Prinzessin Rabenhaar von Mad-Dental-Nurse (Oder auch: Wie angelt man sich einen Prinzen?) ================================================================================ Kapitel 13: Verschwunden ------------------------ Zuerst verstand weder der König noch seine Gemahlin, was der Tumult zu bedeuten hatte. Doch als sie sahen, dass sie Männer ihren Sohn brachten, waren sie mehr als nur bestürzt. Sofort riefen sie den Arzt und ließen geschwächten Prinzen auf sein Gemach bringen. Die folgenden Tage aren erfüllt von Sorge, Angst und Ungewissheit um den Prinzen, da das Fieber, welches ihn heimgesucht hatte, unerbittlich war und ihn nicht aus seinen Krallen geben wollte. Tag für Tag fürchteten der König und die Königin, dass ihr Sohn den nächsten Morgen nicht überstehen würde. Von den Sorgen seiner Eltern bekam Lore jedoch nichts mit. Zu sehr war in seinen Fieberträumen gefangen, die ihn unentwegt heimsuchten und ihn quälten. In diesen sah er immer wieder Laru, die in ihrem Haus saß und auf ihn wartete. Um sie herum war es dunkel, nur eine einzige Kerze war angezündet und der schwache Schein fiel auf ihr Gesicht, das von Ratlosigkeit und Traurigkeit zeugte. Auf ihren Wangen schimmerte eine feuchte Spur, die an ihnen hinunter führte. Tränen! Lores Herz verkrampfte sich, bei diesem Anblick. Es war so schmerzlich, dass er am liebsten den Blick abwenden konnte. Aber er konnte und wollte es nicht. Er fühlte sich, trotz dass er nur den Arm ausstrecken musste, um sie zu berühren, so weit entfernt von ihr entrissen, dass er spürte, wie ihm auch die Tränen kamen. „Wo bist du nur?“, hörte er sie dann schmerzlich. „Wo bist du nur, Lore?“ „Ich bin hier! Hörst du mich? Laru, ich bin hier!“ „Wieso bist du fortgegangen? Warum hast du mich verlassen?“ Lore glaubte vor Kummer wahnsinnig zu werden. Er wollte auf sie zu gehen. Sie packen und an sich drücken. Aber seine Füße waren wie festgewachsen am Boden. „Ich wollte dich nicht verlassen! Bitte…verzeih mir…!“, rief er, auch wenn er wusste, dass sie ihn nicht hören konnte. „Laru!“ „Laru!“, stöhnte er laut und wälzte sich wie unter Qualen im Bett hin und her. Seine Eltern sahen das mit immer größer werdender Sorge. „Was sollen wir nur tun?“, fragte die Königin verzweifelt und den Tränen nahe. Ihr Mann, der sonst immer beherrscht war, wusste sich dieses Mal nicht zu helfen. Egal wie sehr er sich auch um seinen Sohn geärgert hatte und sich wünschte, dass er endlich zur Vernunft kam, war er dennoch sein Sohn und wollte ihn nicht verlieren. Er bereute es schon, dass er seinen Sohn damals fortgeschickt hatte. Und nun sah er, wohin ihn das gebracht hatte. Aber sich deswegen jetzt Vorwürfe zu machen, würde nichts an der jetzigen Situation ändern. Sie konnten nichts anderes tun, als zu warten und zu hoffen, dass ihr Sohn nicht von dieser Welt schied. Wieder sah er Laru. Aber nicht in ihrem Haus. Sondern in seinem Gemach. Zuerst war sie nichts weiter als ein dunkler Schatten, aber dann wurde ihr Gesicht in ein sanftes Licht getaucht. Wie war sie hier her gekommen? Doch eigentlich spielte das für ihn keine Rolle. Hauptsache sie war hier. Und zum ersten Mal war er wieder klar im Kopf. Die Schmerzen, sowohl seelisch als auch körperlich waren fort. Ein schwaches Lächeln huschte über sein Gesicht, als er seine Frau über ihn gebeugt sah und ihn sanft ansah. „Laru!“, flüsterte er. Hob die Hand, wollte ihre Wange berühren. Laru ergriff sie. Drückte sie. Strich ihm wiederum über die Stirn. „Ich dachte, ich würde dich nie wieder sehen!“, sagte sie. Lore verzog schmerzlich das Gesicht. „Es tut mir leid!“, flüsterte er, dabei wusste er, dass das nicht genug war. „Ich wollte nicht…!