Dark Circle von Darklover ================================================================================ Kapitel 57: 57. Kapitel ----------------------- Mit Skepsis und einem tiefsitzenden Gefühl des Unbehagens, das auf mehrere Elemente zurück zuführen war, musterte Ryon das unscheinbare Haus mit dem weißen Lattenzaun und den Blumenkistchen unter jedem Fenster durch die Windschutzscheibe des Wagens hindurch. Die Zahl auf dem ebenso weiß gestrichenen Briefkasten sagte ihm, dass sie hier richtig waren, obwohl kein Mensch auf der ganzen Welt auf die Idee gekommen wäre, hinter dieser unscheinbaren Maske aus verliebten Spielereien fürs Detail den Treffpunkt eines Hexenzirkels vorzufinden, während man bei dem Anblick doch eher an ein noch agiles Großmütterchen denken würde. Aber genau darin lag schließlich der Sinn dieser Tarnung und da Mrs. McAndrews ihnen persönlich Ort und Zeit der nächsten Versammlung mitgeteilt hatte, würden sie sich einfach auf die Worte der Hexe verlassen müssen. Zumindest sah es schon einmal nicht nach einer Falle aus. Aber wehe wenn doch… Der Tiger in ihm knurrte genauso aufgebracht, wie Ryons Stimmung nicht gerade die Beste war. Allein die Tatsache, dass er Paige unter fremde Leute brachte, während sie in dieser heiklen Phase war, widerstrebte ihm zutiefst. Lediglich der Umstand, dass sie hier vermutlich nur auf einen Haufen von Frauen treffen würden, beruhigte ihn etwas. Wäre auch nur ein Mann dabei, würde der Tiger wohl völlig durchdrehen und Ryon gäbe ihm nur allzu recht. Rasch warf er einen flüchtigen Blick auf seine Gefährtin, ehe er die Wagentür öffnete und ausstieg. Tief sog er die kühle Abendluft in seine Lungen ein, um seinen Verstand zu klären. So gerne hätte er Paige noch einmal in den Arm genommen, sie noch einmal geküsst und ihr leise Worte der Zuneigung zugehaucht, nun, da sie sich erneut in Gefahr begaben. Aber er konnte sie im Augenblick kaum ansehen, ohne es für sich selbst alles nur noch schlimmer zu machen. Eine einzige Berührung würde ihn regelrecht um den Verstand bringen. Ryon hatte Paige zwar gesagt, dass es für sie beide eine Lösung war, wenn sie ihn abwies und dass sie die schwerere Bürde von ihnen beiden tragen würde, aber das hieß nicht, dass es ihn nicht ebenso quälte. Dabei hatte sie ihn nicht einmal mit Worten abweisen müssen. Ein langer Blick der mehr sagte als tausend Worte, der erklärte, dass es nötig sei und nichts mit ihren Gefühlen für den jeweils anderen zu tun hatte. Dieser Blick war tiefer gegangen, als man mit den Augen sehen konnte. Es schien förmlich ein stilles Abkommen von Paiges Dämonin mit seinem Tiger gewesen zu sein und was auch immer genau dabei passiert war, es hatte zumindest den unbändigen Drang genommen, sich sofort wieder mit ihr vereinen zu wollen. Natürlich war sein Tiger auch weiterhin unruhig und angespannt, so wie Ryon selbst es war, aber er kämpfte nicht mit der Vernunft um die Vorherrschaft, sondern litt lieber stumm vor sich hin, in der Hoffnung, dass auch das wieder vorbei gehen würde. In diesem Sinne war es leichter, nicht den Trieben nachzugeben, aber schwer blieb es trotzdem. Und das, obwohl sie dem Bett gerade einmal vor knapp zwei Stunden entstiegen waren und davor auch nicht viel mehr getan hatten, als sonst in letzter Zeit. Um sich von diesen schwierigen Gedanken abzulenken, die im Augenblick ganz und gar nicht sinnvoll waren, musterte Ryon skeptisch und mit äußerster Angespanntheit die Gegend. Alles war friedlich und der Wind trug ihm keine verräterischen Gerüche zu. Wenn er sich nicht irrte, roch es sogar nach Tee und Kuchen. Das hätte ihn auch nicht wirklich gewundert, wenn man an ihre erste Begegnung mit Mrs. McAndrews dachte. „Die Luft ist rein, soweit ich das sagen kann.“, murmelte Ryon leise, so dass nur Paige ihn verstehen konnte, die ebenfalls aus dem Wagen gestiegen war. Leise schloss er seine eigene Tür wieder und ging um den Wagen herum, blieb dicht hinter seiner Gefährtin stehen und achtete dennoch peinlichst darauf, sie nicht zu berühren. Dennoch konnte ihn nichts auf der Welt davon abhalten, sie beschützen zu wollen. Wenn nötig, mit seinem eigenen Körper als Schild. In der Zeit ihrer fruchtbaren Phase war dieser Drang sogar noch weitaus intensiver und wenn man bedachte, wie Gestaltwandler mit ihren Gefährtinnen umgingen, hatte das wirklich noch etwas zu bedeuten. Ihr Pferdeschwanz wippte leicht, als Paige zur Antwort nur andeutungsweise nickte. Rote Schuppen zogen sich in kleinen Wirbeln über ihren Nacken bis zu ihrem Haaransatz hinauf. Doch das war nur der winzige Teil, den man äußerlich von ihrer dämonischen Seite sehen konnte, während sie unter der Kleidung völlig in ihrer schützenden roten Haut steckte. Es besserte die Lage faktisch nicht wirklich, aber immerhin fühlte sie