My Beloved Target von Night_Baroness (Gin&Rye-FBI VS. Black Organization) ================================================================================ Kapitel 36: Trade ----------------- 6 Stunden zuvor… „Haben Sie Erfolge zu berichten?“ Atsushi Miyano räusperte sich. Obwohl er kein Mann war, dem man schnell Angst machen konnte, kam er nicht umhin selbst am Telefon die eigenartige Präsenz seines Vorgesetzten zu spüren. Wie von vielen Sektenführern ging auch von diesem Mann etwas Unergründliches, aber durchaus Mächtiges aus, etwas, das ihm nicht zum ersten Mal eine viel zu trockene Kehle verursachte. „Ja, wir haben Dai Moroboshi, oder Rye, wie er sich jetzt nennt, erfolgreich in unsere Gewalt gebracht. Auch wenn es mir vielleicht nicht zusteht, würde ich Ihnen gerne eine Frage stellen, warum das alles? Warum jagen wir ihn überhaupt und welche Rolle spielt die Organisation, bei der ich früher gearbeitet habe? Ich habe zwar die ganze Zeit Ihre Befehle ausgeführt, aber ich habe immer noch nicht verstanden, was genau das alles zu bedeuten hat.“ Beinahe konnte er spüren, wie sein Gesprächspartner lächelte. „Nun, Miyano, warum beginnen wir nicht von Anfang an? Ich bin gerne bereit, Ihnen alles, was bisher geschehen ist und zu diesem Fall gehört, zu erläutern.“ Seine Stimme hatte einen weichen, verständnisvollen Klang, doch Atsushi entging nicht der feine Unterton, der sich wie Schleifpapier an seine Haut rieb. Zwar wirkte er durchaus wie ein friedfertiger und freundlicher Mensch – wie die meisten, die sich selbst Priester nannten – aber konnte jederzeit sein zweites, düsteres Gesicht zeigen, das bewies der bedrohliche Hauch, der mit jedem seiner Worte mitschwang. Vielleicht kann ich deshalb nicht mehr weg, dachte er. Eine solche Stimme duldet keinen Widerspruch. Vielleicht bin ich deshalb einfach geblieben. „Sie haben mich gefragt, worum es bei allem ging, nun, einfach gesagt, um einen Handel.“ „Einen Handel?“ „Genau, Dai Moroboshi gegen die Formel, die Sie entwickelt haben, der Verräter gegen die Superdroge SBE.“ Atsushi schnappte überrascht nach Luft. Er hatte wirklich vor Silver Bullet Evolution, ihre Wunderdroge, einzutauschen? Nur wegen eines einzigen entflohenen Mitgliedes? „Deshalb sollte Mitsuki Angel also Moroboshi entführen und zu mir bringen?“ „Ja, aber lassen Sie mich ganz am Anfang beginnen, Sie wissen doch, wie gerne ich Geschichten erzähle.“ Der Mann am anderen Ende der Leitung lachte leise und zum ersten Mal fiel Atsushi auf, dass er seltsam klang – alt. Er hatte den Anführer nie getroffen, sich nie eine Vorstellung von ihm machen können, doch plötzlich glaubte er zu wissen, mit wem er redete. Einem alten, gelangweilten Mann, der sich die Zeit vertreibt, der vielleicht nie erwachsen wurde… Oder niemals sterben will? „Alles begann mit Dai Moroboshis Verrat an uns. Zu dieser Zeit waren Sie gerade dabei, die Droge weiterzuentwickeln, weil ein entscheidender Faktor fehlte.“ Atsushi nickte, auch wenn sein Gesprächspartner das natürlich nicht sehen konnte. „Die Kontrolle.“ „Genau, ich wollte, dass Sie die Droge so verändern, dass ich die, die sie eingenommen haben, gefügig machen konnte, was uns mithilfe eines besonderen Chips, dessen Signale mit der Droge reagierten, auch gelang. Von Angel, an der wir die neue Funktion testeten, erfuhr ich damals persönlich, dass Dai Moroboshi uns an deine ehemalige Organisation verraten wollte. Dummerweise konnte er fliehen, bevor wir in der Lage waren, ihm einen Kontrollchip einzusetzen, sodass er zwar einen Prototypen des SBE im Blut hatte, aber uns nicht hörig war.“ „Ich verstehe, die Komplikationen von damals sind mir noch gut im Gedächtnis.“ Stimmt, ich erinnere mich, dass Moroboshi geflohen war. Damals war die Aufruhr groß, da er ihre heiligen Ideale und Götter verraten hatte. Mich schmerzte lediglich der Gedanke, dass meine Forschung womöglich in falsche Hände geraten konnte – ironischerweise dachte ich nicht mal daran, dass es ausgerechnet die Organisation sein sollte. „Die Organisation gelangte also in Besitz eines Prototyps des SBE?