“ Laru legte ihm den Finger an die Lippen. Schüttelte den Kopf. „Bitte, werde wieder gesund. Mehr will ich nicht!“, bat sie ihn. „Ich…das werde ich!“, sagte er. „Ich liebe dich!“ Laru lächelte noch mehr. Beugte sich etwas tiefer zu ihm hinunter und hauchte ihm einen Kuss auf die Lippen, ohne sie zu berühren. „Ich liebe dich auch!“ Dann verblasste der Traum. Larus Erscheinen musste Lore neue Kraft gegeben haben, denn es ging ihm mal zu mal besser und seine Eltern konnten wieder hoffen. Auch wenn sie sich nicht erklären konnten, woher die neue Kraft kam. Doch für sie war das nicht weiter wichtig. Für sie zählte, dass ihr Sohn wieder gesund wurde. Nach und nach gewann Lore neue Kraft. Dennoch musste er das Bett hüten. Dabei wurde er immer unruhiger. Seine Gedanken kreisten immer wieder um Laru. Jetzt wo er wieder klar denken konnte, fragte er sich nun, ob das wirklich wahr war oder nicht doch eine, durch das Fieber heraufbeschworene Täuschung war. Lore wollte verbissen daran glauben, dass Laru ihn am seinem Krankenbett erschienen war. Es musste so sein! Kein Tag verging, an dem Lore nicht an seine Frau dachte. Er vermisste sie nicht nur. Sondern wollte sie unbedingt wieder sehen. Als die Ärzte sagten, er durfte nun das Bett verlassen, zögerte er nicht und sprang aus dem Bett. Geschwind kleidete er sich an und eilte hinunter zum Stall. Der Stallbursche war zunächst überrascht, als er den Prinzen in den Stall kommen sah. Fasste sich aber wieder. „Eure Hoheit! Schön, dass Ihr wieder wohlauf seid!“, grüßte er ihn. „Wünscht Ihr, dass…?“ Doch Lore ging einfach an ihm vorbei, auf die Box seines Pferdes zu. Schnappte sich das Zaumzeug und legte es ihm an. Schwang socj sogleich auf dessen Rücken und trat ihm in die Flanken. Das Pferd bäumte sich kurz auf, prechte dann los. Der Strasse folgend, die ihn zu Laru führen würde. Auch wenn er damals nicht wirklich darauf geachtet hatte. Aber er hörte dabei mehr auf seinen Bauch und trieb sein Pferd schneller an. Konnte es kaum erwarten, sie wieder zu sehen. Doch trotz dass er sein Pferd zu einem immer schnelleren Gallop antrieb, schien der Weg nicht kürzer zu werden. Umso frustrierte wurde er, doch er wollte das Tier nicht zu Tode hetzen. Irgendwann sah er endlich das Haus vor sich und atmete auf. Sein Herz begann nun zu rasen und er sprang vom Rücken seines Pferdes. Klopfte ihm liebevoll über den Hals. Mit schnellen Schritten lief er zur Haustür. Wollte sie aufreissen. Doh da bemerkte er, dass die Tür mit Brettern vernagelt war. „Was zum…!“, kam es überrascht und entsetzt von ihm. Er griff nach den Brettern, zog daran und wollte sie runterreißen. Aber sie wollten sich einfach nicht lösen. Lore ging zur Hintertür. Hoffte, dass diese unverschlossen war. Aber diese war ebenso mit Brettern vernagelt. Das kann doch nicht wahrsein, dachte er und schlug dagegen. Was war passiert? Wer und warum hatte das Haus vernagelt? War das Laru? Aber warum sollte sie das tun? Dachte sie etwa, er würde niemals wieder zurückkommen? So musste es gewesen sein. Wieso sonst sollte sie ihr Haus verlassen? Vielleicht weil sie ihn suchte. Es gab nur einen Weg um das herauszufinden. Er musste sie suchen und finden. So stieg er wieder auf den Rücken seines Pferdes und ritt weiter. Ein Bauer kreuzte seinen Weg und Lore stopte das Pferd. Vor Schreck machte der Mann einen Sprung nachhinten um von dem anpreschndem Pferd nicht über den Haufen gerannt zu werden. „Verzeiht, der Herr. Aber…in dem Haus da…lebte da nicht eine junge Frau? Laru ist ihr Name!“ „Laru?