sich in dieser Form so, als könnte sie einem eventuellen Gefühlssturm in angemessener Art und Weise Luft machen. Wenn ihr diese runzelige Hexe auch nur einmal in die Parade fahren sollte, würde sie sämtlichen Nippes in ihrer Umgebung mit Wonne zum Schmelzen bringen! Paiges Kiefer waren so fest aufeinander gepresst, dass sie schon nach der Stunde Kopfschmerzen zu bekommen drohte. Ihr war immer noch unbegreiflich, wie sie ihn hatte zurückweisen können. Noch dazu hatte es in dem Moment, als sie sich endgültig – zum Wohle aller Beteiligten – dazu durchgerungen hatte, Sinn ergeben. Etwas, das sich keine Sekunde später in Bedauern und Erschrecken aufgelöst hatte. Er würde sie noch nicht einmal berühren, verdammt noch mal! Zerrissen von Wut auf sich selbst und ihrer beider Natur, außerdem auf die Situation, in der sie gezwungen waren, auf das zu verzichten, wonach die Dämonin, wie auch der Tiger schrien, wollte Paige nur irgendetwas in Flammen setzen. Die scheußlichen Gartenzwerge im Vorgarten schienen jeder einzelne eine dicke, fette Zielscheibe auf dem Bauch zu tragen. „Lass’ uns den besch…“ Ein tiefer Atemzug zwischen den Zähnen hindurch, um sich von den 180 zumindest auf angemessene 90 herunter zu drehen. Ryon konnte doch als allerletzter etwas dafür, dass sie wütend auf alles und jeden war. Sogar auf ihn, weil er ihren imaginären Befehl nicht einfach ignorierte und wenigstens ihre Hand nahm! Warum konnte er nicht-?! Mein Gott, dass es tatsächlich so schlimm werden würde… Mit funkelnden Augen holte sie noch zweimal tief Luft, bevor sie entschlossen auf das Gartentor zuging. Je schneller sie es hinter sich brachten, desto schneller waren sie wieder zu Hause. Toll. Was würden sie dann tun? Sich gegenseitig eine Gute-Nacht-Geschichte erzählen, bevor sie in einem jeweils anderen Raum ins Bett gingen? „Scheiße.“ Jetzt hör’ schon auf! Etwas Konzentration traute sie sich auch trotz der aufwallenden Hormone zu. Ihren Finger rammte sie trotzdem eher auf den Klingelknopf, als ihn einfach nur zu drücken, um ihre Ankunft anzukündigen. Wahrscheinlich wäre nicht einmal das nötig gewesen. Denn es dauerte kaum eine Sekunde, bis die Haustür geöffnet wurde und jemand – dem Schattenriss nach nicht Mrs. McAndrews – sie herein winkte. In einer anderen Welt, einer anderen Zeit und einer anderen Situation, hätte er Paiges heftige Gefühlswallungen vielleicht sogar amüsant gefunden. Immerhin mochte er das Feuer in ihr, sowohl symbolisch als auch realistisch gesprochen. Aber im Augenblick konnte er ihr insgeheim nur zustimmen. Am liebsten hätte er mehr getan, als nur über ihre unzumutbare Lage geflucht. Denn im Grunde war es das doch. Einfach unzumutbar. Da würde ihm jeder Gestaltwandler recht geben, aber die meisten befanden sich zu dieser Zeit auch nicht im Krieg und somit höchster Alarmbereitschaft. Das erforderte leider solche Maßnahmen, so unerträglich sie auch waren. Bevor Paige den Klingelknopf bestrafte, schloss Ryon noch einmal einen Moment die Augen, um sich zu sammeln. Als er sie wieder öffnete, schwang bereits die Eingangstür nach innen auf und obwohl er die Gestalt auf dem dunklen Flur nicht genau erkennen konnte, kam ihm der Geruch doch irgendwie bekannt vor. Aber das konnte er sich auch nur einbilden. Er war sich im Augenblick über gar nicht sicher, da im Grunde Paiges Geruch in seiner Nase das vorherrschende Element war und zugleich auch das quälendste. Er musste sich noch stärker konzentrieren und konnte in dem bekannten Geruch keine bösen Absichten heraus filtern. Vielleicht so etwas wie Nervosität und Anspannung, aber nichts was auf einen bevorstehenden Überfall hinweisen würde. Kaum dass Ryon nach Paige das Haus betreten hatte, wurde die Tür hinter ihnen wieder geschlossen und das mit so einer Endgültigkeit, dass es ihm die feinen Nackenhärchen aufstellte. Ryon war natürlich kein Experte, aber er hätte seinen gestreiften Schwanz darauf verwettet, dass hier Magie im Spiel war. Weiße Magie. Diesen Unterschied konnte er durchaus noch erkennen. „Guten Abend. Ihr werdet bereits erwartet. Folgt mir bitte.