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Anders

Tenshi
von

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Wie alles anfing

Sie flog über den tiefblauen Ozean. Die Wellen kräuselten sich an manchen Stellen leicht an der Meeresoberfläche. An anderen Stellen brachen die Wellen nur um sich kurz darauf erneut aufzubäumen. Eine leichte Brise wehte durch ihre Flügel und wehte ihre Haare nach hinten. Sie glitt auf den Winden, die sie selber steuerte. Ihre roten Augen verfolgten zwei Möwen, die spielerisch nach unten stürzten und im letzten Moment abdrehten um wieder neben ihr herumzuwirbeln. Plötzlich war ein stechender Schmerz in ihrem Flügel. Ihre Flügel verkrampften. Sie konnte sich nicht mehr in der Luft halten. Sie stürzte in den tiefblauen Ozean, der sich unter ihr wie ein gähnendes Maul auftat und schrie. Schrie so laut sie konnte, doch niemand hörte sie. Niemand konnte ihre Schreie hören, weil aus ihrem Mund kein Ton hinauskam. Sie fiel hinab, immer weiter hinab bis sie das Maul gänzlich zu verschlingen schien.
 

Es war Dunkel. So Dunkel.
 

„Aber es war nur ein Traum, oder?“
 

Ihre Augen hatten sich noch nicht an das Dunkel der Nacht gewöhnt.
 

„Sollte ich das Licht anmachen? Warten?“
 

Sie fürchtete sich auf einmal vor dieser Dunkelheit, die sie an ihren Traum erinnerte, also beschloss sie das Licht anzumachen. Suchend griff sie nach links um ihre kleine Tischlampe anzumachen. Ihre einzige. Seid ihre Eltern die Flügel gesehen hatten, war sie in diesem Zimmer. Eingesperrt wie ein Tier. Ein Monster das niemand sehen darf. Das versteckt vor der Menschheit leben muss. Eine Woche ist es her, seit ihre Eltern ihr Geheimnis herausgefunden hatten. Es geschah in dem Badezimmer. Eine kleine Nachgiebigkeit, das Nachlassen ihrer Vorsichtsmaßnahmen, hatten sie in diese Situation gebracht.
 

Ihre kleine Schwester, Mina, wollte in das Badezimmer. Sie hatte vergessen abzuschließen, dabei vergaß sie es sonst nie. Noch nie hatte sie es vergessen.

Doch die Tage, die zu Wochen, zu Monaten und zu Jahren wurden, hatten zur Vergesslichkeit geführt. Eine fatale Vergesslichkeit, die ihr teuer zu stehen kam. Ihr Name war Lenara und ihre Geschichte wird euch nun erzählt werden. Die Geschichte eines tragischen Zufalls, der immer verworrener wurde. Sie hatte sich gerade ein Bad eingelassen, was sie sehr selten tat, denn es war schwer mit den Flügeln zu baden. Doch sie musste diese irgendwann sauber machen. Normalerweise sah man ihre Flügel nicht. Doch an jenem Tag konnte man sie sehen.
 

Schwerfällig öffnete sie ihre Schwingen ein bisschen und seufzte zufrieden, als sie warmes Wasser darüber schüttete. Mina öffnete in diesem Moment die Tür und schrie in einer Lautstärke, dass die gesamte Nachbarschaft gewusst haben musste, was vorgefallen war. Die Eltern der beiden stürzten besorgt in das Zimmer. Ihr Vater schob Lenara in ihr Zimmer und hängte im nächsten Moment ein Schloss vor dir Tür. Noch in derselben Nacht verriegelte er ihre Fenster von außen mit Gitterstäben, die Insassen im Gefängnis vom Ausbruch abgehalten hätten.
 

Sie hatte keine Chance auch nur ansatzweise zu fliehen oder sich zu erklären. Ihre Eltern und auch ihre Schwester wollten ihr einfach nicht zuhören. Wie auch, sie waren immer außerhalb ihres Zimmers. Doch das Leben war ihr anfangs nicht unangenehm, denn sie hatte ein Badezimmer in ihren Zimmer mit einer Dusche und selbstverständlich schulfrei. Das Essen bekam sie durch die Katzenklappe von ihrer kleinen schwarzen Hauskatze, die jedoch vor langer Zeit gestorben war. Nur die Katzenklappe erinnerte noch an sie und ein paar alte Fotos, die verstaubt in einem Album lagen.
 

Als sie das Licht angemacht hatte, sah sie an ihrer Wandtafel, neun Striche. Besorgt zog sie ihre Augenbrauen zusammen. Seit einer Woche und zwei Tagen hatte sie nun schon denselben Traum. Er wiederholte sich ständig und obwohl dieser Traum im Grunde nichts Schlechtes an sich hatte, besorgte er sie. Zusätzlich war sie genervt, wegen dem wiederholenden Inhalt, der sich einfach nicht ändern lassen konnte. Auch mochte ihre Gereiztheit an ihren momentanen Aufenthaltsort liegen.
 

„Ich langweile mich noch zu Tode. Aber wie soll ich mich befreien? Es geht einfach nicht. Aber vielleicht kommen noch ein paar Freunde von mir, die sich Sorgen machen und mir helfen. Wo bleibt eigentlich dieses kleine Mädchen von Schwester?“, murmelte sie in die lautlose Stille hinein.
 

Bis jetzt hatte Mina sie jeden Abend oder besser jede Nacht besucht.
 

‚Wahrscheinlich traut sie sich nicht zu kommen. Sie kam ja nur wegen einem schlechten Gewissen, aber sie sollte auch ein schlechtes Gewissen haben. Es ist schließlich ihre Schuld, dass ich mich in dieser Situation befinde.‘, das war das, was Lenara am Anfang noch von ihrer Schwester dachte.
 

Doch inzwischen sah sie das anders. Schließlich war sie selber schuld an ihrer Gefangenschaft. Als sie sah, dass es schon drei Uhr morgens war, entschloss sie sich, sich erneut hinzulegen und zu schlafen. Etwas anderes konnte sie eh nicht tun. Außer hoffen das ihre Eltern sie wieder hinaus ließen in die Freiheit nach der sie sich so sehr sehnte.

Erster Schritt

Das nächste Mal als sie aufwachte, spürte sie, dass jemand sie ansah. Es war ihr unheimlich, weil sie niemanden sehen konnte, egal wie sehr sie sich anstrengte. Es war ihr auch unmöglich Licht anzumachen, weil die Glühbirne ihrer Tischlampe durchgebrannt war. Es war Stockdunkel. Als sich ihre Augen langsam an die Dunkelheit gewöhnt hatten, erkannte sie eine schemenhafte Gestalt, die Ähnlichkeiten mit der eines Menschen hatte.
 

„Mina?“
 

Stille. Sie konnte das weiß in den Augen des vor ihr stehenden Menschen ausmachen. Dieses Weiß glänzte so seltsam hell. Es war irgendwie anders. Was es auch war, es war nicht so wie das von normalen Menschen. Nicht so wie ihre Eltern oder ihre Schwester oder die angeblichen Freunde. Die Gestalt fing an zu sprechen:
 

„Komm mit. Ich zeige dir einen Ort, wo alle sind wie du. Wo du Aufgrund deiner Besonderheit nicht gefangen gehalten wirst.“
 

Die Stimme war eindeutig von einem Jungen. Sie war dunkel und leicht melodisch. Doch trotzdem war es eine komische Situation.
 

'Was soll ich tun? Was soll ich Antworten? Natürlich will ich hier raus, aber ich will meine Familie nicht verlassen.', dachte sie verwirrt.
 

Er hatte sie komplett überrumpelt. Also entschied sie sich erst einmal ein paar Fragen zu stellen:
 

„Wer bist du? Wie bist du in mein Zimmer gekommen? Wie willst du wieder hinauskommen? Aber vor allem wer bist du?“
 

„Ziemlich viele Fragen auf einmal, findest du nicht?“, sagte er schmunzelnd und schaute sie an.
 

„Um deine Fragen zu beantworten: Ich bin Sven. Ein Teleporter.“
 

'Na toll ein Verrückter ist in mein Zimmer gekommen... Ich habe einfach kein Glück in letzter Zeit.'
 

Aber er war noch nicht fertig mit seiner Beantwortung.
 

„Ich kann mich zu den Orten teleportieren, in denen Menschen sind, wie du und ich. Menschen die Hilfe brauchen. Meine Hilfe. Auch bei dir war es so. Ich habe von dir einen Hilferuf gehört und mich hierher teleportiert.“
 

Er schaute sie mit seinen unergründlichen Augen an.
 

„Du glaubst mir nicht.“, das war eher eine Feststellung, als eine Frage.
 

„Ich gebe dir einen Tag Zeit um über die Entscheidung nachzudenken. Es ist dir überlassen. Freiheit oder Gefangenschaft.“
 

Der Umriss des Jungen, fing an langsam zu verschwimmen. Seine ganze Gestalt schien sich in Nichts aufzulösen. Ohne noch mehr nachzudenken, rief Lenara laut:
 

„Warte! Ich möchte mitkommen! Ich will wieder frei sein!“
 

„Sehr gute Wahl. Pack deine Sachen zusammen und zieh dich um. Ich bezweifle, dass du in dem Aufzug zu uns kommen willst.“
 

Sven schien zu grinsen und deutete auf ihren Schlafanzug. Lenara wurde rot, nickte und öffnete ihre Schranktür. Hinter ihren Jacken in einer der hinteren Ecke war eine blau-schwarze Sporttasche. Diese nahm sie heraus und packte schnell die wichtigen Dinge ein. Klamotten zum Wechseln, eine Zahnbürste, ein paar Wechsel Schuhe und andere Sachen.
 

Danach verschwand sie schnell im Badezimmer und zog sich an.
 

„Ich bin fertig. Wir können von mir aus jetzt gehen.“, sagte Lenara zaghaft als sie wieder aus dem Bad kam und verstaute schnell noch ein Erste-Hilfe-Set in der Seitentasche.
 

„Das hat ja gar nicht so lange gedauert. Nimm meine Hand und egal was passiert, lass sie nicht los.“
 

Er wirkte sehr ernst in diesem Moment und schaute ihr fest in die Augen. Sie nahm seine Hand und dachte daran was wohl nun passieren würde. Plötzlich begann es sich um sie herum zu drehen. Der ganze Raum schien nicht mehr fest auf einer Stelle zu stehen, sondern sich vom Rest des Hauses hervorzuheben und seinem Eigenleben mit wirbelnden Drehungen bekannt geben zu wollen. Ihr wurde schwindelig und um ihr Gleichgewicht zu finden, streckte sie ihre Flügel aus. Doch es half nichts, deshalb schloss sie lieber die Augen bis das ganze vorbei war.
 

'War das ein Traum? Nein.'
 

Lenara sah sich mit verschwommener Sicht um und erkannte, dass dies nicht ihr Zimmer war. Schon allein daran, dass es jemand mit sehr viel Stil eingerichtet haben musste, wusste sie das es nicht ihr Zimmer sein konnte. Vor allem aber, weil eine Wand nur mit Fotos voll gehangen war. Auf diesen Fotos waren verschiedene Menschen abgebildet. Manchmal in Gruppen manchmal alleine oder nur zu zweit. All diese Menschen waren ihr fremd. Es war auffallend, dass um manche Bildergruppen Girlanden gehangen wurden. Genauso wie um das große Fenster aus dem sie leicht hätte stehend springen können, denn es war genauso groß und dreifach so breit wie Lenara selbst.
 

Langsam stand sie auf und besah sich die Fotos. Bei einer Bildergruppe blieben ihre Augen hängen. Zuerst wusste sie nicht wieso. Doch dann fiel ihr ein Junge auf, den sie mit Sicherheit noch nie gesehen hatte und der ihr dennoch so bekannt vor kam, als würde sie ihn ihr ganzes Leben lang kennen.
 

'Das war doch der Junge, der gestorben ist oder vermisst wurde...', murmelte sie in Gedanken zu sich selbst.
 

Sie erinnerte sich an den Abschiedsbrief, der in der Zeitung stand. Schon damals war er ihr so bekannt vorgekommen. Angeblich sollte der Junge von einer Klippe gesprungen und im Meer ertrunken sein. Auf einmal hörte sie Schritte und dann auch noch Stimmen. Die eine war tief und konnte nur einen Mann gehören, die andere war so hell wie eine Glocke und erinnerte sie an ihre Freundinnen, also würde sie einem Mädchen gehören.
 

Angestrengt versuchte sie zu verstehen, was die Beiden sagten, doch so sehr sie sich auch bemühte, sie konnte sie einfach nicht verstehen. Plötzlich verstummten die Stimmen und die Türklinke bog sich nach unten. Ein Mann Mitte dreißig mit einem 3-Tage-Bart stand in Jeans und Sweatshirt auf einmal vor ihr. Er war so groß wie ein Bär und sah auch ein bisschen so aus. Die Haare waren ganz zerzaust, aber seine Augen sahen sehr zahm aus, wie ein Teddy. Neben ihm stand ein Mädchen, wie sie vermutet hatte. Im Vergleich zu ihm hatte sie eine sehr zerbrechliche Figur, die so wirkte, als würde sie beim leisesten Windhauch umfallen.
 

„Oh du bist ja schon wach.“, sagte der Mann.
 

Lenara öffnete ihren Mund um zu antworten, jedoch kam kein Laut über ihre Lippen.
 

'Warum kann ich nicht sprechen?!', fragte sie sich selbst.
 

Sie nickte bedächtig und war drauf und dran sich ziemlich aufzuregen. Das kleine Mädchen, trat einen Schritt näher und wirkte auf einmal gar nicht mehr so klein. Sie war mindestens so groß wie Lenara selbst und auch in ihrem Alter. Allerdings hatte sie eine seltsame Kleiderwahl. Sie hatte einen langen schwarzen Rock an und einen schwarzen Rollkragenpullover und das, obwohl es mitten im Sommer war.
 

„Das du im Moment nicht sprechen kannst, ist ganz normal. Das ist uns allen bestimmt schon einmal passiert. Nach einiger Zeit wirst du wieder reden können. Wir alle konnten nach einem Zeitsp... Teleport! Ich meine natürlich wir allen konnten nach einem Teleport nicht sofort sprechen. Ich war eben noch im Unterrichtsstoff. Tut mir leid.“
 

Sie schaute Lenara fest in die Augen, jedoch brach sie den Kontakt nach ein paar Sekunden ab und sah weg, wobei sie etwas rot wurde. Nach einer kurzen Stille, sagte das Mädchen:
 

„Wie unhöflich von mir. Ich habe doch direkt vergessen mich vorzustellen. Mein Name ist Reaven und dieser Mann neben mir ist unser Schulleiter, Antonio Rick. Die Schüler nennen ihn Rick, weil sein Nachname nach einem Vornamen klingt. Im Übrigen ich bin deine Zimmerpartnerin. Nett dich kennenzulernen. Wir haben allerdings ein kleines Problem. Wir wissen nämlich deinen Namen nicht.“
 

Reaven holte einen Zettel und einen Stift aus ihrer Tasche und hielt diese Lenara hin.
 

„Könntest du darauf deinen Namen schreiben? Achja um die Frage vorweg zu nehmen: In 2-3 Tagen wirst du wieder reden können.“
 

Nach kurzem Zögern nahm Lenara die Sachen entgegen und hielt dann noch einmal inne.
 

'Ich sollte mir vorsichtshalber einen neuen Namen ausdenken, sonst könnten sie meine Eltern anrufen und mich zurück zu ihnen schicken. Das will ich auf keinen Fall. Außerdem weiß ich selber gar nicht wer ich bin. Oder besser was ich bin. Aber das scheint sie nicht zu stören. Trotz meinen Flügeln behandeln sie mich nicht anders. Hmm... Mit meinem Aussehen, wäre dieser Name wohl am besten.', dachte Lenara, während die anderen beiden erwartungsvoll warteten.
 

Sie schrieb etwas auf den Zettel und reichte ihn Reaven. Diese zog die Augenbraue hoch und schmunzelte.
 

„Angel, ja? Nicht sehr einfallsreich, aber besser als nichts.‟
 

Angel war ihr ausgedachter Name sogleich wieder peinlich, aber sie nickte trotzdem.
 

‚Ich werde niemanden herausfinden lassen wer ich war. Jetzt kann ich hoffentlich ein neues ohne Begrenzungen mit dieser neuen Identität Beginnen.‘

Schulalltag

Sie waren in einer Schule. Um genauer zu sein, auf einer Insel in der Nähe von Australien. Nicht nur Angel selber, nein. Es gab sehr viele besondere Menschen in dieser Schule. So viele mit verschiedenen Fähigkeiten, dass sie fast unzählbar erschienen.
 

Der Junge, der sie gerettet hatte, Sven, war ein Teleporter. Er spürt wenn Menschen, die anders sind, in Gefahr oder Schwierigkeiten stecken und teleportiert sich dann zu ihnen. Angel war ihm äußerst dankbar für ihre Rettung und wollte sich bei ihm bedanken. Doch zuerst wurde ihr nach ihrer Ankunft die Schule und das dazugehörige Schulgelände von Reaven gezeigt und auch der Verhaltenskodex wurde ihr erklärt.
 

Es war sehr wichtig diesen einzuhalten und es wurde hart bestraft, wenn man ihn nicht einhielt, weswegen es auch so wichtig war ihn einzuhalten. Eine der oberen Regeln war es, jegliche Art von Streitereien oder sogar Kämpfen zu vermeiden. Diese Regel war sehr wichtig, denn ein paar von den Jugendlichen und jüngeren Schülern konnten ihre Fähigkeiten nicht richtig kontrollieren und gerieten zu leicht außer Kontrolle, so dass sie mit ihren Fähigkeiten andere verletzen könnten, wenn sie in Rage versetzt werden.
 

Als Angel das erste Mal mit Reaven das Schulgelände inspizierte, haben sie noch viele der Schüler angestarrt. Anscheinend gab es keine oder keinen anderen mit Flügeln und wenn doch, dann nicht mit solchen. Die Jüngeren hatten sogar Angst vor ihr und haben sich versteckt, wann sie Angel sahen. Es wurde kurzweilig sogar zu einem Spiel:
 

„Wer hat Angst vor der schwarzen Teufelin‟. Doch da Angel einen ruhigen und netten Charakter hatte, hatte sich dieses Spiel nach ein paar Tagen schnell wieder gelegt.
 

Trotzdem löste Angel immer, wenn sie an der Abteilung für jüngere Kinder vorbeikam, ihre Flügel auf. Sie wollte den Wenigen, die noch Angst vor ihr hatten, diese nehmen. Als der Schulleiter Rick ihr sagte, sie müsse sich nicht verstecken, war Angel zwar sehr erleichtert, aber sie wollte vorsichtiger sein, für den Fall, das jemand etwas gegen sie hatte oder gegen ihre Flügel. Man würde sie wahrscheinlich auch ohne Flügel erkennen, aber es würde vielleicht etwas mehr Zeit in Anspruch nehmen. Nämlich dadurch, dass sie nämlich von Sven, welcher wider ihrer Erwartungen der Schwarm der gesamten Schule zu sein schien, gerettet wurde, zeigten die meisten Mädchen eine natürliche Feindseligkeit ihr gegenüber. Anscheinend waren sie und Reaven ein paar der Wenigen, die diesem Wahn noch nicht zum Opfer gefallen waren.
 

'Reaven hat gesagt, dass hier in der Nähe ein Übungsgelände, zum trainieren unserer Fähigkeiten sein soll. Ich würde es so gerne einmal ausprobieren.’
 

Angel ging auf eine Art überdimensionalen Käfig zu, der circa vierfach so groß war, wie ein Fußballfeld. Überall um diesen Käfig waren seltsame Stangen angebracht, die ein bisschen wie Laternenpfahle aussahen. Diese sollten das, was in dem Käfig passierte, von dem Äußeren fernhalten und eine Art Schutzgitter herstellen als Sicherheitsmaßnahme.
 

Es war nämlich sehr gut möglich, dass ein paar der Schüler, wenn sie ihre Fähigkeiten benutzten, damit einen Stromausfall oder ein Gewitter verursachen könnten, der die gesamte Insel außer Gefecht setzen würde. Diese Stangen waren mit der besonderen Technik und Elektronik von mehreren Schüler und Rick ausgestattet worden, wie es genau funktionierte, wusste jedoch keiner. So sollte jedoch sichergestellt werden, dass keine schlimmeren Unfälle passieren würden. Unter vor allem anderem auch, damit die Regierung sie nicht findet, denn wie Reaven erklärt hatte, würde Chaos ausbrechen, wenn die normale Bevölkerung von ihnen erfahren würde.
 

Die Menschen würden die Existenz von den Shinwa, die Bezeichnung für Menschen mit besonderen Fähigkeiten, leugnen und wären von der Angst vor dem Unbekannten besessen. Shinwa bedeutete in einer anderen Sprache Mythologie und wurde ausgewählt, weil einige wie mythologische Wesen aussahen oder solch mythische Fähigkeiten hatten. Außerdem sollten sich die Shinwa einen Namen geben können, der keine negative Bedeutung wie „Monster“ oder „Ungeheuer“ hatte. Wenn die normalen Menschen jedoch von ihrer Existenz erfahren würden, würden sie wahrscheinlich die Ausrottung von allen, die in ihren Augen nicht „normal“ waren, befehlen. Aber da man sich seine eigene Ausrottung nicht gefallen lässt, würde es zu einem schrecklichen Krieg kommen und das sollte unbedingt verhindert werden.
 

Angel sah sich um und ihr fiel auf, dass viele verschiedene Shinwa hier waren. Sie hörte viele unterschiedliche Sprachen, von denen sie fast alle nicht verstand.
 

'Also hierher werden die Shinwa aus aller Welt gebracht und unterrichtet. Das ist unglaublich!'
 

Sie hörte auch noch eine Sprache, die ihr bekannt vorkam, also drehte sie sich um und entdeckte Reaven. Diese kam auf sie zu und blieb leicht außer Atem vor ihr stehen.
 

„H-Hey... Angel. Dachte mir, dass du hierhin unterwegs bist. Heute sind ein paar Neulinge angekommen und werden gleich auf dem Übungsgelände getestet. Willst du mitkommen und zuschauen? ‟, fragte sie und zeigte auf den Käfig.
 

