Weglaufen & Ankommen von Wintersoldier ([Remus Lupin/Nymphadora Tonks]) ================================================================================ Kapitel 1: beauty and the beast. -------------------------------- Ende Juni 1996 – St.-Mungo-Hospital für magische Krankheiten und Verletzungen Nymphadora Tonks wusste nicht, warum sie gerade in diesem Moment zur Tür sah. Vielleicht hatte sie gespürt, dass er kommen würde. Vielleicht war es purer Zufall gewesen. Vielleicht, weil es in diesem doofen Krankenzimmer ansonsten nichts zu tun gab und sie es daher sowieso einen Großteil der Zeit zur Tür schaute, in der Hoffnung, es würde etwas passieren, wenn sie das Bett schon nicht verlassen durfte. Vielleicht, weil es eine bessere Ablenkung war, als in ihre Gedanken zu versinken, in denen momentan Chaos herrschte – auf so vielen Ebenen. Als jedoch die Tür aufging und Remus Lupin einen Schritt in das Zimmer machte, machte auch ihr Herz einen Hüpfer und auf ihre Lippen legte sich ein Lächeln. Es tat so gut zu sehen, dass er lebte, dass es ihm gut ging und noch mehr, dass er offensichtlich nur kam, um sie zu sehen. War sie eben noch kurz davor gewesen, in ihre Gedankenwelt abzudriften, so lag nun ihre ganze Aufmerksamkeit auf dem Mann, der sich langsam ihrem Bett näherte. Tonks richtete sich in ihrem Bett etwas auf und beobachtete jeden seiner Schritte, bis Remus sich schließlich auf den Stuhl neben ihrem Bett setzte. Er wirkte müder als sonst, erschöpfter, und in seinen Augen hing eine Traurigkeit, die sie von ihm nicht gewohnt war. »Ich wollte nur sehen, ob es dir gut geht«, sagte er leise und lächelte leicht. Tonks hatte das Gefühl, seine Stimme schon viel zu lange nicht mehr gehört zu haben, auch wenn sie wusste, dass es gar nicht allzu lange her war. Dennoch sog sie den Klang in sich auf und war froh, nein, glücklich, dass er hier war. »Die paar Schrammen sind nichts«, antwortete sie ihm wahrheitsgemäß, denn die wenigen Blessuren, die sie davon getragen hatte, waren größtenteils schon verheilt, hatten ihr aber selbst davor schon keine großen Sorgen bereitet – es war nicht so, dass sie um ihr Leben hätte fürchten müssen. In ihrem Kopf beschäftigten sie hingegen ganz andere Gedanken, böse Gedanken. Was wäre wenn...? Was wäre, wenn sie Bellatrix hätte aufhalten können? Was wäre, wenn... »Es war nicht deine Schuld«, unterbrach Remus ihren Gedankengang, denn er hatte bemerkt, wie der Ausdruck in ihren Augen trauriger wurde, ihre Haare farbloser und sie langsam in eine andere Welt versank. Tonks schreckte kurz zusammen und sah wieder von ihren Händen auf, die mit dem Ende ihrer Bettdecke nervös gespielt hatten. »Aber -« »Kein Aber, Nymphadora«, sagte er beharrlich und bei dem Klang ihres Namens veränderte sich augenblicklich etwas in ihren Augen. Sie begangen zu funkeln. »Nenn' mich nicht Nymphadora, Lupin.« Manchmal war es so einfach, sie abzulenken. Ein Wort. Ein Name. Mehr brauchte man nicht und Tonks war für einen Moment nicht mehr beim eigentlichen Thema. Remus hatte gemerkt, dass sie manchmal sogar zu eben jenem Thema nicht mehr zurückfand, wenn ihr Name erst einmal gefallen war. Allerdings geschah dies selten, so selten, dass es sogar häufiger vorkam, dass sie auf ihren Namen nicht reagierte, sondern seine Erwähnung einfach ignorierte. Diesmal jedoch wusste sie noch, worüber sie gesprochen hatten, auch wenn sie seine Antwort offensichtlich hinnahm und ihre Gedanken in eine neue Richtung gingen und ihr einen anderen Aspekt eröffneten. Etwas, woran sie selbstverständlich schon gedacht hatte; etwas, woran sie sogar sehr häufig hatte denken müssen. »Sag mir, wie geht es dir?«, hakte sie nach einem Moment der Stille nach und Remus sah sie kurz verwirrt an. »Ich liege immerhin in keinem Krankenbett.« »Du weißt, dass ich das nicht meinte«, eröffnete Tonks ihm ruhig. Sie wusste, dass er durchaus verstand, was sie hatte sagen wollen, worauf sie anspielte, aber scheinbar musste sie es ihm direkt sagen. »Er war dein bester Freund, Remus. Tu' nicht so, als würdest du nichts fühlen. Red' darüber. Red' mit mir.« Remus jedoch schwieg und sah auf seine Hände und Tonks gab ihm die Zeit, darüber nachzudenken. Seine Gedanken zu ordnen, sich Worte zurecht zu legen. Der Tod von Sirius Black, dem letzten Freund, den Remus noch aus seiner Schulzeit hatte, war schon für sie kein einfaches Thema und dabei kannte sie ihn bei Weitem noch nicht so lange, hatte mit ihm nicht so viel erlebt wie Remus. Und sie wusste einfach, dass Remus noch nicht darüber gesprochen hatte, denn Remus sprach nie über seine Gefühle. Er war immer nur für andere da und stellte sich selbst und seine Gefühle hinten an und das konnte auf Dauer nicht gesund sein. »Bitte«, fügte sie schließlich nach einer Weile an und für einen Moment glaubte sie, als er zu ihr aufsah, dass er darüber reden würde. Dass er sich öffnen würde. Dass er sich ihr öffnen würde. Doch anstatt einer Antwort erhob sich Remus von seinem Sitzplatz. Er mied es wieder, ihr in die Augen zu schauen. »Du solltest dich ausruhen.« Und mit diesen simplen Worten machte es Klick in Tonks' Kopf. »Natürlich, der werte Herr Lupin flüchtet wieder vor einem Gespräch über Gefühle. Wie er es ja immer tut.« Tonks war lauter geworden als beabsichtigt. Eigentlich hatte sie nicht vorgehabt, ihn anzuschreien und nun war es doch dazu gekommen. »Und ich dachte, du seist ein Gryffindor.« »Nymphadora, fang' nicht wieder damit an.« »Womit? Dass ich dich liebe?