“ Nachdem Ryons Augen sich an das Dämmerlicht im Flur gewöhnt hatten, konnte er auch die junge Stimme mit der jungen Frau in Einklang bringen, dessen Erscheinung er nun klar und deutlich erkennen konnte. Sie kam ihm definitiv irgendwie bekannt vor. Aber woher hätte er auch jetzt nicht sagen können. Sein Unbehagen stieg noch weiter an und in seinen Fingerspitzen kribbelte es. Ryon ballte kurz die Fäuste, um seine Krallen am Ausfahren zu hindern und ging dann neben Paige den schmalen Flur entlang, mit dem Blick fest auf den Rücken der Frau geheftet, die er auf Anfang Dreißig schätzte. Sein Verstand gab sich mit solch belanglosen Gedanken ab, um nicht an Paiges Nähe erinnert zu werden. Er hätte nur den kleinen Finger ausstrecken müssen, um ihren Arm zu berühren, aber stattdessen zog er sich noch etwas mehr zurück, soweit der beengende Flur das zuließ. Die junge Frau mit den blonden kurzgeschnittenen Haaren führte sie in das ausladende Wohnzimmer des Hauses, das voller Frauen jeder Altersklasse zwischen Zwanzig und weit über Sechzig war. Ryon blieb vor Paige im Türrahmen stehen, allerdings so, dass er sie nicht vollkommen verdeckte, aber auch offensichtlich in einer beschützenden Position. Das war eine rein instinktive Handlung, denn sein Verstand war von den vielen Gesichtern abgelenkt, die ihn mit verschiedenen Gesichtsausdrücken schweigend ansahen. Die Geruchsmischung war verwirrend, da zwischen den Kräuterextrakten, dezenten Parfums und dem Geruch von Tee und Kuchen auch noch die ein oder andere Emotion heraus zu wittern war. Neugierde, Unbehagen, Erleichterung, Mitgefühl und Trauer, sowie Skepsis, Angst und … Empörung? Keine der Anwesenden sagte etwas, stattdessen hatte Ryon das Gefühl sie hätten in ihren Tätigkeiten inne gehalten, sobald die Neuankömmlinge das Wohnzimmer mehr oder weniger betreten hatten. Da Ryon nicht gewillt war, das Schweigen von sich aus zu brechen, musterte er die Frauen gründlich und obwohl viele unbekannte Gesichter darunter waren, so waren doch einige unter ihnen, die ihm vertraut waren. Schließlich blieb sein Blick an einer jungen schwarzhaarigen Frau mit stechend blauen Augen hängen, deren Gesichtszüge der ihrer Schwester so stark ähnelten, dass die Verwandtschaft nicht zu leugnen war. Alices kleine Schwester Lea. Sie hatte früher ab und zu ihre ältere Schwester zu den Vollmondriten begleiten dürfen, die Marlene im engsten Freundeskreis abgehalten hatte. Und dem Blick nach zu urteilen, den die junge Frau ihm zuwarf, hatte sie ihn ebenfalls wiedererkannt. Dann fiel ihre Aufmerksamkeit neben Ryon auf Paige und obwohl sie es mit geübter Zurückhaltung tat, runzelte sie dennoch leicht vor Verwirrung die Stirn. „Schön, dass ihr kommen konntet.“ Das war Mrs. McAndrews, die sich aus einem geblümten Sofasessel erhob und die Neuankömmlinge mehr oder weniger fröhlich anlächelte. Denn immerhin gab es nur noch wenig Grund zur Fröhlichkeit. Ryon nickte ihr nur höflich zu, ließ aber keinen Moment lang seine Wachsamkeit fallen, denn nun wusste er den Grund, weshalb ihm einige Gesichter bekannt vorkamen. Er hatte sie, wenn auch meistens nur flüchtig, früher einmal gesehen. Ob nun auf dem Markt, wenn er Marlene begleitet hatte oder bei diversen Frauentreffen, an denen er zwar nicht teilnehmen hatte dürfen, aber dennoch jede der Damen ihm vorgestellt worden war, damit er sich versichern konnte, dass seiner Gefährtin keine Gefahr drohte. Auch wenn damals noch keiner hatte ahnen können, wie schlimm es in Wahrheit war oder besser gesagt, er alleine war im Dunkeln getappt. Unwissend und blind. Seine Muskeln spannten sich merklich noch stärker an, als sie es ohnehin schon taten. Denn er erinnerte sich auch nur zu gut daran, dass einige von Marlenes altem Zirkel zu Boudicca übergelaufen waren. Keiner konnte behaupten, dass die hier Anwesenden nicht ebenfalls irgendwann nachgeben würden. Sein Tiger stimmte ihm knurrend zu und schlich wachsam in seinem Kopf hin und her. Hoffentlich würde dieser Abend nicht zu lange dauern, denn irgendwann wäre eine emotionale Explosion bei dieser Anspannung nicht auszuschließen. Paige stand in Ryons Schatten, halb von seinem Körper verdeckt. So, wie sie ihn inzwischen kannte, war das ein reines Zeichen dafür, dass er sie beschützen wollte. Was auch immer sie hier in diesem Raum voller fremder, magiebegabter Frauen erwarten würde. Nur Frauen… Paiges Schuppen kribbelten auf ihrer Haut, als sie darüber nachdachte. Wenn auch nur eine dabei war, die ihn zu lange anstarrte, dann würde hier im wahrsten Sinne das Höllenfeuer losbrechen! Schon fast unnatürlich still standen sie beide da. Sie berührten sich nicht, hielten sogar so weit Abstand zu einander, dass Paige es als Qual empfand. Keine der Anwesenden würde auch nur Rückschlüsse ziehen können! Niemand würde auf die Idee kommen, dass sie beide zusammen gehörten. Und dabei pochte die Haut an ihrem Hals sogar noch sehr deutlich an der Stelle, an der Ryon sie im Verlaufe der vergangenen Nacht und des Tages immer wieder gebissen und sie mit ihrer Einwilligung als ‚sein’ gekennzeichnet hatte. Doch hier war keine Wandlerin anwesend. Niemand, der dieses Zeichen verstehen würde. Und genau das machte Paige schon rasend, bevor überhaupt mehr als diese karge Begrüßung ausgesprochen worden war. Sie wollte hier weg. Aber noch dringender wollte sie Ryon hier raus bringen. Fort von diesen vielen Frauen! Für einen kurzen Moment stahl sich ihr Blick durch den Raum, solange alle Aufmerksamkeit noch auf ihren