Wodka & Coffee von CrazyGirly ================================================================================ Prolog: I Write Sins,Not Tragedies. ----------------------------------- Ihr wollt also unsere Geschichte hören? Eine Geschichte ohne jeglichen Hokuspokus, ohne beeindruckende Special Effekts und sicherlich völlig ohne herzzerreissende Liebesszenen zwischen Vampiren und Menschen? [Was allerdings nicht heißt, dass ihr hier auf wahre Gefühle, Schwierigkeiten, Zickenkrieg, Eifersucht, Mord und Totschlag und pure Lust verzichten müsst...] Gut, dann lehnt euch zurück und lasst euch von diesen Zeilen einfangen. In jeder einfachen aber effektiven Gesichte gibt es bestimmte Charaktere zu vergeben. Diese Rollen müssen ohne jede Schwierigkeit beherrscht werden, erst dann kann eine perfekte Geschichte kreiert werden. Da wären einmal die Hauptpersonen, die ihr nach und nach kennenlernen werdet. [Meine Wenigkeit zählt übrigens zu dieser Kategorie - welch Überraschung.] Dann gibt es da noch die sogenannten One-Hit-Wonder...Menschen, die für kurze Zeit eine ganz wichtige Rollen in deinem Leben spielen und vorgeben diese Rolle niemals abtreten zu wollen. Sicher kennt jeder von uns mindestens eine solche Person. Und nicht zu vergessen die einfachen, uninteressanten und für die Handlung doch notwendigen Nebencharaktere. [Nicht dass ich irgendeine Person meiner Lebensgesichte als unwichtig empfinde.] Hier sind all diese Plätze vergeben.Sogar doppelt bis dreifach - Euch wird es also hoffentlich an nichts mangeln. Mein heutiger Morgen beginnt fast wie der Morgen eines jeden anderen auch. Man macht die Augen auf, stellt mürrisch den Wecker ab und dreht sich noch einmal um. Nun...wie gesagt, fast. Denn heute kann ich es kaum erwarten unter die Dusche zu springen, mich frisch zu machen und den Weg aus dem Haus zu finden. Wie ich es als einfache Abiturientin geschafft habe die morgendlichen Schul-Depressionen hinter mir zu lassen? Davon will ich euch erzählen,denn das war nicht immer so. Erst seit kurzer Zeit blicke ich ohne jegliche Zweifel und Unstimmigkeiten geradeaus, weil ich endlich weiß, dass ich alles gegeben und nichts unversucht habe stehen lassen. Wen macht es nicht stolz zu wissen, dass man seinen Weg gefunden hat und niemals alleine ist? Natürlich warten sicherlich noch einige Rückschläge auf mich...doch die sind zweitrangig. Denn vorerst wartet dort draußen unter dem blauen Himmel, in mitten einer Horde von Fremden etwas ganz anderes auf mich. Etwas, dass ich hoffentlich nie verlieren werde. Etwas, dass mich wohl für immer lächeln lassen wird. Oh, bevor ich es vergesse - Mein Name ist Suzie Hatcher, das war hoffentlich nicht unsere letzte Begegnung. Kapitel 1: Funny Little World ----------------------------- → Suzie Hatcher Die besagte Geschichte fängt an dem Tag unseres Abschlusses der Mittelstufe an, den wir alle so sehr ersehnten, wie die Sonne ihren besten Freund den Mond treffen wollte. [Die Geschichte kennt ihr doch alle, oder? Falls nicht...mir fallen sicher noch tausende von Vergleichen ein!] Man könnte auch sagen, dass wir es uns so sehr wünschten wie eine gewisse Meerjungfrau sich aus heiterem Himmel Beine wachsen lassen wollte, um sich an Land den heißesten Stecher als Mann ihrer Kinder zu angeln. Doch...was wir nicht bedacht hatten: Das Leben ist kein Disney-Film. Und wir waren keine Meerjungfrauen mit mächtigen Vätern, die uns alles herzaubern konnten, was wir haben wollten. Allerdings lenkten uns diese Tatsachen nicht vom Träumen ab. „Denk bloß an die ganzen reifen Kerle, denen wir begegnen werden!“, träumte Jessy vor sich her. Ich konnte da nur zustimmen. Ja, auch ich konnte es kaum erwarten ein paar neue Popos unter die Lupe zu nehmen. „Und die wilden Partys, die Abiturienten schmeißen.“, weitete ich die Vorstellungen grinsend aus. Ihr denkt es ist naiv sich alles so einfach und perfekt vorzustellen? Wenn ja...dann habt ihr vollkommen recht und seid wohl einfach intelligenter als wir es waren. Im Grunde hatten wir uns insgeheim schon auf diesen Zeitpunkt gefreut seit unsere damaligen Zielobjekte die 10. Klasse abgeschlossen hatten und wir als die ältesten der Schule galten. Vielleicht könnt ihr euch vorstellen wie öde das sein kann... „Treffen wir uns später bei mir und lassen uns hier auf dem akademischen Abschluss gemeinsam blicken?“, ließ ich das Thema schließlich doch für einen Moment fallen und sah Jessy abwartend an. Diese nickte sogleich eifrig. Auf Jessica Baker, meine Seelenverwandte und offiziell bessere Hälfte [Das ist sie übrigens nicht nur im übertragenen Sinne - Sie verhält sich wirklich viel anständiger und vorbildlicher als ich.] ist immer Verlass. Zumindest, wenn ihr ein paar Pluspunkte bei ihr gesammelt habt - Schon möglich, dass das nicht schwer ist...doch solltet ihr welche verlieren, kommen diese nie wieder zurück. Ja, sie ist nachtragend. Also merkt euch dies und verscherzt es euch lieber nicht, falls ihr sie irgendwann einmal treffen solltet. Unsere Sachen bereits zusammengepackt waren wir beide mal wieder diejenigen, die den Unterricht als erstes für beendet festlegten. Hätten bloß wir uns diese Freiheit herausgenommen wäre es wohl kaum aufgefallen, doch der bekannte Dominoeffekt bleibt bei so etwas selten aus...macht einer etwas mutiges vor, was dem Denken anderer entspricht, folgt der Rest - es ist ja immerhin auf dem Mist von anderen gewachsen. „Auch wenn das euer letzter Tag ist, ich sage wann ihr gehen dürft!“, schallte die Stimme der Lehrerin verärgert durch den Raum. „Ihr beiden, ihr geht als letztes!“ Eine sehr milde Strafe im Gegensatz zu dem, was wir uns sonst schon so alles hatten anhören dürfen. Nachdem weitere Formalien, was die Feier unseres Abschlusses betraf, geklärt waren hatte man uns schließlich doch frei gelassen. Ohne auch nur einen Gedanken daran zu verschwenden, dass wir auf diesen Fluren wohl nie wieder negativ auffallen würden, verließen wir das Gebäude. Doch siehe da...! Wir fielen doch noch einmal negativ auf - wenn auch nur einer einzigen Person, die uns einen letzten genervten Blick schenkte und dann um die nächste Ecke bog und aus unserer Sicht verschwand. [Hiermit lernt ihr das erste One-Hit-Wonder kennen: Nathalie Kork. Ein Mädchen, dass anderen keine Lebensfreude oder gar Glück gönnte ohne dies selbst zu besitzen. Doch das alles zu erklären würde zu einer anderen Geschichte führen, einer verdammt uninteressanten die ich - obwohl ich eine Frau bin und gerne rede - nicht weiter erwähnen möchte.] Lachend schüttelten wir mal wieder den Kopf über sie und ließen den Schulhof und all seine Anhängsel hinter uns immer kleiner werden. Gesagt, getan. Am Nachmittag war Jessy bei mir vorbeigekommen. Wir hatten uns schick gemacht und uns in die engsten und vor allem höchsten und somit auch gleichzeitig gefährlichsten High-Heels gequetscht, die wir besaßen. [Natürlich hatte man uns gewarnt, dass niemand an dem Tag seiner Zertifikatsverleihung einen - oder bei unserem Glück zwei - Genickbrüche miterleben wollte, doch das war uns egal. Wir wollten einen letzten Eindruck hinterlassen. Und wenn es bloß als die Mädchen mit den schönsten und doch gewagtesten Schuhen war. Manchmal mussten Frauen eben tun, was Frauen tun mussten!] Unsere Kleider hatten wir dafür in einem schlichten Schwarz gehalten. Bereits vor Beginn der eigentlichen Zeremonie standen erleichterte Schüler in der Halle und warten darauf, die Zeit hier hinter sich zu bringen um in eine gemeinsame Party-Nacht durchzustarten. Die Eltern hingegen freuten sich nicht im Geringsten auf den Überfluss an Alkohol und Minderjährige ohne Aufsicht. Doch sie gönnten es uns. [Also...Nicht den Alkohol, ich rede von dem gelungenen Abschluss!] Jessy und ich waren unsere Eltern schnell losgeworden. Sie hatten sich mit Leichtigkeit in eine Ecke auf freie Stühle abschieben lassen. Zufrieden warteten wir vor der Tür auf die dritte Frau in unserem Bunde - Ana Pears. [Mit der Pünktlichkeit nahm sie es nicht so eng, das war für uns nichts Neues.] Über die Jahre hatten wir uns zu einem eingespielten Team entwickelt. Da führte kein Weg daran vorbei auch jetzt zusammenzusitzen. Auch wenn Jessy und ich durch sie wohl zu spät kommen würden. Einmal im Leben wirklich Glück gehabt, marschierte Ana doch in letzter Minute ein - und wir fanden sogar noch drei gute Plätze, mitten im Getümmel. „Ihr seht umwerfend aus Ladys!“, stieß sie erneut aus, als wir saßen. Sie konnte es wohl nicht oft genug sagen. Doch auch sie machte eine gute Figur in ihrem Kleid, das aufgrund seines Schnitts keinen BH duldete. [Gut, dass die Schwerkraft in den ersten 20 Lebensjahren noch gnädig ist - ein guter Zeitpunkt, Gott dafür zu danken, oder Ana?] Gefühlte Stunden vergingen, während nach und nach die Klassen auf die Bühne traten und nach und nach die einzelnen Schüler ihr Zeugnis überreicht bekamen. Und kurz bevor unsere Klasse dran war und Ana wieder bei uns saß, passierte etwas worauf nur zu warten war - wenn man uns kannte. Ich würde für meine Ungeduld gestraft und blieb mit der ungefeilten Ecke meines Fingernagels in meiner Strumpfhose hängen...den Rest könnt ihr euch denken, hm? [Laufmaschen sind wirklich das letzte. Die Biester gehören getötet! ] Was ich tat? Nun...das war wohl jeder tun würde. Ich rutschte unelegant auf meinem Sitzplatz hin und her und quälte mich aus meiner Strumpfhose. „Was tust du da? Man kann dich sehen!“, erinnerte mich Ana schockiert, Jessy für ihren Teil sagte nicht - sie war mit lachen beschäftigt. „So kann ich da nicht hoch!“, fauchte ich genervt zurück und zuckte zusammen als ich eine Stimme hinter mir wahrnahm. Unser Geschichtslehrer. Nicht alles, dass ich ihn nie hatte leiden können. Ich war auch noch nie gut in Geschichte. „Ähm...“, hatte er sich zu Wort gemeldet und einen erschrockenen Blick von mir empfangen. „Ich wollte ihnen für ihre Zukunft alles Gute wünschen, da ich nun bereits gehen muss.“, schleimte er unsicher. Wir nickten ihm höflich zu und bedankten uns lächelnd. [Immerhin waren wir ja gut erzogen worden.] Kaum zu glauben, doch kurz darauf meisterten Jessy und ich den Weg auf die Bühne und der Rest der Veranstaltung lief glatt. Niemand von uns brach sich ein Bein, oder andere wichtige Gliedmaßen und es wurden noch schnell ein paar Fotos mit Leuten geschossen, denen man nun das letzte Mal Freundschaft und Aufrichtigkeit vorspielen musste. Und als hätte man sie nicht gewarnt...auf dem Weg zum Auto um uns an den Ort des Verderbens fahren zu lassen, blieb Jessy zum Abschluss mit ihrem Absatz in einer Kuhle hängen. Doch keine Angst, ich hatte ja versprochen, dass sie niemand etwas gebrochen hatte und dabei bleibt es. Lasst uns nun aber endlich zu dem eigentlichen Höhepunkt der Feier kommen. Der Kirsche auf dem Sahnehäubchen - Dem Tüpfelchen auf dem I. [Okay, ich sollte es nicht übertreiben - Immerhin kann ich mich nicht einmal eins zu eins an alles erinnern. So toll kann es also nicht gewesen sein, oder?] Wo soll ich nur anfangen? Dabei, dass Jessy und ich unsere unbequemen Schuhen in Sneekers umgetauscht haben? Und die eleganten Kleider in freche Röcke und knappe Tops? Nein, lasst uns mit einer Einführung in die Gästeliste beginnen. Zu der ultimativen Abschluss-Partynacht waren geladen: Eine menge unwichtige Nebencharaktere. [So unwichtig, dass ich an dieser Stelle nicht einmal ihre Namen erwähne.] Unendlich viele One-Hit-Wonder, wie zum Beispiel das Mädchen, von dem ihr vorhin schon kurz hattet hören dürfen: Nathalie Kork. Außerdem waren mit von der Partie: Unser damaliger Klassenclown Alex - vielleicht gerne mal etwas abgehoben, aber eigentlich vollkommen erträglich. Das typische Durchschnittsmädchen, dass viel lieber auffallen wollte - Catherine und natürlich durfte eine Oberschlampe zur Belustigung aller auch nicht fehlen, in unserem Fall trägt diese den Namen Sibylle. Und jetzt lernt ihr sogar noch ein paar Hauptcharaktere mehr kennen. Zumindest waren sie es für uns in dieser Nacht. Das wären einmal Dean Havering, ein herzensguter Kerl dem die Mädchen nur zu gerne verfallen, [Ja, einst war auch ich von ihm geblendet...doch heute zählt er zu der Sorte Ex-Freunde über die man seufzend den Kopf schüttelt, da man sie eher als kleine Hündchen und nicht als ernstzunehmende, starke Männer betrachtet.] sein bester Freund - Marcus Worm und der eigentlich unwichtige Deon Donald. Wieso ich ihn aufzähle, wenn er eigentlich unwichtig ist? Er gehörte an diesem Abend einfach dazu. [Außerdem lag er auf unserer persönlichen Rangliste einmal ziemlich weit oben, da Jessy sich damals schwer in ihn verguckt hatte und wir generell einmal alle ziemlich gut befreundet gewesen waren. Doch Miss Hatcher musste ja unbedingt alles kaputt machen, weil sie es bei ihrem damaligen Freund und seinen Untertanen nicht ausgehalten hat. Sie kam sich nun mal vor wie Rapunzel in diesem viel zu eintönigen, modrigen Turm - Nicht, dass irgendwas an ihm modrig war.] Als wir eingetrudelt kamen, saßen die meisten schon zusammen um ein Lagerfeuer herum. Man unterhielt sich und hatte angefangen die ersten Bierchen zu öffnen. Jessy, Catherine und ich seilten uns jedoch gleich etwas ab. Wir schienen die einzigen zu sein, die Sibylle nicht ohne mindestens einen Tropfen Alkohol ertrugen. „Bier...das Zeug ist ja so langweilig.“, meldete sich Catherine schnell zu Wort und packte eine Flasche aus, in der sich eine verführerisch rote Flüssigkeit befand. Sex on the Beach - damit ging der Wahnsinn los. Die Flasche war schneller leer als gedacht...darauf folgten purer Wodka und Bacardi. Und ehe wir uns versahen, waren wir schlimmer dran als die anderen. Catherine fing schnell an mir die Probleme ihres Lebens anzuvertrauen, obwohl ich sonst nie wirklich viel mit ihr erlebt hatte. „Ich muss rennen!“, riss uns Jessy‘s schriller Schrei aus der Unterhaltung. [Jessy betrunken. Eine Katastrophe - wieso? Das werde ich euch mitteilen, passt gut auf.] Wir hatten alle nicht so schnell gucken können, wie sie aus dem Garten gerannt war und über die Wiese stolperte. [Oh, ich hatte nicht erwähnt, dass wir in einem abgelegenen Garten feierten, der von Feldern und Wiesen umgeben war, oder? Nun, jetzt wisst ihr es.] Und wer musste sie einsammeln? Natürlich - meine Wenigkeit. Wie ich es geschafft habe ihr hinterher zu laufen und sie schließlich festzuhalten, kann ich euch nicht sagen. Ein Wunder, dass es funktioniert hat. Doch das hat es. Und als wir auf dem Weg zurück waren eröffnete sich uns eine neue Welt. Wir betraten zum zweiten Mal den Garten und sahen uns kurz um - mehr mussten wir nicht tun. Die Stimmung war gehoben, lässig und übermütig. Man lachte, alberte herum, tanzte, rannte durch die Gegend und grölte umher. Wenn ihr mich fragt,mich erinnerte dies an eine Horde Affen während der Paarungszeit. „Wow...die Wirkung von Alkohol ist doch immer wieder überraschend.“, murmelte ich grinsend und ließ Jessy erst jetzt los. Jessy schien genau so verwundert zu sein wie ich selbst, doch auch ihr gefiel die Situation. „It‘s Showtime!“, und schon ging sie voraus, gesellte sich erneut zu Catherine und sorgte für etwas Bier als Nachschub. Und natürlich, auch ich griff erneut zu. Als es bereits dunkel wurde verzogen Jessy und ich uns in eine abgelegene Ecke und warteten darauf, dass alle sicher überlebten, während die Männer unter uns angetrunken versuchten den Grill zu beherrschen. „Ich hab Hunger!“, jammerte Jessy seufzend und wankte kurz hin und her. Ihr Zustand hatte sich eindeutig nicht verbessert. „Dauert bestimmt noch eine Weile.“, kurz nachdem ich ausgesprochen hatte, schloss sie kurz die Augen und atmete laut ein und aus. „Alles okay?“, fragte ich sogleich verwundert und sah sie schief an. Ja, ich spürte den Alkohol auch bereits doch noch hielt sich alles in Grenzen - Ich wusste wann Schluss war. Jessy schaute leidend aus der Wäsche und lehnte ihren Kopf sacht an meine Schulter. Seufzend nahm ich sie in den Arm. Wie man mit Betrunkenen umgeht? [Keine Ahnung, ich bin immerhin keine Krankenschwester. Aber solltet ihr es wissen, meldet euch bei mir.] Doch lange musste ich mir über diese Frage keine Gedanken machen, da man uns wohl gesucht und dann auch gefunden hatte. Wir wurden zu den anderen zitiert und erblickten völlig neue Gesichter. Man hatte also neue Leute ins Boot gezogen? Für mich kein Problem. „Huch...ich glaube ich fange an die letzten meiner Synapsen zu töten. Ich kann mich an so mache Leute, mit denen wir 5 Jahre verbracht haben, nicht mehr erinnern.“, murmelte Jessy und sah sich angestrengt um. Ich lachte leise - War sie nicht süß? „Keine Sorge Mäuschen. Die kannst du nicht kennen.“, mehr hatte ich nicht vor ihr zu erklären, es wären verschwendete Worte gewesen. Kaum hatten wir uns zu den anderen auf eine Bank gesetzt, fing Jessy wieder an zu jammern, sie habe Hunger, also stand ich auf um mich um dieses Problem zu kümmern - immerhin wollte ich mir das nicht den ganzen Abend lang anhören. Mir zwei Pappteller geschnappt, stellte ich mich zu den Jungs und stand eine gefühlte Ewigkeit bei ihnen rum. „Hey, hey, hey!“, summte mir plötzlich jemand ins Ohr und nahm mich von hinten in die Arme. Da auch mein Kopf bereits etwas länger brauchte, verzog ich in ersten Moment bloß verwundert die Augenbrauen - Eigentlich war ich mir sicher darüber zurzeit zufrieden in der Single-Welt zu leben. Ja, sehr sicher sogar! „Ähm...hey.“, verlor ich mich also in einer knappen Begrüßung und sah in das Gesicht von Marvin Poe . [Ja, noch so eine Person deren Namen ihr nach diesem Kapitel wohl kaum erneut hören werdet.] „Na? Gefällt dir der Abend bisher?“, fragte er grinsend und machte nicht den Anschein Abstand zu nehmen. Schief lächelnd nickte ich auf seine Frage. Eigentlich hatten wir uns ja auch mit ihm einmal wirklich gut verstanden - solange man seiner Ehre nicht in die Weichteile tritt ist er wirklich freundlich und ein lustiger Zeitgenosse. Doch als herauskam, dass er es bei mir und Jessy parallel versuchte, hatten wir ihn abgehakt. [Nun an alle Herren dort draußen; Mal ganz ehrlich...nur weil es heißt, dass beste Freundinnen sich alles teilen, darf man diese Aussage bei weitem nicht auf potentielle Partner beziehen.] Und dafür bekam auch er dann seine Rechnung: Ich konnte gar nicht so schnell gucken, da war Jessy aufgebracht zwischen uns gestürmt und stieß ihn heftig zur Seite. „Lass sie in Ruhe, du Perverser!“, schrie sie ihn heiser an. Marvin hob irritiert seine Hände zur Abwehr und holte ebenfalls zu einem verbalen Schlag aus. „Verzieh dich, nach dir sucht keiner!“ „Steak?“, unterbrach Dean sie geschickt und sah mich kurz verwundert an. Dankbar lächelnd nahm ich ihm den Teller ab und schnappte mir Jessy, welche sich tatsächlich durch die Tatsache, endlich etwas Essbares abzubekommen, völlig ablenken und beschwichtigen ließ. Verträumt machte sie sich über den Teller her und spülte gelegentlich mit etwas Bier nach. „Köstlich, das hat mir gefehlt. Ich fühle mich schon viel besser!“ - Doch das sah man ihr nicht an. Ich für meinen Teil bekam nicht viel runter und schob meinen Rest bei ihr ab. Und als auch die letzten Überbleibsel von ihrem Teller verschwunden waren, stand Jessy auch schon wieder auf den Beinen. „Auf in Runde 2!“ - Ich hatte wirklich vorgehabt, sie davon abzuhalten...doch das war unmöglich - Wirklich! „Cath? Her mit den Shots!“, doch Catherine musste passen. Ihren Anteil hatten wir bereits aufgebraucht. Nahezu geknickt, ließ Jessy den Kopf hängen. „Aber soweit ich weiß verstecken die Jungs noch einiges. Ich komme mit!“ Und schon wurde ich von den beiden mitgezogen, um noch mehr Alkohol zu ergattern. Dabei hätte ich nichts gegen eine Pause gehabt, immerhin waren wir gerade mal zwei Stunden hier gewesen und in weiteren zwei wollten ein paar Eltern doch einmal nach dem Rechten sehen. Würde es so weiter gehen, dann würde bis dahin keine von uns mehr leben...und ihr könnt euch vorstellen wie schlecht das wäre. „Frag du!“, ein Teil der Jungs standen mit dem Rücken zu uns um einen vollgestellten Tisch herum und unterhielten sich amüsiert. Ich hatte mich nicht einmal beschweren können, für etwas vorgeschickt zu werden, was nicht auf meinem Mist gewachsen war, da drehten sich Marcus, Alex und Dean auch schon zu uns um. „Alles okay?“, wollte Alex munter wissen und hob sein Glas an, dessen Inhalt er dann mit einem Zug leerte. Kurz verzog er sein Gesicht, ich setzte zum Sprechen an - doch Natalie kam mir zuvor. „Alex!“, rief sie ihn aus ein paar Metern Entfernung und fuchtelte heftig mit den Händen, was ihm wohl signalisieren sollte anzutanzen. [Wenn ihr mich fragt...mich hätte das abgeschreckt. Aber auch er war nicht mehr nüchtern, daher blieb er wohl so ruhig.] „Oh...entschuldigt mich kurz, ja?“, und weg war er. Wir sahen ihm nicht einmal nach. Mein Blick traf stattdessen Dean‘s und ohne etwas zu sagen verteilte Marcus an jede von uns einen Shot. „Auf einen unvergesslichen Abend!“ - Worauf er wetten konnte. Unvergesslich war er irgendwie wirklich gewesen, [Oh, ja. Vielleicht sollte ich an dieser Stelle erwähnen, dass bei mir ab diesem Moment, hätten die Alarmglocken läuten sollen...Hatte ich schon erwähnt für wie gutaussehend ich Dean einmal gehalten hatte? Oder tat ich das immer noch...?] „Prost!“, und wieder wurde der Alkoholpegel gehoben. [An dieser Stelle werde ich ca. eine Zeitstunde überspringen, in der sich nichts weiter spannendes ereignete. Oder wollt ihr hören wie die angehenden Abiturienten sich weiterhin hemmungslos volllaufen lassen und zusammenrücken? Wohl kaum...doch wo mache ich weiter? Ahhh! Natürlich, also.] Ich stand noch immer - oder mal wieder, wie auch immer - bei Dean. [Ein Wunder, dass wir uns unterhielten. Damals war es nicht sonderlich blendend gelaufen. Zumindest zum Ende hin nicht mehr und seitdem endgültig Schluss gewesen war, hatten wir kein Wort mehr miteinander gewechselt.] Wir alberten unbeschwert herum und sprachen über Gott und die Welt. [Ich will ganz ehrlich zu euch sein, ich kann mich an den Großteil unserer Gespräche nicht erinnern - doch es kommt noch schlimmer.] Wo Jessy war? Auch darüber war ich mir nicht sicher, doch ich bekam sie schnell wieder zu Gesicht und zwar als sie sich an meine Seite stellte, sich verdächtig wacklig zu mir vorbeugte und sich sturzbetrunken alle Mühe gab leise und deutlich zu sprechen. [Zu eurer Information: Nichts davon gelang ihr.] „Isch muss ihn...küssen!“, nun wurde ich nahezu komplett aus meiner Benebelung gerissen und sah sie schockiert an. Auch Dean hatte die Augenbrauen zusammengezogen. „Jessy, wen auch immer du meinst: Tu es nicht. Nicht in dem Zustand.“ „Doch, isch muss! Wirklisch!“, faselte sie aufgeregt. „Ist dir noch nisch aufgefallen, wie nett Jamie heute Abend ist?“ „Er wäre ein Idiot, wenn er dich heute Abend nicht berücksichtigen würde.“ Ohne Jessy zu nahe treten zu wollen, sie war bei weitem am schlimmsten den Folgen des Alkohols verfallen... Wer Jamie ist? Oh, natürlich ebenfalls ein Klassenkamerad und gleichzeitig schon seid der Grundschule ein ziemlich guter Freund von Jessy. Doch bevor ich noch etwas sagen konnte, war sie bereits voller Tatendrang wieder geflüchtet. „Die Wirkung von Alkohol, hm?“, ergriff Dean das Wort. Ich griff mir an die Stirn und seufzte leise. Das war wirklich unglaublich. Doch kaum war Jessy verschwunden, tauchte Jamie bei uns auf. Und natürlich, ich warnte ihn. Doch Jessy schien sich so geschickt angestellt zu haben, dass er bereits von ihrem verdrehten Verstand Bescheid wusste und mir versicherte, auf sie aufzupassen. Wann ich selbst Jessy wieder zu sehen bekam? Auf ihrem nächsten Höhepunkt. Ich weiß bloß noch, dass Alex mich abgefangen hatte und wir es uns irgendwann zusammen auf der trockenen Wiese gemütlich gemacht hatten. Ich lag locker bei ihm im Arm und unterhielt mich mit ihm, als plötzlich Natalie um die Ecke gestampft kam und ihre Krallen ausfuhr: „Anstatt dich hier an Alex ranzumachen, solltest du dich lieber mal um deine ach so tolle beste Freundin kümmern!“ - und weg war sie. Alex und ich warfen uns einen überforderten Blick zu, und doch locke sie uns aus der Ruhe. Was sich uns hinter der nächsten Ecke bot, erschrak mich etwas. Alex‘s nahm es gelassen und stolperte mit einem Lachen ins Geschehen. „Spinnst du? Lass mich in Ruhe! Wo ist meine Brille?“, meckerte Deon aufgeregt. „Du hast es gewagt mich zu verletzen, du bist das letzte!“, und wieder holte Jessy zu einer Ohrfeige aus, doch irgendwie schaffte sie es über ihre eigenen Beine zu stolpern und fiel auf die Knie. Ohne Luft zu holen kroch sie ihm nun jammernd hinterher - ein schrecklicher Anblick, daher kämpfte ich mich zu ihr hervor und half ihr wieder auf die Beine. „Nimm sie bloß weg!“, rief Deon mir entgegen und suchte den Boden nach seiner Brille ab. „Kaum zu glauben, dass ich meine Brille verloren habe.“ „Du hattest gar keine an, ich weiß es ganz genau! Ein mieser Trick, um Mitleid zu erwerben!“ Und mit diesem Satz zog ich sie endgültig aus dem Gewühl. Es dauerte eine Weile sie wieder zu beruhigen, doch schließlich schafften Alex und ich es. Was nach einem Höhenflug durch puren Alkohol einkommt? Müdigkeit, so auch bei Jessy, die es sich mit einer Decke bei Jamie gemütlich machte. Ich jedoch wurde noch einmal von Alex zu einem Auslauf überredet und teilte mir mit ihm eine weitere Wodkaflasche. Irgendwann hatte er mich wegen einem Streit mit Natalie stehen lassen, und dann sprang auch schon Dean für ihn ein. „Ich finde ja, wir sollten alle den Alkohol bei Seite stellen.“, und schon hatte er mir die Flasche abgenommen. „Hey, gib die wieder her!“, forderte ich ihn auf und versuchte mein bestes sie ihm zu entreissen. Als mich plötzlich Jessy rief, hielt ich inne. Schlief sie nicht? „Was tut ihr da draußen? Dean! Finger weg! Du hattest deine Chance!“ Erst jetzt bemerkte ich, dass wir den Garten verlassen hatte und wohl schon eine ganze Weile alleine auf dem weiten Feld standen. Wie wir dort hingekommen waren? Ich gebe es ja zu, ich hatte keine Ahnung. Als man uns zurückholte, wurden wir bloß noch einmal richtig aufgemischt. Und zwar von ungeladenen Besuchern. Plötzlich wimmelte es um den Garten herum von Fremden Kerlen, die sich wohl etwas Unterhaltung suchten. Und genau das wollte auch Catherine, daher hatten wir einiges zu tun sie davon abzuhalten zu ihnen hinaus zu laufen und zu verschwinden. Ich für meinen Teil hatte meinen Beschützer. Dean gab sich alle Mühe alles im Griff zu behalten und kaum waren sie vertrieben und Catherine hatte andere Beschäftigung mit einem, uns viel bekannteren Herren gefunden, kamen wir alle zu Ruhe. Ich döste bei Dean auf der Liege für ein Paar Minuten ein, und als es hell wurde eröffnete sich und der Anblick des Chaos, welches wir hinterlassen hatten. Kaputte Gläser und Teller, verschüttetes Essen, dreckige Kleidung und überall lag jemand tief schlafend. Wie wir den Morgen verbrachten? Nun...Jessy, Marcus, Dean, Deon und ich saßen zusammen am Feuer und wärmten uns. Mittlerweile merkte man, dass wir bei weitem nicht mehr so locker miteinander umgingen wie vorher. Und als es ans Aufräumen ging? Tja, da verzogen sich dann die meisten – Jessy und ich inbegriffen. Wer auf den zerbrochenen Flaschen, den verteilen Salaten und dem restlichen Müll sitzen blieb? Keine Ahnung. Aber das ist wohl auch nichts, was man sich nach einer solchen Nacht als erstes fragt. Und ich für meinen Teil habe es nicht einmal als letztes wissen wollen. Zuhause konnte ich mich nicht entscheiden ob ich duschen oder schlafen wollte. Da es noch verdammt früh war, schlief der Rest meiner Familie noch tief und fest und um einem möglichen Unfall - wie vor Müdigkeit einzuschlafen und unglücklich in der Dusche umzukippen und zu ertrinken - zu vermeiden, legte auch ich mich hin und verschlief den kompletten Tag. Und ganz genau das war der letzte Tag unseres alten Lebens. Jetzt konnten wir von vorne beginnen! Also, haltet euch fest. [Ach? Ob ich etwas mit Dean hatte? Nun...das ist es ja. Die einen sagen ja, die anderen nein. Und was ich sage? Ich weiß es nicht - bis heute nicht.] Oh, ihr wollt wissen wie es Jessy erging? Nunja, nicht anders als mir auch. Nur, dass sie wohl die ein oder andere Stunde Schlaf mehr für sich beansprucht hatte. [Ob ich Leute wie Jessy gestern Abend immer als vernünftig beschreibe? Nein, sicher nicht. Eigentlich ist sie wirklich ganz anders - doch sein wir mal ehrlich. Auch die vernünftigsten Menschen unter uns erleiden mal Tiefpunkte, oder?] Kapitel 2: Hello Fascionation... -------------------------------- Suzie Hatcher Nun, es tut mir doch fast Leid diese Zeilen eintippen zu müssen. Doch wo ich den Ausblick in unsere nahe Zukunft so wundervoll gestaltet habe und wir bloß mit positiven Gedanken losgezogen sind, heiße ich euch nun in der knallharten Realität willkommen, denn...es war eigentlich völlig anders. Der erste Tag war voll, stickig, deprimierend, verwirrend und...verwirrend. [Halt! Habe ich da gerade im Eifer meiner Erzählung ein trauriges, mitfühlendes „Ohhh“ von eurer Seite vernommen? - Nein, Mitgefühl möchte ich durch einen Einblick in das Leben der Suzie Hatcher und ihrer Freunde nicht erzielen! Also...werde ich wohl noch ein paar positive Adjektive aus dem Hinterstübchen meiner Erinnerung kramen müssen...] Also muss ich zugeben, dass es doch auch aufregend, lustig und interessant war. [Und siehe da, das ist nicht einmal gelogen!] Aus unseren Action geladenen, einzigartigen Sommerferien gerissen trafen Jessy und ich uns an dem Ort, der uns verfluchen sollte. „Wieso sind wir so früh hier? Ich hatte nicht einmal Zeit mich für den ersten tag hübsch zu machen!“, jammerte Jessy genervt und verschränkte die Arme als wir vor dem Haupteingang standen - umgeben von anderen müden und nervösen Neulingen. „Hörst du mir überhaupt zu?“, rissen mich ihre Worte aus den Gedanken und somit packte ich schnell meine Bürste und den Lipgloss weg - ich hatte zugehört! „Du hast doch wirklich die Ruhe weg...und wie immer wirst du dich schnell einleben und wohl fühlen. Ich wünschte, ich hätte es auch so leicht.“ Doch diesmal unterbrach ich ihr Meckern, ohne darauf einzugehen. „Siehst du den Kerl da hinten? In dem blauen Pullover?“, wollte ich von ihr wissen und sah unauffällig in seine Richtung. Jessy sprang auf meine Masche an und verstummte sogleich. „Ja, und?“, nun sprach sie automatisch leiser, gar so als dachte sie er könnte uns aus dieser Entfernung wirklich hören. „Das ist ein Beispiel dafür, was uns erwartet. Also entspann dich und genieße es!“, ich für meinen Teil würde diesen Tipp in die Tat umsetzen, Oberstufen-Schüler waren einfach nicht mit Mittelstufen-Bubies zu vergleichen. „Nicht mein Typ.“, konterte sie jedoch wieder seufzend. „Nicht dein Typ? Der Kerl ist Adonis für unsere Welt.“ [Über Geschmack lässt sich bekanntlich ja wirklich streiten, aber ganz ehrlich, wer konnte diesem Zusammenspiel von Gelassenheit, Coolness, Stil und Charme wirklich widerstehen? Sein dunkelblondes Haar saß perfekt gegeelt über seinem sympathischen Gesicht, dass von einem neugierigen Lachen verziert war.] „Erde an Jessy? Gaff nicht so, er ist bestimmt nicht blind!“ Im selben Moment öffneten sich die Türen und wir wurden in der Menge mitgerissen - durch das Gebäude ab in die Aula, wo Jessy und ich uns in der letzen Reihe bei und bereits bekannten Gesichtern niederließen. „Ich will gar nicht wissen, mit wem ich das nächste Jahr verbringen muss.“, ich sah sie kurz an, als sie wieder redete, dann wanderte mein Blick durch den überfüllten Saal. Ich für meinen Teil war wirklich neugierig, doch als auf einer schmalen Tribüne die neuen Lehrer vorgestellt wurden und man nach und nach die Schüler der jeweilige Klassen aufrief, machte sich auch in mir Nervosität breit. Ich vernahm nach meinem eigenen Namen bloß den der drei Jungs, die bei uns saßen. Sie waren die einzigen, die ich kannte. Damals hatte ich mit ihnen ein paar Unterrichtsstunden zusammen gehabt - mehr jedoch nicht. [Gut, dass ich mich durch meine letzte verflossene Beziehung jedoch auch in meiner Freizeit besser mit ihnen angefreundet hatte und mir daher sicher war, vorerst gut aufgehoben zu sein - an dieser Stelle ist es mal wieder zeit jemandem zu danken, also: Danke Dean für deinen damaligen Freundeskreis,der auch auf mich übergegangen war.] Da ich mich in der A-Klasse befand, räumten wir auch als erstes den Raum und hinterließen leere Sitzplätze. Die Jungs nahmen mich wie erhofft munter mit, von Aufregung war bei ihnen keine Spur. [Oh, ich hab sie euch ja noch gar nicht vorgestellt - Holen wir das also nach, damit ihr in Zukunft wisst, von wem ich spreche: Matt, Josh und Oliver. - Und nun noch eine kurze Charakterbeschreibung. Matt war eindeutig der höflichste und zurückhaltenste von allen, ein lieber Geselle mit dem man eine Menge lachen konnte, wenn er aufgetaut war. Josh war das genaue Gegenteil, auch sehr freundlich allerdings viel offener - er hatte keine Probleme mit neuen Gesichtern und ungewohnten Situationen. Seine Devise? Was nicht passt, wird passend gemacht - und ganz unter uns, schlecht sieht er nicht aus. Und dann haben wir natürlich noch Oliver, der auf eine ganz andere Art zurückgezogen ist...er lebte für sein Hobby, die Musik, und gab sich lediglich mit Leuten ab, die er wirklich mochte.] Kaum waren wir alle in einem kleinen Raum angekommen, der mit knapp 28 Schülern bereits total überfüllt wirkte setzten wir uns zusammen und ich konnte das erste mal einen intensiven Blick auf meine neuen Mitschüler werfen. Wir waren eine bunte Truppe - viele kannten sich bereits. Vom absoluten Mauerblümchen - davon findet ihr hier viele - bis hin zur Schul- High Society. Doch woran ich mich am besten erinnern konnte, ist wie unsympathisch ich meine Klassenlehrerin von Anfang an fand. [Und um diese bittere Tatsache zu unterstreichen...lass mich euch mitteilen, dass dies auf Gegenseitigkeit beruhte und, dass sie gleichzeitig auch das Fach unterrichtete, in dem ich wohl am negativsten auffallen würde: Mathe.] Als es verspätet klopfte, blickte sie streng auf: „So sollte man nicht auffallen.“ Die Tür wurde geöffnet und ich musste lediglich den dunkelblauen Stoff des Oberteils betrachten um zu wissen, wen ich nun wohl jeden Tag sehen dufte - Adonis höchste persönlich alias Mike Minore. Und er hatte sogar eine Art Gefolgschaft im Schlepptau. Zwei unscheinbare Kerle, die neben ihm eigentlich bloß negativ auffallen konnten. „Entschuldigung...wir sind nicht schnell genug aus dem Saal gekommen.“, ergriff Mike betroffen das Wort und dann setzten sie sich auch schon still und heimlich in unsere Runde. Zufrieden musterte ich ihn und schenkte ihm ein erstes Lächeln. Die ersten beiden Stunden verliefen ruhig und doch etwas verkrampft. Man lernte sich spielerisch kennen und ich wurde mit neuen Namen und Informationen in Hülle und Fülle gefüttert, die ich mir sowieso unmöglich alle hätte behalten können. Als wir schließlich in eine vorgezogene pause entlassen wurden, traf ich auf dem Flur Jessy, die wohl auf mich gewartet hatte. Ihr Klassenraum befand ich bloß ein paar Türen von meinem entfernt. „Da bist du ja endlich, und wie ist es?“, wollte sie wissen, ihre Stimmung schien sich nicht deutlich verbessert zu haben. „Vorerst bin ich mehr als nur zufrieden. Könnte interessant werden.“, antwortete ich und warf Mike einen Blick zu, als er an uns vorbei ging. „Rate mal, wen ich in meiner Klasse habe.“, teilte ich ihr grinsend mit. „Woher hast du dieses ständige Glück? Ich bin in einem Haufen Idioten gelandet!“ Daher ging es ihr also nicht besser...von einer Bezugsperson war für sie also keine Spur. „Ach, das wird schon noch...das waren doch erst die ersten 90 Minuten.“, wollte ich sie aufmuntern, doch sie winkte geknickt ab. „Sonst irgendwelche interessanten Kerle in deiner Klasse?“ Ich legte den Kopf bei ihrer Frage schief, wollte sie das wirklich wissen oder brauchte sie etwas Ablenkung von ihren eigenen enttäuschenden Gedanken? „Nicht so interessant wie Mike, aber ja.“, ich begann ihr von dem ein oder anderen jungen Mann zu erzählen, doch auch diesmal sah sie mich streng an. „Und was ist mit Dan?“ - als sie seinen Namen erwähnte, kam ich ins stocken. Ja, was war mit Dan? Für euch stellt sich natürlich als erstes die Frage, wer Dan war. Nun, Dan Fox war meine kleine Sommer-Romanze gewesen - weiter waren wir nicht gekommen. Durch eine meiner Mädels hatte ich ihn auf einer Party kennen und bewundern gelernt und ja, wir waren uns schnell näher gekommen und sahen uns darauf hin den Sommer über des öfteren. Doch so schnell wie sich alles entwickelt hatte, war es auch wieder verfallen. „Ich schätze er hat ebenfalls genug Frischfleisch gefunden.“, gab ich also trocken als Antwort und zuckte mit den Schultern. Davor war ich von Anfang an gewarnt worden...Dan war nicht schüchtern und was er wollte nahm er sich, ohne Rücksicht auf andere. Und obwohl er sich nahezu jedes Wochenende ein neues Mädchen zur Unterhaltung griff, kam er bei den meisten gut an - man wollte nunmal immer das, was man nicht bekam oder behalten konnte. Dieses Thema hatte schließlich auch meine Motivation angeknackst und so verlief die viel zu kurze Pause mit Jessy eher ruhig, bevor sich unsere Wege wieder trennten und jeder wieder in seinem Klassenraum verschwand. Jessica Baker - Part 2 Kaum hatte ich einen Schritt in den Raum gemacht, überkam mich wieder dieses schreckliche Gefühl des Unmutes. Wieso war ich hier gelandet? Die Pause hatte mir zwar durchaus etwas Mut gemacht, da ich mich mit Suzie hatte unterhalten können und sie mir das Gefühl vermitteln wollte, dass alles halb so wild war, doch wenn ich mich hier umsah, glaubte ich nicht an ihre Worte. Ich bekam schräge Blicke zugeworfen, als ich zu meinem Platz lief. Die Mädchengruppe, der ich wohl negativ aufgefallen war, kicherte kindisch herum und unterhielt sich laut über ihre ach so tollen Sommerferien. Sie bestanden aus genau der Sorte Menschen, die ich auf den Tod nicht ausstehen konnte...kurze Röcke und ein dazu passender kurzer Verstand. In unserem Klassenraum waren Tischreihen angebracht an denen wir uns willkürlich verteilt hatten und obwohl diese Mädchen sich wohl für angesagt hielten hatten sie sich weit weg von den Jungs gesetzt. [Ja, hier herrschte strickte Geschlechtertrennung - Könnt ihr euch das vorstellen?] Doch da ich ihr Gerede und das heisere Quietschen nicht lange ertrug, stand ich auf und fixierte mit meinen Augen genervt den einzigen Platz auf der anderen Seite des Raumes - mitten zwischen all den bereits jetzt schon vollgeschmierten Tischen der männlichen Vertreter dieses Versagerhaufens. Zwar glaubte ich auch nicht daran hier etwas Interessantes zu finden, aber immerhin musste ich keine aufgedrehten Girly-Girls ertragen. „Ziemlich mutig.“, ertönte neben mir eine tiefe Stimme, als ich meine Tasche abgestellt und mich gesetzt hatte. Irritiert blickte ich auf und sah in das Gesicht der ersten Person, die sich heute mit mir unterhielt. „Wieso?“, folgten vorsichtige Worte meinerseits. „Nunja...du bist das einzige Mädchen auf dieser Seite des Raumes. Ich dachte ihr Weiber braucht stets Unterstützung.“, er nickte zu der Gruppe hinüber, vor der ich geflüchtet war. „Da bin ich nicht anders...aber die da würde ich nicht als Unterstützung bezeichnen.“ Und schon lachte er laut und herzlich, was mich komischer weise aufbaute. [Glaubt mir... Bei Männern ist man besser aufgehoben, als so manch einer oder eine denkt...sie sind einfach viel zu faul - ich wollte das Wort dämlich vermeiden - um jemandem, den man nicht flach legen will, etwas vorzuspielen. Und genau diese einfache Art bevorzuge ich persönlich sehr.] Meinen Sitzplatz hatte ich nun also endgültig gefunden. Besser spät, als nie. Und auch in den nächsten Minuten wurde ich erneut angesprochen und stellte somit zufrieden fest,dass ich dieses eine Jahr hier wohl doch überstehen konnte. „Ich bin übrigens Adrian und das ist Mitch.“,stellte der Junge,mit dem ich mich als nächstes recht gut unterhalten hatte,sich und seinen Kumpel vor. Zu meinem Glück schienen sie neben mir zu sitzen und somit erwartete mich keine unangenehme Überraschung,was einen möglichen Sitznachbar betraf. „Freut mich - Ich heiße Jessica.“,stellte ich mich lächelnd vor. Die beiden machten einen ziemlich bodenständigen Eindruck und passten hier irgendwie ins Bild,doch waren sie die ersten die mir positiv im Gedächtnis geblieben waren. Als unsere Klassenlehrerin das Wort ergriff ging jedoch das ungewohnte Schweigen erneut los. Damals hatten Suzie und ich stets den Unterricht auf Trab gehalten,hier konnte man das wohl vergessen...doch kaum hatte ich in Erinnerungen geschwebt,stupste Adrian mich an. Ich sah in sein schmales Gesicht und die dunklen Augen,die von einer unauffälligen Brille umrahmt waren. „Langweilig,hm? Lass uns was spielen...wir gehen nacheinander alle hier durch und halten unseren ersten Eindruck von ihnen fest.