Angel nickte und dann fiel ihr eine Frage ein, die sie noch gerne stellen würde.

„Was passiert eigentlich, wenn man seinen Schulabschluss hat? Ich habe hier noch keine anderen Erwachsenen außer Rick gesehen.‟
 

Es war seltsam. Ihre Stimme war zwar nach ein paar Tagen wiedergekommen, doch klang sie fremd in ihren Ohren. Trotzdem war es nicht gerade unpraktisch, wenn man die ganzen Fragen einfach aussprechen konnte, anstatt sie immer aufzuschreiben und das Gespräch so in die Länge zu ziehen.
 

„Hach, eine nette Stimme hast du da. Ich mag sie wirklich. Ich wünschte nur, du würdest etwas mehr über dich selber erzählen.‟, meinte sie lächelnd mit einem Zwinkern und hob die Hände hinter den Kopf.
 

„Also wenn man seinen Schulabschluss hat, darf man selbstverständlich die Schule verlassen. Eigentlich muss man sogar, sonst wäre es hier bald übervölkert. Die Meisten suchen sich dann einen Job, der zu ihren Fähigkeiten passt. Natürlich dürfen sie diese nicht unbedacht, dazu gehört auch die Öffentlichkeit, einsetzen. Eigentlich gar nicht, nur in lebensbedrohlichen Situationen, aber wenn man es nicht erkennt oder nicht nachweisen kann, dass er oder sie, diese einsetzen ist alles in Ordnung. Merkt ja keiner.‟
 

'Aha. Das ist keine schlechte Regelung.'
 

Vor dem Eingang konnte man eine große Menschenmenge sehen. Alles jüngere, aber auch etwas ältere Kinder und sogar ein paar Jugendliche waren dabei.
 

„Wow! Sollen die alle auf unsere Schule gehen?‟
 

Angels Augen weiteten sich, als sich die Menschenmenge noch vergrößerte, weil die nächste Schar an Kindern dazukam. Das Mädchen in Schwarz runzelte die Stirn und sagte:
 

„Nein, eigentlich nicht. Viele von ihnen werden auf eine andere Schule gehen. Oh! Das weißt du ja gar nicht!‟
 

Sie schlug sich mit der flachen Hand gegen die Stirn.
 

„Die Schüler werden nach ihren Fähigkeiten eingeteilt. Wir sind die Elite. Es gibt noch andere Schulen, die Schüler mit weniger starken oder weniger gefährlichen Fähigkeiten aufnehmen. Unsere Schule nimmt jedoch nur die auf, die am meisten Schaden anrichten können oder am meisten ihre Selbstbeherrschung trainieren müssen. Weil wir dementsprechend stark mit Schutzvorrichtungen ausgestattet sind, werden die Prüfungen für die Einteilungen immer hier gemacht. Ergibt Sinn, oder?‟
 

Ein Nicken ihrerseits und dann ein staunendes Schweigen, als die beiden durch den fast leeren Hintereingang reinschlichen. Nicht wegen den Massen an Neulingen oder der Lautstärke, sondern wegen der wunderbaren Aussicht auf eine vielfältige Landschaft. Zuerst war da etwas, dass wahrscheinlich Sand oder Moder war, die Landschaft war eher karg. Aber danach kam eine Wasserebene. Kleine Fische sprangen in die Luft und Vögel zwitscherten fröhlich im nächsten Waldabschnitt. Der vorletzte Abschnitt, der eine Bergwanderung darstellen sollte, war auch beeindruckend, aber kam an die letzte Herausforderung nicht heran. Am Fuß des Berges war ein großes Nichts. Ein gähnender Abgrund, als würde man in einen sternenlosen Nachthimmel sehen. Angel erinnerte sich bei diesem Anblick sofort wieder an ihre Alpträume und begann kaum merklich zu zittern.
 

„Willst du es auch einmal ausprobieren?“
 

Reaven holte sie aus ihrem erstarrten Zustand heraus und verdutzt schaute Angel ihre erst kürzlich gewonnen Freundin an.
 

„Ist das überhaupt möglich? Ich meine ich bin erst seit kurzem hier und der Test muss doch mit Sicherheit für jeden Shinwa anders sein, oder?“
 

Es kam ein leichtes Kichern von Reaven. Eine der Angewohnheiten, die Angel lieb gewonnen hatte, da sie den freundlichen Charakter des Mädchens besonders betonten, auch wenn sie sich manchmal nicht sicher war, ob man sich in dem Moment nicht über ihre Begriffsstutzigkeit lustig machte.
 

„Nein. Der Test ist immer der Gleiche. Es wäre zu aufwändig für jeden einen neuen zu konstruieren. Außerdem sollen alle die gleichen Voraussetzungen haben. Siehst du die große Stoppuhr an der Decke und an den Seiten?“
 

Sie zeigte nach oben und tatsächlich war an der oberen Decke des Käfigs eine gewaltige digitale Anzeige.
 

„Die Zeit wird gestoppt und je nach dem Ergebnis wird man auf ein bestimmtes Level eingestuft und auf eine andere Schule geschickt.“
 

„Aber-“
 

Reaven ergriff Angels Hand und zog sie zum Anfang des Parcours.
 

„Komm schon! Wir müssen dich noch anmelden, sonst kommst du nicht ran!“

Prüfung

Angel war eine der Letzten, die sich noch anmeldeten. Beinahe wäre sie nicht in die Liste aufgenommen worden, doch dank Reaven hatte sie noch einmal Glück und nach guten 3 Stunden Wartezeit war sie nun an der Reihe. Etwas nervös stand sie vor der Startlinie. Eigentlich hatte sie sich den Test ziemlich einfach vorgestellt, da sie in der Vorstellung gefangen war einfach über alle Hindernisse fliegen zu können. Dies war ein Irrglauben.
 

Das Startsignal ertönte und Angels Flügel erschienen. Sofort ging ein Raunen durch die Menge. Die Neuen hatten sie beobachtet und waren extrem überrascht. Als sie nun auch noch ihre Flügel zur vollen Länge ausstreckte, war sogar Reaven ziemlich erstaunt.
 

Sie hatte die Flügel noch nicht im natürlichen ausgestreckten Zustand gesehen und hielt nun vor Überraschung die Luft an. „Sie sind wunderschön.“, murmelte das Mädchen und konnte ihren Blick gar nicht mehr davon abwenden, denn an dem Rücken von Angel waren ihre zwei Meter langen von ihrem Körper ausgestreckten Flügel in einem glänzenden Schwarz. In den Innenseiten ihrer Flügel, erschien dieses Schwarz tiefer als normales schwarz. Man hätte sich darin verlieren können. Doch so sehr sie auch diese Flügel anstarrte und darin verloren schien, umso mehr vielen ihr die vielen Narben auf, die sich in der Tiefe versteckten.
 

Dem beobachteten Mädchen war es sichtlich unangenehm so angestarrt zu werden, deshalb schlug sie ein paar Mal probeweise mit ihren Flügeln. Dann nahm sie Anlauf und sprang direkt von der Plattform. Unter ihr in etwa drei Meter Tiefe begann die Sandebene. Kurz bevor sie aufkam und im Sand verschwunden war, schlug sie einmal kräftig mit ihren Flügeln. Schon war sie über der Plattform und flog mit einer rasenden Geschwindigkeit in Richtung des zweiten Abschnittes.
 

Lächelnd schaute Angel runter und sah Reavens verblüfftes Gesicht. Beide hätten nicht erwartet, dass sie so schnell war. Doch Reaven war noch wegen etwas anderem erstaunt. In der Sekunde als Angel das erste Mal mit den Flügeln schlug, veränderte sie sich. Ihre Augen funkelten nicht in der üblichen dunkelbraunen Farbe, sondern hatten sich violett verfärbt. Während Reaven nun also überlegte, ob sie ein Trugbild gesehen hatte, war Angel schon am zweiten Abschnitt angekommen.
 

Sie flog ganz dicht ans Wasser und ließ ihre Hände durch dieses gleiten als sie es berührte. Dies war ein Fehler, denn ein riesengroßer Fisch schnellte plötzlich aus der Wasseroberfläche empor und versuchte mit weit aufgerissenem Maul sich Angel zu schnappen. Diese konnte dem Monsterfisch gerade noch rechtzeitig ausweichen. Doch hatte sie Pech, denn ein zweiter tauchte auf und schlug mit seiner Schwanzflosse gegen ihren Rücken.
 

Vor lauter Schock über den ungeahnten Schmerz fiel sie fast ins Wasser, konnte sich allerdings in letzter Sekunde fangen und war mit drei Flügelschlägen außerhalb der Reichweite der Fische.
 

Entsetzt atmete sie ein paar Mal durch und versuchte ihren Atem wieder zu beruhigen, dabei sah sie nach oben auf die Stoppuhr. 57 Sekunden. So schnell war bisher noch niemand gewesen, aber sie war ja auch noch nicht fertig. Noch einmal schaute sie nach unten, um sicher zu gehen, dass nicht noch mehr Monster-Fische auftauchen würden. Dann setze sie ihren Flug fort.
 

„Krass! Habt ihr das gesehen! Sie stellt ‚nen neuen Rekord auf!“ „Nein! Wird sie nicht! Sie scheitert mit Sicherheit beim Berg!“ „Ich sag der Abgrund ist ihre Endstation!“, diskutierten ein paar der Schüler laut miteinander.
 

Reaven lächelte nur über ihre Vermutungen. „Sie wird es schaffen. Ganz sicher.“
 

Die Jungen und Mädchen schauten sie überrascht an.
 

‚Sei vorsichtig Angel. Der schwierigste Teil kommt erst noch. ‘
 

‚Auf noch so eine Überraschung kann ich verzichten. Mein Rücken tut noch immer saumäßig weh! ‘
 

Angel flog so hoch, dass sie beinahe den „Deckel“ des Käfigs hätte berühren können.

‚Hier wird mich nichts von unten erreichen. Ich wünschte nur, ich hätte mir die Tests von den anderen mit anschauen dürfen. Dann wüsste ich, was als nächstes kommt. ‘
 

Ihr Kopf zuckte blitzschnell von einer Seite zur anderen um nach möglichen Fallen zu suchen. Dabei hielt sie ihre Arme leicht nach unten, als wollte sie einen Ball fangen. Doch es kam nichts aus dem Wald heraus. Sie wähnte sich sicher, als ein lautes und wütendes Brüllen aus dem Wald erklang.
 

‚Ein wildes Tier!?‘
 

In dem Moment war sie mehr als froh, dass sie nicht weiter unten geflogen oder sogar zu Fuß gegangen war. Dass ihr Rücken durch die dauernde Flügelbewegung schmerzte, war ihr herzlich egal, solange sie was-auch-immer-da-unten-war nicht persönlich kennenlernen musste.
 

Sie konnte schon den nächsten Abschnitt mit der Bergwanderung sehen und freute sich riesig ohne Schwierigkeiten weitergekommen zu sein. Bald wäre sie endlich mit diesem Parcour fertig und laut der jetzigen Zeit, nämlich 1 Minute und 13 Sekunden, würde sie wirklich auf dieser Schule bleiben können.
 

Während ihre Augen auf die Stoppuhr an der Decke gerichtet waren, bemerkte sie nicht, was gerade im Wald passierte. Ein ziemlich menschlich aussehendes Tier war auf den höchsten Baum geklettert und hatte etwas in der Hand, dass aussah wie ein Lasso nur das es an den Enden Steine hatte.
 

Es streckte seinen Rücken durch und begann mit beiden Händen sein selbstgemachtes Gerät zu schwingen, bis man nur noch erahnen konnte, was es eigentlich war. Dann brüllte es laut, so dass alle Vögel in dem Wald aufflogen und warf springend die Lasso-Steine nach Angel.
 

Diese hatte sich durch den Schrei erschreckt und ihre Flügel vor Schock nach hinten gerissen um sich schnell mit einem Flügelschlag webzubewegen. Noch bevor sie außer Reichweite war, wurde sie von den Lasso-Steinen getroffen, die sich rasend schnell um ihre nach hinten gehaltenen Flügel wanden.
 

Unfähig weiter zu fliegen, stürzte das Mädchen nach unten, doch da sie mit einer beachtlichen Geschwindigkeit geflogen war, landete sie nicht mehr im Wald, sondern ziemlich unsanft in der vierten Abschnitt.
 

„Autsch!“ ‚Das tut verdammt weh.‘
 

Sie drehte sich um und sah sofort das Lasso, das aus Lianen bestand. Auch sah sie die Steine und sofort war ihr klar, woher der zusätzliche Schmerz kam.

„Scheiße.“, murmelte sie überraschenderweise sehr ruhig, wenn man bedenkt, dass sie gute sechzig Meter in die Tiefe gestürzt und ohne Knochenbrüche davongekommen war.
 

Das lag jedoch nur daran, dass unter ihr anstatt des harten und steinigen Bodens einer Berglandschaft, eine Gelee-artige Substanz, die als Schutzvorrichtung fungieren sollte, war. Diese hatte ihren Sturz so gut gefedert, dass sie abgesehen von den geprellten Flügeln, keinen sichtbaren Schaden davontrug. Es sollte ja niemand bei den Prüfungen sterben. Allerdings schloss das ernste Verletzungen bei Prüflingen nicht aus.
 

Wütend schüttelte Angel ihren Kopf und lies ihre Flügel verschwinden, nachdem sie es nicht geschafft hatte das Lasso zu lösen. Die Steine fielen schwer zu Boden als sie nichts mehr hatten an dem sie sich festhalten konnten. Erneut schaute sie auf die Uhr: 2 Minuten 27 Sekunden. Sie hatte vergessen nachzufragen, wie gut ein Ergebnis sein musste, damit man in die Eliteschule aufgenommen wird. Was wenn es ein Zeitlimit von nur 3 Minuten hatte? Sie musste sich unbedingt beeilen.
 

‚Wenn ich es nicht in der Zeit schaffe, kann ich nicht mit Reaven auf einer Schule bleiben. Ich hab auch keine anderen Fähigkeiten, also ist die Schnelligkeit meine einzige Chance!‘
 

Sie ließ ihre Flügel erscheinen und nahm Anlauf um gleich darauf wieder in der Luft zu sein. So schnell sie konnte flog sie über den Berg und beobachtete alles haargenau. Von unten konnte sie keine Gefahr entdecken, da es keine Versteckmöglichkeiten gab, hoffte sie auf ein klares Feld. Auch flog sie knapp über den Boden und nicht in der Luft, um möglichst allen Attacken vorzubeugen und tatsächlich ereignete sich nichts Schlimmeres. Der Berg war anscheinend nur eine Konditionsaufgabe.
 

Als sie am anderen Fuß des Berges stand lächelte sie glücklich. 2 Minuten 46 Sekunden. Sie könnte es wirklich schaffen. Vor ihr tat sich nur dieser Abgrund auf und wenn sie einfach darüber flog, sollte es kein Problem geben. Doch ihr Alptraum machte ihr zu schaffen, deshalb tastete sie sich langsam vor und schaute in das schwarze Nichts. Als sie am Rand stand, schluckte Angel schwer.
 

‚Na komm schon! So schwer ist es nicht! Du musst nur losfliegen! ‘
 

Während Angel versuchte ihren Mut zusammen zu fassen, kam aus dem Berg eine Monsterhand hinaus, die sie mit einem Ruck in den Abgrund stieß.
 

„Ahhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhhh!“
 

Sie schrie lauthals und flatterte panisch mit den Flügeln, jedoch konnte sie ihren freien Fall so einfach nicht mindern. Wild schlugen tausende von Gedanken in ihrem Kopf durcheinander, doch keiner schien greifbar für sie zu sein.
 

Auf einmal begann ihr Kopf sich zu leeren und ihre ganze Körperhaltung spannte sich an. Ohne mit den Flügeln zu schlagen, schwebte sie langsam aus dem Abgrund hervor.
 

„Hey! Schaut euch das an! Das Mädchen kann auch ohne ihre Flügel fliegen! Ist ja krass!“
 

Reaven beobachtete ihre Freundin voller Sorge. Etwas stimmte ganz und gar nicht mit ihr. Angels schwarze Flügel waren angeklappt, ihre Augen starrten leblos geradeaus, ihre Arme hingen schlaff an ihrem Körper. Sie bewegte sich gar nicht. Es schien als würde sie schlafen.
 

„Oh nein!“
 

Reaven hatte das schön häufiger bei einigen Prüflingen gesehen. Das Mädchen hatte ihre Kontrolle verloren.
 

„Schnell geht in Deckung!“, rief sie so laut sie konnte, doch es war schon zu spät.
 

Angels Kopf schnellte nach oben, ihre Flügel streckten sich in voller Länge aus, ihre Iris war anstatt von dem üblichen Braun oder dem neuen sanften Lila von einem stechenden Purpurrot umgeben. Ihre Haare begangen sich von der Kopfhaut aus in demselben Rotton zu verfärben. Doch das Mädchen schien davon nichts mitzubekommen.
 

Ein Sturmwind kam wie aus dem Nichts auf. Alles um sie herum wurde von wirbelnden Winden umgeben und als Angel mit ihren Flügeln schlug, fegte ein Typhon über den ganzen Käfig. Der Wind drang durch den Berg hindurch und schnitt, als wäre er eine Säge, durch die Bäume. Doch an den Schutzvorrichtungen prallte der Wund ab und so konnte eine weitere Ausbreitung des Typhons verhindert werden.
 

Als Angel anstalten machte erneut mit den Flügeln zu schlagen, schritt Reaven ein. Sie rannte so nah an Angel, wie es ihr möglich war und streckte ihre offene Hand in deren Richtung aus.
 

„Es tut mir leid.“, sagte sie aufrichtig hoffend dem Mädchen nicht zu starke Schmerzen zuzufügen und begann ihre Finger zu einer Faust zu schließen.
 

Sofort krümmte sich das schwebende Mädchen und begann zu keuchen. Ihre Flügel legten sich an und ihr ganzer Körper wurde starr. Doch Angel war nicht so leicht zu bändigen. Sie schwang ihren Arm in Richtung von Reaven und der Wind gehorchte sofort ihrem stummen Befehl in dem er den rechten Ärmel und den darunterliegenden Arm des Mädchens zerschnitt.
 

Doch hörte diese nicht auf, sondern schloss ihre Hand vollkommen, worauf Angel zusammenklappte und sich nicht mehr bewegte. Sie landete mit dem Gesicht voran auf dem Boden hinter der Ziellinie.
 

Denn trotz ihres Aussetzers hatte sie ihr ursprüngliches Ziel nicht vergessen und sich in dessen Richtung bewegt.
 

Während Reaven zu ihr eilte und das Mädchen wieder ihre normale braune Haarfarbe annahm, sammelten sich die Erwachsenen und begannen hektisch zu diskutieren.
 

„Was ist passiert?“, murmelte Angel und fasste sich mit einer Hand an den Kopf, als ob sie Kopfschmerzen hätte. Reaven war schon an ihrer Seite niedergekniet und sah sie an.
 

„Sieht aus als wärst du eindeutig für die Eliteschule eingeteilt.“, meinte sie lächelnd.
 

Beide schauten nach oben und grinsten sich an. 3 Minuten 4 Sekunden. Ein neuer Rekord.

Ultimatum

Notiz: Sorry wegen der Verspätung!!!
 

„And know think about the following question: What does it mean to live?“

15 Schüler und Schülerinnen saßen in einem Klassenraum und so ziemlich jeder stöhnte innerlich auf. Die gelangweilte Atmosphäre war fast greifbar, falls so etwas möglich wäre. Doch die Lehrerin ließ sich davon nicht beeindrucken und ignorierte einfach, dass niemand sich meldete oder auch nur irgendwelche Anstalten der Mitarbeit erkennbar waren. Sie fing an mit ihrem Finger in die Luft zu schreiben und sofort war in weißer Schreibschrift eine Gliederung zur Beantwortung der gestellten Fragen zu sehen. Was man bedenken muss, worauf man antworten müsste und wie man am besten die Leser mit einbezieht.
 

„Psst. Hey Reaven.“, flüsterte Angel ihr zu.
 

„Ist der Unterricht hier immer so spannend?“, fragte sie ihre schwarzhaarige Freundin. „Ja. Wir müssen schließlich dasselbe lernen wie die anderen auch… Aber es ist trotzdem eine Schande. So viele Fördermittel und nix gescheites. Ich meine, wozu auf einer Eliteschule sein, wenn…“
 

‘Ohje. Das Gerede endet so schnell nicht mehr und die Lehrerin interessiert nicht, was wir machen, solange wir anwesend sind. ‘, dachte Angel.
 

Ihr war aufgefallen, dass Reaven liebend gerne redete. Normalerweise in Maßen, aber sobald sie sich über etwas beschwerte, wie über den Unterricht dieser Lehrerin, hörte sie so schnell nicht mehr auf. Nicht dass sie etwas dagegen hätte, sie konnte Reavens Stimme stundenlang hören, aber mit dem Zuhören sah es anders aus. Nach ein paar Sekunden driftete sie in ihre Gedankenwelt an und dachte wirklich über die Frage nach.
 

‚Für mich bedeutet Leben Freiheit und es bedeutet akzeptiert zu werden ohne sich zu verstellen oder nur in geringem Maß. Es bedeutet ich selbst zu sein und zu bleiben. ‘
 

Tief in ihren Gedanken versunken, bemerkte sie gar nicht wie die Lehrerin mitsamt Reaven verstummte. Erst als Reaven ihr in die Seite piekste, schrak sie aus ihren Gedanken hoch.
 

„Huh? Was ist?!“, zischte Angel sie an.
 

Reaven nickte in Richtung Tür und obwohl es eigentlich gar keinen Grund dafür gab, versteifte sich Angels Körper. Sie hatte schon so eine dunkle Vorahnung.
 

„Danke für deine Aufmerksamkeit. Ich habe dich und Reaven gebeten mit mir ins Büro zu kommen. Nehmt am besten eure Sachen gleich mit.“, meinte der Schulleiter Rick mit einem sehr ernsten und besorgten Gesichtsausdruck.
 

Schweigend liefen die beiden Mädchen nebeneinander, während Rick mit zügigen Schritten vorranging.
 

„Weißt du, was er von uns will?“, flüsterte die Brünette Reaven zu.
 