Begleiter gerichtet war. Tassen verharrten in vor Nervosität zitternden Fingern mitten in der Luft, Augen weiteten sich und Lippen öffneten sich leicht, um den erstaunten Ausdruck noch zu verstärken, den Ryon hervor rief. Sie schienen alle zu wissen, wer er war. Und was seine Anwesenheit zusätzlich zu bedeuten hatte. Mit ihm war auch das Schmuckstück hier und doch hatte Paige starke Zweifel, dass die Runde ihn nur wegen der Tatsache, dass er der Hüter des Amuletts war, mit solch einer … überwältigenden Menge an Gefühlen betrachtete. Als die Stimmung ohne Umschweife in Mitgefühl umschwang, wurde Paige schlecht. Ein Kloß von der Größe eines Ankers bildete sich in ihrem Bauch und sie fühlte sich zurück in den Hausflur gedrängt, bevor auch nur das erste Stirnrunzeln sie erreichte. Kalt und abschätzend sah man sie an, auf die Art, wie nur Frauen es mit jemandem machen konnten, den sie nicht in ihrer Runde wollten. Aber warum genau…? Verwirrung machte sich in Paige breit, die sie schon seit ihrer Teenagerzeit für überwunden geglaubt hatte. Was hatte sie denn jetzt schon falsch machen können? Sie hatte doch noch nicht einmal die Zeit gehabt, ein „Hallo“ über die Lippen zu bringen. Nicht sicher, ob es die Sache besser machen oder sie sogar noch verschlimmern würde, trat sie einen Schritt aus seinem Schatten heraus, stellte sich mit Sicherheitsabstand neben Ryon und sah jeder der Anwesenden mit glühenden, dunklen Augen ins Gesicht. „Guten Abend.“ Mrs. McAndrews sah für einen Moment so aus, als hätte sie in ihrem Tee einen Zitronenkern gefunden und ihn aus Versehen herunter geschluckt. Etwas, das Paige sogar die Kraft gab, ein Lächeln auf ihre schmal zusammen gepressten Lippen zu zaubern. „Wir freuen uns ebenfalls über die Einladung.“ Ohne auf die Blicke zu achten, die sich aus verschiedenen Richtungen durch ihre Kleidung bohren wollten, ging Paige zum nächsten freien Platz auf einem Sofa und ließ sich so elegant sie es vermochte, darauf sinken. Verdammt noch mal, wenn sie die lüsternen Blicke der Besoffenen im Fass aushielt, wenn sie nur mit einem leichten, weißen Kleidchen bekleidet herum lief, konnte sie wohl diese Weiber in die Tasche stecken. Etwas pikiert bot Mrs. McAndrews Ryon einen Platz in einem einzeln stehenden Sessel an und schenkte den beiden neuen Gästen Tee ein, bevor sie zu so einer Art allgemeinen Begrüßung überging. „Na, da wir alle wissen, warum wir hier sind, brauche ich ja gar nicht so viel zu sagen. Die meisten der Damen werden Ryon von der einen oder anderen Gelegenheit oder aus Marlenes Zirkeltreffen noch kennen.“ Sie lächelte einer jungen Frau zu, deren strahlend blaue Augen funkelten, bevor sie Paige einen derart kalten Blick zuschossen, dass sich deren Schuppen kurz klackernd auf ihrem Rücken aufstellten. Die filigrane Teetasse schien auf einmal tonnenschwer zu werden, wollte aus Paiges Hand gleiten, als diese endlich begriff was hier los war. Nur mit Mühe konnte sie verhindern, dass ihre Hände in Flammen aufgingen, als sie auch noch verunsichert zu Ryon hinüber sah und damit ihre selbstauferlegte Sicherheitsgrenze überschritt. Der Anker in ihrem Inneren rutschte tiefer, während sich die schwere Metallkette um Paiges Herz wand und es zu zerquetschen drohte. Ich will um Gottes Willen bitte bloß hier weg! Es entging wohl keiner der anwesenden Frauen, dass Paige das Wort ‚wir‘ benutzt hatte. Für Ryon war es selbstverständlich, seine Gefährtin und sich als eine Einheit zu sehen. Untrennbar, egal in welcher Situation, aber für die Hexen in diesem Raum war es wohl so eine Art Bombe, die still und heimlich hoch ging und dennoch ihre Wirkung tat. Ryon verstand das Ganze zuerst nicht. Er verstand weder, warum offensichtlich eine gleichgroße Mischung an Mitleid, wie auch an Empörung in der Luft hing, noch weshalb die Stimmung sich immer mehr zuspitzte. Letztendlich war es sein Tiger, der ihn wild gebärdend darauf aufmerksam machte, wie seine Gefährtin still und leise von den anderen Frauen brüskiert wurde. Ein Blick in die Runde und er stand nahe daran, das ganze Mobiliar zu Kleinholz zu verarbeiten. Schlimm genug, dass er seine Gefährtin nicht einmal leicht berühren konnte. Aber dass man sie vor seinen Augen auch noch schweigend angriff und er dennoch nichts unternehmen durfte, ging gegen jeden seiner Instinkte. Der Tiger brüllte laut und zeigte wild fauchend seine Krallen, Ryon hingegen war dazu gezwungen, mit eisigem Schweigen den angebotenen Platz auszuschlagen und stattdessen mit verschränkten Armen im Türrahmen stehen zu bleiben. Nicht in tausend Jahren hätte er jetzt einfach so dasitzen und Tee schlürfen können! Als er auch noch Paiges Blick einfing und ihren sonst so lieblichen, aber nun deutlich verunsicherten Duft aufschnappte, verdunkelten sich seine Augen extrem