“, fragte der Mann und kratzte sich die Stirn. Sah Lore verwirrt an. Offensichtlich war ihm dieser Name fremd. Fieberhaft überlegte Lore, wie doch noch etwas über Larus Verschwinden herausfinden konnte und ihm schoss ein Name durch den Kopf. Goldkehlchen! „Kennt Ihr jemanden namens Goldkehlchen?“ Da schien der Mann zu wissen, wen Lore meinte. Sein Gesicht hellte sich auf, doch dann wude es niedergeschlagen. Lore befürchtete das Schlimmste. „Ja, aber…sie ist fort!“, sagte er. „Und wohin? Bitte es ist wichtig!“ Der Mann schüttelte bedauernd den Kopf. „Das weiß ich nicht. Niemand weiß das. Sie ist einfach fortgegangen. Einige sagen, dass sie ihren Mann sucht. Die anderen wiederrum sagen, dass sie…!“, sagte er und stockte. Lores Magen drehte sich um. Nein, das darf nicht wahr sein. Bitte, lass das nicht wahrsein!“, schrie es in ihm. „Ich danke Euch!“, sagte er und ritt weiter. In die Stadt. Vielleicht wusste ja Sada etwas. Während er hin ritt, überschlugen sich seine Gedanken. Die Worte des Mannes hallten unentwegt durch seinen Kopf und ließen ihn erneut befürchten, dass er zu spät war. Doch er versuchte nicht weiter darüber nach zu denken. Als er in der Stadt ankam, stieg er ab, nahm sein Pferd bei den Zügeln und schritt durch die Strassen. Es fühlte sich an, als wäre er endlich Zuhause angekommen. So gut und richtig. Tief sog Lore den Geruch der Stadt ein. Er war so vertraut und wohltuend. Wie sehr hatte er das alles vermisst. Und beinahe wollte er sich die Zeit geben, um dies zu genießen. Doch er sagte sich, dass er diese nicht hatte und ging zum Weinladen. Sada war, wie Lore es erhofft hatte, in seinem Laden. Das Klingeln der Glocke, als er durch die Ladentür trat, ließ sein Herz vor Freude schneller schlagen und er freute sich, Sada wieder zu sehen. Nicht nur wegen Laru, sondern auch weil er ihn vermisst hatte. Sogleich rief er nach Sada. Es dauerte etwas, aber als Sada dann nach vorne kam, konnte Lore ein glückliches Lächeln nicht unterdrücken. Sada hingegen schien nicht zu wissen, wen er da vor sich hatte. „Mein Herr?“ „Sada! Ich bin es!“ Auf Sadas Gesicht war deutlich zu sehen, dass er ihn wirklich nicht erkannte. Hatte er sich so sehr verändert? Aber das war doch nicht möglich? „Erkennst du mich nicht?“, fragte er daher. „Ich bin es. Lore!“ Sada schaute ihn bedrückt an und schüttelte den Kopf. „Nein, Ihr könnt nicht Lore sein!“, sagte er. Lore hatte das Gefühl, als hätten seine Worte ihm einen Schlag versetzt. „Was…? Aber…natürlich bin ich Lore!“ „Nein!“, sagte Sada nun inbrünstig. „Ich kenne Lore. Er hat eine lange Zeit bei mir gearbeitet! Ich würde ihn erkennen, wenn er vor mir steht. Aber Ihr seid es nicht!“ „Dann sagt mir bitte, wo ich Laru finde?“ „Woher kennt Ihr Goldkehlchen?“, fragte Sada lauernd. Lore biss sich auf die Unterlippe. Haderte mit sich. Wenn Sada ihm schon nicht glaubte, dass er Lore war, dann würde er ihm auch nicht glauben, dass er ihr Mann war. „Ist…ist nicht weiter wichtig!“, sagte er schwach und winkte ab. Sada schien sich mit dieser Aussage nicht zu frieden zu geben. Sah Lore weiterhin lauernd an. Es gab Lore einen Stich. „Bitte verzeiht, wenn ich Euch belästigt habe!