„Ich habe nicht die geringste Ahnung, aber wir werden es gleich erfahren. Doch…“
 

Angel sah sie fragend an und wartete auf die Vollendung des Satzes. „Ich hab ein ganz schlechtes Gefühl bei der Sache.“
 

Angel konnte dieses Gefühl sehr gut nachvollziehen, deshalb nickte sie nur und folgte dem Schulleiter schweigend, bis dieser stehen blieb und eine massive Marmortür öffnete. Dann drehte er sich zu den beiden um und gab ihnen ein Zeichen ihm zu folgen. In dem Raum angekommen, konnte Angel nicht anders als erstaunt in der Mitte des Raumes stehenzubleiben. Es waren Trophäen im ganzen Raum von Schülern und auch Bilder von Erwachsenen, die eine ehrenamtliche Auszeichnung bekommen hatten, verteilt. In der Mitte des Raumes stand ein unglaublich großer und edel aussehender Tisch und davor zwei braune Ledersessel, die passend zu der Farbe des Tisches waren. Rick wies mit einer Geste auf diese und bedeutete den Mädchen damit, dass sie sich setzen sollten.
 

Kaum hatten sie sich hingesetzt, fing er auch schon an zu reden. „Wie ihr euch sicher erinnert, hat Angel am Tag der Prüfung einiges Aufsehen erregt und obwohl wir hier eine Schule für besonders starke Schülerinnen und Schüler sind, waren deine Fähigkeiten so enorm, dass der Schulrat auf dich aufmerksam geworden ist.“
 

Er schaute traurig und besorgt direkt in Angels Gesicht, die noch immer nicht Verstand, warum das negativ sein sollte. Sie schaute zu Reaven, die so blass war, dass sie kaum von der weißen Wand unterscheidbar war.
 

„Angel ich weiß, dass dies eine Überraschung für dich sein muss und keine sehr angenehme… Doch… Ich muss dir leider mitteilen, dass der Schulrat beschlossen hat dich als Sonderfall einzustufen. Es wurden mehrere Treffen vereinbart und diskutiert, wie wir mit dir umgehen sollen, da deine Fähigkeiten den Schülern bei einem Kontrollverlust zu großen Schaden zufügen können und wir vielleicht nicht rechtzeitig darauf reagieren können.“
 

Langsam machte sich in dem Mädchen ein dumpfes Gefühl breit. Als ob ihr gesamter Körper, betäubt wäre. Reaven hauchte nur ein leises „Nein…“
 

„Deshalb sind der Schulrat und ich zu dem Beschluss gekommen, dass es am besten wäre dich solange du deine Kräfte nicht kontrollieren kannst und wir dich nicht unter Kontrolle halten können, woanders unterzubringen. In eine spezielle Einrichtung, die extra für Fälle wie dich gebaut wurde. Natürlich werden wir weiterhin versuchen dich bestmöglich zu unterrichten.“
 

Sie war jetzt genauso blass wie Reaven und hätte mit der weißen Wandfarbe konkurrieren können. Dann folgte erst ein leichtes und dann ein immer energischer werdendes Kopfschütteln.
 

„Nein… Nein! Ihr wollte mich einsperren! Das mache ich nicht mit! NIEMALS!“

Sie war inzwischen aufgesprungen, außer sich vor Wut. So sauer, dass sie im Moment am liebsten alles kurz und klein geschlagen hätte. Reaven hatte in den drei Monaten in denen sie sich schon kannten noch nie erlebt, wie Angel ihre Stimme erhob, blieb aber trotzdem ruhig. Sie stand auch auf und legte Angel eine Hand auf die Schulter.
 

„Beruhige dich kurz. Ich versuche das zu regeln.“, flüsterte sie leise in ihr Ohr.
 

„Rick. Ich weiß, dass ich selbst noch eine Schülerin bin und dass es mir nicht zusteht, das zu sagen. Dennoch möchte ich Sie bitten, ihre Entscheidung noch einmal zu überdenken. Wir müssen Angel nicht gleich wegschicken und wegsperren, nur weil sie ein paar kleine Probleme mit ihrer Kontrolle hat. Viele Shinwa hatten das schließlich am Anfang. Einschließlich Sie und mir.“
 

‚Das ist mir neu.‘, dachte Angel.
 

„Das hilft alles nichts, wenn sie die anderen Schüler in Gefahr bringt. Solange wir keinen Lehrer für sie finden, der ihr helfen kann die Kontrolle zu behalten, bringt es nichts darüber zu diskutieren. Wir alle brauchen jemanden, der uns die schwierigsten Dinge lehrt.“
 

Reaven grinste für ein paar Millisekunden. Rick war genau da, wo sie ihn haben wollte.
 

„Dann kann ich es ihr beibringen! Sie wissen doch genauso gut wie ich, dass ich, und nicht irgendein anderer, sie aufgehalten hat und davon abgehalten hat noch mehr Schaden an dem Tag anzurichten.“
 

Rick sah sie kurz an, genauso wie Angel, die Reaven erstaunt musterte. Davon hatte sie nämlich in ihrem Zustand nichts mitbekommen. Insgesamt konnte sie sich an wenig erinnern, was den Tag der Prüfung betraf.
 

„Es tut mir leid, aber ich kann einer Schülerin nicht so viel Verantwortung übertragen.“, meinte der Schulleiter.
 

„Lassen Sie es mich machen! Ich mache es ja nicht für die Schule oder sonst wen, sondern für sie! Als ihre Freundin ist es mein Recht ihr zu helfen! Ich kann ihr beibringen sich zu beherrschen!“
 

Nun wurde Rick ungeduldig. „Sie ist eine tickende Zeitbombe! Wenn sie ausrastet ist es nahezu unmöglich sie aufzuhalten! Ich kann nicht die Verantwortung für sie übernehmen ohne dem Schulimage zu schaden!“
 

„Aber ich kann es! Meine Fähigkeiten können sie besser bändigen als irgendein Gefängnis! Außerdem übernehme ich für alles was geschieht die volle Verantwortung.“
 

Totenstille. Rick und Reaven sahen sich finster an, während Angel verunsichert zwischen den beiden hin und her schaute. Am liebsten wäre sie einfach weggerannt, aber sie wollte Reavens Arbeit nicht zunichtemachen, in dem sie Rick zeigte, wie unkontrollierbar sie war. Zusätzlich konnte sie bei einer weiteren Ablehnung noch immer versuchen zu fliehen.
 

Schließlich seufzte der alte Mann laut aus. „Unter einer Bedingung… Ihr habt eine Woche Zeit. Danach wird sie von hier weggebracht. Solltet ihr in der Zeit jemanden verletzen, wird sie sofort weggebracht. Sie ist eine zu große Gefahr! Meint ihr, ihr schafft das?“
 

Er sah die Mädchen mit einem ernsten Gesichtsausdruck an und auf einmal streiften Zweifel Angels Gedanken. Sie wollte schließlich niemanden verletzen. Sie könnte einfach so abhauen und einsam auf irgendeiner Insel leben ohne jemals in die Situation zu kommen, jemanden auch nur ansatzweise Verletzungen zufügen.
 

„Ich weiß nicht, ob – “, begann Angel sich rauszureden, doch Reaven unterbrach sie sofort, schnappte sich ihren Arm und begann sie schon zur Tür zu schleifen.
 

„Kein Problem! Wir schaffen das mit Sicherheit!“, sagte das Mädchen selbstsicher und drehte sich dabei noch einmal zu Rick um. Ihre Augen sprühten Funken der Selbstsicherheit.
 

„Wir schaffen das ganz sicher.“
 

Als sie die Tür hinter sich geschlossen hatten, schaute Reaven Angel ganz ehrgeizig an. Sie schien Herausforderungen wirklich zu lieben.
 

„Komm mit.“
 

Sie ließ ihre Hand von ihrem Arm tiefer in Angels Hand sinken und zog sie sachte, aber bestimmt in Richtung Ausgang. Die Schule war enorm groß und deshalb brauchte man alleine um das Schulgebäude zu verlassen mindestens 10 Minuten. Vor allem da die beiden gerade im hintersten Teil der Schule waren. Trotzdem sprachen sie auf dem ganzen Weg kein Wort miteinander. Erst als sie draußen waren und ein paar Meter auf dem Asphalt gelaufen waren, begann Angel ihre Stimme zu erheben.
 

„Ähm Reaven? Was hast du eigentlich vor?“, fragte sie leise und unsicher.
 

„Ich werde mit dir trainieren. Was denn sonst?“, meinte Reaven mit fester Stimme.
 

„Aber warum gehen wir dann am Käfig vorbei?“
 

In der Tat waren sie gerade an dem riesigen Übungsgelände vorbeigegangen und näherten sich einem kleinen Wald.
 

„Das wirst du dann schon sehen.“, meinte Reaven zwinkernd und ging zielstrebig geradeaus.

Erst die Arbeit und dann...

Mitten im Wald konnte man eine gereizte und wütende Stimme laut meckern hören.
 

„Von wegen klein! Dieser beschissene Wald ist riesig! Wir laufen schon seit Stunden und es kommt einfach kein Ausgang in Sicht!“, meckerte Angel ohne Unterbrechung.
 

Reaven konnte sich über die Ungeduld der Älteren nur amüsieren. Obwohl Angel ein Jahr älter war, waren beide auf gleicher Wellenlänge. Sie selbst war schon ein paar Mal durch den Wald gegangen und hatte sich dementsprechend an den etwas längeren Weg gewöhnt. Während Angel also weiter meckernd über die nächstliegende Wurzel stolperte, ging Reaven äußerst elegant hinter ihr her. Doch eine der größeren Wurzeln, die Angel ausnahmsweise ausgelassen hatte, übersah Reaven.
 

„Ohh!“, stieß Reaven überrascht aus, doch noch bevor sie auf den Boden aufschlug, hatte Angel sie aufgefangen und zog sie wieder auf Augenhöhe.
 

„Alles in Ordnung?“, meinte sie und sah Reaven verdammt tief in die Augen.
 

„J-ja. Natürlich ist alles in Ordnung.“ Normalerweise wurde die Jüngere nicht so schnell rot, aber aus irgendwelchen Gründen schaffte es Angel immer wieder. Obwohl sie nichts Ungewöhnliches tat, was zu so einer Reaktion führen sollte und trotzdem konnte Reaven nicht anders, als andauernd das Mädchen anzusehen. Meistens ungewollt und sobald sie sich dabei ertappte, schaute sie schnell weg. Doch irgendwie zog sie jede noch so kleine Bewegung von Angel in ihren Bann.
 

„Bist du sicher, dass alles in Ordnung ist? Du wirkst ein bisschen abwesend. Hast du deinen Kopf an einem der herunterhängenden Ästen gestoßen? Oder bist du mit dem Fuß umgeknickt?“
 

‚Was mach ich hier eigentlich? Sie ist nur eine Freundin.‘ Reaven schüttelte den Kopf, um diese Gedanken wieder in die hinterste Ecke ihres Bewusstseins zu verbannen.
 

„Klar ist alles in Ordnung. Ich hab nur etwas nachgedacht. Wenn wir noch ein bisschen länger geradeaus gehen, kommen wir an eine Stelle, wo wir eine kurze Pause machen können. Sie wird dir mit Sicherheit gefallen. Ich war damals ganz begeistert davon.“
 

„Damals? Du meintest vorhin schon, dass du schon mal hier warst. Wann war das denn und wie kam es dazu?“
 

„Erklär ich dir später. Los komm, beeilen wir uns!“, sie griff mit ihrer linken Hand nach Angels Arm und rannte los.
 

Als beide sich durch das Dickicht kämpften und hier und da ein paar Eichhörnchen und Vögel aufschreckten, bemerkte Angel wie zielsicher und elegant Reaven doch gehen konnte und lächelte in sich hinein. Sie hatte noch niemanden kennengelernt, der so war, wie sie. So selbstbewusst und lieb, dabei aber kein bisschen überheblich.
 

Plötzlich blieb Reaven stehen und Angel krachte direkt in sie hinein.
 

„Autsch. Wieso bleibst du so plötzlich stehen?“
 

Sie schaute an Reaven vorbei und sah eine wunderschöne Landschaft. Vor ihnen erstreckte sich ein kleiner, aber sehr schöner und klarer See. Ringsherum waren überall verschiedene Arten von Laubbäumen und saftiges, grünes Gras war zwischen dem Waldrand und dem See gewachsen.
 

„Wow.“, war das einzige, was die verblüffte Angel dazu sagen konnte.
 

Reaven freute sich über die gelungene Überraschung und schaute sich den See selber an um die Aussicht zu genießen.
 

„Dachte mir doch, dass es dir gefallen wird. Wir sollten das hier noch genießen, denn ab heute Abend werden wir eine Woche lang unter der Erde sein.“
 

„Was?!“
 

Abrupt drehte sich Angel um und sah Reaven mit großen Rehaugen an.
 

„Unter der Erde?“. Dieser beiläufig erwähnte Satz hatte Angels Staunen und Neugierde nur noch mehr gesteigert. Sie hatte auch Angst davor die Kontrolle komplett zu verlieren und andere zu verletzen, doch wollte sie Reaven unter keinen Umständen enttäuschen, nachdem sie sich so für sie eingesetzt hatte

.

Doch anstatt einer Antwort schüttelte Reaven nur den Kopf, was bedeutete, dass sie darauf noch nicht antworten wollte. Stattdessen zeigte sie auf das Wasser.
 

„Dort wo wir hingehen, gibt es kein besonders großes Badezimmer, also wenn du nochmal schwimmen oder deine Flügel sauber machen willst, solltest du es hier machen.“
 

Reaven hatte sich daran erinnert, dass Angel ihr erzählt hatte, dass sie Seen und Schwimmbäder liebte, weil sie sich dort austoben konnte und in einigen Seen schon mal ihre Flügel Unterwasser ausgebreitet hatte.
 

„Huh. Na das lass ich mir nicht zweimal sagen!“.
 

Schon war Angel dabei ihre Klamotten auszuziehen und mit drei Sätzen ins Wasser zu springen. Dabei ließ sie die verdutzte Reaven einfach am Ufer stehen, drehte sich jedoch Mitten im Wasser noch einmal um.
 

„Worauf wartest du noch? Das Wasser ist gar nicht so kalt!“.
 

Angel winkte Reaven zu und bedeutete ihr zu folgen. Dann wendete sie sich wieder dem Wasser zu und ging tiefer hinein. Während sie tiefer ging, konnte Reaven sehen, wie die Flügel des Mädchens aus ihrem Rücken brachen und sich zu voller Größe entfalteten.
 

‚Sie sind wirklich wunderschön.‘, dachte sich Reaven und ging auch zum Wasser.
 

Eigentlich wollte sie auch mit hinein, aber als sie ihren rechten Arm berührte um ihren Pullover auszuziehen, durchzuckte sie ein kurzer, scharf-stechender Schmerz.
 

‚Die Verletzung von damals… Sie heilt wirklich sehr schlecht.‘
 

Das Mädchen war so auf ihre Wunde fixiert, dass sie gar nicht bemerkte wie sich Angel angeschlichen hatte und nun genau vor ihr stand.
 

„Ist mit deinem Arm etwas nicht in Ordnung? Hast du dich vorhin beim Sturz doch verletzt?“
 

Erschrocken zuckte die Ältere zusammen und schaute kurz hoch um danach gleich wieder in eine komplett andere Richtung zu schauen. Doch Angel bemerkte in der Kürze in den ihre Blicke sich trafen, dass die Augen ihres Gegenübers nicht die normale Gefühlslage zeigte, sondern noch etwas anderes.
 

„Reaven?“
 

Sie wartete bis das Mädchen sie wieder anschaute und sprach dann erst weiter.
 

„Kannst du mir deinen Arm zeigen?“
 

Ihre Stimme duldete keine Widerrede und ohne auf die Antwort zu warten, streckte sie ihre Hände aus um vorsichtig nach Reavens Arm zu greifen. Diese zuckte zurück und wollte sich außer Reichweite bringen, jedoch war Angel schneller und sorgte mit einer gezielt, flüssigen Bewegung ihrer Beine dafür, dass Reaven gekonnt auf den Boden fiel und setzte sich selbst auf ihre Oberschenkel, damit die Jüngere nicht wegrennen konnte.
 

„Lass es mich bitte ansehen.“
 

„Als ob du aufhören würdest, wenn ich nein sage.“, murrte Reaven und sah überall hin, nur nicht auf die Aussicht, die sich ihr gerade bot.
 

Angel grinste über die Reaktion ihrer Freundin und begann mit ihren Händen den Ärmel des schwarzen Pullovers sanft zurückzuziehen, darauf bedacht möglichst wenig Schaden anzurichten.
 

Je weiter sie den Ärmel zurückkrempelte umso blasser wurde sie und schaute dann entsetzt auf den entblößten Arm. Eine lange und tiefe Schnittwunde zog sich von der oberen Seite des Handrückens bis zum Ellbogen hin. Die Ränder der Wunde waren gerötet und obwohl es nicht blutete sah es schrecklich schmerzhaft aus.
 

„Reaven?“, hauchte sie.
 

„Was ist passiert? Wer war das?“
 

Reaven, die diese Frage hatte kommen sehen, schwieg. Sie wollte ihre Freundin nicht anlügen, doch die Wahrheit konnte sie ihr auch nicht verraten. Obwohl sie sichtlich nicht antworten wollte, war Angel anderer Meinung und nahm den Kopf von Reaven zwischen ihre Hände und zwang sie so ihr in die Augen zu schauen.
 

„Es… Es war meine Schuld, oder?“
 

Reaven antwortete nicht sofort, weil sie nicht wusste, wie sie die Situation zum besseren Wenden sollte. Allerdings war sie schon immer eine Verfechterin der Wahrheit gewesen, weswegen sie leicht nickte.
 

„Ja. Es geschah am Tag der Prüfung, aber die Person, die für diese Verletzung gesorgt hat, warst nicht du. Es war jemand anderes und es wird nicht noch einmal vorkommen. Dafür werde ich sorgen. Glaub mir.“
 

Sie meinte es ernst, doch Angel schien das nicht wirklich zu interessieren. Sie war wieder dabei die Wunde zu inspizieren.
 

„Das ist jetzt auch nicht so wichtig. Schließ deine Augen.“
 

„Huh? Wieso das?“, fragte Reaven und war mit ihrer Gedankenwelt schon wieder Meilen von dem eigentlichen Thema entfernt.
 

„Mach es einfach. Ich kenne etwas, was deinen Schmerz weggehen lässt.“
 

Verwundert schloss Reaven ihre Augen und spürte im nächsten Moment etwas warmes und feuchtes über ihren verletzten Arm gleiten. Zuerst zuckte sie leicht zusammen, jedoch merkte sie, dass der Schmerz immer weiter abschwächte. Verwirrt öffnete sie ihre Augen, um zu sehen was Angel da eigentlich trieb und wünschte fast augenblicklich sie hätte es nicht getan.
 

Sie konnte Angels Nacken sehen, da ihre Haare zu einer Seite runter hingen, um bei dem was sie gerade tat nicht im Weg zu sein. Denn während Reaven die Augen geschlossen hatte, hatte Angel sich über ihren Arm gebeugt und begonnen die Wunde abzulecken.
 

„W-W-W-Was tust du da?!“, quietschte sie erschrocken.
 

Angel kam leicht rot wieder hoch und leckte sich über die Lippen.
 

„Naja, deine Wunde sah schmerzhaft aus, also dachte ich, dass ich dir helfen würde. Aber es ist tierisch peinlich, deswegen solltest du deine Augen auch geschlossen halten.“
 

Tatsächlich war die Wunde auf Reavens Arm zumindest nicht mehr gerötet und sie spürte auch fast keinen Schmerz mehr. Doch sie war noch immer bei Gedanken, von denen sie nur hoffen konnte, dass sie in keinem Radius von einem Gedankenleser war.
 

„W-Wir sollten jetzt gehen. Es ist schon spät und ich will noch ankommen bevor es dunkel wird.“
 

‚Mehr kann ich für einen Tag nicht aushalten.‘, dachte Reaven.
 

‚Mehr kann ich für einen Tag nicht aushalten.‘, dachte Reaven.

Vergangenheit

Ankommen bevor es dunkel wird, war vielleicht ein guter Vorsatz gewesen, aber durchsetzbar war er eindeutig nicht. Reaven und Angel streiften durch den Wald und hofften beide nur schnell anzukommen, denn die Dunkelheit und die Geräusche des Waldes machten ihnen zu schaffen. Vor allem Angel, die unter starker Orientierungslosigkeit litt, wurde mit jedem Schritt und mit jeder Zunahme der Intensität des Dunklen unruhiger.
 

„Reaven… Sind wir bald da?“
 

Die Jüngere schaute Angel an und obwohl sie sich normalerweise über diese ängstliche Seite der Älteren freuen und sie komplett genießen würde, fühlte sie sich auch unwohl, weshalb sie sich nur umso mehr beeilte.
 

„Ja. Direkt da vorne ist es. Wir sollten uns lieber beeilen.“, meinte Reaven und zeigte mit ihrer Hand geradeaus.
 

Angel ging mit zügigen Schritten in die gezeigte Richtung voran, durchbrach endlich das Ende des Waldrandes und stand direkt in einem neuen Abschnitt dieses Gebietes.
 

„Reaven?“, erklang es nüchtern aus ihrem Mund. „Das ist eine Sackgasse…“
 

Tatsächlich tat sich vor Angel eine Klippe auf und darunter war konnte man die Meereswellen rauschen hören. Sie trat an den Rand der Klippe, beugte vorsichtig ihren Kopf darüber und konnte unten einen klitzekleinen Teil des Ufers erkennen. Doch es führte kein Weg nach unten und rechts und links war nichts erkennbar, was einer Trainingshalle gleich kam.
 

„Es ist natürlich, dass du nichts sehen kannst. Es ist nämlich nur bei Ebbe sichtbar und wir haben leider gerade Flut. Ich hätte daran denken sollen. Das wird eine etwas ruppige Nacht werden.“
 

Angel zog die Augenbrauen hoch und überlegte, ob Reaven das gerade ernst gemeint hatte. Doch vielleicht war es ja nicht so schlimm, wie sie dachte. Leider war sie schon immer schlecht darin gewesen die Gezeiten abzuschätzen, deshalb wandte sie sich erneut an Reaven.
 