“ Ja,das war schon beinahe Jessy und Suzie - reif.Das gefiel mir. Grinsend stimmte ich seinem Vorschlag zu und dann war auch schon das Eis gebrochen. Zwar kamen wir zu dem Entschluss,dass jede andere Klasse wohl besser gewesen wäre aber ich wusste nun,dass ich mit dieser Einstellung nicht alleine war und immerhin für die lästigen 90 Minuten zwischen den ersehnten Pausen und dem schließlichen Schulschluss jemanden gefunden hatte,der versuchte mir mein Leid zu nehmen. [...Oder es mindestens mit mir zu teilen.] Kapitel 3: Kill the Director! ----------------------------- → Suzie Hatcher Wie ihr euch vielleicht vorstellen könnt, verliefen die folgenden Tage ebenfalls ziemlich sperrig. Und meine Klasse war eine der ersten, die nach dem ersten Kennenlern-Tag mit dem Unterricht begann, als würden wir uns bereits auf die Abiturklausuren vorbereiten. Natürlich war das in so fern gut, da es nötig war und wir diese einmal erfolgreich schreiben wollten - doch wie Jugendliche nunmal so sind, bleibt die Begeisterung gerne auch einmal auf der Strecke, wenn es um den Ernst des Lebens geht. Aber nach Worten wie diesen, die nicht gerade vor Euphorie gestrotzt haben, kommen wir doch einmal zu einem erfreulicherem Thema. Zumindest sollte man meinen, es wäre erfreulicher. Doch vorab eine wichtige Frage: Wer von euch glaubt an die wahre Liebe? Und wohlbemerkt...ich spreche nicht von der Liebe zu jemandem, den man angetrunken in einem Club kennenlernt, und dessen Schlafzimmer man viel zu schnell von innen sieht...nein, ich spreche von dem Gefühl, dass einen ganz unerwartet überfällt, wenn man einen Menschen sieht, der einem ohne Grund plötzlich jegliche Sinne raubt. Man kann nicht schlafen, nicht essen und einfach nichts weitere tun ohne mindestens einen Gedanken an diese Person zu verlieren. Das Gefühl kennt ihr? Wundervoll! Ich nicht. Doch es bestand nach der ersten Zeit mit den neuen Leuten eine Chance darauf, dieses Gefühl zu erleben. Seufzend trottete ich nach gefühlten 6 Stunden Mathematik in die Pause, zu der kleinen Gruppe, der sich Jessy und ich schnell angeschlossen hatten. Aus wem sie bestand? Oh, aus ein paar Jungs meiner Klasse, mit denen ich eigentlich noch nicht viel gesprochen hatte und Kerlen, wie James Scott, der meinen damaligen Tanzpartner im Standarttanzen abgegeben hatte, und seinem kleinen Freund Lou, der sich gerne einmal wichtig machte. Wieso wir uns überhaupt bei ihnen aufhielten? Nun, Jessy und ich galten als unzertrennlich und ich hatte mich nahezu ständig von James abfangen lassen, da wir viel und gerne Zeit miteinander verbrachten. James gab einen typischen Vorzeigeschwiegersohn ab - nicht, dass ich etwas mit ihm am Laufen hatte oder so, nein - aber wenn man ihn sich so ansah, konnte man bloß dies von ihm denken. Meine Mutter zumindest würde ihm wohl zu Füßen liegen. Mal davon abgesehen, dass er nicht schlecht aussah mit seinen dunklen, etwas zerzausten und doch sehr gepflegten Haaren, der männlichen Statur und der durchaus sympathischen, ruhigen Ausstrahlung, war er obendrein noch mehr als nur gut in der Schule und generell ein sehr gewissenhafter und vernünftiger Mensch. [Und wenn ich diesmal von vernünftig rede, dann meine ich das auch zu 100% so wie ich es sage, da James weder zu Alkohol griff, noch rauchte. Außerdem konnte man sich stets auf ihn verlassen und er hatte sogut wie immer Zeit für seine Freunde.] Auch Jamie war immer mit von der Partie, ihn wiederrum kannten wir seit der Mittelstufe, nun gab er einen Klassenkameraden von James ab. Die beiden hatten sich von Anfang an gut verstanden, was alles nahezu perfekt zusammen führte. „Hey, was is los? So schlimm?“, empfing er mich sogleich wieder als erstes, als ich die Treppe hinabgestiegen war und in dem überfüllten Forum stehen blieb. „Ich komme mir jedesmal vor, als würde ich im Russischunterricht sitzen.“, beschwerte ich mich wehmütig - Mathe arbeitete schon so lange ich denken konnte gegen mich. „Ach komm schon, so schlimm ist es sicher nicht. Wenn du Fragen hast, ich helfe dir gerne.“, doch ich winkte dankbar ab. Vorerst stand keine Arbeit an, also hatte ich nicht vor meine Freizeit mit etwas zu füllen, vor dem ich insgeheim wirklich Angst hatte. Als ich das Thema schließlich endgültig fallengelassen hatte, war mir aufgefallen, dass Jessy erst jetzt durchs Forum schritt und auf uns zu lief. An ihrem entschlossenen Gang und dem ungläubigen, verärgerten Gesichtsausdruck war nur zu gut zu erkennen, dass mal wieder etwas vorgefallen sein musste, was ihr sichtlich widersprach. „Ich hasse diesen Ort von Tag zu Tag mehr!“, schimpfte sie gereizt und ließ ihre Tasche vor sich auf den Boden sacken. Verwundert blickten wir zu ihr auf. Dass Lou belustigt zu grinsen begann, fiel ihr nicht auf. Sie hatte mich mit ihrem Blick fixiert, was mir signalisierte, dass die anderen Anwesenden mit der folgenden Information entweder einfach nichts anfangen können würden oder diese sie einfach nicht zu interessieren hatte. Ich wagte trotzdem den Versuch, ihr die Worte hier zu entlocken. Ohne meine Frage ausformuliert zu haben, schoss mir ihre Antwort bereits entgegen. „Luke ist ein echter Idiot!“ - platzte es ihr heraus. Und das war erst der Anfang der Rede. „Nur weil das mit uns nicht funktioniert hat, behandelt er mich wie den letzten Dreck! Was fällt ihm ein, mich auf dem Flur rücksichtslos rumzuschubsen? Ein einfaches: ‘Aus dem Weg’ hätte es auch getan, wäre zwar nicht höflich gewesen, aber immerhin besser als die Tour eben.“ - Hier herrschte für sie also zusätzlich auch das Ex-Freund Problem...Gut, dass mein damaliges Herzblatt - falls man ihn so nennen kann - eine andere Wahl für die Oberstufe getroffen hatte. Doch was sollte ich dazu sagen? Luke war nie fair zu Jessy gewesen, damals waren sie zusammen gekommen, weil er eine Freundin - und somit einen neuen Zeitvertreib - gesucht hatte. Ach ja, und weil unsere damalige 5. Frau im Brunde mit einem sehr guten Freund zusammen gewesen war. Man hatte sich also erhofft, immer zu 4. um die Häuser ziehen zu können und somit nicht nur den Partner oder die Partnerin dabei zu haben, sondern auch als Notfall-Stütze einen guten Freund. [Ich für meinen Teil kann mich jedoch nicht an ein solches Treffen erinnern - Jessy war in der kurzen Beziehung ohnehin kaum mit ihm aus gewesen. Im Hier und Jetzt, dank der Revolution, werden oft sogar Beziehungen immer unpersönlicher - Welcher Mensch wollte bloß auch noch den letzten hauch Romantik an der Oberfläche durch die Erfindung des Internets zerstören? Ein Jammer.] „Reg dich nicht weiter über ihn auf...“, wollte ich sie beruhigen - vergebens. „Außerdem...was soll das mit der kleinen Blonden da?“, ich folgte ihrem Blick. Luke unterhielt sich angeregt mit einem Mädchen, dass ich noch nie gesehen hatte. Doch was meinte Jessy? Es war doch nichts weiter dabei... „Er hat ne Freundin. Sindy, schon vergessen? Ich kann sie zwar nicht ausstehen, aber das hat sie nicht verdient.“, alleine aus dem Grund, dass Jessy ihren letzten Satz erkenntlich betont hatte, schaute ich wieder zu den beiden hinüber. Wer hätte gedacht, dass sie Recht hatte? Er hatte also wirklich 2 Freundinnen? Ohne, dass ich es merkte, klappte mir die Kinnlade ein Stück weiter runter. „Wer hätte ihm das zugetraut...?“, brachte ich erschrocken über die Lippen. Ihr müsst wissen, Luke befindet sich auf der Beliebtheits-Skala nicht sonderlich weit oben. Er sah nicht besonders gut aus und interessant war er auch nicht. Seine Divise? Schwimm mit dem Strom, sich selbst kenntlich machen ist zu anstrengend. „Kaum ist Sindy ein halbes Jahr im Ausland, zieht er soetwas ab. Wer weiß, was er damals hinter meinem Rück getrieben hat. Er kann froh sein, dass ich damals nicht auf solche Ideen gekommen bin.“ - Ihr Gemecker wurde jedoch unterbrochen. Die Pause war bereits zuende und man drängelte sich das kleine Treppenhaus hinauf, zurück in die eigene Klasse. Jessy seufzte und griff ihre Tasche wieder. „Ich muss los. Ein Wunder, wenn ich den richtigen Raum finde.“, mir ein missmutiges Lächeln zugeworfen, verschwand sie in der Menge. Und auch die andere waren bereits verschwunden. Lediglich James stand noch bei mir. „Wohin musst du jetzt?“, ergriff er das Wort, während ich mich angestrengt umsah und mit ihm in Richtung Treppenhaus begab. „Ähm...zu den Bio-Räumen.“ - Wo die waren? Keine Ahnung. Auch wenn ich hier nun schon 3 Wochen regelmäßig durch die Gänge schlenderte, hatte ich es mit der Orientierung noch lange nicht. Manchmal kam ich mir vor wie ein kleiner Goldfisch in einem riesigen Aquarium. Obwohl dieses Aquarium klein gehalten war und man nicht alleine war, fühlte man sich aufgeschmissen und vergaß nach 3 Sekunden bereits wieder jegliche Ecken, an denen man schon gewesen war - genau so war es übrigens mit den fremden Gesichtern. Auf unserer alten Schule, die bei weitem kleiner gewesen war, kannte jeder jeden. Hier lief man jeden Tag hunderten von Menschen entgegen, die man noch nie gesehen hatte. Und ich wurde das Gefühl nicht los, dass sich das nicht ändern würde. Dieses mal hatte ich allerdings Glück, James machte sich die Mühe und begleitete mich in den dritten Stock. Als ich die ersten Leute aus meiner Klasse erkannte, und er sich sicher war mich heil ans Ziel gebracht zu haben, machte auch er sich auf den Weg und verabschiedete sich von mir mit einer herzlichen Umarmung. Meinen Pullover zurechtgezogen, holte ich tief Luft und machte mich, mit jedem weiteren Schritt auf meine neuen Leidensgenossen zu, bereit für die nächsten 90 Minuten purer Langeweile. Noch bevor ich mich zu Matt und Josh gesellen konnte, fing mich ein blondes Mädchen ab. Sie war mir seit dem ersten Tag als ziemlch gesellig aufgefallen und hatte mich schnell angesprochen, um sich etwas mit mir zu unterhalten. „Hey.“, grüßte sie mich grinsend und passte ihren Schritt dem meinen an. „Du und James...ihr kennt euch also?“, zur selben Zeit in der ich ihre Stimme vernahm, kramte ich in meinem Gedächtnis nach ihrem Namen. Als jedoch James‘ Name fiel, riss sie mich aus meinen Gedanken, und urplötzlich viel er mir wieder ein - Tia. „Ja, schon eine ganze Weile. Durch Freunde, ihr euch auch, hm?“, sie nickte lächelnd. „Ich war vorher mit ihm in einer Klasse. Ein echt netter Kerl, mittlerweile haben wir jedoch kaum noch Kontakt.“, erzählte sie mir munter, ohne dass ich nachfragen musste. Mir fiel bloß flüchtig auf, dass unsere Biolehrerin uns bereits reingebeten hatte, also musste ich Tia unterbrechen. Bevor wir uns jedoch auf unsere Plätze setzten, hielt sie mich leicht am Arm fest und schenkte mir einen neugierigen Blick. „Suzie? Ich muss das einfach loswerden, sonst frage ich mich das die komplette nächste Stunde...seid ihr wirklich ein Pärchen?“ Ihre Frage überraschte mich sichtlich. Den Kopf schief gelegt, rutschten meine schulterlangen, braunen Haare nach vorne. „Nein, wir sind bloß Freunde. Wer erzählt sowas?“ „Ach, nein?“, griff ein Kerl meine Antwort auf und sah mich neckisch an. An seinen Namen konnte ich mich beim besten Willen nicht erinnern...gesprochen hatte ich vorher auch noch nie mit ihm. Das einzige was ich wusste war, dass er in der Klasse als Überflieger galt. Die meisten Menschen hatten entweder ein abenteuerreiches Privatleben oder gute Noten. Er zählte eindeutig zu der 2. Kategorie. Ohne noch etwas zu sagen, lief er an uns vorbei und setzte sich an das andere Ende des Raumes. Auch mir blieb nicht die Möglichkeit geboten, weiter darauf einzugehen, da wir längst hätten auf unseren Plätzen sitzen sollen, also ließ Tia mich los und begab sich an den Tisch hinter mir und Matt. Noch immer verwundert das Gesicht verzogen, setzte auch ich mich. Dieses Gerücht bereitete mir Sorgen. Immerhin war mir die Freundschaft zu James wirklich wichtig geworden. Und soetwas? Soetwas machte meist etwas kaputt. [Doch wer hätte gedacht, dass das erst der Anfang des Unheils war und nicht diese frage etwas kaputt machen würde, sondern viel härtere Maßnahmen ergriffen wurden?] „Mit wem bist zu zusammen?“, wollte schließlich auch Matt grinsend wissen, als wir die ersten Minuten in Schweigen verbracht hatten und einen Text aus dem Buch in Stillarbeit mit dem Tischnachbarn bearbeiten sollten. „Du hast also gelauscht?“, stellte ich Kopf schüttelnd fest. Von Tag zu Tag verstand ich mich mit Matt besser. Es machte unheimlich Spaß ihn aufzuziehen und mit ihm herumzualbern. Unschuldig hob er die Schultern auf meine Gegenfrage an, ließ sich jedoch nicht so einfach abwimmeln. „Mit niemandem. Die haben da irgendetwas in den falschen Hals bekommen.“ Und siehe da, er glaubte mir. Zumindest machte es den Anschein. Den Rest der Stunde vertrieb ich mir mit lockeren Gesprächen, die Matt und ich führten, und jedesmal, wenn wir ermahnt wurden, leiser zu arbeiten, versank ich für kurze Zeit in Gedanken. Ich wusste, dass James sich eine Freundin wünschte...ein Mädchen, auf das er aufpassen konnte. Für die er da sein durfte und die ihn etwas aus dem Alltagsleben entführte. Als ich ihn vor ein paar Monaten Ana vorgestellt hatte, war sie hin und weg von ihm gewesen...somit hatte ich mich als gute Freundin der beiden dazu verleitet gefühlt, sie zu ihrem Glück zu zwingen. Gelegentlich hatte ich Treffen arrangiert ,damit die beiden sich kennenlernen konnten. Doch da sie sonst keinen Kontakt hatten, war ich immer mit von der Patie gewesen. Ana hatte stets darauf bestanden, dass ich sie nicht alleine ließ, weil sie der Meinung war, alleine aufgeschmissen zu sein. Durch diese Treffen hatte ich somit ebenfalls automatisch immer mehr mit James zutun gehabt. Ob das ein Fehler gewesen war? [Wir alle kennen doch mindestens einen Teenie-Film, in dem Verkupplungsversuche schlecht ausgehen, oder? Nun...mich verfolgte das Gefühl, ich hätte mir mal lieber einen solchen Film anschauen sollen, bevor ich das alles in Angriff genommen hatte - Im Nachhinein ist man immer schlauer...] Immer wieder fiel mein Blick in den folgenden Minuten auf die Uhr, seit ich in der neuen Klasse saß, spielte die Zeit eindeutig gegen mich... unmöglich saßen wir hier nur 90 Minuten, mir kam es locker doppelt so lange vor. Und als sich in mir alte Muster breit machten und ich bereits ein paar Minuten zu früh einpackte, durfte ich mir sogleich anhören, wie unsittlich ein solches Verhalten hier war. Somit durfte ich alles wieder auf meiner Hälfte des Tisches ausbreiten, während andere einpacken durften. Was war das bitte für eine Strafe? Gut, dass Frauen stets zu große Taschen mit sich herumschleppten, das machte es mir einfacher, alles wieder einzusammeln. Immerhin musste ich Bücher und Hefte nicht praktisch und platzsparend anordnen. Matt hatte mir lachend zugesehen und war längst fertig, als ich aufstand. „So geht das hier nicht, mein liebes Fräulein.“, zog er mich amüsiert auf - und auch ich nahm es mit Humor, streckte ihm als Antwort seiner frechen Aussage die Zunge raus. Auf dem Flur vor unserer Klasse, warf James mir einen Blick zu - sein Klassenraum war bloß ein paar Türen von meinem entfernt. Und da wir alle noch nicht sonderlich vertraut mit dem neuen Oberstufensystem waren, fiel für uns heute sogar die zweite Pause flach, da es im Klassenverband wohl einiges zu besprechen gab - ein Wunder, dass mich das nicht einmal störte...Ich wollte lediglich den Vormittag hinter mich bringen. [Welch Ironie des Schicksals...damals hatte man sich auf die Pause gefreut, weil man sich gefühlt hatte, als würde man in einer glücklichen Familie leben, mit der man gerne Zeit verbrachte, zumindest hatte ich mich immer so gefühlt. Jetzt wartete man bloß noch die 15 Minuten zwischen den Doppelstunden ab und hoffte bald seine Freizeit genießen zu dürfen.] „Und du sagst, da läuft nichts.“,meldete sich Matt erneut zu Wort. „Ja, fall du mir auch noch in den Rücken...“,mir entfuhr ein Seufzen und bloß kurz darauf vernahm ich erneut die Stimme des Jungen neben mir, der sich bereits in Bio ungefragt zu Wort gemeldet hatte. „James ist ein Idiot. Ein Kerl ohne eigene Meinung und ohne sonstige Vorzüge.“ Nun kam ich dazu, ihm einen verärgerten Blick zuzuwerfen, der seine Augen direkt traf. „Vergiss ihn, glaub mir.“, er ließ sich nicht beirren und machte auch nicht den Anschein mich in Ruhe zu lassen, bis ich ebenfalls ein schlechtes Wort über ihn verlor. „Ich wüsste nicht, was dich das angeht. Ich finde ihn wirklich sehr nett!“,meinen Kopf nun doch von ihm weggedreht, sah ich auf die andere Seite - in Matts ebenso verwunderte Augen. Matt hob die Augenbrauen an und zuckte mit den Schultern, womit er mir signalisierte, dass auch er nicht wusste, worauf der Kerl hinaus wollte. Und als hätte er meine Gedanken gelesen, wand er sich ihm zu. „Wie war doch gleich dein Name?“ - „Ted.“ Erst in unserem Klassenraum, verschand er in die vorderste Tischreihe, während Matt und ich ziemlich weit in der Mitte zusammen saßen. Und wie das Schicksal es so wollte, saß zu meiner Rechten Tia, die mir bereits ein verschmitztes Grinsen zuwarf und ihre Tasche unter den Tisch schubste. „Jetzt haben wir genug Zeit füreinander - erzähl mir alles.“, forderte sie auf. Eigentlich nervte mich das Thema ungemein - für mich war alles gesagt. Wieso kauten alle anderen also weiter darauf rum, anstatt einfach hinzunehmen, was ich sagte? Tia jedoch schien ihre Fragerei alles andere als böse zu meinen...also übte ich mich in Geduld und verkaufte ihr so gut es ging die Wahrheit. Am Ende der nächsten Doppelstunde hatte ich sie sogar so weit, dass sie mir glaubte. Als der Unterricht beendet wurde, packte ich - dieses mal auf die Minute genau - meine Sachen zusammen und wollte mich auf den Weg nach Hause machen, doch wieder wurde ich abgefangen, als ich überlegte, ob ich auf Jessy warten sollte, um mit ihr gemeinsam zum Bahnhof zu laufen. [Und ganz unter uns...in mir war in den letzten Minuten das dringende Bedürfnis aufgekommen, mit ihr zu reden. Schon damals hatte Jessy gesagt, ich solle mich in Acht nehmen, da sie vermutete, dass James eine heimliche Schwäche für mich hegte. Mir persönlich war das jedoch nie aufgefallen.] „Suzie!“, rief mich ein mir bekanntes Geischt. Man winkte mich zu sich und ein paar weiteren Mädchen, die sich in meiner Klasse befanden. Die Fünf kannten sich alle aus vorherigen Jahren und bildeten eine kleine, freundliche Gruppe, die sich nicht um die Meinung anderer sorgte und einfach munter Zeit miteinander verbrachte, so wie es sein sollte - Tia gehörte ebenfalls zu ihnen. „Musst du zum Bahnhof? Du kannst mit uns kommen.“, schlug die kleine Rothaarige vor, der man ihre gute Seele sofort ansah. Eigentlich wäre ich gerne mit ihnen gelaufen, für mich klang das wie eine herzliche Einladung, sie alle besser kennenzulernen und mich mit Leichtigkeit einzuleben, doch wusste ich auch, über was wir uns vermutlich unterhalten würden...und danach war mir mittlerweile beim besten Willen nicht mehr, also suchte ich mir einen möglichen Fluchtweg und wollte mir bereits eine Ausrede zusammenlegen. Tia kannte die Fakten, sollte sie sie doch bitte verbreiten... „Suzie?“, wieder ertönte mein Name, und selbst wenn ich die Stimme nicht erkannt hätte, hätte ich allein an der Reaktion der Mädchen ablesen können, wer auf uns zulief. „Das nächste mal vielleicht.“,gab ich ihnen also flüchtig als Antwort, sie winkten jedoch amüsiert ab und machten sich tuschelnd alleine auf den Weg. Mir blieb also nichts weiter übrig, als ihnen schon beinahe verärgert über ihre Reaktionen nachzusehen, dabei konnten sich nicht einmal etwas dafür... [Und James in diesem sicher auch nicht - doch leider bekam er es ab.] „Was?“,drehte ich mich schwungvoll zu ihm um und sah ihn mit verschrenkten Armen an. „Ähm...“,hielt er inne. Ich hatte ihn sichtlich verunsichert - sein Optimismus und das fröhliche Lächeln schienen wie weggeblasen. „Ich...wollte eigentlich bloß fragen, ob du und Jessy auch auf den Geburtstag von Casey kommt.“ - von einem Geburtstag hatte ich jedoch nichts gehört. [Wer Casey war? Ein Kerl aus James Klasse. Ich hatten ihn in meinem Sportkurs bereits kennengelernt, er schien ständig überdreht und unausgelastet, war jedoch ganz nett.] „Nein, immerhin kennen wir ihn kaum.“, ich zumindest hatte erst 2 oder 3 längere Gespräche mit ihm geführt. Ob Jessy überhaupt von seiner Existenz wusste, war für mich die nächste Frage, die sich mir stellte... „Oh...okay. Ich dachte, er hätte gesagt, dass er euch gerne dabei hätte.“, nun schien er wirklich deprimiert. Seine Hände vergrub er in den Hosentaschen. Und als Jessy endlich auftauchte, war ich heilfroh, dass sie es eilig hatte und mich somit aus der seltsam unangenehmen Situation rettete. „Hey James, wir müssen los, sorry. Sonst verpasse ich meine Bahn.“, sie griff meine Hand und zog mich hektisch mit, ihre Tasche rutschte ihr immer wieder von der Schulter und als sie sich ein letztes mal zu James umdrehte, um ihm entschuldigend zuzuwinken, rannte sie erneut jemandem in den Weg. Vor Schreck hatte sie mich bei dem Zusammenstoß losgelassen und taumelte ein paar Schritte zurück. Ich hatte ebenfalls erschrocken das Gesicht verzogen und sah den Kerl an, der Jessy nun wohl erneut an den Rand eines Wutanfalls brachte, was für mich bedeutete, dass ich mir den Rest des Weges erneut anhören durfte, wie schlimm dieser Ort für sie war und wie gerne sie doch eine andere Schule besuchen würde. Der rothaarige Junge stellte sich ziemlich unsicher an, streckte leicht die Arme nach Jessy aus und entschuldigte sich aufrichtig. Als sie den Kopf anhob und ihn ansah, wartete ich bereits auf ein bissiges Kommentar ihrerseits, doch darauf hatte ich lange warten dürfen. Stattdessen schüttelte sie verlegen den Kopf. „N-Nichts passiert. Das war meine Schuld, ich hätte aufpassen sollen, wohin ich laufe.“ Meine Augenbrauen zogen sich bei dem Klang ihrer Stimme irritiert zusammen - das klang nach Ärger. Oder nach Hoffnung, die Jessy nun wohl doch zuversichtlicher zur Schule leiten würden...ihr glaubt ich übertreibe? Nein, ich kenne Jessy. Dieser kleine, schlaksige Rotschopf schien es ihr angetan zu haben...und das obwohl sie ihn gar nicht kannte - so war Jessy. Und jetzt, wo ich ihn genauer betrachtete fiel mir auf,dass er durchaus in ihr Beuteschema passte. [Auf was für Typen Jessy so stand? Nun... um Kerle würden wir uns wohl niemals streiten. Während ich selbstbewusste, freche Kerle bevorzugte suchte sie sich Kerle aus, die einen unschuldigen, braven Eindruck machte und stets Ruhe und Etikette bewahrten - im Grunde die perfekten Schwiegersohn-Typen.] „Hast du dir auch nichts getan?“, wollte er erneut wissen. Jessy schüttelte heftik den Kopf und winkte ab. Ihre Bahn schien sie völlig vergessen zu haben. „Ähm...okay. Ich muss weiter, halt die Augen offen.“,lächelnt verabschiedete er sich und verschwand in dem Gebäude, das wir eben eilig verlassen hatten. Jessy hatte ihm nachgesehen und als ihr Blick meinen traf, spürte ich ihre Verlegenheit. „Lass...uns weiter gehen.“ - erneut wollte sie nach mir greifen, ich wich ihr jedoch aus und warf einen Blick auf den Display meines Handys, um die genaue Uhrzeit in Erfahrung zu bringen. Die Bahnen würden wir nur mir großen Glück noch bekommen. [Und wie ihr wisst, sind wir nicht gerade gut mit dem Glück befreundet, was hieß, dass wir sie wohl verpassen würden und eine geschlagene halbe Stunde am Bahnhof warten durften.] „Ich habe eine bessere Idee.“, nun nahm ich ihre Hand in meine und bestimmte die Richtung. Jessy sah mich verdutzt an, wehrte sich jedoch nicht. „Lass uns einen Kaffee trinken gehen und wie in alten Zeiten in Ruhe den Mittag ausklingen lassen - Außerdem gibt es ein bisschen was zu bereden!“ Ihr zugezwinkert, ließ ich sie los, als sie neben mir lief und wir in grundloses, unbeschwertes Lachen einstimmten - in diesem Moment fühlte ich mich in die Vergangenheit versetzt. Damals waren wir regelmäßig zusammen nach der Schule unterwegs gewesen, hatten uns in unser Lieblingskaffee gepflanzt und Neuigkeiten bei einem frischen Eisbecher oder einem warmen Kaffee ausgetauscht - ein Stückchen Verganenheit steckt nunmal doch in jedem Moment der Gegenwart, wenn auch gut verborgen. Kapitel 4: Friends and Alibis ----------------------------- → Suzie Hatcher Da ich nun immer mal wieder das Wort Schicksal verwendet habe und vieles auf dessen Rechnung habe setzen lassen, werde ich es nun wieder aufgreifen. Mittlerweile bin ich mir ziemlich sicher, dass so etwas wie ein vorbestimmter Weg für uns existiert...wieso sonst sollte ich in diesem Moment kleine, verzierte, japanische Essstäbchen in meinen Fingern hin und her drehen, die mich auf die erste Party dieses neuen Lebensabschnitts führen wollten, die Party, auf die mich James erst vor ein paar Tagen angesprochen hatte. Nachdenklich betrachtete ich die schmale Schrift, welche mir verriet, wo man jegliche Gäste, wann erwartete. „Du bist also auch eingeladen?“, Tia hielt mir ihre Stäbchen entgegen und schien zufrieden mit der Erkenntnis zu sein, dass wir uns wohl sehen würden. „Cool, wird sicher lustig!“ Kurz schweifte mein Blick von den Stäbchen ab, ehe ich sie auf dem Tisch vor mir ablegte. „Eigentlich kenne ich den Gastgeber ja kaum...“, meine Worte waren ein leises, in Gedanken versunkenes Murmeln, da ich seit einer Weile in die Vergangenheit abdriftete und mich daran zurückerinnerte wie ich den jungen Mann kennengelernt hatte, der mich nun herzlich zu seinem Geburtstag eingeladen hatte. „Ein Jammer, dass wir nicht einmal in dem selben Sportkursen sind.“, seufzte Jessy leise. Ich nickte geknickt und blickte auf den Zettel, auf dem stand in welchem Kurs ich mich befand - ich kannte weder die Lehrkraft noch wusste ich, wer mir dort alles begegnen würde...vielleicht ja sogar niemand, den ich schon einmal gesehen hatte. „Vielleicht kann man den Kurs ja noch wechseln.“, murmelte ich und blickte Jessy fraglich an. Gar keine schlechte Idee, ich würde nach dem Unterricht wohl einfach das Sekretariat aufsuchen und mich erkundigen gehen...wurde immerhin Zeit, mal etwas Glück zu haben. Kaum hatte ich mir diese Idee in den Kopf gesetzt, stand ich, ehe ich mich versah, auch schon wie geplant vor dem Lehrerzimmer und klopfte an. Ein letztes Mal seufzend auf den Zettel der Sportkurse geblickt, wurde ich an der Schulter angetippt und sah nun in das Gesicht eines anderen Schülers. Er trug ausgefallene Klamotten und einen wirren Haarschnitt. „Bist du auch hier, weil du den Kurs wechseln möchtest?“, fragte er mich aufgeregt. Ihm nickend eine Antwort gegeben, warf er neugierig einen Blick auf meinen Zettel und zog seinen nebenbei aus der Hosentasche. „Kurs 12...“, flüsterte er leise zu sich selbst, dann wurde sein Gesichtsausdruck jedoch von der Aufregung verlassen. Nun blickte er mich grinsend und ganz ungeniert an. „Wir wollen da wohl alle raus.“, eine Feststellung seinerseits, die ich nicht gleich verstand. „Ich kenne ein anderes Mädchen, das ebenfalls tauschen möchte.“, klärte er mich auf. „Oh, okay. Und? Hat sie sich schon darum gekümmert?“ „Ja, aber ihr wurde gesagt, dass es nahezu unmöglich ist zu wechseln...die anderen Kurse sind angeblich bereits überfüllt.“ Und wieder kein Glück - es wäre zu schön gewesen. Mich bereits darauf eingestellt, dass wir hier bloß unsere Zeit verschwendeten, packte ich meinen Zettel wieder weg. „Huh? Hast du vor aufzugeben?“, wollte er von mir wissen. „Ich glaube nicht, dass man bei uns eine Ausnahme machen wird.“, antwortete ich und streckte mich. Als uns dann auch noch mitgeteilt wurde, dass die Kursleiterin heute nicht da war, beschloss ich schließlich zu gehen und mich mit Kurs 12 abzufinden. „Nunja...ich schätze, wir sehen uns dann nächsten Montag.“, verabschiedete ich mich freundlich von ihm, doch er hatte mich schnell wieder eingeholt. „Ja, scheint so. Immerhin kenne ich nun schon zwei Personen. Ich bin übrigens Casey - wie heißt du?“, redete er auf mich ein. Für Plappermäuler hatte ich selten Nerven, doch er schien mir ein herzlicher Mensch zu sein, also fiel es mir nicht schwer ihn zu ertragen - ganz im Gegenteil, irgendwie unterhielt mich seine eigene, aufgekratzte Art sogar. „Suzie, freut mich.“, stellte ich mich ebenfalls vor und schenkte ihm das erste mal ein aufrichtiges Lächeln. Auf unserem gemeinsamen Weg nach draußen begegneten wir James und Jamie, die wohl ebenfalls gerade auf dem Heimweg waren. „Hey!“, rief Jamie mir munter zu - auch ihn holte jedes mal nach den Schulstunden die pure Vorfreude darauf ein, keine Minute länger hier bleiben zu müssen. Casey begrüßte die beiden ebenfalls und schnell durfte ich in Erfahrung bringen, dass er ebenfalls bei ihnen in der Klasse war und James und er sich schon länger kannten. „Ihr wollt also euren Kurs wechseln?“, stieg James in das Gespräch ein, nachdem Casey ihn mit seiner typischen, hektischen Redensart aufgeklärt hatte. „In meinen Kurs kommst du sicher noch, Su.“, wand er seine Worte an mich. Natürlich...sein Kurs war Nummer 7. Einer der Kurse, die ich gleich ausgeschlossen hatte. Wieso? Leichtathletik - für mich ein absolutes No-Go. „Danke, ich schätze da bin ich mit meinem doch besser bedient.“ Da begab ich mich für den Sportunterricht lieber für das erste Halbjahr in den Schwimmunterricht, bevor ich auf dem Sportplatz herumgehetzt wurde. Wir liefen ein Stück gemeinsam weiter, ohne dass uns der Gesprächsstoff ausging - mit Casey war das einfach unmöglich. Und genau so hatte ich ihn kennengelernt. Seit diesem Tag an, gesellte er sich gerne in den Pausen zu uns und verbrachte mit mir auch tapfer die Sportstunden, welche uns aufgezwungen wurden. Doch wir litten nicht alleine, da er Recht behalten hatte - niemand hatte diesen Kurs freiwillig gewählt. „Du hast doch nicht vor abzusagen, oder? Ich würde mich echt freuen, wenn wir uns dort sehen würden.“, zog mich Tias Stimme zurück in die Gegenwart. „Ich weiß noch nicht so genau...“, zögerte ich unsicher, doch da sie mich so flehend ansah und ich wusste, dass James und Jamie auch kamen und mich dort sehen wollten, ließ ich mich für meine Zusage breitschlagen. Was hatte ich schon anderes an diesem einen Abend, der noch recht weit in der Zukunft lag, vor? Und auch nach diesen langatmigen Schulstunden, wartete ich auf Jessy, welche in ihren Händen dieselben Stäbchen herumtrug, wie ich sie heute schon all zu oft erblickt hatte. Ihr Gesichtsausdruck alleine sprach Bände... Cut - Jessica Baker (Rückblick) [Nun, da ihr nun schon so viel von Suzie erfahren durftet, wird es jetzt an der Zeit euch auch einmal auf eine Reise in mein Leben zu entführen. Und genau an dieser Stelle, passt diese Idee wunderbar, da ich einiges über Casey zu erzählen habe! - Glaubt mir, so erträglich ist er nämlich eigentlich gar nicht!] Wo fange ich am besten an? Wie ich ihn kennenlernen durfte - oder sollte ich sagen, musste? Ja, das dürfte die Geschichte am besten ins Rollen bringen. Nachdem Casey sich jeden Montag an Suzie heftete und ich Suzies ständige Begleiterin war, lernte ich den aufgedrehten Kauz schnell selbst in einer der vielen Pausen kennen. „Hey, Su.“, begrüßte ich meine bessere Hälfte fröhlich. Noch immer waren die Pausen für mich Lichtblicke, die es mir ermöglichten Mut zu sammeln und mich für 15 Minuten wohl zu fühlen, bei Leuten mit denen ich mich gerne abgab. „Hey Jessy, kennst du schon Casey?“, stellte sie mir ihr neues Anhängsel vor, dem ich ein schiefes Lächeln schenkte - zu mehr war ich nicht im Stande. Der Kerl war mir zwar nicht unsympathisch gewesen, es war aber auch nicht so, dass ich darauf gebrannt hatte, ihn kennenzulernen. „Freut mich sehr dich kennenzulernen. In welcher Klasse bist du so? Ich hab dich vorher noch nie gesehen.“ - ich nahm ihn anfangs als gesellig auf, was ihm sogar Pluspunkte verlieh, da ich hier nicht viele Menschen treffen durfte, die sich angeregt mit mir unterhielten. Da ich auf seine Themen stets einging, stellte sich schnell heraus, dass wir die selbe Leidenschaft zu teilen schienen - das Zeichnen. Und was bescherte mir das? Noch mehr Gesprächsstoff. [In den ersten Pausen mit Casey kam ich nicht einmal dazu in Ruhe mit Suzie zu sprechen, was mir schnell an die Nieren ging...und genau in solchen Momenten, in denen er sich mir aufdrängte und mir Dinge erzählte, die ich schon tausendmal gehört hatte, begann er Minuspunkte zu sammeln - doch das schlimmste stand mir am Nachmittag darauf erst noch bevor.] Ich war nach der Schule nach Hause gekommen, hatte den Fernseher angeschmissen, mir etwas zu Essen besorgt und mir das Telefon geschnappt - ein typischer Tagesablauf eigentlich. Suzies Nummer gewählt, lauschte ich dem monotonen Piep-Ton bis sie endlich abhob. „Ich dachte schon, ich muss hier versauern.“, begrüßte ich sie frech. „Tut mir Leid...hab das Telefon nicht gleich gefunden. Was gibt‘s?“ „Nichts weiter...ich dachte nur, ich würde dich so mal ganz ohne nervige Mitredner erwischen.“, während ich auf meinem Teller herumstocherte, lief im Hintergrund das leise Gemurmel eines Fernsehsprechers. „Meinst du Casey? Ich dachte du findest seine Anwesenheit angenehm.“ Normalerweise kannte Suzie mich wie ihre eigene Westentasche...doch gerade schien es so, als würde sie lieber ohne Jacke rumlaufen. „Ja...ähm...Nein.“, zögerte ich meine ehrliche Antwort heraus. „Er kann ziemlich anstrengend sein, hm?“ - meiner Meinung nach untertrieb sie es. „Ich musste ihn nun gerade mal 4 Tage ertragen, sprich; 8 Pausen...und ich sage dir eins, ich habe nie einen anstrengenderen Kerl erlebt. Der kaut einem die Ohren ab, unerträglich. Ich habe genug.“ „Ach, sei nicht so streng mit ihm. Notfalls musst du ihn halt etwas ausbremsen...“ Doch ausbremsen ließ er sich nicht, da war ich mir sicher. Suzie nicht, doch der Beweis wurde ihr schnell geliefert. „Sag mal Jess, tu mir einen gefallen und schau auf der Schulhomepage, ob in den nächsten Tagen eine weitere Informationveranstaltung anliegt.“, bat Suzie mich und lenkte somit gekonnt vom Thema ab. Alles stehen und liegen gelassen, schleppte ich mich widerwillig an meinen PC. Noch bevor ich in Ruhe die richtige Seite suchen konnte, sprang mir mein Posteingang aufgeregt entgegen - drei mal dürft ihr raten, wer mich nun auch in meiner Freizeit heimsuchte. „Das darf nicht wahr sein...“, sprach ich leise und gab mir keine Mühe meine Abneigung zu verbergen. Casey hatte wirklich meine E-Mail Adresse in Erfahrung gebracht und schrieb mir nun am laufenden Band Mails, ob ich antwortete oder nicht. Nach den ersten beiden Nachrichten, hatte ich keine Lust mehr gehabt und den Rest einfach in den Papierkorb verschoben. „Casey entpuppt sich als Stalker.“, Suzie lachte jedoch nur über meinen Ärger. „Su, das ist nicht lustig.“, mahnte ich sie genervt und holte zu einem verbalen Rückschlag aus, da sie es einfach nicht unterlassen konnte, sich über meine Situation lustig zu machen. „Was läuft eigentlich zwischen dir und James, hm? Ich dachte du erzählst mir immer alles.“, ärgerte ich sie und hatte das Gefühl, dass sie mein breites Grinsen nahezu hören konnte. Natürlich wusste ich, dass zwischen den beiden nichts lief... doch ich wusste auch, dass es sie belastete, dass viele diesem Gerücht trauten - wer auch immer es anführte. „Das ist nicht lustig.“, fuhr sie mich nun an, hörte aber auf mir auf die Nerven zu fallen, somit hatte ich mein Ziel erreicht - Immerhin. Ich hatte kaum zwei weitere Klicks ausführen können, da fing es schon wieder an zu blinken - Ich schwöre euch, ich denke mir nicht aus, dass der Kerl verrückt ist! Vor mich her schimpfend, öffnete ich erneut eine Nachricht. Kaum hatte diese sich geöffnet, schrie mir der Inhalt bereits ungehalten entgegen: Wieso ignorierst du meine Nachrichten denn auf einmal? Ich habe gefragt, wie es dir geht...und ich weiß, dass du online bist ,bist du um diese Zeit doch oft, oder? Zumindest meintest du heute, dass du deinen Mittag zuhause verbringst...Nunja, eigentlich wollte ich nach der Schule noch einmal mit dir reden, aber du warst wohl schon weg, also sage ich es dir jetzt, Jessy, da ich es nicht länger für mich behalten kann und möchte. Wir beide, wir passen wunderbar zusammen, das hat die letzte Zeit gezeigt. Obwohl wir uns noch nicht lange kennen, weiß ich, dass ich dich glücklich machen könnte - Ich liebe dich, Jessy. Du bist die eine! - Gib mir eine Chance dir zu beweisen, dass ich auch der eine für dich bin und stell dich darauf ein, dass aus uns mehr als bloß eine Freundschaft wird! - Bis morgen mein Engel. Die Zeilen ergaben in meinem Kopf keinen Sinn, also las ich sie wieder und wieder bis ich schließlich...laut zu lachen begann, wenn auch teilweise aus Angst. „Mit was hast du mich da bekannt gemacht?!“, fuhr ich Suzie plötzlich an, ich hatte kurze Zeit völlig vergessen, dass sie noch am Telefon gewesen war. Und als ich ihr erzählte, was sich soeben ereignet hatte, war ihr Schweigen endgültig verloren, jetzt machte sie sich erneut über mich lustig - und über Casey. [Mal ganz ehrlich Leute...der Kerl kannte mich nicht einmal richtig! Ich hätte eine perverse Massenmörderin sein können, die gerade untergetaucht war und nicht auffallen wollte! ] Wie ich mit dieser Situation umging? Nun...ich löschte auch diese Mail und sprach in der Schule nicht mehr mit ihm, immer wieder ging ich ihm geschickt aus dem Weg, bis zu dem Tag, als er auch mir eine seiner Einladungen in die Hand drückte...ob ich zusagte? Ja. Wieso? Nun...Suzie und ich waren lange nicht mehr Feiern gewesen. Außerdem wurde erzählt, dass seine Partys immer gelungen gewesen sein sollen! Nur weil ich auf seine Party ging, hieß das ja noch lange nicht, dass ich mich bereit erklärte, seine Freundin zu sein - dachte ich. → Zurück in die Gegenwart mit euch - Suzie Hatcher [Nun... da ihr jetzt erfahren durftet, dass weder Jessy noch ich eine klare Absage über die Lippen bringen konnten, gab es für uns keinen Weg mehr zurück.] „Wieso ziehst du eine Jeans an?“, fragte Jessy mich erschrocken und zog mir die Hose aus der Hand, um sie kurz zu betrachten. „Wir gehen feiern! Sogar ich hab mich in einen kurzen Rock geschmissen, das hier kommt nicht in Frage!“, schimpfte sie mich und gab sich dabei alle Mühe ernstzunehmend zu klingen, doch hörte man den flehenden Unterton heraus. „Gib mir die Hose wieder,Jess. Ich bleibe dabei, wieso ohne Grund rausputzen?“ „Weil ich es auch getan habe und keine anderen Klamotten mehr in meine Tasche gepasst haben?“, gab sie schlagartig zurück und verzog beleidigt das Gesicht. Seufzend nahm ich die Jeans wieder an mich und warf nun doch einen nachdenklichen Blick auf meinen Kleiderschrank, was Jessy nicht entging. „Das karierte, kurze Kleid ist mein Lieblingsstück. Das sieht super aus, zieh doch das an.“ In den Schrank gegriffen, zog ich kurz an dem Stoff des besagten Kleidungsstücks. „Immer wenn ich dieses Kleid zum ausgehen trage, passiert irgendetwas...“, murrte ich zögernd. Ja, das letzte mal hatte ich damit Dan kennengelernt. Und das in HighSpeed. Davor war auf dem Geburtstag einer meiner besten Freundinnen, ein Kerl auf den Zauber dieses Schmuckstückes reingefallen und mir zu nahe gekommen - viel zu nahe, sodass ich mich sogar dazu entschied, die Fluch zu ergreifen. Dabei war es bloß ein einfaches Sommerkleidchen. Schwarz/weiß-Kariert, ohne Träger, eng anliegend und vielleicht hier und dort ein kleinwenig knapp - Daher verzichtete ich nie auf eine dünne Strickjacke und mindestens eine Strumpfhose, die vor zu tiefen Einblicken schützen sollten. „Du trägst es ja auch immer, wenn ich nicht dabei bin. Ich passe schon auf dich auf, keine Sorge. Also los, sonst kommen wir wirklich noch zu spät.“, Jessy klatschte - stolz über sich und ihre Überredenskünste - kurz in die Hände, während ich mich von ihr hetzen ließ und mich in Windeseile umzog. Zu Highheels griff ich heute jedoch auf keinen Fall, dazu würde auch Jessys Hundeblick mich nicht überreden können - nicht heute. Nachdem wir das besagte Haus gefunden hatten, empfing uns an der Tür eine freundliche Frau mittleren Alters und wies uns den Weg die Treppe hinauf. „Bis es nicht mehr weiter hoch geht.“, waren ihre Worte, an die wir uns hielten. Bereits nach den ersten Stufen, konnte man die Musik vernehmen, die oben gespielt wurde, weiter oben waren bereits die ersten Stimmen wahrzunehmen. Jessy hatte vor mir den Treppenabsatz erreicht und öffnete vorsichtig die Tür, wie bei einem Auftritt in einem albernen Film, drehten sich alle Köpfe gleichzeitig zu uns um, die Musik wurde ebenfalls leiser - oder hatte ich mir das eingebildet? „Hey Mädels! Schön, dass ihr da seid!“, eilte uns sogleich Casey entgegen, den ich grinsend musterte. Heute sah er sogar noch eigener aus als sonst und natürlich sprang mir in Gedanken mal wieder seine Mail an Jessy entgegen, die mich nun wohl auf ewig verfolgen würde. Als er sich um etwas zu trinken für uns kümmern wollte, stieß ich Jessy leicht meinen Ellenbogen in die Seite - ich konnte es mir einfach nicht verkneifen. „Da hat sich heute aber jemand hübsch gemacht.“, ärgerte ich sie lachend, doch wenn ich gewusst hätte, dass ich es zurückbekommen würde, hätte ich es wohl gelassen. Noch bevor sie mit einem bissiges Kommentar ihren wütenden Gesichtsausdruck unterstreichen konnte, kam ihr ein Fremder zuvor, der neben uns an der Theke mit der Musik kämpfte und uns kurz beobachtet hatte. „Stimmt, ihr seht wirklich sehr schick aus. Aber sind die Röckchen nicht etwas kurz?“, sein selbstbewusstes, ungehaltenes Grinsen warf mich um ehrlich zu sein für den ersten Moment etwas aus der Bahn, da ich damit nicht gerechnet hatte. Auf meine Schlagfertigkeit musste er fürs erste also verzichten. Jessy schien es nicht anders zu gehen, denn auch sie schwieg. „Ignoriert ihn einfach, der ist schon den ganzen Abend so drauf.“, schaltete sich ein Mädchen ein, das vor ein paar Wochen noch zu unserer damaligen Parallelklasse gezählt hatte, Marry. „Du auch hier?“, grüßte ich sie herzlich und ließ mich von ihr in den Arm nehmen, Jessy und sie sprachen jedoch kaum ein Wort miteinander, es hatte gerade mal für ein trockenes Hallo gelangt. „Kla, ich kenne den komischen Vogel seit dem ersten Tag. Immerhin bin ich ebenfalls bei ihm in der Klasse.“, als sie sprach, klang sie motiviert und freundlich, sie schien sich also wirklich gut mit Casey zu verstehen, keine Spur von überbelasteten Nerven... „Du auch? Wieso bin ich nicht auch bei euch gelandet...ich scheine aus eurer Klasse nahezu alle zu kennen, in meiner sind mir bis auf 3 alle völlig fremd.“, jammerte ich seufzend, obwohl ich zugeben musste, dass ich auch in meiner Klasse wirklich gut klar kam und gespannt war wie es wohl weitergehen würde. „Suzie! Du bist ja wirklich da, sehr gut.“, sprang mich Tia beim passenden Stichwort aufgedreht an. „Ich hatte doch zugesagt.