“, sagte er schnell und verneigte sich kurz. Dann wandte er sich um und ging zur Tür. Dabei streifte sein Blick einen Spiegel und blieb stehen. Schaute hinein und sah nun den Grund, warum Sada ihn nicht erkannte. Sein Bart war fort. Man hatte ihn ihm wohl abrasiert, während er im Fieberbett gelegen hatte und es daher nicht mit bekommen. Nun sah er es. Zögernd strich er sich über die Wange. Fragte sich wie es sein kann, dass man durch so eine Kleinigkeit nicht mehr erkannt wird? Ein letztes Mal drehte er sich Lore zu Sada um und verabschiedete sich. Sada erwiederte dies nur knapp, was den Stich in seinem Herzen noch schlimmer machte. Eigentlich wäre es das sinnvollste gewesen, die Stadt zu verlassen. Doch Lore wollte nicht so einfach aufgeben. Er wollte zu Jardo gehen. Wenn nicht Sada nicht wusste, dann vielleicht Jardo. Ihn würde er doch ganz sicher erkennen. Sada war schon in die Jahre gekommen und seine Augen waren sicher nicht mehr die Besten. So ging er mit dieser Hoffnung zu Jardo. Doch wie bei Sada schien auch ihn Jardo nicht zu erkennen. Und Lore fragte sich, ob sie das mit Absicht machten. Als kleiner Denkzettel dafür, dass er fortgegangen war und Laru allein gelassen hatte. Er traute ihr nicht wirklich zu, dass sie ihn deswegen angeschwärzt hatte. Aber er wusste, dass sie Laru gern hatten. Allesamt. Und das sie es sich vorgenommen hatte, ihn dafür büßen zu lassen. Er konnte es irgendwie verstehen. Wäre er an ihrer Stelle gewesen, hätte er es genauso gemacht. Dennoch schmerzte es ihn. Mit hängenden Schultern verließ er auch die Gaststätte und stieg auf. Es dämmerte als er das Schloß seines Vaters erreichte. Wo er vorher noch voller Entschlossenheit war, so war er nun niedergeschlagen. Hatte es nun nicht mehr eilig, sondern wollte genug Zeit haben, um nach zu denken. Fragte sich, wo er und ob er noch weiter suchen sollte. Bitterlich kam er zu dem Schluss, dass er das Königreich der Prinzessin und das seines Vaters auf den Kopf stellen könnte und sie dennoch nicht finden würde. Zwar weigerte er sich es wahr zu haben, aber er musste es. Schwer seufzend stieg er vom Pferd. Führte es in den Stall und rieb es mit Stroh trocken. Nochmal klopfte er ihm den Hals ab und versprach ihm einen Eimer voller Möhren. Dann ging er zurück in das Schloß. Seine Eltern warteten bereits ungduldig auf ihrem Sohn im großen Saal und stellten ihn sogleich zur Rede. „Da bist du ja endlich. Wo warst du nur?“, fragte seine Mutter besorgt und eilte zu ihm. Lore hob nur die Schultern. Ging dann an ihnen vorbei und in seine Gemächer. Seine Eltern sahen ihm nur nach. Schauten dann sich verwirrt an. „Was ist nur mit ihm?“, fragte die Königing. Doch ihr Mann wusste sich darauf keine Antwort. Am darauffolgenden Tag bat der König Lore zu einer kleinen Partie Schach. In der stillen Hoffnung, seinen Sohn etwas ab zu lenken. Lore kam dieser Bitte nur mit schwacher Begeisterung nach. Am liebsten wollte er sich in seinem Zimmer einsperren. Aber er wusste auch, dass er damit seinen Eltern große Sorgen bescherte. So kam er der Bitte nach. Doch richtig auf die Partie konzentieren konnte er sich nicht. Einen Zug nach dem anderen verlor er. Seine Gedanken kreisten immer wieder um Laru. Fragte sich wo sie nur sein konnte. Vielleicht war sie beim Admiral? Sein Herz verkrampfte sich bei diesem Gedanken. Ausgerechnet der Admiral! Vermutlich hatte sie sich ihm anvertraut und ihm ihr Herz usgeschüttet, da sie in ihm einen Freund sah. Und der Admiral hatte sicherlich seine Chance gerochen. Lore wurde dabei schlecht als er es sich vorstellte, wie er sie tröstete und Laru sich davon einwickeln ließ. Dabei hoffte Lore, dass Laru das nicht zu lassen würde. Fast schon ein wenig zufest drückte er die Schachfigur in seiner Hand, sodass es knirschte. Der König und die Königin warfen sich fragende Blicke zu. „Lore? Stimmt was nicht?“, fragte dann seine Mutter, die mit ihnen in dem kleinem Zimmer saß und an einem Tuch stickte. Lore schien die Frage nicht gehört zu haben. Schaute weiterhin vor sich hin. „Lore?“ Lore schrack auf. „Ja, Mutter?“ „Du siehst so aus, als wärst du woanders!“, sagte seine Mutter. „Ist etwas nicht in Ordnung?