Baby, it's cold outside von FreeWolf (Ein Adventskalender) ================================================================================ Kapitel 6: 6. Dezember - Pünktchen ---------------------------------- „Ah, da bist du ja!“, Bryan ließ sich strahlend auf die Couch fallen, direkt neben Spencer. Der Blondschopf schluckte. Das leicht grenzdebile Grinsen des andern weckte leise, üble Vorahnungen ihn ihm, und er war sich sicher, ohne Blessuren würde er hier nicht wegkommen. „Weißt du was?“, der Silberblonde mit dem verrückten Lächeln im Gesicht schwenkte eine Tageszeitung und legte die Füße gerade in dem Moment auf den Couchtisch vor ihnen, als wolle er dem blonden Hünen selbst den letzten Fluchtweg abzuschneiden. Spencer sah sich wahrlich eingekesselt: links versperrte Tala mit seinen ewigen Wälzern den Ausweg – der Rotschopf pflegte, beim Lesen immer auf dem Boden zu sitzen. Rechts war Bryan, das schlimmste aller Übel, und sein enormer Mitteilungsdrang. Vor ihm lag der Couchtisch – unüberwindbar, weil er, um das Möbel zu überwinden, einen filmreifen Hechtsprung hätte hinlegen müssen, um dann direkt im Fernseher zu landen. „…“, Pünktchen. Spencer seufzte ungehört. Man musste Bryan noch nicht einmal antworten – wer sich nicht schnell genug aus dem Staub machen konnte, war verloren. Und scheinbar war er in dieser Woche der Gelackmeierte, wenn es darum ging, die pseudophilosophischen, gelegentlich amüsanten, meistens aber äußerst sinnlosen Exkurse des Silberblonden anzuhören. Vielleicht glaubte Bryan, ihn interessiere es, was er zu sagen hatte..? Verdammt, wenn ihm nur endlich einmal eine anständige Ausrede einfiele, so wie Ivan.. Aber nein, der fiese, kleinwüchsige Wicht hatte natürlich die Gabe, glaubhaft zu wirken, selbst wenn er den größten Mist aller Zeiten fabulierte – das letzte Mal war es etwas von einer Großmutter, einem großen Kuchen, vielen kleinen Krümeln und einem weißen Wolf gewesen.. „..“, noch immer nur Pünktchen, nichts weiter. Spencer überlegte, ob er nicht einfach aufstehen sollte, wie Tala es normalerweise machte – dessen fieses, schadenfrohes Grinsen bekam er übrigens aus den Augenwinkeln mit, und er war darüber alles andere als erfreut! – doch die antrainierten guten Manieren vom Resozialisationsprogramm hielten ihn dann doch davon ab. Auch wenn er scheinbar der einzige war, der das Prinzip der Umgangsformen verstanden zu haben schien. „..“, Pünktchen. Er konnte auch versuchen, Bryan und seinen Redefluss zu ignorieren, überlegte Spencer still, so wie Kai. Auch wenn der Halbjapaner eigentlich nur alle heiligen Zeiten vorbeischaute und das gestörte Verhältnis der beiden eigentlich bloß als seltsam einzuordnen war. Bryan belästigte den wandelnden Zebrastreifen meistens noch nicht einmal eine Minute. Und suchte sich das letzte, übrige Opfer – ihn, Spencer. „…“, Pünktchen. Die Zeit würde bald um sein – oder sie war schon um, und Bryan wartete bloß noch immer auf eine verzögerte Reaktion, weil er sich immer Zeit ließ, anderen zu antworten. Stichwort Umgangsformen – er überlegte sich genau, was er sagte. Ganz im Gegensatz zu seinem Gesprächspartner. Falls man die Monologe, die Bryan zu halten pflegte, denn als Gespräche bezeichnen konnte. „Ich sollte in die Politik gehen!“, so, damit war die Zeit abgelaufen und sein Nachmittag wohl ebenso gelaufen wie die der vergangenen zwei Wochen. Bryan hatte nämlich wieder eines seiner Lieblingsthemen aufgegriffen: Russische Politik. Nicht, dass es so viel dazu zu sagen gab, mit den vielen, offiziell bekannten Wahlbetrugen und den beiden Herren an der Spitze, doch wenn man so unterbeschäftigt war wie die chronisch arbeitslose Quasselstrippe der Wohnung fand man bestimmt immer wieder neue Spitzfindigkeiten, über die man sich auslassen konnte. Spencer blickte ihn bemüht gelangweilt an – hoffentlich zuckte der Muskel unter seinem Auge jetzt nicht verräterisch. „..“, er hatte noch immer nichts zum Erwidern gefunden – wobei, das brauchte es jetzt auch nicht mehr. Vielleicht fiel ihm während des endlosen Diskurses ja endlich eine Ausrede ein, die er beim nächsten Mal hervorbringen konnte. Oder aber, er blieb weiterhin bei seinen Pünktchen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)