“, versicherte ich ihr schief lächelnd und stellte sie den Mädchen vor. Nach und nach füllte dich der Raum, größtenteils mit Leuten, die Jessy und ich noch nicht einmal gesehen hatten, doch so war das auf den meisten guten Partys. Nahezu als letztes fanden sich auch James und Jamie ein und stellten sich mit frischen Getränken zu uns, nachdem sie alle ihnen bekannten Gesichter begrüßt hatten. „Nette Outfits.“, lobte James uns grinsend, ich musste über seinen Kommentar und den passenden Gesichtsausdruck herzlich lachen...Männer, im Grunde waren sie alle gleich. „Das ist ja wirklich unglaublich...den Rock zieh ich nie wieder an.“, Jessys Reaktion unterschied sich völlig von meiner. Sie schien es mittlerweile ernsthaft zu stören immer wieder auf die mangelnde Länge ihres Rockes aufmerksam gemacht zu werden und begann immer wieder verkrampft an ihm herum zu zupfen. Doch auch dieses mal brachte Casey bei ihr das Fass zum überlaufen. „Wo hast du diese Beine versteckt, Jessy? Das kann sich sehen lassen!“, waren seine Worte,als er mir und ihr ein kaltes Bier reichte. [An dieser Stelle möchte ich erwähnen, dass ich wirklich versucht habe nicht zu lachen...und die Jungs auch, aber es ging einfach nicht anders! Oder hättet ihr euch beherrschen können?] Nachdem Jessy kurz durchgeatmet hatte und man ihr ansah, dass sie ihre Wut heruntergeschluckt hatte, drehte sie sich elegant von ihm weg und deutete in die Ecke des Raumes auf eine kleine, gemütlich wirkende Couch. „Setzen wir uns!“, und schon stampfte sie voraus. Die Couch war auf schwarzem Leder und bot gerade so Platz für uns vier, wenn man sie genauer betrachtete, hätte man meinen können, dass sie die junge Tochter einer luxuriöseren Ausgabe war und erst noch groß und stark werden musste. „Casey scheint sich seiner Sache ziemlich sicher zu sein, hm?“, wagte sich James übermütig in die Höhle des Löwen und beugte sich etwas nach vorne um Jessy anblicken zu können, doch um ihm zu signalisieren, dass das wirklich keine gute Idee war, drückte ich mein Bein leicht gegen seines, da ich neben ihm saß, sodass er seinen Blick an mich wendete und kurz verstummte. Jessy war das nicht aufgefallen. Sie saß zu meiner Linken, ihre Arme waren trotzig verschränkt, auf der anderen Seite von ihr saß Jamie, der noch immer belustigt drein schaute. „Woher weißt du davon?“,wollte sie von James wissen und fixierte Casey am anderen Ende des Raumes mit warnendem Blick. Ohne auf mein Signal geachtet zu haben,plapperte James amüsiert und bereitwillig weiter. „Ach komm schon, dass er sicher ist, dass du es auch auf ihn abgesehen hast, weiß doch mittlerweile dank ihm der halbe Jahrgang.“, noch bevor James ausgesprochen hatte, entschied ich mich mein Signal zu verschärfen - irgendwie musste ich ihn ja retten - und stieß mit meinem Bein nun gegen seins, als er dann jedoch seine Hand auf meinem Oberschenkel platzierte und mich verwundert anschaute, gab ich völlig auf. „Alles okay?“, fragte er ohne auch nur zu ahnen, was er da verzapft hatte. Ich antwortete nicht auf seine Frage, wartete bloß auf Jessys Explosion und legte seufzend die Hand an meine Stirn. „So schwer von Begriff kann man doch gar nicht sein.“, rutschte es mir leise über die Lippen, dann war Jessy dran. „Ich lege ihn um, wenn ich auch nur einmal gefragt werde, ob oder wie lange ich schon mit ihm zusammen bin!“, nun klang sie sogar noch verärgerter. „Oh...“, fiel es James nun wie Schuppen von den Augen, doch wand er sich diesmal an mich, nicht an Jessy. „Das...hätte ich wohl besser für mich behalten?“, worauf ich entschieden nickte, aber jetzt war es sowieso zu spät. Nun konnte man bloß noch beobachten, wie die Stimmung weiter belastet wurde und alles von Minute zu Minute drohte schlimmer zu werden. „Jessy, schau ihn nicht so wütend an. Ignorier ihn einfach und lass uns einen schönen Tag haben, ja?“,versuchte ich es noch einmal, vergebens. Jessy hatte stur gestellt und wand den Blick nicht von ihm ab - ein Fehler. Zwar ist mir bis heute nicht ganz klar, was Casey an ihrer Haltung nicht deuten oder gar falsch verstehen konnte - doch er tat es und spielte erneut mit dem Feuer. „Wieso sitzt ihr hier so alleine? Macht ruhig etwas Stimmung!“, rief er uns zu und steuerte auf die ohnehin viel zu überfüllte Couch zu. Ganz ungeniert stand er vor Jessy und Jamie und warf sich lachend zwischen die beiden, sodass Jamie weggedrängt wurde. Verdutzt warf er James und mir einen Blick zu, zuckte dann jedoch mit den Schultern und verzog sich - jetzt hatte Casey eindeutig einen Feind mehr gewonnen. Bei seiner Aktion,war James näher zu mir gerutscht und nahm die Hand dabei von meinem Oberschenkel weg, um mir den Arm völlig um die Schultern zu legen. Was das für mich bedeutete? Nichts, oder sollte es? Wie gesagt, wir waren gute Freunde, da konnte man jawohl auch einmal etwas enger nebeneinander sitzen. Vielleicht machte ich mir darüber aber auch bloß keinerlei Gedanken und ging nicht dagegen an, weil mir die gespannten Blicke der anderen nicht auffielen, die bloß darauf zu warteten schienen bis wir mit der Sprache herausrückten und uns als Paar outeten. Und auch Casey fasste diese unauffällige Bewegung von James als zierlichen Anmachversuch auf und tat es ihm gleich indem er sich streckte und seinen Arm stolz um Jessys Schultern platzierte - nun konnte es erst richtig losgehen. Mein Blick traf Jessys, der überrumpelt wenige Sekunden auf Caseys Hand geruht hatte, dann schlug sie diese weg, als wäre sie irgendein ekliges Insekt, welches an ihrer Schulter nichts zu suchen hatte. „Was fällt dir ein, verzieh dich endlich, du Nervensäge!“, fuhr sie ihn nun an und packte in diese Worte nahezu all ihre Abneigung. Man warf den beiden fragliche Blicke zu, dann griff Jessy meine Hand. „Ich muss auf die Toilette, nimm deine Tasche mit und komm!“ Ich hatte gerade so den Henkel meiner Tasche greifen können, da wurde ich auch schon mitgezogen, ab ins Badezimmer. Hinter mir warf Jessy lautstark die Tür zu. Ich blickte kurz zurück, lies meine Tasche dann auf den Boden sinken und setzte mich auf einen kleinen Absatz, der die geöffnete Dusche umringte. „Ich nehme an, wir sind nicht hier, weil du Hilfe brauchst?“ Jessy deutete auf meine Tasche, ich reichte sie ihr. „Der Kerl ist echt die Höhe.“, schimpfte sie weiterhin vor sich her und zog eine Flasche Wodka aus meiner Tasche. Wieso ich Wodka in der Tasche hatte? Wir hatten noch etwas von der letzten Party übrig gehabt und für den Notfall, hatte Jessy gesagt, bräuchten wir etwas als Motivationsspritzte. Wahrscheinlich hatte sie geahnt, wie es laufen würde. Einen großzügigen Schluck genommen, reichte sie mir das durchsichtige Gift und auch ich zimperte nicht herum. Nach einer ruhigen Aussprache fühlte Jessy sich sichtlich besser, sie saß locker auf dem geschlossenen Toilettendeckel und packte die Flasche gerade weg, als ich mich im Ton vergriff. „Vielleicht magst du ihn ja irgendwann wirklich, also reg dich nicht auf.“, eigentlich hatte ich meine Aussage nicht böse gemeint, doch bei ihr war sie wohl so angekommen. „Was soll das denn jetzt heißen?!“, fuhr sie mich an und fiel wieder in das vorherige Muster zurück. „Vielleicht mag James dich ja auch mehr als du glaubst und ihr seid das nächste Pärchen!“, ich seufzte tief und wollte mich gerade bei ihr entschuldigen, als sie aufsprang und das Bad verließ, ich folgte ihr schweigend. „Oh La La, kann ich das nächste mal auch mitkommen?“, fing uns ein Kerl ab. Er sah nicht schlecht aus, war jedoch weder Jessys noch mein Typ. „Ähm, nein?“, bekam auch er die volle Breitseite ihrer Laune ab. Während Jessy sich um ihr nächstes Bier kümmerte und sich einen Moment alleine an die Theke begab, lief ich zu James zurück, bei dem auch Jamie wieder saß. „Was habt ihr so lange da drin getrieben?“, wollten die beiden wissen, ich winkte lediglich ab. Es war besser, wenn wir das für uns behielten. Mich auf die Armlehne gesetzt, sah ich die beiden gelangweilt an - irgendwie fand die Party nicht den richtigen Schwung. „Komm mal her.“, forderte James mich lächelnd auf,als er bemerkte wie ich enttäuscht in die müde wirkende Menge blickte. Mich dazu überreden lassen aufzustehen, schlich ich wieder an seine Seite und stützte den Kopf in den Hände ab, welche wiederum auf meinen Beinen lagen. „Wir hätten eine eigene Party schmeissen sollen. Wäre wesentlich amüsanter gewesen.“, fing nun auch Jamie an zu jammern, ich hatte in mit meiner Laune wohl angesteckt. Als ich bemerkte, wie James Finger über meinen Rücken streichelten, kribbelte meine Haut unter der Berührung leicht, sodass ich mich wegdrehte. „Lass das, das kitzelt.“ Jessy hatte sich auch wieder zu uns gesellt und nippte an ihrem Bier. „Macht mal Platz.“, und schon saßen wir wieder eng aneinander gepresst in einer Ecke, in der man sich einen guten Überblick schaffen konnte. Wir vertrieben uns die Zeit damit Leute zu analysieren, uns über die ein oder anderer Kleidungsauswahl lustig zu machen und ein wenig die Musik mit zu summen. Bis ich mich dazu entschied mich kurz zu Tia zu gesellen, die ich seit wir angekommen waren nicht mehr gesprochen hatte. Ohne ein weiteres Wort stand ich also auf und lief den Raum nach ihr ab. Sie saß mit ein paar anderen Leuten zusammen auf einem anderen Sofa, welches um einiges mehr Platz zu bieten schien. Die kleine Rothaarige - Jenna, war ihr Name - aus meiner Klasse war zu meiner Überraschung AUCH hier und grüßte mich sogleich grinsend,als sie mich erblickte. Ohne mich großartig in ihre Gespräch einzuklinken, setzte ich mich zu Tia auf das Sofa und platzierte meinen Kopf auf ihren Beinen. Meine Beine warf ich über die Armlehne. Schnell erhaschte ich die Namen der anderen, die bei uns saßen und konnte mit ihnen über jegliche belanglose Themen sprechen, bis ein - meiner Meinung nach - bereits viel zu durchgekautes Thema Jennas Lippen verließ. „Suzie? Sag mal...hast du wirklich keine Gefühle für James?“, meine Augenbrauen zogen sich zusammen, mein Blick wirkte abweisend. „Nein, natürlich nicht. Meint ihr etwa man kann nicht einfach nur mit einem Jungen befreundet sein?“, stellte ich ihnen als Gegenfrage, worauf Tia die Schultern zuckte und Jenna kurz wegsah, ohne das ich darauf achtete wohin genau. „Ich glaube ja, er hat sich in dich verguckt. Immerhin schaut er andauernd zu dir rüber und auf Kuschel-Kurs geht ihr schließlich auch.“, ich konnte es wirklich nicht mehr hören, also verdrehte ich bloß die Augen und entschied mich einfach dafür nicht mehr auf das Thema einzugehen, irgendwann würde es ihnen sicher langweilig werden - oder? Doch ich musste zugeben,dass ich mich heimlich dabei erwischte,wie ich prüfte ob sie Recht hatte und somit zu James und den anderen hinübersah und siehe da, unsere Blicke trafen sich. Sicher alles bloß Zufall, redete ich mir gut zu und schüttelte leise lachend über mich selbst den Kopf. „Sicher kommt er auch gleich rüber.“, setzte Jenna noch einen oben drauf - zu schade, dass sie wieder recht behielt. Es verflogen nicht viele weitere Minuten, da kam James zu uns rüber trottete und tippte meine Beine an, da er sich zu uns setzten wollte und ich meine Beine dazu mindestens kurz anziehen musste, was ich jedoch nicht tat. „Ich will mich setzen.“, informierte er mich kurz und blieb wartend vor mir stehen. „Ich will so liegen bleiben.“, gab ich zurück und musste dabei wohl ziemlich trotzig geklungen haben, obwohl das ganz sicher nicht gewollt war...das Thema James lag mir einfach mal wieder etwas zu schwer im Magen. Anstatt locker zu lassen und sich einen anderen Platz zu suchen, beugte er sich zu mir vor und stützte sich mit einem Arm auf der Rückenlehne ab. Sein Gesicht war bloß wenige Zentimeter von meinem entfernt, seine Stimme war leise. „Was ist los? Ist was vorgefallen?“, hakte er, fürsorglich wie er war, nach. Doch wieder zeigte ich ihm die kalte Schulter, schüttelte kurz den Kopf und wich seinem Blick aus - nun gab er doch seufzend auf und suchte das Weite. Die Mädchen hatten so getan, als hätten sie gar nicht bemerkt, dass er sich zu uns gesellt hatte, gaben diese Rollen jedoch auf, als er außer Reichweite war. „Ich sag es ja! Was hat er dir zugeflüstert?“, überfielen sie mich neugierig mit Fragen und zwangen mich doch dazu aufzustehen. „Ladys, ich hol mir was zu trinken.“, wimmelte ich sie rücksichtslos ab und schenkte ihnen bloß noch ein letztes Grinsen, welches sie interpretierten wie sie wollen. Ich hatte mitbekommen, dass es nichts brachte mich vor ihnen zu rechtfertigen, also gab ich auf. Wozu weitere Worte an das Thema verschwenden? Mich ohne Gesellschaft auf einen Hocker an die Bar gesetzt, warf ich dem DJ einen Blick zu, der den Kerl darstelle, der uns bereits zu Anfang frech angesprochen hatte. „Was kann ich für dich tun meine Liebe?“, sprach er mich an und wartete auf eine Antwort, während er nebenbei mit dem Laptop beschäftigt war. „Du könntest mir einen Kaugummi anbieten, falls du welche bei dir hast.“ Irgendwie musste ich den giftigen Wodkageschmack loswerden, sonst war ich bloß dazu verführt erneut danach zu greifen - jetzt hatte auch ich einen Grund. Ich wollte das James-Thema endgültig loswerden. Während er in seinen Hosentaschen kramte, sah er mich grinsend an. „Wieso sitzt du hier eigentlich so alleine und nicht bei deinem Freund?“ Mir wurde klar, dass ein Kaugummi mir nicht half das Thema aus meinen Gedanken zu verbannen, da jeder darauf rumritt und die Aussagen langsam Knospen bildeten. Ich verzog das Gesicht, schob seine Hand, in der sich der Kaugummi befand weg, und stand auf. „Jessy? Ich muss mal!“ - und schon war sie sichtlich erfreut bereit mir auf die Tiolette zu folgen, natürlich mit meiner Tasche im Schlepptau. So ergatterten wir, nach unserem zweiten gemeinsamen Besuch auf dem stillen Örtchen, auch hier, unter den Menschen, die wir nicht kannten, den Stempel als wirklich unzertrennlich und vielleicht auch als etwas...anders. Langsam fing sogar der Alkohol an in unser Blut zu rasen und zog uns aus unserer bedrückten Stimmung auf höhere Flüge - ab in die Unbeschwertheit. Doch gab es für mich da in den Folgen des Abends noch etwas zu klären, James war mir strikt aus dem Weg gegangen, was mir alles andere als gefiel - ich stritt nicht gerne mit ihm. Zumindest nicht, wenn ich die Schuld für seine gedrückte Stimmung zu 100% auf mich nehmen musste, also passte ich ihn ab, als er kurz alleine an einem Tisch stand. Ihn von hinten umarmt - ganz egal, wer nun wieder darauf schwor etwas zu sehen, was nicht existierte -, sah ich unschuldig zu ihm hinauf. „Ich hab‘s nicht so gemeint.“, entschuldigte ich mich kleinlaut. [Wenn ich in etwas wirklich schlecht war, dann im entschuldigen...] „Schon okay.“, schob er das Thema jedoch unbeeindruckt auf die Seite und sah mich dabei nicht einmal an. Männer konnten ja solche Zicken sein! Die Augen unauffällig verdreht, schlich ich mich an seine Seite, sodass er mich ansehen musste. „Hatte nichts mit dir zu tun - die Party ist doof.“, suchte ich mir eine passende Notlüge aus, welche sogar zu ziehen schien. Er warf seinen Arm um meine Schulter und lehnte seinen Kopf an meinen. „Wie gesagt, schon okay.“, mit diesem schon okay konnte ich leben, da es bei weitem zufriedener und glaubhafter klang, also beließ ich es dabei. Meine Arme noch immer um ihn geschlungen, unterdrückte ich ein schläfriges Gähnen und vergrub meinen Kopf schließlich an seiner Schulter, bis jemand in ein Mikrofon sprach und ich aus reiner Neugier aufblickte. Casey hatte also die Idee gehabt hier etwas Schwung reinzubringen - hörte sich wunderbar an. An der Umsetzung jedoch haperte es gewaltig, da er sich wohl Party-Spiele ausgedacht hatte, die an einen Kindergeburtstag erinnerten. „Suzie! Ich muss mal.“, ertönte mein Stichwort und schon verdünnisierten wir uns erneut. Lachend schlossen wir die Tür hinter uns ab und kamen so zu unserer dritten Sitzung zusammen. Jessy schien nahezu bester Laune - da sollte noch mal jemand sagen Alkohol war böse! Während wir die Glasflasche herumreichten, quatschten wir uns in Ruhe aus und ließen uns von den Stimmen und dem Lachen der anderen nicht irritieren. „Su...ohne es böse zu meine oder so - was ist mit dir und James?“, erkundigte Jessy sich vorsichtig. Jessy war die einzige, die das Recht hatte mich darauf anzusprechen ohne eine motzige Antwort zu erhalten, also holte ich tief Luft um ihr eine solche zu schenken. „Keine Ahnung...das Gerede der anderen stimmt mich einfach vorsichtig.“ Jessy nickte verständnisvoll und nahm den nächsten Schluck ohne das Gesicht zu verziehen. „Ich hab dir von Anfang an gesagt, pass auf. Du weißt, ich halte immer zu dir, aber ich bin als deine beste Freundin auch dazu verpflichtet ehrlich zu dir zu sein und ich sage dir was, er ist in dich verliebt. Schon länger.“ „Wie kommst du darauf? Hat er etwas gesagt?“, wollte ich wissen, Jessy schüttelte den Kopf. „Nicht direkt. Aber wie er dich ansieht und anfasst... außerdem muss er nichts genaueres sagen, er redet generell genug über dich.“ Ich wollte gerade etwas erwidern, als von draußen plötzlich unsere Namen ertönten. „Suzie und Jessica - Kommt sofort daraus, sonst gibt es beim nächsten Spiel kein Entkommen!“, brüllte man ins Mikrofon, dann ertönte Gelächter. Doch wer hätte es gedacht, die Drohung zog. Wir gesellten uns also wieder zu den anderen und saßen nun mit mehreren zusammen auf der größeren Couch. Mal wieder hatte ich mich zu James gesetzt. Jessy saß bei Tia und unterhielt sich einen Moment lang mit ihr über Casey, da Jessy nicht oft genug über ihre Probleme sprechen konnte und die anderen ihre Worte aufsaugten, als wären sie überlebensnotwendig, was ihr natürlich gefiel. Außerdem witterte sie die Chance einiges klarzustellen. Durch das gemütliche Sitzen und die ruhige Musik, die zur Abwechslung gespielt wurde erzielte der Alkohol, der durch meine Venen raste, die Wirkung, dass ich unheimlich müde wurde. Mich also an James gelehnt, der mich schneller wieder im Arm hielt als ich gucken konnte, schloss ich für einen Moment die Augen und öffnete sie erst wieder, als ich spürte wie seine Finger über mein Bein streichelten. Die Müdigkeit war vielleicht keine gute Folge des Wodkas, doch ich hatte durch ihn erreicht, dass ich mir keine Gedanken mehr darüber machte, was andere dachten oder sahen. Also wimmelte ich James nicht ab. Sein Atem streifte meinen Nacken, als ich mich streckte und ich weiß nicht mehr ganz genau wer wirklich Schuld daran trug, - entweder hatte ich mich wirklich ungünstig bewegt, oder er hatte es herausgefordert - auf jeden Fall rutschte seine Hand ein mutiges Stück zu weit mein Bein hinauf, unter den leichten Stoff meines Kleides. Ich begegnete seinem Blick und erkannte keinerlei Zögern in diesem. Als ich ihn ohne Worte in seine Schranken wies und meine Beine wegzog, lachte er mir herausfordernd ins Ohr und gab mir einen Kuss auf die Stirn, als ich meinen Kopf erneut in seine Richtung neigte. „Wartet‘s nur ab!“, rissen Jessys Worte uns aus der Zweisamkeit. Ich blickte irritiert auf und sah gerade noch wie Jessy aufgesprungen war und sich zu dem Kerl setzte, den sie früher am Abend vor dem Bad noch angefahren hatte. Schnell war zu erkennen, dass sie Casey eine auswischen wollte und sich daher an den Kerl ranschmiss. Ihr Plan ging auf, von der Bar aus beobachtete der arme Casey das Schauspiel geknickt und als er meinen Blick bemerkte, winkte er mich zu sich. „Jetzt darf ich mir was anhören...“, murmelte ich leise und stand auf um mich zu ihm zu begeben. „Sag mal...Jessy hat doch nichts mit Rey am Start, oder?“, fragte er mich beinahe panisch, worauf hin ich unwissend zu den beiden hinüberschaute. „Noch nicht.“, antwortete ich knapp und merkte wir drei Kerle mich musterten, sie mussten Freunde des DJs gewesen sein. „Das langt, der kann sich was anhören.“, und weg war Casey. Er nahm sich Rey zur Seite und verließ kurz mit ihm den Raum, was Jenny sichtlich amüsierte. Ob ich mich um Rey sorgte? Nein, Casey gehörte keineswegs zu der Sorte Kerlen, die ihre Fäuste sprechen lassen würden...gegen Rey hätte er ohnehin keine Chance. „Nicht dein Freund, ja? Darf ich also auch ein wenig mit dir kuscheln?“, ich hatte im Grunde bloß auf ein Kommentar des DJs gewartet, jedoch war mir nicht bewusst gewesen, dass man uns eben beobachtet hatte. Mein Gesichtsausdruck musste ihn jedoch mächtig verunsichert haben, da er plötzlich einen Rückzieher machte. „Ich kuschel nur mit echten Kerlen.“, nun konnte er meine Schlagfertigkeit doch noch kosten und auf meine Worte folgte das laute Gelächter seiner Kumpels, als ich zurück zu den anderen ging. James richtete sich auf, als ich mich wieder zu ihm setzte und mich zu ihm beugte. Meine Lippen hielten an seinem Ohr. „Behalte die Finger lieber bei dir.“, forderte ich locker und lehnte mich dann wieder gemütlich zurück. „Schüchtern, hm?“, nun wurde auch er frech, lehnte sich ebenfalls zurück und zog mich näher an sich heran. Sein Gesicht in meinem Haaren vergraben, traf ich Jennas stolzen Blick, der mich nun doch wieder verunsicherte. Lasst ich euch eines versichern...ich war wahrscheinlich noch nie so froh gewesen von einer Party abgeholt worden zu sein. Doch als Jessy mich aufforderte mit ihr zu gehen, sah ich ihre Worte als Rettungsring an und stand schwungvoll auf. Mich mit einem freundlichen Winken von den Gästen verabschiedet und mich von James ein letztes mal für diesen Abend in den Arm nehmen lassen, zog ich meine Jacke über und begab mich in Richtung Ausgang. Eines musste jedoch noch erledigt werden - sein Blick wollte es nicht anders. Ich gab Jessy einen Stubser und lief zur Bar herüber, die Jungs sahen und erwartungsvoll an, als ich mich vorbeugte einen Stift griff und meine Nummer auf einem Bierdeckel notierte. Jessy den Stift hingehalten, spielte sie bereitwillig mit - dann verzogen wir uns. Als wir die Treppe hinab stiegen, sah ich zu ihr hinter. „Hast du ihnen deine richtige Nummer dagelassen?“, wollte ich wissen. „Spinnst du? Natürlich nicht. Du etwa?“ - „Sicher nicht.“, dann ertönte unser Lachen den Flur. Draußen begegneten wir Rey und Casey, von denen wir und kurz verabschiedeten - zumindest galten meine Worte beiden, Jessys jedoch waren wohl nur an Rey gerichtet. Was mir den restlichen Abend durch den Kopf ging? Wieso fühlte ich mich plötzlich so ungewohnt wohl in James Gegenwart? Und wieso vermisste ich ihn plötzlich, obwohl ich wusste, dass ich ihn in der Schule jeden tag zu Gesicht bekam? Kapitel 5: My second Part? -------------------------- → Suzie Hatcher Nachdem sich also zu den leeren Wodkaflaschen in unserem kleinen Versteck eine weitere vom Vorabend dazugesellt hatte, war das nächste das ich wahr nahm das laute Klingeln meines Handys. Verschlafen öffnete ich die Augen und blinzelte durch mein Zimmer, welches bereits von Sonnenlicht geflutet wurde. War heute nicht Sonntag? Hatte ich vergessen meinen Wecker abzustellen? Doch noch bevor ich mir länger Gedanken machen konnte, war mein Handy wieder verstummt. Mich durch die Kissen gewühlt, suchte ich das kleine Monster, das mich unsanft aus dem Traumland gerissen hatte. Kaum hatte ich es in die Finger bekommen, blinkte mir James Namen auf dem Display entgegen und lies mich das Gesicht fraglich verziehen: Guten Morgen mein Schatz, gut geschlafen? Ich hatte keine Lust mich bis Montag zu gedulden und dachte mir, ich melde mich jetzt schon einmal bei dir. Hast du heute schon was vor? Wir könnten was unternehmen. Mal ganz davon abgesehen, dass mich bereits das vierte Wort mächtig verwunderte, hatte ich generell dank der verkorksten Party meinen Standpunkt in Sachen James vergessen. Da konnte nur eine Person helfen. Bevor ich mich also ans Antworten machte, sprang ich im Schlafanzug aus dem Bett, lief aus meinem Zimmer und klaute mir ohne ein Wort zu verlieren unser Telefon. „Guten Morgen.“, vernahm ich die Stimme meiner Mutter, die mit meiner kleinen Schwerster an Frühstückstisch saß. Beide sahen mich neugierig an - man sah nahezu wie ihnen die Frage auf den Lippen brannte, wie es gestern Abend so war und was ich nun vorhatte. Ich ignorierte diese Vermutung jedoch, zwang mich zu einem flüchtigen Morgen und verschwand dann auch schon wieder hinter meiner Zimmertür. Jessys Nummer eingetippt und mich wieder auf mein Bett fallen lassen, lauschte ich dem monotonen Tuten und hoffte, sie würde bereits wach sein und abheben. „Hmm?“, grummelte sie zu meiner Überraschung ins Telefon, als ich auflegen wollte. „Ahh, du bist also wach, wunderbar!“, begrüßte ich sie freudig, steckte sie mit meiner Laune jedoch nicht an. „Jetzt bin ich es...was ist los? Es ist erst 11 Uhr.“ Jessy war eine Langschläferin durch und durch, wenn man sie weckte konnte man davon ausgehen, dass man ihr den Tag über bloß mit schlechter Laune begegnete. „Tut mir leid...ich brauche deinen Rat.“ „Ich hoffe sehr, dass es wirklich wichtig ist...also?“ „Wie war das doch gleich mit dem Daten von guten Freunden?“, rang ich mich leise zu der Frage vor und wartete ihre Reaktion ab. „Moment!“, jetzt klang sie plötzlich hellwach. „Wer datet hier wen?“ „Niemand datet irgendjemanden.“, wich ich ihr seufzend aus und hielt in meiner freien Hand den Grund für meinen Anruf. Gar so, also würde ich vermuten, dass ich mir seine SMS eingebildet hatte, überflog ich die Zeilen noch einmal. „Lüg mich nicht an! Was ist passiert?“, Jessy würde sich jetzt wohl kaum mehr abschütteln lassen, also konnte ich auch fortfahren. „Eigentlich ist es ja kein Date. Ich frage nur für den Notfall - falls es in weiter Zukunft mal soweit kommen sollte...“, setzte ich wieder zu sprechen an, doch sie unterbrach mich ungeduldig. „Es geht um James.“, stellte sie trocken fest. „Er will was unternehmen.“ - „Heute? Nach eurem Kuschelkurs der Extraklasse? Viel Spaß.“, die Ironie in ihrer Stimme verpasste mir nahezu eine Ohrfeige. „Aber vorher waren wir doch auch oft unterwegs.“, verteidigte ich James und drehte mich nachdenklich auf die Seite. „Wieso rufst du mich dann an, um dir einen Rat zu holen?“ Sie hatte Recht...Wieso? Ich beantwortete ihre Frage mit einem tiefen Seufzen. „Verstoße niemals gegen die wichtigste aller Regeln!“ Diese Worte ließen mich nachdenken. Lebensregeln? Da vielen mir spontan bloß zwei ein: 1. Kein Sex mit dem Ex! - Das konnte sie jedoch nicht meinen, immerhin hatte ich vorher nie etwas mit James gehabt. 2. Habe niemals ungeschützten Geschlechtsverkehr! - Ob sie das meinte? Ich hoffte nicht. „Welche meinst du?“, gab ich also schließlich auf und wartete gespannt ab, was sie zu sagen hatte. „Die beste Freundin muss immer bestens informiert sein!“ Ich musste lachen. Ein erleichtertes Lachen. Wenn es bloß das war...kein Problem. „Daran halte ich mich sowieso.“, versicherte ich ihr. „Ich will es hoffen, meine Liebe. Und jetzt mach dich fertig und schnapp dir, was dir gut tut.“ Im ersten Moment fiel mir nicht ein, was ich dazu sagen sollte, also widersprach ich nicht. „Ich ruf dich heute Abend an.“, verabschiedete ich mich von ihr und legte sogleich auf, um mich bei James zu melden und mit ihm abzusprechen, dass wir uns in wenigen Stunden in der Stadt treffen würden. Als ich aus der Bahn stieg, zog ich meine Jacke enger um mich. Dafür, dass die Sonne schien, war es eindeutig viel zu frisch... Den schmalen Bahnhofsweg entlang geschlendert, biss ich mir unschlüssig auf der Unterlippe herum. Wieso fühlte sich das so komisch an? Es kam mir fast so vor, als würde ich jemanden treffen, den ich vorher noch nie alleine gesehen hatte. Eindeutig kein gutes Zeichen. Bereits nach der Hälfte der Strecke, erblickte ich James. Lächelnd kam er mir entgegen gerlaufen und nahm mich zur Begrüßung etwas zu lange in den Arm. „Freut mich, dass du Zeit hast.“, seine Stimme klang munter und keineswegs verunsichert. Nickend machte ich mich mit ihm auf den Weg durch die Straßen und stieg in alte Muster zurück. Wir begannen schnell wieder warm miteinander zu werden, sodass sich das mulmige Gefühl in mir legte und ich wie gewohnt mit ihm umgehen konnte...anfangs zumindest. → Unterdessen bei Jessica Baker. Während Suzie sich also schick machte, bewegte ich mich erst langsam aus dem Bett und schlenderte mit zerzaustem Haar und müdem Blick in die Küche, um mir einen Kaffee zu machen. Meine Eltern waren arbeiten, meine Schwester mit dem Hund draußen - was für mich bedeutete, dass ich einen Moment der Ruhe genießen und langsam wach werden konnte. Mich an den Küchentisch gesetzt und die warme Tasse mit dem heißen Inhalt mit beiden Händen umschlossen, erinnerte ich mich an die Zeit zurück in der wir James kennengelernt haben. Bereits als ich ihn das erste mal mit Suzie hatte sprechen sehen, war mir klar gewesen, dass die beiden zueinander finden würden. Oder zumindest, dass er heimliches Interesse für Suzie hegte. Stolz darüber, dass ich Recht behalten hatte, stand ich grinsend auf und bewegte mich mit meinem Kaffee in der Hand zurück nach oben in mein Zimmer. Wenn ich nun ohnehin bereits wach war, konnte ich auch meinen PC anschmeissen und auf die Schnelle meine Mails checken. Ohne eine böse Vorahnung gehabt zu haben, fiel mir mein Schicksal in den Rücken...wie ein paar Tage zuvor schon einmal. In meinem Posteingang wartete eine Nachricht von Rey auf mich: Du bist wirklich unglaublich...wieso hast du dich gestern Abend so aufgeregt, wenn du nun doch die Freundin von Casey spielst? Dir ist klar, dass ich mir umsonst den restlichen Abend seine Vorwürfe anhören durfte? Frauen... „Seine Freundin?!“, stieß ich laut und wütend aus und hatte gar nicht bemerkt, dass meine Schwester hinter mir im Türrahmen stand und nun erschrocken zusammenfuhr. „Wer ist wessen Freundin?“, wollte sie von mir wissen, ich kam jedoch nicht zu einer Antwort...wenn ich das nun erklären musste, würde ich explodieren. „Spätestens morgen in der Schule ist er tot!“, fuhr ich meinen PC an und machte mich bereit Casey eine letzte Mail zu schreiben, in der ich all meinen Frust hemmungslos auslassen konnte...und wollte: [Folgender Inhalt ist leider nicht für Leser unter 18 Jahren geeignet.] „Lass dir das eine Lehre gewesen sein und sprich bloß nie wieder mit mir!“ → Back to Suzie Hatcher Mit einem Kaffee in der Hand schlenderte ich durch einen gemütlichen Laden an vollen Bücherregalen vorbei. Hier und dort blieb ein Blick an einem auffallenden Titel hängen. „Willst du was kaufen?“, nahm ich plötzlich James Stimme hinter mir wahr und merkte, wie seine Hände meine Hüften vorsichtig hinauf schlichen und mich leicht an sich drückten. Sein Atem streifte meinen Nacken, mein Blick war nervös auf das Regal gerichtet. Immer wenn ich über James und mich als Pärchen nachdachte, baute sich in mir automatisch eine gewisse Abwehr auf...wir waren gute Freunde - so etwas setzte man nicht aufs Spiel! Wieso ich nicht davon ausging, dass es mit ihm ernst sein und mich glücklich machen könnte? Nun, wie bereits erwähnt. Ich war noch nie wirklich verliebt gewesen [Im Nachhinein ist man immer schlauer.] und eigentlich glaubte ich auch nicht an das mysteriöse Gefühl, dass Menschen aus heiterem Himmel durchdrehen ließ. Den Kopf geschüttelt, machte ich ein paar Schritte auf die Seite und befreite mich somit aus der sanften Nähe ohne ihn anzusehen. Seufzend schob er die Hände in die Hosentaschen, ich spürte wie er mich nachdenklich ansah, doch nippte ich bloß gespielt nichts ahnend an meinem warmen Kaffee. Ohne großartig weitere Worte zu verlieren, verließen wir den Laden wieder - und schon war die anfängliche Unsicherheit zurückgekehrt. Doch schien sie diesmal nicht bloß mich überfallen zu haben. Mittlerweile war es etwas wärmer geworden und in der schmalen Einkaufsstraße tummelten sich immer mehr Leute, die das Ende ihres Wochenendes genießen wollten. „Weißt du...“, setzte James leise zu reden an und zwang mich so, kurz zu ihm hinüber zu sehen, doch diesmal sah er mich nicht an. „...es gibt da so ein Mädchen...ich glaube, sie würde perfekt zu mir und meinem Leben passen und mich ein wenig aus meinem Alltagstrott herausziehen.“, wir steuerten auf eine Bank zu, während ich ihm gezwungen zuhörte und mir für den Notfall einen Fluchtweg zusammenbraute. Als wir kurz vor der Bank anhielten, stieg ich auf den breiten Holzbalken, der die Sitzfläche darstellen sollte und missbrauchte anstatt diesen die Kante der Rückenlehne als Sitzplatz. James Stimme war in meinen Gedanken fast völlig untergegangen, erst als er mich direkt ansprach, blickte ich wieder auf: „Hörst du mir überhaupt zu?“, nun klang er sogar etwas beleidigt. „Natürlich höre ich dir zu!“, entgegnete ich ihm sogleich und ließ ihn nicht mehr zu Wort kommen, da ich die Feigheit siegen ließ und mich vor einer möglichen, weiteren Beziehungskrise retten wollte: „...du brauchst einfach eine Freundin. Wer ist denn das Mädchen, an das du denkst? Sicher eine aus dem Training, hm?“, ich wusste, dass ich ihm den Mut nehmen konnte mich zu nennen, wenn ich ihm klarmachte, dass ich eigentlich nicht auf der Suche nach einer Beziehung war und ihn einfach auf ein anderes Mädchen schubste. Zufällig war mir auch bekannt, dass er mit seinen Jungs in den Ferien gerne einmal seiner Leidenschaft, dem Sport, nachging und sie dazu für ein paar Wochen zusammen in eine Art Trainingslager fuhren, um ihr Hobby zu teilen und einen drauf zu machen - und letztes Jahr waren die Herren nicht unter sich geblieben. Frauen waren bei Männern nunmal genauso ein Gesprächsthema, wie andersrum. „Ähm...nein, eigentlich kommt von denen keine in Frage. Du hast mir doch nicht zugehört.“ Wie Recht er doch hatte...doch das würde ich mir jetzt sicher nicht anmerken lassen, erstrecht nicht jetzt, wo er mir mehr und mehr zu denken gab. „Ich glaube ja eine von ihnen wäre perfekt. Ich meine...das selbe Hobby habt ihr dann immerhin auf jeden Fall. Außerdem würdet ihr zusammen ins Trainingslager fahren.“ Ob ich auch nur eine Minute daran gedacht hatte, dass es dämlich war, ihn auf eine andere scharf zu machen, weil ich ihn genauso hätte wollen können, wie er mich? Nein, wie ihr seht habe ich das nicht. „Geh sie doch in Gedanken einfach noch einmal in Ruhe durch. Es ist sicher eine dabei, die dir gefallen könnte - der du auch gefällst.“ Ich für meinen Teil ging in meinem Plan vollsten auf und lächelte ihn aufbauend an, doch leider schien ich ihn wenig überzeugen zu können, da er sich dicht vor mich stellte und meine freie Hand griff. Grinsend schüttelte er den Kopf und fuhr mit den Fingern langsam über die warme Haut meiner Handfläche. Und obwohl in meinem Kopf bereits die Alarmglocken angesprungen waren, blieb ich ruhig sitzen und gab mir alle Mühe locker zu wirken. „Nein, wohl kaum. Ich weiß, dass ich keine von ihnen will.“ Als er seinen Kopf anhob und mich direkt anschaute, sagte keiner von uns etwas. Ich für meinen Teil wagte mich kaum zu atmen und schluckte schwer. Was machte ich hier? Und vor allem...was machte er hier? Verfolgten Männer nicht die Regel, dass man die Finger von guten Freundinnen lassen sollte? → Schauen wir vorerst noch einmal bei Jessica Baker vorbei. Ich war trotzig und vor mich her schimpfend ins Bad gelaufen und hatte mich zu einer kühlen Dusche entschlossen. Meinem PC wollte ich von nun an auf ewig den Rücken kehren, das Teil schubste mich immer und immer wieder ins Verderben! Mich viel zu lange im Bad aufgehalten und meine Schwester immer wieder von der Tür weggescheucht, kam ich frisch und putzmunter erst gefühlte Stunden wieder hervor. „Ich muss auch duschen! Ich hab dir gesagt, dass ich weg wollte...wegen dir komm ich viel zu spät!“, meckerte Julie mich beleidigt an, ich streckte ihr jedoch bloß uninteressiert die Zunge raus. Die Idee zu Duschen hatte mich zwar wieder in einen zivilisiert aussehenden Menschen verwandelt, doch meine Wut hatte ich nicht abwaschen können. Seufzend war ich zurück in mein Zimmer gegangen und ließ mich aufs Bett fallen. Zu gerne hätte ich nun Suzie angerufen, doch die hatte im Moment besseres zu tun, als sich meine Laune anzuhören...und wo ich mit den Gedanken schon bei Suzie war...wie es ihr wohl erging? Ob James bereits zugegeben hatte, dass er sie auserkoren hatte? Noch bevor ich länger hatte darüber nachdenken können, leuchtete mein Bildschirm auf. Wer meldete sich denn nun? Ich rechnete mit dem Schlimmsten, zog ein Kissen an mich heran und vergrub meinen Kopf darin, um einen lauten Schrei loszulassen, den niemand anderes zu Ohren bekommen sollte. Doch es half ja alles nichts...also zwang ich mich dazu aufzustehen und nachzusehen, wer es wagte meine Nerven zu strapazieren. Allerdings war das, was ich sah das Letzte, womit ich gerechnet hatte... jemand ganz anderes hatte sich bei mir bemerkbar machen wollen - zu meiner Freude. Das erste, was mir auf dem Bild seiner Seite einer Online Community aufgefallen war, waren seine unverwechselbaren, gepflegten Haare. Na, wisst ihr, um wen es sich handelt? Ganz genau, der nette Herr in den ich blind links reingerannt war. „Hey. Bist du nicht die Kleine, die unachtsam Menschen umrennt? Wir gehen, wie es aussieht, auf die selbe Schule, hoffentlich sehen wir uns noch mal - würde mich wirklich freuen. Außerdem scheinst du einen netten Musikgeschmack zu haben, ich hab mich auf deiner Seite ein wenig umgeschaut.“ Ich konnte mich genau an das Gefühl erinnern, das er in mir ausgelöst hatte, als sich unsere Blick das erste mal getroffen hatte...und selbst wenn ich vergessen hätte, wie es sich angefühlt hatte, mit der Tatsache, dass er sich wohl hatte bei mir melden wollen und ich genauso Eindruck auf ihn hinterlassen hatte, wie er auf mich, rief beinahe alles wieder auf. Natürlich hätte es mich viel eher beeindruckt, noch einmal seine Stimme zu hören und ihn lächeln zu sehen...doch fürs erste langte mir diese Geste. Jetzt war meine Wut vergessen - völlig. Und es schien so, als würde nicht nur Suzie bald glücklich werden! → Doch so einfach sollte Suzie Hatcher es nicht haben. Noch bevor James mir zu nahe kommen konnte, hatte ich meine Hand weggezogen. „Nun...wie du meinst. Ich finde trotzdem, du solltest einem dieser Mädchen die Chance lassen, sich dir zu beweisen.“, irritiert über meine Worte verzog James das Gesicht und als ich aufstand und meinen Becher leerte, schien ich ihn nicht glücklicher zu machen. „Ich glaube, ich nehme die nächste Bahn. Ich muss Zuhause noch ein bisschen was erledigen, aber es war wirklich schön dich heute zu sehen.“ Ein munteres Lächeln aufgesetzt, nahm ich ihn kurzer Hand schwach in den Arm und wand mich zur Flucht um. „Und denk dran, du kannst dich immer bei mir melden. Ich bin jeder Zeit für dich da, ja?“, doch brachte er nicht mehr als ein überfordertes Ähm über die Lippen und sah mir ungläubig nach. Kaum hatte ich ihm den Rücken zugedreht, fiel mir das Lächeln aus dem Gesicht. Hatte ich da gerade wirklich James stehen lassen, weil ich davon ausging, dass er unsere Freundschaft ins Unglück stützen wollte? Herrje. Der Rest des Tages verlief viel zu langsam. Es kam mir vor, als würde die Zeit gegen mich arbeiten und einfach nicht vergehen wollen, nur damit ich mehr und mehr Gedanken an meine Gefühlslage verschwendete. Auch bei Jessy meldete ich mich nicht mehr, doch zu meiner Verwunderung ließ auch sie nichts von sich hören. Vielleicht war es jedoch besser so... immerhin musste ich so nicht den ganzen Mittag in Form einer ausführlichen Erzählung Revue passieren lassen. Es genügte schon, dass ich ihr alles am nächsten Morgen in der Schule erzählen durfte. Zur Überraschung von uns beiden kam ich jedoch nicht mit meiner ach so spannenden Story durch, da uns jemand in die Quere kam. „Kaum zu glauben, dass ihr auf einmal ausgeht...“, sprach Jessy grinsend und ließ mich seufzen. Wie recht sie doch hatte, ich glaubte es auch kaum. „Und das schlimmste ist, dass ich nun anfange deinen Worten zu glauben.“ „Welche Worte genau meinst du?“, wollte sie wissen, doch wurde ich unterbrochen, als ich zur Antwort Luft holte. „Jessy?“, sprach sie eine männliche Stimme an, die mir bloß flüchtig bekannt kam. Doch das Gesicht dazu erkannte sich sofort. Mr. Redhead? Was wollte der denn? Doch mein verwunderter Gesichtsausdruck wurde bei weitem von Jessys übertroffen, die sich überrascht umgedreht hatte und ihn nun verträumt und überfordert zugleich anblickte. Was hatte der Kerl mit ihr gemacht? Nicht alles, dass sie anfing zu sabbern. „Ja?“, antwortete sie mit viel zu hoher Stimme und wand den Blick gar nicht mehr von ihm ab. Höflich lächelnd zog er einen Stick aus seiner Hosentasche und hielt ihn ihr entgegen. „Das dürfte dir gefallen. Ein bisschen Musik, die deinem Geschmack entsprechen sollte.“ Moment...! Woher kannte er ihren Musikgeschmack? Und wieso machte er sich überhaupt die Mühe? Hatte ich etwas verpasst? Mein Mund klappte gleichzeitig mit Jessys auf - jedoch aus einem wohl anderen Grund. „Danke, ich höre mal rein und gebe dir den Stick morgen wieder.“, er nickte und verschwand dann auch so schnell wieder, wie er erschienen war. „Jessy? Was sollte das denn? Musst du mir was erzählen?“, doch leider war keines meiner Wörter zu ihr durchgedrungen, noch immer starte sie ihm benebelt nach. „Er ist perfekt!“ Meine Hand angehoben winkte ich mit dieser vor ihrem Gesicht herum. „Erde an Jessy? So toll ist er gar nicht, was hat er dir eingepflanzt?“ „Nichts. Er hat sich bloß gestern bei mir gemeldet.“, erst jetzt sah sie mich wieder an und grinste stolz. Wie ein Kind, dass gerade von seinen neuen Geburtstagsgeschenken erzählte. „Einfach so?“, das war wirklich eine Überraschung. Nun sah auch ich in die Richtung, in die er gegangen war. Ihn bekam ich jedoch nicht mehr unter die Augen. „Ja, einfach so!“, erneut eine Aussage puren Stolzes. Es schien ganz so, als könnte sie nun nichts mehr erschüttern - doch ich irrte. „Guten Morgen Ladys.