stört mich?“ „Elizabeth. Roy, wir müssen dringend reden.“ Es war automatisch aus mir gekommen, ich konnte doch in dieser Angelegenheit frei sprechen, auf diese Art würde ich ihm nur einen Schreck verpassen und das wollte ich nicht. „Ich meine, Hawkeye, Sir. Ich habe wichtige Informationen zum Täter.“ „Ist alles in Ordnung bei Ihnen?“ Ich wusste, worauf er anspielen wollte, aber ich konnte mich noch immer nicht daran erinnern, also war es für mich noch immer nicht passiert. „Ja, Sir, ich erinnere mich nur wieder an ein Detail. Der Täter hatte ein Klappmesser der Marke Opinel.“ Seine Freude darüber konnte ich nicht nachvollziehen, ich hatte noch nie von dieser Marke gehört und wusste nicht, ob es uns überhaupt weiterhelfen konnte, aber scheinbar war es ein großer Schritt voran. „Wissen Sie, was das ist? Ein Importmesser, ein sehr Seltenes ebenso, aus Creta, das beschränkt unsere Suche auf nur wenige Verdächtige. Gleich morgen könnten wir mit den Verhören beginnen. Ich weiß genau, wo diese Messer herkommen, ich habe erst vor kurzem selbst...“ Mitten im Satz wurde er still, seine Worte schienen ihn zu reuen und ich wusste genau warum. Er dachte, ich würde ihn jetzt verdächtigen, doch wie konnte ich so etwas tun, ich war mir sicher, dass er es nicht war. „Keine Sorge, Sir. Schlafen Sie gut.“ Ich legte zögerlich auf und ging dann ohne ein weiteres Wort zu verlieren zurück in mein Schlafzimmer. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)