« Tonks sah ihn bitter an. Sie hatte auch nicht vorgehabt, dieses Thema anzusprechen, aber wenn man es genau nahm, war das nun wirklich seine Schuld. »Das habe ich dir inzwischen schon so oft gesagt, dass es mich immer noch erstaunt, dass du der Ansicht bist, es würde sich wieder ändern.« Remus sah ihr wieder direkt in die Augen. »Du bist noch jung und -« »Welches Alter erachtest du denn für angebracht, um sich zu verlieben?« »Du weißt, dass ich das nicht so meinte«, rechtfertigte sich Remus, dessen Stimme langsam lauter wurde. Nur minimal, aber wahrnehmbar. »Wann verstehst du endlich, dass ich dich nur beschützen will?« »Wann verstehst du endlich, dass ich nicht will, dass du mich beschützt?« Tonks' Stimme zitterte leicht und ihr Blick glitt wieder auf ihre Hände. »Es ist mir egal, dass du ein Werwolf bist.« Remus ging einen Schritt von ihrem Bett weg, Tonks keinen Moment aus den Augen lassend. »Das sollte es aber nicht. Wenn du wüsstest, was gut für dich ist, müsste es dich sogar von mir fern halten.« »Ich denke, wir haben schon festgestellt, dass ich nicht weiß, was gut für mich ist«, platzte es unüberlegt aus Tonks heraus, die sich schon im nächsten Moment innerlich ohrfeigte. »Offensichtlich.« »Das war nicht -« Reflexartig ging ihr Blick wieder hoch, nach seinem suchend, doch Remus war bereits mit wenigen Schritten bei der Tür und verließ den Raum. Tonks blieb allein zurück und starrte noch eine ganze Zeit auf die geschlossene Tür, als hoffte sie, er würde wieder zurückkommen. Doch er kam nicht. . . . August 1996 – Fuchsbau Als Tonks in die Nähe des Fuchsbaus apparierte, war sie bereits klitschnass, denn in London hatte es geregnet und sie hatte wohl einen Moment zu lange in diesem Schauspiel gestanden. Aber der Regen hatte sich so gut angefühlt, dass sie nicht hatte widerstehen können, einen Augenblick innezuhalten. Früher hatte sie den Regenbogen geliebt, der sich häufig nach einem Regenschauer zeigte, er strahlte, hatte die unterschiedlichsten Facetten, war farbenfroh, lebendig und glücklich, aber inzwischen empfand sie den grauen Regenschleier als wesentlich echter und wahrer; er machte einem nicht vor, was nicht da war. Vor der Haustür des Fuchsbaus stehend, zögerte Tonks einen Moment. Es war später geworden, als sie gehofft hatte, denn sie hatte länger arbeiten müssen, und zudem war sie nicht einmal sicher, ob Molly Weasley überhaupt Zeit für sie hätte, auch wenn sie ihr angeboten hatte, dass sie immer kommen könnte, wenn sie jemanden zum Reden bräuchte (aber Tonks wusste auch, dass Molly damit sicher nicht die Probleme ihrer nicht vorhandenen Beziehung meinte). Außerdem wollte sie sich ihr nicht aufdrängen; sie wusste ja noch nicht einmal, was sie überhaupt sagen wollte, nur, dass sie darüber sprechen musste – und das nicht mit irgendwem. Ihrer inneren Eingebung folgend, klopfte sie schlussendlich doch und hörte fast augenblicklich, wie sich jemand im Haus bewegte. Erst jetzt fiel ihr auf, dass es erstaunlich ruhig war. Offensichtlich war ein Großteil der Weasleyfamilie bereits auf ihre Zimmer geschickt worden, anders konnte Tonks sich die Stille nicht erklären. »Wer ist da?«, erklang schließlich Molly Weasleys Stimme, ein wenig erstaunt, als würde sie nicht mit Besuch rechnen, überrascht, aber auch unsicher, wer wohl vor der Tür stand. Tonks holte einmal Luft, ehe sie ruhig antwortete. »Nymphadora Tonks. Metamorphmagus, Aurorin und Mitglied des Orden des Phönix.« »Tonks?« Mit einem leisen Knarren glitt die Tür zur Seite und eröffnete den Blick in das traute Heim der Familie Weasley. Molly sah aus wie immer; ein Stückchen kleiner als Tonks, ein wenig pummelig und in einen grünen Morgenmantel gehüllt, aber mit diesem gutmütigen Gesicht, welchem man die Wutausbrüche, für welche sie bekannt war, gar nicht unbedingt zutraute, wenn man sie nicht schon einmal erlebt hatte. Vielleicht hatte sie die ein oder andere graue Haarsträhne mehr bekommen seit dem letzten Mal, aber in dem roten Haar gingen sie erstaunlicherweise sowieso größtenteils unter. Ansonsten war niemand zu sehen. »Hallo, Molly«, begrüßte Tonks die ältere Frau vor sich und versuchte sich an einem Lächeln. »Wenn es gerade nicht passt, kann -« »Nein, nein, komm rein, Liebes.« Molly machte einen Schritt zur Seite und Tonks trat ein. »Du bist ja ganz nass, was hast du nur wieder angestellt?« Molly nahm ihr den Umhang, welchen sie trug, ab und hing ihn auf einen Haken, an dem sie vorbeikamen, während Tonks fast schon zur Küche geschoben wurde, wo sie auf einem der Stühle Platz nahm. Molly entging nicht, dass Tonks Haare nur noch ein blasser Abklatsch ihres sonst strahlend bononrosafarbenen Haares waren und es schien ihr, als hätten sie seit ihrem letzten Treffen noch mehr Farbe verloren, denn inzwischen waren sie mausbraun und äußerst unauffällig. »Möchtest du eine Tasse Tee?«, fragte Molly und sah Tonks besorgt an, was dieser natürlich nicht entging. »Gern.« Molly setzte einen Tee auf und die beiden schwiegen eine ganze Weile. Tonks wusste nicht, wie oder wo sie anfangen sollte, aber Molly schien offensichtlich darauf zu warten, dass sie etwas sagte. Das Pfeifen des Wasserkochers zog für einen Moment die Aufmerksamkeit beider Frauen auf sich und Molly goss den Tee auf. Als der Tee fertig war, gab Molly Tonks einen Becher und setzte sich zu ihr, doch die richtigen Worte wollten ihren Mund immer noch nicht verlassen, dabei lagen sie ihr auf der Zunge. »Du bist immer noch ganz nass«, stellte Molly schließlich fest, wahrscheinlich nur, um überhaupt etwas zu sagen. Vielleicht ein Versuch, ein Gespräch in Gang zu setzen, nachdem Tonks dabei kläglich versagte, »Das macht nichts«, wehrte Tonks ab, den Becher Tee mit ihren Händen fest umschlungen vor sich auf dem Tisch stehend, den Blick darauf fixiert. Ihre Haare waren trotz der Kapuze ihres Umhanges leicht nass geworden und auch sonst hatte der Umhang nicht die komplette Feuchtigkeit von ihr abgehalten. »Frierst du?