“ „So ist es. Allerdings ließ sich auf Grundlage dessen das Gift nicht replizieren, wie Sie wissen. Sie waren nicht in der Lage, ohne irgendwelche Unterlagen die Droge für sich zu nutzen, weshalb ich ihnen besagten Handel vorschlug.“ Dai Moroboshi gegen das SBE, das war also alles. Darum starben alle diese Menschen, darum wurde all dieser Wahnsinn inszeniert, was für ein Hang zur Dramatik. „Hatten Sie vor ihnen unser Mittel zu überlassen?“ Er lachte wieder, diesmal lauter. „Natürlich nicht! Mein ursprünglicher Plan sah vor, ihm eine Falle zu stellen. Moroboshi hatte unsere Religion verraten und musste deshalb sterben, aber deshalb konnte ich nicht riskieren, unsere Forschungsergebnisse an Ungläubige gehen zu lassen. Aus diesem Grund veranlasste ich, dass sich eines unserer Mitglieder als Abtrünniger des FBIs ausgab und Moroboshi und seinen Partner zu einem Treffen lockte, damit sie keinen Verdacht schöpften. Ihrem Boss erzählte ich, sie würden dort die Informationen erhalten. Wir sollten Moroboshi exekutieren und seinen Partner verschonen – worauf er seltsamerweise großen Wert legte, aber in Wahrheit wollte ich beide beseitigen und die Daten behalten.“ „Aber das hat nicht funktioniert?“, hakte er nach. „Leider.“, seufzte der Lord, wie er sich selbst gerne nannte. „Zu meinem großen Ärger waren Scharfschützen postiert worden, die eingriffen, bevor wir unseren Plan umsetzen konnten – offenbar misstraute Anokata mir von Anfang an. Nun waren wir in der Bringschuld, weshalb ich versprach, ihm als Entschädigung eine Liste mit gefälschten FBI-Agenten zukommen zu lassen, ebenso wie die Daten der Droge, die sich mit einem zusätzlichen Passwort geschützt ebenfalls auf der CD versteckt fanden.“ „Die CD! Deshalb sollte ich auch die Gleichungen etwas verändern, oder? Damit wir Zeit schinden konnten.“ „Ich hielt es immer noch für einen fatalen Fehler, ihnen die echten Unterlagen zukommen zu lassen, wollte aber auf keinen Fall, dass ihr Spion überlebte – ein solcher Frevel hätte unsere ganze Glaubensgemeinschaft zerstören können. Also bat ich Sie darum, die Forschungsdaten etwas zu ändern, gerade so, dass es erst auffallen würde, wenn man sich ausführlich damit befasst hatte, was Wochen, ja vielleicht sogar Monate dauern konnte, letztendlich hat es uns ja auch etwas Zeit verschafft.“ „Dann wollten Sie sie also ein zweites Mal reinlegen, nachdem der erste Versuch fehlgeschlagen war?“ „Ja. Ich vereinbarte alles mit Anokata, der natürlich wenig kooperativ war, nachdem ich ihn hintergangen hatte. Ich musste versprechen, dass ich ihm überlassen würde, wann er Moroboshi auslieferte und ein paar meiner Mitglieder opferte.“ „Die Liste. Es sollte weiterhin so aussehen, als handle es sich um FBI-Agenten.“ „Genau, echte Agenten waren übrigens niemals in diesen Fall involviert, lustig nicht? In erster Linie ging es darum, Moroboshi nicht misstrauisch werden zu lassen, aber wir beide legten auch Wert darauf, die Mitglieder seiner Organisation, die nicht für die Forschung zuständig waren, nicht darüber zu unterrichten – Basilisk ist schließlich eine religiöse Gemeinschaft, die im Verborgenen lebt, wir können es uns nicht leisten, auf jemandes Radar zu erscheinen.“ „Selbstverständlich. Und der Plan funktionierte, nehme ich an?“ „Zunächst ja. Die Leute der Organisation kamen in Besitz der Liste und der geheimen Daten, von denen nur ihr Chef etwas wusste. Während sie meine Opferlämmer jagten, machte er sich an die Überprüfung der Echtheit, danach wollte er mir Moroboshi ausliefern.“ „Die Kleinigkeiten, die ich eingebaut habe, fielen natürlich nicht auf und er stimmte der Übergabe zu, nicht wahr?“ Atsushi blickte einen Augenblick lang nachdenklich aus dem Fenster, draußen hatte sich ein kleiner Vogel niedergelassen, der ihn neugierig beäugte. Ohne zu wissen warum, war er erleichtert, dass es keine Krähe war, was mitten in heiß-schwülen Thailand vermutlich ein absurder Gedanke war. „Was würde ich nur ohne Sie machen?