“, hallte uns unerwartet Caseys Stimme entgegen. Und schon rutschte Jessy der Stolz aus dem Gesicht. „Verzieh dich du Vollidiot!“, holte sie zum ersten verbalen Schlag aus. „Huh? Was ist los?“ - „Was los ist?! Du nervst mich halb zu Tode, das ist los!“ Caseys Blick wich zu mir herüber und suchte Schutz, ich jedoch drehte mich schnell weg und sah daher James auf mich zukommen...das war genau so schlecht, also ließ ich den Blick auf meine Füße sinken. So konnte ich keine unangenehmen Situationen erblicken. „Wieso erzählst du, dass ich deine Freundin bin? Als würde ich mit jemandem wie dir zusammen sein wollen! Was auch immer du nimmst, nimm weniger davon!“ Und damit war für sie alles gesagt und Casey schien vor allen Leuten, die in unserer Nähe standen blamiert, da Jessy sich nicht die Mühe gemacht hatte leise zu sprechen. „Wieder Ehekrieg, hm?“, mischte sich James mutig ein, als er neben mir angekommen war. „Ehekrieg?! Von wegen! Bekomm du erstmal selbst auf die Reihe, was du willst...dann misch dich in meine Angelegenheiten ein, die dich aber eigentlich ohnehin nichts angehen!“, bekam er nun das Nachbeben ab, und als ich aufblicken wollte hatte Jessy mich bereits am Arm gepackt und mitgezogen. „Kaum zu glauben...“, schimpfte sie vor sich hin, als wir die Treppe zu unseren Klassenräumen hinauf stiegen. „Der wird schon sehen, wessen Freundin ich bald bin!“, jetzt musste ich lachen. Jessy schien sich ihrer Sache ziemlich sicher. Hoffentlich fiel sie nicht auf die Nase, denn wie sagte man so schön? Hochmut kommt vor dem Fall. „Weißt du was wir dieses Wochenende machen, Su? Wir gehen feiern.“ „Schon wieder Alkohol? Das überlebe ich nicht Jessy.“ „Kein Alkohol Dummerchen. In der Stadt steigt ne kleine Feier. Da treten unbekannte Bands auf. Unteranderem von Leuten unserer Schule. Da gehen viele hin...und wir auch.“ „Was heißt viele? Mr. Redhead auch?“, natürlich. Woher sonst sollte diese Idee stammen? „Klar kommt er auch. Und du nimmst James mit! Er freut sich sicher.“, mir zugezwinkert ließ sie mich los und begab sich auf den Weg in ihre Klasse. Ich sollte James mitnehmen? Natürlich...hatte sie mir überhaupt zugehört? Ich war geflüchtet bevor er anständig hatte zu Wort kommen können. Außerdem wollte ich nichts von James...oder? Kapitel 6: Can I take you Home? ------------------------------- → Suzie Hatcher „Ich glaube, du solltest dich langsam wieder auf den Weg machen.“ Mein Blick wanderte auf den Boden, meine Arme hatte ich verkrampft verschränkt. „Ich hab alle Zeit der Welt.“, sprach James vorsichtig und ließ seinen Blick auf mir ruhen. „Aber es fängt an zu regnen.“, stellte ich als Widerspruch auf. Ich wollte, dass er wieder ging! Ich hatte eindeutig einen riesigen Fehler gemacht...und wenn er jetzt so schnell wieder verschwand, wie er aufgetaucht war, konnte ich die leise Hoffnung hegen, dass ich es nicht noch schlimmer machen würde. Doch er bewegte sich nicht einen Millimeter. „Alles in Ordnung, wirklich. Ich hab ohnehin nichts mehr zu sagen.“ - Geredet hatte ich genug für heute. Zumindest mit ihm. „Wie du meinst.“, ergriff er erst nach einem weiteren Moment der Stille und zuckte mit den Schultern. Langsam begriff er wohl, dass ich ihn genau so ernsthaft wieder loswerden wollte, wie ich ihn am Anfang des Abends hatte hier haben wollen. Den silbernen Ständer seines Fahrrads weggeschoben, schenkte er mir einen letzten eindringlichen Blick, den ich zögernd erwiderte. Und als er mich so anschaute und ich über Jessys Worte nachdachte, handelte ich das erste mal für heute ohne zu zögern - Hatte mich doch bloß jemand aufgehalten... [Lasst mich an dieser Stelle eingreifen, um Suzies Stolz zu verteidigen...! Für gewöhnlich verhält sich Suzie Hatcher nicht so wieder an diesem Abend - ganz sicher nicht! Suzie würde niemals auf die Idee kommen, jemanden von sich aus zu küssen...wie es sich für ein braves Mädchen gehört, wartet sie stets den ersten Schritt des Jungen in diese Richtung ab...Doch wie wir alle wissen: Sag niemals nie - denn gerade hatte sie es doch getan...] Als ich meine Hand von seiner Wange zurückzog und einen Schritt nach hinten trat, damit er losfahren konnte, machte es jedoch kurz den Anschein, als wolle er doch nicht gehen. Überrumpelt sah er mich an, schüttelte dann jedoch grinsend leicht den Kopf und warf mir ein ermutigendes Lächeln zu, als ich ihm signalisierte sich nun endlich auf den Weg zu machen. „Bis dann. Pass auf dich auf.“, waren seine leisen Abschiedsworte, dann verschwand er auf dem bloß leicht beleuchteten Weg. Ich hatte mich dazu gezwungen sein Lächeln zu erwidern und nickte auf seine Worte kaum merklich. Und noch ehe er um die erste Kurve gebogen war und ich ihn nicht mehr sehen konnte, rutschte mir das Lächeln völlig aus dem Gesicht. Was zur Hölle hatte ich da bitte gerade getan?! Die kleinen Regentropfen fingen bereits an meine dünne Jacke zu durchweichen, als ich mich entschied Jessy zu suchen und den Abend zu beenden, doch nicht ich fand sie - sie fand mich. „Su, wie ist es gelaufen? Ich stand vorhin an der kleinen Brücke hinter dem Gebäude und konnte euch kurz sehen. Das hat wirklich eine halbe Ewigkeit gedauert!“ Ich winkte jedoch bloß ab und lief an ihr vorbei, zurück in das Gebäude aus dem laute Musik dröhnte und holte meine Tasche, um mich auf den Heimweg zu machen... Wie ich hier gelandet war? Deprimiert und gedemütigt? Okay, weil ihr es seid werde ich diesen Teil der Geschichte dort anfangen, wo ich es zu Beginn der Seite bereits hätte tun sollen... „Kein Alkohol Mädels, verstanden? Und ihr seid spätestens um 24 Uhr wieder Zuhause.“ Die Stimme meiner Mutter drang streng durch das Auto zu uns hinter, ich verzog auf ihre Worte jedoch bloß albern das Gesicht und brachte Jessy so zum Lachen. „Hey! Das ist mein voller Ernst!“, verschärfte sie ihre Worte und warf uns durch den Rückspiegel einen warnenden Blick zu. „Okay, Mum.“, beschwichtigte ich sie seufzend und öffnete als der Wagen hielt sogleich die Tür, um auszusteigen. Sie erwiderte meine Worte mit einem weiteren tiefen Seufzer, sagte aber nichts mehr und ließ uns somit ziehen. Grinsend lief ich um das Auto herum und begab mich mit Jessy den Weg entlang, der in eine kleine Halle führte wo heute verschiedene, unbekannte Bands des Umkreises auftraten und muntere Zuhörer sich einen netten Abend machen wollten. „Hast du mit James gesprochen?“, wollte Jessy wissen, als wir durch die Eingangstür den abgedunkelten Raum betraten. „Nein, ich hab dir doch gesagt, dass ich nicht will, dass er kommt.“ - Lüge. „Doch, tust du. Ich kenne dich, Suzie. Und ich kenne den Blick mit dem ihr euch schon die ganze Schulwoche in den Pausen anschaut. Zwischen euch beiden knistert es, das sieht selbst ein Blinder.“ - Wahrheit. „Selbst wenn...heute Abend will ich nichts von ihm hören. Lass uns einfach einen drauf machen, wir waren lange nicht mehr unbeschwert feiern.“ - Zwei Lügen auf einen Schlag. „Ruf ihn an. Sofort. Notfalls tue ich es! Er sucht ununterbrochen deine Nähe...und hättest du dich nicht so quer gestellt, hätte er dir das bereits alles selbst gesagt. Du hast ihn total entmutigt...jetzt wartet er, bis du auf ihn zugehst.“ - „...Ob ich es überhaupt tue...Nicht bis ich es tue.“, Jessy schenkte mir einen genervten Blick und öffnete gerade den Mund zum sprechen, als Oliver sie jedoch unterbrach. „Hey ihr beiden, heute auch hier? Cool!“ Erleichtert ließ ich mich von Oliver zur Begrüßung in den Arm nehmen und versuchte mit aller Mühe ein Gespräch mit ihm aufzubauen, damit er bloß nicht gleich wieder verschwand und Jessy keine Chance hatte, ihren Willen durchzusetzen...lange konnte ich nämlich nicht standhalten. Ich wusste, dass sie Recht hatte. Und um ehrlich zu sein, ging mir James ohnehin nicht mehr aus dem Kopf. „Ich muss hinter die Bühne. Immerhin treten Josh und ich heute auch auf.“, die Zeit verflog viel zu schnell und zu meinem Unglück hatten mein Smalltalk Oliver nicht vom Gehen abhalten können...und Jessy war obendrein aufgefallen, was ich vorhatte. Sich vor mir aufgebaut, stemmte sie streng die Hände in die Hüften. „Ruf ihn an und sprich mit ihm. Stehe dazu, dass du dich in James verliebt hast und gib ihm eine Chance! Er will doch selbst nichts anderes.“, ging ihr Vortrag weiter. Wer oder was konnte mich jetzt noch retten? Ich musste auf ein Wunder hoffen...welch ein Glück, kam dieses gerade die Tür hinein. „Schau mal, da ist dein Mr. Redhead.“ - lenkte ich gekonnt vom Thema ab und schon hatte Jessy den Faden verloren und sah sich neugierig um. „Nenn ihn nicht so, er heißt Patrick!“, ihre Stimme war leiser geworden, gar so als dachte sie er könne uns vielleicht hören, was mich sichtlich amüsierte. „Okay, ich mach es dir vor! Ich werde jetzt da rüber gehen und ihn ansprechen! Und wenn ich es geschafft habe meine Mut zusammen zu nehmen, tust du das gefälligst auch!“ Die Wette gefiel mir. Bis heute hatte sie sich nicht einmal getraut ihm den Stick zurück zu geben, da sie immer der Meinung war keinen angemessenen Zeitpunkt zu finden, um auf ihn zuzugehen. „Abgemacht.“, ging ich zufrieden grinsend darauf ein und zuckte lässig mit den Schultern. „Gut, dann mal los! Bringen wir es hinter uns!“ Für einen kurzen Moment hatte sie mich überzeugt und leicht ins Schwitzen gebracht...wie sie so vor mir stand, ihre Haare ein letztes mal richtete und tief Luft holte bevor sie los lief. Ich stand in sicherer Entfernung und wartete nervös darauf, dass sie doch umdrehte und kniff...damit würde sie mich zumindest retten. Und wofür waren beste Freundinnen da, wenn nicht unteranderem fürs Retten der besseren Hälfte? „Hey, Suzie!“, sprang mich plötzlich aus dem Nichts Julie, Jessicas kleine Schwester, an und nahm mich fröhlich in den Arm. „Wo ist Jess?“, wollte sie wissen und folgte mit dem Blick meinem Finger, der in ihre Richtung deutete. Noch immer schlich Jessy unauffällig in der Nähe von Patrick herum, doch als ihr auffiel, dass wir sie beobachteten, wollte sie wohl wirklich ernst machen. Sie ballte die Hände zu Fäusten und fixierte ihr Opfer wie eine Raubkatze auf der Jagd. Ihre Schritte beschleunigten sich und es schien so, als könne sie nichts von ihrem Ziel ablenken - doch mit dieser Annahme irrten wir. Als sich ein blondes Mädchen vor ihr an Patricks Seite schlich und ihn offenherzig ansprach, legte Jessy eine unelegante 180° Drehung hin und machte sich feige und entmutigt aus dem Staub. „Hoffnungsloser Fall.“, lachte Julie schadenfroh und schüttelte den Kopf. Ich für meinen teil vergaß das lachen und dankte der schlanken Blondine innerlich. „Ich geh zu ihr, viel spaß noch heute Abend, Kleines.“, kaum hatte ich Jessy ausfindig gemacht, traf mich ein völlig von Selbstzweifel überfallener Blick. „Diese blöde Kuh! Was fällt ihr ein...? Ich hätte es wirklich fast getan!“, jammerte sie betroffen. Nun ging es mir nicht mehr um unsere kleine Wette, jetzt tat sie mir lediglich Leid. Schweigend setzte ich mich zu ihr auf die Bank am Rand des Saals und streichelte ihr kurz aufbauend über den Oberarm. „Okay...ich mach den ersten Schritt.“ Wieso ich nun nachgab? Auf der einen Seite wusste ich, dass es Jessy Mut machen würde...und auf der anderen musste ich zugeben, dass mir danach war James zu sehen und mit ihm über meine möglichen Gefühle zu sprechen bevor eine andere ihn mir wegschnappte. Mein Handy aus der Hosentasche gezogen, suchte ich bereits nach seiner Nummer, während Jessy mich bloß überrascht ansah. „Wenn du mich fragst, solltest du dich auch etwas ins Zeug legen. Von nichts kommt nichts.“, und schon hatte ich die Nummer gefunden und klingelte mein Unglück seufzend an. Was ich ihm sagen wollte? Ich hatte nicht die geringste Ahnung. Während mich die Erkenntnis einholte, dass nicht nur Jessy mich hatte vor einer Blamage retten können, sondern auch James selbst indem er - wie gerade der Fall - nicht abhob, wanderte Jessys Blick nachdenklich durch den Raum. Mein Handy wieder in die Hosentasche geschoben, hob ich die Schultern an. „Scheint unterwegs zu sein.“, auf der einen Seite stellte es mich zufrieden...doch irgendwie...ärgerte ich mich auch darüber. Jetzt, wo ich wirklich diesen Schritt gewagt hätte, gab er mir nicht die Chance dazu - das Timing war wirklich erbärmlich. „Kerle sind das Letzte. Und jetzt? Ist der Abend schon gelaufen, bevor er angefangen hat?“ Ohne etwas zu antworten suchte ich nach einer möglichen Rettung...und wieder stach mir Patrick ins Auge. Er stand alleine an der Bühne und lauschte den ersten Klängen der ersten Band des Abends. „Geh zu ihm. Noch ist er alleine, und diesmal...beeil dich.“ Jessy auf die Beine gezogen, schubste ich sie sacht in seine Richtung...und siehe da, sie lief wirklich vor und diesmal erwischte sie ihn auch. Zufrieden grinsend beobachtete ich das Geschehen und spürte, wie sich Neid in mir aufbaute. Nicht, weil ich es ihr nicht gönnte...lediglich, weil ich mir jetzt - wo sich mir die Chance heute Abend nicht mehr zu bieten schien - nichts mehr wünschte, als Jessys Rat doch durchzuziehen und ehrlich mit James über uns zu sprechen... So wie es im Moment lief, konnte es immerhin auch nicht weiter gehen. Man merkte stets, dass etwas zwischen uns in der Luft lag und wir gingen ganz anders miteinander um, als ich es eigentlich gewohnt war...und obwohl es anders war, gefiel es mir. Ich wollte nicht, dass mir die Chance von meiner ersten glücklichen Beziehung davonlief. „Su?“, nahm ich Marrys Stimme wahr. Als ich mich schwungvoll umdrehte, sah ich direkt in ihr freundliches Gesicht und grüße sie herzlich. „Bist du nicht mit James hier? Ich dachte ihr seid in letzter Zeit nur noch zusammen aufzufinden.“ - es wäre doch zu schön gewesen, aber so war es wohl nicht. „Ach, Unsinn.“, gab ich leise lachend zurück und vernahm plötzlich das Klingeln meines Handys. Kennt ihr dieses Gefühl, wenn ihr etwas unbedingt durchziehen wollt und es nicht funktioniert...doch wenn sich euch auf einmal doch die Möglichkeit dazu bietet, würdet ihr am liebsten kneifen? Nein? Tja...zu schade, sonst wüsstet ihr wie ich mich fühlte, als ich James Namen auf dem Display meines Handys erkannte. „Ich...muss da ran.“, entschuldigte ich mich bei Marry und hob schweren Herzens ab. „Hallo?“ „Suzie? Hey. Du hattest mich angerufen...ich hab mein Handy nicht gehört, sorry. Was gibt‘s denn?“, wollte er fröhlich klingend wissen. Jetzt oder nie. Meine Augen zusammengekniffen und mir nervös durchs Haar gefahren, legte ich mir im Kopf passende Worte zusammen, die nur angestrengt meine Lippen verließen. „Ja, ich...wollte mit dir reden. Es ist wichtig...glaube ich.“ „Ähm...jetzt? Am Telefon?“, er hörte sich unsicher an. Doch meine Unsicherheit übertraf seine mit Leichtigkeit. Ich rannte in mein Verderben...in unser Verderben. „Jetzt wäre perfekt. Allerdings...ist es am Telefon etwas ungünstig.“ Verlangte ich gerade, dass er hier vorbei kam? Nein, das konnte ich wohl kaum. „Wo bist du? Soll ich vorbeikommen? Hier liegen schon alle im Bett...ich schnapp mir mein Fahrrad und fahre schnell zu dir rüber, wenn du möchtest.“ „Das...musst du nicht. Ich bin auch gar nicht Zuhause. Ich bin mit Jessy unterwegs. Auf der Feier, von der wir in der Schule geredet haben. Erinnerst du dich? In der Stadthalle.“ „Okay, schon verstanden. Ich komm kurz rüber.“ - „Nein, schon okay!“ Und schon hatte er leise lachend aufgelegt und ich starrte ungläubig auf den hell erleuchteten Bildschirm. Kam er wirklich vorbei? Und wenn ja, was sollte ich sagen? „Ich hab es gepackt! Puuuh! Und wir haben uns ganz nett unterhalten...ich bin zwar geflüchtet, als Schweigen eingebrochen ist, weil ich es nicht ertragen konnte aber...immerhin. Wenn das mal nicht mindestens ein klein wenig Eindruck gemacht hat.“ Jessy hatte sich von hinten an mich herangeschlichen und grinste mich nun stolz an. Von ihren Selbstzweifeln keine Spur mehr...welche Macht Männer doch haben konnten. Sie schief angegrinst versteckte ich mein Handy hinter meinem Rücken und stand verkrampft vor ihr, was ihr jedoch erst auf den zweiten Blick aufzufallen schien. „Alles okay? Hat James noch mal angerufen? Oder was hast du hinter dir in der Hand?“ „N-Nichts! Ich...also...eigentlich...Naja.“, stammelte ich kleinlaut vor mich her. „Su...komm schon. Raus mit der Sprache!“ „Wir haben nur kurz telefoniert. Aber er kommt nicht vorbei.“ „Was? Wieso nicht? Hast du ihn nicht darum gebeten?“ „Nein, wozu auch? Es ist spät und außerdem...“ „Gib mir dein Handy du feiges Huhn!“, unterbrach sie mich ungeniert und streckte ruckartig die Arme aus, um mir mein Handy zu entreissen. „Lass das!“, forderte ich und schlug abwehrend ihre Arme weg, dadurch bekam sie jedoch die Hand zu greifen in der sich mein Telefon befand. „Alleine scheinst du es ja nicht auf die Reihe zu bekommen!“ „Doch, ich hab es doch versucht, aber das kann ich nicht verlangen. Ich rede wann anders mit ihm!“ - „Von wegen! Jetzt hab ich dich endlich soweit, da musst du es auch jetzt tun...morgen streitest du wieder alles ab und ich kann mit meinen Reden von vorne anfangen!“, schimpfte sie verärgert. Und kaum hatte ich einen Moment nicht richtig aufgepasst, hatte sie mein Handy in ihren Griffen. „Ha!“ „Su?“, erneut ertönte Marrys Stimme hinter mir, ich signalisierte ihr jedoch, dass ich gerade nicht konnte. „...Was macht James draußen?“, bei diesen Worten hielten Jessy und ich jedoch plötzlich in unserer Rangelei inne und drehten unsere Köpfe gleichzeitig zu ihr hinter. „James ist hier?“, fragte ich sie erschrocken und merkte, wie sich die pure Panik in meiner Magengegend durch leichte Magenkrämpfe breit machte. „Guter Junge!“, stieß Jessy glücklich aus und warf mir mein Handy wieder zu. „Und jetzt raus mit dir, tu was du tun musst. Ich zähle auf dich. Und keine Panik...alles wird gut. Ich verspreche es dir, meine Liebe.“, sie nahm mich aufbauend in den Arm und schickte mich dann erneut raus in die Dunkelheit. Es dauerte einen Moment bis ich mir vor der Halle einen Überblick geschaffen hatte...überall standen Jugendliche. Sie tranken, kifften, lachten, brüllten... Und als ich gerade wieder reingehen wollte, weil ich dachte, dass Marry sich geirrt haben musste, traf mein Blick James‘. Mir auf die Unterlippe gebissen, sah ich ein, dass es kein Entkommen mehr gab und lief zu ihm hinüber. Ob ich auch nur eine Sekunde darüber nachgedacht hatte, was ich ihm sagen wollte? Nein, und genau das würde sich gleich bemerkbar machen. „Du hättest nicht kommen müssen...“, ergriff ich das Wort unsicher noch bevor ich vor ihm stand. James sah mich an und zuckte gleichgültig mit den Schultern: „Ich weiß.“ Meinen Blick gesenkt, suchte ich bereits jetzt nach Worten, die den Anfang machen sollten. Genau aus diesem Grund machte ich so etwas nicht...dazu hatte ich nicht die Eier in der Hose. Zwar war ich eine Frau und wunderbar im Reden, doch mit der Gefühlsduselei hatte ich es nicht so. Die Freiheit offen und ehrlich über meine Gefühle zu sprechen hatte ich als Kind eindeutig nicht mit Löffeln gefressen... „Es hat sich wichtig angehört...also? Was ist los, Su?“ „Also...ich...Ich bin nicht gut in so was. Und eigentlich hab ich auch nicht darüber nachgedacht, was genau ich dir sagen wollte. Das war...mehr eine spontan Aktion.“, verrannte ich mich in Worte, während er sich an sein Fahrrad lehnte und mich geduldig anblickte. „Zwischen uns hat sich einiges geändert...zumindest werde ich das Gefühl nicht los und...ich hab dich wirklich sehr gerne.“, nach diesem Satz hielt ich inne und holte tief Luft, mein Blick hing noch immer am Boden. „Und wer weiß...vielleicht könnte das mit uns...“, und wieder kam ich nicht gleich weiter. „Ja?“, hakte er nach einem Moment nach. Doch anstatt weiter zu sprechen, sah ich ihn an und verzog ratlos das Gesicht, was ihn auf eine seltsame Art und Weise zu unterhalten schien. Anstatt weiter nachzufragen, griff er meine Hand und zog mich in den Arm. „So kenn ich dich gar nicht. Sonst stellst du dich nicht so an.“ „Ja, mach dich noch lustig über mich. Streu richtig Salz in die Wunde, darauf steh ich.“ „Ich mache mich nicht lustig über dich. Ich versuche dir nur zu vermitteln, dass es keinen Grund gibt, dass du so um Worte rangst.“, seufzend vergrub ich mein Gesicht an seiner Brust und atmete ruhig bis ich mich etwas entspannt hatte. „Okay, also...was ich dir sagen wollte.“, fing ich erneut an und ließ von ihm ab. „Ich glaube, dass das mit uns mittlerweile mehr ist als bloß eine gute Freundschaft.“ Und obwohl es reine Worte waren, die ich da sprach fühlte es sich an, als würden sie bloß aus meinem Mund strömen, um mich innerlich zu verprügeln...James ließ mich nun nicht einmal mehr weiter sprechen, als ich erneut Luft holte. „Ich weiß nicht mehr genau, was das mit uns ist. Du bist einer der wichtigsten Menschen meines Lebens. Und ich könnte es nicht ertragen, ohne dich zu sein, Su. Aber...seit wir letzte Woche gesprochen haben, habe ich viel nachgedacht. Und vielleicht hast du Recht. Vielleicht bringt es nichts dir deine Freiheit zu rauben und ich sollte nach den Mädchen schauen, die direkt vor meiner Nase herumtanzen.“, ich zog angestrengt die Augenbrauen zusammen. Moment...hatte er mir gerade gesagt, dass mein letzter Plan aufgegangen war und ich ihm eine andere schön geschwätzt hatte? Das war nicht sein Ernst... „Das habe ich eigentlich gar nicht so gemeint...eigentlich meinte ich, dass...“ „Vielleicht sollten wir noch einmal in Ruhe reden, wenn wir beide sicher wissen, was wir wollen. Halbe Sachen sind nicht so mein Ding.“ „Ich glaube, dass ich dich will!“, nun wurde meine Stimme lauter. „Ja...ich glaube auch, dass ich dich will. Aber glauben ist nicht wissen. Und wer weiß, vielleicht liegt es mir auch besser mein Singleleben zu genießen.“ Seine Worte ließen mich fast aus den Schuhen kippen, ich hatte nichts, was ich darauf sagen konnte, also schwieg ich und verschränkte bloß nachdenklich die Arme. [Und damit wären wir wieder am Anfang des Kapitels angelangt...jetzt habt ihr alle Hintergrundinformationen des Abends und miterlebt, wie ich meinen ersten Korb ausgeteilt bekommen hatte. Es war nicht so, dass ich sauer auf ihn war. Oder ihn nicht verstand. Nein, ganz im Gegenteil - Ich verstand ihn sehr gut. Und eigentlich war ich auch bloß sauer auf mich...und meine Feigheit. Hätte ich bloß vor einer Woche nicht gekniffen! Aber das hatte ich...und dadurch hatte ich meine James-Freikarte in eine Menge von wildfremden Mädchen geworfen, die sich nun darum schlagen durften. Wieso ich mich doch dazu durchrang ihm zum Abschied einen Kuss aufzudrücken? In Filmen half das doch immer, oder? Hätte man mich mal lieber ein weiteres mal daran erinnert, dass das Leben kein Film war, denn da stand ich nun, als James wieder gefahren war. Alleine im Regen - perfekt.] „Su...du hast ihn geküsst, stimmt‘s? Ich wollte nicht schauen...aber ich war so neugierig. kaum zu glauben, dass du wirklich immer bekommst, was du willst. Bei jedem Kerl davor war es auch so. Ich muss mir echt Nachhilfe von dir holen, Su. Du bist mein großes Vorbil-!“ - „Er will keine Beziehung. Ich habe verloren, nicht gewonnen.“, unterbrach ich ihr aufgeregtes Gerede trocken und wich ihrem Blick aus. „W-Was?“, flüsterte sie leise und schraubte ihre Aufregung zurück. „Nein, das ist unmöglich...die Zeichen waren so eindeutig.“ „Anscheinend ja nicht.“, entgegnete ich ihr nun fast schon giftig. Merkte sie nicht, dass ich nicht darüber reden wollte? Dass ich schlechte Laune hatte? Dass der Abend der wohl schlimmste für mich seit langem war? „Ich hasse Männer.“ Und noch bevor Jessy passende Worte fand, klingelte mein Handy erneut - Percy. „Was gibt‘s?“, hob ich missmutig ab und machte mir keine Mühe, freundlich zu klingen. „Süße! Guten Abend!“, hallte mir seine Stimme angeheitert und laut entgegen. „Hast du niemand anderes gefunden, den du besoffen anrufen kannst?“ „Wir sind auf dem Weg zu euch. Jessy hat mir vor ein paar Tagen gesagt, dass ihr heute feiern geht. Und wir haben ein bisschen vorgeglüht und wollen nun mit euch die Nacht zum Tag machen, also kommt raus. Wir sind gleich da.“ - Und schon hatte er wieder aufgelegt. „Wer war das?“, wollte Jessy gleich wissen und traf meinen nachdenklichen Blick. Eigentlich war ich alles andere als in Feierstimmung... doch irgendwie klang das besser, als nach Hause zu fahren und zu schmollen. „Percy, wir sollen rauskommen. Er wartet mit irgendjemand anderes auf uns.“ „Percy? Ich dachte, du willst nichts trinken heute Abend...“ „Da hatte man mich auch noch nicht überraschenderweise abserviert.“ Von Stunde zu Stunde wurde das Getummel vor der Halle größer. Jessy und ich hatten uns auf überdachte Fahrradständer gesetzt und unsere dünnen Jacken enger gezogen. Mittlerweile hatte es heftiger begonnen zu regnen und von den Jungs war noch keine Spur...„Vielleicht haben sie sich betrunken verlaufen.“, überlegte Jessy laut und warf einen Blick auf die Uhr. „In einer Stunde werden wir abgeholt und müssen wieder Heim. Das lohnt sich sowieso nicht.“ Mein Kleid zurecht gezogen und die Leggins betrachtet, die ich trug, entfuhr mir ein leises Seufzen. „Mädels!“, rief man uns überraschenderweise übermütig entgegen. Sie hatten sich also doch nicht verlaufen. Percy schwankte munter auf uns zu, gefolgt von einem mir unbekannten brünetten Kerl, der noch um einiges sicherer auf den Beinen zu stehen schien. „Das ist Tobi.“, klärte mich Jessy kurzer Hand auf, da sie Percy öfter sah als ich und seine Freunde dementsprechend besser kannte. Kaum standen die beiden vor uns ließ Percy sich feierlich empfangen und stellte seinen Rucksack vor uns auf dem Boden ab. „Okay, also...damit ihr Bescheid wisst - Der Inhalt ist heilig!“ Lachend beobachtete ich Percy beim sprechen und schüttelte den Kopf über ihn. Tobi stellte sich mir zurückhalten vor und vergrub seine Hände in den Jackentaschen. Er schien um einiges ruhiger und schüchterner zu sein als Percy, vielleicht brauchte er aber auch bloß einen Moment um aufzutauen. „Und was hast du uns mitgebracht?“ - „Ne Menge...wir haben Bier,Met und natürlich darf euer bester Freund,der Wodka, nicht fehlen. Entweder ihr trinkt ihn pur, oder ihr missbraucht zum Mischen unsere Cola. “, Percy zog eine Flasche nach der anderen aus dem Rucksack und stellte sie behutsam vor uns auf den Boden. „Ich bleibe unserem Wodka treu.“, legte Jessy fest und beäugte die Flaschen skeptisch. Nickend öffnete Percy die Flasche und reichte sie Jessy, die einen Schluck nahm und das verführerische Gift dann weitergehen ließ. „Ein Wunder, dass dir nicht kalt ist.“, richtete Tobi die ersten Worte an mich und begutachtete mein schwarzes Stoffkleidchen,welches mir bis zur Mitte meines Oberschenkels reichte. „Leggins halten warm.“, gab ich lächelnd zurück. Leider hatte er jedoch recht...es war durchaus frisch. „Du frierst immer. Selbst im Sommer - hier.“ Percy hatte im null komma nichts seine Lederjacke ausgezogen und legte sie mir um die Schultern. Sie lag schwer auf mir und war so lang wie mein Kleid. Ohne mich zu wehren grinste ich ihn an und schlüpfte mit den Armen bereitwillig in die viel zu langen Ärmel. Mich wieder gesetzt, ging der typische Smalltalk los, während wir uns immer wieder an dem vorhandenen Alkohol bedienten. Die Zeit verflog wie am Schnürchen und sogar meine Gedanken ließen mich langsam los. Doch hatte Alkohol eine ganz einfache Wikung auf mich...bereits nach den ersten Tropfen fing ich an zu reden wie ein Wasserfall. Und so kam mein Problemchen schnell wieder auf den Tisch und auch Jessy erfuhr endlich die ganze Geschichte. „Er ist ein Arsch, vergiss ihn.“, mischte sich Tobi ein, Percy stimmte ihm zu. „Nein, Unsinn! Du hättest nun mal nicht sagen sollen, dass du bloß glaubst ihn zu wollen. Lerne Klartext zu sprechen, Mäuschen!“, mischte Jessy mit. Die Augen verdreht, ließ ich meinen Kopf kurz angestrengt auf die Schulter von Tobi fallen, der neben mir saß. „Das hilft bei so Kerlen eh nicht. Such dir jemand anderes.“, widersprach Tobi ihr. Meinen Kopf wieder angehoben, nahm ich noch einen Schluck aus der Wodkaflasche und lauschte ihrer Diskussion. „Du kennst ihn doch garnicht Tobi, er ist kein schlechter Mensch!“ „Mir langt, was ich gehört habe. Was sollte das?“ „Du übertreibst...er war sicher auch bloß unschlüssig.“, Jessy drehte den Kopf patzig von Tobi weg und sah mich streng an. „Noch ist nichts verloren!“ - doch ich hörte sie garnicht. Ich machte mir meine eigenen Gedanken...aufgeben? Das war nichts für mich. Ich würde ihn schon noch bekommen! Irgendwie...Irgendwann... „Suzie-Schatzchen!“, mischte sich plötzlich lautstark Percy ein und zog mich zu sich auf die Beine. Grinsend kam er meinem Gesicht mit seinem Näher und legte mir den Arm um die Schulter. „Merkst du nicht, was Tobi versucht? Er bietet sich dir an. Nimm doch ihn.“ Und noch bevor ich etwas sagen konnte, hatte er mich zu ihm geschubst, sodass ich ihm geradewegs in die Arme fiel. „Percy! Lass den Unfug!“, schimpfte ich ihn und rutschte wieder von Tobi weg. „Genau, das ist Schwachsinn!“, stärkte mich Jessys Stimme, doch unser Schauspiel wurde von einem lauten Hupen unterbrochen. „Huh?“,unsere Köpfe drehten sich gleichzeitig auf die Seite. Jessys Stiefvater war bereits hier und wartete darauf uns einzusammeln und Taxi spielen zu können. „Oh, Mist! Hoffentlich steht er noch nicht lange da...komm Su.“, Jessy war schnell aufgesprungen und vorgelaufen, mich hielt Percy jedoch fest. „Bleib doch noch ein bisschen. Wir bringen dich später Heim.“ „Achja? Und wie? Laufen können wir nicht, zu mir ist es zu weit. Und zum Fahren bist du nicht mehr fähig.“ - „Wir legen etwas Geld zusammen und fahren mit nem Taxi.“ „Su, kommst du?“, rief mir Jessy zu und winkte mich zum Auto hinüber. Zögernd biss ich mir auf die Unterlippe und sah die beiden Jungs abwechselnd an. „Würde uns freuen.“, Tobi sprach leise und lächelte mich schief an. Mir kurz das Haar über die Schultern geworfen, sah ich zu Jessy und hob die Schultern an. „Die Jungs nehmen mich mit heim. Frag doch, ob du auch noch etwas bleiben darfst. Dann nimmt er halt jetzt nur deine Schwester mit.“ - doch Jessy durfte nicht und so blieben wir zu dritt zurück, was bedeutete, dass eindeutig zu viel Alkohol vorhanden war. Zu unserem Unglück...nach ein paar weiteren Schlücken, einer Menge Gesprächsstoff und unauffälligen Annährungen, fand ich mich irgendwann im Arm von Tobi wieder. Mittlerweile befand sich kaum noch jemand vor oder in der Halle und auch ich begann müde zu werden. „Jungs? Lasst uns gehen.“, dass ich um 12 bereits hätte Zuhause sein sollen und nun viel zu spät ankommen würde, war mir egal...auf ein bisschen mehr Ärger an diesem Abend kam es auch nicht mehr an. Wir bestellten uns also ein Taxi, quetschten uns zusammen auf die Rückbank und unterhielten uns bestens mit dem Fahrer. Ich wurde zuerst bei mir abgesetzt und verabschiedete mich dankbar bei den beiden Jungs, die sich alle Mühe gegeben hatten, meine Laune zu heben. „Und denk dran, Su. Du bist ein Mensch, der das Glück hat immer zu bekommen, was er will. Lass dich also bloß nicht unterkriegen.“, Percy tätschelte mir grinsend den Kopf, dann ließ man mich gehen. Mir alle Mühe gegeben leise zu sein, schlich ich durchs Treppenhaus hinauf in unsere Wohnung. Nicht einmal meine Schuhe ausgezogen, schloss ich die Haustür auf. Ohne das Licht anzuschalten tapste ich durch unser Esszimmer, um in den Flur und dann in mein Zimmer zu gelangen. Von dem Esszimmer aus konnte man in unser Wohnzimmer blicken, wo sich meine Mutter auf der Couch eingenistet hatte und schlief. Immer diese Aufpasser...seufzend pustete ich mir eine Haarsträhne aus dem Gesicht und wollte weiter gehen. Zu meinem Unglück stolperte ich über meine eigenen Füße und konnte mich nur schwer vor einem Sturz bewahren...und um alles noch schlimmer zu machen, weckte ich meine Mutter durch meine Ungeschicktheit auf und durfte mir einen langen Vortrag über die Gefahren der Nacht anhören. „Das war es mit dem Weggehen für dich!“, waren ihre letzten Worte und ich flüchtete endgültig in mein Zimmer...Hausarrest. Wenn ich Glück hatte, musste ich auch nicht in die Schule. James wollte ich ohnehin nicht sehen... Kapitel 7: I don't know about you! ---------------------------------- → Suzie Hatcher Wie ihr euch sicher denken könnt, musste ich in die Schule. Hausarrest war wirklich eine dämliche Erfindung... von wegen Zuhause bleiben. Als am Montagmorgen mein Wecker klingelte und mich unsanft aus dem Schlaf riss, vergrub ich meinen Kopf im Kopfkissen und wäre am liebsten liegen geblieben. Nicht nur, weil ich ein absoluter Morgenmuffel war und lieber ausschlafen würde - wie der Rest der Schüler dieser Welt wohl auch -, nein, auch weil ich James nicht unter die Augen treten konnte...alleine bei dem Gedanken daran bekam ich Bauchschmerzen. „Hey, bist du schon wach? Du musst aufstehen, los.“, unterbrach meine Mutter die grausamen Gedanken und zwang mich dazu die warme Decke wegzuschieben und mich unter die Dusche zu schleppen. Wir fuhren mit dem Wagen vor und als ich die Autotür missmutig aufschob, fuhr mir frostiger Wind durchs offene Haar. Das Wetter passte zu meiner Stimmungslage. Wortlos warf ich die Tür hinter mir wieder zu und seufzte tief bevor ich mich auf das Schulgebäude zubewegte. Ich hatte mir fest vorgenommen James heute einfach strickt aus dem Weg zu gehen. Was blieb mir auch anderes übrig? Hier konnte ich wohl kaum mit ihm über den Vorfall am Wochenende sprechen, wann hatte man in der Schule schonmal seine Ruhe? Und so tun als wäre nichts gewesen, das würde ich nicht schaffen. Mal ganz davon abgesehen, dass ich nicht wollte, dass es so lief - Große Taten ließ man nicht einfach untergehen...und ihr könnt euch gar nicht vorstellen, wie groß diese Tat für mich gewesen war... „Suzie!“, rief mich plötzlich eine Stimme und ließ mich zusammenzucken. „Oh, hab ich dich erschreckt? Entschuldige.“, ich hatte nicht bemerkt, wie Tia hinter mir hinterhergehechtet war. Schwer atmend stand sie vor mir und zog ihre Tasche zurecht. „Du siehst bedrückt aus, alles okay?“, fragte sie, als sie wieder genügend Luft hatte und wir zusammen weiter liefen. Sah man mir das wirklich an? Nervös fing ich an mit den Händen herumzuwedeln und wollte ihre Frage kurz und knapp abhandeln: „Nein, nein. Alles bestens, wirklich. Mir geht‘s prima!“ Verwundert verzog sie die Augenbrauen und griff während ich sprach nach meinen Armen, um diese fest zu halten und meine Hände zur Ruhe zu bringen. Lachend traf sie meinen Blick und ließ mich erst wieder los, als wir den Haupteingang erreicht hatten. „Wirklich schade, dass du mir nicht die Wahrheit sagst... dabei bin ich doch so furchtbar neugierig.“, welche Frau war das nicht? Und als ich so in ihr aufrichtiges Gesicht sah, prasselten die Worte aus mir heraus. [Eigentlich hatte ich nicht über meinen Untergang sprechen wollen, wirklich nicht. Doch hatte ich es auch nicht einhalten können...es kam einfach hoch...wie...wie...Wortkotze! Ist euch so etwas noch nie passiert?] „Du hast James geküsst?“, fragte sie auf dem Flur ungläubig und riss die Augen erstaunt auf. Erschrocken hielt ich ihr die Hand vor den Mund und legte meinen Zeigefinger an meine Lippen, um ihr zu signalisieren leiser zu sein. „O,‘tschuldige. Wie geht‘s weiter?“ „Wie soll was weiter gehen? Dann ist er nach Hause gefahren. Wir haben uns nicht mehr gesprochen.“, ich zuckte mit den Schultern und ließ meinen Blick über den Gang schweifen. Er war nicht zu sehen, gut für mich. „Wieso nicht? Du musst noch mal mit ihm reden! Das ist wichtig! Immerhin bist du in ihn verliebt...sag ihm einfach, dass er sich entscheiden soll, weil du dir jetzt sicher über deine Gefühle bist.“, als Tia das so aussprach klang alles ganz einfach. Doch mir kam es vor, als würde ich als Matheloser den schwierigsten Mathetest der Welt mit einer glatten Eins abschließen müssen - das war unmöglich. Ich hatte bereits bewiesen, wie schwer es mir fiel über Gefühle zu sprechen, insbesondere über meine eigenen, es war also unmöglich das erneut zu versuchen...außerdem fiel es mir generell noch immer unheimlich schwer einzusehen, dass ich mir wirklich mehr als eine reine Freundschaft von ihm wünschte. „Da vorne ist er, geh schon hin!“, Tia griff aufgeregt meinen Arm und schob mich den Flur entlang in seine Richtung. Meine Reaktion hatte mal wieder geschlafen, sodass ich mich erst wehrte als sich James‘ und mein Blick trafen. „Nein, lass mich los!“, fuhr ich sie an und machte hektisch Kehrt, um in unseren Klassenraum zu flüchten, doch bei diesem ungeschickten Fluchtversuch rannte ich Ted um, der mich skeptisch beäugte. „Kein Grund rot zu werden.“, neckte er mich frech und ließ mich dann einfach stehen. „Hey!“, die Hände zu Fäusten geballt, folgte ich ihm in die Klasse. „Das liegt sicher nicht an dir!“, noch immer fauchte ich wie eine beleidigte Katze durch die Gegend und brachte so manch einen damit zum lachen - unbeabsichtigt. „Suzie? Alles okay?“, wollte nun Matt sichtlich belustig wissen. „Alles bestens.“, nun bekam auch er es ab, doch hob Matt lediglich grinsend die Hände und wollte so seine Unschuld signalisieren ohne mich ernst zu nehmen. Seufzend ließ ich mich neben ihn auf meinen Platz sinken. Nach und nach füllte sich die Klasse und schließlich traf auch unsere Klassenlehrerin pünktlich ein. Ihr Gesicht war von einem breiten Grinsen geziert, was nichts Gutes verhieß. „Ich habe eine ganz wundervolle Idee, wie ich euch besser zueinander finden lasse...“, verkündete sie stolz und zog einen Stapel Karten aus ihrer Tasche. „Die ersten Wochen sind um und noch immer habe ich das Gefühl, dass sich überall Gruppen bilden, die ohne Hilfe nicht zusammen finden. Ich möchte, dass ihr euch kennenlernt und miteinander beschäftigt. Damit das passiert, losen wir eine neue Sitzordnung.“ Ihre nett gemeinte Idee traf bei uns eindeutig nicht auf fruchtigen Boden. Es folgte lautes, missmutiges Seufzen und Widersprüche aller Art. Auch ich wollte nicht weg hier...wir saßen doch alle perfekt. Außerdem würden wir nächstes Jahr sowieso in Kurse eingeteilt werden, wieso also in einem Jahr großartig kennenlernen? „Keine Widersprüche, steht alle auf und los geht‘s!“ Nach und nach wurden Karten gezogen und so die Reihenfolge der Schüler an den Tischen festgelegt. Das positive an meinem Sitzplatz war, dass ich nicht in der ersten Reihe Platz nehmen musste, eigentlich hatte ich sogar einen netten Platz in der Mitte gefunden. Der Nachteil? Ich durfte neben Ted sitzen...bisher war ich einfach nicht warm mit ihm geworden und alles was er tat, war mich aufziehen...auf eine gemeine, schadenfrohe Weise. Doch half jeglicher Protest mir nicht weiter, also setzte ich mich neben ihn und warf meine Tasche unter meinen Tisch. „Wir werden jetzt wohl eine menge Spaß zusammen haben.“, fing Ted schon wieder an, ich warf ihm jedoch bloß einen wütenden Blick zu. „Wage es nicht, mir auf die nerven zu gehen.“, doch auf meine ernsten Worte lachte er bloß laut. Das Gesicht verzogen, wand ich den Blick ab und traf Matts. Matt hatte eigentlich einen viel schlimmeren Platz gefunden...direkt vor dem Lehrerpult, zwischen zwei Mädchen, die aufgeregt und kindisch herumalberten und ihn einfach völlig ignorierten. Ihm aufmunternd zugelächelt, drehte er sich wieder um, als unsere Lehrerin ihr Werk stolz betrachtete. Und um meine Freude noch weiter anzuheben und den Tag noch schlimmer zu gestalten, durfte ich nun eine Doppelstunde Mathe ertragen. Bei der wohl schlimmsten Frau der Welt, die alles berücksichtigte...bloß keine Mädchen mit einer akuten Mathephobie. Oh, ich hatte nicht erwähnt, dass ich darüber hinaus nun auch neben dem mit Abstand Besten in Mathe saß, oder? Und natürlich genoss Ted sein Können neben mir bloß noch mehr...was er mir die nächsten 90 Minuten immer wieder unter die Nase rieb. „Was tust du da?“, fragte Ted skeptisch und folgte meinem Blick um die Ecke auf den Flur. Die anderen liefen bereits an uns vorbei aus der Klasse, ich war jedoch an der Tür stehen geblieben und wollte prüfen, ob die Luft rein war. „Das geht dich nichts an!“ „Na komm schon, raus damit. Vor wem versteckst du dich?“, Ted ließ nicht locker und lehnte sich neben mir an den Türrahmen. „...Verzieh dich endlich.“ - Was war los bei diesem Jungen? Hatte er keine anderen Hobbies, als mir auf die Nerven zu gehen, wenn sich die Chance bot? „Vor James?“ - Volltreffer. Verblüfft sah ich ihn an. Zum ersten Mal fiel mir keine trotzige oder gar schlagfertige Antwort ein, die ich ihm an den Kopf werfen konnte...was ihn auf eine neue Art und Weise triumphierend grinsen lies. „Das ist dann wohl ein Ja.“ Ich drehte den Kopf beleidigt weg und ließ meine Haare in mein Gesicht fallen. „Was findest du nur an dem Kerl...und wieso gehst du ihm aus dem Weg? Das ist feige. Und wenn du mir eins glauben kannst, vor ihm musst du dir durch nichts schlecht vorkommen.“, Ted verschränkte die Arme und sah nachdenklich den Flur entlang. Hatte er gerade wirklich mit mir geredet ohne einen Witz über mich zu reißen? „Was meinst du?“, hakte ich vorsichtig nach und musterte seine Gesichtszüge irritiert. „Er ist ein Vollidiot...jeder ist besser als er.“, als er ausgesprochen hatte, grinste er wieder wie gewohnt und tätschelte mir lachend den Kopf, wobei er meine Haare absichtlich verwuschelte. „Sogar du, Kleines.“ - und da war der schlechte Witz, den ich vermisst habe. „Du bist ein viel größerer Idiot!“, giftete ich und schlug seine Hände wie ein kleines Kind weg. „Suzie? Kommst du endlich?“, ich hatte übersehen, dass Matt bereits auf mich wartete und nickte ihm eifrig zu. Ted stehen gelassen und ihm keinen weiteren Blick geschenkt, lief ich zu Matt hinüber und begab mich mit ihm runter in die überfüllte Pausenhalle. Matt steuerte gezielt auf das Grüppchen zu, in dem wir sonst auch immer zusammen standen. Er kannte Jamie und Jessy immerhin auch schon eine ganze Weile und verstand sich gut mit ihnen. Und gegen die anderen, die vereinzelt bei uns herumstanden, hatte er auch nichts...typisch Matt, er kam so gut wie mit jedem aus. „Ähm...Matt.