«, hakte Molly sicherheitshalber mütterlich nach, was Tonks ein kleines Lächeln auf die Lippen zauberte, welches jedoch sehr schnell wieder verschwand. Tonks sah zu ihr auf. »Nein, wirklich... es ist... das ist... mir... ich-«, setzte sie an, immer noch nach Worten suchend. Die ältere Frau sah sie aufmunternd an. »Geht es um-« »Nein.« Molly blieb ruhig, obwohl Tonks wusste, dass sie es nicht mochte, wenn man ihr das Wort abschnitt. »Du weißt nicht, was ich sagen wollte.« »Ob es um Sirius geht.« Tonks sprach den Namen zögerlich aus, als wollte er nicht leicht über ihre Lippen kommen. »Alle glauben immer, es geht um ihn.« »Um wen geht es dann?« »Um -« Tonks biss sich nervös auf die Lippe. »Molly, das mir dir und Arthur, woher wusstest du, dass ihr füreinander bestimmt seid?« »Oh«, sagte Molly und lächelte herzlich. »Es geht also um Remus.« Tonks hätte fast ihren Becher voll Tee umgestoßen, als sie bei der Erwähnung seines Names zusammenzuckte. Erst wurde sie blass und dann entwickelte sich eine feine Röte um ihre Nase. »Wieso -« »Liebes«, unterbrach Molly sie augenblicklich, ehe Tonks ihre Frage hatte ausformulieren können, »abgesehen davon, dass ich eine Frau bin, genug Kinder habe, bei denen ich beobachten kann, wie sie sich verhalten, wenn sie sich Hals über Kopf verlieben, und alt genug, um es häufig genug miterlebt zu haben, -« »Schon gut.« Tonks sah leicht bedrückt in ihre Teetasse. Einerseits hatte sie gehofft, dass Molly es wissen würde, andererseits wäre es ihr lieber gewesen, wenn niemand sonst davon wüsste, wenn man es nicht so einfach durchschauen könnte und ihr war unwohl zumute, wenn sie daran dachte, dass es alle wissen könnten. Zur Sicherheit hakte sie aber lieber nach. »Weiß Arthur -« »Nein.« Molly lachte herzhaft. »Es würde mich zumindest verwundern, wenn er es bemerkt hätte.« »Hm«, machte Tonks nur und nahm zum ersten Mal einen Schluck ihres Tees – weniger weil sie Durst hatte, sondern viel mehr, damit sie nichts sagen musste und einen Moment nachdenken konnte. Der Tee wärmte sie und nahm ihr ein wenig der Kälte, aber nun war ihr flau im Magen. Außerdem hatte sie das Gefühl, dass Arthur sehr wohl davon wusste. »Viel wichtiger wäre doch auch«, fing Molly wieder an und ein besorgter Unterton schwang in ihrer Stimme mit, »ob Remus es weiß.« Tonks' Gesichtsausdruck wurde bitter und obwohl kein Wort über ihre Lippen kam, reichte Molly die Antwort und sie erwartete gar nicht, dass Tonks es erklärte. »Und wo ist dann das Problem?«, hakte sie stattdessen nach. Tonks stellte ihre Teetasse wieder vor sich ab, behielt sie jedoch in den Händen, ehe sie zu Molly sah und nüchtern abspulte, was sie viel zu häufig hatte zu hören bekommen. »Er ist zu alt für mich, zu arm und zu gefährlich.« »Das ist doch lächerlich«, warf Molly empört ein. »Wer erzählt denn so einen Quatsch?« Tonks blinzelte einmal verwirrt, ehe sie realisierte, was Molly gerade gesagt hatte, und keinen Augenblick später ertönte das erste ehrliche Lachen von ihr seit langer Zeit. Sie wusste nicht, was sie erwartet hatte, aber am ehesten wohl, dass sie der Argumentation zustimmen würde; mit Sicherheit jedoch nicht, dass Molly es einfach als lächerlich abtun würde – und dies war ein Grund mehr, weshalb Tonks wirklich froh darüber war, zu ihr zu kommen und mir ihr darüber zu reden. »Oh, dieser Idiot«, entkam es Mollys Mund, als sie wohl eins und eins zusammengezählt hatte. »Das ist doch nicht sein Ernst -« Es klopfte dreimal an der Hintertür und die beiden Frauen zuckte kurz zusammen, weil es völlig unerwartet kam. Tonks fragte sich, ob Molly wohl noch Besuch erwartete, konnte sich aber nicht vorstellen, wer zu so später Stunde noch vorbeikam – sah man davon ab, dass sie auch nicht besser war. »Wer ist da? Geben sie sich zu erkennen«, fragte sie ängstlich nach und Tonks bemerkte, wie sich alles in ihr anspannte. Offensichtlich erwartete sie keinen Besuch. »Ich bin's, Dumbledore, ich bringe Harry vorbei.« Molly entspannte sich und öffnete die Tür sofort, schien aber dennoch ein wenig erstaunt. »Harry, mein Lieber! Du meine Güte, Albus, hast du mich erschreckt, du sagtest, wir sollten dich nicht vor dem Morgen erwarten.« »Wir hatten Glück«, fing Dumbledore an, als er Harry über die Türschwelle schob und irgendwie wusste Tonks, dass sich ihr Gespräch mit Molly für heute erledigt hatte. »Slughorn war um einiges nachgiebiger, als ich erwartet hatte. Das ist natürlich Harry zu verdanken. Ah, hallo Nymphadora!« Tonks lächelte gezwungen. »Hallo, Professor. Tag auch, Harry.« »Hi, Tonks.« »Ich verschwinde jetzt besser«, sagte Tonks schnell, stand auf und ging zu der kleinen Gadrobe. Sie zog sich den immer noch nassen Umhang über die Schultern und schien auf einmal sehr unruhig. »Danke für den Tee und dein Mitgefühl, Molly.« »Bitte geh doch nicht meinetwegen.« Dumbledore lächelte höflich. »Ich kann nicht bleiben, ich habe dringende Angelegenheiten mit Rufus Scrimgeour zu besprechen.