“ Seine Stimme klang ehrlich amüsiert, wie immer wurde Atsushi etwas unbehaglich, in der Regel bedeutete es nichts Gutes, wenn der Lord so fröhlich war. „Es sollte realistisch wirken, damit niemand Verdacht schöpfte, deshalb nutzte ich ein Mitglied, das ich schon vor einiger Zeit in die Organisation eingeschleust hatte – Kurumi Suzuka oder Metaxa, wie sie sich dort nannte. Sie nahm Anne Fox, ebenfalls ein langjähriges und loyales Mitglied von Basilisk, wie du sicher weißt, scheinbar gefangen und ließ sie Moroboshi und seinen Partner in eine mit seinem Boss vereinbarte Falle locken. Sie selbst sollte diese dann nutzen, um unterzutauchen und zu mir zurückzukehren. Im alten Polizeipräsidium hätte ich die beiden dann schließlich fast gehabt und sie mit einer gewaltigen Explosion wortwörtlich in die Hölle geschickt, doch aus irgendeinem Grund schafften sie es tatsächlich zu überleben und entkamen meinen Leuten. Zwar gelang es Metaxa ein Organisationsmitglied mithilfe eines unserer Mittel so zu manipulieren, dass es ihren Tod aussagte und sie nicht mit der Explosion in Verbindung brachte, aber das war auch schon der einzige Erfolg und ein schwacher Trost.“ Verärgert knirschte er mit den Zähnen, offenbar zehrte er lange an solchen Rückschlägen. „Ich kann mir vorstellen, dass Anokata darüber alles andere als erfreut war. Sagten Sie nicht, er wollte den Schutz von Moroboshis Partner gewährleistet haben?“ „Er war außer sich. Offenbar reichte ihm das als Grund, jegliche Verhandlungen zu unterbrechen, er hatte schließlich was er wollte – beziehungsweise glaubte es. Aus diesem Grund befahl ich meinen Leuten, Moroboshi einfach zu entführen, ich hatte genug von diesen albernen Spielchen.“ „Die Sache mit dem Zug?“ „Gut, dass man Sie bereits informiert hat, Kommunikation ist schließlich alles, nicht wahr? Ich wollte damals eigentlich zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen, Sie wissen noch, dass die Droge bei Mitsuki Angel unerklärliche Anomalien zeigte?“ „Ja, sie konnte sich immer wieder dagegen wehren und die Kontrollfunktion fast vollständig außer Kraft setzen – im Gegenzug waren aber ihre Superkräfte nur spärlich bis gar nicht ausgeprägt.“ „Sie schien sich immer mehr einem Verrat zugetan zu fühlen und wollte zwei Organisationsmitglieder zu dem Bahnhof locken, an den sie Moroboshi bestellte, um ihn zu entführen. Aus diesem Grund beschloss ich ein zweites Team als Absicherung hinzuschicken, die Angel gefangen nehmen und die Dosis verstärken sollten. Sehr zu meinem Ärger allerdings wurden wieder schwerwiegende Fehler gemacht, sodass am Ende Angel und Moroboshis Partner im Zug waren, während das andere Organisationsmitglied unsere Gefangene war. Als wir den Irrtum bemerkten, war es schon zu spät. Wir hatten uns zu erkennen gegeben und die Zielperson vorgewarnt, da es seinem Partner ohne Einfluss der Superdroge, die ja auch die Intelligenz verstärkt, gelang, die Sprengung aufzuhalten. Glücklicherweise hatte ich danach noch Angel als mein Ass im Ärmel, sonst wäre er uns wohl durch die Lappen gegangen.“ „Dann war es also ein Test?“ „Ja, ich muss gestehen, ich war neugierig inwieweit das Mittel überhaupt noch wirkte, ich hätte Moroboshi danach immer noch erledigen können.“ Erst opferst du munter Mitglied um Mitglied um ihn zu kriegen und dann spielst du einfach ein wenig mit ihm und riskierst ihn vorzeitig zu warnen? Langsam zeigt sich wirklich, wer das wahre Ungeheuer ist. „Nach der Zugentführung mussten Sie schnell handeln, weshalb Sie Angel erneut unter Drogen setzten und sie dazu brachten, Moroboshi in eine Falle zu locken und zu entführen.“ „Korrekt. Erst ganz zum Schluss ist mir die einfachste Waffe von allen eingefallen. Es war die Schlange, die die Menschen zum Bösen verführte, es ist das, was wir begehren, das uns beherrschen und manipulieren kann. Moroboshi liebte Angel einmal, also war sie die beste Waffe, die wir hatten. Letztendlich war es sein Vertrauen und sein Glauben an das Gute in ihr, das die Schlinge um seinen Hals zugezogen hat. Ist das nicht eine wundervolle Ironie?“ Ich könnte kotzen. „Aber was ist jetzt mit der Organisation? Werden sie uns jagen?“ „Mittlerweile sollte aufgefallen sein, dass die Formel fehlerhaft ist. Wir können uns also bald auf eine Menge Spaß einstellen.“ Sein Lachen echote noch lange nachdem er aufgelegt hatte in Atsushis Ohren. „Seien Sie vorsichtig, der letzte Akt dieser Tragödie wird bald beginnen.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)