“, wollte ich ihn davon jedoch hektisch abhalten und griff nach seinem Ärmel. Verwundert blieb er stehen und drehte sich zu mir um: „Was?“ „Wollen...wir nicht...raus gehen? Es ist so furchtbar stickig hier.“, schlug ich nervös vor und sah, wie Matts Blick immer fraglicher wurde, als er durch die große Glastür hinaus sah. „Dir ist klar, dass es regnet Su?“, jetzt schaute auch ich hinaus - verdammt! „...Ja, und?...Stell dich nicht so an! Bist du eine Maus oder ein Mann?“ „Ich wollte bloß Rücksicht auf deine Frisur nehmen...sonst verfluchst du Regen doch immer.“, doch ließ Matt sich überreden und machte sich mit mir auf den Weg nach draußen. Und obwohl die Idee so gut gewesen war und alles zu klappen schien, kam ich nicht davon...Ted spielte erneut Nervensäge und drängelte sich zwischen Matt und mich, um mich festzuhalten. „Was willst du denn schon wieder?“, wollte ich genervt von ihm wissen, er reagierte jedoch nicht auf mich. Stattdessen sah er an mir vorbei und winkte irgendjemandem zu. „Hier ist sie doch!“, folgte sein Rufen, erst dann sah er zu mir runter. „Du kannst nicht entkommen. James hat nach dir gefragt. Und jetzt komm schön brav mit, dann wird das hier nicht noch peinlicher für dich.“ Hilflos sah ich zu Matt und hoffte darauf, dass er eingreifen würde...doch er tat nichts. Also musste ich mich von Ted mitschleppen lassen. Bei den anderen blieben wir stehen, als er mich los ließ, verpasste er mir einen Stoß, sodass ich James entgegen stolperte. „Sei dankbar.“, richtete Ted trockene Worte an James und während dieser mich in den Arm nahm, lachte er bloß über Ted: „Dir? Als ob.“ Dieses winzige Wortgefecht irritierte mich beinahe noch mehr als James‘ momentane Nähe. Nichts ahnend sah ich die beiden abwechselnd an, dann fanden meine Augen Jessys, doch diese schien genau so ratlos. „Wo warst du so lange?“, sprach James nun wieder in gewohnter Tonlage und drückte mich leicht an sich. Den Mund zu einer überforderten Antwort verzogen, fiel mir keine bessere Lüge ein: „Matt wollte kurz an die frische Luft, ihm geht‘s nicht so gut.“ Matt hatte gerade in sein Frühstücksbrot gebissen, als sich die Blicke auf ihn richteten. „Ähm...sicher. Jetzt ist aber schon wieder alles okay, danke Su.“, auf die letzten beiden Worte setzte er eine gewisse, strenge Betonung - dennoch spielte er mit. „Und was steht so dieses Wochenende an?“, ließ James zu meinem Vorteil das Thema fallen und sah in die Runde, jedoch hatte keiner eine spontane Idee - und genau jetzt kam Casey wieder ins Spiel: „Ich hätte eine Idee!“, mischte er sich mit lauter Stimme ein und kam nicht auf die Idee Abstand von Jessy zu nehmen, sondern stellte sich dicht neben sie. „Am Wochenende eröffnet ein Jahrmarkt am Rand der Stadt.“, und obwohl Jessy ihm eben noch unsanft den Ellenbogen in die Seite gedrückt hatte, um ihn weiter von sich weg zu schieben, sah man nun in ihren Augen, wie gut dieser Vorschlag bei ihr ankam. „Abgemacht.“, sprang auch James darauf an und sah dann zu mir runter: „Oder?“ Ich zuckte zögernd mit den Schultern, doch Jessys Blick drohte mir förmlich, sodass ich mit einem okay antwortete, um auch dieses Thema nicht weiter zu diskutieren. Nach der Schule traf ich Jessy vor dem Vertretungsplan, als ich mich gerade auf den Heimweg machen wollte. Der Rest der Pause war ruhig verlaufen...man hatte sich locker unterhalten und niemand war auf James Arm um meiner Hüfte eingegangen. Würde ich euch jetzt erzählen, dass es mich gestört hätte, würde ich lügen...natürlich mochte ich seine Nähe. Doch hatte mich sein Verhalten auch umso mehr verwirrt. „Su!“, rief mich Jessy und stand dann auch schon neben mir, um sich mit mir auf den Weg zu machen. „Sag mal, bist du sicher, dass du James da letztens richtig verstanden hast?“, wollte sie grinsend wissen. Natürlich war ihr aufgefallen, dass er alles andere als unsicheren Abstand nahm. „Ganz sicher.“, antwortete ich nickend. „Und was war das in den Pausen dann bitte? Das sah mir nicht nach einem Korb aus.“ „Keine Ahnung...und eigentlich will ich mir auch den Kopf nicht weiter drüber zerbrechen.“ „Ich hab ja gesagt, du musst es noch einmal probieren!“, und wieder fing das an. Die Augen verdreht, machte ich mir gar nicht erst die Mühe zu widersprechen. „Ich muss hier lang. Wir sehen uns morgen.“, doch noch bevor ich weiter gehen konnte, rief sie mich erneut zurück. „Du kommst doch am Wochenende mit, ja?“ Auf ihre Frage musste ich lachen, dann folgte meine einfache Antwort: „Nein, keine Lust.“ Und das war mein voller Ernst. → Lass uns nun einen Blick in Jessys Kopf werfen. Im ersten Moment hatte ich vor gehabt ihr hinterher zu rufen, sie umzustimmen. Wieso kniff sie? Es lief doch bestens..! Okay, zugegeben...James hatte sich vielleicht etwas widersprüchlich ausgedrückt. Aber vielleicht hatte er sich das restliche Wochenende über wirklich Gedanken gemacht und war zu dem Entschluss gekommen, dass Suzie doch perfekt für ihn war. „Dir wasche ich schon noch den Kopf...“, murrte ich jedoch bloß leise und wand mich seufzend zum gehen um. Kaum hatte ich meinen Blick auf den Weg gerichtet, ließ mich das, was ich sah innerlich durchdrehen. Meine Schritte verlangsamten sich automatisch und ich merkte, wie mein Körper aufgeregt verkrampfte. Ganz ruhig... „Oh, hey.“, sprach Patrick mich an, als er bloß noch wenige Meter von mir entfernt war. Nun blieb ich ganz stehen und gab mir alle Mühe ihm mein süßestes Lächeln zu schenken. „Hi!“, meine Stimme überschlug sich vor Aufregung wieder halb und da ich nicht wusste, was ich mit meinen Händen machen sollte, schob ich diese einfach in die Hosentaschen meiner Jeans, wo ich einen kleinen Gegenstand ertastete. „Ahh, da fällt mir was ein!“, entfuhr es mir und schon hatte ich seinen Stick aus meiner Hosentasche gezogen. „Hier, den dürftest du vermissen. Die Musik ist wirklich gut, danke.“ Lächelnd nahm er das kleine Ding entgegen und nickte mir lässig zu. „Das freut mich, wusste ich doch, ich hab ein bisschen was auf dem Pc, das dir gefallen könnte.“ Mit strahlenden Augen nickte ich zufrieden. Hatte ich jemals einen Jungen getroffen, der so perfekt schien? An ihm stimmte einfach alles...sein wirres und doch stets gepflegtes Haar. Dieser Duft. Seine angenehme Stimme. Und von seinem wundervollen, schiefen Lächeln wollen wir gar nicht erst anfangen... „Jessy!“ - Und nun stelle ich euch erneut das genau Gegenteil von Patricks Perfektion vor: Casey - Da war wirklich jemand scharf aufs Sterben. „Du musst zum Bahnhof, oder? Ich begleite dich, komm.“ „Lass mich in Ruhe, ich unterhalte mich gerade.“, wollte ich ihn absägen, doch wie wir Casey alle kannten...das half nicht im Geringsten. „Aber so verpasst du noch deine Bahn und musst ne halbe Stunde umsonst warten!“ Ich gab mir alle Mühe gelassen zu wirken und nicht schon wieder die Fassung durch Casey zu verlieren, doch machte er es mir sehr schwer. „Ist schon okay.“, schaltete sich Patrick plötzlich ein und hob die Schultern leicht an. „Mach dich lieber auf den Weg, ich muss auch weiter. Man sieht sich. Viel Spaß noch.“ Und schon war er an mir vorbei gegangen und mir blieb nichts anderes übrig, als ihm wehmütig nachzusehen. „Du bist der Teufel!“, fauchte ich Casey an, als Patrick weit genug entfernt war. „Ich wollte dir nur den Gefallen tun und dich begleiten...“ Er wollte mir einen Gefallen tun? Wieso ließ er sich dann nicht einfach lebendig begraben?! „Gefallen? Damit tust du mir keinen Gefallen!“ Und schon schritt ich zielstrebig voran - in der Hoffnung ihn abzuhängen, vergeblich. „Geh endlich weg!“, versuchte ich es erneut, als mir auffiel, dass er mir wieder wie ein kleines verlorenes Hündchen nachlief. „Das hier ist ein freies Land, ich kann tun und lassen was ich will!“, fing er jetzt sogar an noch kindischer zu werden? Himmel... Also gut. Das hier war ein freies Land? Dann musste ich ja auch nicht mit ihm reden. Suzie war die Königin des Ignorierens, jetzt konnte ich testen, ob ich über die Jahre von ihr gelernt hatte. Und nur nach wenigen Minuten sprang er darauf an. „Hör auf mich zu ignorieren, was hab ich dir getan, Jessy?!“ Ich konnte den Mund einfach nicht halten... „1. Du erzählst ich wäre deine Freundin, hallo? Erde an Casey, soweit kommt es niemals! 2. Ich weiß, was du versuchst...du willst mir bei Patrick dazwischen funken - vergiss es! Ich habe gelernt dich zu hassen! Und daran bist du alleine Schuld!“ „Du hasst mich nicht! Sonst wärst du nicht hier bei mir!“ „Willst du mich auf den Arm nehmen?! Du bist mir nachgerannt, nicht andersrum!“ Als wir am Bahnhof ankamen, nahm ich eine Stufe nach der anderen und kochte dank ihm innerlich wieder. Und noch immer hatte er nicht genug und wagte es mir sogar bis an mein Gleis zu folgen. „Ich weiß, dass du mich liebst!“, rief er mir nach, und bereits die ersten Leute drehten sich nach uns um... „Das langt...“, sprach ich leise und holte Luft. Meine Bahn war bereits zu sehen - perfektes Timing also. „Als ob ich jemanden wie dich lieben würde! Du bist unerträglich! Sieh endlich ein, dass das mit uns niemals etwas wird! Und jetzt verschwinde, bevor ich dich hier und jetzt eigenhändig erschlage!“, und genau in diesem Moment hielt meine Bahn und die Türen öffneten sich. Jetzt waren wir wirklich aufgefallen. Man tuschelte und lachte über uns...oder eher...über ihn, immerhin hatte er eben den Korb seines Lebens bekommen. Und wenn er sich nicht änderte würde das wohl kaum der letzte gewesen sein. → Zurück zu Suzie Hatcher. Ja, ich hatte gesagt, dass ich nicht kommen würde...dieser blöde Jahrmarkt konnte mir gestohlen bleiben. Immerhin war ich schon tausend mal auf so etwas gewesen. Als Kind hatte ich Jahrmärkte gehasst. Sie waren überfüllt und wirr. Doch gerade hasste ich sie aus einem anderen Grund...und zwar aus dem, dass ich nun doch bei Jessy stand und mit ihr wartete. Wartete, bis wir von den Jungs abgeholt wurden und mit ihnen zusammen über den ausgeschmückten Platz streiften und uns die Stände und Fahrgeschäfte genauer anschauen konnten...außerdem hatte ich mir den ganzen Rest der Woche alle Mühe der Welt gegeben nicht alleine mit James zu enden. Ich wollte eigentlich gar keine Beziehung mehr...ich hatte plötzlich wieder diese akute Angst,alles zu zerstören. Und genau das hatte ich Jessy bei jedem unserer Telefonate gesagt, bei denen sie mich immer wieder hatte umstimmen wollen heute Abend doch zu kommen...und sie hatte es wirklich geschafft. Und soll ich euch noch etwas erzählen? Immer wenn ich gesagt hatte, dass ich mich mit einer Freundschaft doch zufrieden geben würde, hatte sie gelacht...! „Zieh nicht so ein Gesicht.“, forderte sie mich erneut auf und lächelte mich breit an. „Ich für meinen Teil liebe Jahrmärkte!“, doch damit heiterte sie mich sicher nicht auf. „Su, was soll das? Nutze doch einfach deine Chance...und außerdem...was hast du zu verlieren? Die Freundschaft ist jetzt sowieso schon hinüber...jeder sieht euch bereits als Paar, keiner mehr als gute Freunde - nicht mal ihr selbst!“ Ich hasste es, wenn sie Recht hatte und Diskussionen, die ich gewinnen wollte, gewann. „...Du hast ja Recht.“, gab ich also schließlich kleinlaut zu. „Ich weiß, und jetzt streng dich etwas an, okay? Wo ist die ungeschlagene Kämpferin geblieben?“, und wieder hatte sie Recht. Eigentlich war ich kein missmutiges, grummeliges Häufchen Elend...und schon hatte sie es geschafft mich doch zum Grinsen zu bringen. „Du glaubst also wirklich noch, dass ich ihn kriegen kann?“, wollte ich wissen. Die Frage schien Jessy zu wundern, doch nickte sie. „Ich habe nie aufgehört das zu glauben.“ - Und schon war mein Kampfgeist und mein Selbstbewusstsein aus unerklärlichen Gründen wieder zum Leben erweckt worden. Wo waren also die Kerle...? Es dauerte keine weiteren 5 Minuten, da gab Jessy auf und beschloss, dass wir bereits selbst eine Runde drehen sollten. „Sie sind zu spät. Wenn sie uns suchen, rufen sie sicher an.“, das war ihre Meinung, die ich Schultern zuckend annahm. Bestimmt hatte sie Recht. Mit Jessy an meiner Seite schlenderte ich also voraus, es roch nach Süßem und überall sprangen aufgeregte Kinder herum, die es ihren Eltern schwer machten sie nicht in dem Getümmel aus den Augen zu verlieren. „Lass uns in den Freefalltower steigen!“, lenkte Jessy meine Aufmerksamkeit verwundert auf die Meter hohe Attraktion. Hier gab es einen Freefalltower? Nicht übel. Doch seid wann fuhr Jessy so etwas? In Achter bahnen jeder Art bekam man sie schnell...aber mir grausiger Höhe hatte sie es nicht. In einer Achterbahn fällt man immerhin nicht bloß in die Tiefe. „Sicher, dass du das willst?“, hakte ich verblüfft nach und sah zu, wie der Wagon in die Tiefe raste. Lautes Geschrei übertönte uns, sodass ich Jessys Antwort nicht verstand. Doch die Tatsache, dass sie bereits vorgelaufen war um Karten zu kaufen erklärte wohl alles. Ihr gefolgt bezahlte ich meine eigene und stellte mich mit ihr an. Die Schlange war nicht lang, die meisten standen ein paar Meter entfernt und beobachtete das Geschehen unschlüssig darüber, ob sie es selbst ausprobieren wollten. „Jetzt hab ich doch Angst...“, murmelte sie plötzlich nervös vor sich her und sah zu wie die letzten Gäste ausstiegen und man die Absperrung für die nächsten Opfer öffnete - und zu diesen gehörten bereits wir. „Das fällt dir wirklich früh ein.“ Ich erinnerte mich noch ganz genau daran, wie es sich anfühlte solch ein Teil zu fahren. Damals war ich mit Freunden unterwegs gewesen und nach spontanen Überlegungen hatten wir uns den erstbesten Freizeitpark in der Nähe ausgesucht und beschlossen ihn unsicher zu machen. Das war ein Tag... Zwischen zwei Kumpels hatte ich mich in einen solchen Turm platziert und festgeschnallt. Eigentlich war alles genau so gewesen wie jetzt auch, nur dass dieser Turm hier bei weitem nicht so hoch war, wie der eines waschechten Freizeitparks. Bis heute werde ich von den beiden Jungs jedes mal aufgezogen, wie sich beim Schreien meine Stimme überschlagen hatte und was für ein erschrockenes Gesicht ich auf dem Foto gemacht hatte, als der Wagon plötzlich fallen gelassen wurde. Wer kommt auch auf die Idee, die Kamera auf diesen Moment auszurichten...? Jessy saß nun also festgeschnallt neben mir und krallte sich nervös an meine freie Hand. „Können wir nicht doch wieder aussteigen? Bitte...“, doch das war leider unmöglich, da wir im selben Moment angehoben wurden und in die Höhe stiegen. Oben angekommen ist nicht zu verachten, dass es doch wirklich hoch war und mein einen perfekten Überblick auf den restlichen, beleuchteten Markt geboten bekam. Ich wollte gerade zu Jessy rüber sehen, als diese kurz locker ließ und sich mit beiden Händen durch die Haare fuhr...hätte sie das mal lieber verschoben, denn passend auf die Sekunde rastete der Wagon mit einem lauten klick aus und wir hoben von den Sitzen ab. Man hörte nichts außer schrille Schreie und auch ich klammerte mich nun erschrocken fest. Der Wind peitschte uns entgegen, doch so schnell wie alles angefangen hatte, war es auch schon wieder vorbei und die Sicherheitsgute öffneten sich von selbst. „Unglaublich!“, stieß ich begeistert aus und sprang auf die Beine. Jessy war sitzen geblieben und atmete schwer. Ihre Haare verdeckten ihr Gesicht und wuselten wirr auf ihrem Kopf herum. Jetzt sollte sie, sie sich richten... „Jess?“,sprach ich sie direkt an, doch kam mir ein junger Mann zuvor, der vor Jessy stehen geblieben war und ihr die Hand reichte. Er arbeitete hier und hatte zuvor unsere Sicherheit überprüft. „Alles okay kleines? Komm schon,ich helfe dir auf.“, bot er freundlich an, jetzt blickte Jessy auf, doch konnte man ihre Augen nicht sehen...eigentlich blieb sogar ihr gesamtes Gesicht verborgen. Doch griff sie seine Hand und wollte schwungvoll aus dem Sitz rutschen...Baaaam!....hatte sie sich jedoch unelegant den Kopf an den Sicherheitsbügel über ihr gestoßen und fiel kurz wieder zurück. Jammernd legte sie die Hand an die schmerzende Stelle, der Kerl verkniff sich das Grinsen mit aller Mühe und zog sie nun ohne ihre Hilfe auf die Beine. „Nicht so stürmisch.“, warnte er sie und ließ sie zwinkernd wieder los, als er die anderen für die nächste Fahrt reinlassen musste. Ich gab mir nicht die Mühe, nicht zu lachen. Dafür hatte das viel zu komisch ausgesehen! „Ohje, Jessy. Was machst du nur immer?“, ich griff lachend ihren Arm und zog sie weg von dem Tower. „Das ist nicht komisch! Ich hab mich zu Tode blamiert!“ - zu Tode wohl kaum, immerhin lebte sie noch. Aber blamiert hatte sie sich durchaus. „Bloß ein bisschen.“, zwinkerte ich ihr zu, als sie sich endlich um ihre Haare kümmerte und ich ihr wieder ins Gesicht schauen konnte. „Noch immer keine Spur von ihnen...“, wechselte Jessy das Thema, doch im selben Moment erblickte ich zwischen den fremden Gesichtern das von James, der lächelnd auf uns zugelaufen kam. „Da ist James.“, informierte ich Jessy sogleich und winkte ihm grinsend zu. Überrascht sah sie in seine Richtung, erkannte ihn jedoch nicht gleich. „Alleine? Wo ist Jamie?“, nach Casey fragte sie erst gar nicht. „Hey ihr beiden.“, begrüßte er uns strahlend, als er bei uns angekommen war, dann folgte auch schon seine Erklärung: „Casey lässt sich dank dir nicht hier blicken, Jess. Und Jamie konnte nicht... ich hab euch angerufen, aber irgendwie war das keine hilfreiche Idee.“, mein Handy aus der Tasche gekramt, warf ich einen Blick auf den Display. Er hatte wirklich angerufen - Upps. „Naja, kein Problem. Ich hab euch ja gefunden. Freunde von mir warten an dem großen Zelt hinten, lasst uns mal rüber gehen.“, nickend ließen wir uns überreden und folgten ihm den schmalen Weg entlang, der eindeutig viel zu überfüllt war. Nach Jessys Hand gegriffen, um sie nicht zu verlieren, drängelte sie sich kleinlaut voran und zog mich hinter sich her. Im Schneckentempo kamen wir einem großen weißen Zelt näher, als James sich umdrehte und stehen blieb, um uns vorzulassen. „Geht ihr vor. Dann hab ich euch besser im Auge und verliere keine.“, Jessy war bereits sichtlich genervt davon,dass wir bloß so stockend voran kamen und immerwieder angerempelt wurden. Seufzend sank auch meine Laune durch dieses langsame Gedrängel, ob James noch hinter mir war wusste ich nicht...jetzt durften wir also aufpassen, ihn nicht zu verlieren. Doch kaum hatte ich mich umgedreht, um nach ihm zu sehen, rannte er mich fast um. „Oh, Entschuldige.“, lachend sah er zu mir herunter und legte die Arme um meine Hüfte. Zufrieden über diese selbstbewusste Tat, trotteten wir weiter, ohne dass ich auch nur einen Millimeter von ihm wegrutschte...und wie das Leben so spielte - kaum hatte ich den Punkt erreicht, in dem ich noch Stunden so hier hätte mit ihm herumlaufen können, kamen wir an und er ließ mich los, um seinen uns unbekannten Freunden zuzuwinken. „Da drüben, kommt. Ich stell euch vor.“, vor dem Zelt standen junge Leute in unserem Alter, drin wurde mächtig gefeiert. „Wenigstens sind wir aus dieser Gasse raus, das war ja unerträglich.“, Jessy hatte meine Hand noch nicht losgelassen, erst als wir vorgestellt und sogleich offenherzig gedrückt wurden. Nun standen wir bei zwei weitern Kerlen und einem süßen, blonden Mädchen, die wohl die Freundin einer der jungen Männer darstellte. „Warst du schon mal drin gucken, James?“, wollte einer von ihnen grinsend wissen und trank dann einen Schluck des Bieres, welches er lässig in der Hand schwänkte. „Nein...viel zu voll. Da drin ist es unmöglich, ihr über den Weg zu laufen.“, er zuckte mit den Schultern und warf einen verstohlenen Blick in die Richtung des Zelteingangs. Moment! ...unmöglich ihr über den Weg zu laufen? Wer war ihr? Die Augenbrauen zusammengezogen warf ich Jessy einen skeptischen Blick zu. „Auf wen wartet ihr denn noch?“, sprang Jessy an und erkundigte sich in meinem Namen unauffällig. „Unwichtig.“, winkten die beiden nahezu gleichzeitig ab und begannen dann ertappt zu lachen. Irgendetwas war hier faul und das ging mir gewaltig gegen den Strich. „Auch ein Bier?“, bot man uns an, um das Thema wohl fallen zu lassen. Jessy griff bereitwillig zu, doch ich nahm ihr die Flasche schnell wieder ab und stellte sie zurück. „Nein, schon okay. Eigentlich wollten wir uns auch noch mal umsehen. Das ist doch okay, oder? Wir sind gleich zurück.“, ohne auf eine Antwort zu warten, schleppte ich Jessy ein paar Meter weit mit. „Wer ist diese ihr? Hat er dir was gesagt?“, sprudelte es neugierig aus mir heraus, als wir weit genug von ihnen entfernt waren. „Ganz ruhig, Su. Keine Ahnung, wer sie ist. Vielleicht eine gute Freundin.“ „Ich kenne seine guten Freundinnen, Jess.“ „Jetzt mal nicht den Teuel an die Wand. James ist nicht gerade ein großer Aufreisser. Vielleicht wars auch irgend ne Maus von dem anderen Typen. Du überreagierst.“ Vielleicht hatte sie Recht...nur passte mir das Gesprächsthema von eben, nachdem mein Selbstbewusstsein und mein Mut gerade wieder ihren Dienst antraten, sehr schlecht. „Okay...du hast Recht. Alsob er nun doch plötzlich eine andere im Auge hätte...albern, nicht?“ - „Ja, keine Panik. Lass uns zurück gehen. Vielleicht finden wir das ja noch raus.“ Und so blieben wir wirklich nur wenige Minuten weg und gesellten uns lächelnd wieder zurück zu der kleinen Gruppe. „Und? Habt ihr wen gefunden?“, wollte das Mädchen lächelnd wissen, als wir zurück waren und wartete auf eine Antwort. Sie besaß eine sympathische Ausstrahlung, die mich irgendwie beruhigte. „Ja, waren kurz drüben bei Freunden.“, gab ich ihr ihre ersehnte Antwort und erfand eine kleine Gesichte über ein imaginäres Gespräch. Natürlich entging mir nebenbei nicht, wie James an seinem Handy gehongen hatte und stur den Bildschirm betrachtete. Dabei war er kein typischer Handy-Mensch. Er benutzte es sogar äußerst selten...und wieder ertappte ich mich dabei, wie Eifersucht in mir hochkam - wobei, nein! Eifersucht? Unmöglich. Ich war noch nie wegen eines Kerls eifersüchtig gewesen...vielleicht war ich auch einfach nur überneugierig. „Sie wollte sich melden...“, richtete er leise Worte an seinen Kumpel, der fraglich die Schultern anhob. Noch bevor sein Blick meinen traf, wich ich aus und wand mich wieder der Kleinen zu. „Wie lange seid ihr eigentlich schon hier?“, wollte ich von ihr wissen und hoffte, so den Anschein zu vermitteln, dass ich mich vollstens auf sie und unsere Unterhaltung konzentrierte. Doch auch diesmal lauschte ich nicht ihren Worten, sondern James‘: „Ich stehe bloß für sie hier rum. Vielleicht gehe ich doch kurz mal rein.“ Stopp - jetzt wollte er ihr suchen?! Weil er wegen ihr hier stand? Sicher nicht! „Also wir sind schon echt lange hier!“, stieß ich seufzend aus. „Eigentlich hätten wir schon vor ner Stunde zuhause sein sollen.“ - Moment? Wir waren wenn es hoch kam erst 2 Stunden hier? Eine schwache Lüge...Egal... „Und es wird langsam auch echt kalt!“, Jessy sah irritiert zu mir herüber, verstand dann aber was ich vorhatte und spielte vorsichtig mit. „Ja, stimmt...lass uns zum Bahnhof gehen, Su. Bevor es noch Ärger gibt.“ - sehr gut, hatte sie das gemacht, genau das wollte ich erreichen! „Ja, wir sollten gehen.“, nun sah uns auch die Kleine verwundert an. „Aber es ist doch erst 23 Uhr.“, murmelte sie leise, dann schaltete sich James ein. „Schon? Aber so lange seid ihr doch noch nicht hier... bleibt doch noch etwas. Ihr wisst nicht einmal, wo der Bahnhof ist.“, ich griff seine Worte zufrieden auf und zuckte mit den Schultern. „Meine Eltern sind noch wegen letztem Wochenende sauer. Es ist etwas spät geworden, deswegen soll es jetzt früher werden.“, das war nicht einmal gelogen. Zwar hatte ich Hausarrest aufgeschwatzt bekommen, doch diese Strafe war über die Woche schnell in Vergessenheit geraten, jetzt musste ich bloß vor 1 Uhr Zuhause sein. Sonst durfte ich ausgehen. Außerdem waren meine Eltern immer beruhigt, wenn sie wussten, dass ich mit James unterwegs war... „Alleine finden wir nie zum Bahnhof.“, jammerte Jessy plötzlich zu meiner Überraschung. In diesem Moment hätte ich sie am liebsten geküsst - manchmal war sie wirklich die beste Schauspielerin der Welt, sie wusste einfach immer, was ich vor hatte und wie man dies gekonnt erreichte. James sah ein letztes mal zurück, seufzte dann leise und packte sein Handy wieder weg. „Okay, ich komme mit.“ Als ich mich zum Gehen abwand zierte ein triumphirendes Lächeln meine Lippen. Jessy hatte Recht...wäre dieses andere Mädchen wirklich so wichtig gewesen, hätte er sie nicht einfach alleine in diesem Zelt feiern lassen - ich an seiner Stelle hätte es zumindest nicht getan. „Dann kommen wir auch schon jetzt mit.“, beschloss das blonde Mädchen plötzlich und zog ihren Freund mit, der sich durch das Versprechen bei ihr Übernachten zu dürfen bereitwillig locken ließ. Und so machenten wir uns also zu fünft erneut durch das Gedrängel, diesmal jedoch ohne überschüssige Nähe, das störte mich jedoch nicht. Mich beruhigte im Moment die Tatsache, dass ich mir umsonst Sorgen gemacht hatte genug. Auf unserem Weg zum Bahnhof begegneten wir einigen betrunkenen Jugendlichen, die sich uns lachend anschlossen und durch die Dunkelheit führen ließen. Wahrscheinlich wäre ihnen nicht einmal aufgefallen, wenn wir sie hätten verschleppen wollen...wenn man selbst keinen Alkohol angerührt hatte und es mit Betrunkenen zu tun bekam, fiel einem doch immer wieder auf wie erbärmlich Menschen werden konnten... Als wir an unserem Ziel angekommen waren, hatte sich vor dem Fahrkartenautomat eine Schlange gebildet, sodass wir beschlossen schwarz zu fahren - wir hatten es immerhin nicht weit. „Die Bahn kommt in 5 Minuten.“, ergriff James das Wort, als er seine Jacke auszog und mir um die Schultern warf. „Mir ist nicht kalt.“, protestierte ich sogleich und sah verwundert zu ihm rüber. „Dir ist immer kalt.“, wahre Worte. Und auch jetzt fühlte sich der warme Stoff auf meinen Schultern angenehm an, doch schüttelte ich trotzdem den Kopf. James zog mir die Jacke also seufzend wieder von den Schultern, reichte sie zwinkernd Jessy und tätschelte mir unvorsichtig den Kopf. „Dann frier halt. War bloß nett gemeint.“ Wieso ich seine Jacke nicht behalten hatte und sie nun Jessy trug? Aus dem ganz einfachen Grund, dass Jessy wirklich zu frieren schien...und irgendwie musste ich sie ja für ihren verlässlichen Einsatz belohnen,auch wenn das bloß der kleine Vorgeschmack meiner Belohnung war. Lautstark traf unsere bahn schließlich ein. Es drängelten sich gefühlte Zehntausende in ein Abteil, doch zu unserem Glück fanden wir schnell noch einen freien Viererplatz, auf dessen Sitze wir uns verteilten. Da wir jedoch zu fünft waren, zog James mich auf seinen Schoß. Die letzten Unterhaltungen in unserem kleinen Kreis waren bloß noch oberflächliches gerede, bis Jessy und ich aussteigen mussten, uns verabschiedeten und uns auf den Heimweg machten. Das letzte Stück zu mir war alles andere als weit,doch lief ich besonders nachts nicht gerne in der Gegend von Bahnhöfen herum, irgendwie hatte das stets etwas unheimliches ansich. Jessy hatte die Jacke zurückgegeben und verschrenkte nun die Arme, um sich etwas warm zu halten. „Wo blieb der Abschiedskuss?“, zog sie mich herzlich auf und fing sich so einen sachten Sto ßin die Rippen ein, wir lachten beide. Ich hatte einmal von mir aus geküsst und war mir beinahe sicher, es nie wieder zu tun! Als wir die Haustür betraten herrschte in der Wohnung schon völlige Stille. Alle schienen bereits zu schlafen, so stand Jessy und mir also eine ruhige Nacht bevor. In meinem Zimmer zogen wir uns als erstes bequemere Klamotten an und kuschelten uns dann in unsere Decken ein um aufzuwärmen. „Ahh,ich hab noch was nettes für dich.“ Wieder aufgesprungen, verließ ich kurz das Zimmer und kam wenige Minuten später mit zwei kleinen Gläsern wieder in der sich eine Menge Eis und eine hellbraune Flüssigkeit befand. Whisky - Jessy liebte das Zeug. Ich hasste es...der Geschmack war mir zu wieder, doch da sie sich heute so wundervoll verhalten hatte, stieß ich mit ihr an und schluckte das Zeug - diesmal ohne zu jammern - herunter. Kapitel 8: The Curse of Curves. ------------------------------- → Jessica Baker Ja, dieses Kapitel fängt mit mir an, da sich ohne mich und meine verbissenen Lebenswünsche [Und einer dieser momentanen Wüsche war nunmal unteranderem, dass James endlich all seinen Mut zusammen nahm und Suzie mit sich ins Glück riss!] folgende Ereignisse wohl kaum abgespielt hätten... Mal wieder war ich nach einem langen Vormittag nach der Schule und einem noch viel längeren Nachmittag in dem meine Eltern frei hatten und mich in nervige Gartenarbeit einspannten, vor dem Pc geendet. Und obwohl ich immer wieder hatte erfahren dürfen, wie böse das Internet sein konnte, da man oft und schnell mal eine unerwünschte Nachricht empfing, freute ich mich in der letzten Zeit über jede freie Minute, die ich davor sitzen durfte...der Grund? Nunja...der trug den zwar einfachen aber für mich doch so bedeutenden Namen Patrick. Er kontaktierte mich über diverse Online Communities immer wieder und wir unterhielten uns wirklich gut. Natürlich wusste ich, dass man weder eine Beziehung und tiefergehende Gefühle über die Tastatur weiterleiten konnte, doch auf der anderen Seite...es gab für alles ein erstes Mal. Und selbst wenn er sich nicht in mein Internet-Ich verlieben würde, sah ich alles als einen guten Einstieg des Kennenlernens. Außerdem...er machte doch immer wieder den Anfang! Bloß heute nicht. Verwundert über die Kenntnis, dass er zwar Online war, sich aber nicht bei mir meldete, pustete ich mir eine Haarsträhne aus dem Gesicht und warf einen Blick auf die Digitaluhr meines Computers: 21 Uhr. Ich würde ihm allerhöchstens eine halbe Stunde geben, dann war es an der Zeit, dass ich mich mal bei ihm meldete! Und das 30 Minuten Limit kam mir dabei sehr fair vor...so wirkte ich weder abhängig und anhänglich, noch präsentierte ich pures Desinteresse. Und wenn ihm wirklich zusetzen sollte, dass wir nichts voneinander hörten, konnte ja immer noch er sich bei mir melden...jederzeit. Zu meinem Pech tat sich die erste Viertelstunde allerdings gar nichts, was mich - zugegeben - unheimlich deprimierte. Das war ich nicht gewohnt! Und so verstrichen auch weitere 10 Minuten der Stille...nicht einmal Suzie schien gerade an mich zu denken, da sie heute weder angerufen hatte noch Zeit vor ihrem Laptop verbrachte. Doch gerade als ich missmutig beobachtete, wie auf der digitalen Uhr Minuten verflogen, blinkte mein Posteingang plötzlich auf und versetzte mein kleines, naives Herz in pure Vorfreude. Aufgeregt und von Glückshormonen geflutet glaubte ich nun doch wieder an Wunder, und daran das erste Mal einen Kerl von mir überzeugen zu können, den ich wirklich wollte - er gehörte zu mir und insgeheim wusste ich, dass auch er das Knistern in der Luft spürte, dass uns überfiel wenn unsere Blicke sich trafen. So etwas konnte man sich doch nicht einbilden, oder? Zu meiner Enttäuschung musste ich jedoch feststellen, dass sich nicht Patrick gemeldet hatte... Es war James. Im ersten Moment machte mich das durchaus sauer, doch mochte ich James sehr gerne und unterhielt mich immer wieder aufs Neue gut mit ihm. Hey Jessy. Weißt du wo Suzie ist? Sie meldet sich nicht bei mir, obwohl ich schon die ganze Zeit versuche sie zu erreichen...ich muss mit ihr reden - ist wichtig. Diese Worte ließen mich stolz schmunzeln. Das klang ganz danach als wäre es ihm wie Schuppen von den Augen gefallen. So wie ich Patrick brauchte, brauchte James Suzie. Wie machte sie das nur immer? Su bekam ständig die Kerle, die sie wollte...mir fiel niemand ein, der ihr nicht ins Netz ging. Stets wenn sie sich ein Opfer ausgesucht hatte, schien es so als müsse sie bloß freundlich lächeln und mit dem Finger schnipsen und schon kam dem besagten jungen Mann die Erkenntnis, dass sie wohl die Frau seiner Träume war. Im Endeffekt glaube ich, dass die Kerle das wirklich dachten...und wären wir alle etwas älter, dann bin ich mir sicher, dass Suzie sich den ein oder anderen Antrag bereits hätte anhören dürfen. Doch wir waren jung - ihr Glück. Denn nach und nach stellte sich für sie immer raus, dass sie doch bloß wieder einen Griff ins Klo gestartet hatte und sie sich in etwas verrannt hatte, was sie auf Dauer nicht glücklich machte. Und so brach ein Herz nach dem anderen...und obwohl sie es nie zugab, da Suzie bloß selten über ihre Gefühle redete, - Oft nicht einmal mit einer Flasche Jack Daniels intus, die mich längst zu einem Gefühlsausbruch und der bitteren Wahrheit geprügelt hätte - wusste ich, dass auch ihr das alles nie leicht fiel. Doch jetzt wo wir gerade über Gefühlsausbrüche redeten, kam mir doch ein Mann in den Sinn, der Suzie die Tränen in die Augen gejagt hatte. Das war zwar schon eine ganze Weile her, doch er hatte es geschafft - Dan. Eigentlich hatte diese Geschichte letztes Jahr ganz einfach angefangen. Sie hatten sich locker kennengelernt, öfter gesehen, gut verstanden, waren sich schnell näher gekommen und somit war Suzie in den Fängen eines kleinen Womanizers gelandet, der Partys nie alleine verließ. Das hatte Herzschmerz versprochen...doch darüber war sie, nachdem sie sich nicht mehr trafen, schnell hinweg gekommen. Noch etwas wofür ich sie bewunderte...ich brauchte Jahre um einen Kerl wirklich zu vergessen. Als ich meine Gedanken schließlich wieder sacken ließ und erneut auf den Monitor schaute überlegte ich kurz, was ich antworten sollte. Ich wusste, dass er die letzten Tage versucht hatte Suzie zu erreichen. Sie hatte es mir erzählt. Ich hatte am Telefon jede SMS vorgelesen bekommen, doch sie wollte auf keine einzige antworten. Sie wollte ihm durch strenge Maßnahmen zu spüren geben, dass er sie wollte. Und auch wenn es ihr schwer fiel seine Nachrichten nicht zu beantworten und in den Pausen unauffälligen Abstand zu halten, schlug sie sich gut. Und siehe da, ihr Plan schien aufzugehen. Man darf halt niemals zu leicht zu haben zu sein - hätte ich mir diesen Tipp mal lieber für später notiert... Soweit ich weiß ist sie mit Freunden unterwegs... - Lüge. Ich hatte im Grunde keine Ahnung, was sie gerade wirklich trieb. Und da mir darauf nicht mehr zu sagen blieb, ich meine Finger jedoch nicht von der Tastatur wegbekam, nahm ich mir vor die Neuigkeiten vor Suzie selbst zu empfangen: Was gibt es denn? Ich könnte ihr etwas ausrichten, wenn es wirklich so wichtig ist. Immerhin telefonieren wir beinahe jeden Tag. - Auf diese versteckte Botschaft sprang er allerdings nicht an, winkte stattdessen lieber vorsichtig ab. Dann musste ich also doch offensichtlicher nachfragen: Okay, dann nicht. Du kannst mir trotzdem sagen was los ist. Wir haben uns ne weile nicht mehr unterhalten, also? Ich verrate es Su auch nicht, keine Sorge. Immerhin sind wir genau so befreundet wie sie und ich. Und die Geheimnisse eines Freundes würde ich niemals ausplaudern. - Und wieder eine Lüge. Wobei, bloß teilweise. Geheimnisse konnte ich wirklich für mich behalten, aber nicht wenn sie meine beste Freundin betrafen. Damals als Dean sich in Su verliebt hatte und ich mich bereits gut mit ihm verstanden hatte, hatte er mir davon berichtet...und länger als 2 Minuten hatte ich einfach nicht dicht halten können...ich hatte mich sofort bei Suzie gemeldet und ihr die Neuigkeit unter die Nase gerieben, weil ich damals auch von ihm den Eindruck gehabt hatte, dass er ihr gut tun würde...doch irren war ja bekanntlich männlich...ähh, menschlich - ‘tschuldigung. Während James tippte und sich somit hatte breit schlagen lassen, wäre ich jedoch niemals auf die Idee gekommen, dass es doch nicht um Suzie ging, doch so war es: Ich wollte mich bei ihr entschuldigen. Ich war die letzten Wochen ziemlich neben der Spur und habe Angst etwas zwischen ihr und mir kaputt gemacht zu haben. Ich dachte, dass Su perfekt für mich sein würde, doch nachdem wir uns lange unterhalten hatten und sie mir ans Herz gelegt hat ,mich vielleicht im Verein einmal genauer umzuschauen, und den Mädchen eine Chance zu geben, habe ich erkannt, dass es da doch ein Mädchen gibt, das mir wirklich gut gefällt. Und wenn ich es mit ihr probiere, setze ich auch nichts aufs Spiel wenn‘s nicht funktioniert. - Mir klappte die Kinnlade ungläubig runter. Das war doch nicht sein Ernst, oder? Im ersten Moment wusste ich nicht, wer von den beiden geschimpft gehörte...er, weil er sich so leicht hatte belabern lassen oder Su, weil sie mal wieder feige den Notausgang benutzt und sich damit alles selbst verbaut hatte. Ohne darauf zu achten, dass das 30-Minuten-Limit was Patrick betraf bereits abgelaufen war und er nun nicht einmal mehr online war, erwiderte ich nichts auf James Worte, griff stattdessen zum Telefon und tippte beinahe hektisch Suzies Nummer ein. Sie musste rangehen, die Lage musste schnellstmöglich gerettet werden und ich wusste als sie abhob auch schon wie: „Su! Bei mir geht das morgen klar, eine DVD-Nacht bei dir von Freitag auf Samstag wird sicher lustig! Klasse Idee...und soweit ich weiß können die Jungs auch.“ Verdattert hörte ich sie ins Telefon murmeln, dann begann sie verwundert zu lachen. „Ähm...okay. Bin ich auch eingeladen? Ich weiß nämlich nicht, woher du die Insider Informationen hast, zu mir sind sie jedenfalls nicht durchgedrungen.“ Seufzend überflog ich erneut James Worte und überlegte, ob ich sie ihr wirklich nahe bringen sollte...und vor allem die Frage, wie. Wie sollte ich sie darauf ansprechen, ohne sie zu verletzen? Gab es überhaupt noch Hoffnung...bis vor einer Minute hätte ich nicht einmal im Traum daran gezweifelt - jetzt schon. Definitiv. „Du kannst vergessen, dass ich so kurzfristig etwas abklären kann. Meine Eltern werden da nicht mitspielen...vor allem nicht, weil wir in letzter Zeit sowieso so oft weg sind und ich euch beinahe mehr sehe als meine eigene Familie.“, unterbrach sie meine Überlegungen, also rutschte es mir panisch einfach über die Lippen. „James hat doch eine andere. Es ist noch nichts festes, aber an deiner Stelle würde ich mir langsam mal Gedanken machen und mich endgültig reinhängen! Auf einer einfachen, unauffälligen DVD-Nacht wäre das perfekt. Und wenn wir bei dir zuhause sind, können deine Eltern nicht schimpfen, dass du schon wieder weg gehst. Sonst sind sie doch auch alles andere als streng...“, mir kam erst nach einem kurzen Moment die Idee, dass ich sie völlig überrumpelt hatte, was von ihrem Schweigen jedoch bestätigt wurde. „Su? Hey, komm schon...wie gesagt, ist noch nichts Festes. Nur die Ruhe.“, versuchte ich ihr Mut zu machen, doch bezweifelte ich, dass es klappte...bloß eines hatte meine Rücksichtslosigkeit erreicht: „Okay, morgen Abend bei mir. Geht klar.“ → It‘s Suzie Hatcher again. Anders als die letzte Woche durfte ich es mir nun nicht mehr erlauben, James zu meiden und ihm lediglich einen Blick zu schenken, wenn er auffällig danach suchte. „Guten Morgen!“, stieß ich also in der Pause des folgenden Tages - welcher sich übrigens bereits Freitag nannte, der Tag in dem ich meine alte Planung auf den Kopf werfen sollte um rauszufinden, wie ernst es um mich und James wirklich stand - zu unserer kleinen Gruppe hinzu. Überrascht über mein heiteres Lächeln und die euphoriegeladene Stimme glitten die Blicke verwundert zu mir herüber, als hätten sie nicht damit gerechnet, dass ich mich mal wieder zu ihnen gesellen würde. „Morgen.“, entgegnete mir James als erstes. Er klang erleichtert und durchaus erfreut über meine scheinbar grandiose Laune. Auch Jessy stand bereits neben mir und lächelte unschuldig, bis sie mir die besprochene Steilvorlage lieferte und wir gemeinsam durchzogen, was wir gestern Abend des weiteren besprochen hatten: „Su, was steht am Wochenende an? Lasst uns doch mal alle was unternehmen...“ Ich zuckte nachdenklich mit den Schultern und tat so, als würde ich ratlos überlegen, bis sie wieder das Wort ergriff: „Ich bin für einen entspannten, gemeinsamen DVD-Abend. Das ist immer unterhaltsam.“, zufrieden über ihren Vorschlag sah sie in die Runde und niemand schien abgeneigt. „Super Idee, meine Eltern haben sicher nichts dagegen, wenn ihr zu mir kommt.“, und somit bekamen wir die ersten Zusagen geliefert - von James und Jamie. Matt hatte sich auch begeistern lassen, ihm fiel jedoch schnell ein, dass er dieses Wochenende bereits verplant war. Tja und an Matts Stelle rückte dann überraschenderweise Ted: „Ja, klingt wirklich gut. Wieso also nicht?“, anfangs dachte ich, er wollte mich bloß mal wieder provozieren, doch als er sich nach der Schule erneut bei mir meldete, verunsicherte er mich doch gewaltig. Natürlich ging es James gegen den Strich, dass Ted sich ebenfalls zu den geladenen Gästen zählte, da die Antipathie auf Gegenseitigkeit beruhte. Bereits kurz nach der Schule hatte Jessy mir einen Besuch abgestattet und begab sich mit mir in die Mission, die gewählte Location herzurichten. Ich hatte das Glück, dass sich neben unserer Wohnung, die über eine große Terrasse verfügte, noch eine Art kleines Poolhouse ohne Pool befand - zumindest zählte ich das aufblasbare Schwimmbecken, das mein Dad als meine Schwester und ich noch jünger waren im Sommer immer aufgebaut hatte, nicht als Pool. Außerdem stand es zurzeit sowieso nicht...jetzt zierten Sommerliegen diesen Platz. Wir schrubbten fleißig durch - das war übrigens auch die Bedingung, die ich meinen Eltern hatte bieten müssen...die kamen auf ihre Kosten, da ich Putzfee spielte und alles auf Hochglanz brachte. Meine Mutter kümmerte sich nur selten um diesen freien Raum, der eine Bar, einen Billardtisch, einen große Fernseher und ein noch viel größeres Bad bot, in dem wiederum eine Sauna, ein Whirlpool und eine Sonnenbank den Platz zierten. Und so kommen wir zu Bedingung Nummer zwei...keine nächtlichen Sauna-Besuche oder gar Nacktbaden im warmen Whirlpool. Und da mein Dad nicht all zu viel auf mein Wort gab, schloss er diesen Raum sogar ab, sodass uns bloß das kleine Bad blieb, in dem sich eine einfache Toilette und ein Waschbecken um den Platz stritten. Der einzige Vorteil war, dass wir so auch nicht noch einen weiteren Raum herrichten mussten. Kaum war frisch durch gesaugt, gelüftet, staub gewischt und feucht durchgeputzt, betrachteten wir unser Werk zufrieden: „Jetzt kann es ans einrichten gehen!