„Wie lange dauert es denn bis es wieder sichtbar ist. Also wann ist wieder Ebbe…“
 

Reaven schaute nach oben und beobachtete den Mond. Dann blickte sie wieder nach unten und schätzte die Höhe des Wassers ab, welches gegen die Klippe donnerte. Dann seufzte sie resigniert und schaute Angel entschuldigend an.
 

„Leider dauert es noch mindestens drei oder vier Stunden. Es gibt noch einen anderen Weg, doch der geht noch nicht. Das Wasser muss noch etwas niedriger sinken, dann kann ich uns dort runterbringen.“
 

Angel sah ihre Freundin an, setzte sich dann demonstrativ auf den Boden und begann vor sich hin zu fluchen. Eine leichte Gänsehaut begann sich auf ihrem Körper auszubreiten, da es um diese Uhrzeit trotz des Sommers ziemlich kalt war, zumal sie von der vorherigen Schwimmaktion noch nasse Harre hatte.
 

Reaven setzte sich neben die Ältere und begann zu überlegen, wie es wohl dazu kam, dass Angel erst so spät entdeckt wurde oder besser ihre Fähigkeiten so lange verstecken konnte. Während sie so nachdachte, bemerkte sie gar nicht wie die Augen ihres Gegenübers immer wieder zu ihr starrten und dann schnell wieder in Richtung Mond schauten.
 

„Du Reaven… Wie bist du eigentlich hier gelandet und woher weißt du eigentlich von diesem Ort?“, fragte sie schließlich um einen Grund zu haben die Jüngere anzuschauen, denn es galt als unhöflich seinen Gesprächspartner nicht in die Augen zu sehen.
 

Die andere schien über diese Frage nicht im Geringsten überrascht und lächelte ein bisschen als sie daran zurückdachte. Ihre Augen blickten direkt in die von Angel. In ihnen sah man einen traurigen Glanz und die Ältere bereute fast schon gefragt zu haben.
 

„Du musst nicht antworten, wenn du nicht willst. Ich war nur neugierig. Du kannst mir auch erzählen, wie… ähm… wie diese Insel entstanden ist.“, versuchte sie noch schnell das Thema zu wechseln.
 

Jedoch grinste Reaven nur über diesen ziemlich bescheidenen Versuch. Sie selbst wusste nur zu gut, dass Angel Geschichts- und Geographiestunden direkt ins Traumland schickten. Also seufzte sie einmal aus und begann zu antworten.
 

„Das könnte etwas länger dauern, aber wir haben ja Zeit. Am besten ich fange ganz am Anfang an. Kurz bevor ich auf die Schule kam…“
 

~
 

„Reaven! Beeil dich! Wir müssen endlich von hier weg!“, schrie ein schwarzhaariger Junge dem verängstigen kleinen Mädchen zu.
 

Sie hatte dieselbe Haarfarbe wie er und auch sonst sahen sie sich ziemlich ähnlich. Die gleichen Gesichtszüge und eine ähnliche Körperform, soweit man das bei dem Geschlechtsunterschied sagen konnte.
 

„Kai, ich kann nicht mehr.“, sagte die Kleine weinend, rannte aber trotzdem weiter.
 

Sie hatte einige Probleme mit ihrem großen Bruder mitzukommen, da dieser viel größere Schritte als sie machen konnte. Trotzdem schaute sie immer weiter seinen Rücken an und versuchte ihm bestmöglich zu folgen.
 

Doch als sie auch noch hinfiel verlor sie jegliche Hoffnung. Der Junge drehte sich um und lief so schnell er konnte zu seiner kleinen Schwester um sie hochzuheben. Mit ihr auf dem Rücken rannte er weiter. Die beiden wurden verfolgt. Hinter ihnen konnte man das Gekläffe von Hunden hören und die Rufe einer wütenden Meute.
 

„Bleibt stehen ihr Monster! Wir kriegen euch so oder so und dann seit ihr dran!“, schrien ihnen die Menschen entgegen.
 

Das kleine Mädchen krallte sich an ihren Bruder und flüsterte immer wieder, wie sehr es ihr Leid tat und entschuldigte sich permanent. Sie zitterte vor Angst und wollte nur noch von diesem grausamen Ort entfliehen. Auch konnte sie sich nicht erklären, warum die Dorfbewohner sie so hassten.

Sie und ihr Bruder waren in einem Waisenhaus aufgewachsen und als der Junge alt genug war, wurde er in ein Dorf geschickt um dort bei der Landarbeit zu helfen. Nachdem er dort mit offenen Armen empfangen wurde, entschied er sich seine kleine Schwester, Reaven, nachzuholen um mit ihr ein neues Leben anzufangen.
 

Tatsächlich sahen die ersten Monate richtig gut aus. Alle mochten die kleine Reaven und ihren hart arbeitenden Bruder. Niemand hatte etwas gegen sie und auch die Kinder freundeten sich schnell mit ihnen an, doch konnte Reaven etwas, was die anderen Kinder nicht konnten.
 

Als sie mit einem der Jungen in einen Streit geriet und sie anfingen sich zu prügeln, vergaß sich Reaven und kurz leuchteten ihre Augen auf. Danach flog ein Ast von dem über ihnen stehenden Baum runter und traf den Jungen am Kopf. Sofort war die Spielerei vergessen und der Junge wurde zum Arzt gebracht. Dieser Vorfall wurde noch als unglücklicher Zufall abgetan. Schließlich konnte sowas immer und überall passieren.
 

Dennoch… mit jedem weiteren Streit oder jeder Unannehmlichkeit der Reaven ausgesetzt war, häuften sich diese Zufälle bis die Dorfbewohner misstrauisch wurden. Ihr Bruder meinte, dass dies nur eine unglückliche Verkettung von Zufällen war, aber die Dorfbewohner wollten ihm nicht glauben.
 

Die Kinder wurden Reaven gegenüber ängstlich und schon bald wurde sie von der Gemeinschaft ausgeschlossen. Als ihr Bruder und die anderen Erwachsenen durch die Erntezeit beschäftigt waren, dachten sich die Kinder ein grausames Spiel aus. Sie wollten unbedingt wissen, ob das schwarzhaarige Mädchen eine Hexe war oder nicht. Deshalb umstellten sie das 8-jährige Mädchen und hielten sie fest.
 

Der Junge, der als erstes von den unglücklichen Zufällen geprägt worden war, holte ein Feuerzeug aus seiner Tasche und grinste die Kleine hämisch an.
 

„Wollen wir doch mal sehen, ob du eine Hexe bist.“
 

Reaven hatte unendliche Angst und versuchte sich zu befreien, doch brachte es ihr wenig, da es einfach zu viele waren und sie viel zu schwach war. Also ergab sie sich und betete, dass es schnell vorbeigehen würde. Sie wollte nur, dass ihr Bruder nie etwas hiervon erfuhr, denn sie hasste es, wenn er sie so anschaute. So voller Mitleid. Sie wollte ihm nicht noch mehr Sorgen machen, als er sowieso schon hatte.
 

Also biss sie die Zähne zusammen, als der Junge ihr das Feuerzeug direkt unter dem Arm hielt und es schließlich anmachte. Schon nach ein paar Sekunden konnte sie einen Schmerzensschrei nicht mehr unterdrücken, doch behielt sie ihre Fähigkeit unter Kontrolle… bis sie es im Gebüsch knacken hörte.
 

Sie drehte ihren Kopf um und sah mit einem von Tränen verschleierten Blick, wie ihr Bruder und noch einige andere Erwachsene die Kinder mit unglaubwürdigen Blicken anstarrten. Die anderen Erwachsenen nahm das Mädchen jedoch gar nicht wahr. Sie sah nur ihren Bruder und fast augenblicklich, als sie sah wie seine ganze Statur wütend wurde, verlor sie doch die Kontrolle. Alle Bäume in ihrem Umkreis rissen sich aus dem Boden und stürzten um. Die Fensterscheiben der Häuser zersprangen und Reavens Augen leuchteten auf.
 

Sofort war ihr Bruder bei ihrer Seite und hielt sie fest in den Armen.
 

„Alles ist gut. Beruhige dich Reaven. Es ist alles gut. Dir wird nichts mehr passieren. Ich verspreche es dir.“
 

Reaven beruhigte sich. Im Gegensatz zu den Dorfbewohnern. Das Mädchen war in ihren Augen wirklich eine Hexe und so fingen sie an die Beiden zu jagen.
 

Das Ergebnis war, eine tagelange Flucht, doch wie alles hatte auch diese ihr Ende erreicht. Die beiden Geschwister waren direkt in eine Sackgasse gelaufen. Vor ihnen tat sich eine steile Bergwand auf und hinter ihnen waren die Dorfbewohner.
 

„Kai, ich hab Angst.“, sagte die Kleine, als er sie vorsichtig auf den Boden stellte.
 

„Das brauchst du nicht. Vergiss nicht, dass ich dich liebe und dich immer beschützen werde. Solange ich lebe und darüber hinaus.“
 

Er beugte sich nah runter und gab ihr ein kleines Amulett, das ihn schon ein ganzes Leben lang begleitet hatte. Das sollte eine Erinnerung an ihren Bruder sein, denn dieser wusste, wie diese Situation ausgehen würde. Er ging ein paar Schritte vor die Bergwand und stellte sich in aufrechter Position hin.
 

Hilfe! Bitte jemand muss uns helfen! Bitte… Ich will nicht, dass Kai geht.
 

Die Dorfbewohner hatten die beiden inzwischen gefunden und sich vor ihnen versammelt. In ihren Händen waren Gewehre, die Hunde setzten zum Angriff an, doch als der Junge sie anschaute, wimmerten sie nur und verschwanden im Wald.
 

„Du bist also genauso wie diese Teufelsbrut!“
 

Die Dorfbewohner schauten ihn traurig an. Zumindest ihn hätten sie eigentlich behalten wollen. Schließlich war er ein guter Arbeiter.

„Uns bleibt keine andere Wahl, dass verstehst du doch mit Sicherheit, oder?“
 

„Nein, das mache ich nicht! Sie ist nur ein Kind! Nie würde sie jemanden etwas antun!“
 

Die Dorfbewohner schüttelten nur den Kopf.
 

„Wie kommt es dann, dass so viele unserer Kinder verletzt wurden? Wir können sie nicht tolerieren. Sie ist eine Gefahr! Und du scheinst auch eine zu sein!“
 

Reaven schauten sich mit verängstigen Augen, die ihr eigentlich bekannten und freundlichen Gesichter an. Sie hatte Angst und bettete immer wieder, dass ihnen jemand helfen würde.
 

Doch als ein Schuss ertönte und ihr Bruder in die Knie ging, dachte sie, dass es nun vorbei wäre.
 

„Onii-chan!“, rief sie laut und rannte auf ihren Bruder zu. Doch der schaute sie nur an und lächelte.
 

„Bleib da stehen, Reaven.“
 

Er stand wieder auf und versuchte die Dorfbewohner zu überzeugen jedenfalls seine Schwester gehen zu lassen. Diese hatte jedoch ihr Gehör durch das Rauschen ihres eigenen Blutes im Körper verloren und sah nur noch wie ihr Bruder aus der Schulter blutete.

Augenblicklich fingen ihre Augen an zu leuchten.
 

Die Dorfbewohner reagierten sofort und alle legten ihre Gewehre an um auf das kleine Mädchen zu schießen. Verängstigt schloss sie Augen und hörte ein Dutzend Schüsse.
 

Als sie Augen wieder öffnete, stand ihr Bruder vor ihr. Die Arme zu beiden Seiten ausgestreckt um möglichst viel von ihr abzudecken. Erneut drehte er sich um. Blut floss aus seinem Mund. Trotzdem lächelte er sie an.
 

„Siehst… du. Ich.. werde dich… beschützen.“, brachte er abgehackt hervor.
 

Dann fiel er vornüber auf den Boden. Seine kleine Schwester war sofort neben ihn und rief ihn immer wieder bei seinen Namen, während sie an seiner Schulter rüttelte, damit er wieder aufstand.
 

Warum die Dorfbewohner sie letztendlich doch verschonten, war Reaven selbst heute noch nicht klar geworden. Vielleicht zeigten sie Reue… oder Herz… Doch von Güte konnte man nicht sprechen, denn sie ließen das Mädchen allein mit ihrem toten Bruder im Wald zurück.
 

Nach einer schier unendlichen Zeit tauchte ein Mensch wie aus dem Nichts vor dem Mädchen auf.
 

Er sah die Szene und schüttelte traurig den Kopf. Als er sie anfassen wollte, verlor Reaven wieder die Kontrolle und zerlegte alles in ihrer Umgebung in Schutt und Asche. Der Mann jedoch zeigte sich unbeeindruckt, nahm das Mädchen bei der Hand und verschwand mit ihr und ihrem Bruder aus dem Wald.
 

Sie wurde auf diese Insel mit dem Internat geschafft. Der Junge wurde beerdigt und sie wurde zu dieser Klippe gebracht. Zuerst dachte sie, man wolle sie umbringen, doch es stellte sich heraus, dass auch sie hier ihr Sondertraining bekommen sollte.
 

~
 

Angel starrte ihre Freundin mit großen Augen an. So eine Vergangenheit hatte sie mit Sicherheit nicht erwartet.
 

„Es… Es tut mir Leid. Ich hätte nicht fragen sollen. Es tut mir auch Leid, was mit deinem Bruder passiert ist…“, sagte sie beschämt und schaute weg.
 

„Nein. Das ist schon in Ordnung. Alles in allem ist es ein Teil meiner Vergangenheit, den du erfahren solltest…“
 

Es folgte eine Stille in der Angel versuchte das Erfahrene zu verdauen. Außerdem wusste sie nicht, was sie nun sagen sollte. Ein Themenwechsel wäre unhöflich gewesen. Sie wollte ihre Freundin aber auch nicht weiter mit ihrer Vergangenheit belasten.
 

Diese war jedoch alles andere als erpicht auf ein Schweigen, deshalb wollte sie endlich eine Frage stellen, die ihr schon ewig auf der Zunge lag.
 

„Sag mal Angel…“, fing sie an. „Wieso sind deine Flügel so vernarbt? Waren das deine Eltern?“
 

Ürks… Gute Frage und auch noch so eine Unangenehme.
 

Angel sah Reaven genau in die Augen und schien dort etwas zu suchen. Als sie es nicht fand, seufzte sie einmal aus. Ihre Freundin hatte ihr einen sehr wichtigen Abschnitt ihrer Vergangenheit erzählt, also könnte sie einen Teil ihrer erzählen.
 

„Hmm… Das ist eine gute Frage. Ich glaube nicht, dass es meine Eltern waren. Als sie meine Flügel vor ein paar Monaten gesehen haben, waren sie selber so überrascht, dass sie mich erstmal eingesperrt haben. Ich glaube aber nicht, dass es jemand Normales gewesen sein kann oder überhaupt ein Mensch.“
 

Reaven schaute sie überrascht an. „Wieso das nicht?“
 

„Naja, du weißt doch, dass ich meine Flügel jederzeit wieder in meinen Rücken ziehen kann, wenn ich will… Also wird es wohl kein Mensch gewesen sein, denn bevor er was hätte machen können, hätte ich meine Flügel wieder eingezogen und wäre somit der Gefahr entgangen. Dementsprechend war ich es entweder selber bei einem Sturzflug, als ich noch sehr klein war oder aber es war ein Überraschungsangriff.“
 

Sie lachte über die Vorstellung, wie ein Baby mit Flügeln von allen Seiten angegriffen wurde. Doch hörte sie abrupt wieder auf, als ihr einfiel, dass Reaven ja auch als kleines Kind angegriffen wurde.
 

„Tut mir leid.“, murmelte sie leise. „Ich weiß leider nicht, woher die Narben kommen…“
 

Was ihr das Mädchen versuchte zu verschweigen war, dass sie einen Teil der Narben selber zu verantworten hatte. Doch Reaven war schlau und hatte bemerkt, dass Angel sich nicht über den ersten Teil ihrer Behauptung mit der Selbstverletzung lustig gemacht hatte, also fragte sie nach.
 

„Hast du selber ein paar der Narben zu verantworten?“
 

Tief-grüne Augen starrten Angel direkt in die Augen und sie wusste, dass sie wohl oder übel antworten musste.
 

„V-Vielleicht… ein paar…“
 

„Wirst du es wieder machen?“
 

Es gab wirklich kein Entkommen aus diesen Augen.
 

„Nein.“, antwortete Angel mit fester Stimme, doch fühlte sie, dass sie vielleicht noch ein bisschen mehr über die Flügelsache sagen sollte.
 

„I-Ich war damals ein bisschen verzweifelt, weil ich so anders war und wollte… wollte einfach nicht mehr… Ich wollte so sein, wie alle anderen, also hab ich das Jagdmesser meines Vaters genommen und versucht sie abzuschneiden.“, sagte sie in einem Atemzug.
 

Reaven hob eine Augenbraue hoch und konnte es kaum fassen.
 

„Ahh. Es ist nicht so wie du denkst. Nach dem ersten Schnitt war es schon so schmerzhaft, dass ich ohnmächtig geworden bin. Also konnte ich mein Vorhaben nie in die Tat umsetzen.“
 

Sie grinste und begann aufzustehen, dabei klopfte sie sich den Staub von der Jeans. Dann wendete sie sich erneut Reaven zu.
 

„Jedoch habe ich dabei etwas Interessantes herausgefunden.“
 

Sie ging in die Hocke und befreite Reavens Arm wieder von dem Pullover. Die Wunde sah sehr viel besser aus als vorher. Man konnte praktisch zusehen wie sie sich schloss. Angel strich sich mit einer Hand die Haare hinter das Ohr und leckte ein paar Mal über den Arm.
 

Danach beschleunigte sich der Heilungsvorgang noch stärker und die Wunde war fast vollkommen geschlossen.
 

„Als ich damals so stark geblutet hatte, habe ich meine Wunden auch abgeleckt und seltsamerweise sind sie viel schneller als normalerweise geheilt. Anscheinend ist meine Spucke magisch.“, meinte sie grinsend und schaute nach oben in Reavens Gesicht.
 

Diese hatte ein richtig rotes Gesicht und sah ziemlich durch den Wind aus, aber auch irgendwie… süß. Angel wurde klar was sie getan hatte und der Gesichtsausdruck Reavens brachte sie zusätzlich aus dem Konzept.
 

Bin ich gerade zu weit gegangen?
 

Verwirrt sah sie Reaven an und bemerkte so gar nicht, dass sie selber auch sehr rot geworden war.
 

„K-Können wir inzwischen in den Geheimgang.“
 

Reaven schreckte aus ihrer Starre hoch und schaute vorsichtig über die Klippe.
 

„Ja. Jetzt geht es. Sei so gut und sag erstmal nichts mehr, aber halt meine Hand fest. Muss mich ein bisschen konzentrieren.“ Und bin schon abgelenkt genug., fügte sie im Gedanken hinzu.
 

Angel ergriff die ausgestreckte Hand Reavens und stellte sich neben sie. Diese schloss die Augen und sprang dann einfach die Klippe hinunter und zog Angel mit sich. Vor Schreck hatte diese wirklich nichts gesagt und sah panisch wie sich ihnen das Wasser näherte. Jedoch nicht so schnell wie es normalerweise der Fall gewesen wäre. Reaven schien irgendwie ihren Fall zu bremsen und schließlich schwebten sie über dem Wasser.
 

Als Reaven ihre Hand nach unten ausstreckte, teilte sich dieses sogar und ein Weg wurde sichtbar. Die Jüngere landete sanft auf dem Klippenvorsprung, genauso wie Angel, und ging schnellen Schrittes voran. Angel konnte hinter ihnen sehen, wie das Wasser wieder über den schon zurückgelegten Weg krachte und hoffte unter den Wassermengen nicht begraben zu werden.
 

Als sie ein paar weitere Meter gegangen waren und das Wasser noch immer verschwand, konnte Angel eine Tür ausmachen, die Reaven sofort öffnete und Angel mitsamt sich selbst durch diese zog.
 

Im nächsten Moment schloss sie die Tür hinter sich und lächelte Angel mit offenen Augen an.
 

„Wir sind da. Hier habe ich gelernt meine Fähigkeiten zu kontrollieren und hier wirst du es auch noch lernen.“, meinte sie und zog mich durch einen schmalen Gang.
 


 

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Sorry wegen der Verspätung. Dieses Kapitel ist etwas... anders, als meine anderen. Ist auch neu und nicht von der Vorschrift... Sagt bitte wenn es grobe Fehler enthält, bin für jede Kritik offen (für Lob im ürbigen auch)^^
 

Ahhja und es gab ne Änderung. Angel ist die Ältere und Reaven die Jüngere.

Ein etwas anderes Sondertraining

„Ich denke, es wäre besser, wenn wir gleich schlafen gehen. Schließlich ist es schon spät und der Tag war lang.“, meinte Reaven und versuchte vergeblich ein lautes Gähnen zu unterdrücken.
 

„Ja, ich bin auch hundemüde… und Morgen wird wahrscheinlich ein genauso langer Tag werden.“, sagte die ebenso geschafft aussehende Angel.
 

Dass sie allerdings lieber früher als später mit dem Training anfangen würde, erwähnte sie nicht. Sie hoffte nur inständig, dass sie die Erwartungen von allen (also Reaven und Rick, hauptsächlich aber Reaven) erfüllen könnte.
 

Durch ihre geistige Abwesenheit bemerkte sie gar nicht wie Reaven hinter einer der Türen, im gleichen Gang durch den sie auch reingekommen sind, verschwand. Als sie es bemerkte, sah sie sich suchend um.
 

„Reaven? Wo bist du hin?“, rief sie zögerlich in den leeren Gang.
 

Sie ging genauso zögerlich wie sie gesprochen hatte ein paar Schritte weiter, als plötzlich das Licht ausging.
 

„Kyaa.“
 

Sofort kam ein Kopf aus einer der Türen raus und das Licht ging wieder an. Reaven schaute auf die zusammengekauerte Angel und hätte beinahe ihren Augen nicht getraut.
 

„Angel… Hast du etwa Angst vor der Dunkelheit?“
 

Nun sah das verängstigte Mädchen hoch und als sie das erstaunte Gesicht der Jüngeren sah, wurde sie rot und begann stotternd zu antworten.
 