« »Nein, nein, ich muss los«, erwiderte Tonks. Sie sah Dumbledore nicht in die Augen. Es war sowieso besser, wenn sie jetzt ging, immerhin hatte sie Molly schon lange genug auf Trab gehalten. »Nacht -« »Meine Liebe, wie wäre es, wenn du am Wochenende zum Abendessen kämst, Remus und Mad-Eye kommen auch -?«, fing Molly an, aber Tonks unterbrach sie, ehe sie weitersprechen konnte. »Nein, wirklich, Molly... aber vielen Dank... Gute Nacht, alle miteinander.« Tonks eilte an Dumbledore und Harry vorbei, ging ein paar Schritte hinaus in den Hof. Sie sah nicht mehr zurück, sondern wirbelte direkt herum, apparierte und löste sich somit in Luft auf. Doch es würde nicht lange dauern, ehe sie wiederkommen würde, um mit Molly zu reden, wann immer sie konnte, auch wenn sie die Einladungen zu den gemeinsamen Abendessen immer ablehnen würde... . . . Heiligabend 1996 – Fuchsbau »Ich habe die liebe Tonks für heute eingeladen«, sagte Mrs Weasley, stellte die Karotten unnötig heftig auf den Tisch und funkelte Fleur an. »Aber sie wollte nicht kommen. Hast du in letzter Zeit mal mit ihr gesprochen, Remus?« »Nein, ich hatte mit niemandem viel Kontakt«, sagte Lupin. »Aber Tonks hat doch ihre eigene Familie, da kann sie hingehen, oder nicht?« »Hmm«, machte Mrs Weasley. »Vielleicht. Ich hatte eher den Eindruck, dass sie vorhatte, Weihnachten allein zu feiern.« . . . Weihnachten 1996 – Tonks' Apartment Draußen war es bereits dunkel geworden, dabei war es erst später Nachmittag oder allenfalls früher Abend. Vielleicht war es aber auch schon später, Tonks wusste es nicht und es war ihr eigentlich egal. Es schneite seit Stunden, doch in der Dunkelheit konnte man die weißen Schneeflocken kaum noch ausmachen, die weiterhin beharrlich zum Boden segelten. Tonks saß auf dem Fußboden ihres Wohn- und Schlafzimmers, die Beine angezogen und lehnte gegen die Wand hinter sich. Ihre Haare waren für ihre Verhältnisse äußerst trostlos und in dem herrschenden Licht wirkte sie noch blasser als sie ohnehin schon war. Über ihr Sofa und den Teppich waren einige ihrer Kleidungsstücke verteilt, als hätte sie sich nicht die Mühe gemacht, diese in die dafür vorgesehene Kommode zu legen, von welcher ein paar Schubladen offen standen. Ebenso lagen einige Bücher und anderer Krimskrams hier und da verstreut und sicher nicht dort, wo man normalerweise zuerst nach ihnen suchen würde, aber wenn man genauer hinsah, konnte man auch hinter dieser Unordnung ein System erkennen. Zumindest redete Tonks sich jenes gerne ein. Das einzige Licht, welches den Raum erhellte, war der bläuliche Schein des Patronus, der eine angenehme Wärme ausstrahlte und von welchem Tonks nicht genau wusste, warum sie ihn überhaupt heraufbeschworen hatte. Vielleicht um sicherzugehen, dass sie es noch konnte. Vielleicht, weil sie an Weihnachten nicht alleine sein wollte, auch wenn sie ihren Eltern ihre momentane Gefühlslage nicht antun konnte – weshalb sie sie nur kurz besucht hatte und dann wieder gegangen war. Vielleicht um sich selbst vor Augen zu führen, wie dumm sie doch war. Dumm, sich gerade in dieser Zeit zu verlieben und auf ihr Glück zu hoffen. Der bläulich schimmernde Werwolf vor ihr legte den Kopf schief und sah sie weiterhin neugierig an. Tonks musterte ihn eingehend, als ihr die Worte von Severus Snape durch den Kopf gingen, welche er ihr erst vor wenigen Monaten an den Kopf geknallt hatte. Ich finde, mit dem alten warst du besser dran. Der neue macht mir einen schwächlichen Eindruck. Tonks lachte kurz bitter auf. Ja, vermutlich hatte er recht, denn ihr Patronus schien wirklich nicht das Prachtexemplar eines gefährlichen, großen, angsteinflößenden Werwolfs darzustellen. Ihr Patronus war kein Monster - aber wahrscheinlich lag das daran, dass sie ihn nicht als solches sah – und wirkte auf faszinierende Art und Weise harmlos im Vergleich zu dem, was man sich unter einem Werwolf wohl eigentlich vorstellen sollte. Eigentlich... Tonks seufzte und ließ ihren Patronus wieder verschwinden, blieb im Dunkeln zurück und mit einem Mal schien es im Raum um einige Grad kälter geworden zu sein. Warum musste auch gerade ihr das passieren? Warum musste sie sich in den Mann verlieben, der sich selbst als Monster sah und sie daher ablehnte, ohne ihr auch nur eine Chance zu geben? Warum musste sie sich überhaupt verlieben? Dabei müsste sie doch ganz andere Sorgen haben, schließlich gab es wichtigeres und doch... Inzwischen glaubte sie, dass es ihre Strafe war. Ihre Strafe dafür, gerade in diesen schweren Zeiten naiv genug zu sein, auf die große Liebe zu hoffen. Ihre Strafe dafür, dass sie tatsächlich davon ausgegangen war, ein wenig Glück finden zu können, während es so vielen Anderen versagt war. Ihre Strafe für ihren Egoismus. »Liebe ist überflüssig«, flüsterte sie in die Stille hinein, als würde es ihr helfen, sich davon zu überzeugen, wenn sie es aussprach. Als würde es ihr helfen, damit aufzuhören. Doch es klang so unendlich falsch, dass sie daraufhin nur das Gesicht verzog. Liebe war genauso grausam wie wundervoll, so schrecklich wie richtig, so herzzerreißend wie herzerwärmend und hatte man sich erst einmal in ihrem Netz verfangen, kam man nicht so schnell wieder davon los, aber mit Sicherheit war sie alles andere als überflüssig. Liebe war ein Geschenk, auch wenn Tonks das Gefühl hatte, ihres zu einem denkbar ungünstigen Zeitpunkt bekommen zu haben. Mit schmerzenden Gliedern erhob Tonks sich und merkte sofort, dass sie eindeutig zu lange in dieser Position verharrt hatte. Einen Moment blieb sie einfach nur stehen, nicht wissend, was sie eigentlich hatte tun