“, gab Jessy freudig von sich. Wir räumten also die Putzutensilien weg und machten uns daran alle möglichen freien Mattratzen, Decken, Kissen und sonstige weiche Unterlagen zu finden und sie rüber zu tragen. Der Billardtisch war von einer großen Holzplatte abgedeckt, sodass wir diesen schnell in ein gemütliches, übergroßes Bett verwandelt hatten. In einer anderen Ecke des Raumes befand sich eine aufgepustete Luftmatratze, die wir ebenfalls mit genügend Kissen ausstatteten. Gerade noch rechtzeitig schlossen wir das Notebook an und starteten etwas Musik. „Su?“, sprach Jessy mich an, als sie grinsend durch den Raum lief und alles ein letztes Mal inspizierte. „Ich finde ja, wir haben uns selbst übertroffen. Und nur um das gleich klarzustellen...“, ich legte den Kopf schief und sah sie abwartend an. „...Ich schlafe mit dir auf dem Billardtisch!“, bei dieser Bedingung ihrerseits musste ich glatt lachen. Ja, der Billardtisch war wohl der Blickfang schlechthin. Er stand in der Mitte des Raumes, war mit großen Matratzen belegt und mit unzähligen Kissen überhäuft. „Wer sonst?“, gab ich ihr als beschwichtigende Antwort. Ja...wer auch sonst...? Es verstrichen kaum weitere 10 Minuten, da klingelte es auch schon an der Haustür und die Jungs traten beinahe zeitgleich ein. Kaum hatten wir Jamie und James herzlich empfangen, ließ sich auch Ted blicken, den ich mit einem skeptischen Grinsen begrüßte. Er hatte unbedingt kommen wollen...und ich hatte zugesagt? Wieso? Nunja...eigentlich wusste ich das gar nicht genau, vielleicht weil ich mir so erhoffte von dem eigentlich Grund dieser schrägen DVD-Nacht etwas mehr abzulenken. Wir führten die drei über die Terrasse rüber in unser eigenes kleines Reich. Das Beste daran war, dass meine Eltern nichts von uns hören würde. Die Musik konnte also voll aufgedreht werden und wir mussten auch nicht darauf aufpassen, welche interessanten Gesprächsthemen über unsere Lippen rutschten. „Was suchst du eigentlich hier?“, rutschte es James bereits in den ersten Minuten, die wir gemeinsam verbrachten, Ted gegenüber scharf über die Lippen. Ted zuckte mit den Schultern und sah ihn provokant an: „Ich dachte, es ist jeder aus der Runde in der Pause erwünscht gewesen. Und ich stand nun mal dabei und hatte heute noch nichts vor.“ James verdrehte die Augen, griff sich sein Bier und suchte das Weite. Es war zwar der eindeutig klügere Zug einem Streit aus dem Weg zu gehen, doch die Anspannung lag trotzdem spürbar in der Luft. Seufzend entschied ich mich dazu doch noch einen Versuch zu wagen hinter das große Geheimnis zu kommen, wieso die beiden so schlecht aufeinander zu sprechen waren...und da ich das Gefühl hatte, bei James in dem Thema nicht weiter zu kommen, musste Ted herhalten. „Was soll das zwischen euch beiden?“, sprach ich ihn vorsichtig an und schenkte mir selbst einen Schluck Whiskey in ein Glas, das ich schließlich mit Cola auffüllte. Wo ich den Alkohol herhatte? Tja, ich hatte zwar versprechen müssen das Regal meines Vaters nicht anzurühren, aber sein wir mal ehrlich...welcher Teenager hält sich an solche Versprechen? „Ich weiß nicht wovon du redest.“, antwortete Ted grinsend und beäugte mein Glas. „Du weißt genau, was ich meine...“, seinen Blick bemerkt hob ich das Glas leicht an und sah fragend zu ihm rüber: „Auch einen?“, doch er lehnte mit der Begründung, die Finger von hartem Alkohol lassen zu wollen, ab. „Nunja...ich will mal nicht so sein, also - Zwischen James und mir stimmte die Chemie schon von Anfang an nicht.“, die beiden kannten sich schon seit der 5. Klasse, soviel wusste ich. „Und trotzdem haben wir uns damals schnell denselben Freundeskreis gesucht. Unbeabsichtigt. Wir gerieten immer wieder aneinander, was die Gruppe damals ziemlich zerrüttet hat...wahrscheinlich nehmen wir uns das zusätzlich heute immer noch gegenseitig übel.“, lächelnd beendete er seine kleine Geschichte und lehnte ich an die Theke der Bar. Mein Blick muss ihn amüsiert haben, da ich wohl ziemlich ungläubig aus der Wäsche schaute. Das war also die große Geschichte? Herrje...und daraus machten die beiden so ein Drama? Da sollte noch mal wer sagen, Frauen waren anstrengend... „Rührend.“, gab ich lediglich von mir und wollte gerade noch etwas hinzufügen, als es an der Tür klopfte und mein Vater mit Pizzakartons beladen den Raum betrat. Schneller als ich gucken konnte, waren die Jungs zur Stelle und nahmen ihm unser Abendessen ab, um es zu verteilen. Ich warf meinem Dad einen dankbaren Blick zu und ich meinte den Satz Bloß keine Dummheiten, bleibt artig! in seinen Augen lesen zu können, bevor er lächelnd wieder verschwand und die Tür hinter sich zuschob. Als ich meine Pizza zugeschoben bekommen hatte, setzte ich mich zu Jessy auf den Billardtisch, der heute Nacht als Bett dienen durfte und begann zu essen. Ich würde lügen, wenn ich behauptet hätte, dass ich den Alkohol in meinem Blut nicht bereits jetzt schon spürte...es war nunmal nicht klug Alkohol auf nüchternem Magen zu trinken. „Ich hasse den Geruch von Alkohol beim essen...“, murmelte Jessy leise, sodass nur ich es hörte. Ich musste über ihr Gesicht lachen. Sie war praktisch die Erfinderin des Mut-antrinkens. „Du hättest auch bis nach dem essen warten können, dann hätte ich mit dir mitgetrunken.“, und schon schob sie mein Glas weg. „Das dauert mir alles viel zu lange...“, wenn ich zu lange warten würde, würde ich am Ende doch bloß kneifen und gar nicht mehr zu dem gefährlichen Hilfsmittel greifen. „Du hast genau eine Nacht...wie lautet der Plan?“, war das ihr ernst? Sie dachte wirklich, dass ich einen Plan hatte? Okay, eigentlich hatte ich immer für fast alles einen Notfallplan parat...aber wie gesagt, fast alles. Was mich und meine möglichen Beziehungsgeschichten Betraf, wusste ich nie Rat. Immer wenn ich zu lange über solche Dinge im Bezug auf mich nachdachte, brach in mir pure Panik aus und die zerstörte nicht bloß mögliche Chancen, sie zerstörte sogar meinen kompletten Kampfgeist - meistens verging mir einfach die Lust mich wirklich zu bemühen. „Spontanität meine Liebe, Spontanität.“, wollte ich sie beschwichtigen. „Was flüstert ihr da oben?“, unterbrach uns James Stimme und wir blickten beide gleichzeitig ertappt auf: „Nichts!“, ertönte es parallel, bis wir alle in ein Lachen einstimmten. Jessy und ich mussten jedoch eher angespannt klingen... Mit einem leisen Gerumpel warf Jessy den letzten leeren Karton auf die anderen, die bereits auf der Theke lagen. „Okay, lasst uns mit dem ersten Film anfangen!“, schlug sie munter vor und drehte sich im Liegen so auf dem Billardtisch um, dass sie den gegenüberliegenden Fernseher bestens im Blick hatte. Unsere Wahl an DVDs war perfekt. Horrorfilme, bei denen die Jungs damit rechneten, dass wir vor Angst die ganze Nacht kein Auge zubekommen würden, dabei hatten wir die Filme zusammen schon oft genug gesehen - aber das mussten sie ja nicht wissen. Kaum hatte Jamie den Rekorder zum laufen gebracht, kletterten die drei Jungs zu uns hoch und wir belagerten zu fünft den Tisch. Jeder machte es sich so gut es ging gemütlich und wollte die beste Sicht ergattern und so wurde es schnell unheimlich eng. „So wird uns wenigstens nicht kalt.“, lachte Jamie und sah grinsend jeden einzelnen von uns an. Durch den, nun dunklen, Raum tanzten die Lichter des Fernsehbildschirms. Wir übersprangen die Vorschau und ließen den Horrorstreifen so schnell anlaufen wie möglich. Jessy hatte sich weit vorne platziert. Sie lag auf dem Bauch und hatte ihr Kissen mit den Armen umschlungen. Jamie saß zu ihrer Rechten am Rand. Ich saß auf der anderen Seite, hatte meine Beine angezogen und die Arme um diese gelegt. Und irgendwo hinter mir hatten es sich auch Ted und James gemütlich gemacht, bloß konnte ich sie nicht sehen. Ein Wunder, dass sie sich nicht an die Kehle gingen... Die ersten Minuten des Films liefen ab und bereits die ersten Menschen fielen einem Serienkiller zum Opfer, der sie rücksichtslos und ungehemmt auseinandernahm. Normalerweise hätten Jessy und ich bei jeder Szene, in der dieser Maskenträger aus einer dunklen Ecke gesprungen kam, erschrocken aufgeschrien. Allerdings geisterte in meinem Kopf etwas ganz anderes herum...wie sollte ich an diesem Abend bei James punkten? Als mein Blick zu Jessy glitt, die entspannt neben mir lag und das Schauspiel betrachtete, schlichen sich plötzlich Finger an meine Seite, die mich leicht piksten. Ruckartig hatte ich mich umgedreht und mit meiner Bewegung Jessy erschreckt, die laut aufgequietscht hatte. Lachend tätschelte Jamie ihr den Kopf. Ich hatte direkt in James Gesicht gesehen ,der dicht hinter mir saß und mich nun zu sich zog. Gut, dass er diesen Schritt wagte...ich wäre wohl kaum erneut auf ihn zugegangen. Mich zufrieden an ihn gelehnt, genoss ich die erste Hälfte des Films seine Nähe und ließ mich schweigsam im Arm halten. In einem Moment der Ruhe - als auch im Film für die nächsten Minuten nichts spannendes zu passieren schien - drehte sich Jessy gähnend zu mir um: „Ich hol mir was zu trinken, noch jemand?“, hatte sie gefragt, hielt aber kurz inne als sie mich und James beäugte. Grinsend nickte ich - Mein Blick verriet ihr wohl so einiges. Sich aufgerappelt sprang sie vom Tisch und kümmerte sich darum jedem ein Glas zu organisieren und den Kühlschrank nach etwas zu trinken zu durchsuchen. „Uhh, roter Wodka!“, stieß sie aus, als sie fündig geworden war. James schüttelte lachend den Kopf und auch Jamie grinste über sie. „Komm zu Mama!“, Jessy griff sie die kühle Flasche und schenke jedem einen herzhaften Schluck ein, ehe sie die Gläser an uns verteilte. Ted nahm einen Schluck und verzog dabei das Gesicht: „Was findet ihr nur an diesem Wodkazeug?“, wollte er wissen und stellte sein Glas so schnell wieder ab, wie es ihm in die Hand gedrückt worden war. „Das ist nicht hochprozentig!“, ging ich auf seine vorherige Aussage ein, was ihn und den Alkohol betraf. Als James den Wodka in Empfang genommen hatte, hatte er sich von mir gelöst, was mir jedoch ganz Recht war. Damit, dass er den ersten Schritt für diesen Abend gewagt hatte, hatte er mir praktisch den nächsten Schritt zugeteilt...wenn ich also Nähe wollte, durfte ich sie mir bei ihm abholen. Allerdings stellte sich das als nicht ganz so einfach dar, da Ted mich grinsend abfing als ich ausgetrunken hatte und kurz aufgestanden war, um mein Glas zurück auf die Theke zu stellen: „Deswegen also der plötzliche DVD-Abend, ja?“, ich wusste genau, was er meinte und worauf er hinaus wollte, gab aber nicht sofort nach und fragte verwundert schauend was er meinte. „Mich würde ja mal interessieren, ob dieser DVD-Abend auch stattgefunden hätte, wenn James abgesagt hätte...“, gespielt nachdenklich verzog er das Gesicht und sah zu den dreien zurück, die noch immer mit ihren Gläsern auf dem Tisch saßen und gemütlich das Ende des Filmes schauten. Seufzend gab ich schließlich nach und ließ mich auf die Luftmatratze sinken, die vor der Bartheke stand. Ted sah zu mir runter und schob die Hände abwartend in die Hosentaschen, als würde er mir ansehen, dass ich kurz davor war ihn einzuweihen. Da ich jedoch nichts sagte, setzte er sich schließlich zu mir und ergriff selbst wieder das Wort: „Wie lange rennst du ihm schon nach?“, und schon hatte er den wunden Punkt getroffen. Ich rannte James nicht nach! Ich rannte niemandem nach...höchstens mal dem Bus, wenn ich spät dran war und er bereits anfuhr wenn ich noch dabei war die Bushaltestelle hektisch zu erreichen. „Ich renne ihm nicht nach, okay?!“, gab ich bissiger als gewollt zurück und verschränkte die Arme. Lachend hob Ted die Hände in die Höhe, als wollte er seine Unschuld signalisieren. „Okay, okay. Was dann? Das zwischen euch beiden ist jawohl nicht nichts...auf der Party von Casey seid ihr auch schon die Pärchenschiene gefahren.“, ich bin mir bis heute nicht sicher, ob er diesen provokanten Blick und den bestimmerischen Tob absichtlich benutzt hatte um mich zum Reden zu bringen oder ob ihm das gar nicht bewusst war...wie auch immer, es klappte - ich gab nach und klärte ihn auf. Über alles. Ob das nun an den ersten Schlücken Alkohol lag, die bereits durch meine Adern schossen oder daran, dass ich eine Frau war und in mir praktisch immer der Drang schlummerte zu sprechen. „Wenn das so ist...ist es mal wieder bewiesen...“, ergriff Ted das Wort als ich ausgesprochen hatte und er die James & Suzie - Geschichte kannte - Er kannte nun sogar den wahren Grund des heutigen Treffens! Ihn irritiert angeblinzelt, legte ich den Kopf schief: „Was meinst du?“ „Ich meine, dass Mann und Frau keine besten Freunde sein können.“ Daraufhin musste ich lachen. Da war ich völlig anderer Meinung. „Ich meine das ernst...“, appelierte er grinsend und setzte seine Rede fort: „Überleg doch mal selbst...ihr wart doch so eine Art beste Freunde.“, wir waren keine besten Freunde gewesen - lediglich gute Freunde, aber das ließ ich mal durchgehen und nickte. „Tja, dann schau jetzt einmal wo ihr geendet seid.“, erneut verzog ich das Gesicht. Ted ließ jedoch nicht locker: „Wie sieht es mit ehemaligen guten Freunden aus? Ist da schonmal was gelaufen?“, neugierig sah er mich an, als ich überlegte... Ob da schoneinmal etwas gelaufen war? Nunja...in der Grundschule hatte ich zwei beste Freunde - Nicolas und Marcus. Wobei mir Marcus schon immer gefallen hatte...und irgendwann als es ab in die Mittelstufe ging und wir uns bloß noch außerhalb jeglichen schulischen Aktivitäten gesehen hatten, hatte mir Nicolas seine Liebe gestanden. Ich war halb durchgedreht, weil ich ihn als guten Freund nicht verlieren wollte - doch durch meine Abfuhr hatte ich das. Und bloß wenige Wochen später waren Marcus und ich uns schnell näher gekommen...unter diesen Umständen hatte ich Jessy kennengelernt. Sie hatte gemerkt, dass ich mich in Marcus verguckt hatte und sie wiederum hatte an einem guten Freund von Marcus einen Narren gefrassen. Ständig war sie ihm nachgelaufen und hatte kein Geheimnis aus ihren Gefühlen gemacht, bis sie auf die Nase gefallen war, weil er nicht den Anschein machte, diese Gefühle zu erwidern. Und als wir uns eines Tages deprimiert über den Weg liefen,fing sie mich ab und sprach das erste mal mit mir. Wir hatten uns schnell zusammengeschlossen und schon damals gerissene Pläne ausgeheckt, um die Kerle zu bekommen,die wir haben wollten. Aber das ist eine andere Geschichte - zurück zum Hier und Jetzt. Nicolas und Marcus bestätigten also Teds Theorie, doch so schnell gab ich nicht auf. Ich musste ihm das Gegenteil beweisen... Was war mit Dean und Deon? Mit ihnen hatten wir uns vor ungefähr vier Jahren eng angefreundet. Wir waren beinahe ununterbrochen zusammen unterwegs gewesen und hatten immer eine Menge Spaß gehabt. Von Liebe und Beziehungen war nie die Rede gewesen - zumindest nicht zwischen uns. Doch hatte sich rausgestellt, dass Dean sich Jessy anvertraut hatte und tiefe Gefühle für mich hegte. Jedoch hatte er sich nie getraut auf mich zuzugehen und mir seine Gefühle zu gestehen - deswegen hatte Jessy es mir gepetzt. Somit war also auch diese Freundschaftstheorie hinüber...damals hatte sich sogar Jessy durch die vielen Treffen schwer in Deon verliebt... Ich schüttelte wild den Kopf, um diese Gedanken wieder los zu werden. „Ich...ähm...“, setzte ich an. Ich wollte ihm nicht zustimmen...! Noch immer war ich davon überzeugt, dass es Freundschaften zwischen Mann und Frau gab,die nicht in einem Beziehungsdrama endeten. „...nur weil das bei mir nicht funktioniert, heißt das nicht, dass es nie funktioniert!“ Lachend ließ sich Ted auf den Rücken fallen und machte es sich auf der Matratze bequem, ich sah ihn bloß trotzig an und hatte die Arme locker verschränkt. Vielleicht sollte ich meine Freundschaften zu den Herren der Schöpfung einschränken... Wobei, nein. Das war albern,ich würde ihm das anders beweisen...irgendwann. „Hey ihr beide, was wird das da unten?!“, riss mich Jessys strenge Stimme aus den Gedanken und ließ mich aufschauen. Von hier unten konnte ich keinen der drei sehen. „Wir unterhalten uns nur ein wenig, immer mit der Ruhe.“, gab ich zurück und traf Teds Blick. Er hatte die Arme hinterm Kopf verschränkt und sah amüsiert nach oben, obwohl auch er nicht mit dem Blick über die Tischkante kam. „Komm her, zieh dich aus...wir müssen reden.“, säuselte er lachend. Auch ich konnte nicht ernst bleiben und stimmte in sein Lachen ein. „Albert da unten nicht rum, kommt hoch!“, unterbrach uns Jessy erneut und schleppte sich an den Rand das Billardtisches, um zu uns runtersehen zu können. Ihr Blick wirkte vorwurfsvoll und verständnislos - gar so, als würde sie fragen wollen, wieso ich kostbare Zeit vergeudete und mich auf der Tatsache, dass James sich vorhin überwunden hatte und auf mich zugegangen war, ausruhte. Als plötzlich der Fernseher ausgemacht wurde, den Ted und ich von unserer jetzigen Position aus ebenfalls nicht im Auge hatten, war es im Raumen stockdunkel. Uns war nicht einmal aufgefallen, dass der erste Film bereits zuende war. Mich auf die Beine geschafft, wanderte ich vorsichtig zum Lichtschalter und legte diesen wieder um. James und Jamie saßen noch immer gemütlich auf den Matten und schienen sich keinen Meter bewegt zu haben. Jessy lag auf dem Bauch und hatte die Arme von dem Tisch baumeln lassen, als sie eben noch mit uns gesprochen hatte. Ich konnte jedoch nicht schnell genug gucken, da stand auch sie schon wieder auf den Beinen und war wieder dabei die Becher zu füllen. „Lasst uns eine Pause machen.“, sprach sie währenddessen zufrieden und spielte erneut Kellnerin. Kaum hatte ich mein Glas wieder in der Hand, setzte ich mich an den Rand des Tisches und sogleich gesellte sich James wieder zu mir, der sein Glas in der Hand drehte. „Was gab‘s zu besprechen?“, wollte er wissen und sah mich eindringlich an. Ich winkte jedoch ab, und beobachtete an meinem Getränk nippend Jessy und Ted. „Komm schon, nur das eine Glas. Stell dich nicht so an!“, meckerte sie ihn an und hielt ihm seinen Drink entgegen. Ted jedoch schüttelte den Kopf: „Nein, ich habe keinen Durst.“ „Das hat nichts mit Durst zu tun...du sollst dich ja nicht betrinken, aber man kann mit Freunden doch mal einen Schluck nehmen. Apropos...wieso bist du eigentlich hier? Nur weil du in den Pausen immer bei uns rumstehst?“, und schon begann James gehässig über Jessys Angriff zu lachen. Ich warf ihm einen warnenden Blick zu. Zwar hatte mich Teds Erscheinen auch sehr gewundert, doch eigentlich fand ich ihn garnicht mehr so seltsam wie anfangs. Okay, er konnte einem unglaublich auf die Nerven gehen...und eigentlich war er nicht der Typ Mensch den ich in meinem Leben brauchte. Aber wenn man mal Zeit mit ihm verbrachte, kam man mit ihm klar - das war die Hauptsache, oder? „Ihr hattet doch nichts dagegen einzuwenden.“, konterte er frech, sodass James sich praktisch dazu gezwungen fühlte sich mit einem lauten Räuspern aufmerksam zu machen. Nun lachte Jessy laut, gab aber nach und stellte das Glas weg. „Man hätte mich ausladen können.“, Ted zuckte mit den Schultern und streckte sich genüsslich. „Das hättest du mir früher sagen können...“, warf James ein. Ich seufzte grinsend, beugte mich zu James hinüber und hielt ihm den Mund zu. „Kein Streit!“, ich versuchte streng zu klingen, musste aber versagt haben, da nicht bloß Ted, sondern auch Jamie und Jessy über mich lachten. Und sicher hätte auch James gelacht, wenn ich ihm nicht den Mund zugehalten hätte. Gegrinst hatte er jedoch ganz sicher. Tja, und mit lockeren Gesprächen, der süßen Versuchung in unseren Gläsern und viel zu lachen, wurde der Abend fortgesetzt bis die nächste DVD eingelegt wurde und Jessy bereits zu schwächeln begann. Sie hatte ihren Kopf auf Jamies Oberschenkel abgelegt und döste vor sich hin, als auch der zweite Abspann lief und ich zwischen Ted und Jamie saß, die Fernbedienung griff und den Fernseher ausschaltete. „Du solltest schlafen.“, tätschelte Jamie Jessy den Kopf und musste selbst gähnen. „Sonst machen wir die Nächte doch auch durch, wieso bist du müde?“, griff ich ein, schleppte mich ein Stück weiter vor und sah Jessy direkt ins Gesicht. „Es ist 3 Uhr morgens, deswegen!“, motzig verschränkte sie die Arme und drehte sich weg. Keiner verlor ein weiteres Wort und ich wand den Blick nicht von ihr ab. „Okay, verschwindet.“, Jessy setzte sich verschlafen auf und sah die Jungs alle nach einander an. Ich war ein Stück zurück gerutscht und ihrem Blick gefolgt. „Ach, uns schiebt ihr also auf der Luftmatratze ab?“, hakte Jamie nach, stand aber bereits auf, um sich seiner Bestimmung des Abends zu beugen, genau so wie es auch Ted tat. „Moment!“, unterbrach James uns alle in unserer Bewegung und blieb sitzen ohne Anstände zu machen, sich zu bewegen: „Denkt nicht einmal daran, dass ich mit dem da auf einer Matratze schlafe.“, er nickte abschätzend zu Ted hinüber, dieser ignorierte ihn jedoch. Wahrscheinlich war es ihm selbst lieber, dass James wiedersprach. Jessy musterte James kurz und hatte sich bereits sitzend in ihre Decke gekuschelt. „Okay, denkt ihr beide nicht einmal daran, dass ich mit euch hier oben schlafe...“ Und schon hatte sie sich auf die Matratze verzogen. Ich hatte etwas dagegen sagen wollen, James Lachen verunsicherte mich jedoch, daher entschied ich mich doch dazu zu schweigen. Das Licht war noch immer aus gewesen, da man DVDs viel besser im Dunkeln schauen konnte. Unsere Augen hatten sich jedoch bereits etwas an die Dunkelheit gewöhnt. Ich hatte es mir neben James gemütlich gemacht und wie auf jedem normalen DVD-Abend wurde natürlich nicht gleich geschlafen. Soblad jemand das Wort ergriff, entwickelte sich ein lockeres Gespräch daraus, so als wäre eigentlich niemand müde gewesen. Ob ich mich ärgerte, den Abend - von ein paar Kuscheleinlagen abgesehen - nicht so genutzt zu haben wie geplant? Nein, immerhin standen uns noch ein paar Stunden bevor. Und wie sich herausstellt, war es besser gewesen, dass Jessy sich aus dem Staub gemacht hatte... → Good Morning,Jessica Baker! Ich hatte in der Nacht um meine Decke und um genügend Platz kämpfen müssen. Irgendwann waren die Stimmen der anderen verschwommen und ich war endgültig weggedämmert. Und als ich morgens von der Sonne geweckt wurde, tat mir nahezu alles weh...es war wirklich eng gewesen! Wieso war ich nicht wach geblieben...? Als Suzies Kichern ertönte, wurde ich daran erinnert warum. „Ich frag erst gar nicht, was ihr daoben treibt oder getrieben habt.“ - und schon blickte Suzie auf und sah zu mir runter. Hatte sie überhaupt geschlafen? „Schon wach? Guten Morgen.“, begrüßte sie mich munter und auch James meldete sich zu Wort, allerdings bekam ich ihn nicht zu Gesicht. Nach und nach wurden auch die anderen beiden wach und als sich James aufrichtete und sein Shirt überzog, setzte auch ich mich und blickte Suzie prüfend an. Schien besser gelaufen zu sein, als ich gedacht hatte. Gestern Abend hatte es nämlich nicht den Anschein gemacht, als hätte sie sich Mühe gegeben, die Burg wie abgesprochen zu stürmen...zugegeben, dass hatte mich enttäuscht. Und verärgert. „Ich hab das Bedürfnis Haare zu waschen.“, murmelte ich und stand auf. Suzies Hand gegriffen, zog ich sie sacht vom Tisch. „Haare waschen? Klingt gut.“, sie ließ sich darauf ein und schon ließen wir die Jungs für einen Moment alleine - in der Hoffnung, dass sie sich benehmen würden. Hinter mir schloss ich die Badezimmertür und setzte mich mit Handtüchern beladen auf den geschlossenen Toilettendeckel, während Suzie sich nach vorne in die Dusche beugte und warmes Wasser über ihre Haare laufen ließ. Komischerweise hatte sie kein Wort verloren, also beschloss ich vorsichtig nachzuhaken: „Und? Hast du überhaupt geschlafen?“ - eine ganz einfache, unschuldige Frage. Suzie stellte das Wasser ab und griff sich die Shampooflasche. „Ab 7 Uhr hab ich ein wenig geschlafen, ja.“ 7 Uhr?! Meine Augen weiteten sich verwundert. Wann hatte ich das letzte mal auf die Uhr gesehen? Kurz bevor wir uns hingelegt hatten...das war gegen 3 Uhr gewesen. Und spätestens um halb 4 war ich eingeschlafen. „Wieso erst so spät?“, auf diese Frage schenkte sie mir ein freches Grinsen. Also doch! Ich wurde sogleich hellhöriger, als wäre ich auf pures Gold gestoßen - das musste jetzt allerdings noch ausgegraben werden! „Ich höre.“ - Und schon begann sie mir seufzend von ihrer Nacht zu erzählen. „Eigentlich hatte ich ihn nicht küssen wollen...nicht schon auf dem DVD-Abend. Aber als er es drauf angelegt hat, konnte ich einfach nicht mehr nein sagen.“ Sie hatten sich also geküsst. Immerhin! Und dieses mal sogar von ihm aus...braver Junge. „Ein gute Nacht Kuss also, ja? Und dann? Ihr habt doch nicht...?“ „Nein,natürlich nicht! Immerhin waren wir nicht alleine.“ „Also ist es beim küssen geblieben, ja? Schwer vorstellbar...“ „Das habe ich nicht gesagt...ich habe nur gesagt, dass es nicht zu weit gegangen ist.“, erneut grinste sie vielsagend. Ich wusste es! Während wir uns also abwechselnd die Haare wuschen und anschließend föhnten, erzählte mir Suzie genaueres über ihre erfolgreiche Nacht - wer hätte gedacht, dass James so rangehen konnte? Und als mit Frühstück ausgestattet zurückkamen und die Jungs wieder eingeschlafen auffanden, sah ich James plötzlich mit ganz anderen Augen. Es waren also doch alle Männer gleich...? Wir belegten uns Brötchen, hatten Tee und Kaffee gemacht und uns eine neue DVD eingelegt, während die Jungs gerade wieder zu sich kamen und sich zu uns gesellten. James und Suzie verhielten sich jedoch auffallend zurückhaltend. Das konnte daran liegen, dass man es sich mit zu viel Nähe schnell bei ihr verspielen konnte...oder einfach daran, dass sich etwas ernstes zwischen ihnen anbahnte. Erst am Abend war ich Zuhause angekommen. Wir hatten brav aufräumen geholfen und uns dann alle auf den Weg gemacht. In Ruhe hatte ich meine Sachen ausgepackt und hatte mich wie fast jeden Abend mit meiner Schwester außeinandergesetzt. Als ich den Fernseher des Wohnzimmers ausgeschaltet hatte und auf die Uhr sah, war es bereits kurz vor Mitternacht, also schleppte ich mich nach oben in mein Zimmer. Suzie hatte mal wieder Glück gehabt, wurde Zeit auch meinem Glück auf die Sprünge zu helfen. Und wenn es mal wieder nur unpersönlich sein würde. Ich lies mich auf meinen Schreibtischstuhl fallen und startete meinen PC - vor dem ich in letzter Zeit immer endete. Kaum war er hochgefahren, hatte James sich bei mir gemeldet. „Und wieder darf ich einer von Suzies Beziehungen auf die Sprünge helfen.“, murmelte ich stolz vor mich her und klickte meinen Posteingang an. Wir führten eine ganze Weile lockeren Smalltalk, bis ich auf die Frage gekommen war, wieso er so spät noch vor seinem PC saß. Er begann mir von einem Abend mit seinen Freunden zu erzählen. Sie mussten ausgelassen gefeiert haben...und die kleine, die Suzies Panik-Attacke und die Verlustangst hervorgerufen hatte, war auch mit von der Partie gewesen. Ich glaube, ich habe mich wirklich in Gina verliebt. - Das war der Satz, der meinen Wutausbruch ausgelöst hatte. Ich hatte kein Blatt vor den Mund genommen und James gehörig die Leviten gelesen - Was glaubte er wer er war? Der Womanzier des Jahres? Nein, sicher nicht...dazu sah er nicht gut genug aus! Wer zur Hölle war Gina?! Was zur Hölle hatte er heute Abend getrieben?! Wieso zur Hölle hatte er sich an Suzie rangeschmissen?! Doch am wichtigsten war...wie zur Hölle sollte ich Suzie das beibringen?! Mein Blick wanderte zu meinem Telefon. Nein, nicht heute Abend...oder doch? Und hinüber war meine Einstellung zu Suzies neuer Beziehungsidee...ich hasste den Kerl. Kapitel 9: Broken Hearts Parade ------------------------------- Kappii 9 - Broken Hearts Parade... → Suzie Hatcher Natürlich erfuhr ich von der Erfüllung des Wochenendes, die James Jessy gestanden hatte. Wozu ich mich entschlossen hatte? - Rache! Niemand legte sich so mit mir an...nicht, wenn es keinen Grund gab. Und erstrecht nicht, wenn man sich erst an mich ranschmiss und sich einen guten Freund von mir nannte. Ted hatte Recht gehabt - James war ein überheblicher Arsch...! Und das wollte ich ihm zu spüren geben. Doch wo endete ich? Nach einer weiteren Woche in der puren Ignoranz die ich James lieferte - womit wir also wieder am Anfang angelangt waren - lag ich am nächsten Wochenende, zu Jessys Geburtstag, betrunken und in Selbstmitleid badend auf ihrem Bett. Sie feierte nicht groß, da sie der Meinung war der 17. Geburtstag war nichts besonderes. Richtig Party gab es erst wieder ab dem 18. Sollte mir recht sein...so konnte ich mein Tief ungestört bei ihr ausleben und musste nicht länger aufgesetzt lachend durch die Gegend hüpfen und so tun, als würde mir sein Verhalten egal sein, weil ich sowieso nichts von ihm wollte. Mein Glas Whisky angehoben sah ich sie deprimiert an: „Scheiß auf die Kerle, die haben uns nicht verdient.“ - denn nicht nur mich hatte die Realität geohrfeigt... → Jessica Baker Ja, auch ich war auf die Nase gefallen...mal wieder. Patrick hatte sich nicht mehr bei mir gemeldet. Weder übers Internet, noch in der Schule. Dabei war ich ihm immer extra über den Weg gelaufen und hatte ihm heimliche Blicke zugeworfen. Und obwohl ich ihm des öfteren absichtlich über den Weg gestolpert war und er mich gar nicht hatte übersehen können, würdigte er mich keines Blickes. Stattdessen verschwendete er seine Zeit damit, einer unscheinbaren Blondine seines Jahrgangs nachzurennen...die Kleine war mir zwar nicht neu - damals auf dem Fest, auf dem Suzie von mir dazu gezwungen wurde ihre Gefühle James zu gestehen, hatte die Kleine ebenfalls verdächtig oft an ihm geklebt - doch hatte ich diese schmerzende Tatsache verdrängt und mir keine weiteren Gedanken darüber gemacht...jetzt tat ich es. Völlig neu hingegen war sein Verhalten. Immer wieder sichtete man die beiden zusammen. Lachend, herumalbernd, sogar den ein oder anderen zaghaften und doch vielsagenden Blick übersah ich nicht. Ich gestand ihn mir nur nicht ein. Für mich kam nur ich an seiner Seite in Frage...er brauchte mich! Wobei, nein. Wenn ich einmal ganz kurz ehrlich zu mir selbst war, dann schien er mich nicht im Geringsten zu brauchen - ich brauchte ihn. Ich hatte die Nase voll davon an die falschen Kerle zu geraten, die mich ohnehin nicht glücklich machen konnten. Ich hatte die Nase voll davon alleine zu sein...und obwohl ich keine guten Erfahrungen in Sachen Beziehungen gemacht hatte und Suzies Lebenseinstellung, dass es die wahre Liebe ohnehin nicht gab und alles bloß auf der puren Angst des Alleinseins beruhte, teilte...wollte ich ihn mehr als alles andere in meinem Leben. Wieso? Ich wusste es nicht - wer seine Liebe erklären kann, liebt mit dem Kopf, nicht mit dem Herzen. Und so hob auch ich mein Glas an und schenkte ihr ein geknicktes Lächeln, bevor wir anstießen und beide in einem Zug unsere Drinks leerten. Insgeheim war ich froh, dass wir beide zur selben Zeit einen Rückschlag erlitten hatten...so war keine von uns mit ihrem Kummer alleine. Und mit jedem Schluck sah ich Suzies gewohntes Selbstbewusstsein und ihren anfänglichen Optimismus immer mehr verschwinden. Wann hatte sie das letzte Mal einen Korb bekommen? Konnte man Dan Fox dazu zählen...? Vielleicht. Und falls nicht...tja, dann war dies hier das erste Mal. An meinen ersten richtigen Liebeskummer konnte ich mich noch ganz genau erinnern - Deon. Er hatte mich damals zerstört, als er mir ins Gesicht gelacht hatte und dabei die Worte: „Das mit uns wird nichts.“, an mich gerichtet hatte. Erst Wochen später hatte Suzie mich aus meinem Zimmer locken können und mich erfolgreich Stück für Stück wieder aufgebaut. Neben ihren Sorgen schienen meine plötzlich ganz klein, obwohl sie mir noch immer schwer im Magen lagen. Bevor ich jedoch aufstehen konnte, öffnete sich ruckartig meine Zimmertür und meine kleine Schwester erwischte uns in flagranti mit einer frisch angebrochenen Whiskyflasche, die Percy mir zum 17. geschenkt hatte. Sie riss die Augen weit auf und schob die Tür hinter sich zu. Suzie war gerade dabei nachzuschenken und drehte sich nicht einmal zu Julie um, die ihr egal zu sein schien. „Seid ihr irre?! Was tut ihr da?! Was ist, wenn euch jemand erwischt - ihr seid tot!“, sprudelte es hektisch aus ihr heraus. Wir hatten unser eigenes Stockwerk. Meine Eltern ließen sich, wenn ich Besuch hatte, nur äußerst selten hier Blicken, also winkte ich gelassen ab: „Mach mal halb lang. Uns erwischt keiner.“ Julie wollte gerade wieder protestieren, als ihr Suzies Gesicht auffiel. Verwundert zog sie die Augenbrauen zusammen und setzte sich zu ihr aufs Bett. „Su? Was ist los?“, und kaum hatte sie angefangen meiner Schwester, die durch mich auch eine Art Freundin von ihr geworden war - oder vielleicht sogar zusätzliche kleine Schwester -, zu erzählen was passiert war. Am Ende der Geschichte, die mit dem letzten Satz endete, den ich von James gehört hatte, liefen ihr plötzlich Tränen über die Wangen. Beinahe hektisch zappelte Julie vor Suzie rum und nahm sie schließlich unbeholfen in den Arm. Hatte Julie sie vorher schon einmal weinen gesehen? Sogar ich tat das äußerst selten...sie weinte nicht. Erstrecht nicht wegen eines Jungen - jetzt schon. Und genau diese Situation überforderte uns beide völlig. „Nicht weinen Suzie, bitte.“, wollte Julie sie trösten und sah mich hilfesuchend an. „Er ist das nicht wert...du bist wundervoll.“, traurig schüttelte sie den Kopf, wich von meiner kleinen Schwester zurück und trocknete still schweigend ihre Tränen, als wäre es ihr peinlich gewesen den Kampf gegen sie verloren zu haben. Ich musste zugeben. Mir ging Suzies Stimmung sehr nahe...sie rührte sogar mich beinahe zu Tränen. Wer sah seine beste Freundin schon gerne weinen? Und hinzu kam, dass auch mein Ego mal wieder gewaltig angekratzt war - doch ich konnte mich fangen. „Wir machen jetzt etwas lustiges - zur Ablenkung!“, beschloss Julie und versuchte aufmunternd zu lächeln, ehe sie aufstand und mich neben Suzie auf das Bett zitierte. Sie reichte mir mein nun wieder gefülltes Glas und erblickte an der Seite des Bettes eine ungeöffnete Wodkaflasche. Natürlich...wenn wir abstürzten, dann war unser bester Freund der Wodka immer mit dabei - aber das wisst ihr mittlerweile. „Ähm...wollt ihr euch umbringen?“, Julie zeigte auf die Flasche und sah dann streng zu uns. Ich beugte mich zur Seite und griff nach der Flasche, diese hatte Su mitgebracht. „Oh Mist!“, meldete sich Suzie endlich wieder zu Wort und nahm mir die Flasche aus der Hand: „Die kann ich unmöglich wieder mit heim nehmen...ich verstecke die schon Tage lang in meinem Rucksack. Meine Eltern würden ausrasten.“, wir tauschen bloß einen kurzen Blick aus und ich wusste sofort was in ihrem Kopf vorging. Schulterzuckend trank ich einen großen Schluck meines Whiskys, Suzie tat es mir nach. Kaum war genug abgetrunken, setzten wir die dämlichste Idee, die uns jemals gekommen war in die Tat um und öffneten die Wodkaflasche, um ihren Inhalt mit unserem Whisky zu mischen. [Macht das besser nicht nach, liebe Kinder! Niemals!] Julie traute sich nicht uns reinzureden und ließ sich bloß seufzend auf meinem Schreibtischstuhl nieder, während sie uns den Drink des Todes probieren ließ. Mir zog sich jeglicher Gesichtsmuskel zusammen und die Mischung drohte all meine Geschmacksnerven qualvoll zu töten, doch... was im Glas endete musste getrunken werden... „Okay...was war doch gleich deine Idee?“, wand ich mich an Julie. Freudig klatschte meine Schwester in die Hände, als hätte sie den ganzen Abend auf nichts anderes gewartet. Ich merkte bereits wie mein Kopf schwerer und mir langsam warm wurde. Nicht mehr lange, dann endete das hier in einer Katastrophe - ich sah es kommen, trug in mir jedoch das tiefe Bedürfnis meinen Kummer für einen Moment zu ertränken, auch wenn man das eigentlich nicht tat und das für mich Neuland war. „Wir spielen ein Spiel...ich stelle Fragen und wer sie als erstes richtig beantwortet, hat gewonnen. Der Verlierer muss einen Schluck von diesem...Zeug...trinken.“, stolz über ihre Idee sah Julie uns an und wartete auf unsere Einwilligung - die sie zu unserem Übel bekam. → Suzie Hatcher again Ich musste zugeben, mir gefiel die Idee irgendwie. Ablenkung war bei mir im Moment gerne gesehen, außerdem wollte ich nicht wieder über James reden müssen - aus Angst vor einem weiteren Zusammenbruch, den er nicht verdient hatte. Dass Julie uns sozusagen ein Trinkspiel vorschlug, obwohl sie gegen das Konsumieren von Alkohol war, unterhielt mich sogar. Und kaum hatten Jessy und ich zugestimmt und uns aufgerichtet, verkündete Julie grinsend die erste Frage. Ich gab mir alle Mühe gerade zu sitzen, doch musste ich erkennen, dass mir das bereits schwer fiel. „Okay, das erste Gebiet nennt sich Mathematik!“, verkündete Julie und gab sich alle Mühe nicht über unsere Gesichtsausdrücke zu lachen. Mathe? Wo war ich hier? In der Schule...?! Seufzend sah ich sie an und wollte protestieren, doch dazu ließ sie mir keine Zeit: „10*3?“, fragte sie belustigt. Sie ritt eindeutig auf unserer akuten Mathephobie herum. Unheimlich jedoch war viel mehr, wie lange wir überlegen mussten...ja, wir waren absolute Versager in Mathe. Doch so schlimm war es nicht! Dieses peinliche Ereignis konnte ich also getrost auf den Alkohol schieben. „30...?“, antwortete Jessy vor mir zögernd, was Julie dazu verleitete laut zu lachen: „Ihr seid so unglaublich schlecht in Mathe...“, brachte sie hervor, und krümmte sich leicht. „Aber du hast Recht. Su, trink!“, sie schien Gefallen an ihrer Rolle der Ansagerin zu fressen und ich tat, was sie sagte. „12*6?“, und wieder Mathe, was mich und Jessy erneut die Augen verdrehen ließ. „72!“, rettete ich jedoch meine Ehre, doch Jessy widersprach und so überdachte ich meine Rechnung. „Sie hat recht...“, doch Julie sah man ebenfalls an, dass Jessy sie verwundert hatte. „Nein, 74!“ - und schon begannen Julie und ich zu lachen. Es dauerte einige Sekunden bis Jessy ihren Fehler einsah und beschämt wegsah: „Okay, okay...ich trinke.“ - gesagt, getan. Es folgten weitere Fragen und andere Spielchen bei denen Julie uns immer weiter an den Abgrund führte und als Jessy bloß noch am Lallen, laut Lachen und Meckern war, verzog sich Julie genervt. Ich hatte ihr grinsend nachgesehen und Blicke auf mein halbvolles Glas nieder. Das würde ich nie im Leben alles noch trinken können... „Su?“, vernahm ich plötzlich Jessys Stimme, die nur noch ein angestrengtes Flüstern war. Ich hatte den Kopf gehoben und sie angesehen. Ihre Augen waren rot und ich war mir sicher, dass das nicht am Alkohol lag. Sie hatte mir von Patrick und ihren Sorgen erzählt, als ich unbeschwert gespielt hatte. „Er will mich nicht mehr. Ich habe meine Chancen nicht genutzt und deswegen gewinnt eine andere...ich hätte nicht immer so feige flüchten sollen, sobald eine Sekunde des Schweigens eintrat...“, und dann fing auch Jessy an zu weinen. Seufzend nahm ich ihr das Glas ab und stellte meines ebenfalls weg, um sie in den Arm nehmen zu können. Erschreckenderweise fühlte ich mich plötzlich wieder viel besser. Als hätte mich ihr Zusammenbruch zurück auf den Boden geschubst und mich dazu gezwungen, klar im Kopf zu werden. Wir waren sonst nie gleichzeitig betrunken, damit eine immer auf die andere aufpassen konnte. Ihr behutsam übers Haar gestrichen, suchte ich nach den richtigen Worten, doch ich fand keine. Wir hatten beide selbst Schuld an unserer Situation...ich hatte James damals loswerden wollen, jetzt wollte ich nichts mehr als ihn behalten. Und Jessy? Tja, Jessy hatte stets darauf gewartet, dass Patrick auf sie zuging und hatte selbst nur viel zu selten den Schritt gewagt. Jetzt konnte es zu spät sein. Doch diese Gedanken behielt ich lieber für mich, da sie keineswegs aufmunternd waren. „Ich habe alles kaputt gemacht...“, schluchzte sie ungehalten und lehnte den Kopf an meine Schulter. Und auch ich konnte nicht anders, als mich von ihrer Laune anstecken zu lassen und erneut den Tränen freien Lauf zu gewähren. Als die Tür zu ihrem Zimmer erneut aufgerissen wurde, sah keine von uns beiden auf. Julie stand erneut im Türrahmen und beäugte uns verständnislos. „Ich hasse Alkohol.“, schimpfte sie genervt: „Ihr habt echt einen an der Klatsche!