„N-n-natürlich nicht! Ich hab mich nur erschreckt! Das ist alles!“
 

Die Schwarzhaarige konnte nicht anders, als über das Verhalten ihrer Freundin zu schmunzeln, sagte aber vorsichtshalber kein Wort mehr darüber. Später würde es sehr viel mehr Spaß machen, sie damit aufzuziehen.
 

„Ist das so… Komm mit. Ich zeig dir deinen Schlafraum.“
 

Sie nahm Angel bei der Hand und zog sie in den Raum aus dem sie gerade gekommen war.

Er war ziemlich schlicht möbliert. Eine einfache Kommode, ein Tisch, Spiegel und ein Doppelbett.
 

„Tja, dann geh ich mal in meinen Raum. Schlaf gut.“
 

Reaven drehte sich um und wollte den Raum verlassen, als sie bemerkte, dass sie ihren Ärmel in irgendetwas verfangen hatte. Sie drehte sich noch einmal um und realisierte, dass es Angel war, die sie festhielt. Diese hatte den Kopf nach unten geneigt und tapste unsicher von einem Bein auf das andere.
 

„K-Kannst du nicht hierbleiben?“, stammelte sie und wurde dabei so leise, dass Reaven Schwierigkeiten hatte, sie überhaupt zu verstehen.
 

„Es gibt hier auch ein großes Bett, also ist genug Platz für uns beide…“, murmelte sie weiter.
 

Süß, wenn sie so unsicher ist. Aber…
 

„Ich weiß nicht, ob das—“, begann Reaven zu antworten, stockte jedoch als Angel hochschaute und sie mit bittenden Augen ansah.
 

Dieser Hundeblick sollte verboten sein!
 

Angel versteifte ihren Griff in Reavens Pullover und schaute sie unverwandt an.
 

„I-ich denke wirklich nicht, dass das…“
 

Tränen bildeten sich in den Augen ihres Gegenübers und seufzend gab sie sich geschlagen.
 

„Aber nur für heute Nacht.“
 

Angels Miene hellte sich sofort auf und dankbar schlang sie ihre Arme um Reaven.
 

„Yeah! Dankeschön Reaven. Ich versprech dir auch, dich in der Nacht in Ruhe zu lassen.“, meinte sie zuckersüß grinsend.
 

Das macht sie doch mit Absicht. Wie soll man sich bei sowas zurückhalten können.
 

Reaven erwiderte die Umarmung und gab der Älteren einen Kuss auf die Wange. Diese machte sich nicht viel daraus und begann sich schon umzuziehen und ins Bett zu springen.
 

Ich hoffe, ich kann jedenfalls etwas schlafen…, dachte Reaven und bereute schon jetzt ihre Nachgiebigkeit.
 

~
 

„Das hier ist unser Trainingsplatz.“, sagte eine leicht übernächtig, aber auch stolz aussehende Reaven, während sie sich mit weit ausgebreiteten Armen in Kreis drehte.
 

Vor Angel breitete sich das bemerkenswerteste, was sie je gesehen hatte, abgesehen von dem „Käfig“ und der Schule, aus. Vor ihr war ein riesengroßer Raum, der mindestens so groß und so hoch war, wie ein Fußballstadion lang war. Außerdem war in der rechten Ecke neben dem Eingang eine beträchtliche Ansammlung von Computern, Monitoren, Towern, Mäusen, Tastaturen und vieles mehr. Es sah ein bisschen so aus, als hätte sich jemand während des Schlussverkaufes von einem Elektronikfachhandel ausgetobt.
 

„Hui…Also hierhin fliessen die Schulgelder…“
 

Während sich Angel noch umschaute, setzte sich Reaven an den größten Computer in der Mitte und zeigte in die Mitte des „Fußballfeldes“.
 

„Und genau dort wirst du trainieren.“, meinte sie grinsend und wendete sich wieder dem Monitor zu.
 

Ein versteckter Computerfreak? Na, wer hätte das gedacht.
 

Voller Interesse sah sie zu, wie Reaven tausende und abertausende von Zeichen in den Computer einhackte und dabei anscheinend eine Zeile nach der anderen zu überschreiben schien. Dabei schrieb Reaven so schnell, dass sie innerhalb von ein paar Millisekunden eine ganze Monitorseite überschreiben konnte. Währenddessen ging Angel in die Mitte des Raumes und wartete auf weitere Anweisungen oder Tipps zum Training, denn sie konnte sich nicht im Geringsten vorstellen, wie dieses Training aussehen sollte.
 

„Und jetzt beginnt das Training.“, sagte Reaven und drückte einmal kurz auf die Entertaste.
 

Sofort begann der ganze Raum sich zu verändern. Reaven verschwand hinter so etwas wie einer Glasscheibe, während sich die Umgebung in Angels Nähe anfing zu verändern. Der graue und triste Marmorboden begann sich grün zu verfärben und Gras fing an daraus zu wachsen. Die Wand um sie herum wurde zu Bäumen und Sträuchern und die Decke wurde zu einem strahlend blauen Himmel.
 

„Wow… Das ist einfach nur… total… wow…“, murmelte Angel vor sich hin und konnte nicht anders als ihre Umgebung in voller Bewunderung anzustarren.
 

„Schön das es dir gefällt.“, sagte eine Stimme über einen der Lautsprecher, die eindeutig die von Reaven sein musste, auch wenn Angel sie momentan nicht orten konnte.
 

„Ich wäre dafür, dass wir ganz einfach anfangen. Fang einfach mal an mit den Flügeln zu schlagen.“, bat sie über einen Lautsprecher irgendwo in diesem Raum.
 

Angel tat wie geheißen und ließ ihre Flügel aus ihrem Körper brechen. Danach sammelte sie sich kurz und schloss die Augen. Doch als sie den ersten Flügelschlag betätigte, öffnete sie ihre Augen wieder und ließ sie auch weiterhin offen.
 

Reaven, die in dem Kontrollraum saß, hatte circa 30 Kameras auf Angel gerichtet, dabei war eine genau auf ihre Augen gerichtet und bemerkte jede kleinste Veränderung, die sich in der Augenfarbe oder Form bemerkbar machen könnte. Sofort als Angel anfing mit den Flügeln zu schlagen, leuchtete ein rotes Lämpchen an dem Monitor mit der Kamera, die auf die Augen gerichtet war.
 

Die Jüngere beobachtete die Kamera und konnte beinahe zeitgleich mit dem erheben der Flügel zum zweiten Schlag die Veränderung beschreiben.
 

Ihre Augen haben sich wieder violett verfärbt…, dachte das Mädchen in stiller Faszination.
 

Die Augen waren nämlich nicht nur normal violett, sondern hatten auch zwischendurch leichte und dünne schwarze Streifen in sich. Normalerweise hätte man sie nicht sehen können, es sei denn man wäre höchstens einen Meter oder noch weniger von ihr entfernt, doch dank den Kameras konnte Reaven diese Erkenntnis schon einmal festhalten.
 

Doch nicht nur das fiel Reaven auf, auch die Narben auf Angels Flügeln sorgten für einen Aufmerksamkeitswechsel.
 

Es ist nicht möglich, dass sie sich die ganzen Narben zugefügt hat. Man sieht zwar die Stellen, wo man ansetzen würde, um Flügel abzuschneiden..., während sie dies dachte, schauderte sie merklich auf und schluckte hart. … aber die anderen stammen definitiv nicht von ihr.
 

Innerhalb von Angels Rückseite der Flügel waren in der Mitte regelmäßige lange Schnitte, als ob jemand nicht versucht hätte die Flügel abzuschneiden, sondern sich Teile ihrer Flügel rauszuschneiden. Erneut schauderte Reaven als sie dies bemerkte.
 

„Angel… Hast du… Ich meine, deine Flügel… sind alle Verletzungen… von dir?“
 

Verblüfft hörte Angel auf mit den Flügeln zu schlagen und sah in die Richtung, in der sie den Kontrollraum vermutete.
 

„Ähm… Eigentlich schon… Auch wenn ich nicht sonderlich stolz darauf bin… Obwohl… ein paar der Narben waren schon immer da. Keine Ahnung, woher die kommen. Ich hab auch aufgehört darüber nachzudenken, hatte eh keinen Sinn, da mir niemand Antworten geben konnte.“, meinte sie leichthin.
 

Reaven war etwas erstaunt und nickte, obwohl Angel das nicht sehen konnte. Dann fiel ihr wieder der Hauptgrund ihres Besuches im „geheimen“ Trainingslager ein.
 

„Deine Augen scheinen sich zu verfärben je nachdem wie stark du deine Kräfte beanspruchst. Ich möchte, dass du weiter mit den Flügeln schlägst und auch ein bisschen fliegst. Vielleicht können wir über die Intensität deinen Kontrollmechanismus überwachen und so das Training besser gestalten.“
 

Angel tat was ihr gesagt wurde und flatterte erneut ein wenig mit den Flügeln. Jetzt versuchte Reaven mit ihren Computern Änderungen in den Luftströmen festzustellen, was nicht wirklich gelang. Genauer gesagt, funktionierten die Computer einwandfrei, nur waren keine Abnormalitäten in der Luft erkennbar. Alles genauso wie es sein sollte.
 

Ein paar Minuten später schlug Angel noch kräftiger mit den Flügeln und begann ein paar Meter über den Boden zu schweben. Tatsächlich änderte sich nun etwas an der Älteren.
 

Es veränderte sich nämlich ihre Augenfarbe indem die schwarzen schmalen Streifen in ihrem Augen sich kurzzeitig so erweiterten, dass sie ihr gesamtes Auge einrahmten ehe sie sich wieder zu den schmalen Streifen zurückwandelten. Danach wurde das noch recht helle violett zu einem sehr dunklem violett beziehungsweise nachdem der schwarze Streifenvorhang sich wieder zurückgezogen hatte, konnte man die neue Farbintensität erkennen.
 

Doch noch immer konnte man keine Veränderung an den Monitoren im Bereich der Luftüberprüfung sehen. Dementsprechend hatte Angel noch nicht ihre Kontrolle verloren, sondern nur eine neue Stufe ihrer Fähigkeit bestritten.
 

Reaven seufzte und löste die Computerdarstellung der Umgebung, in der Angel sich befand, auf.
 

„So bringt das nicht genug, als dass wir innerhalb einer Woche fertig werden können.“, meinte sie niedergeschlagen.
 

Angel war inzwischen zu ihr gegangen und sah sie fragend an.
 

„Was sollen wir dann machen?“, fragte das Mädchen.
 

„Nun ja. Es mag nicht sonderlich angenehm sein, aber wir werden das Problem wohl oder übel bei der Wurzel packen müssen. Dafür müssen wir dich zum Kontrollverlust bringen, damit wir den Auslöser dafür finden und mit der dadurch entstehenden Situation umgehen können.“
 

„Einen Auslöser, huh?“
 

Angel überlegte, während sie wie ein Tiger im Käfig im Kreis hin und her lief. Dann blieb sie stehen und haute ihre Faust in die offene Hand.
 

„Ich hab’s!“, rief sie begeistert und rannte zurück zu Reaven.
 

„Bevor ich hier ankam und auch noch kurz nachdem ich hier ankam, hatte ich einen immer wiederkommenden Alptraum. In diesem Traum bin ich normal über den Ozean geflogen, aber dann hatte ich auf einmal ganz starke Schmerzen in meinem Flügel… Darauf bin ich abgestürzt und das Meer sah aus wie ein gähnender schwarzer Abgrund…“
 

Reaven hatte gebannt zugehört und dann war ihr klar, was zu tun war.
 

„Geh zurück in die Mitte des Raumes. Ich weiß jetzt wie wir das Problem lösen können.“
 

Sie ging zurück auf ihren Platz zu den Computern, während Angel in die Mitte des „Fußballfeldes“ ging. Innerhalb von ein paar Sekunden hatte sie angefangen neue Zeichen in den Computer einzuhacken, die noch für einigen Trubel sorgen sollten.
 

„Und los geht’s!“, sagte Reaven, drückte die Entertaste und stand auf, um schneller handeln zu können.
 

Die neue Simulation erstellte ein Abbild eines Abgrundes direkt unter Angels Füßen. Die Ältere, die schon ihre Flügel draußen hatte, schaute leicht panisch nach unten. Selbst ohne mit den Flügeln zu schlagen, verfärbten sich ihre Augen auf violett.
 

Auf einem der Monitore konnte Reaven genau sehen, wie das dunkle violett sich weiter verfärbte. Es ging langsamer als sie dachte, doch von der Iris aus verdunkelte sich das violett so sehr, dass es zu einem Rotton wurde und zwar von Innen nach Außen, als ob es von den Augen Besitz ergreifen würden.
 

Im nächsten Moment begann auch der Computer, der die Luftfrequenz messen sollte, sich zu melden. Er zeigte die ersten Abnormalitäten in der Luft, doch selbst ohne auf den Computer zu schauen, hatte Reaven die Veränderung in der Luft bemerkt, da Angels Haare sich in dem vorher windstillen Raum angefangen hatten zu bewegen.
 

Allerdings stoppte sie die Simulation als der Wind noch stärker zu werden schien und wartete ob sich Angel von alleine wieder beruhigen würde. Beim ersten Mal klappte es nicht und nach ein paar Minuten schritt Reaven ein und beendete Angels abdriften.
 

Vor dem zweiten Mal stellte sie an Angel die Bitte, darauf zu achten, wie es sich anfühle, diese Art von Fähigkeit zu verwenden, damit sie es aus freien Willen verwenden konnte und damit sie die Angst vor ihren Fähigkeiten verlor. Um ihre Angst vor dem Abgrund zu beseitigen, wollte Reaven sie einfach regelmäßig auf dem Abgrund trainieren lassen, so sollte es eventuell behoben werden können.
 

Bei dem elften Anlauf hatte Angel einen größeren Ausraster bei dem sich ihre Augen von dem Mittelrotton auf ein purpurrot verfärbten. Als das geschah, griff Reaven sofort ein und verhinderte eine Eskalation.
 

Daraufhin sackte die Ältere erschöpft und komplett durchgeschwitzt zusammen. Reaven war sofort an ihrer Seite und sah sie genauso erschöpft an.
 

„Ich glaube, wir sollten für heute eine Pause einlegen.“, meinte Reaven, während sie versuchte ihren Atem wieder unter Kontrolle zu bringen.
 

Die Geflügelte unter Kontrolle zu halten, war schwerer als sie dachte. Nicht unmöglich, aber trotzdem unglaublich kräftezehrend. Vor allem der letzte Ausraster hatte ihr den Rest gegeben. Also sackte sie neben Angel zusammen und lehnte sich an ihren Rücken an.
 

~
 

Angel war noch erschöpfter als es Reaven war und hatte sich, sobald sie aus der Dusche kam, sofort in ihr Bett gekuschelt. Kurz darauf war sie eingeschlafen. Reaven hatte dasselbe vorgehabt und hatte es zum Teil auch geschafft, aber sie konnte ihren Blick nicht von dem schlafenden Gesicht abwenden.
 

Sie sieht so süß aus, wenn sie schläft…, dachte die Jüngere.
 

Dabei bemerkte sie gar nicht, wie sie sich der Älteren immer mehr näherte, während sie sie eigentlich nur ein bisschen beobachten wollte. Sie war mit ihrem Gesicht inzwischen nur noch ein paar Zentimeter von Angels entfernt, als sie plötzlich zurückschreckte.
 

Ich hätte sie beinahe geküsst?! Es gibt Grenzen und die darf ich einfach nicht überschreiten!, dachte sie auf einmal wieder verwirrt.
 

Doch als sie noch einmal auf das schlafende Gesicht sah, gab sie ihr einen leichten Kuss auf die Stirn. Dann seufzte sie ergeben und schüttelte in Frustration den Kopf.
 

Was mach ich hier eigentlich?
 

Was Reaven nicht wusste, war, dass Angel noch wach war.
 

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Notiz:

hehe... ich bin mir in letzter Zeit ein bisschen unsicher mit den Kapiteln, hoffe man merkt das nicht (abgesehen von der längeren Wartezeit)

Kontrolle?

Die beiden Mädchen waren wieder am See, saßen zusammen Schulter an Schulter und schauten selig auf die Wasseroberfläche, welche den vollen Mond reflektierte und so für wunderschöne Lichtspiele sorgte.
 

„Lenara…“, sagte Reaven und spielte damit auf das wirkliche Mädchen, hinter der Shinwa, die sie eigentlich war, an.
 

Angel schaute dem jüngeren Mädchen direkt in die Augen und mehrere kleine Schauer jagten über ihren Rücken, als sie deren Blick sah. So intensiv und so voller Liebe, das sie regelrecht davon in Bann gezogen wurde.
 

„Reaven…“, wisperte Angel und näherte sich den Lippen der Jüngeren, obwohl sie wusste, dass es falsch war.
 

Doch wider Angels Erwartungen fand sie es nicht seltsam oder sogar abstoßend, sie fühlte sich noch nicht einmal ansatzweise schlecht… sondern eher sonderbar gut. Als würde alles um sie zur Ruhe kommen. Als würde dieser kleine Moment perfekt sein und der absolut Richtige noch dazu. Sogar ein warmes Gefühl fing an sich in ihrer Brust auszubreiten, je näher sie Reaven dabei kam.
 

Schließlich berührten sich ihre Lippen und Angel rückte mit ihrem Körper immer näher an Reaven bis ---
 

~
 

Scheiße, scheiße, scheiße, scheiße! Was war denn das?!
 

Angel saß aufrecht in ihrem Bett und zitterte am ganzen Körper. Sie konnte es nicht fassen. Sie hatte noch nie von jemanden auf diese Art geträumt und nun war es ausgerechnet ihre eigene Freundin von der sie so träumte.
 

Sie ist eine Freundin… Nur eine Freundin! Wie kann ich nur so von ihr träumen! Das muss an gestern Abend liegen! Sie war nur… Das war mit Sicherheit nur als freundschaftlicher Kuss gemeint und ich habe es falsch verstanden… Ja, das muss es sein! Ich hab es falsch verstanden!
 

Weiterhin in ihren Gedanken vertieft, begann Angel sich anzuziehen und für das Frühstück fertig zu machen. Dabei warf sie nur einen kurzen Blick in den Spiegel und sah sich selbst mit hochrotem Kopf dastehen.
 

„Angel, bist du schon wach?“, kam die ihr bekannte Stimme durch die Tür zu ihrem Zimmer.
 

„J-ja! Ich komme gleich! Du kannst schon mal vorgehen. Ich komme gleich nach.“, rief sie durch die verschlossene Tür und hoffte inständig, dass ihre Freundin auf ihre Aussage einging, damit sie noch mehr Zeit hatte, um sich zu sammeln.
 

Die erhoffte Antwort ließ nicht lange auf sich warten, denn nach kurzem Zögern, hörte sie ein: „Ja, aber lass dir nicht zu viel Zeit. Wir müssen noch viel trainieren!“ von der Schwarzhaarigen und seufzte erleichtert aus.
 

Wenn es nicht an Reaven liegt, dann liegt es an mir… Ich bin echt das Letzte…
 

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Am Frühstückstisch hatte sich eine peinliche Stille gebildet. Reaven konnte sich nicht überwinden Angel anzusehen, da sie sie gestern Abend geküsst hatte, während Angel durch ihren Traum sich nicht einmal dazu durchringen konnte, der Jüngeren in die Augen zu schauen.
 

Schließlich wollte Angel diese seltsame Atmosphäre überbrücken und sagte erneut das erstbeste, das ihr einfiel.
 

„Sag mal Reaven… Wie ist dieser Trainingsort eigentlich entstanden? Weißt du etwas darüber?“, fragte sie und bemühte sich möglichst Augenkontakt zu vermeiden, indem sie auf ihren Teller schaute und in ihrem Frühstück herumstocherte.
 

Reaven fiel das auf und fragte sich, ob das Mädchen nicht doch etwas mitbekommen haben könnte. Doch schließlich entschied sie sich einfach die Frage zu beantworten und auf weiteres bange zu warten oder vielleicht sogar zu hoffen.
 

Die Wahrscheinlichkeit ist sowieso gering, aber man weiß ja nie: Die Hoffnung stirbt nicht ohne Grund zuletzt.
 

„Das ist ziemlich schwer zu beantworten. Zumindest teilweise, denn dieser Unterschlupf ist sehr alt und nicht alle Entdeckungsgeschichten wurden festgehalten. Deshalb kann keiner genau sagen, wer sie gebaut hat oder wie sie entstanden ist. Es gibt jedoch viele Vermuten, die auf den Fähigkeiten der Shinwa basieren.“
 

„Also Gerüchte?“, frage Angel interessiert und hatte vergessen den Augenkontakt unten zu halten. Dabei wurde sie leicht rot, als sie in Reavens grüne Augen schaute und widmete sich sofort wieder ihrem Frühstück.
 

„Ja, so kann man es nennen. Ein Gerücht über die Entdeckung des Trainingsortes ist, dass ein Junge mit der Fähigkeit durch Wände zu schauen diesen Ort entdeckt hat. Ein anderes besagt, ein Junge, der durch Gegenstände gehen kann, wäre hier ausversehen bei seinem eigenen Training gelandet. Es gibt noch mehr Vermutungen, aber die sind alle ein bisschen langatmig, deshalb erspar ich sie mir.“
 

„Aber nachdem man diesen Ort entdeckt hat, war er doch nur ein Hohlraum, oder?“
 

„Auch das stimmt. Nach seiner Entdeckung hat man es nach und nach aufgerüstet bis er so aussah wie jetzt.“
 

„Was ist mit den Lehrern? Ich meine, warum sind hier keine? Wissen sie eigentlich von dieser Anlage?“
 

Sobald sie die Frage gestellt hatte, bemerkte sie, was für eine dumme Frage das war.
 

Natürlich wissen die Lehrer davon. Schließlich wusste Rick auch davon., dachte Angel und ärgerte sich prompt über ihre Frage.
 

Reaven bemerkte, dass sich Angel für ihre Frage zu genieren schien und entschied sich vorsichtshalber nicht auf die Frage zu antworten. Die Stimmung war auch ohne ihre Antwort seltsam genug.
 

So viel zum Thema es gibt keine dumme Fragen…, seufzte Angel still in sich hinein.
 