“ „Das…das kann man so sagen!“, sagte Lore ein wenig verlegen. „Magst du darüber reden?“ Lore zögerte kurz. Dann seufzte er. „Es… es ist wegen meiner Frau!“, begann er. „Deiner Frau?“, fragte nun sein Vater und sah ihn mit gehobenen Brauen an. „Ja, meiner Frau. Die Frau, die du mir aufgedrängt hast!“, konterte Lore scharf. Es sollte nicht anklagend klingen. Aber dass sein Vater offensichtlich keine Ahnung hatte, von wem er sprach, verärgerte ihn. Hatte er es etwa so schnell vergessen? Sein Vater wirkte nun getroffen und auch beschämt. Ihm war anzusehen, dass er diese Strafe, die er seinem Sohn auferlegt hatte, bereute. Seine Frau tätschelte ihrem Sohn sanft die Hand. „Sie bedeutet dir sehr viel, nicht wahr?“, fragte sie. Lore nickte. „Mehr als ich es für möglich gehalten hatte!“ Die Königin lächelte, nickte dann und sah zu ihrem Mann. Dieser schaute verwirrt drein. Hatte er sich gerade verhört? Sein Sohn hat zu gegeben, dass er sich verliebt hatte. Das war noch nie der Fall gewesen. Was war nur mit seinem Sohn passiert? Seine Frau schien sich hingegen nicht darüber zu wundern. Ein verschmitztes Lächeln stahl sich von ihrem Gesicht. „Warst du deshalb so schnell auf und davon?“, fragte sie dann. Lore nickte. „Hast du sie gefunden?“ Die Frage war eigentlich überflüssig, da sie ihm ja ansehen konnte, dass er sie nicht gefunden hatte. „Nein!“, flüsterte Lore schwer. „Ich habe sie überall gesucht, wo sie sein könnte. Doch ich…sie ist wie vom Erdboden verschluckt!“ „Dann…sollen wir Boten ausschicken? Um sie zu finden?“ Lore wollte schon den Kopf schütteln. Sagen, dass es keinen Sinn hatte. Aber dann hielt er inne. Wieso nicht? Vielleicht konnten die Boten sie ja finden. „Ja, ich…Bitte tut alles was Ihr könnt!“, sagte Lore und ignorierte dabei seinen weinerlichen Unterton. Aber seine Verzweiflung und auch seine Hoffnungen ließen seine Gedanken auf und ab fahren. „Das werden wir!“, versicherte ihm seine Mutter. Sah dabei zu ihrem Mann. Der schien immer noch nicht zu glauben konnte, dass sich sein Sohn so gewandelt hatte. Aber vermutlich hatte dieses Mädchen es wirklich geschafft. In Gedanken applaudierte er ihm. Schon am nächsten Tag schickte der König seine Boten los. Lore hatte ihnen vorher Laru genau beschrieben. Als der letzte Bote vom Hof geritten war, sah Lore ihnen hoffnungsvoll nach. Baute darauf, dass sie sie fanden. Die Tage vergingen und die Boten kamen nach und nach wieder. Doch keiner hatte ein Mädchen namens Laru gefunden. Es war zum Haareraufen. Lores Laune wurde dementsprechend düster. Die meiste Zeit verbrachte er in seinem Zimmer und dachte an Laru. Eines Tages, er war wieder mit seinen Gedanken weitfort, hörte er Musik. Lore achtete erstmal nicht darauf, doch dann erklang zu der Musik Gesang und er hätte schwören können, dass dieser Gesang von Laru kam. Sofort sprang er auf und lehnte sich aus dem Fenster. Schaute zu dem Tor, in der Erwartung, sie dort zusehen. Doch er sah sie nicht. Lore seufzte, hörte dann wieder den Gesang und lauschte noch mehr. Der Gesang kam nicht von der Strasse, sondern…aus einem der Zimmer hier. Konnte es sein, dass sie hier war? Lores Herz schlag heftig in der Brust und ohne noch grossartig nachzudenken, rannte er zur Tür riss sie auf und eilte auf den Flur. Blieb kurz stehen um zu hören, woher genau der Gesang kam und rannte in den linken Flur. Es schien als habe der Gesang ihn fest in Griff und würde ihn die Treppen runter, durch zahlreiche Flure und Zimmer führen. Endlich, als der Gesang lauter und klarere wurde, erreichte er den Raum, als dem dieser kam. Es war die Küche. Lore stutzte. Was machte seine Laru in der Küche? Es gab nur eine Möglichkeit, dies rauszufinden. Langsam schritt er zur Tür, die angelehnt war und lauschte. Das musste einfach Laru sein. Wer sonst könnte sie wunderbar singen. Mit diesem Gedanken, der ihm neuen Mut und Hoffnung gab, holte er tief Luft und stiess die Tür auf. „Laru!