“, und schon flog die Tür wieder zu. Wo wir nach weiteren Minuten der Sentimentalität endeten? Dreimal dürft ihr raten...es hatte keine 20 Minuten gedauert, da war ich mit Jessy im Schlepptau ins Badezimmer gestolpert und hatte sie über der Kloschüssel platziert, die sie bereitwillig und dankbar umarmte. Nicht alles, dass sie im Bad eingeschlafen war... Und natürlich blieb unsere Privatparty nicht unentdeckt, da Jessy nachdem sie sich ausgeschlafen hatte auch am Morgen noch hektisch das Bad aufgesucht hatte. Doch Ärger hatten wir keinen bekommen...unsere Eltern verließen sich auf uns. Und auch wenn wir gerne einmal einen Drauf machten und das nicht selten vorkam. So schlimm waren wir sonst nie gewesen...und passiert war uns auch nie etwas. Das war der Abend der Jessy die Vorliebe für Whisky gestrichen hatte. Und er brachte noch etwas Gutes zum Vorschein...wenn man sich erst einmal so richtig ausgeheult hatte - ob nun betrunken oder nicht - fühlte man sich gleich viel stärker. Ich wusste jetzt, was ich wollte! Ich wollte James entweder endgültig vor die Wahl stellen und ihn an meiner Seite sehen...oder ihn bluten lassen. Und dreimal dürft ihr raten, was mir von Anfang an besser gelang... → Jessica Baker Am Abend hatte ich mich endlich wieder besser gefühlt. Und ganz heimlich hatte es mich wieder vor den PC gezogen. Eine gefühlte Ewigkeit hatte ich Patricks Anzeigebild in meiner Kontaktliste angestarrt und auf ein Wunder gehofft. Doch nichts passierte. Mitten in der Nacht hatte mich schließlich die Müdigkeit übermannt und ich war missmutig unter die Bettdecke geklettert. Wo nahm Suzie den plötzlichen Mut her? An meiner Einstellung hatte sich nichts geändert...noch immer war mir zum Weinen zumute, doch ich gab mir alle Mühe mich zurückzuhalten und zog die Decke enger um mich. Hatte ich wirklich schon verloren...? Kapitel 10: Pain... ------------------- → Suzie Hatcher Ja, wir hatten Ärger dank der 2-Mann-Party bekommen. Und ja, seitdem hasste Jessy Whisky mehr als das blonde Mädchen an Patricks Seite. Ich hatte Hausarrest aufgebrummt bekommen - da Jessys Eltern mittlerweile gute Freunde meiner Eltern waren und schadenfroh gepetzt hatten [...wenn ihr schlau seid, lasst es niemals so weit kommen - befreundete Eltern machen nur Ärger!...] -, doch war es für meine Eltern üblich, dass sie solche Strafen nicht lange durchzogen und nach einer Entschuldigung alles wieder vergaßen - So also auch diesmal. Jessys Eltern waren strenger...und so hatten wir uns dazu entschieden, uns zurückzuhalten und eine nächste Übernachtung aufzuschieben. Normalerweise endeten wir beide alleine nicht in solchen Situationen, doch hatten wir unsere Gründe gehabt...ihren Geburtstag und die unheimliche Macht unserer Emotionen. Die folgenden Tage liefen also eher eintönig ab. Ich saß viel zuhause herum, drückte mich um jegliche Schulaufgaben und fiel meiner kleinen Schwester auf die Nerven. Doch gibt es auch Positives zu berichten...ich hatte es geschafft James gnadenlos zu ignorieren. Er hatte einige verständnislose Anläufe versucht, um mir zu entlocken, was mich so handeln ließ - doch hielt ich dicht. Sollte er sich ruhig den Kopf zerbrechen. Wobei, eigentlich lag es doch auf der Hand, oder? [Wieso gehen Kerle eigentlich immer davon aus, dass beste Freundinnen sich nicht wirklich alles erzählten, sondern diesen Spruch nur aus Höflichkeit äußerten? Jessy und ich schwiegen uns jedenfalls nicht an...davon abgesehen, dass wir kleine Plaudertaschen waren, waren Themen wie dieses wichtig. Das behielt man nicht für sich und ließ die jeweils andere ins offene Feuer rennen.] Doch irgendwann hatte er es morgens geschafft mir so auf die Nerven zu gehen, dass die Worte wütend und rücksichtslos aus mir herausplatzten - so war Wortkotze nunmal, knallhart. „Tu nicht so, als gäbe es keinen Grund für mich dich auf immer zu verabscheuen!“, hatte ich ihn angebrüllt. Zwar hatte er mich von den anderen weggezogen und sich ein paar Meter mit mir entfernt, doch ging ich davon aus, dass man uns hören konnte. Mich zumindest: „Ich bin Geschichte, okay? So behandelt man keine Leute, die einem angeblich wichtig sind!“, perplex sah er mich an, während ich sprach, was mich noch wütender machte. „Beruhige dich und sprich normal mit mir...“, doch ich ignorierte auch diese Bitte. Normal sprechen? Wir waren hier nicht bei Wünsch dir was - wären wir dort gewesen hätten Jessy und ich längst bekommen was wir wollten. Patrick und James. „Ich rede mit dir, wie ich will! Am besten du lässt mich ein für alle mal in Ruhe! Du hast mit dem ganzen Unsinn angefangen! Ich bin doch nicht deine Bettgeschichte für zwischendurch!“, er zog die Augenbrauen zusammen und öffnete die Lippen, um zu protestieren wobei er meinen Arm griff und leicht festhielt - wahrscheinlich wollte er mich beruhigen, doch war ich völlig in Fahrt gekommen. Und wenn ich erst einmal loslegte, beruhigte ich mich erst dann, wenn ich mich dazu entschied...und das war eindeutig noch nicht jetzt. Meinen Arm weggezogen, funkelte ich ihn warnend an: „Fass mich nicht an, verzieh dich! Lass dich am besten von Gina trösten!“, dann suchte ich das Weite. Jessy hatte noch nicht bei den anderen gestanden, kam mir aber gerade nichts ahnend entgegen. Sie abgefangen, sprach mein Blick wohl Bände, also sagte sie nichts und begab sich mit mir auf den Pausenhof für eine Notsitzung - ich brauchte Beistand, dachte sie. Dabei fühlte ich mich gerade wirklich gut. „Soll er nur sehen, wer ihm wichtiger ist...“, grummelte ich leise. Ja, sie oder ich! Und damit war das Thema für die nächsten Tage durch. Weder sprechen noch sehen musste ich James, da er nun auch mich mied. Anfangs ging mir die ganze Situation näher, als ich zugeben wollte...und gerade als ich mich daran gewöhnt hatte, erwartete mich eines weiteren Morgens eine Überraschung. Ich war ohnehin spät dran gewesen und lief über den leeren Schulweg auf das Gebäude zu. Bereits von weitem hatte ich James erkannt und nahezu automatisch hatte sich mein Schritttempo verringert. Was nun? Wartet er auf mich? Ich zögerte und überlegte krampfhaft, wie ich reagieren sollte. Ich biss mir auf die Unterlippe und senkte den Blick, sodass mir die Haare ins Gesicht fielen. Wieso jetzt? Ich war kurz davor gewesen mit dem Theater abzuschließen. Und als ich drauf und dran war einfach an ihm vorbei zu gehen, blieb ich plötzlich doch auf seiner Höhe stehen und drehte ich seufzend zu ihm: „Was willst du?“, ich hatte gemerkt, wie er mich angeschaut hatte und als ich aufsah, trafen sich unsere Blicke endlich. Er sah unsicher und deprimiert aus. Sehr deprimiert... „Hör mal, ich kann nicht ohne dich, Su. Bitte lass uns in Ruhe reden.“ „Eigentlich habe ich keine Lust zu reden.“, antwortete ich trotzig und drehte den Kopf weg. „Sei nicht so stur...bitte. Du hast ja keine Ahnung, wie wichtig du mir bist...ich dachte nur immer...“, und weiter kam er nicht, da ich ihn unhöflich und feige unterbrach. „Hör mal, ich bin echt spät dran...ich muss rein.“, eine lahme Ausrede. Immerhin hatte er genau so Unterricht, wie ich. Doch ich ließ mich nicht davon abbringen und schritt eilig davon, bevor er noch etwas sagen konnte. → Jessy Baker on her way. Auch ich war an dem besagten Morgen zu spät...normalerweise traf ich Suzie oft vor dem Unterricht, dann suchten wir beide unsere Klassen auf, da wir nach den ganzen Wochen noch immer keinen Überblick in den neuen Schulgängen fanden. Doch dieses Mal traf ich nicht Jessy an, ich traf James an. Kaum hatte er mich gesehen, bewegte er sich langsam auf mich zu. Ich zog die Augenbrauen zusammen. Er hatte mich völlig aus dem Konzept gebracht. Gerade hatte ich mir noch Mut zugeredet, Patrick heute abzufangen...vielleicht würde ich ja nach der Schule ein Stück mit ihm laufen können. Und wenn er in eine andere Richtung musste - auch kein Problem. Ich würde einfach so tun, als wäre unser Heimweg derselbe. „Jessy? Warte mal kurz.“, hatte James das Wort ergriffen und ich blieb stehen. Er sah aus, als hätte er drei Tage nicht geschlafen. Seine Stimme klang leise und vorsichtig, beinahe so als könnte ich ihn bei jedem möglichen falschen Wort anfallen. „Was...?“, zwang ich mich seufzend dazu, ihm eine Chance zu geben. „Es tut mir Leid...wirklich. Ich wollte niemandem wehtun - erstrecht nicht Suzie. Ich hatte nur Angst um unsere Freundschaft und deswegen...“, versuchte er mir zu erklären und sah vor sich auf den Boden. Wie ein kleiner Junge, der gerade gestand, dass er eine wichtige Regel gebrochen hatte und deswegen hilflos seiner Strafe ins Auge blickte. In meiner Magengegend machte ich auf einmal unheimliches Mitleid breit...so kannte ich James gar nicht. Zerbrechlich und verletzt. Ich kramte in meinem Oberstübchen nach aufmunternden Worten, doch war ich darin nicht besonders gut...erstrecht nicht James gegenüber, da das positive Bild, das ich von ihm hatte, bei mir völlig ins Negative abgerutscht war. „Suzie geht‘s gut...“, versicherte ich ihm also schief lächelnd. Und dann das unerwartete...als er aufblickte, hatte er Tränen in den Augen. Ich blinzelte überfordert, und dachte im ersten Moment, dass meine Wahrnehmung mir einen Streich spielte. Vielleicht musste ich zum Augenarzt... Doch als ihm die erste Träne heimlich über die Wange lief, ergriff mich mein schlechtes Gewissen völlig. Der arme Kerl litt! Streit hin oder her...wir waren einmal Freunde gewesen und das hier konnte ich nicht mit ansehen - Suzie musste geschimpft werden! „Hey, nicht weinen. Halb so wild, lass ihr einfach erstmal etwas Zeit.“ „Jessy? Pass auf Suzie auf, ja?“, und dann drehte er sich um und lief davon. Ich war schockiert zurückgelassen worden und schluckte schwer, wobei ich mich selbst dabei erwischte, Tränen zu unterdrücken. Was war nur alles kaputt gegangen? Sie hatte es tatsächlich geschafft. [Ich habe es euch ja gesagt, Suzie bekam immer was sie wollte!] Als ich mich wieder gefangen hatte, schüttelte ich den Kopf, als wäre alles bloß ein Traum gewesen, doch wusste ich, dass es wirklich passiert war. Meine Beine bewegten sich wie von selbst, trugen mich die Treppe hoch und bogen in den Flur in dem Suzie bereits mit ein paar Leuten ihrer Klasse stand. Sie hatte mir den Rücken zugewandt, was sie erschrocken herumfahren ließ, als ich ihren Unterarm grob griff und mitzog: „Ich muss mit dir reden - JETZT.“, mein Weg führte ins Mädchenklo, wo sich um diese Uhrzeit noch niemand befand. Und es roch sogar noch überraschend...menschlich annehmbar. „Was ist los...?!“, hatte sie die paar Meter über protestiert und wollte sich losmachen, doch gelang es ihr nicht. „Wie machst du das eigentlich...jeder deiner Kerle heult sich bei mir aus!“, schimpfte ich los und verschränkte die Arme. Damals hatte Dean bereits bei mir geweint, nachdem Suzie Schluss gemacht hatte. Und eigentlich griff Suzie sich keine Heulsusen, ganz im Gegenteil...sie verwandelte nur jeden Typ in eine. „James, richtig?“, er hatte also auch schon sie abgefangen? Ich war mir nicht sicher, ob ich wissen wollte, was sie ihm an den Kopf geworfen hatte, dass ihn zum Weinen gebracht hatte. „Ich habe nichts getan, er ist der Übeltäter - das weißt du. Ich habe ihm unten lediglich gesagt, dass ich weder Zeit noch Interesse an einer Aussprache habe.“ Ich legte den Kopf schief. Tja, manchmal konnten auch kleine Worte das Fass zum überlaufen bringen, es mussten nicht immer Schläge unter die Gürtellinie sein. „Er hat geweint!“, Suzie hatte wild vor mir herum gestikuliert, hielt bei meinen ernsten Worten jedoch abrupt still: „...was?“, brachte sie schwach über die Lippen. „Du hast mich schon verstanden, er bereut was er getan hat...du hättest ihn mal sehen müssen. Er ist total fertig, das ist schrecklich! Ich wusste, dass er in dich verliebt ist!“ Doch Suzie war nicht ganz so einfach zu überzeugen. „...ich meine das ernst, rede mit ihm. Du machst ihn kaputt. Ihr wart immer füreinander da und jetzt? Jetzt gibst du ihm das Gefühl ein verhasster, ungeliebter Vollidiot zu sein.“ „Seit wann nimmst du ihn in Schutz?! Er hat es verdient...du weißt, wie ich mich gefühlt habe!“, ich seufzte leise und verdrehte genervt die Augen. Ja, ich war auf ihrer Seite – immer noch. Doch jetzt wussten wir, wie er litt. Und dass sie ihm wichtig war - so wichtig wie sie es sein wollte. Genügte das nicht? „Es war einfach unheimlich traurig mit anzusehen...so traurig, dass ich beinahe mitgeweint hätte.“, sprach ich kleinlaut aus und wich ihrem Blick aus. Ich wusste, was jetzt kam...und siehe da meine Befürchtungen wurden wahr: Sie lachte. Und weil sie es laut und ungehalten tat, konnte auch ich mich nicht zurückhalten und stimmte in ihr Lachen ein. Plötzlich war meine Wut auf sie und meine Sorgen über ihn vergessen. Suzie würde das schon regeln...oder? → Let‘s listen to Suzie. Zugegeben...ich war ziemlich schockiert über Jessys Neuigkeiten. Und wie das bei Frauen so war, redete ich darüber. Es war nicht so, dass ich es rumerzählte. Eigentlich hatte ich es auch bloß Tia anvertrauen wollen, um ihre Meinung zu hören...sollte ich ihm eine Chance geben und hatte ihn genug zappeln gelassen oder war er womöglich doch einfach der Falsche für mich? Doch irgendwie schien das Thema Suzie&James zu viele Interessenten zu finden, sodass auch Personen, die ich nicht direkt darauf angesprochen hatte, ihre Ohren dort platzierten, wo sie auch bloß kein Detail verpassten. „Er hat wirklich geweint?!“, platzte es Jenna auf dem Heimweg heraus und somit ließ sie mich diese Frage erneut seufzend mit einem Nicken beantworten. „James...? Wow...so kenne ich ihn garnicht.“ - Ja, das hatten auch alle erwähnt. „Moment,du hast ihn zum weinen gebracht?!“, mischte sich nun auch Ted ein, der oft mit uns lief, da er in die selbe Richtung musste. Ted und Jenna waren soetwas wie beste Freunde, hatte ich in Erfahrung bringen dürfen. Und wenn Jenna wirklich schockiert über meine Neuigkeiten gewesen war, würde sie Ted früher oder später sowieso davon erzählen - Plappern war typisch für Frauen, wie gesagt. Lachend warf Ted einen Arm um mich und drückte mich leicht an sich, was mich irritiert zu ihm hochsehen ließ. „Ich fange an, dich immer mehr zu mögen!“, lobte er mich stolz und ließ dann auch schon wieder von mir ab. Zugegeben...ich hatte auch lachen müssen. Aber eigentlich eher aus Verblüffung. Jetzt, wo ich länger über die Umstände nachgedacht hatte, machte es mir doch zu schaffen. „Rede endlich mit ihm und erlöse ihn von seinem Leid!“, Jenna stieß mir ihren Ellenbogen in die Seite und ließ mich zusammenzucken. Doch ich fand nicht den Mut dazu... Den gesamten Rest der Woche setzte ich meine Flucht vor James fort. „Suzie! So machst du es nur noch schlimmer.“, seufzend verschränkte Jessy die Arme und sah auf mich herab. Sie stand ungeduldig vor mir, während ich mich auf die ersten Stufen einer Treppe des Schulgebäudes gesetzt hatte: „Wovor drückst du dich?“ Wovor...? Eigentlich wusste ich das selbst auch nicht so genau. Vielleicht vor einer plötzlichen Beziehung mit einem guten Freund? Vielleicht aber auch vor der Möglichkeit, dass wir uns nicht zusammenrauften und für immer mit Ignoranz strafen würden...wollte ich ihn überhaupt noch? „Ich weiß nicht, ob ich ihn noch will...“, bei diesen Worten verengten sich Jessys Augen prüfend. „Süße...wann hast du das letzte Mal so einen Aufstand wegen einem Kerl geprobt? Lass mich überlegen...“, sie legte den Kopf schief und sah gespielt nachdenklich in die Luft: „...ahh! Noch nie. Als ob du ihn nicht wollen würdest...du leidest ganz einfach unter akuter Bindungsangst. Du siehst einen Kerl, willst ihn unbedingt haben und wenn er dich auch will, verlierst du den Mut und schließlich das Interesse.“ Jessy hatte Recht...ich war gegen Beziehungen. Woher das kam? Tja, vielleicht von den Erfahrungen, die ich in der Vergangenheit bisher gesammelt hatte. Man malte sich alles nahezu perfekt aus und im Endeffekt wurde einem bloß jegliche Freiheit geraubt und keine Luft zum Atmen gelassen. Und weil ich ein Mensch war, für den es unmöglich schien 24 Stunden mit ein und der selben Person zu verbringen, weil ich auch mal meine Ruhe brauchte, war ich mir in jeder Beziehung vorgekommen, als hätte man mich in Ketten gelegt... und mal ganz ehrlich, wer wehrte sich nicht gegen ein solches Gefühl und verlor die Lust? Aber das schlimmste an der ganzen Sache war eindeutig, dass ich rücksichtlos anfing um mich zu schlagen, wenn ich mich eingeengt fühlte. Und dabei wurden oft Gefühle verletzt. „Du weißt, wo das enden wird...“, seufzte ich leise und legte den Kopf auf den Knien meiner angezogenen Beine ab. „Schon möglich, dass es nicht hält und in die Brüche geht...aber dann hast du es wenigsten probiert. Und denk immer daran - Schnewittchen hatte vor ihrem Prinzen auch erst sieben Zwerge!“, Jessy sah mich grinsend an und schaffte es mal wieder mich aufzumuntern und mir ein halbherziges Lachen zu entlocken. „Vielleicht ist er ja gar nicht so anhänglich und besitzergreifend, wie deine vorherigen Kerle es waren.“, Jessy zuckte mit den Schultern und streckte sich, als die ersten sich wieder in ihre Klassen begaben. Und so musste auch ich aufstehen und zu den letzten beiden Stunden antreten - Mathe. Herrlich... Kaum war der Freitag vormittag abgeschlossen, hatte ich mich Zuhause in meinem Zimmer aufs Bett geworfen und nachdenklich an die Decke gestarrt. Die Zeit arbeitete gegen mich und verflog viel zu langsam. Was den vielen Gedanken in meinem Kopf alle Zeit der Welt verschaffte, durch meinen Kopf zu jagen. Ohne es wirklich zu bemerken war ich eingeschlafen und von dem Klingeln meines Handys geweckt worden. Mürrisch verzog ich das Gesicht und setzte mich mit zerzausten Haaren auf. Auf dem Display meines Handys blinkte der Name von Percy. „Huh?“ Mir kurz die Augen gerieben, hob ich ab und nahm Percys freudige Begrüßung wahr. Wir unterhielten uns nicht lange,da er schnell zum Punkt kam: „Hast du Lust heute abend vorbeizukommen? Ich habe endlich eine eigene Wohnung und dachte, wir weihen sie mit einer kleinen Privatparty ein.“, im ersten Moment wusste ich nicht was ich antworten sollte. Eine Privatparty? Nur er und ich? Das klang nach Unanständigkeiten...und darauf würde ich mich was percy betrifft sicherlich niemals einlassen. Es gibt diese Menschen bei denen man sagt,dass man niemals etwasmit ihnen haben würde - und am Schluss kam doch alles anders. Doch zwischen Percy und mir würde garn sicher niemals etwas laufen! „Ähm...alleine?“,hakte ich skeptisch nach und legte mir bereits eine mögliche Ausrede zurecht. „Nein,Dummchen. Jessy ist auch herzlich eingeladen. Und Tobi ist auch schon hier.“ - zu 4. also. Klang nicht nach einer großen,spannenden Feier...doch da ich ohnehin nichts vorhatte und percy mich nicht alleine empfangen würde,stimmte ich schließlich zu und klärte alles weiter ab. Jessys Nummer eingetippt, als ich aufgelegt hatte, konnte ich auch sie schnell überzeugen und so wurden wir um 22 Uhr von Tobi und Percy abgeholt um den nächsten Absturz zu erleben. Percys Wohnung bot mir den Anblick eines typischen Männerhaushalts. Zwar hatte er uns versichert für uns aufgeräumt zu haben, doch schien es so, als würden Kerle den Begriff Ordnung weitaus lockerer bewerten. Meine Tasche abgestellt, schritt ich durch den schmalen Flur in einen Raum, der groß genug war, um das Wohn- und Esszimmer darzustellen. In einer verborgenen Ecke, die man erst auf den zweiten Blick bemerkte, hatte eine moderne Einbauküche ihren Platz gefunden. Stolz lächelnd hieß Percy uns in seinem trauten Heim willkommen und bot uns einen Platz auf dem Sofa an, den wir zufrieden annahmen. Nicht luxuriös, doch durchaus gemütlich und ausreichend. Besonders für heute Abend - oder Nacht - waren wir gut untergebracht. Jessy rutschte neben mir auf dem Polster rum und sprang dann auch schon wieder auf die Beine, da sie mal wieder nicht still sitzen konnte. Sie entschied sich, Percy mit den ersten Getränken und dem Knabberzeug zu helfen, welche sie eigentlich jedoch genaustens unter die Lupe nahm. In der Zeit hatte Percy uns alle mit Bier versorgt. Ich hielt die geöffnete Flasche in der Hand und beobachtete die beiden, wobei mir Tobis Blick entging, der wohl die ganze Zeit über auf mir gelegen hatte. „Auf einen spannenden Abend!“, gab Jessy zufrieden von sich, als sie sich die erste Tüte Nachos gegriffen hatte, einen Schluck Bier nahm und sich dann begann mit dem Knabberzeug vollzustopfen. Sie hatte gemütlich neben mir gesessen und in kleiner Runde genehmigten wir uns unter lässigen Gesprächen Bierchen für Bierchen. „Ich wusste nicht, dass du uns bloß eingeladen hast, um uns abzufüllen.“, ich begutachtete die Flaschen, die er auf der Theke der offenen Küche verteilt hatte. „Nichts davon müsst ihr trinken.“, Schulternzuckend war er meinem Blick gefolgt. Und dann sprach er an, worauf ich insgeheim schon die gesamte Zeit über wartete: „Wie läufts mit James?“ Percy kannte James eigentlich bloß vom Sehen, da James und ich damals nahezu ständig gemeinsam unterwegs gewesen waren und dabei das ein oder andere mal zufällig auch Percy getroffen hatten. Über den Reinfall unseres DVD-Abend-Plans wusste Percy mittlerweile auch Bescheid, da er mit seiner Fragerei - was nun aus ihm und mir geworden war - nicht locker gelassen hatte und ich irgendwann so genervt gewesen war, dass ich ihm den Vorfall geschildert hatte. Seufzend legte ich den Kopf in den Nacken. „We oft werde ich diese Frage noch hören? Ich hab keine Ahnung, wie es läuft...“ „Eigentlich läuft es ja beschissen, weil Suzie noch immer feige vor ihm flüchtet, wenn’s drauf ankommt und sich endlich mal etwas tun könnte...“, mischte sich Jessy frech ein. „Such dir nen anderen Kerl - Tobi ist single.“, lachend nickte Percy zu Tobi rüber, der schweigsam in einem Sessel saß und uns zugehört hatte. Ich zog die Augenbrauen grinsend zusammen, Tobi warf Percy einen verärgerten und doch verschämten Blick zu. „Ich glaube...ich lasse noch eine Weile die Finger von Kerlen, bis mir der Richtige über den Weg läuft.“, winkte ich schief lächelnd ab, doch wieder meldete sich Jessy zu Wort: „Seit wann glaubst du an den Richtigen?“ Ich sah sie warnend an und schon verstummte sie entschuldigend. „Für diese Begegnung hast du noch Zeit, du bist jung. Und wer weiß...vielleicht entpuppt sich ja jemand auf den zweiten Blick als diese eine Person.“, Percy ließ mal wieder nicht locker und ging in dem Thema auf, wie eine Blume im Frühling. „Wie du schon gesagt hast, ich bin jung...ich habe Zeit.“, hakte ich das Thema Schulterzuckend ab und griff zur Ablenkung zu der Wodkaflasche. „Ich bin dafür, dass wir anfangen zu mischen und mit ein paar Trinkspiele die Party etwas in Gange bringen!“, schlug ich vor und mein Plan ging auf - alle sprangen darauf an und das - mir unangenehme - Thema fiel unter den Tisch. Es verging Runde um Runde und schnell stellte sich heraus, dass ich das Glück auf meiner Seite hatte, da ich höchtens zweimal zu meinem Glas greifen musste. Jessy hingegen verlor ständig und leerte den Inhalt der Flasche beinahe im Alleingang. Doch hatte ich nicht gelogen, denn durchs Jessys überhebliche Art, die gelegentlich durch den Einfluss von Alkohol ans Tageslicht kam, wurden wir bestens unterhalten. Irgendwann war sie jedoch nicht mehr in der Lage wirklich klar zu denken und auch wir drei machten langsam schlapp, also beschlossen wir, die Trinkspielchen bei Seite zu legen und uns anders zu beschäftigen. Der Nachteil an Alkohol? Man wurde bei einer leichten Überdosis auch gerne etwas sentimental...so auch Jessy. Ihre Laune schwang von einem Moment zum anderen um und plötzlich wirkte sie deprimiert und tief traurig. Percy hatte sich zu mir aufs Sofa gesellt und einen Arm um mich gelegt, sodass ich mich bequem an ihn anlehnen konnte. Tobi pflanzte sich wieder in den Sessel. Bloß Jessy saß noch immer auf dem Boden vor den leeren Shot-Glässchen und füllte diese hochkonzentriert nach, wobei jedoch nicht alles dort landete, wo es sollte. „Mach halblang, Kleines.“, warnte percy sie grinsend vor und hatte sich noch ein Bier geöffnet, das er nun hielt. „Nein...! Du bist Schuld daran, dass isch wieder überempfindlisch werde...“, brachte sie angestrengt heraus und bemühte sich klar und deutlich zu sprechen - doch scheiterte sie auch darin. Ich verdrehte die Augen, da mir völlig klar war was nun geschah: Wir würden uns erneut alles mögliche über ihren Rotschopf anhören dürfen, was sie bereits gefühlte tausend mal erwähnt hatte und dann...dann würde sie erkennen, dass er doch irgendwie nicht zu ihr und ihrem Leben passte und kein tiefergehendes Interesse an ihr hegte als eine mögliche Freundschaft. Tja und wo diese Erkenntnis endet können sich wohl alle vorstellen, die wissen, wie sich zerbrechende Hoffnung anfühlt...genau, in Tränen. Dabei hatte ich eigentlich vorgehabt herzukommen, um mal abzuschalten. „Isch weiß nischt, was isch machn‘ soll...!“, und schon fing Jessys Gejammer an. Percy hatte sich die ersten Minuten geduldig angehört, genauso wie Tobi und ich. Doch war er der Einzige, der irgendwann aufstand und zu ihr ging, um sie zu unterbrechen und auf die Beine zu ziehen: „Das ist ja nicht mit anzusehen...lasst uns einen Spaziergang machen.“ Meine Augen verengten sich skeptisch. Einen Spaziergang? Vielleicht sollte ich an dieser Stelle erwähnen, dass es bereits mitten in der Nacht war und Percy an einem abgelegenen Waldstück wohnte. Am Rande der Stadt. „Aber...es ist kalt!“, hatte ich dagegen einzuwenden, doch da hatte er schon einen Pulli griffbereit, den er mir zuwarf: „Der dürfte dich warm halten. Oder hast du einfach nur Angst?“, er grinste mich herausfordernd an - was er besser hätte sein lassen sollen. Wenn man mich herausforderte oder Wetten mit mir abschloss, tat ich alles um zu gewinnen...also war der Gedanke zu kneifen und in der warmen, sicheren Wohung sitzen zu bleiben gestrichen. Die Wangen beleidigt aufgepustet, zog ich mir den Pulli über und schritt durch den Flur aus der Wohnungtür heraus. Tobi war mir gefolgt, Percy brauchte mit Jessy jedoch einen Moment länger, da er ihr erst noch in den Pulli half und sie mit ihren Schuhen eine gefühlte Ewigkeit brauchte. Ich schob die Hände in die Taschen meiner Jeans und seufzte leise. Warten war nicht meine Stärke...erstrecht nicht jetzt, wo ich davon ausging, dass wir, wenn wir früher loszogen, auch schneller Zuhause waren. „Lass uns vorgehen.“, schlug ich Tobi vor und wartete nicht einmal auf eine Antwort. Seine Schritte waren Zustimmung genug. Wir liefen das Treppenhaus hinunter und gelangten schließlich vor dem Haus an. Die Luft war feucht und kalt. Auch die Beleuchtung ließ zu wünschen übrig. Kurz gefröstelt, zog ich den Pulli enger um mich und bewegte mich mit langsamen Schritten voraus. Tobi wich nicht von meiner Seite, wie sich das gehörte. „Ich schätze, die beiden kommen so schnell nicht nach, wollen wir echt vorgehen?“, fragte er und sah kurz zurück. Ich verzog unentschlossen den Mund, worüber er lachen musste. „Sie werden uns schon finden.“, sprach ich locker und grinste nun wieder munter, Tobi nickte. Kaum waren wir schweigend ein paar Meter nebeneinander hergelaufen, ergriff er vorsichtig das Wort. „Dieser James ist ein Arsch. Percy hat Recht, lass die Finger von ihm...er denkt, er kann sich seine Mädchen mal eben nach Lust und Laune aussuchen.“ Verwundert sah ich zu ihm rüber. Er kannte James garnicht...außerdem fehlten ihm wichtige Details der Geschichte. Es stand ihm nicht zu über ihn zu urteilen. Doch anstatt James zu verteidigen schwieg ich. Noch immer lag mir das Gina-problem schwer im Magen - was ich jedoch niemals zugeben würde. Nicht einmal Jessy wusste, dass ich mich gelegentlich noch immer dabei erwischte, mich selbst darüber zu bemittleiden. Tja, ich war zwar gut im reden...allerdings nur, wenn es nicht um meine eigenen Gefühle ging. Darüber schwieg ich lieber. es war nunmal einfacher zu lächeln als zu erklären, wieso man traurig war... Ich wurde aus meinen Gedanken gerissen, als mir plötzlich der Boden unter den Füßen wegrutschte und ich vor Schreck schrill quietschte. Tobi hatte schnell reagiert und mich am Arm festgehalten, sodass ich nicht stürzte. Lachend musterte er mich und als ihm klar war, dass ich bloß mit einem leichten Schreck davon gekommen war ließ er mich zögernd wieder los und ging vorsichtig weiter: „Es hat geregnet...der halbe Wald steht unter Wasser. Du solltest aufpoassen, wohin du gehst.“ Ihm erschrocken nachgesehen, musterte ich den matschigen Boden unter meinen Füßen, ehe ich wieder aufsah. Tobi war bloß wenige Schritte von mir erntfernt, doch konnte ich bloß noch schwache Umrisse erkennen. Woher sollte ich so wissen, wohin ich lief?! „Warte!“, forderte ich ihn auf und schritt unsicher auf ihn zu. Er hatte mir seinen Arm hingehalten, den ich bereitwillig griff. Schlammcatchen war heute abend sicherlich nicht drin! „Vielleicht sollten wir zurück...“, nun begann ich doch zu zweifeln. Percy würde Jessy hier sowieso nicht durchbekommen, ohne dass sie stürzte... „Dort ist eine Bank, nicht weit weg von hier...da können wir einen Moment warten und ihnen ein bisschen Angst machen.“, die Idee verlockte mich, also ließ ich mich überreden. Und kaum saßen wir auf der Bank, begann ich trotz Percys Pulli zu frieren. Tobi legte aufmerksam einen Arm um mich und plötzlich hörte ich es in meinem Kopf klicken. Kennt ihr diese Momente, bei denen ihr einfach spürt, wie freundschaftliche Absichten plötzlich zu mehr werden? Ich kannte sie. Oft musste ich jemanden bloß wenige Sekunden betrachten und seinen Blick kreuzen, da war mir klar, ob sich mit dieser Person herumalbern ließ ohne sich Sorgen machen zu müssen, oder ob ich Abstand wahren sollte - zu meiner eigenen Sicherheit. Und gerade konnte ich Annährungen wirklich als letztes gebrauchen. Es gab in den Arm nehmen und...in den Arm nehmen. Und das hier würde eindeutig gefährlich. Hätte ich Percys Sprüche ernstnehmen sollen...? Tobis Finger streichelten sanft über meinen Oberarm, während ich mir auf die Unterlippe biss und stur geradeaus in die Dunkelheit sah. „Du bist was besonderes, Suzie. Das ist mir von anfang an aufgefallen.“, säuselte er leise, sodass ich kurz überlegen musste, ob ich es mir nicht vielleicht bloß eingebildet hatte. „Ähm...Unsinn. Eigentlich bin ich ein schlechter Mensch. Vorlaut, stur, anstrengend...“, und mal wieder setzte ich in meiner Verzweiflung die feigste Waffe ein - das Ausreden. Doch so wie es damals bei James schon nicht geholfen hatte, half es auch bei Tobi nicht. „Sag soetwas nicht. Du hast dieses gewisse Etwas...und etwas Temperament ist nie verkehrt, oder?“ Vielleicht hätte ich ihm auch einfach ein anderes Mädchen einreden sollen. Doch leider kannte ich ihn dazu zu schlecht...ich hatte keine Ahnung, welche Leute er so kannte und wo er eine potentielle Patnerin antreffen könnte. „Ich bin verliebt.“, platzte es mir plötzlich kleinlaut heraus. Und dann sprach ich ihn direkt auf die Situation an. Darauf, dass ich das Gefühl hatte, dass er dabei war zu viel Gefallen an mir zu finden. Eigentlich äußerte ich solche Vermutungen nicht...immerhin konnte man mit Vermutungen auch schwer falsch liegen und sich selbst ziemlich dämlich dastehen lassen. Doch behielt ich in Sachen Tobi Recht. „Er hat dich nicht verdient. Ich sage nicht, dass ich es tue...aber...ich würde dich besser behandeln als er, versprochen.“ - „Du musst mir nichts versprechen. Wir beide...das wird nichts, tut mir leid, aber das musst du dir aus dem Kopf schlagen. Besonders im Moment habe ich genügend andere Probleme.“, vielleicht war ich ziemlich unsensibel gewesen, doch das lag daran, dass ich plötzlich Panik bekam. Ich verspürte eine innere Platzangst und fühlte mich in seiner Nähe auf einmal gänzlich unwohl. Das erste mal seit langem freute ich mir ein Loch in den Bauch darüber, dass mein Handy plötzlich klingelte: „Geh nicht ran.“, bat Tobi mich, doch ich hob ab - Percy. „Wo zur Hölle seid ihr?!“ - „Ähh...noch im Wald auf der Bank, wo seid ihr?“ Percy kannte den Wald zu unserem Glück benahe auswendig und versicherte uns, dass er und Jessy bei uns auftauchen würden - wir sollten bloß warten. Ich hatte Jessys aufgeregte Stimme im Hintergrund vernommen, doch genau verstanden hatte ich sie nicht. Es schien ihr besser zu gehen. Mein Handy wieder eingesteckt, rutschte ich ungeduldig auf der Bank hin und her. „Sie kommen gleich, hm?“, ich beantwortete seine Frage mit einem Nicken. Er seufzte laut und stand auf. Unter ihm gab der Boden schmatzende Geräusche von sich, als er ein paar Schritte machte. Natürlich tat er mir leid...ich hatte ihn verletzt und er gab sich nicht die Mühe, es zu verbergen. Aber mal ganz unter uns: Selbst wenn es James nicht geben würde...Tobi passte nicht zu mir. Ich brauchte jemand, der selbstbewusst gegen meine stürmische Art ankämpfte...Tobi würde ich in der Luft zerfetzen, wenn ich mich langweilte oder schlechte Laune hatte. Mir kam es vor, als hätten wir uns Stunden lang angeschwiegen, als Percy und Jessy endlich angewatschelt kamen. Schwer atmend ließ Jessy sich neben mich auf die Bank sinken und streckte die Beine von sich. „Seid ihr irre einfach zu verschwinden?!“, fuhr sie mich an und gab dabei Preis, dass ihre Koordination noch immer zu wünschen übrig ließ, da sie stark hin und her wankte. Ihren Kopf schließlich an meine Schulter gelehnt, seufzte sie tief. Percy hatte sich gleich zu Tobi gestellt, wahrscheinlich bloß um ihn aufzuziehen, dass er mich gekonnt entführt hatte...doch blieben die beiden länger von uns entfernt und tuschelten leise. Natürlich wusste ich genau, worum es ging...Jessy blickte fraglich auf und sah mich angestrengt in der Dunkleheit an: „Worüber reden die?“, wollte sie wissen und flüsterte nicht einmal, sodass die beiden sie sicher gehört hatten. „Psst!“, machte ich leise und ließ sie erschrocken die Hände anheben, womit sie mir versichern wollte, dass sie leise sein würde. „Ich erkläre es dir morgen...“, jetzt würde sie das bloß noch mehr überfordern und ich wollte nicht, dass Jessy in ihrem Zustand unangebrachte Komentare abließ. „Der Kerl will was von dir, stimmt‘s?“, nahm sie mir meine Mühe jedoch schnell ab. „Woher...?“, setzte ich verwundert an und musterte die Umrisse ihres Gesichts - ich hätte schwören können, sie breit grinsen zu sehen. „Percy hats mir erzählt...Tobi hat ein Auge auf dich geworfen, seit er dich damals das erste Mal gesehen hat. An dem Abend an dem du James zur Rede gestellt hast.“, ich wusste genau, welcher Abend gemeint war. Wie konnte ich diese mittlere Katastrophe vergessen? Ohne Jessy weiter auszufragen, da ich keine besondere Lust darauf hatte, stand ich auf. „Lasst uns endlich gehen. Es ist kalt und ich werde müde.“ Die Jungs waren beide verstummt und willigten ein. Percy führte uns auf dem schnellsten Weg zurück,Tobi verlor kein Wort mehr und Jessy...tja, die plapperte munter vor sich hin und stolperte gelegentlich über ihre eigenen Füße. Percys Wohnung erneut betreten, zogen wir die schmutzigen Schuhe und unsere Jacken - beziehungsweise die geliehenen Pullis aus. Diesesmal sicherte ich mir den Platz im Sessel und griff nach meinem angebrochenen Bier, dass ich zurückgelassen hatte. Jessy ließ sich auf das Sofa fallen und breitete sich ungeniert und laut gähnend aus. Irgendwann müssen mir die Augen zugefallen sein, da ich mich bloß noch daran erinnern kann, wie ich morgens aufgewacht bin und alle um mich herum noch schliefen. Die Sonne schien bereits in das Zimmer. Ich brauchte einen Moment, richtig wach zu werden und auch Jessy schlief bloß ein paar Minuten länger. Kaum waren wir wieder auf den Beinen, erklärte Percy sich bereit dazu, Jessy und mich Heim zu fahren. Tobi hatte er schlafen gelassen und sogar aufräumen wollte er alleine. Also stolperte ich, nachdem man mich Zuhause ausgesetzt hatte, das Treppenhaus hinauf in unsere Wohnung, zog mich um und legte mich erneut hin, um etwas Schlaf nachzuholen. In meinem eigenen, gemütlichen Bett...dass mein Handy kurz darauf klingelte und ich einen wichtigen Anruf verpasste, fiel mir erst später auf... Kapitel 11: Ever fallen in Love...? ----------------------------------- → Suzie Hatcher Als ich die Augen öffnete, blinzelte ich Sonnenstrahlen entgegen. Nachdenklich und noch immer müde war ich im Bett liegen geblieben und hatte Löcher in die Decke gestarrt. Ich musste einen Entschluss fassen! James war Geschichte. Noch länger durfte ich mir von ihm einfach nicht die Laune vermiesen lassen...mittlerweile war es nämlich mal wieder so weit. Ich war an einem Punkt angekommen, an dem mich meine eigene Stimmung nervte...ständig saß ich rum und wusste nichts mit mir anzufangen. Meine Gedanken drehten sich seit Wochen um dasselbe Thema, dass ich tief in meinem Inneren noch immer nicht hatte abschließen wollen. Jetzt war es soweit! Mich aufgesetzt, schob ich entschlossen die Bettdecke zur Seite und kletterte aus meinem Bett. Mein Blick fiel auf den Kalender auf der anderen Seite des Zimmers - dieses mal sprach die Zeit für mich. Bloß noch eine Woche, dann standen bereits die Ferien an...das erste halbe Jahr an der neuen Schule war also fast geschafft. Und es war eine Katastrophe gewesen. Blieb zu hoffen, dass es nicht noch schlimmer wurde... Unter die Dusche gesprungen und mir etwas Frisches übergezogen, warf ich eigentlich bloß beiläufig einen Blick auf mein Handy. Und schon folgte die nächste imaginäre Ohrfeige meines Schicksals...James hatte versucht mich zu erreichen? Herrje...wenn er sich weiterhin solche Mühe gab, würde ich nicht standhalten und ihn aus meinem Kopf jagen können. Seufzend löschte ich diese Beweise, sodass ich seinen nicht empfangenen Anruf in meiner Anrufliste nicht mehr fand und entschied mich dazu, den restlichen Samstag zu genießen - falls das möglich war. Doch während ich mein Handy in der Hand hielt und überlegte, kam mir sofort ein Name in den Sinn, eigentlich zwei - Seth und Jenny. Jenny kannte ich bereits seit ich Laufen konnte. Sie hatte vor kurzem ihren Führerschein gemacht und war genau 2 Jahre älter als ich. Seth wiederum war einer ihrer besten Freunde und dadurch auch ein sehr guter Freund von mir. Ich tippte schnell eine knappe SMS und ließ mich kurz darauf von den beiden abholen. Wir verbrachten einen lockeren Tag im Einkaufszentrum, bummelten und waren in Ruhe Kaffee trinken. Keiner der beiden wusste von der Geschichte mit James. Zwar erzählte ich ihnen sogut wie alles, doch dafür hatte ich bisher weder Zeit noch Motivation gefunden. „Dich bedrückt was, meine Süße.“, stellte Seth fest, als er einen Schluck seines Kaffees nahm und sich neben mich setzte: „Sonst bist du nicht so still.“ Ich wollte die lockere und aufmunternde Stimmung zwar nicht mit dem alten, abgestanden Thema belasten, doch packte ich schnell mit der Geschichte aus. Es tat gut mit den beiden zu reden. Jenny wusste immer, was in mir vorging und was gut für mich war - manchmal schien sie mich besser zu kennen, als ich es selbst tat. Es war anders mit ihr zu reden als mit anderen Freunden. Man konnte sagen, was man wollte, doch spürte man den Unterschied der Jahre die man bereits miteinander geteilt hatte - Ob es nun 14 waren oder 8...es machte wirklich etwas aus. Und Jennys und meine Freundschaft hatte bereits die stolzen 14 Jahre geknackt. „Seit wann ist das schon aktuell und wie kommt es, dass ich es erst jetzt erfahre?“, Jenny sah mich beinahe vorwurfsvoll an und stellte ihren Becher kurz ab. „Ich wollte mit dem Thema nicht am Telefon rausrücken...du hast viel um die Ohren gehabt, da dachte ich, ich warte auf einen passenden Zeitpunkt.“ Mit den Schultern gezuckt, nahm ich selbst noch einen Schluck, als ich plötzlich Seths Hand an meiner Schulter spürte. „Schätzchen...du musst mit ihm sprechen. Der arme Kerl bemüht sich wirklich, du hast ihn genug zappeln lassen. Es wird Zeit ihm dein Herz auszuschütten.“ Ich lachte über die Leichtigkeit mit der er diese Worte über die Lippen brachte. „Seth hat Recht. Vielleicht ist er ja der Richtige...es wird Zeit, dass du mal anständige Beziehungserfahrungen sammelst.“, Jenny war schon immer der Meinung gewesen, dass ich viel zu schlecht über Beziehungen und die Liebe dachte. Dabei war sie, bevor sie Tony getroffen hatte, mit dem sie nun fast 5 Jahre zusammen war, nicht anders gewesen. Ständig hatte sie Kerle abserviert, die sie eigentlich gewollt hatte...und irgendwann war sie Tony begegnet. Nie hätte sie gedacht, dass es mit ihnen beiden so weit hätte kommen können, doch das tat es. Sie waren wohl das, was man ein perfektes Pärchen nannte...vielleicht auch gerade, weil zwischen ihnen nicht immer alles perfekt war. Sie stritten und zankten, wie sich das gehörte. Doch nie fehlte es an einer Aussprache und der folgenden Versöhnung. „Ihr habt leicht reden...“, seufzte ich wehleidig. „Das hättest du auch! Ihr wart doch Freunde. Du solltest offen mit ihm sprechen können.“ „Das kann ich ja...nur nicht darüber...“ „Wieso nicht? Weil es eure Freundschaft kaputt macht? Das hat es doch schon längst...was hast du also zu verlieren?“ Es stimmte, was sie sagten. Doch fiel es mir schwer alles einzugestehen. Abends hatte ich mich von den beiden wieder Heim fahren lassen. Ich war früh zu Bett gegangen und schlief unruhig. Mein Wochenende war mal wieder eine Berg und Talfahrt gewesen...ich wusste, wie sich alles ändern ließ. Und ich wusste, dass ich es in Angriff nehmen musste. Diese Ungewissheit war zum Haare raufen. Ich brauchte ein Machtwort von ihm...entweder ein klares Ja, lass es uns versuchen oder ein Nein, ich habe absolut keine Gefühle für dich. Solange ich keinen dieser Sätze von ihm persönlich hören würde, würde ich nicht zur Ruhe kommen...und somit war der Plan der ewigen Ignoranz bis ich ihn vergessen hatte gescheitert. → Let‘s take a look at Jessy. Auch mein Restwochenende verflog weiterhin unspektakurlär. Nach dem Abend bei Percy hatte ich eine Menge Schlaf nachgeholt und wurde nachmittags von meiner Schwester unsanft aus meiner Traumwelt gerissen, um mit dem Hund eine Runde zu gehen. Sie hatte keine Lust die Arbeit ständig selbst machen zu müssen - Ja, ich kümmerte mich weniger um den Hund als sie. Aber ich hatte als ältere Schwester jawohl eher das Recht dazu, öfter mit Freunden um die Häuser zu ziehen als sie, oder? Schlecht gelaunt kroch ich aus meinem Bett, während Suzie schon längst auf Achse war, davon wusste ich jedoch nichts. Dem kläffenden Köter die Tür geöffnet trottete ich ihm gelangweilt nach - ab in den Wald. Nach einer guten halben Stunde war ich zurück. Es zog mich zu einem ausgiebigen Frühstück in die Küche, meine Laune war noch immer nicht gerade glänzend. Es wäre also besser gewesen, mir aus dem Weg zu gehen, doch Julie fing mich gleich wieder ab. Zu meiner Verwunderung war auch sie nicht gut drauf. „Ich war mit dem Hund, zufrieden?