auffallend, bis nur noch der flammend goldene Rand um seine Iris übrig blieb. Jeder Muskeln in seinem Körper war angespannt und zum Angriff bereit und obwohl er sich keinen Millimeter von der Stelle gerührt hatte, lag der Tiger nun so dicht hinter der Oberfläche, dass manche Frauen unruhig auf ihren Plätzen hin und her rutschten, während anderen der Schweiß auf der Stirn ausbrach. Oh ja, er war mehr als bereit zu töten, falls es die Situation erfordern sollte! Doch anstatt seinem innersten Verlangen nachzugeben, richtete Ryon seinen stechenden Blick auf Mrs. McAndrews und meinte kurz und knapp mit eisiger Stimme: „Lassen Sie uns zum Punkt kommen – Boudicca. Wir – meine Gefährtin und ich – werden sie vernichten. Können wir mit eurer Unterstützung rechnen?“ Die Worte wir und Gefährtin betonte er extra, damit hier kein Zweifel bestand, wen die Damen hier so nonverbal angriffen. Und obwohl es für die meisten offenbar fast ein Schock war, dass er sich hier in aller Öffentlichkeit zu Paige bekannte, nachdem die meisten seine verstorbene Gefährtin gekannt hatten, fühlte Ryon bei seinen Worten dennoch nichts anderes als Stolz und Liebe für diese Frau. Niemals könnte er sie verleugnen, auch wenn er sie im Augenblick noch nicht einmal zu lange anblicken durfte. Es würde seine ohnehin schon brüchige Beherrschung völlig zertrümmern. Paige glaubte ein Klicken zu hören. Es kam von nirgendwo her und schien doch so präsent, wie ein gedankliches Einrasten nur zu erspüren sein konnte. Welche der Damen diese Worte nicht verstanden hatte, würde wohl auch nicht wirklich von Nutzen sein. Im ersten Moment war selbst Paige perplex über die Art, wie Ryon sie so selbstverständlich und derart nachdrücklich als diejenige vorstellte, die nun seine Gefährtin war. Betretenes Schweigen breitete sich aus und Paige fiel auf, dass nur eine der Damen, die mit den dunklen Haaren und den stechend blauen Augen, ihren Blick auf sie gerichtet hielt. Neugierig diesmal, aber immer noch mit einem feindseligen Anteil, der sich nicht verleugnen ließ. Paige starrte zurück. Ihr war es nicht unangenehm, dass Ryon ausgesprochen hatte, in welcher Beziehung sie zu einander standen. Nicht einmal vor diesen Frauen, die wahrscheinlich alles Andere als positiv darüber dachten. Doch Paige wusste, dass sie Marlene nicht verdrängt hatte. Nicht einmal ihren Platz hatte sie bei Ryon eingenommen – hatte es nie tun wollen. Also auch kein Grund sich fälschlicherweise für die Tatsachen zu schämen oder ein schlechtes Gewissen zu haben. Schon allein das schaudernde Zittern, das ihre Wirbelsäule beim Klang von Ryons eisiger Stimme hinunter lief, erinnerte Paige daran, wie er gewesen war, als sie sich kennen gelernt hatten. Nein – sie würde niemals ein schlechtes Gewissen haben können für das, was sie beide für einander empfanden. Ryon war Marlene immer treu gewesen. Sogar Jahre nach ihrem Tod. Solange er mit ihr – Paige – glücklich war, konnte kein noch so aggressives Damenkränzchen der Welt ihr einreden, dass es falsch sein konnte, was sie für ihn war. „Ehm…“ Mrs. McAndrews hielt sich nach diesem direkten Anfang besser, als Paige vermutet hätte. Immerhin stand sie noch auf ihren Beinen. „Ehm…“, räusperte sie sich noch einmal, um dann einen fragenden Blick in die Runde zu werfen, bevor sie etwas zusammenhängender weiter sprach. „Natürlich. Boudicca ist unser aller Problem. Genau aus diesem Grund haben wir ja dieses Treffen anberaumt. Wir wollen uns gegenseitig helfen.“ „Na, so weit so gut.“, konnte Paige sich nicht verkneifen etwas aufstachelnd zu zischen. Mit weiteren Kommentaren hielt sie sich allerdings zurück, als eine Frau mittleren Alters sie völlig entgeistert und auf eine Weise ansah, die Paige verdeutlichte, dass es hier um mehr ging, als ihren soeben leicht angekratzten Stolz. Sie saßen alle im selben Boot. Und auch wenn diese Hexen es gut verbergen konnten. Sie hatten Angst. „Ich wollte sagen, dass es mich freut das zu hören. Immerhin können wir für jede helfende Hand – vor allem wenn es magische sind, wie ihre – sehr dankbar sein.“ Ihre Stimme war wesentlich weicher und diplomatischer geworden. Warum das alles nun aus ihr heraus sprudelte, wusste Paige zwar nicht, aber aufhalten würde sie es erst, wenn sie hier mit Ergebnissen auf dem Tablett aufwarten konnten. „Wie ich durch … Recherchen … heraus gefunden habe, wurden fast alle von ihnen von Boudiccas Schlägertrupps aufgesucht.“ Betretenes Nicken von den meisten. „Gibt es denn jemanden, den sie noch nicht besucht haben? Jetzt, da wir uns in dieser Gruppe zusammen gefunden haben und uns einig sind, dass wir gegen sie vorgehen möchten, wäre es eine Möglichkeit über ihre Laufburschen heraus zu finden, wo sich Boudiccas Hauptquartier befindet.“ „Moment, Fe.