“, rief er, wollte vorstürmen und seine vermisste Geliebte in die Arme schließen. Blieb aber mitten in der Bewegung stehen, als er nur eine erschrockene Küchenmagd am Tisch sitzen sah, die gerade ein Huhn rupfte. Gerade noch waren die letzten Worte ihres Liedes über die Lippen gekommen, ehe der Prinz in die Küche gestürmt kam. Als sie den Prinzen erkannte, wurde sie noch blass, als sie es vorher schon war und erhob sich schnell von ihrem Platz. „Eure Hoheit!“, sagte sie demütig und machte einen Knicks. Lore wusste nicht, was er sagen, geschweige denn machen sollte. Er hatte sich doch tatsächlich von seinen Ohren täuschen lassen und war einem Gespinst nachgerannt. Lores Wangen wurden rot vor Scham. Betreten wich er einen Schritt zurück. Die Magd, unschlüssig, was sie von dem plötzlichen Auftauchen des Prinzen halten sollte, blieb in dem Knicks, sah ihn jedoch neugierig und verwirrt an. „Kann ich Euch helfen, Prinz Lore?“, fragte sie verschüchtert. Lore, sich wieder seiner Lage her oder zumindest ein wenig, schüttelte nur den Kopf. „Nein, lass dich nicht von mir stören!“, sagte er und schloss die Tür. Er ging einige Schritte und als er sich sicher war, dass ihn keiner sah, lehnte er sich an der Wand ab und wischte sich über das Gesicht. Eines Nachts träumte er wieder von ihr. Es waren Bilder aus der Vergangenheit, die ihn heimsuchten. Bilder, in denen sie glücklich mit einander waren. Ihr gemeinsames Leben genossen. Wie sie auf der Wiese saßen, unter dem Baum, der ihnen Schatten spendete und Laru ihr Lied für ihn sang, während die Ziegen blöckten und sich das Gras schmecken ließen. Dieser Moment war für ihn der schönste gewesen. Und er wollte daran auch festhalten. Das Bild mit aller Macht dazuzuwingen, niemals zu verschwinden. Doch dunkle Schlieren ließen es verblassen und nichts blieb als Dunkelheit und Leere. Und Schmerz. Eine Stimme rief ängstlich nach ihm. „Lore! Lore, wo bist du?“ Es war Laru, die nach ihm rief und er wollte ihr antworten. Den Arm nach ihr ausstrecken und sie halten. Doch sein Arm ging ins Leere und Lore erwachte. Schweissgebadet richtete er sich auf und blickte minutenlang auf seine Hände, die im Traum nach Laru greifen wollten. Das bedrückende Gefühl der Leere ließ ihn nicht los und ihn wieder in tiefen Kummer versinken. Er musste etwas tun, damit diese Qual ein Ende hatte. Also schlug er die Bettdecke zurück, ging zu seinem Schreibtisch und entzündete eine Kerze. Holte ein Blatt Papier und eine Feder in einem Tintenfässchen hervor. Einen, sich dehnenden Moment blickte er auf das vergilbte Papier, überlegte was er schreiben sollte. Suchte nach den richtigen Worten. Die Flamme der Kerze tanzte unruhig und warf verformte Schatten. Lore schloss die Augen, atmete einmal tief durch. Doch als ihm immernoch nichts einfallen wollte, seufzte er und ging zum Fenster um es einen Spalt zu öffnen. Vielleicht würde er etwas schreiben können, wenn er einwenig frische Luft bekam. Kühle Nachtluft wehte ihm entgegen und Lore sog sie tief ein. Sie roch würzig und frisch. Lieblich. So wie Laru! Und kaum hatte er dies gedacht, flogen ihm schon die Worte zu, die er auf das Papier verewigen wollte. Um diese nicht gleich wieder zu verlieren, holte er das Papier, mitsamt Feder und Tinte zu dem Fenster und legte es vorsichtig auf die Fensterbank. Dann