~
 

Angels Haare wurden wie von einem Luftstrom nach oben geblasen. Ihre Flügel waren weit aufgespannt und unter ihren Füßen tat sich ein schwarzes Nichts auf. Ihre Augen waren tiefrot, schwarze Streifen zierten sich in regelmäßigen Abständen senkrecht um ihre Iris. Doch noch hatte sie die Kontrolle. Obwohl sich überall Schweißperlen auf ihrem Körper gebildet hatten und sie eindeutig erschöpft war, hatte sie noch die Kontrolle.
 

Schließlich brach die Simulation ab und Reaven kam aus dem Kontrollraum. Sie rannte zu Angel und umarmte sie herzlich. Freudestrahlend sah sie ihre Freundin an.
 

„Du hast es geschafft! Du hast es wirklich geschafft! Und das schon am zweiten Trainingstag!“, rief sie vor Begeisterung und konnte es gar nicht fassen.
 

Angel erwiderte die Umarmung ihrer Freundin und grinste vor Freude. Während des Trainings hatte es bei ihr „Klick“ gemacht und dann hatte sie es begriffen. Teilweise begriffen, wie sie das kontrollieren konnte. Jedoch machte ihr der Abgrund noch immer höllische Angst.
 

Sie fühlt sich warm und sanft an., dachte die Ältere und schmiegte sich ein bisschen an Reaven. Sie fühlte sich wunderbar geborgen bei ihr und wurde auch prompt ein bisschen schläfrig.
 

„Reaven… Ich bin ein bisschen müde…“, murmelte Angel gähnend in das Ohr des anderen Mädchens.
 

Dieser liefen nun mehr als nur ein paar kleine Schauer über den Rücken und sie hatte Mühe nicht zurückzuzucken.
 

„I-i-ich bring dich dann in dein Zimmer. Da kannst du erstmal schlafen und---“, weiter kam sie nicht, denn die Brünette war schon im Land der Träume und hatte sich so gegen Reaven gelehnt, dass diese sich nicht bewegen konnte ohne das Mädchen aufzuwecken. Doch versucht hatte sie es und hielt sie deshalb jetzt in einem Prinzessinnen-Griff in ihrem Schoß.
 

„Was mach ich nur mit dir?“, fragte sich das Mädchen und lächelte auf die friedlich schlafende Gestalt in ihren Armen.
 

Während sie Angle beobachtete, fragte sie sich, was sie ohne sie machen würde. Reavens Leben wäre nicht halb so aufregend und nicht halb so schön, wie es momentan war. Kaum konnte sie sich an die Zeit erinnern, wo die Geflügelte noch nicht da war. Tagein, Tagaus immer nur dasselbe. Lernen, trainieren, in Erinnerungen schwelgen, den wütenden Mädchenschwarm ausweichen, wenn sie sich mal mit Sven unterhielt. Also der ganz normale langweilige Kram.
 

Doch seit diese zierliche Gestalt, die in ihren Armen lag, aufgetaucht war, ging es ihr anders. Liebevoll beobachtete Reaven, wie sich der Brustkorb der Älteren hob und senkte. Wie ihre rechte Hand ruhig auf ihrem Bauch lag. Die Augen geschlossen, die Lippen leicht geöffnet.
 

Sie beugte ihren Kopf ein bisschen runter, dieses Mal gewillt, das schlafende Mädchen zu küssen und jegliche Bedenken zu verdrängen. Reavens rechter Arm umfasste Angels Schulter etwas fester. Ihre eigenen Haarsträhnen fielen ihr ins Gesicht und sie war kurz davor, dass sich ihre Lippen berührten…
 

„Mhm~“, gab Angel von sich und öffnete verschlafen die Augen.
 

Mist! Wie erklär ich ihr nur---
 

Doch bevor Reaven ihren Gedanken zu enden führen konnte, hatte sich Angel vorgebeugt und die letzten paar Zentimeter, die ihre Lippen noch trennten, überwunden. Sanft legte die Brünette ihre Lippen auf die der Schwarzhaarigen. Die Augen dabei geschlossen.
 

Dann lösten sich ihre Lippen und das Mädchen kuschelte sich wieder in die Arme der Jüngeren um weiter zu schlafen.
 

W-W-W-Was w-war das?!, dachte eine höchst panische Reaven mit hochrotem Gesicht.
 

„Ich hoffe ich störe nicht.“, sagte plötzlich eine altbekannte Stimme aus dem Hintergrund.
 

Oh bitte, nicht DAS auch noch.
 

„S-Sven… Was machst du denn hier?“, fragte sie und hoffte, dass man ihr die Röte nicht sonderlich ansah.
 

Als er ihren Blick bemerkte, grinste er sie bloß an und schaute verwirrt zwischen ihr und Angel hin und her.
 

„Ich suche euch schon eine halbe Ewigkeit… und hoffe wirklich euch nicht gestört zu haben.“
 

Bei der Aussage wurde Reaven noch ein paar Nuancen röter.
 

„W-Wie lange bist du schon da?!“, rief sie in einer hohen piepsigen Stimme, die Angel aus ihrem Traumland langsam herausholte, dass er dieses hoffentlich-nicht-stören gleich zweimal erwähnte, ließ sie erahnen, dass er schon etwas länger anwesend war.
 

„Nicht lange. Aber lang genug.“, meinte er mysteriös grinsend. Damit war das Thema für ihn erledigt.
 

„Reaven… Was ist los?“, murmelte Angel und wand sich aus Reavens griff, um zu sehen, wen diese anschaute.
 

„Oh. Hallo Sven…“ Eine kurze Stille machte sich breit bis Angel realisierte, dass sie eigentlich an einem „geheimen“ Trainingsort waren und hier trotzdem ein weiterer Schüler stand.
 

„Was machst du denn hier?!“, schrie sie nun überrascht.
 

„Hehe… Ich wurde hierhergeschickt. Rick möchte euch sprechen.“, sagte der Blondling noch immer grinsend sehr zu Angels Verwunderung.
 

Erst jetzt bemerkten die Mädchen, dass Sven vollkommen außer Atem war. Beide schauten sich gegenseitig an und dann wieder zu Sven.
 

„Also…? Was nun? Wir haben eigentlich noch 5 Tage bis wir wieder zurück müssen.“, meinte Reaven fragend an Sven gerichtet.
 

„Ihr kriegt ein paar Tage mehr. Draußen ist gerade Ebbe, also könnten wir uns bitte beeilen.“, meinte der Junge.
 

„Warum teleportieren wir uns nicht einfach hin?“
 

„Geht nicht. Ich musste das ganze Schulgelände nach euch beiden absuchen, bis ich euch gefunden hatte. Bin zu erschöpft um meine Kräfte richtig einzusetzen. Aber keine Sorge. Rick ist nicht weit von hier.“
 

„Wo ist er denn?“, fragte Angel neugierig. Sie hatte keine anderen Gebäude hier in der Nähe gesehen und dachte, dass sie ziemlich abgeschottet von allen anderen waren.
 

„Beim alten Trainingsgelände.“
 

Fragend sah Angel, Reaven und Sven an. Sie hatte keine Ahnung, wo dieser Ort sein sollte.
 

„Das ist wirklich nah. Wir sollten los! Wenn Rick, was von einem will, ist es meistens wichtig.“, sagte Reaven noch immer so verwirrt von dem Kuss, dass ihr nichts Seltsames an der plötzlichen Bitte des Schulleiters auffiel.
 

~
 

Draußen liefen die drei Jugendlichen an der Klippe entlang. Vorbei an dem Wald und dem See, der sich darin befand. Nachdem sie einen kleinen Hügel raufgeklettert waren, konnte man dahinter ein altes und großes Gebäude sehen.
 

So groß wie ein Fußballfeld von der vorderen Ansicht und unbeschreiblich hoch. Doch die Fassade sah wirklich alt aus. Ein bisschen wie ein Gespensterhaus, was so gar nicht zu der Umgebung passte, in der das Gebäude stand. Denn dort herum waren überall kleine Büsche mit verschiedenen Früchten und unglaublich viele Blumen von unterschiedlichster Art. Alles in allem sah es so aus, als hätte sich jemand einen Spaß erlaubt und das komplette Gegenteil von dem Gebäude mit der umliegenden Natur zum Ausdruck bringen wollen. Nach dem Motto: Das eine geht nicht ohne das Andere.
 

Sven fing an zu beschleunigen, als er hinten an dem vermuteten Eingang Rick stehen sah und das obwohl er noch ziemlich weit entfernt war.
 

„Sagt mal, Leute… Warum wird dieses alte Trainingsgebäude nicht mehr verwendet?“, fragte Angel und beschleunigte auch ihren Schritt um mit Sven und Reaven mithalten zu können.
 

„Ähm, das ist auch eine etwas längere Geschichte. Um sie kurz zu fassen: Der frühere Schulleiter hat die Schüler zur Bestrafung oder zum Training in Zellen gesperrt. Durch die vielen schlechten Erinnerungen und dadurch, dass es nicht möglich war die Zellen einzureißen, hat man ein neues Gebäude errichtet und das Alte einfach stehen lassen.“, erklärte Reaven und schaute stur geradeaus.
 

Habe ich etwas gemacht, dass sie verärgert hat?, fragte sich Angel im Stillen und fiel etwas hinter den anderen Beiden zurück.
 

Stumm starrte Angel auf den Boden, aber etwas störte sie. Nicht die Ungleichheit zwischen der Körpergröße Reavens und Svens. Der Junge war circa einen Kopf größer, mit blonden Haaren und braungebrannt, während Reaven mit ihren 1,65 m, den schwarzen Haaren und der hellen Haut sein komplettes Gegenteil darstellte.
 

Sie hatte ein mulmiges Gefühl im Bauch und schon alleine, dass sie so ein Gefühl hatte, war ihr unheimlich.
 

Etwas scheint falsch zu sein. Nur was?
 

Sie schaute von den Köpfen der Beiden weiter nach unten und dann fiel es ihr auf. Angels Magen verkrampfte sich und sie hätte beinahe nicht weiterlaufen können.
 

Sven! Das ist nicht normal! Er hat keinen Schatten!, dachte sie erschrocken. Das bedeutet… er… existiert nicht, oder?
 

Sie beobachtete ihn weiterhin und gleichzeitig verglich sie sein Gehverhalten mit Reavens. Diese hatte einen Schatten und musste andauernd kleinen Sträuchern und größeren Steinen ausweichen… Jedoch galt das nicht für Sven. Er berührte erst gar nicht den Boden, sondern schien ein paar Zentimeter drüber zu fliegen, außerdem glitt er durch die Sträucher einfach durch.
 

Ich muss es Reaven sagen… Aber wie mache ich das ohne das der falsche Sven davon etwas mitbekommt?, fragte sich Angel leicht panisch. Das Ganze roch stark nach einer Falle.
 

Wenn sie falsch reagierte, könnte Reaven vielleicht sogar verletzt werden. Schließlich gab es selbst an einer Schule nur für Shinwa auch Jugendliche die überreagierten und andere bedrängten, mobbten oder sogar mit Absicht verletzten. Dies könnte eine Falle von ihnen sein.
 

Angel beschleunigte ihren Schritt bis sie mit Sven und Reaven auf einer Höhe war. Dann griff sie nach Reavens Hand und tat so, als ob sie mit der Jüngeren nur Händchen halten wollte. Diese wurde prompt rot und sah Angel verwirrt an. Zu deutlich schwirrten ein paar Bilder in ihrem Kopf herum, die sie lieber ausblenden würde. Zumindest für den Moment.
 

„W-was ist?“, fragte sie leise, als die Ältere ihre Hand drückte und ihr direkt in die Augen schaute.
 

Dabei verlangsamte sie ihre Schritte und sorgte damit dafür, dass auch Reaven etwas hinter Sven zurückfiel.
 

„Hast du auch schon die kleinen Sträucher und echt nervigen Steine am Boden bemerkt?“, meinte sie beiläufig und zeigte mit ihrer freien Hand direkt auf Svens Füße.
 

„Ja. Das ist ziemlich nervig. Andauernd muss ich ausweichen oder darübersteigen und dir scheint es ja auch nicht anders zu ergehen, als mir.“, meinte die Jüngere und wendete ihren Blick endlich wieder nach unten, um den nächsten Steinen auszuweichen durch die Sven einfach hindurch streifte.
 

Nachdem sie das gesehen hatte, wurde sie blass und drückte Angels Hand mit mehr als nur ein bisschen Kraft. Dann starrte sie entgeistert in Angels Gesicht, die sie schon besorgt ansah. Sie rückte näher an Angel ran und flüsterte leise in ihr Ohr.
 

„Erschreck nicht zu deutlich.“ Ich werde von jetzt an telepathisch mit dir kommunizieren. So bekommt dieser jemand nichts mit, falls er oder sie, dass hören kann, was dieser Fake-Sven hören könnte. Was sollen wir machen?
 

Obwohl ihr gesagt worden war, nicht zu erschrecken, tat Angel genau das und zuckte zusammen. Die Stimme ihrer Freundin, von der sie erst vor Kurzem zum zweiten Mal geträumt hatte, direkt in ihrem Kopf zu hören, hatte etwas leicht Erschreckendes an sich.
 

Ich weiß nicht recht., antwortete Angel in Gedanken und hoffte, dass Reaven nichts von ihren anderen Gedanken mitkam. Ich habe ein ganz komisches Gefühl. Es stimmt ja offensichtlich etwas nicht, aber warum sollte man sich extra die Mühe machen uns von dem Sondertraining zu unterbrechen? Wir haben ja schließlich eine Woche vom Schulleiter zugesprochen bekommen.
 

Reaven nickte leicht und schaute weiterhin auf den Fake-Sven, sah jedoch auch kaum bemerkbar nach rechts und links und versuchte weitere Shinwa auszumachen.
 

Außerdem warum sollte man ein Hologramm, nur um uns aus dem Versteck zu holen, erschaffen? Es wäre doch viel einfacher uns einfach den echten Sven zu schicken und uns in das Hauptschulgebäude zu teleportieren. Damit würden wir auch weniger Trainingszeit verlieren., dachte das Mädchen weiter.
 

Wir sollten uns ein Ablenkungsmanöver überlegen und von hier schnellstmöglich verschwinden. Wahrscheinlich ist das nur ein Trick von den anderen Shinwa., grummelte Reaven und selbst durch die Gedankenübertragung, merkte Angel, wie sauer das Mädchen war.
 

Gute Idee. Aber was ist, wenn Rick dort hinten kein Hologramm ist? Wir können schlecht einfach abhauen, wenn unser Schulleiter uns wirklich hierhergerufen hat. Außerdem kann ich die anderen immer noch erschrecken und uns hier herausholen, indem ich einfach meine Flügel wieder hervorhole und uns damit zurück zum Trainingsort fliege.
 

Angel konnte ein zustimmendes Gemurmel in ihren Kopf hören und war wirklich froh, dass sie ihre Flügel, sobald sie Sven gesehen hatte, diese eingezogen hatte. Vielleicht war auf ihre Intuition doch mehr Verlass als erwartet.
 

Inzwischen waren sie keine 10 Meter mehr von Rick entfernt und da der Schulleiter auf einer der Bänke saß, war er schon einmal kein Hologramm. Die beiden Mädchen waren froh, nicht sofort abgehauen zu sein, als sie die Sache mit dem Hologramm rausgefunden hatten.
 

„Hallo Rick! Entschuldigen Sie die Frage, aber warum haben Sie uns hierher gerufen?“, rief Reaven Rick zu, während die Drei die letzten paar Meter zu ihm überbrückten.
 

Verblüfft sah Rick Reaven an, da er nicht damit gerechnet hatte, dass sie so forsch sein konnte und mit der Tür ins Haus fallen würde.
 

„Das beantworte ich gleich. Erst einmal wollte ich mich bei Sven bedanken. Du kannst jetzt gehen.“, sagte er an Sven gewandt. Der Junge ging sofort weg, als er die Worte gehört hatte. Hinter einem der Bäume löste er sich. Natürlich taten die Mädchen so, als ob sie nichts davon gesehen hätten.
 

Das schmerzhafte und mulmige Gefühl in Angels Bauch wurde noch stärker und eigentlich wollte sie nichts lieber machen, als von hier zu verschwinden. Doch der Schulleiter hatte so viel für sie getan. Sie wollte ihn nicht enttäuschen. Auch würde es ein schlechtes Licht auf Reaven werfen, die inzwischen Angels Hand wieder losgelassen hatte, womit der telepathische Kontakt zwischen den Beiden unterbrochen wurde.
 

„Und nun zu euch beiden. Ich habe euch hergerufen, um euch in einem der Räume in diesem Gebäude trainieren zu lassen. Hier kann wenig verwüstet und zerstört werden. Der „Geheimraum“ ist zu wertvoll, als dass man ihn in der Möglichkeit zerstört werden zu können, lassen kann.“
 

Nun wendete er seinen Blick von Angel zu Reaven und lächelte dankbar.
 

„Bei dir möchte ich mich besonders Bedanken. Ohne dich wäre Angel schon längst in einer Sondereinrichtung für Schwerkontrollierbare. Bitte hilf Angel auch weiterhin bei ihrem Training. Du bist momentan die Einzige, die sie einigermaßen unter Kontrolle halten kann.“
 

Nun ging er durch den Vordereingang und winkte den beiden zu, damit sie ihm folgten.
 

„Versucht euch den Weg zu merken und versucht nicht allzu viel Lärm zu machen. Es hallt hier ein bisschen.“
 

Die beiden Mädchen folgten Rick durch den Eingang und schauten gespannt auf den breiten Eingangsflur. Neben dem Eingang und direkt in der Mitte des Flures stand ein großes Schild: „Betreten verboten!“. Doch Rick schien das nicht zu interessieren, denn er ging einfach an dem Schild vorbei.
 

Angels Intuition schrie ihr förmlich zu: „Renn!“ und im Nachhinein wünschte sie sich immer wieder, dass sie es getan hätte. Reaven griff erneut nach Angels Hand und die Brünette bemerkte, wie ihre Hand etwas zitterte. Sofort schoss ihr ein anderes Bild von ihrem Traum in den Kopf in der Reaven wegen etwas vollkommen Anderem gezittert hatte.
 

Doch wie Reaven in der Nacht zuvor nicht gewusst hatte, dass Angel wach war, wusste Angel nun nicht, dass die Telepathie durch das Händchenhalten wieder hergestellt war. Auch bemerkte sie nicht, wie Reaven knallrot wurde und Angels Hand etwas stärker drückte als normalerweise.
 


 

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Danke für all die Kommentare und die Unterstützung. Das ist ne tolle Hilfe.

*Kekse mampf*^^

Die Intuition lügt nicht

„Warum hab ich nicht auf meine Intuition gehört!? Es war doch wohl klar, dass hier etwas nicht stimmt!“, schimpfte Angel vor sich hin.
 

Sie und Reaven befanden sich in einem großen Raum mit Wänden aus einer metallartigen Substanz. Beide Mädchen waren die Wände abgegangen und hatten nach einer weiteren Tür gesucht, oder ein Fenster, das hätte auch noch ausgereicht um aus diesem Ort rauszukommen. Aber nein.
 

So ein Mist! Heute ist einfach nicht mein Glückstag!
 

„Es tut mir Leid. Ich hätte das bemerken sollen.“, murrte Reaven schuldbewusst und seufzte dabei niedergeschlagen.
 

Doch statt darauf zu antworten, begutachtete Angel die tiefen Kratzer in der Wand und an der Tür, die mit einem guten Dutzend Schlössern abgeriegelt war. Wahrscheinlich um, was auch immer hier drinnen gehalten wurde, einzusperren. „Flucht unmöglich“ wurde damit signalisiert. Jedoch war Angel noch nie jemand gewesen, der sich schnell mit einer Niederlage zurechtfand.
 

Sie umschloss mit ihrer Hand eines der Schlösser und wollte versuchen es mit der anderen auszukriegen, doch sobald sie das Schloss berührt hatte, verlor sie all ihre Kraft. Taumelnd stolperte sie ein paar Schritte zurück. Sofort war Reaven bei ihr und schaute sie besorgt an. Das sorgte dafür, dass die Ältere noch mehr in Rage geriet.
 

„Hey! Schulleiter! Was ist das für ein seltsames Metall?! Und was sollen diese verfluchten Schlösser!?“, rief sie so laut sie konnte.
 

Vielleicht kriege ich auf diese Fragen ja mal eine Antwort. Schließlich hat er alle anderen ignoriert., dachte sie wütend und tatsächlich hörte man die tiefe Männerstimme von Rick.
 

„Die Schlösser sind zur Sicherheit da, damit kein Schüler oder in eurem Fall keine Schülerin auf dumme Gedanken kommt und bei einem Fluchtversuch jemanden verletzt. Das „seltsame Metall“ besteht aus reinem Diamant, das stärkste und robusteste Metall der Welt, aber nicht nur das es sehr robust ist, nein, es bändigt auch die Fähigkeiten von Shinwa. Trotzdem haben es ein paar Schüler geschafft diese schöne und teure Anlage zu zerkratzen. Ein weiterer Beweis wie notwendig dieser Ort ist.“, hörte man eine leicht genervte Stimme über den Lautsprecher in den Raum dröhnen.
 

„Das kannst du nicht mit uns machen! Wir haben Rechte und das verstößt eindeutig gegen alle!“, schrie Angel in einem wütenden Ton.
 

„Theoretisch habt ihr Rechte, doch praktisch interessiert es niemanden, ob sie hier durchgesetzt und angenommen werden oder nicht.“
 

Nun erhob auch Reaven ihre Stimme.
 

„Warum machst du das? Wir haben noch genug Zeit, damit Angel ihre Fähigkeiten zu kontrollieren! Sie kann es schaffen!“, schrie sie die Tür an.
 

Kurz erfüllte ein Schweigen den Raum, dann hörte man wie durch die Lautsprecher ein lautes Seufzen kam.
 

„Ja, das wäre möglich. Doch der Schulrat lässt sich nicht überzeugen und damit ist es beschlossen. Angel wird in nächster Zeit von hier abgeholt werden, doch damit es keiner Einzelhaft ähnelt, habe ich durchsetzen können, dass du an ihrer Seite bleiben darfst. Doch nur bis sie abgeholt werden! Danach geht für dich der normale Schulunterricht weiter. Also bleibt solange ruhig und besonnen.“
 

Tatsächlich klang Rick ein bisschen deprimiert, doch nicht annähernd so einfühlsam, wie Angel es erwartet hatte. Selbst Reaven wirkte negativ überrascht. Sie schaute vollkommen verblüfft Angel an und als sie realisierte, was der Schulleiter, ein Mann dem sie ihr Leben anvertraut hätte, gesagt hatte, rannen Tränen über ihr Gesicht. Vollkommen reglos stand sie da und schien ihre eigenen Tränen gar nicht zu bemerken. Im Gegensatz zu Angel, die sie sofort in den Arm nahm.
 