wollen, nachdem sie aufgestanden war. Dann klopfte es plötzlich an der Tür. Beim ersten Mal bemerkte Tonks es nicht; erst beim zweiten Mal ging ihr Blick durch den Flur zur Wohnungstür und es dauerte einen weiteren Augenblick, bis ihr Kopf verarbeitet hatte, dass offenbar jemand vor ihrer Tür stand und ihrem Körper zu verstehen gab, dass sie sich auch dorthin bewegen musste. Und wäre Tonks geistig ein wenig anwesender gewesen, hätte sie vermutlich nachgefragt, wer dort vor ihrer Tür stand. Sie wäre auf Nummer sicher gegangen, schließlich konnte man sich in diesen Zeiten keinen Fehler erlauben. Doch sie war verwirrt und überrascht und durcheinander und tat somit das, was sie normalerweise und reflexartig immer tat, wenn jemand vor der Tür stand. Sie schaltete das Licht im Flur ein, öffnete die Tür... … und blickte in das Gesicht der Person, welche sie mehr als alles andere sehen wollte und dessen Anblick sie dennoch schmerzte wie kaum ein anderer. »Remus?«, flüsterte sie überrumpelt, während ihr Herz nach dem kleinen Aussetzer wieder anfing, zu schlagen. Remus lächelte leicht. »Hallo, Nymphadora.« »Was machst du hier?« Seine Begrüßung hatte sie kaum wahrgenommen, denn langsam breitete sich ein warmes Glücksgefühl aus, welches sie bei seinem Anblick nicht zu unterdrücken vermochte und welches sie vollends aus der Bahn warf, nachdem sie den ganzen Tag ihren deprimierten Gedanken nachgehangen hatte. »Niemand sollte an Weihnachten alleine sein«, war Remus' kurze Antwort, doch Tonks hatte in dem Moment bereits wieder vergessen, was sie überhaupt gefragt hatte. Wenigstens bekam sie inzwischen mit, was er sagte und starrte ihn nicht nur fasziniert an als stünde der Weihnachtsmann persönlich vor ihrer Tür. Sie verkniff sich den Kommentar, dass es seine Schuld war. Stattdessen ging sie einen Schritt zur Seite und ließ ihn herein. »Ich hätte bei meinen Eltern sein können.« »Bist du nicht.« Es war eine simple Feststellung, während Remus sich in ihrer kleinen Wohnung umsah. Erst jetzt fiel Tonks das Chaos wieder ein, welches momentan herrschte - welches eigentlich immer herrschte – und ihre Wangen färbten sich peinlich berührt leicht rosa, aber sie machte gar nicht erst den Versuch, ein wenig mehr Ordnung hineinzubringen. Jetzt wie ein aufgescheuchtes Huhn durchs Zimmer zu wirbeln wäre noch peinlicher. Tonks biss sich nervös auf die Unterlippe. »Du redest seit Monaten nur noch das Nötigste mit mir und gehst mir aus dem Weg, wo du nur kannst. Und -« »Ich dachte es wäre einfacher«, unterbrach Remus sie rasch und ging einen Schritt auf sie zu, sodass er direkt vor ihr stand. »Einfacher?« Tonks sah zu ihm hoch. »Einfacher wäre es, wenn du uns eine Chance geben würdest und nicht so verdammt stur wärst.« Tonks' Worte wurden zum Ende leiser, während ihre Augen die seinen fixierten. Die Wärme, die von seinem Körper ausging, sowie sein Geruch lullten sie langsam ein und sie wurde sich seiner Nähe immer bewusster. Erst jetzt bemerkte sie, wie sehr sie ihn tatsächlich vermisst und wie sehr er ihr gefehlt hatte. Und es war wohl dieser Moment, in dem ihr endgültig bewusst wurde, dass es immer so sein würde. Dass es nicht einfach aufhörte oder sich veränderte oder in seiner oder ihrer Macht läge, etwas daran zu ändern. Sie gehörte einfach zu ihm, auch wenn er es anders sehen mochte. »Heirate mich.« Es war nur ein Flüstern, ein Gedanke, den sie nicht hatte aussprechen wollen und der doch ihren Lippen entwich und das vielleicht zu einem ungünstigen Zeitpunkt – wahrscheinlich war es jedoch eher der beste, den sie jemals dafür haben würde. Auch Remus schien einen Moment überrascht, bevor Tonks in seinen Augen einen Ausdruck sah, welchen sie so noch nie gesehen hatte. Und dann lächelte er. »Fröhliche Weihnachten, Nymphadora.« Als sich seine Lippen auf die ihren legten, setzte ihr Herz kurz aus und ihre Augen schlossen sich automatisch. Es war ein sanfter Kuss, anders als ihr erster, welchen sie ihm vor einem guten Jahr unter einem Mistelzweig gegeben hatte, viel ruhiger und nicht so überstürzt und obgleich er nicht lange andauerte, war er für Tonks perfekt. Sie wusste, es war keine Antwort auf ihre Frage, denn sie würde keine Antwort bekommen, und sie wusste, dass er nicht mehr da sein würde, wenn sie die Augen öffnen würde, deshalb behielt sie sie einige Augenblicke länger als nötig geschlossen und öffnete sie erst, als auch ihr Herz wieder anfing, in einem regelmäßigeren Takt zu schlagen. Allein. Schon wieder. Und doch... war es das erste Mal dieses Weihnachten, dass Nymphadora Tonks wahrhaftig glücklich war, denn da war er wieder. Dieser kleine Funke Hoffnung. . . . 30. Juni 1997 – Hogwarts, Krankenflügel »Da siehst du mal!«, sagte eine angespannte Stimme. Tonks blickte Lupin finster an. »Sie will ihn trotzdem heiraten, obwohl er gebissen wurde! Es ist ihr egal!« »Das ist was anderes«, sagte Lupin, der kaum die Lippen bewegte und plötzlich nervös wirkte. »Bill wird kein richtiger Werwolf sein. Die beiden Fälle sind vollkommen -« »Aber mir ist es auch egal, mir ist es egal!«, sagte Tonks, packte Lupin vorn am Umhang und zerrte daran. »Ich hab dir tausendmal erklärt...« [...] »Und ich hab dir tausendmal erklärt«, erwiderte Lupin, der ihr nicht in die Augen blicken wollte und stattdessen zu Boden sah, »dass ich zu alt für dich bin, zu arm... zu gefährlich...« »Ich sage dir schon die ganze Zeit, dass du dich in diesem Punkt lächerlich verhältst«, sagte Mrs Weasley über Fleurs Schulter, während sie ihren Rücken tätschelte. »Das ist nicht lächerlich«, erwiderte Lupin unnachgiebig. »Tonks hat jemanden verdient, der jung und gesund ist.