begann er zu schreiben. Hätt' ich einen Pinsel zu zeichnen – dein Antlitz, Den Glanz deiner Augen, den lieblichen Mund, Ich malte die Wimper, die Braue, dein Lächeln, wie ich es erkannte in jener Stund'. Es war erstaunlich, wie leicht es ihm fiel diese Worte zuschreiben. Fast schon war es unheimlich. Doch Lore wusste, dass es sein Herz war, das ihn diese Worte schreiben ließ. Und er würde den Teufel tun, dies zu beenden. Hätt' ich eine Flöte zu spielen - die Klänge, die von deiner Anmut und Schönheit erzähl'n, Ich spielte den Reigen der himmlischen Tänze, wie in den Gedanken, die mich seither quälen. Lore biss sich auf die Lippen, als er das Wort Quälen schrieb. Dabei war es noch untertrieben, was er in Wahrheit empfand. Es waren nicht nur Qualen. Es fühlte sich an, als würde jemand sein Herz mit jedem Tag, jeder Stunde und jeder Minute immer enger zusammenpressen, bis es bald stehen bleiben würde. Er konnte nur hoffen, dass er Laru noch einmal zuvor sehen würde. Doch weder Bilder, noch Klänge, noch Wort, könnten beschreiben, was an jenem Ort mit mir geschehen, als ich dich gesehen, du in jener Nacht, den Schein hast entfacht. Die Sonne die Sterne tragen Kunde von dir, jeder Lufthauch erzählt mir von dir. jeder Atemzug, jeder Schritt trägt deinen Namen weit mit sich mit.... Dabei schaute Lore aus dem Fenster, schaute zu den Sternen, die in der Ferne funkelten und fragte sich, ob Laru diese auch sah. Oder ob sie schon schlief und von ihm träumte. Mit Sicherheit tat sie es und das mit demselben Schmerz, wie er. Schnell schrieb er weiter. Hätt' ich eine Feder zu schreiben die Worte, die dich umgarnen wie silbernes Licht, ich schriebe von Liebe, von Nähe und Hoffnung und schrieb die Sehnsucht hinaus in das Nichts. Dass er solche Zeilen schrieb, verwundert ihn selbst ein wenig. Aber vermutlich lag es daran, dass Larus Lieder, die stets sein Herz berührten, nun auch in ihm den Dichter geweckt hatten und auch an der Sehnsucht nach ihr, die ihm half diese zuschreiben. Lore lächelte. Wieder etwas, was sie mir beigebracht hat, dachte er und schrieb weiter, bis ihn die Worte verließen. Doch weder Bilder, noch Klänge, noch Wort, könnten beschreiben, was an jenem Ort mit mir geschehen, als ich dich gesehen, du in dunkler Nacht, den Schein hast entfacht. Die Sonne, die Sterne tragen Kunde von dir, jeder Lufthauch erzählt mir von dir. jeder Atemzug, jeder Schritt trägt deinen Namen weit mit sich mit.... Als er auf das Gedicht schaute, fragte er sich, warum er es eigentlich geschrieben hatte. Er würde sie niemals wieder sehen. Er könnte es genauso zerreißen und im Kamin verbrennen. Doch sein Herz sagte, dass er es nicht machen durfte. Er hatte es mit seinem Herzen geschrieben. Es nun zu zerreißen würde bedeuten, dass er sein Herz zerriss. So steckte er das Gedicht in die Tasche seiner Jacke und legte sich wieder ins Bett. Seltsamerweise konnte er nun besser schlafen. Einige Tage später unternahmen der König, die Königin und ihr Sohn eine Spazierfahrt mit der Kutsche. Normalerweise genoss Lore dies, da er so seinen Gedanken nachhängen konnte. Aber nun fühlte er sich furchtbar unruhig. Immer wieder schaute er nur flüchtig aus dem Fenster, so als würde er etwas suchen oder finden wollte. Das Gedicht hatte er weiterhin in der Jacke, trug es dicht an seinem Herzen. Seine Mutter sah natürlich, dass ihr Sohn etwas beschäftigte. „Denkst du an deine Frau?“, fragte sie. Lore nickte. „Ich träume jede Nacht von ihr!“ Sein Gesicht verzog sich dabei schmerzlich. „Du liebst sie wirklich!“, sagte sie und lächelte sanft. Dann schaute sie traurig drein. „Es tut uns leid, dass wir sie nicht finden konnten!