„Es wird alles wieder gut. Ich versprech es dir.“, sagte die Ältere und strich der Schwarzhaarigen sanft über den Rücken. Dabei flüsterte sie immer wieder beruhigende Worte und hoffte, so die Jüngere beruhigen zu können.
 

Noch einmal ertönte der Lautsprecher, doch es war kaum mehr als ein Flüstern.
 

„Es tut mir Leid. Doch du bleibst eine Gefahr für uns, Angel.“
 

Damit schalteten sich die Lautsprecher endgültig ab.
 

~
 

„Hast du dich wieder beruhigt?“, fragte Angel besorgt die noch immer schniefende Reaven in ihren Armen.
 

Inzwischen waren die Tränen der Jüngeren versiegt und sie sah ihre Freundin mit verquollenen Augen an.
 

„Es tut mir so leid. Wir hätten nicht hierher kommen dürfen. Das ist alles meine Schuld. Ich hätte reagieren sollen, als wir das Hologramm entdeckt haben.“, sagte das Mädchen.
 

„Nein, das ist es nicht.“, sagte die Brünette bestimmt, während ein Lächeln ihre Lippen umspielte, welches jedoch nicht bis zu ihren Augen hinauf reichte.
 

„Du kannst schließlich nichts dafür, dass ich so gefährlich bin. Das ist allein meine Schuld, aber mach dir keine Sorgen. In ein paar Tagen kommst du hier wieder raus und dann bist du mich auch los. Dann kannst du wieder ganz du selbst sein ohne dich um jemanden wie mich kümmern zu müssen.“
 

In Reavens Augen bildeten sich neue Tränen. Sie hatte die Ältere nie als Belastung empfunden und in ihrer Gegenwart war sie mehr sie selbst, als in der Umgebung von allen anderen. Reaven wollte einfach nicht akzeptieren, was Angel da für einen Unsinn von sich gab von wegen Angel wäre „gefährlich“. Sie war eindeutig keine Gefahr und sie wollte unbedingt noch mehr Zeit mit ihr verbringen. Sie wollte nicht von ihr getrennt werden und doch wollte sie ihr auch keine Belastung für Angel werden, indem sie nur an ihre eigenen Gefühle dachte und Angels ignorierte.
 

„Angel… Willst du mich etwa loswerden? Hasst du mich so sehr, dass du lieber in Sonderhaft gehst, als mit mir Zeit zu verbringen?“, fragte sie verstört.
 

„Nein! Natürlich nicht! Ich möchte so gerne noch mehr Zeit mit dir verbringen und noch mehr Dinge mit dir erleben, aber ich KANN dich nicht in Schwierigkeiten bringen. Das kann und werde ich nicht verantworten.“, meinte Angel aufgebracht.
 

„Du suchst nur einen einfachen Weg! Aber es gibt keinen einfachen Weg! Du kannst nicht vor dem, was hier passiert fliehen und dich einsperren lassen!“, schrie Reaven aufgebracht.
 

„Du verstehst das falsch, Reaven. Ich suche nicht den einfachen Weg! Ich suche den Weg, der dir am wenigsten schadet! Ein Weg der dich nicht in Gefahr bringt! Nicht wegen mir! Nicht wegen dem was ich bin!“, schrie nun auch Angel erzürnt die andere an.
 

Warum versteht sie mich nicht?! Ich will doch nur, dass ihr nichts passiert!
 

„Was bist du denn?! Du bist genauso wie ich!“, konterte Reaven und stellte sich ganz dicht vor Angel. „Du bist eine Shinwa! Eine besondere! Du gehörst zur Elite! Wie ich!“
 

Dann griff sie nach Angels Jackenkragen und zwang das etwas größere Mädchen ihr direkt in die Augen zu schauen. Sie sagte nichts mehr und ließ all die Gefühle, die sie gerade fühlte, durch ihren Blick auf die andere einwirken.
 

Hoffentlich funktioniert es., dachte Reaven.
 

Tatsächlich schien sich Angel etwas zu beruhigen. Doch sie war stur und in ihren Augen spiegelte sich genau diese Sturheit wieder. Sie würde Reaven nicht in Gefahr bringen. Dieser Entschluss stand fest.
 

Das gibt es doch nicht! Wie kann man nur so stur sein?!, dachte Reaven fast außer sich vor unterdrückter Wut.
 

„Mir reicht’s! Wir müssen hier raus! Sven! Sven! Wo um Himmels Willen bist du?! Komm SOFORT hierher!“, schrie sie wütend.
 

„Ach. Also ist es so.“, meinte Angel nüchtern. „Du möchtest also doch nicht Zeit mit mir verbringen.“
 

Genervt drehte sich Reaven um. „Wie kommst du denn bloß darauf?“
 

Doch sobald sie das gesagt hatte, bemerkte sie Angels Blick und ihr war schlagartig bewusst, dass sie die falsche Tonlage verwendet hatte.
 

Sie hat es falsch verstanden.
 

„Ich meinte, dass nicht-“, doch wurde sie von Angel unterbrochen. „Ich schau mal nach, ob es oben einen Ausweg gibt. Vielleicht ist dort sowas wie eine Dachklappe.“
 

Schon zeigten sich die Flügel der Älteren, die niedergeschlagen an ihren Schultern hingen. Eigentlich hatte Reaven nichts Schlimmes gesagt und doch war sie verletzt.
 

„Wie kommst du denn bloß auf diesen Schwachsinn? Ich habe jetzt keine Zeit und keine Lust mehr auf dich.“ Genau so hatte es sich für die Ältere angehört und diese Worte wiederholten sich nun in einer Endlosschleife in ihrem Kopf.
 

Sie schüttelte den Kopf und versuchte sie somit aus diesem zu vertreiben. Entschlossen streckte sie ihre Flügel.
 

Ich werde hier einen Weg rausfinden!
 

„Angel, warte!“, rief Reaven ihr zu, doch Angel war schon in der Luft und flog unvorsichtig in Richtung des Daches, das mindestens 200 Meter über vom Boden entfernt war. In der Luft konnte Angel, wenn sie wollte, vergessen wer sie war und wo sie war. Das hatte sie während des Trainings herausgefunden und manchmal, selten, aber doch vorhanden, fühlte sie sich glücklich. Fast so glücklich, wie wenn sie mit Reaven zusammen war. Es hielt nur für einen kurzen Augenblick, aber wenn sie an dieses Glück dachte, konnte sie sich beherrschen. Jedoch war es schwer, weil jede Kleinigkeit die Verbindung, die sie mit der Luft teilte, unterbrechen konnte.
 

So flog Angel schnell nach oben und schaute sich die obere Decke an und tatsächlich konnte sie ein Viereck in dem Dach erkennen, das sogar einen Henkel zum Öffnen an sich hatte. Erfreut flog sie näher heran.
 

Vielleicht kann ich doch noch von hier fliehen und Reaven mitnehmen. Nein! Reaven kommt nicht mit mir mit! Ich bring sie hier raus und dann verschwinde ich von hier… Allein…, dachte Angel und musste gegen ihre inneren Gefühle ankämpfen.
 

Dadurch bemerkte sie Reavens Rufe nicht und auch das schlechte Bauchgefühl überhörte sie durch ihre Gedanken. Schlussendlich erreichte sie doch das Dach und als sie ihre Hand nach dem Henkel ausstreckte, passierte es.
 

„Arghhh!“
 

Ein Stromschlag fuhr durch ihren gesamten Körper. Ihre Flügel falteten sich zusammen, verschwanden aber nicht in ihrem Rücken. Sofort verlor sie das Bewusstsein und fiel hinunter.
 

Reaven reagierte sofort. Sie hatte es schon vermutet. Es wäre leichtsinnig gewesen, die Türen aus Diamant anzufertigen und das Dach ungeschützt zu lassen.
 

„ANGEL!“, rief sie ihr entgegen, streckte die Arme nach oben und setzte ihre Fähigkeiten ein, um das bewusstlose Mädchen aufzufangen.
 

Tatsächlich gelang es ihr den Sturz zu stoppen und Angel in ihren Armen zu tragen. Jedoch gestaltete sich das als schwieriger als erwartet, denn ihre Flügel verhinderten eine gute Halteposition.
 

Trotzdem versuchte Reaven ihr bestes um sie nicht fallenzulassen und legte sie unter großen Anstrengungen, denn auf einmal wog die Geflügelte auch mehr, auf die naheliegenden Matratzen.
 

„Angel! Wach auf! Angel!“, rief sie ihr zu und gab ihr ein paar sanfte Klapse auf die Wangen.
 

„Es tut mir leid! Ich hab das vorhin nicht so gemeint! Ich möchte mehr Zeit mit dir verbringen! Ich habe nicht die Nase voll von dir! Bitte wach wieder auf!“
 

Noch immer reagierte die Brünette nicht und lag reglos auf der Matratze. Inzwischen liefen Reaven die Tränen über die Wangen. Sie hatte aufgehört dem Mädchen Klapse zu geben und auch aufgehört sie zu schütteln.
 

„Bitte… Wach auf… Ich mach auch alles was du willst…“, sagte das Mädchen mit tränenerstickter Stimme.
 

Als Angel wieder nicht reagierte, dachte sie an all die alten Märchen und Geschichten, die sie immer wieder gehört hatte oder selber den jüngeren Kindern vorgelesen hatte und tat das einzige, was ihr einfiel.
 

Sie beugte sich vor, strich Angel ein paar Haarsträhnen aus dem Gesicht und hoffte inständig, dass das funktionieren würde. Dann beugte sie sich vor und küsste dem Mädchen auf die Lippen. Dabei hatte sie die Augen geschlossen und riss sie erschrocken wieder auf, als sie zwei warme Hände auf ihrem Gesicht spürte, die sie sanft festhielten und genauso sanft und zögerlich den Kuss erwiderten. Reaven wurde von diesem Kuss in den Bann gezogen und schloss ihre Augen wieder. Als ob der Moment jede Sekunde wieder zerbrechen könnte, küssten sich die beiden Mädchen vorsichtig weiter, bis Reaven keine Luft mehr bekam und ihn unterbrechen musste.
 

Verlegen schaute Reaven das andere Mädchen an, welche die Augen noch immer geschlossen hatte und auf dessen Gesicht eine leichte Röte zu sehen war. Dann öffnete sie die Augen doch und sah Reaven leicht beschämt an.
 

„Tut mir leid.“, nuschelte sie leise und konnte kaum den Blickkontakt halten.
 

Auch Reaven konnte ihn nicht halten und murmelte ihrerseits eine Entschuldigung. Dann sahen sich die beiden Mädchen doch an und fingen an zu lachen. Es war ein herzliches Lachen und all die Anspannungen, die unbewusst zwischen ihnen entstanden war, weil sie ihre Gefühle verdrängt hatten, lösten sich auf.
 

„Ich hätte es dir schon früher sagen sollen.“, meinte Angel unter Lachen, wurde aber sofort wieder ernst, denn das wie sie gleich sagen wollte, war wichtig und sollte nicht als Scherz abgetan werden.
 

Auch Reaven bemerkte die ernsthafte Stimmung und sah Angel an und wartete ab, was das Mädchen zu sagen.
 

„Reaven… Ich… ähm…“, fing sie an zu stottern auf der Suche nach den richtigen Worten.
 

„Reaven. Ich liebe dich und zwar nicht auf die Weise, wie es unter Freundinnen ist. Ich liebe dich auf eine romantische Art.“, meinte sie und wartete gebannt auf Reavens Reaktion.
 

Diese grinste ihren Gegenüber an und freute sich extrem über Angels Aussage auch wenn sie nicht damit gerechnet hatte, dass das Mädchen sich so klar ausdrücken konnte. Sie erschien ihr immer etwas zurückhaltender und doch war sie nun ziemlich direkt.
 

„Ich liebe dich auch.“, murmelte sie als Antwort und schaute kurz auf den Boden nur um danach sofort wieder in Angels Augen zu schauen.
 

„Und das schon ziemlich lange. Seit du angekommen bist. Es war vielleicht nicht Liebe auf den ersten Blick, aber da warst du ja auch noch bewusstlos.“, meinte sie in einem Scherz.
 

„Ich werde an deiner Seite bleiben und mit dir zusammen hier rauskommen. Keine Widerrede!“, sagte sie bestimmt, als Angel wieder einen Ansatz machte zu wiedersprechen.
 

Doch dann besann sie sich, nickte freudig und küsste ihre Freundin sanft auf die Stirn. Plötzlich zuckte sie zusammen und verzog schmerzhaft das Gesicht.
 

„Geht es dir nicht gut?!“, fragte Reaven besorgt und schaute die Geflügelte an.
 

„Ich fühl mich so, als ob ich gegrillt wurde. Außerdem riecht es hier nicht auch verbrannt?“, fragte sie.
 

„Oh mein Gott! Ich hab dich versucht zu warnen! Das Dach war elektrisch gesichert! Als du es versuchst hast anzufassen, hat dich ein Stromschlag erwischt. Ich konnte dich noch auffangen, aber trotzdem hast du wahrscheinlich Verbrennungen.“
 

Betroffen schwieg Angel. Sie hatte Reaven also wieder Sorgen bereitet und sich in etwas reingeritten, weil sie nicht auf sie gehört hatte.
 

Immerhin kann ich mich doch auf meine Intuition verlassen…, dachte Angel.
 

„Zieh dich aus!“, urplötzlich kam dieser Satz aus Reavens Mund.
 

Erschrocken sah Angel die Jüngere an.
 

„Meinst du nicht, dass das etwas zu schnell geht? Ich meine, ich liebe dich, aber… sollten wir die Sache nicht langsam angehen.“
 

Darauf bin ich NICHT vorbereitet! Ahhh, was mach ich jetzt?!
 

„Du Dummkopf! Ich will dir nicht an die Wäsche gehen! Ich will mir anschauen, ob du irgendwo verletzt bist!“, rief sie aufgebracht und mit hochroten Gesicht.
 

Erst jetzt fiel ihr die Zweideutigkeit ihrer Worte auf und durch das vorherige Geständnis machte es die andere Bedeutung nur wahrscheinlicher. Sofort schweiften ihre Gedanken in diese Richtung ab und von Reavens eigener Vorstellung wurde sie nur noch röter.
 

„Reaven… Geht’s dir gut? Du bist so rot wie eine Tomate.“
 

„Natürlich geht’s mir gut. Zeigst du mir nun bitte, ob du Verbrennungen hast, oder nicht?“
 

Zögernd nickte Angel und versuchte sich die Klamotten auszuziehen, was sich aufgrund der Flügel als schwieriger gestaltete als erwartet und sich durch die zusätzlichen Schmerzen auch nicht als einfacher gestaltete. Reaven half ihr dabei und nach ein paar Minuten lagen Angels Klamotten neben der Matratze.
 

Mit besorgtem Blick sah sich Reaven die Haut von Angel an und war nicht sehr erstaunt, als sie die geröteten Stellen überall an ihrem Körper sah. Sie ging zum Erste-Hilfe-Kasten und holte ein paar Kompressen aus dem Kasten, die sie vorsichtig um die leicht gereizten Stellen um Angels Körper wickelte. Die wurde jetzt allerdings genauso rot wie ihre Verbrennungen und war peinlich darauf bedacht sich zumindest zu Teilen zu bedecken.
 

Hab dich nicht so! Dir war es doch am See auch egal, ob sie dich nackt gesehen hat! Oh Gott! Ich hab mich nackt über sie gebeugt!!! Wie konnte ich das nur machen?!
 

„Arme heben.“, sagte Reaven leise aber bestimmt. Die war inzwischen bei der letzten leicht verbrannten Stelle angekommen. Die Beine, Arme und den Hals hatte sie schon verbunden.
 

„Du wurdest echt gut durchgeröstet.“, meinte sie mehr zu sich selbst, als zu der Verwundeten.
 

Während sie das sagte, wickelte sie einen Verband über die Stelle an Angels Rücken, wo ihre Flügel mit dem Rücken verschmolzen. Leicht strich sie genau an dieser Stelle lang und bemerkte sofort die Gänsehaut, die sich bei Angel bildete. Dann kicherte sie und umarmte das Mädchen von hinten.
 

„Du musst besser auf dich aufpassen…“, flüsterte sie der Geflügelten ins Ohr und beobachtete wie sich die Gänsehaut weiter ausbreitete.
 

„Mhhmm…“, gab die andere nur von sich, darauf bedacht mich mehr als nötig zu sagen, denn dafür genoss sie die Umarmung viel zu sehr.
 

„Vielleicht sollten wir jetzt lieber schlafen gehen… Morgen wird ein wieder ein langer Tag. Schließlich wollen wir hier rauskommen.“, murmelte Reaven weiter, während sie die Umarmung mit Angel, so sehr es ihr auch wiederstrebte, löste.
 

Dann legte sie sich auch auf die Matratze, nachdem sie die Verpackungen des Erste-Hilfe-Kastens runtergeräumt hatte. Angel die zustimmend genickt hatte, hatte sich inzwischen wieder so weit angezogen, dass sie nicht mehr ganz und gar entblößt war und rutschte näher an die schon liegende Reaven ran. Dann legte sie einen Arm um deren Oberkörper, legte einen ihrer Flügel über die beiden und kuschelte sich so weit wie möglich an das andere Mädchen. Reaven lächelte glücklich und rutschte auch so nah wie nur möglich an Angel ran und umarmte das Mädchen.
 

Die beiden Mädchen schliefen Arm in Arm ein. Nichtahnend, dass diese noch relativ friedliche Zeit bald beendet wäre und ihr Leben sich schon in kurzer Zeit sehr drastisch ändern würde.
 

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Hallo, tut mir leid, dass es so extrem lange gedauert hat. Aber naja, was soll ich sagen, hoffe es gefällt euch ein bisschen. Dafür das es so lange gedauert hat, ist die Story etwas vorrangegangen :D

Wie immer sind Kritik und andere Kommentare heiß begehrt=)

Feuer und ausgetrickste Alarme

„Ahh.“ Reaven stöhnte kurz auf und wurde zeitgleich durch eine seltsame und seltene Hitze in ihrem Körper aufgewacht, die sich von ihrer Körpermitte ausbreitete.
 

Was ist los? , fragte sie sich selbst und musste ein erneutes Aufstöhnen unterdrücken. Langsam öffnete sie die Augen und schaute auf ihre Freundin, die ruhig und sanft neben ihr zu liegen schien. Abgesehen davon, dass Angels Hand genau auf Reavens Brust lag und sie diese zwischendurch immer wieder leicht drückte. „Ahh. A-Angel. Wach auf.“, bemühte sich das Mädchen hervorzubringen ohne dabei noch mehr von „diesen“ Tönen von sich zu geben, was ihr offensichtlich misslang.
 

Verschlafen öffnete Angel tatsächlich nach dieser sanften Ansprache die Augen und schaute ihrem Gegenüber in die leicht zusammengekniffenen Augen. „Reaven? Was ist los?“, fragte sie und drückte unabsichtlich noch einmal zu, worauf natürlich sofort eine Gegenreaktion von Reaven kam. „Ni-nimm bitte deine Hand da weg.“, brachte sie hervor und wurde hochrot als sie das sagte. Jetzt sah auch Angel runter und bemerkte, wo ihre Hand eigentlich lag. Die Geflügelte wurde genauso rot wie Reaven und sprang sofort rückwärts von ihr weg, wobei sie aus dem Bett fiel und unsanft auf dem Hintern landete.
 

„Autsch.“ Wieder sah sie die andere an und wurde noch röter als sie den Gesichtsausdruck der Telepathin genauer sehen konnte. Gerötete Wangen, Lippen leicht geöffnet, Haare ein wenig zerzaust und bemüht sich selbst unter der Bettdecke zu verstecken.
 

Es sollte verboten sein so auszusehen. , meinte Angel zu sich selbst und bemühte sich ihre Gedanken unter Kontrolle zu halten, als sie weiter in eine Richtung abschweiften, die für ihren Geschmack in einer Beziehung erst später erreicht werden sollten.
 

Sofort viel ihr wieder ein, wer der eigentlich Grund war, weshalb Reaven so aussah, wie sie aussah und Angel begann sich sofort wie wild zu entschuldigen. Doch Reaven winkte die Entschuldigungen nur ab.
 

„Nicht so schlimm und guten Morgen.“, sagte sie und beugte sich runter um, dem neben dem Bett sitzenden, Mädchen einen Kuss zu geben. Etwas verlegen begann sie zu kichern und begann sich fertig zu machen.
 

In dem Komplex gab es mehr als genug, um für ein paar Monate zu überleben ohne jemals direkt herauskommen zu können. Dafür war es ja schließlich auch gebaut worden. Leider bedeutet es auch, dass es sichtlich schwer werden würde von dort auszubrechen.
 

Nachdem sich beide Mädchen wieder gefangen und gefrühstückt hatten, begannen sie zu diskutieren, was sie nun machen sollten. Beide hatten nicht die geringste Ahnung, wie sie heil von ihr herauskommen sollten ohne sich selbst an dem Dach zu rösten oder einen Kampf mit dem Schulleiter anzufangen zu müssen. Beides schien keine besonders gute Lösung darzustellen. Ergeben seufzte Angel.
 

„Vielleicht sollten wir hier einfach warten bis es vorbei ist. Ich meine wie schlimm kann es schon werden wieder gefangen zu sein. Einmal hab ich es schließlich schon hinter mich gebracht und schlimmer als das wird es schon nicht.“, meinte sie in einem Anflug von Niedergeschlagenheit.
 

Reavens Blick wurde sofort düster, als sie das hörte. „Wenn du die Chance hättest, würdest du zurückgehen?“, fragte sie vorsichtig. Zum einen wollte sie die Antwort hören und zum anderen wollte sie es wiederum nicht. Was wenn es eine Antwort war, die ihr nicht gefiel. Was wenn sie wirklich wieder nach Hause wollte und nicht konnte, wegen dem was sie war. Plötzlich spürte Reaven einen Stich in ihrer Brust.
 