« »Aber sie will dich«, sagte Mr Weasley mit einem leisen Lächeln. »Und im Übrigen, Remus, bleiben junge und gesunde Männer nicht unbedingt so.« Er deutete traurig auf seinen Sohn, der zwischen ihnen lag. »Das ist... nicht der Moment, um darüber zu diskutieren«, sagte Lupin und mied die Blicke der anderen, während er verwirrt umhersah. »Dumbledore ist tot...« »Dumbledore hätte sich mehr als jeder andere gefreut, wenn er erfahren hätte, dass ein wenig mehr Liebe in der Welt ist«, sagte Professor McGonagall schroff, und in diesem Augenblick öffneten sich die Türen des Krankenflügels erneut und Hagrid kam herein. . . . 30. Juni 1997, später – Tonks' Apartment Tonks' Wohnung war so unaufgeräumt wie immer, als sie sie betraten. Remus hatte Tonks nach Hause begleitet, nachdem Molly meinte, es wäre unverantwortlich nach so einem Tag alleine zu gehen. Tonks war sie nicht sicher, ob er es deshalb getan hatte oder weil er selbst nicht alleine sein wollte, aber sie glaubte eher, dass es Letzteres war, denn er schien ein wenig weggetreten und in Gedanken versunken und sie hätte liebend gern gewusst, worüber er nachdachte. Dumbledores Tod hatte ihn aus der Bahn geworfen, das spürte sie, aber ihr fielen keine passenden Worte ein, welche sie ihm sagen könnte, und so empfand sie es als sinnvoller einfach zu schweigen. Remus' Blick war abwesend und während es so schien, als würde er das Zimmer mustern, starrte er im Grunde ins Leere. Tonks hatte ihn noch nie so gesehen, so zerbrechlich und verloren als wäre seine komplette Welt ins Wanken geraten, und sie hätte ihn nur zu gerne in die Arme genommen, aber sie war sich nicht sicher, ob er dann nicht wieder auf Abstand gehen würde und in diesem Zustand hatte sie lieber ein Auge auf ihn, als ihn draußen alleine herumlaufen zu lassen, und so tat sich nichts, sondern wartete einfach nur ab. Nach einer gefühlten Ewigkeit drehte er sich schließlich zu ihr um und sah ihr direkt in die Augen. Tonks wusste immer noch nicht, was sie machen sollte und so blieb sie einfach stehen und biss sich leicht auf die Unterlippe, den Drang, ihn doch noch in den Arm zu nehmen, ignorierend. Und worüber auch immer er nachgedacht hatte, er schien in diesem Augenblick zu einem Ergebnis gekommen zu sein, denn der Ausdruck in seinen Augen veränderte sich, wurde wärmer. Die Worte, die schließlich seinen Mund verließen, waren leise und doch erfüllten sie den ganzen Raum. »Ich liebe dich.« Ein leichtes Lächeln legte sich auf Tonks' Lippen. »Ich weiß.« Und in diesem Moment veränderte sich etwas zwischen ihnen. Vielleicht lag es daran, dass er es das erste Mal ausgesprochen hatte, denn wenngleich sie es bereits gewusst hatte, so schien es, als wäre dadurch die Mauer, welche sie bisher getrennt hatte, plötzlich in Trümmern und müsste nur noch vorsichtig überquert werden. Denn da war sie – ihre Chance. . . . 2. August 1997 – Tonks' Apartment »Das ist alles so falsch«, sprach Remus, während er vor Tonks, welche auf dem Sofa saß, auf und ab ging, nervös, aufgewühlt und durcheinander. Tonks beobachtete ihn gespannt und beunruhigt, weil sie nicht sicher war, was genau gerade durch seinen Kopf ging und worauf es hinauslaufen würde. Remus war seit dem Zwischenfall auf der Hochzeit von Bill und Fleur schon so aufgebracht und unruhig und inzwischen hatte Tonks ein wirklich ungutes Gefühl, dabei sollte sie doch über alles andere glücklich sein. Sie hatte Remus, sie waren verheiratet, sie erwarteten ein Kind... »Ich sollte gar nicht hier sein«, erklang erneut Remus' Stimme. »Selbstver-«, setzte Tonks an, doch Remus sprach einfach weiter. »Ich hätte dich da niemals mit reinziehen dürfen. Es war ein Fehler, dass ich nachgegeben habe. Dass ich dich geheiratet habe, dass ich dir das angetan habe. Und das auch noch gerade in diesen Zeiten. Meinetwegen führst du ein Leben, das gar nicht für dich bestimmt war. Es sollte dir viel besser gehen; du solltest nicht als Ausgestoßene leben müssen, sondern ein schönes Leben führen. Ein glückliches. Ein ungefährliches...« Tonks spürte, wie sich langsam Tränen in ihren Augenwinkeln sammelten, aber sie riss sich zusammen, sie nicht ins Laufen zu bringen. Sie hatte so gehofft, dass sie dieses Thema hinter sich gelassen hätten, dass sie glücklich wären. »Aber-« »... und das Kind.« Remus schien sie nicht einmal zu bemerken, während er mehr mit sich selbst sprach als irgendjemandem anders; sein Blick ungewohnt ausdruckslos. »Es wird mich hassen, dafür, dass es genauso sein wird wie ich. Dafür, dass ich Leben in diese Welt gesetzt habe, das ist wie ich, obwohl ich doch weiß, wie schrecklich es ist. Dafür, dass ich ihm ein Schicksal aufgedrückt habe, welches es zu ertragen hat. Dafür, dass gerade ich sein Vater bin. Und sollte es wider Erwarten nicht so sein wie ich, so wäre es ohne mich als Vater tausendmal besser dran. Hätte Chancen, auf ein besseres Leben, in dem es sich nicht für mich zu schämen bräuchte. In dem es vielleicht glücklich werden könnte, wenn man die Verbindung zu mir gar nicht kennen würde.