“ Aus dem Mund einer ihr völlig Unbekannten hörte sich der Spitzname fast wie eine Pfeilspitze an. Stand das etwa auf den Plakaten für die Kopfgeldjäger? Paige fiel dazu nur ein, dass sie Mia schnellstens beibringen wollte, sie bei ihrem normalen Vornamen zu nennen. „Und Sie sind?“ Die junge Hexe schien verwirrt wegen der Frage nach ihrem Namen. Hilfe suchend sah sie in die Runde, schien aber außer leeren Blicken keine Antwort zu bekommen. „Becci.“ Paige grinste. „Freut mich. Was wollten Sie sagen?“ Becci sah nicht so aus, als ob es sie freute, aber eine andere etwas ältere Dame grinste verstohlen in ihre Teetasse, während sie versuchte nicht weiter aufzufallen. „Denken Sie denn tatsächlich, dass es klug ist, sich … sich in ihr Hauptquartier zu begeben?“ Ryon beobachtete stumm den Wortwechsel zwischen den Frauen. Es wurde von Minute zu Minute schwerer, sich auf das Gespräch zu konzentrieren und sein Nacken tat ihm bereits höllisch weh vor Anspannung. Aber er konnte sich einfach nicht lockern und obwohl er es zu ignorieren versuchte, dröhnte Paiges Duft doch wie Gongschläge in seinem Schädel. Da halfen selbst die vielen anderen Gerüche im Raum nichts. Aber wenigstens gingen sie nicht mehr gar so feinselig seiner Gefährtin gegenüber vor. Was er den Anwesenden auch nur raten konnte. Es war im Augenblick nicht klug, ihn zu reizen. „Wir denken, dass es vor allem klug ist, alle Informationen zusammen zu tragen, die wir über unseren Feind bekommen können. Aber selbst wenn es noch etwas dauert, am Ende läuft es darauf hinaus, dass Boudicca sich entweder selbst darum kümmert, ihre Ziele zu erreichen oder dass wir zu ihr gehen müssen, um das alles hier endlich zu beenden. Wir haben schon so viele … verloren und so viele Jahre in Angst gelebt. So kann es einfach nicht mehr weiter gehen.“ Ryons Stimme war immer noch eisig, aber nicht mehr schneidend. Er wusste doch zu gut, dass nicht nur er schwere Verluste hatte betrauern müssen, auch viele anderen der Frauen hatten jemanden verloren, den sie liebten. „Dennoch sollte es allen voran darum gehen, die uns verbliebenen Verbündeten zu schützen, ehe wir auch nur an Angriff denken sollten. Ich kann nicht sagen, wie ihr es geschafft habt, so lange zu überleben, aber der Schutz, den meine Familie und Freunde hatten, ist nicht mehr ausreichend. Marlenes Zauber verblasst. Auch das ist ein Grund, weshalb wir heute hier sind.“ Einen Moment lang hielt Ryon in seinen Worten inne, während sich seine Augen zu einem besänftigten Gold umwandelten und er, obwohl innerlich kurz vorm Zerreißen, ruhig seinen Gedanken zu Ende aussprach. „Wir brauchen eure Hilfe.“ Ein Raunen, das Paige schon früher erwartet hatte, ging erst dann durch den Raum, als Ryon davon sprach, dass Marlenes Zauber langsam Lücken zeigte. Worte, die das Gesicht eines nun toten Werwolfs von Paiges inneres Auge führte und sie hart schlucken ließ. Oh ja, sie brauchten ganz dringend Hilfe. Und es tat ihr jetzt wirklich Leid, dass sie sich mal wieder nicht im Griff gehabt, sondern die Anwesenden auch noch in gewisser Weise angegriffen hatte. "Wissen Sie, was es für ein Zauber war, den Marlene benutzt hat?" Es war die gleiche Frau, die in ihre Teetasse gegrinst hatte, die sie nun ordentlich auf der Untertasse auf dem Tisch abstellte. Sie sah Ryon auf eine Art an, die Paige verriet, dass ihr der Mann, der eigentlich nicht wirklich einer war irgendwie ... beängstigend vorkam. Als sie noch einen verstohlenen Blick in die Runde warf, während sie auf die Antwort wartete, fiel ihr auch auf, dass sich die Damen mit Paiges eigenem Auftreten nicht ganz wohl zu fühlen schienen. Wie mussten sie beide auch auf diese Leute wirken? Wahrscheinlich hatten sie sie nur auf Suchplakaten mit einem saftigen Kopfgeld gesehen, bevor sie hier aufgetaucht waren. Oder hatten sogar nur von ihnen gehört. Dem Gestaltwandler und der halben Feuerdämonin. Wenn sie sich nun in die Rolle eines einfachen, noch dazu recht verängstigten Menschen versetzte, musste ihr Auftritt sehr seltsam angemutet haben. Paige schlug die Wimpern nieder und zog die Schuppen zurück, die sich über ihrem Kragen auf ihrer Haut gezeigt hatten. Es war leichter um Hilfe zu bitten, wenn man nicht auch noch ein unangenehmes Grundgefühl verbreitete. Oder hatte sie sich nur eingebildet, dass ihre Sitznachbarin auf dem geblümten Sofa leicht aufatmete, als sie die Veränderung an Paige bemerkte? Obwohl er nicht genau sagen konnte, wieso, hatte Ryon eigentlich eher mit einer Ablehnung gerechnet, anstatt einer solchen Frage. Vielleicht lag es einfach daran, dass er nur noch sehr wenigen Personen vertraute und diese Frauen hier waren ihm alle ganz und gar fremd. Außerdem, warum sollten auch sie ihm vertrauen? „Ich bin kein Experte in diesem Fach und da mich Marlene damals nicht in ihren Plan eingeweiht hat, kann ich nur Vermutungen anstellen.