“ „Macht Euch deswegen keine Vorwürfe, Mutter!“, seufzte Lore und schaute zum zigten Mal aus dem Fenster. „Ich werde mich damit abfinden müssen, sie nie wieder zu sehen!“ Da plötzlich wurde er stocksteif. Seine Augen schienen etwas entdeckt zu haben und noch bevor seine Eltern wussten, was er gesehen hatte, rief er aufgebracht:„ Sofort anhalten!“ Noch bevor der Kutscher reagieren konnte, riss er die Türe auf und sprang aus der Kutsche. „Lore, was ist?“, rief seine Mutter aus der Kutsche. Doch Lore sagte nichts, sondern lief weiter. Er hatte jemanden gesehen. „Caarza! Mare!“, rief er und lief auf die beiden zu. Caarza und Mare drehten sich um. Sahen den heraneilenden Prinzen mit verwirrten Blicken an. „Bin ich froh, Euch zu sehen!“, sagte er erleichtert. Caarza und Mare hingegen schienen nicht zu wissen, was er von ihnen wollte. „Können wir Euch helfen, mein Herr?“, fragte Mare unsicher. Lore stöhnte innerlich auf. Natürlich! Das hätt er sich ja denken können. Nach Sada und Jardo, taten sie nun auch so, als würden sie ihn nicht kennen. Das war einfach nur frustrierend. „Kennt Ihr jemanden namens Laru?“, fragte er dennoch. Caarza und Mare sahen sich an und anders als bei Sada und Jardo, schienen sie nicht dicht machen zu wollen. „Ja, wieso fragt Ihr?“ „Ich suche sie. Bitte wenn Ihr wisst, wo ich sie finden kann, sagt es mir!“ Er flehte schon fast, doch das war ihm gleich. Caarza wirkte etwas unsicher. So als brannte ihr etwas auf der Seele. Zögerte aber es zu sagen. Lore konzentrierte sich auf sie. Das war Caarza etwas unangenehm. Sie wich seinem Blick aus. Mare stellte sich schützend vor sie. „Wir wissen ungefähr, wo sie ist!“, sagte er. Lore atmete auf. „Dann sagt es mir. Bitte!“ Caarza und Mare schauten sich kurz an und Lore konnte in ihren Blicken sehen, dass sie stumm miteinander diskutieren. Sie schien zu sagen:„ Sag es ihm!“ Er aber:„ Nein!“ „Tut uns leid. Aber wir müssen weiter!“, sagte Mare dann laut. Lore wollte schon entrüstet aufschreien. Das konnte doch nur ein schlechter Scherz sein! „Nicht Ihr auch noch!“, platzte es aus ihm. Ohne ein Wort zu sagen, nahm Mare Caarza bei der Hand und wollte mit ihr weitergehen. Lore dachte aber nicht daran sie einfach gehen zu lassen. „Bitte!“, sagte er eindringlich und ergriff Caarza an der Schulter. Caarza sah ihn schmerzlich an. Öffnete den Mund um etwas zu sagen. „Caarza!“, rief Mare und klang ungehalten. Caarza schaute zu ihm, dann zu Lore. Flehte ihn stumm an, sie los zu lassen. Dabei fragte sich Lore, warum sie solch eine Angst hatte. Die beiden waren doch wie ein Herz und eine Seele. Caarza schüttelte den Kopf. Schnell steckte Lore die Hand in seine Jackentasche und holte das Gedicht hervor. Drückte es ihr in die Hand. „Gib das Laru, wenn du sie triffst. Ich bitte dich!“, flüsterte er eindringlich. Caarza nickte und steckte es ein. „Caarza!“ Nun schien es Mare zu reichen. Schnell löste sich Caarza nun von Lore Griff und eilte zu ihm. Und Lore sah, er wusste nicht wieoft schon, hoffte, dass Caarza Laru finden und ihr das Gedicht geben würde. Auch wenn er nicht bezweifelte, dass Caarza tat, worum er sie gebeten hatte. Aber er wusste nicht, ob es nicht schon zu spät war. Ob Laru ihm überhaupt verziehen hatte oder ihn nicht doch für seinen Verrat hasste. Lore wusste nicht, was schlimmer war. So ging er mit hängenden Schultern zur Kutsche zurück. Dort warteten immernoch seine Eltern. Als er wieder in die Kutsche stieg, fragten sie ihn natürlich, was in ihm gefahren war. „Ich habe jemanden getroffen, den ich kannte!“, sagte er nur. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)