« Tonks' Magen verzog sich schmerzhaft. Sie wusste, dass sie über ihr ungeborenes Kind noch sprechen müssten, denn er hatte bisher, seit sie ihm davon erzählt hatte, noch nichts dazu gesagt. Aber sie hatte gehofft, so gehofft, dass er sich damit arrangieren würde, denn er schien es besser aufgenommen zu haben, als sie erwartet hätte und doch... ihr wurde schlecht, während er darüber sprach, wie er über das Kind dachte. Wie er über ihre Beziehung dachte. »Remus-«, startete sie einen neuen Versuch, ihn zur Vernunft zu bringen, als er plötzlich auf der Stelle stehen blieb und sie ansah. Tonks entdeckte Panik in seinen Augen, aber auch eine beängstigende Entschlossenheit. »Ich sollte gar nicht hier sein.« Durch die Art und Weise, wie er diese Worte aussprach, war Tonks bewusst, dass er einen Entschluss gefasst hatte. Er würde sie verlassen, weil er es mal wieder für das Beste hielt, denn die Panik hatte die Oberhand gewonnen. Sie würde alleine zurückbleiben und ihn erneut verlieren. »Remus.« Tonks stand von dem Sofa auf und ging auf ihn zu, aber diese kleine Bewegung reichte aus, um auch ihn wieder aus seiner Starre zu lösen und plötzlich ging er eilenden Schrittes Richtung Wohnungstür und ins Treppenhaus. Tonks lief ihm hinterher, stellte sich ihm in den Weg, aber er ließ sich nicht davon abbringen, sah durch sie hindurch, als wäre sie gar nicht dort, der Blick leer. »Remus! Remus, beruhige dich… Remus! … « Stufe für Stufe näherten sie sich der Eingangstür und sie wusste, wenn sie ihn nicht aufhalten würde, bevor er diese Tür durchschritt, würde er weg sein. »So hör' mir doch zu und lauf' nicht einfach weg!« Sie erreichten die letzte Treppe, doch Remus wurde immer noch nicht langsamer und zeigte auch keine Anzeichen, dass er überhaupt wahrnahm, was sie sagte oder machte. »Remus, bitte.« Tonks blieb am Treppenabsatz stehen und sah, wie der Mann, den sie liebte, die Eingangstür öffnete, sich nicht einmal mehr umsah, kein weiteres Wort verlor und mal wieder aus ihrem Leben verschwand. »Geh nicht«, kam, kaum war die Tür geschlossen, über ihre Lippen, als würde sie hoffen, er würde es noch hören. Sie wusste, sie würde ihn nicht mehr finden, wenn sie die Tür nun öffnete, da er bereits um die nächste Ecke verschwunden und appariert sein würde. Und sie wusste, dass sie keine Chance hatte, ihm zu folgen oder ihn auf irgendeine Weise zu finden und er würde nicht reagieren, wenn sie versuchte, ihm eine Nachricht zu schicken. Erschöpft ließ sie sich auf eine der unteren Treppenstufen fallen. Tonks starrte immer noch die Tür an, als würde sie sich plötzlich wieder öffnen und Remus würde wieder hindurch treten. Sie wusste, dass er panisch geworden war. Dass er nicht klar hatte denken können. Dass er einen Teil dessen, was er gesagt hatte, nicht so meinte, sondern nur die Angst aus ihm gesprochen hatte. Und doch versetzten seine Worte ihr einen schmerzhaften Stich. Sie holte tief Luft und versuchte, sich zu beruhigen, doch als die erste Träne sich schließlich auf ihren Weg machte, konnte sie auch weitere nicht mehr zurückhalten. Es war das erste Mal, dass sie sich nicht nur alleine, sondern einsam fühlte, weil er gegangen war. In ihr breitete sich eine unangenehme Leere aus, das Gefühl, etwas verloren zu haben, dass nicht so schnell zu ihr zurückfinden würde... Aber ganz gleich, wie lange es dauern sollte, sie würde warten. . . . August 1997 – Grimmaultplatz 12 »Du verstehst das nicht«, sagte Lupin endlich. »Dann erklär's«, sagte Harry. Lupin schluckte. »Ich – es war ein großer Fehler von mir, Tonks zu heiraten. Ich habe es wider besserer Einsicht getan und bereue es seither zutiefst.« »Ich verstehe«, sagte Harry, »du lässt sie und das Kind jetzt also einfach im Stich und haust mit uns ab?« . . . November 1997 – Haus von Andromeda und Ted Tonks Es war Mitte November, als Remus Lupin sich im Regen stehend vor dem Haus der Familie Tonks wiederfand. Seit Anfang des Monats schien es unentwegt zu regnen und es machte auch nicht den Anschein, dass es demnächst wieder aufhören würde. Ab und zu ließ der Regen nach, nur um kurz darauf wesentlich stärker wieder einzusetzen. Der Boden war rutschig, matschig und überzogen von großen Pfützen. Remus stand nun schon eine ganze Weile vor der Haustür, war entsprechend nass und zögerte immer noch, ob er klopfen sollte. In den letzten Tagen war er immer wieder in die Nähe des Hauses appariert, hatte beobachtet, ob es ihnen gut ging und sie da waren, nur um sich dann doch dazu zu entschließen, wieder zu gehen, bevor sie ihn entdecken konnten. Vorerst hatte ihm das Wissen gereicht, dass es ihnen, dass es ihr gut ging. Es weckte neue Zweifel in ihm, ob es nicht tatsächlich besser wäre, wenn er fort blieb; Zweifel, die rechtfertigten, warum er abgehauen war. Aber dennoch zog es ihn immer wieder zurück und neben den Zweifeln verankerte sich ebenso die Einsicht, dass es falsch gewesen war. Er wusste nicht, was ihn erwarten würde, wenn er den entscheidenden Schritt endlich tat und auf sich aufmerksam machte, aber die Tatsache, dass er bereits vor der Haustür stand, bestätigte ihm zumindest, dass er bereit dazu war, was auch immer kommen würde. Er müsste es nur darauf ankommen lassen... Der Klang des Klopfens klang merkwürdig hohl und gleichzeitig viel zu laut in seinen Ohren. Und auch die Zeit, bis Andromeda Tonks ihm die Tür öffnete, um ihn misstrauisch zu begutachten, erschien ihm viel zu lang. Andromeda Tonks war eine hübsche Frau, welche ihrer Schwester auf den ersten Blick zum Verwechseln ähnlich sah, aber bei Weitem keine so bösartige Aura ausstrahlte, obwohl sich Remus der Verbindung zur Familie der Blacks noch nie so sicher war wie in diesem Moment. Sie sagte kein Wort, aber er spürte die momentane Abneigung, welche sie ihm gegenüber empfand. »Wer ist es denn?