“ Es war unglaublich, wie sehr er sich doch in den letzten Wochen verändert hatte. Am Anfang war auch nur die Erwähnung ihres Namens eine Qual gewesen und auch wenn er jetzt immer noch einen tief sitzenden Stich in der Brust spürte, jedes Mal wenn er etwas im Zusammenhang mit seiner verstorbenen Gefährtin erwähnte, so konnte er doch darüber sprechen. Ryon wusste, dass er das nicht alleine geschafft hatte. Umso mehr vertraute er seinen Freunden und vor allem Paige, die sein Herz wieder hatte warm werden lassen. Eigentlich sogar heißglühend, wenn man es recht bedachte. „Ich gehe davon aus, dass es eine Art Verschleierungszauber ist. Wenn sich unbefugte dem Grundstück nähern, verspüren sie eine unerklärliche, aber tiefsitzende Furcht. Diejenigen, die sich dem widersetzen können, werden nur meilenweit Wald erkennen können, anstatt der massiven Grundstücksmauer. Ich denke, gewöhnliche Menschen oder magisch begabte Personen ohne ausgezeichnete Sinne wie die von Tieren, würden diesem Schutz im Augenblick auch weiterhin nichts entgegensetzen können. Aber vor kurzem hat es ein Werwolf geschafft, einzudringen, anhand von Geräuschen und Gerüchen. Das müssten wohl die ersten Komponenten des Schutzes sein, die nachlassen. Wenn auch noch der unsichtbare Schleier fällt, sitzen wir wie auf dem Präsentierteller.“ Und das war noch untertrieben. Aber die Ernsthaftigkeit der Lage konnte er auch so in den Gesichtern der Frauen ablesen. Es war vielleicht kein Werwolf, der bei der ein oder anderen von ihnen an die Tür geklopft hatte, aber bestimmt ebenfalls nichts, mit dem man sich anlegen wollte. Die Vorstellung krabblete ihr die Wirbelsäule hinunter wie eine Horde Giftspinnen. Auf dem Präsentierteller... Sofort ergriff die Sorge um Ai, Mia und die Anderen Besitz von ihr. Und eine Welle schlechten Gewissens brandete über sie hinweg. Immerhin hatten Ryon und sie sich in den letzten Tagen und Nächten nicht gerade wie aufmerksame Beschützer aufgeführt. Oder auch nur wie ein ordentlicher Teil der kleinen, bunten Familie. Paiges Wangen glühten unter der Erkenntnis, dass sie sich mehr wie Eltern verhalten sollten und nicht wie hormongesteuerte Teenager. Mit neu gefasster Entschlossenheit sah sie zum Türrahmen hinüber, in dem Ryon immer noch lehnte und bekam eine volle Breitseite dessen, was sie gerade noch mit eiserner Vernunft hatte herunter kämpfen wollen. Wenn sie jetzt zu ihm hinüber ging... Irgeneiner der Sätze, die im Raum herum schwirrten, riss sie aus ihren mehr als unanständigen Gedanken. Genau zum richtigen Zeitpunkt, denn der Hexe, die immer noch neben Paige auf dem Sofa ausharren musste, drohten die Augen aus dem Kopf zu fallen, die sie starr auf den blubbernd kochenden Tee in Paiges Tasse gerichtet waren. "Tut mir leid...", murmelte Paige leise, auch wenn sie sehen konnte, dass es die Frau sicher nicht beruhigen konnte. Eher das Gegenteil schien der Fall zu sein. "Ich denke jedenfalls, dass Ihre Vermutung richtig ist. Und sollte das stimmen, ist es kein Problem für uns, den Schutz zu erneuern." Nun hatte Paige wirklich Grund aufzuhorchen. "Es ist nur so, dass wir uns alle kaum noch aus unseren Häusern trauen. Immer wieder schleichen diese grässlichen-" Die Frau, die sich in Rage geredet zu haben schien, hielt aprupt inne und sah mit vor Schreck geweiteten Augen zu Paige hinüber, als könnte diese auf ihre Andeutung einer Beleidigung hin doch noch ihr wahres, abschreckend hässliches Gesicht zeigen und sie alle zur Hölle jagen. Denn dort kamen die Dämonen doch her, nicht wahr? Zumindest soweit es den Aberglauben der Menschen anging. Paige lächelte sanft. "Dämonen. Diese Kerle, die vor ihren Häusern herum lungern und Boudicca bei ihrem düsteren Handwerk helfen, sind echte Dämonen. Was nicht heißt, dass sie unsterblich oder unbesiegbar sind. Nur härter zu knacken, wenn man so will." Sie hatte versuchen wollen, die Damen zu beruhigen. Natürlich nur in einem Maße, wie es in dieser schwierigen Situation möglich war. Paige wusste doch noch zu gut, wie sie selbst vor den beiden Angreifern in jener Nacht vor Mrs. McAndrews Haus einfach geflohen war. Aber sie waren eine große Gruppe. Man konnte die Magie fast in der Luft knistern hören. Gemeinsam hatten sie gute Chancen. Wenn sie sich denn ihrer eigenen Fähigkeiten und ein wenig Mutes besinnen konnten. "Es ist sehr gut, dass sie gegenseitig auf einander aufpassen. Das sollten wir auch alle weiterhin so pflegen. Vor allem solange wir noch versuchen heraus zu finden, was uns im Endeffekt bei der Beseitigung Boudiccas wirklich von Nutzen sein kann. Darf ich Sie nach ihren Informationen fragen? Immerhin haben Sie alle schon sehr viel länger und in viel direkterer Weise mit ihr zu tun gehabt, als wir." Diesmal verkniff sie es