Aber immerhin hat sie eine Familie zu der sie zurückkehren kann… Nein! Was denke ich da?! Das ist das Letzte!
 

Angel hatte die Frage allerdings noch gar nicht wirklich begriffen. Fragend sah sie ihre inzwischen feste Freundin an. „Wohin zurückgehen?“
 

Reaven sah sie verblüfft an. „Na in dein altes Leben. Zu deiner Familie.“
 

Ein paar Sekunden später, nachdem das Mädchen die Frage verarbeitet hatte, begann sie langsam zu antworten. Irgendwie schien die Frage für Reaven sehr wichtig zu sein, also wollte sie nicht falsches sagen. Zwar die Wahrheit, aber wenn man diese falsch formulierte, konnte man genauso gut Lügen.
 

„Ich fühle mich hier sehr viel wohler, als es mich jemals Zuhause gefühlt habe. Sehr viel Freier, trotz unseres jetzigen Zustandes. Außerdem habe ich hier richtige Freunde, die mich akzeptieren, wie ich bin. Zuhause hatte ich auch Freunde, doch da ich ihnen nie zeigen konnte, was ich eigentlich bin, habe ich mich immer etwas von ihnen distanziert. Außerdem…“
 

Angel zögerte einen kurzen Moment bevor sie weitersprach. „Außerdem möchte ich hier bleiben. Ich meine, natürlich vermisse ich meine kleine Schwester. Aber ich möchte hier bleiben, weil… weil…ich bei…“ Der Rest ging in einem Nuscheln unter.

„Was hast du gesagt?“, fragte Reaven, die kein Wort von dem Verstanden hatte, was die Ältere gerade gesagt hatte.

„Weil ich bei…“ Wieder nuschelte das Mädchen immer leiser werdend und dafür proportional röter werdend.

„Hör doch endlich auf zu nuscheln. Ich versteh kein Wort von dem, was du da eigentlich sagst.

Angel holte einmal kurz tief Luft und sagte es dann lauter, als sie ursprünglich beabsichtigt hatte. „… weil ich bei dir sein möchte!“, sagte sie mit Nachdruck bevor sie verlegen auf ihre Schuhspitzen schaute und inzwischen so Rot war wie ein Radischen.
 

Die Jüngere war ein bisschen überrumpelt von diesem plötzlichen Ausbruch, doch nach ein paar Sekunden stahl sich ein breites Grinsen in ihr Gesicht. Selbst, wenn sie diese Aussage, wie auch immer es möglich sein sollte, total missverstanden hatte, machte ihr Herz Riesensprünge.
 

Voller Freude griff sie nach Angel und hielt sie in einer festen Umarmung. „Ich möchte auch bei dir sein.“, murmelte sie der Älteren ins Ohr und wollte sie eigentlich nicht loslassen.
 

Doch dann bemerkte sie etwas an der Tür, durch die sie gekommen waren und eine Idee bahnte sich seinen Weg durch ihre Gedanken. Währenddessen war Angel in die Umarmung vertieft und legte ihre Hände auf die Hüften ihrer Partnerin.
 

Ich hab richtig geantwortet! Yeah! Ich wusste ich kann das! Nicht gelogen und die richtige Wortwahl. , freute sie sich selbst über ihre gelungene Antwort.
 

Plötzlich befreite sich Reaven aus der Umarmung und ging zu der Tür. Verblüfft sah Angel ihr nach. Hab ich doch etwas falsch gemacht?
 

„Ähm. Reaven. Die Tür öffnet sich nicht von alleine. Sie ist abgeschlossen und von innen sind keine Schlösser um sie aufzubrechen.“, meinte sie unentschlossen über das was die Telepathin eigentlich vorhatte.
 

Zustimmendes Gemurmel kam von dieser und als sie sich umdrehte, konnte Angel ein Grinsen erkennen, dass über ihr gesamtes Gesicht ging. „Ich weiß, wie wir hier rauskommen.“, verkündete sie mit einem stolzen Gesichtsausdruck.
 

~
 

„Vorbereitung abgeschlossen.“, sagte Angel in einem leicht besorgten Tonfall. Ich hoffe der Plan funktioniert. Ich hab keine Lust auf dem Boden zu schlafen.
 

Die Flügel des Mädchens waren sichtbar und sie stand vor dem Bett, in dem die beiden Partnerinnen noch ein paar Stunden zuvor friedlich geschlafen hatten.
 

„Bist du sicher, dass es funktionieren wird?“, fragte sie noch immer verunsichert in Richtung der Tür vor der Reaven stand.
 

„Keine Ahnung. Aber einen Versuch ist es wert, oder nicht?“, meinte diese und grinste noch immer vor sich hin. „Na, wenn du meinst.“, war die einzige Antwort, die sie bekam.
 

Reaven hatte Angel zwar genau erklärt, was sie vorhatte, aber es schien unwirklich, dass so eine schlichte Lösung wirklich funktionieren würde. Die Geflügelte sollte mit ihrem Fähigkeiten den Wind zu kontrollieren, die sie eigentlich erst vor ein paar Tagen bemerkt hatte, das Bett anheben und an das Dach schleudern, damit der Alarm anging und das Bett röstete. Zur selben Zeit wollte Reaven mit ihrer Fähigkeit versuchen die Schlösser in der Tür zu öffnen. Sie hoffte, dass wenn man einen Alarm in vollen Betrieb hatte, der andere vernachlässigt wurde, weil er nicht genug Strom bekommen würde. Zumindest war es das, was sie Angel erklärt hatte. Nur mit ihren Fähigkeiten funktionierte es nicht, denn selbst das Schloss hatte einen Alarm und sobald man versuchte die Schlösser mit Fähigkeiten zu öffnen, wurde man von einem gewaltigen Wasserstrahl über Tür zurückgeschleudert. Das hatten die triefenden Mädchen ziemlich schnell herausgefunden, nachdem Reaven es ohne Ablenkungsmanöver versucht hatte.
 

„Bereit?“, kam es von genau dieser Person, die dafür verantwortlich war, dass Angel das Wasser aus Kleidungsstücken und den Haaren ran, sogar auf ihrer Haut hatte sich eine beachtliche Summe von Wasser angesammelt und tropfte langsam zu Boden.
 

„Immer doch.“, rief das Mädchen zurück, obwohl sie sich sicher war, nicht bereit zu sein. Nicht ein Stück. Trotzdem tat sie ihr bestes. Sie schloss die Augen und als sie sie wieder öffnete, war ihre Augenfarbe verändert. Rot. Streifen. Aber nichts Schlimmeres. Keine purpurfarbenen Augen, kein geistiges Abschalten. Soweit so gut. Jetzt kommt der schwierige Teil. Konzentrier dich. Hab keine Angst. , redete sich Angel gedanklich gut zu. Dann fing das Bett leicht an zu zittern, bevor es erst kaum merklich vom Boden abhob und dann immer höher in Richtung des Daches zusteuerte, wie von Geisterhand gesteuert.
 

Anerkennend staunte Reaven über die Fortschritte, die ihre Freundin machte. Es ging immer weiter und weiter. Sie würde mit Sicherheit keine Schwierigkeiten machen, wenn man ihr ein wenig mehr Zeit lassen würde und sie noch einmal unter Beweis stellen lassen würde, wie gut sie inzwischen mit ihren Fähigkeiten umgehen konnte. Diese alten Säcke sind einfach nur stur. Nie können sie ihre Meinung ändern. Solche Dummköpfe!
 

Das Bett war inzwischen nur noch ein paar Meter von dem Dach und dem damit verbundenen Alarm entfernt und Reaven fing an sich selber bereit zu haben. Sie holte nur einmal tief Luft und spitze ihre Ohren. Sobald sie das ekelhaft summende Geräusch von Stromschlägen hören würde, würde sie sofort ihre Fähigkeiten an der Tür einsetzen und sie öffnen. Sie musste nicht lange warten.
 

„Bzzzt“ Jetzt! Augenblicklich setzte sie ihre Fähigkeiten ein und tatsächlich schaffte sie es die Schlösser nacheinander zu öffnen. Während sie dies tat, bemerkte sie einen stechenden Geruch in der Nase und dachte sich schon, was passiert war. Doch sie wollte ihre Konzentration nicht schweifen lassen und öffnete weiter die Schlösser in der Tür. „Klick. Klick.“ Zwei weniger. Noch drei übrig. Der stechende Geruch wurde stärker. „Klick.“ Noch zwei weitere. Inzwischen musste sie ein Husten unterdrücken, denn es hatte sich Qualm gebildet, der ihre Augen zum Tränen brachte und in ihrem Rachen kratzte. Schneller… Schneller! „Klick“ Nur noch eins! Nur noch ein bisschen! „Klick.“
 

Erleichtert öffnete Reaven die Tür und hielt sie für Angel offen. Diese hatte die Augen geschlossen und die Arme zur Decke ausgestreckt, als ob sie versuchte etwas aufzufangen. Ein unsichtbares Gewicht, das niemand außer ihr sehen und spüren konnte. Um sie herum war ein Meer aus Flammen. Das Bett an der Decke hatte Feuer gefangen und einzelne Holzteile waren heruntergefallen und hatten andere Dinge im Raum angezündet. Doch obwohl Angel von Flammen, Rauch und herunterfallenden Teilen des Bettes umgeben war, rührte sie sich nicht vom Fleck. Jetzt bemerkte Reaven auch das Blut, welches an den Flügeln und den Armen der Geflügelten herunterlief. Teile ihrer Flügel schienen angebrannt zu sein.
 

Erschrocken rief Reaven nach ihrer Freundin. „Angel! ANGEL! Beeil dich! Die Tür ist offen!“ Sie konnte nicht zu ihr, sonst würde die Tür wieder zufallen. Erneut schrie sie den Namen der Geflügelten und hoffte sie würde aus ihrer Trance aufwachen.
 

Das Mädchen kam tatsächlich langsam zur Besinnung, jedoch nicht schnell genug, denn ein großer Teil des Bettes hatte sich durch den Brand abgelöst und fiel nun direkt auf sie zu.
 

„ANNNNNGELLLL!!!!“
 

Nun war Angel komplett aus der Trance aufgewacht und sprang mit einem unterstützenden Flügelschlag in Richtung der Tür, schnappte sich dabei auch gleich Reaven und gemeinsam polterten sie durch die Tür, die sich direkt hinter ihnen wieder schloss und das inzwischen entstandene Flammenmeer aussperrte.
 

„Sorry. Geht es dir gut, Reaven?“, keuchte Angel. dem unter ihr liegenden Mädchen ins Ohr, während sie versuchte zu Atem zu kommen und den Schmerz in ihrem gesamten Körper zu ignorieren. Sie hatte einiges an Rauch eingeatmet und bemerkte jetzt auch den seltsamen Geruch, der sich in ihren Nase festgesetzt zu haben schien. Ihr wurde schon schlecht davon, als Reaven sie ablenkte indem sie antwortete.
 

„Mir geht es gut. Aber dir nicht!“ Sofort versuchte sie aufzustehen, dabei hustete sie ein paar Mal. Leider gelang ihr das aufstehen nicht, da ja noch immer Angel über ihr lag. Dafür bemerkte sie den ekelhaften Geruch und erbleichte, als sie bemerkte woher er kam.
 

„A-Angel. Deine Flügel!“, keuchte sie erschrocken. Verdutzt stand das andere Mädchen auf und besah sich ihre eigenen Flügel. Tatsächlich verstand sie nun diesen penetranten Geruch und wunderte sich auch nicht mehr, warum ihre Flügel so schmerzten.
 

„Heh. Wer hätte das gedacht. Ich bin eindeutig nicht feuerfest.“, meinte sie in dem Versuch die ganze Situation aufzulockern.
 

„Das ist nicht zum Lachen! Zeig her!“ Grummelnd drehte Angel sich um und zeigte Reaven die Rückseite ihrer Flügel die an den untersten Stellen verbrannt waren. Nicht so schlimm, wie sie durch den Geruch angenommen hatte, aber eindeutig jenseits von Harmlos.
 

„Wenn wir hier erst einmal weg sind, kann ich doch einfach kühlen. Das sollte kein Problem sein. Danach heilen sie schon von allein. Kein Grund zur Panik. Außerdem kann ich auch einfach das machen.“, grinste Angel Reaven an und ließ ihre Flügel in ihrem Rücken verschwinden, doch zuckte sie dabei vor Schmerz zusammen. Sofort bemerkte sie, wie sich an ihren Beinen neue Wunden bildeten und hoffte das Reaven das nicht bemerkten würde. Sie konnte ihre Flügel, selbst mit Verletzungen wieder einziehen, doch würden sich die Wunden dann auf ihren Körper übertragen, je nachdem wo die Verletzung ursprünglich gewesen war.
 

„Lass uns schnell von hier abhauen, bevor wir auffliegen.“
 

Reaven war noch immer sichtlich beunruhigt, aber stimmte ihr zu. Doch wohin sollten sie gehen. In die Schule zurück zu gehen, war ausgeschlossen. Der „Geheimort“ war nicht geheim genug, als dass sie dort bleiben könnten und Sven war aus welchen Gründen auch immer unerreichbar.
 

„Wir gehen zur Klippe. Selbst wenn sie in den Geheimort kommen, müssen sie erst warten bis wieder Ebbe ist und bis dahin ist Sven hoffentlich wieder erreichbar und kann uns aus der Patsche helfen.“, sagte Angel bestimmt zu einer verdutzt aussehenden Reaven. Die Gezeiten hatte sie komplett vergessen mit einzuberechnen. Sofort machten sich die Mädchen auf den Weg.
 

~
 

An der Klippe angekommen, hofften die beiden ansatzweise Ebbe vorzufinden, damit es für Reaven nicht ganz so anstrengend werden würde, doch anscheinend hatte sie jegliches Glück verlassen. Es war Flut. Beide hatten es nach einem langen Fußmarsch und den Wald endlich zu der Klippe geschafft und jetzt standen sie dem nächsten Hindernis gegenüber.
 

„Reaven… Meinst du, du schaffst das?“, fragte Angel und schaute besorgt von ihrer Freundin nach unten in die Tiefe. Das Jüngere seufzte nur erschöpft und versuchte ihr bestes um sich ihre Erschöpfung nicht ansehen zu lassen.
 

Woher nimmt Angel nur diese Ausdauer. Ich bin absolut kaputt und sie ist verletzt UND hat mindestens genauso viel Kraft eingesetzt wie ich, wenn nicht sogar noch mehr… trotzdem scheint sie vor Energie nur so zu platzen.
 

„Ich werde es versuchen. Hoffentlich funktioniert es.“
 

Angel war gerade dabei Reaven etwas Platz zu machen, als sie plötzlich ein Knacken von Unterholz aus dem Unterholz hörte. Erschrocken drehte sie sich um. „Oh scheiße! Reaven, wir haben ein Problem.“, meinte sie leise flüsternd zu dem Mädchen.
 

Hinter ihnen aus dem Wald kamen maskierte Gestalten. Sie alle hatten Waffen oder Stäbe in der Hand, waren komplett in schwarzen Anzügen mit weißen Masken gekleidet und wenn die Situation nicht so ernst gewesen wär, hätte sich Angel über ihre Erscheinung lustig gemacht und gemeint sie würden zu einer Art neuer Sekte gehören. Doch das schien nicht der Fall zu sein, denn der Schulleiter, Rick, war unter ihnen, als einziger ohne Maskierung.
 

Mit einer Hand schob Angel das Mädchen hinter ihren Rücken um sie vor den anderen Männern zu schützen. Gleichzeitig beobachtete sie ihren Gesichtsausdruck und musste feststellen, dass Reaven einen hoffnungslosen Blick hatte und ihr schon Tränen in den Augen gestiegen waren.
 

Obwohl Reaven aufgegeben hatte, wollte sich Angel das nicht gefallen lassen. Reaven hatte gesagt, sie wollte unbedingt mit ihr zusammen sein und Angel wollte dasselbe. Mit einem Grinsen, das sie den Männern vor ihr gab, drehte sie sich zu Reaven um und ging den letzten Schritt über die Klippe. Beide Mädchen fielen in die Tiefe. Reaven war zu perplex um vor Überraschung zu schreien oder sonst irgendwie zu reagieren. Kurz bevor die beiden auf dem Wasser aufschlugen, wuchsen Angel ihre schwarzen Flügel und so flog sie mit Reaven in ihrem Armen in die entgegengesetzte Richtung der Insel.
 

„Oh Gott, ist das anstrengend mit einer Person zu fliegen.“, murrte sie mit knirschenden Zähnen. Leider bekam das Reaven in den falschen Hals.
 

„Sagst du etwas, dass ich fett bin!“, fragte sie böse funkelnd und wollte gerade der Älteren die Meinung geigen, doch dann entschied sie sich anders.
 

Hinter ihnen konnten sie die beiden rufen und diskutieren hören. „Was sollen wir jetzt machen! Keiner von uns kann fliegen! Der Hubschrauber ist noch auf dem Schulgelände!“ Man konnte noch die polterende Stimme von Rick hören. „Dann hört auf hier rumzustehen und bewegt euch zu dem Hubschrauber! Verfolgt sie! Das Mädchen ist eine Gefahr!“
 

Jetzt wandte sich Reaven wieder an Angel. „Wohin bringst du mich? Wohin willst du fliegen?“
 

„Huh, wieso ich? Wir! Und ich habe keine Ahnung. Kennst du dich hier etwa nicht aus?“, fragte Angel leicht verwirrt und hoffte inständig, dass es in der Nähe irgendwo Festland geben würde. Sie konnte schließlich nicht ewig fliegen.
 

Reaven streckte ihre Hand aus zeigte in Richtung Nordosten. „In der Richtung gibt es Festland. Ich bin dort immer für Einkäufe und… Svens Familie lebt auch dort, sowie ein paar Freunde von mir. Sie würden uns mit Sicherheit für ein paar Tage aufnehmen, aber… es ist ziemlich weit entfernt… Meinst du, du schaffst das?“
 

„Und wenn es das Letzte ist was ich mache!“, sagte Angel mit einer Bestimmtheit über die sich Reaven nur wundern konnte.
 

~
 

Ich weiß, es hat gedauert, aber hier ist endlich mal wieder ein neues Kapitel. Habe hier versucht die Charaktere ein bisschen auszubauen. Keine Ahnung ob es geklappt hat^^ Und ich hoffe ihr vergebt mir die vielen Klischees. Versuche es schon gering zu halten und habe deswegen auf "Und sie flogen dem Sonnenuntergang entgegen" verzichtet :P

Wie dem auch sei, viel Spaß im nächsten Kapi;)



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Kommentare zu dieser Fanfic (22)
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Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  CruelEve
2012-04-05T15:04:46+00:00 05.04.2012 17:04
uhhhh ein neues kapiiiii!!!!
das war voll süß xD
hoffe es geht mal heiß her mit den beiden *fett grins*
freu mich schon auf die nächsten zeilen aus deinen gedanken xDD

LG Bones
Von:  dragon493
2012-04-05T12:00:23+00:00 05.04.2012 14:00
Tolles Kapitel
Gefällt mir gut das die beiden entkommen konnten
Bin sehr gespannt ob sie es schaffen zu fliehen
Freu Koch aufs nächste Kapitel
Lg dragon493
Von:  CruelEve
2012-03-14T15:43:53+00:00 14.03.2012 16:43
rawr
total kawaii xD
ich find das pärchen total süß
dir sei verzeiehn durch das tolle kapi xDD
freu mich schon voll auf das nächste *grins*

LG Bones
Von:  dragon493
2012-03-13T21:37:21+00:00 13.03.2012 22:37
tolles Kapitel
das der Direktor so fies ist hätte ich nicht geglaubt
aber toll das sie zueinander gefunden haben
freu mich aufs nächste Kapitel
lg dragon493
Von:  Mami
2012-02-01T19:20:30+00:00 01.02.2012 20:20
OMG O.O WIe geil =D ich liebe echt deine Story und grins mir grad ein ab nur weil n neues kapitel da ist xD
naja also wie immer ein einfach hamma tolles kapitel ich mag die idee mit den Gedanken zu komuniziren ^^
Und Angel und Reaven sind einfach nur süß zusammen. *--*
Aber ich bin mir sicher irgendwas stimmt nicht o.o was da grad abgeht.
Naja ich freu mich auf das nächste Kapitel ^^
Von:  CruelEve
2012-02-01T18:17:54+00:00 01.02.2012 19:17
ich finde schwarzlesen eh blöd, und da sieht man es wieder, wenn man kommentiert freut sich der autor und man hat die kraft weiter zu schreiben^^
hoffe, die beiden werden mich noch zum verzweifeln bringen xDDD
und ich bin mal gespannt, was da noch abgehen wird

ne frage, sind das meine kekse??
xDDDD
LG Bones
Von:  dragon493
2012-02-01T17:33:03+00:00 01.02.2012 18:33
tolles kapitel
aber ich frag mich in was für eine falle sie laufen werde und warum der schuleiter aufeinmal die meinung geändert hat
aber das kapitel war echt süß in bezug auf angel und reaven
freu mich aufs nächste kapitel
lg dragon493
Von:  0391marrylu
2012-02-01T16:23:36+00:00 01.02.2012 17:23
tolles kapi schade das das so lange gedauert hat
freu mich auf die nächsten seiten
Von:  CruelEve
2012-01-28T20:38:59+00:00 28.01.2012 21:38
booooar, bist duu fies
arme reaven, lässt sie so leiden x,D
und die leserschaft...
schreib bitte weiter, das is voll süß geschrieben
und deine unsicherheit taucht nich in der story auf^^
ich hoffe, du lässt dir auch ordentlich zeit^^
je länger man wartet, desto besser is das ergebnis, also, gaaanz viel zeit lassen ^^

*keksteller und warmem kakao hinstell*

LG Bones
Von:  Mami
2012-01-17T18:25:21+00:00 17.01.2012 19:25
Geil =D
woher angel die ganzen narben hat? ich hoffe die auflösung kommt bald ^^
nur ein kuss auf die stirn!? *böse anfunkel* wieso nicht ein klitzekleiner kuss auf die lippen? *hundeblick aufsetz* fies
Aber trotzdem so hamma wie immer *--*
Freu mich aufs nächste kapitel


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