Wenn der Hunger mich quält von abgemeldet (Tanz der Vampire, fast so wie man es kennt) ================================================================================ Kapitel 4: Herbert ------------------ Herbert von Krolock musterte sich wohlgefällig von oben herab. Was sah er doch heute wieder gut aus! Verzückt drehte er sich hin und her. Die Kleidung saß tadellos und war von edelstem Material, seine Schuhe passten perfekt. Er war vom Scheitel bis zur Sohle atemberaubend. Zu schade, dass ihm der Genuss verwehrt blieb, sich in einem Spiegel sehen zu können. Zweifellos wäre das lange blonde Haar glatt und glänzend, die blasse Haut makellos, die Augen funkelnd… Man sah ihm seine 250 Jahre nun wirklich nicht an. Er kicherte bei dem Gedanken. Die Ewigkeit stand ihm verdammt gut. Er verließ das Zimmer und bahnte sich seinen Weg durchs Schloss. Ihm war nach einem Spaziergang im Mondlicht zumute. Er ließ die schweren Tore des Schlosses hinter sich und durchquerte den Schlosshof. Leise summend schlenderte er ein kurzes Stück Weg und lies sich dann auf einem Felsen nieder. Was für eine wunderbar warme Nacht. Zu schade, dass er sie ganz alleine genießen musste. Sein Vater war wieder einmal nicht aufzufinden. Überhaupt, war der alte Herr in der letzten Zeit eher still und weniger zu Späßen aufgelegt. Himmel, wie ihn das wurmte. Schließlich war sein Vater die einzige Person, mit der er Gespräche auf einer Ebene führen konnte. Die einzige Person seines Standes, die erahnen konnte, wie es war so zu sein wie er. Vielleicht wurde er langsam alt und müde… Bei dem Gedanken musste Herbert dann doch laut auflachen. Alt. Als ob sein Vater jemals alt werden könnte! Schließlich war er (der Theorie nach) nur einige Jahre älter als er, eine lächerliche Differenz, wenn man bedachte, dass die Ewigkeit noch, naja, „ewig“ dauern würde… Dennoch merkte er deutlich, dass sein Vater eine schwerere Last zu tragen hatte als er. Schließlich war Breda von Krolock der Graf! Er hatte Verantwortung für die Dienstboten, für sein Schloss, für die Ländereien… Herbert neidete ihm diese Aufgabe nicht. Immerhin musste er selbst niemals lernen sie zu übernehmen. Er musste sich nie dem Ernst des Lebens stellen, konnte tun und lassen was er wollte, ohne jemandem dafür Rechenschaft ablegen zu müssen. Nur manchmal, in schönen Mondnächten wie dieser, kam ihm der Gedanke, dass die Ewigkeit ganz schön langweilig sein konnte, so alleine. Er hatte keinen Gefährten, mit dem er die Nacht genießen konnte, keinen Freund, mit dem er Späße machen oder Herumalbern konnte. Schließlich war er auf dem Papier erst 20 Jahre alt! Da hatte man doch das Anrecht auf ein wenig Freude und Geselligkeit, oder war das zu viel verlangt? Die Bediensteten im Schloss waren viel zu eingeschüchtert um auch nur einen Ton mit ihm zu wechseln, der über ein „Bitte, der Herr“ oder „haben der Herr noch einen Wunsch?“ hinausging. Geschwister wären sicher eine tolle Sache. Eine Schwester vielleicht, die genauso viel Spaß an schönen Kleidern hatte wie er, oder ein Bruder, mit dem man ausgedehnte Ausritte unternehmen konnte. Doch dieser Zug war abgefahren. Seine Mutter war schon kurz nach seiner Geburt gestorben. Er erinnerte sich daran, dass er seinen Vater einmal nach dem Grund für ihren Tod gefragt hatte. Das Gesicht des Grafen, als er die Frage ausgesprochen hatte, würde er niemals vergessen… +++ Der Graf war nun beinahe wieder am Schloss angekommen. Als er den Hügel erklomm, der ihn vom Schlosshof trennte, sah er seinen Sohn auf einem Felsen sitzen. Herbert… Er betrachtete ihn ruhig. Sein Sohn war sein ganzer Stolz. Schon immer. Wie immer wenn er ihn ansah, begann ein Gefühl in ihm zu nagen, dass er schnellstmöglich zu verdrängen suchte. Schuld. Er hatte es damals nicht ertragen können mit anzusehen, wie er älter wurde. Er konnte förmlich spüren, wie das Leben aus dem Jungen zu sickern begann. Immer wenn er ihn sah, konnte er eine neue Veränderung an ihm erkennen. Durchwegs positive Veränderungen, natürlich. Aus dem Jungen war allmählich ein Mann geworden. Seine Schultern breiter, seine Stimme tiefer… Aber er wusste, dass dieser Prozess nicht aufzuhalten war. Irgendwann würde er mit ansehen müssen, wie sein Sohn verfiel. Wie er älter aussehen würde als der Vater, der in alle Ewigkeit Mitte 30 bleiben würde. Wie der Verfall des Lebens einsetzen, und wie er schließlich eben dieses Leben aushauchen würde. Damals schien es so logisch, ihn mitzunehmen… Sein Junge, abenteuerlustig und vertrauensselig wie er war, war von seiner Idee natürlich begeistert gewesen! Ewige Jugend! Das war doch was! Für alle Ewigkeit 20 Jahre alt bleiben, niemals älter werden! So zu sein wie der Vater, den er verehrte wie jeder Junge das tat, das war doch die tollste Sache, die es geben konnte… +++ Herbert sah auf und blickte seinen Vater an. Schwungvoll stand er auf. „Guten Abend!“ rief er, trat einige Schritte auf ihn zu und umarmte ihn. „Eine wunderschöne Nacht, oder? Man könnte fast meinen, der Mond scheint nur für uns!“ Herbert strahlte förmlich. Der Graf erwiderte seine Umarmung zurückhaltend. Herbert war schon immer…besonders gewesen. Viel leidenschaftlicher und fröhlicher als er selbst es jemals gewesen war. Viel mehr den positiven Dingen zugewandt, viel offener für Neues. „Wollen wir einen Spaziergang machen, Vater?“, bat Herbert ihn und sah ihn hoffnungsvoll an. Gemeinsam machten sie sich auf den Weg. Der Graf lauschte der erfreuten Stimme seines Sohnes, deren Elan ihn einmal mehr beruhigte, dass er damals die richtige Entscheidung getroffen hatte. Für eine kurze Zeit schien die Nacht erfüllt von Leben. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)