sich, zu Ryon hinüber zu sehen. Konzentration war gefragt. Sonst würde sich der Abend unwillkürlich in die Länge ziehen. Etwas, das vermutlich keiner von ihnen wollte. Paige jedenfalls nicht. Ryon spürte Paiges Blick wie warme, liebkosende Sonnenstrahlen auf seiner Haut, die ihn streichelten, ihn aufstachelten und noch mehr folterten, als es ihr Duft ohnehin schon tat. Nur ihrer Abweisung war es zu verdanken, dass er nicht quer durch den Raum marschierte, sie über seine Schultern warf und ein leeres Zimmer suchte, um ihr die Kleider vom Leib zu reißen und sie verlangend und wild gegen die Wand zu vögeln. Aus diesem Grund und keinem anderen, zog er sich ein paar Zentimeter in den Hausflur zurück, während er seinen Blick konzentriert und Interesse vortäuschend auf die selbst auserkorene Sprecherin heftete, so dass er Paige noch nicht einmal in seinen Augenwinkeln sehen konnte. Denn ihre Anwesenheit war für den Rest seiner Sinne schon berauschend genug. Ein Blick und er müsste riskieren, das ohnehin beengende Ausmaß seiner extra dafür angezogenen Jeans, deutlich über zu strapazieren. Selbst der Gedanke, dass das der peinlichste Moment in seinem Leben sein würde, da er sich dabei mitten unter einer Vielzahl von Damen aufhielt, könnte ihn nicht mehr weit genug hinunter kühlen. Das ihm ein kleiner, vereinzelter Schweißtropfen die Schlafe dicht am Haaransatz entlang hinunter lief, war wohl ein deutliches Zeichen, wie sehr er bereits in seinen eigenen Säften kochte, während er versuchte, sich nichts anmerken zu lassen. Den Damen mochte es vielleicht nicht bewusst sein, aber jeder der ihn kannte, hätte sofort gewusst, dass er sich nur noch mit Müh und Not beherrschen konnte. „Nun, über Boudiccas Vergangenheit ist nicht sehr viel bekannt und ich nehme an, nur die wenigsten haben sie je zu Gesicht bekommen, ehe sie ihr Geheimnis auch schon mit ins Grab nahmen. Keiner weiß im Grunde wie sie aussieht, wie alt sie ist oder welche Schwachpunkte sie hat. Sie ist wie ein Schatten der Angst und Schrecken verbreitet.“ Dankbar für diese Ablenkung nickte Ryon gedanklich. Selbst Marlene hatte nichts Näheres über Boudicca berichtet und dabei war er sich sicher, dass sie ihm alles gesagt hätte, wenn sie es gekonnt hätte. „Aber soweit wir bisher feststellen konnten, versucht sie jede begabte und weiße Hexe zu vernichten. Dazu benutzt sie ihre Handlanger und nicht wirklich Magie. Als wolle sie noch mehr Grauen verbreiten, in dem sie alle möglichen Geschöpfe und deren finsteren Seite über Unsereins herfallen lässt.“ „Stimmt.“ Alle Köpfe fuhren zu Alices Schwester Lea hinüber, die jedem einzelnen Anwesenden mit kühler Distanz und harten Gesichtszügen in die Augen blickte. „Sie lässt uns lieber brutal verstümmeln und sorgt für ein anständiges Blutbad, als einen subtilen Zauber anzuwenden, der schnell und sauber töten würde.“ Ryon senkte, wie so manch andere betroffen den Blick. Sein begehrliches Verlangen wurde einen Moment lang zur Seite geschoben, um der Erinnerung an jene Nacht Platz zu machen, in der Marlenes beste Freundin grausam ermordet worden war. Er hatte ja keine Ahnung gehabt, wie schrecklich die Bilder gewesen sein mussten, die Lenn in ihrer Vision gesehen hatte. Seine Kiefer mahlten aufeinander, während seine Finger leise knackten, als er sie noch weiter anspannte. „Das … wird nie wieder geschehen.“, knurrte Ryon leise, so dass sich nun alle Aufmerksamkeit wieder auf ihn richtete. „Ich schwöre, solange ich atme, werde ich nicht zulassen, dass so etwas noch einmal geschieht. Eher lande ich in der Hölle.“ Um dort ein paar von besagten Dämonen zu verkloppen. Wieder und wieder und wieder, bis diese finsteren Kreaturen einmal ordentlich das Fürchten bekamen. „Außerdem glaubt Boudicca doch, sie hätte es nur noch mit einzelnen, weißen Hexen zu tun, die sich hilflos in ihren eigenen Häusern verstecken. Aber was sie nicht weiß, ist die Tatsache, dass Marlenes Zirkel von damals vielleicht aufgehört hat, Rituale und Feste abzuhalten, aber so wie ihr hier heute vor mir steht, bin ich der Meinung, ihr Zirkel ist stärker denn je.“ Der Anflug von Hoffnung lag in seinem Blick. Dieses Mal nicht nur, weil er Paige versprochen hatte, nicht mehr negativ zu denken, sondern weil er wirklich davon erfüllt wurde. Der Zirkel war nicht zerbrochen. Das hatte Marlene nur geglaubt, da sie viele Mitglieder verloren hatte. Aber nun war doch deutlich, wie viele gute Hexen sich hier geschlossen zusammen hielten, um dem wirklich bösen Mächten entgegen zu treten und wenn es nur ihrem eigenen Schutz diente. Das war egal. Es war mehr, als das, womit Boudicca rechnen würde. „Und solange wir zusammen bleiben und uns verbünden, kann sich diese schwarze Hexe auf Einiges gefasst machen!“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)