«, fragte plötzlich Tonks und erschien ebenfalls im Türrahmen, um ihren Besucher sehen zu können. Als sie Remus jedoch erkannte, erstarrte sie für einen Moment in ihrer Bewegung und sah ihn einfach nur an und Remus wurde unter dem Blick ein wenig unwohl und gleichzeitig breitete sich Freude in ihm aus, sie endlich wieder aus der Nähe zu sehen; die Schwangerschaft konnte man ihr inzwischen ansehen (und Remus vermochte nicht einzuordnen, ob er deswegen tatsächlich etwas Stolz empfand). »Mum?« Tonks' Blick lag immer noch auf Remus, als Andromeda ihre Tochter aufgrund der knappen Aufforderung kurz von der Seite musterte, offensichtlich etwas einwenden wollte, dann allerdings nur noch einen bösen Blick zu Remus warf und im Haus Richtung Küche verschwand. Die beiden Verbliebenen schwiegen eine Weile. Tonks wartete und Remus wusste einfach nicht, was er sagen sollte oder wo er anfangen sollte. Alles, was er sich an Worten im Kopf zurecht legte, erschien ihm im nächsten Moment schon wieder abgedroschen oder falsch zu verstehen. Und er wollte nicht, dass sie ihn gerade jetzt falsch verstand. »Sieben Tage Regenwetter und immer noch kein Ende in Sicht«, durchbrach schließlich Tonks' Stimme die Stille, vermutlich, weil sie irgendetwas sagen musste – sie konnte nie lange den Mund halten. Remus sah sie kurz verwundert an. »Ich mag Regen - beruhigt die Seele.« »Aber doch nicht wenn man darin absäuft!«, erwiderte Tonks empört und für einen Moment kam es Remus so vor, als sei alles beim Alten. Aber das war es nicht und das wusste er auch. Tonks musterte ihn wieder eingehend, als sei sie nicht sicher, ob er tatsächlich und wahrhaftig vor ihr stünde. Er hatte sich auch nicht zu erkennen gegeben, nichts gesagt, was verifizieren würde, dass es sich bei ihm auch um Remus John Lupin handelte. Etwas, was er nachholen musste, wenn er wollte, dass sie ihm zuhörte, denn er war sich sicher, dass sie ihm andernfalls sowieso nicht glauben würde. »Du hast mich das erste Mal kurz vor Weihnachten 1995 geküsst. Sirius hat sich gefreut wie ein Kleinkind, dass sein Plan mit dem Mistelzweig aufgegangen war, während ich dich einen Moment nur perplex anschauen konnte, nicht fähig, auch nur irgendetwas zu sagen. Du hast frech gegrinst, dich umgedreht und kurz darauf eine Weihnachtskugel fallen lassen, woraufhin Molly dich aus dem Raum gejagt hat. Zwei Monate später hast du mir das erste Mal deine Liebe gestanden.« Ein Lächeln legte sich auf Remus' Gesichtszüge, während er daran zurückdachte, und Tonks schwieg, ging aber einen Schritt zur Seite, damit er eintreten konnte. Jetzt wo sie sicher sein konnte, dass er war, wer er vorgab zu sein, hatte er gehofft, irgendeine Regung in ihrer Mimik oder Gestik erkennen zu können, aber Tonks blieb undurchschaubar für ihn und Remus konnte noch nicht abschätzen, ob es gut oder schlecht war, dass sie ihn noch nicht anschrie. Immerhin vermutete er richtig, dass sie erwartete, dass er sich erklären würde. »Ich war ein Idiot.« Immer noch keine Reaktion, also sprach er einfach weiter. »Was ich gesagt habe, was ich damals in meiner Panik von mir gegeben habe... tut mir Leid. Ich weiß, dass es dich verletzt hat und ich wünschte, ich könnte es ungeschehen machen. Ich bin ein Narr und ein Volltrottel, dass ich geglaubt habe, das Beste in meinem Leben einfach so hinter mir lassen zu können. Ich hätte dich niemals alleine lassen sollen. Ich -« Tonks sah ihn weiterhin auffordernd an, als er kurz abbrach, um nach den richtigen Worten zu suchen. Scheinbar wollte sie immer noch nichts sagen, was Remus langsam aber sicher in den Wahnsinn trieb. Nervös war er auch so schon genug, konnte sie ihn nicht einfach anschreien? Irgendwie hatte er das Gefühl, es würde die Angelegenheit ungemein erleichtern, wenn sie es täte. Stattdessen musste er seinen Monolog weiter fortführen. »Ich liebe dich. Und die Zeit mit dir war mit die glücklichste in meinem Leben. Ich... ich weiß, dass diese Einsicht vielleicht etwas spät kommt und dass ich ein schwieriger Fall bin. Es ist mit mir alles andere als leicht, aber wenn du mir noch eine Chance geben könntest...«, Remus holte tief Luft, »... wenn du uns noch eine Chance geben könntest, dann verspreche ich dir, dass ich nicht wieder weglaufen werde. Dass ich da sein werde. Für dich. Und für unser Kind. Und ich werde -« Remus brach ab, als er die Tränen sah, die sich in Tonks' Augenwinkeln bildeten. Kurz darauf hörte er sie schniefen und dann fing sie an zu weinen, warf sich ihm in die Arme und drückte ihn an sich. Er brauchte einen Moment, eher er seine Arme vorsichtig um sie legte und sie ebenfalls an sich drückte, froh, sie wieder in den Armen halten zu können, während ihr Schluchzen in seinem Hemd fast unterging. »Lass mich einfach nie wieder allein«, brachte Tonks gedämpft hervor und auch in Remus' Augen bildeten sich Tränen, weil sie ihn einfach so zurück nahm. Weil der Platz in ihrem Herzen, trotz allem, was er getan hatte, immer noch ihm gehörte. Weil er, obwohl er es vielleicht nicht verdiente, dass erste Mal absolut sicher war, dass er sein Glück nicht wieder aufgeben würde. »Niemals«, wisperte Remus in ihre Haare und drückte sie etwas fester an sich. Es hatte ein wenig gedauert, bis er seinen Weg gefunden hatte und wusste, wohin dieser in führte. Und er hatte vielleicht das ein oder andere Mal die falsche Abzweigung genommen, aber er war dennoch angekommen. Er war Zuhause. Und er würde so schnell nicht wieder gehen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)