“, giftete ich sie an, da ich vermutete, dass sie noch immer von meiner Wochenend-Faulheit genervt war. „Darum geht es nicht, halt die Klappe!“, fauchte sie zurück und setzte sich zu mir an den Tisch, während ich mein Toast verspeiste. Ich machte nicht den Anschein etwas sagen zu wollen, bis ich aufgegessen hatte. Den Teller schließlich jedoch weggeschoben und meine Tasse Kakao gegriffen, musterte ich ihr Gesicht: „Was ist los?“, hakte ich also doch nach, da ich vermutete, dass sie darauf brannte mir zu erzählen, was sie bedrückte. „Wir gehen die Ferien nach Thailand. Zu Dad...er hat die Tickets schon gekauft.“, platzte es ihr heraus und ich verschluckte mich fast. Was? Unser Vater hatte sich gemeldet? Ihr müsst wissen...unsere Eltern sind schon Jahre lang getrennt und mein Dad war damals nach Thailand ausgewandert - das Land aus dem meine Mom kommt. Dort hatten sich die beiden kennengelernt. Sein leben hier in Deutschland hatte mächtig zu wünschen übrig gelassen, und da ihm dort drüben der Erfolg und die junge Frauen zuzufliegen schienen, konnte ihn hier nichts mehr halten. Er meldete sich nicht oft und verhielt sich eigentlich auch nicht so, wie sich ein Vater verhalten sollte...oft genug meckerte er an uns herum. Ob nun an unseren Charakteren oder daran, dass wir ihm nicht hübsch genug waren. Ja, stellt euch vor...er hat und sogar schon einmal Schönheits- Op’s angeboten, seitdem er dort drüben in Geld badete...deprimierend, hm? Daher hatte er auch nicht gerade die beste Stellung in unserem Leben...nicht mehr. Damals war er immer mein Held gewesen. Vielleicht war er das jetzt auch noch, doch das war schwer zu beurteilen nach solch einer langen Zeit in der ich nichts von ihm gehört hatte. „Ich will nicht nach Thailand...“, jammerte ich. Ich wollte meine Zeit hier verbringen. Mit Freunden und vorallem Suzie...durch die Schule sahen wir uns meiner Meinung nach bloß noch viel zu selten alleine. Und ein Partyabend mit reichlich Alkohol konnte man wohl kaum zu einem netten Abend mit der besten Freundin zählen. „Glaubst du ich? Ich hatte auch besseres vor, aber es ist beschlossene Sache...“, missmutig erhob sich Julie und vergrub sich den Rest des Tages mit dem Telefon in ihrem Zimmer. Wahrscheinlich klagte sie ihren Freundinnen einer nach der anderen ihr Leid. Und auch mir war danach...doch konnte ich Suzie nicht erreichen. Nachdem ich unzählige Male versucht hatte, sie zu erreichen, hatte ich aufgegeben und mich an den PC gesetzt, um zu warten bis sie online kam. Nebenbei erledigte ich aus Langeweile restliche Hausaufgaben und übersah dabei für einen Moment, dass nach mir verlangt wurde. Mein Kopf hob sich an und ich glaubte meinen Augen nicht trauen zu können - Patrick! Mein Herz machte einen freudigen, naiven Hüpfer ehe ich seine Nachricht gelesen hatte. Wir verfielen in lockeren Smalltalk und erzählten uns von unserem Wochenende, wobei ich ihm meinen Absturz jedoch verschwieg...er musste ja nicht alles wissen. Noch nie hatte sich Smalltalk so gut angefühlt! „Du warst also ein bisschen mit Freunden feiern? Wir sollten auch mal abends zusammen um die Häuser ziehen, wäre sicher lustig.“ - Natürlich war mir nichts lieber als das! Und meine Hoffnungen wuchsen mit jedem Wort weiter... „Am Anfang der Ferien macht der Club in der Stadt neu auf. Wäre cool, wenn man sich dort treffen würde.“- und schon hatte ich meine Zustimmung eingetippt und abgesendet. Vor lauter Vorfreude, hatte ich völlig vergessen, dass Thailand rief... In meinem Übermut hatte ich sogar vergessen es Suzie zu erzählen, sodass sie die Neuigkeit erst erfuhr, als sie mich auf die bevorstehenden Ferien ansprach. → Suzie wants you back! Ich hatte mich in der Pause nach James umgesehen. Mal wieder. Die letzten Tage hatte ich ihn einfach nicht zu Gesicht bekommen. Jessy war noch immer schlecht auf ihn zu sprechen, daher erzählte ich ihr vorerst nichts von meiner Idee einer Aussprache und einer möglichen Versöhnung. Zum verrückt werden...immer wenn man jemanden brauchte, schien diese Person wie verschollen. Und wenn man jemanden meiden wollte, lief man ihm oder ihr ständig über den Weg. Leise seufzend gab ich auf und wand mich Jessy zu. „Bloß noch ein paar Tage, dann habe wir zwei Wochen Ruhe. Was steht in den Ferien an?“ ,und dann fiel es ihr wie Schuppen von den Augen. Jessy fing aufgeregt an wie ein Wasserfall zu plappern. Sie erzählte mir, dass ihr Vater sie und Julie nach Thailand zitierte ohne gefragt zu haben, ob sie überhaupt wollten oder gar konnten. „Die gesamten Ferien?“, wollte ich wissen. Das gefiel mir gar nicht. „Ja...ich komme am letzten Freitag der Ferien abends zurück.“, murmelte sie geknickt. Ihre Laune schien nach dem Motivationsschub, den Patrick freigesetzt hatte von diesem Thema gewaltig in den Keller gedrängt zu werden. Und nun saß die eigentliche Freude auf das mögliche Glück in der Liebe alleine und verlassen wie ein kleines Kind in einem dunklen, staubigen Raum unter der Erde und wurde von der Dunkelheit, die aus Familienproblemen bestand fast restlos erdrückt. „Ach, wir haben auch nach den Ferien noch ne Menge Zeit. Vielleicht wird’s ja lustig.“, versuchte ich sie aufzumuntern - vergebens, also ließ ich das Thema lieber unbeachtet unter den Tisch fallen. Ich schien sie nicht aus diesem Loch ziehen zu können, Patrick hingegen schaffte es...mit einem einfachen Lächeln und einem freundlichen Hallo, das er im Vorbeigehen an sie richtete. Und schon strahlte Jessy wieder. Die letzten Schultage verflogen schnell und schmerzlos. Es tat mir nicht einmal Leid, meine Klasse zwei Wochen lang nicht zu sehen. Obwohl ich die Leute lieb gewonnen hatte und wir viel gemeinsam lachten, hatten sie sich noch keinen tiefgründigeren, wichtigen Platz in meinem Herzen erkämpft - außer vielleicht Tia, die ich vorhatte in den Ferien das ein oder andere Mal zu treffen. Bevor Jessy zum Flughafen aufbrach, hatten wir ein letztes Mal ausgiebig telefoniert. Sie versprach mir zu schreiben und mich von dem Telefon ihres Vater aus anzurufen: „Ist mir egal, wie viel er dafür zahlen darf - selbst schuld!“, hatte sie geschimpft. Tja, und dann legte ich auf und pflanzte mich vor den Fernseher. Es war bereits Abend und ich hatte mir vorgenommen etwas Geld zu verdienen. Meine Mutter hatte Nachtdienst und arbeitete von zuhause aus. Sie vermietete Autos und kümmerte sich um Unfälle...all der Stuss, der nunmal anstand, wenn man in einer Autovermietung arbeitete. Und wenn sie Nachtdienst hatte und genug los war, konnte ich später Aufträge für sie in den PC eingeben und abschicken. So kam man schnell und einfach an kleines Geld, besser als nichts. Allerdings sah es nicht sonderlich gut für mich aus...das Telefon klingelte wenig und auch das Faxgerät schien scheintot. Also machte ich mich auf den Weg in mein Zimmer. Ich würde im Gegensatz zu Jessy meine Ferien Zuhause verbringen... Und während sie auf ihren Flieger wartete und mit ihrer Schwester den Flughafen unsicher machte, machte ich mir in Ruhe die Nägel, drehte die Musik auf und fuhr den PC hoch. Der stimmige Rhythmus wurde jedoch von einem unpassenden Ton unterbrochen. Ich hatte eine Nachricht bekommen, kaum dass ich online gegangen war...und wer hätte es gedacht - James. Ausgerechnet jetzt, wo ich nicht auf Jessys heimliche Unterstützung bauen konnte...das konnte ja was werden. Und ausgerechnet jetzt warf er mir Worte entgegen, die ich hören wollte und die mich beinahe auf der Stelle schwach werden ließen: „Ich vermisse dich. Jeden Tag.“ Mehr musste er nicht sagen, damit ich mich bereitwillig meldete und mit ihm ins Gespräch kam. Wir schrieben nicht viel...ich hörte mir lediglich seine ellenlangen Entschuldigungen an und ließ mich schließlich sogar zu einem Treffen breitschlagen. Und soll ich euch noch etwas verraten? Ich freute mich ihn zu sehen...wirklich. Jessy würde mich für meine Nachgiebigkeit ohrfeigen, doch in einigen Stunden würde sie beinahe am anderen Ende der Welt sitzen...also ging das schon okay, oder? Außerdem, war es doch bloß ein kleines Treffen und eine ruhige Aussprache, oder? Nicht besonderes...das würde ich schon meistern. Und so kam es dazu, dass ich mich in der ersten Ferienwoche nicht nur mit Freunden traf und mit Seth oder Jenny unterwegs war, ich traf auch James. Anfangs war unser Verhältnis angespannt gewesen. Er erschien mir vorsichtig und zurückhaltend, doch da ich den alten, lockeren James vermisste, nahm ich seine Entschuldigung schließlich an und gab mein bestes mit ihm umzugehen wie vorher. Wir fingen schnell wieder an zu lachen und ausgelassener zu Sprechen. Sogar über Gina sprach er mit mir...darüber, dass er sie nicht wollte. Dass er sich in ihr geirrt hatte und sie ihm doch nicht genug bedeutete - nicht so viel wie ich es tat. Doch es blieb bei diesen Worten, etwas Festes entwickelte sich über die Ferien nicht aus uns. Doch somit blieb es nicht bei einem Treffen...ich sah ihn beinah regelmäßig. Und wenn wir uns nicht sahen, meldete er sich abends entweder mit einer süßen SMS oder einem Anruf. Meine Sorgen und meine Wut waren völlig verflogen...Gina kam mir nicht mehr in den Sinn. Ich schien freie Bahn zu haben, doch wenn ich ehrlich war brauchte ich keine feste Beziehung...so wie es jetzt war gefiel es mir. Ana sah ich ebenfalls oft, gelegentlich trafen wir uns sogar zu dritt, da auch sie sich bestens mit James verstand und sogar eine mögliche Beziehung befürwortete. Ob Jessy das auch so leicht hinnehmen würde? → Let‘s take a closer look at Jessys Holidays. (Written by Jeychan - einmalig und nur für euch!) Beinahe verloren standen meine kleine Schwester und ich am Flughafen in Bangkok, warfen uns überforderte Blicke zu und hofften inständig auf ein Wunder – in diesem Fall, dass unsere VIP- Kraft mal schneller machte und hier aufkreuzte. [Tja, habt ihr euch schon gewundert, warum Fräulein Hatcher nicht erzählt? Haha! Ihr habt nun das ehrwürdige Privileg einen Einblick in Jessica Bakers Leben zu gewinnen, wenn sie nicht gerade bei ihrer besseren Hälfte ist!] „Ich hab gar keine Lust Dad zu sehen…können wir nicht wieder ins Flugzeug einsteigen und zurückfliegen?“, Julie war ziemlich pampig, seit unser Vater damals auf ihrem Emo-Style rumgehackt und sie als Lesbe abgestempelt hatte. Um euch unser Leben mal ein wenig näher zu bringen: Warum wir gerade in Thailand auf dem Flughafen verharrten? Nun, unsere Mutter kam ursprünglich aus dem Land der aufgehenden Sonne [Natürlich gehört dieser Beiname nicht zu Thailand, aber ich würde mich schlecht fühlen, es auf den Punkt zu bringen und es ‚Land, in dem man alles mit Geld kaufen kann’ nennen würde.] und wie jede asiatische Frau aus diesem Bereich, hatte sie sich einen reichen Europäer gesucht, ihn geheiratet, Kinder gekriegt, sich von ihm scheiden lassen, weil ihr irgendetwas nicht gepasst hatte und dann eine Menge Unterhalt verlangt. Was hatte unser Vater dagegen unternommen? Seine 7 Sachen gepackt und in das Land ausgewandert, aus dem unsere Mutter kam. Wie man auf so eine Idee kam? Das weiß ich bis heute nicht. „Jetzt mecker nicht rum…sind doch nur 2 Wochen.“ Um es Mal ausgesprochen zu haben: Ich hatte genauso wenig Lust auf diesen ‚Urlaub’, wie meine Schwester. Das hatte einen simplen Grund – morgen würde es bei uns in der Nähe eine Abi-Party geben und so schlau, wie ich nun mal war, hatte ich Patrick darauf angesetzt, Freunde zusammenzutrommeln und dorthin zugehen…mein Lockmittel? Na, meine Anwesenheit! Okay....vielleicht war das nicht der Grund, warum er zugesagt hatte, aber die Hoffnung saß tief in mir verankert und die Tatsache, dass ich mich auf einem ganz anderen Kontinent befand, während der Kerl meiner Träume in einem Club auf mich wartete…ihr wisst schon. Um es milde auszudrücken: Ich hätte Kotzen können. Eine etwas dicklichere Frau mit Brille, komplett in lila gekleidet, kam uns entgegen und sammelte uns ein, um uns zu unserem Vater zu begleiten. Normalerweise hätte es Stunden gedauert, bis wir durch die Passkontrollen gekommen wären [Wenn wir überhaupt den Weg dorthin gefunden hätten.], doch wer einen Dad hatte, der sich VIP-Service leisten konnte…der war eindeutig im Vorteil, denn die Zeit, die wir am Flughafen verbrachten, lag genau bei 10 Minuten. Und 4 Minuten davon war die Frau in lila zu spät gewesen. „Hey…fängt doch mal gar nicht so schlecht an.“, wand ich mich Julie grinsend zu, die allerdings noch keinen Deut besser gelaunt zu sein schien. Kaum hatten wir den Landebereich verlassen und waren bei den wartenden Menschen gelandet, die alle sehnsüchtig auf ihre Lieben warteten, fiel uns sofort unser Dad auf. Nicht, weil er ein Europäer war und in der Masse von Asiaten herausstach, nein, vielmehr erregte die Anwesenheit seiner Begleiterin unsere Aufmerksamkeit. „…Jessy…seine Freundin…“ – „Sag’s nicht…“ Sie sah nicht viel älter aus als ich. [Zur Erinnerung: Ich bin frische 17.] „Oh Happy Day…“, Julie schritt voran und ließ sich von unserem Dad in den Arm nehmen. Ich wurde gleich danach begrüßt und schon begann die Vorstellungsrunde. Als hätten wir es nicht geahnt – die Freundin unseres Dads war gerademal 21, damit 4 Jahre älter als ich und volle 30 Jahre jünger als der gute Mann, der gerade unsere Koffer für uns ins Taxi hob. „Und? War der Flug in Ordnung?“, fragte mein Dad mit einem zufriedenen Lächeln auf den Lippen. Im Gegensatz zu uns, hatte er sich in den letzten 3 Jahren nicht sonderlich verändert. Er war nichtmal braun geworden. Meine Schwester hatte es geschafft, ihn die ganze Fahrt über gekonnt zu ignorieren und begutachtete die Autobahnlandschaft Bangkoks, während ich Smalltalk mit ihm und seiner Freundin hielt. Das Eis war weder gebrochen, noch schien es schmelzen zu wollen, aber was tat man nicht alles für seine Eltern? Das Taxi fuhr in eine Einfahrt, die meinen Mund aufklappen ließ – und selbst das Schweigen meiner Schwester brach. „WOW!“ Nicht, dass sie sich gleich aus dem Fenster lehnte. Wir waren direkt in eines der Viertel gefahren, in dem nur die Leute wohnten, die es sich auch leisten konnten. Das Haus unseres Vaters hatte eine endlos lange und vor allem breite Einfahrt, die hinter einem riesigen Tor versteckt lag, die von Security bewacht wurde. Der Taxifahrer ließ uns aussteigen und schon stürmte meine Schwester auf die massive Eingangstür zu. „Jessy…! Jessy!“, rang sie nach Worten. Mir ging es nicht anders, nur dass ich erst gar nicht versuchte, zu sagen, was ich gerade dachte. Unser Dad schien das mehr als Stolz zu machen. Vor genau 2 Jahren hatten wir ihn das letzte Mal zu Gesicht bekommen und da hatte er nicht in einem Haus gewohnt, sondern in einer Einzimmerwohnung mit seiner damaligen Freundin [Und die war damals 24 gewesen.] „Tja, da staunt ihr. Hereinspaziert.“ Er öffnete die Tür und ließ uns eintreten. Der Eingangsbereich war so groß, wie die Einfahrt, weiß gefliest und bot eine Meeeenge Stauraum für Schuhe – und von denen hatte ich in der Regel nicht wenige. Links führte eine Treppe nach oben. Rechts führte ein Weg zur Küche, dem Essensbereich mit Bar und zum Wohnzimmer…das auch mit einer Bar ausgestattet war. Was mich viel mehr interessierte, war aber der riesengroße Spiegel, der im Eingangsbereich eine ganze Wand ausfüllte und – wie ihr später vielleicht merken werdet – zu meinem besten Freund wurde. „Euer Zimmer ist ganz oben“, erklärte unser Dad, „Die Koffer bringt ihr am besten gleich hoch. Zieht euch hübsch an, dann gehen wir aus.“ Okay, jetzt stellt euch eine Treppe vor, die vom Erdgeschoss in den 4. Stock führt und in jedem Stock noch eine Zwischenetappe beherbergt…wir hatten wirklich 15 Minuten gebracht unsere doch sehr schweren Koffer hochzubringen. Mit hübsch machen war da nicht mehr viel. Irgendwie hatten wir es dann aber doch geschafft, uns mindestens kurz abzuduschen und in Klamotten zu schlüpfen, die keinen 12- Stundenflug überdauert hatten. „Dad…du willst uns verarschen!“, meckerte Julie und warf sich halb über den Esstisch, der so lang war, dass locker 18 Leute daran Platz nehmen konnten. „Wetten, du hast einen Aufzug versteckt, den du nimmst, um in den 3. Stock zu kommen? Wie schaffst du das?“ „Er schläft immer auf der Couch, so schafft er das.“ Mai, die Freundin unseres Dads, lachte kurz [Um euch auch hier vor Verwirrung zu schützen: Sie sprach stets in einem gebrochenen Englisch- Thai]. „Das erklärt so einiges.“, meinte ich lachend. An dieser Stelle schien das Eis gebrochen. Und auch beim Abendessen war die Stimmung um einiges besser. Was danach kam, schaffte es, meine Schwester wieder ihre giftige Abwehrhaltung einnehmen zu lassen. Unser Dad hatte uns in seine Stammbar geschleppt, mir einen Jackie-Cola in die Hand gedrückt und selber mit seinen Arbeitskollegen einen gehoben. Julie, die strikt gegen Alkohol war [Sie hatte all das, was ein normaler 17-Jähriger unternahm bereits im Alter von 11 ausgelebt und mittlerweile gehörig die Schnauze voll davon], hatte sich in eine Ecke zurückgezogen und geschmollt. Mit dem Jackie fühlte ich mich gänzlich unwohl – ihr könnt euch den Grund sicher denken. Ich sag nur: Jessy’s gelungene 2-Mann Geburtstagsparty! Nach dem 3. Glas ließ ich mich vom Wirt bereitwillig dazu überreden, ein Wetttrinken gegen den Mitbewohner und Geschäftspartners Nr. 1 unseres Dads zu bestreiten. Und wer hatte weder Erwarten gesiegt? Ich. [Fragt mich nicht, wie ich das geschafft habe…immerhin wisst ihr ja mittlerweile, dass ich nicht sonderlich viel vertrage.] „Wow, den hast dus gegeben. Long Island Icetea für Seymour-Junior aufs Haus!“ Seymour war der Name meines Dads, den ich am heutigen Abend so oft hören durfte, dass ich mich langsam fragte, ob er nur hier war, weil hier jeder mit oder über ihn sprach. Den Long Island Icetea schob ich recht schnell bei seinem Geschäftspartner ab, da ich nicht sonderlich der Fan dieser Seifen-Mischung war. Und kaum war der stockbesoffen, schaltete meine Schwester sich ein, setzte sich gegenüber von ihm und fing an, mit ihm sein Leben auszudiskutieren. Und das nicht auf eine nette Art und Weise. Der Abend ging in die Geschichte der Bar ein. Der Abend, an dem Rolph von einer 14- Jährigen vor allen anderen gedemütigt und fertiggemacht wurde, bis er entrüstet das Gebäude verließ, um sich woanders ins Delirium zu saufen. Dad versicherte uns, dass er morgen Mittag wieder bei ihm zuhause aufkreuzen würde…immerhin wohnte er schon eine Weile bei ihm, nachdem seine Frau ihn verlassen hatte. Den Rest des Abends verbrachte ich damit, mit Mai Pool zu spielen. Naja, wir versuchten es zumindest. So angetrunken, wie wir beide waren, konnte keine von uns mehr einen Ball treffen, ohne ihn durch die ganze Bar zu feuern. Der nächste Morgen war alles andere, als angenehm. Es war halb 9, als Dad uns mit einem Jetlag aus dem Bett schmiss und uns dazu nötigte, zu frühstücken, nur, um sich gleich danach wieder im Wohnzimmer hinzulegen und bis Mittags zu schlafen, um dann zu arbeiten und Abends wieder einen draufmachen zu gehen. Dass er und Mai nach unserem Barausflug noch in ein paar Discotheken vorbeigeschaut hatten, schockierte mich geradezu. Kein Wunder, dass er dann den halben Tag verpennte. Julie hatte sich 4 Stühle vom Esstisch zusammengeschoben und darauf ein Nickerchen gemacht, während Rolph, der sich an sogut wie nichts mehr vom Vorabend erinnern konnte, an seinem Laptop arbeitete und Mai und ich damit beschäftigt waren, uns anders zu unterhalten. Sie hatte mir den Arbeitslaptop meines Dads aus dem Schlafzimmer stibitzt und so saßen wir nun an dem Flimmerkasten und durchforsteten das World Wide Web. Und siehe da – wer meldete sich denn bei mir? Das Anzeigebild eines roten Schopfes sprang mir entgegen und ich seufzte kurz verträumt, während ich den Inhalt seiner Nachricht an mich sorgfältig durchlas.Hey! Du kommst doch heute Abend? Ich freu mich auf dich! „Was ist?“, Mai lehnte sich über meine Schulter. „Oh! Der ist ja süß!“ Sie grinste breit, während sie den Inhalt zu lesen versuchte, allerdings kein einziges Wort verstand. „Das ist…jemand besonderes.“, erklärte ich, blickte dann aber eher bedrückt drein. „Wir wollten uns heute Abend in einem Club treffen…aber ich bin hier. Nichts mehr mit Club, hm?“ Ich setzte mich ein wenig enttäuscht ans zurücktippen. Hey…ehm, nee, mir ist da was dazwischengekommen…befinde mich gerade auf einem anderen Kontinent. Die Antwort danach kam rasend schnell. Auf einem anderen Kontinent? Was zur Hölle machst du da?! – Familiäre Gründe…Ich mach das wieder gut. Soll ich dir was mitbringen? – Hmm…Okay, bring mir was schönes mit. Überrasch mich. PS: Muscheln find ich cool. Als mir angezeigt wurde, dass er sich ausgeloggt hatte, war ich gerade dabei deprimiert zu sein. „Weißt du was…?“ Mai sah mich aufmunternd an. Sie hatte mich die ganze Zeit über aufmerksam beobachtet und mitgekriegt, wie mir das zu Schaffen machte. „Wir gehen heute Nachmittag Shoppen. Das muntert immer auf.“ Und wie Recht sie da hatte. Als ich in der riesigen Halle stand, in der es um die 200 Stände mit verschiedensten Waren von Dessous, bis hin zu Kuscheltieren und Obst, hatte ich meinen Kummer vergessen und mich von Stand zu Stand gekämpft. Meine Schwester hatte es mir gleichgetan und da unser Dad nicht gerade geizte, fuhren wir als es bereits dunkel war, mit ganzen 2 Taxis zurück, weil eins nicht mehr gereicht hätte. „Ich hab sie nicht gefunden…“, jammerte ich, während ich auf der Rückbank inmitten von vollgestopften Einkauftüten hockte und über den Rückspiegel Blickkontakt mit meinem Dad suchte, der nur seufzte. „Ich hab dir gesagt, hier gibt es keine Muscheln. Warte bis in 2 Tagen ab, da fahren wir nach Phuket an den Strand und gut ist. Da gibt’s Muscheln, die kannst du schon gar nicht alle einpacken. Wozu brauchst du die überhaupt?!“ Ich seufzte ebenfalls und verschränkte die Arme. „Nur so.“, gab ich bissig zurück. Wenn ich zurückkam und Patrick keine Muscheln mitbrachte…dann konnte ich mich auch gleich erhängen. Zuhause angekommen, hatte ich schon gar keine Lust mehr meine neuen Klamotten anzuprobieren und mit Mai und Julie Modenshow vor dem Spiegel in der Eingangshalle zu spielen. Stattdessen setzte ich mich ins Fernseherzimmer zu meinem Dad, der wieder auf der Sofa eingenickt war, und studierte den Wetterbericht, der zwischen der ein oder anderen Asian-Drama-Soap gelaufen war. Es würde regnen – nonstop. Damit wäre dann der Urlaub nach Phuket gelaufen. „Dad….Dad!“ Ich stupste ihm mit einem Kugelschreiber, der auf dem Couchtisch gelegen hatte, in die Wange. Er schnarchte kurz wütend und drehte sich um. „Menno…“ Deprimiert ließ ich mich in den Sessel sinken und schaute mir doch noch eine der Soaps an. Manchmal fühlte man sich selber, wie als wäre man Teil einer Soap. Ich wusste, wie sich die Protagonistin gefühlt hatte… Als hätte ich es nicht gewusst gehabt. Da unser Ausflug an den Strand wegen des Wetters gecancelt war und sogar unser Ausflug in den Freizeitpark darunter leiden musste, waren die Tage so verstrichen, wie wir es geahnt hatten. Schlafen, morgens früh raus nur um zu frühstücken, vor sich hinvegetieren, mittags was essen, nachmittags bis abends shoppen und anschließend ging es dann wieder in irgendeine Bar und danach wieder nach Hause. Während wir den ein oder anderen Koffer zusätzlich kaufen mussten, weil unsere Schränke geradezu überqollen, konnte ich von meiner Laune nicht unbedingt behaupten, dass sie gerade vor Euphorie überströmte. Ich hatte sogut wie jeden Laden in Bangkok durchforstet (und war stattdessen in haufenweise Merchandising-Laden gelandet, in denen ich mein Taschengeld verprasste…), aber kein einziger Verkäufer hatte mir sagen können, wo ich Muscheln fand. Irgendwann mittags hatte ich mich an den Esstisch gesetzt und geschmollt, als mein Dad fuchsteufelswild die Treppe runtergestapft kam. „Sie ist immer noch nicht da! Ich wette die zieht sich jetzt wieder irgendeinen kranken Scheiß rein und macht sich das Leben kaputt! Ich hab sie gewarnt! Wenn sie hier noch einmal unter Drogeneinfluss reinkommt, werf ich sie raus!“ Rolph und Julie blickten von den Notebooks. „Drogeneinfluss?“ Meine Schwester zog die Augenbrauen zusammen. „Bestimmt nicht.“ Ja, unser Bild von Mai war mittlerweile mehr als gut gewesen. Sie verhielt sich zwar nicht wie eine Mutter, jedoch war sie für uns wie eine sehr, sehr gute Freundin gewesen. Und wie aufs Stichwort öffnete sich die Haustür und reingestolpert kam eine völlig fertige Mai. Sie sah aus, als hätte man sie gezwungen 48 Stunden wach zu bleiben. Ihr Gesicht war kreidebleich gewesen und ihre Augen wirkten irgendwie ungesund. Außerdem zitterte sie und von normal reden war nicht mehr die Rede. Dad nahm sie sich gleich zur Brust und zog mit ihr nach oben ab. Julie warf mir einen ungläubigen Blick zu. Von oben hörte man Brüllen, lautes Weinen und dann plötzlich wie ein harter Gegenstand gegen die Wand flog und zerbrach. Wer sein Handy liebgewonnen hatte, wusste, dass gerade Handys durch die Gegend geflogen waren. Was danach kam, war eine aufgerissene Tür und lautes Poltern. Dad schob Mai vor sich her und zog einen Koffer die Treppe runter. Die Haustür flog auf und beide flogen raus. Koffer und Mai. „Dad…Dad, was machst du?!“ Julie schaltete sich gleich ein. „Ich hab ihr die Bedingungen klar und deutlich gesagt. Drogen und sie fliegt raus! Ich kann dieses ganze Jabba & Ice Zeug zum Tod nicht ausstehen!“ Gut, Crystal Meth war wirklich keine Alternative gewesen, mal davon abgesehen, dass ich nicht verstand, warum Mai Drogen konsumierte, aber irgendwie mussten wir uns für sie stark machen. Es hatte 2 Stunden dauerhaftes Einreden gebraucht, bis wir unseren Vater soweit hatten, Mai wieder ins Haus zu lassen, damit die beiden sich aussprechen konnten und 3 Tage, bis er ihr verziehen hatte und ihre eine Chance gab [An dieser Stelle möchte ich erwähnen, dass sie bis heute die Finger von dem Zeug gelassen hat]. Zu meinem Glück, wenn man es so betrachtete…denn sonst wäre folgendes nicht passiert: Die 2 Wochen vergingen wie im Flug und am vorletzten Tag hatte ich immer noch kein Geschenk für Patrick auftreiben können. Die letzte Hoffnung war deshalb der Nachtmarkt in Sukhumvit gewesen. Also hatte ich mich ein weiteres Mal dazu überwinden können hinzugehen. Nichts gegen Nachtmärkte – nein, ich liebte sie sogar! Aber der in Sukhumvit war mir aus 2 Gründen absolut unsympatisch. 1. Er war total überteuert und 2. waren mir die Leute dort absolut suspekt. Warum? Das werdet ihr jetzt erfahren. Der Nachtmarkt in Sukhumvit war riesig und normalerweise fand man dort sogut wie alles, was man suchte. Von Klamotten, Koffern, Souveniers, bishin zu Taschenmessern, andere Waffen und Pornos. [Nicht, dass ich mich für irgendetwas davon interessierte. Ich war keine durchgedrehte Massenmörderin! Oder…Perverse!] Die Stände standen dicht an dicht aneinander, was nicht unbedingt viel Raum zum Gehen oder Stehen bei dem Andrang ermöglichte. Dad und Julie torkelten uns gemütlich hinterher, Mai und ich bildeten die Sturmfront in dem Gedränge. „Jessy, mir fällt gerade was ein…wir haben noch nichts, was wir Fab und Colin mitbringen können…“ Fabian und Colin waren unsere Stiefbrüder. „Und das fällt dir jetzt ein? Na super.“ Das hieß also, ich musste nicht nur nach Muscheln Ausschau halten, sondern auch nach passenden Geschenken für die beiden? Seufzend blieb ich an einem T-Shirt-Stand stehen. „Wir bringen ihnen am besten ein paar T-Shirts mit, die ihnen gefallen könnten.“, schlug ich vor und durchforstete den Stand nach ein paar Motiven von Harley Davidson, die eventuell Colin gefallen könnten. „Entschuldige…“ Ein Kerl, der mindestens 30 Jahre älter war als ich, lehnte sich neben mir an dem Stand an und grinste mich an. „Kann ich dich zu einem Drink einladen?“, fragte er unverhohlen und machte keine Anstalten zu gehen, als ich ihn ignorierte. Und Leute, das lag nicht nur an dem Turban, den er aufhatte oder dem extrem vollen Bart. „Hey, ich hab dich was gefragt!“ Langsam wurde er ungemütlich, als drehte ich mich zu ihm und setzte ein Lächeln auf. „Nein danke und wenn sie keine Anzeige wegen Sexueller Belästigung einer Minderjährigen am Hals haben wollen, gehen sie jetzt lieber.“ Sein Grinsen fiel ihm aus dem Gesicht und schon wurde er wütend. „Du Mist-“ „Nanana…“ Mein Dad baute sich hinter mir auf und der komische Kerl von eben suchte schnell das Weite. „Mit so Kerlen solltest du erst gar nicht reden.“, tadelte Dad mich und zog mich von dem Stand weg, um weiterzugehen. So, nun wisst ihr, warum ich Sukhumvit nicht wirklich leiden kann. Der Kerl war nämlich kein Einzelfall. Während wir auf der Suche nach Geschenken waren, war mir nicht ein einziger Stand aufgefallen, der die passenden Waren verkaufte. Ich sah mich gerade erneut in einem T-Shirt-Stand um, als ich Mais Ellbogen in meinen Rippen spürte. „Ouch!“, machte ich und verzog das Gesicht. Mai zeigte ein paar Stände weiter vor. Da saß ein Kerl, der etwa in meinem Alter sein sollte. Er sah unverschämt gut aus, wie er da in seinem offenen Hemd auf dem Hocker saß und am Strohhalm seiner Softdringpackung nickte. Mich brachte vor allem diese perfekt sitzende Frisur zum staunen, die ihn wie einen asiatischen Boygroubsänger aussehen ließ. „Vergiss deinen Freund in Deutschland, der hier ist doch viel besser.“ Mai kicherte leise und zog mich in seine Richtung. Kaum hatte er uns erblickte, grinste er uns frech entgegen. Ich blieb sofort stehen. „Nein, lassen wir das.“, meinte ich hektisch und da schaltete sich erneut mein Dad ein. „Geht weiter. Ich hab keine Lust mehr auf Shopping.“ Grummelnd zog er mit Julie an uns vorbei und so blieb mir nichts anderes, als den beiden mit Mai im Gefolge hinterherzugehen. An der nächsten Straßenecke, blieben wir dann stehen. „Julie, wir gehen jetzt zusammen zum Biergarten dadrüben. Mai, du gehst mit Jessy weiter nach diesem blöden Zeug suchen. Okay?“ Julie nickte, anscheinend war ihr die Lust aufs Einkaufen ebenfalls vergangen. „Okay, dann los.“ Mai packte mich an der Hand und zog mich wieder in das Einkaufsgetümmel. Dad und Julie waren längst nicht mehr zu sehen, als ich mich nach ihnen umdrehte. Als ich mich wieder in Blickrichtung drehte, stand mir ein großgewachsener, dunkelhäutiger Amerikaner gegenüber, in den ich fast hineingerannt war. Er blickte mit einem strahlendweißen Lächeln auf mich hinab. „Hey Süße.“ Und schon vorbei. Er war mir unsympatisch. Ich zog den Kurzarmbolero über meinem hellblauen Top ein weniger weiter zusammen, um von da oben nicht zu viele Ausschnitteinblicke zu ermöglichen. Mai zog mich schnell von dem Kerl weg. „Du scheinst die hier echt anzuziehen.“, meinte sie allmählich genervt, „Ich werde nicht halb so oft, wie du, hier angemacht.“ Ich zuckte entschuldigend mit den Schultern und hakte mich bei ihr ein, damit wir uns nicht verloren. „Wo wir jetzt alleine sind…wollen wir wieder zu dem Typen von eben?“, fragte Mai aufgeregt und sah mich erwartungsvoll an. „Lieber nicht. Dad will nicht, dass ich mir einen Freund hier zulege.“, versuchte ich das Thema vom Tisch zu räumen, aber sie ließ nicht locker. „Wir müssen es Seymour ja nicht sagen…ich will dich mit ihm verkuppeln, das wäre echt süß! Meine kleine Schwester habe ich auch mit ihrem jetzigen Freund verkuppelt, aber da war das nicht so lustig, du bist viel hübscher, da hat man mehr Auswahlmöglichkeiten.“ Ich sah Mai mit einem entsetzten Blick an. „Wow, ich fühl mich wie ein Stück Fleisch, mit dem du Hunde anlocken willst.“ Sie lachte kurz darüber und beließ es dabei, aber ich merkte schon, dass sie weiterhin nach gutaussehenden Kandidaten Ausschau hielt. Mich tippte jemand von hinten an und stand im nächsten Augeblick bereits neben mir. „Hey Süße, Lust ein wenig zu plaudern?“ Der Amerikaner meldete sich zurück zum Dienst. Ich schüttelte rasch den Kopf und versuchte ihn zu ignorieren, da wurde Mai auf einmal richtig wütend. „Alter, lass sie in Ruhe, ja! Wenn du meine Tochter noch einmal anmachst, dann hast du ein Problem!“, fuhr sie ihn an und er schaute sie genauso geschockt an, wie ich. „Lass uns gehen!“ Mai lief ihm Schnellschritt weiter und zog mich neben ihr her. „Das gibt’s nicht…der lässt nicht locker.“ Mir kurz über die Schulter geblickt, sah ich, wie der Kerl uns folgte. „Ohman…“ Die nächsten 3 Straßen war er uns gefolgt und so war es nicht besonders einfach gewesen, nach T-Shirts zu gucken, weil er bei jedem Stand ebenfalls anhielt, um mir wieder und wieder dieselbe Frage zu stellen. Wir waren längst wieder auf dem Rückweg, ohne jegliche Ausbeute, das hatte der Kerl gut zu verhindern gewusst, als mir der Geduldsfaden riss und ich ihn beinahe lauthals anbrülllte. „Jetzt hör mir mal zu! Ich-bin- vergeben! Lass mich bitte in Ruhe! Danke!“ Ich blieb vor einem weiteren Stand stehen, an dem es T-Shirt zu kaufen gab und griff nach einem x-beliebigen, als er mich an der Schulter packte und mich zu sich umdrehte und mich weiterhin angrinste. „Mir ist egal, ob du einen Freund hast oder nicht. Wir können auch einfach nur befreundet sein…lass uns nur ein wenig…reden.“ Mai funkelte ihn wütend an, da fasste mich jemand am Handgelenk und zog mich von ihm weg und zu sich. Mein Gesicht wurde auf einmal gegen eine gutgebaute Brust gedrückt und ein Arm lag fest um mich. Ich blickte in die geschockten Gesichter von Mai und dem Amerikaner, als die Person anfing zu reden, die mich im Arm hielt „Lass die Finger von meiner Freundin, verstanden?“ Unsicher blickte ich hinauf in das Gesicht des Typens, mit dem mich Mai verkuppeln wollte. Sie hatte uns also wieder hierher gelotst? Gerade dankte ich ihr innerlich dafür. Der Amerikaner winkte sogleich mit den Händen ab. „Okay, tut mir sehr leid, kommt nicht wieder vor!“, versprach er und verzog sich schnell. Kaum war er weg, drückte ich mich von meinem Retter weg. „D-Danke.“, stotterte ich und stotterte rücklings über einen Schlauch, der mitten im Weg lag, doch bevor ich hinfliegen konnte, hatte mein Retter mich schon am Handgelenk gepackt und zurückgezogen. Na toll, jetzt hatte er mich schon ganze 2 Mal gerettet. „Ich muss dann…los!“ Ich zog die Hand zurück, drehte mich um und eilte davon, mitten ins Gemenge, nur um von ihm wegzukommen. Ein paar Stände weiter, blieb ich stehen. Ich war außer Sichtweite, doch Mai hatte mich gerade noch zwischen all den Leuten sehen können. „Jessy! Was soll der Mist?!“ Sie hatte mich bereits erreicht und stemmte vor mir die Hände in die Hüften. „Er hat dich gerettet! Du hättest ihm wenigstens sagen können, wie du heißt!“, meckerte sie, doch ich schüttelte rasch den Kopf. „Nein, hätte ich nicht…das war…eine totale…Blamage.“ Mit der Situation war ich einfach absolut überfordert gewesen. Das kam mir mehr vor, wie in einer dieser Liebeskomödien oder so. Total kitschig und total unreal. Umso erschreckender war es, dass es sowas tatsächlich gab. „Wir gehen zurück.“, entschied Mai und ich nickte. „Ja, gehen wir zu Dad und Julie zurück.“, stimmte ich ihr zu, nur hatte ich sie leider missverstanden. „Nicht zu den beiden…zu ihm!“ Ich lachte, als hätte Mai gerade einen Witz gemacht. „Ähh…nein. Lassen wir das. Das wird einfach nur peinlich.“ Im Grunde wäre ich gerne hingegangen, aber ich sah meine Chancen bereits als vertan an, da ich mich vorhin einfach nur total daneben verhalten hatte. Mai schüttelte seufzend den Kopf und zog mich einfach durch das Gedränge zurück zu dem Stand, an dem mein Retter mich vorhin vor dem Amerikaner beschützt hatte. Er saß wieder lässig auf seinem Hocker und sprach mit einem Jungen, der ihn ziemlich ähnlich sah, nur hatte der blond gefärbte Haare. An dem Stand gegenüber blieb Mai stehen und sah sich eines der T-Shirts an. „Leg das weg…“, zischte ich ihr zu. „Das ist total hässlich…am Ende denkt er noch, wir hätten keinen Geschmack.“ Mai schenkte mir einen ‚Du-bist-so-ein-Anfänger’-Blick. „Er wird sich wohl kaum für das T-Shirt interessieren.“ Ein älterer Herr gesellte sich zu uns. „Die T-Shirts kosten 80 Baht pro Stück.“, fing er das Gespräch mit uns an. „Wir sind nicht wegen den T-Shirts hier.“, erklärte Mai und warf einen Blick über ihre Schulter, um dem Mann zu signalisieren, dass wir wegen dem Jungen in dem weißen Hemd da waren. „Ahh…soll ich ihn herholen?“, fragte der Mann, der nun ein herzliches Lächeln auf den Lippen hatte. „Nein!“ „Ja!“ Unsere Antworten kamen zeitgleich, doch Mai schickte den Mann sofort los. „So, Liebes. Egal was passiert…du nimmst seine Nummer, nicht er deine. Viel Glück.“ Und weg war sie. Mein Retter stellte sich direkt neben mich, während ich beschämt die Shirts vor mir inspizierte. „Hey.“, begrüßte er mich und als ich ihm einen Blick zuwendete, sah ich, dass auch er zu den Shirts runterschaute. Er lächelte breit und irgendwie ermutigte mich das. „Hi.“, erwiderte ich und lächelte, da blickte er auch mir entgegen. „Deine Mom ist echt lustig.“, fing er an. Ich wollte ihm widersprechen, dass Mai nicht meine Mutter war, doch ich beließ es dabei. Sollte er eben denken, dass sie es war. „Achja…warum?“, fragte ich ihn daraufhin und er lachte kurz. „Naja…sie versucht dich mit mir zu verkuppeln, dass ist dir schon klar?“ Ich wurde schlagartig rot und sah schnell weg. „Naja…sie macht manchmal was sie will. Ich hab sie nicht drum gebeten.“, versuchte ich mir rauszureden. „Achso ist das. Schade…ich dachte, du könntest mir vielleicht deine Nummer geben und wir schauen, was draus wird.“ Er hatte immer noch ein zuversichtliches Lächeln auf den Lippen. „Weißt du was?“ Ich sah ihn wieder direkt an. „Vielleicht hat meine Mom ja recht. Aber…du gibst mir deine Nummer, einverstanden?“ Er sah mich zuerst verunsichert an, rief seinem Sitzpartner von eben aber sofort zu, ihm einen Stift und Papier zu organisieren. Als es ein wenig länger dauert, wurde er nervös und machte Hektik. „Ähm…mein Bruder kommt gleich. Hab ein wenig Geduld.“ Ich lachte kurz auf und schüttelte nur den Kopf darüber. „Du hast wohl Angst, dass ich dir weglaufe.“ Er wollte noch etwas erwidern, doch da kam sein Bruder schon und er schrieb mir schnell seine Nummer auf einen Zettel, den er mir dann übergab. „Ruf mich an, ja?“, flüsterte er mir noch zu und lehnte sich vor, dann ging er aber wieder zu seinem Bruder rüber und ließ mich alleine stehen. Ich suchte auch recht schnell wieder das Weite und wurde von einer aufgeregten Mai abgefangen. „Uuuuuund? Wie ist es gelaufen?“, wollte sie gleich wissen und ich hielt ihr den Zettel triumphierend lächelnd entgegen. Sie quietschte kurz auf und umarmte mich stürmisch. „Mach den Zettel auf, ich will wissen wie er heißt.“, drängte sie mich und ich tat, wie mir befohlen. „Du…Mai…“, fing ich an. Mir war die ganze Freude aus dem Gesicht gefallen. „Was denn?“, fragte sie mich verunsichert. „Ich glaube…er hat mich verarscht.“ Mais Gesicht spiegelte Entsetzen wieder. „Wieso?“, wollte sie wissen. „Über der Nummer steht Joke.“, antwortete ich geknickt. Mai seufzte, schüttelte den Kopf und gab mir dann eine Kopfnuss. „Das ist sein Name, du Nuss.“ Mir fiel es wie Schuppen von den Augen. Das war sein Name? „Wir rufen ihn an! Heute Abend noch!“ Und wie wir das tun würden. Wir saßen mit Julie zusammen auf meinem Bett. „Ey, ein Wunder, dass Dad davon nichts mitbekommen hat.“, meinte Julie und lehnte sich gegen das Kopfstück des Bettes und begutachtete die Nummer in ihren Händen. „Er heißt echt Joke?“ Ja, ich konnte das auch noch nicht so wirklich glauben. „Mai, darf ich ihn von deinem Handy aus anrufen?“, fragte ich sie und sie warf mir ihr Handy zu. Da Dad ihr altes durch die Gegend geworfen hatte, war Mai jetzt im Besitz eines ganz neuen Models. Damit klarkommen tat sie trotzdem noch nicht. „Machs nur nicht kaputt.“ Mir die Nummer von Julie zurückgeholt tippte ich sie ein und drückte auf das grüne Zeichen. Es gab ein Freizeichenton…und noch eins. Als dann keiner abnahm, legte ich auf und seufzte. „Ich glaube, er hieß doch nicht Joke.“, meinte ich und ließ den Kopf resigniert hängen. „Nein, er ist bestimmt einfach nur beschäftigt oder so.“, versuchte mich Mai aufzumuntern, da klingelte das Handy auf einmal. Vor Schreck warf ich es weg von mir und quietschte kurz auf, Mai quietschte ebenfalls, aber mehr, weil sie ihr Handy vor dem sicheren Sturz retten wollte. Es aufgefangen, drückte sie es mir in die Hände „Nehm ab – und werf es ja nicht wieder durch die Gegend!“ Ich nickte eifrig und nahm ab, „Hallo?“, sprach ich unsicher in den Hörer. „Hey…bist du die Kleine von heute Abend?“, fragte die Stimme am anderen Ende. Ja, das war Joke gewesen. „Japp, du bist genau richtig.“, antwortete ich und musste kurz lachen, wenn auch mehr aus Nervosität. „Gut, verrätst du mir deinen Namen?“ „Jessica. Aber du kannst mich Jessy nennen.“ Joke lachte kurz. „Jessy also. Hübscher Name. Wie alt bist du?“ Mir war klar gewesen, dass die Frage früher oder später kommen würde. Aber ich wollte zuerst wissen, wie alt er war. „Für wie alt hältst du mich denn?“, stellte ich also als Gegenfrage und er überlegte kurz. „21? So im Dreh.“ 21…?! Hatte der Tomaten auf den Augen gehabt? „Ich glaube ich bin doch nicht die von heute Abend…wieso 21? Ich bin nicht 21. Ich bin 17!“, gab ich entrüstet von mir. „17? Ich hab dich für älter gehalten! Ohman…ich bin 25.“ Mir fiel fast das Handy aus der Hand. „25…? Ich hab dich für wesentlich jünger gehalten.“ Darüber lachten wir jetzt beide. Und trotz des Altersunterschieds, unterhielten wir uns noch eine halbe Ewigkeit über alles mögliche. „Wie lange bleibst du noch hier?“, fragte er mich schließlich. „Nicht mehr lange…morgen ist der letzte Tag.“ „Morgen schon? Das ist ja blöd…hast du Lust Morgen den Tag dann noch mit mir zu verbringen?“, fragte er dann und ich hörte, wie erwartungsvoll er war. „Ähm…“ Ich überlegte und wollte ihm zustimmen, da piepte das Telefon urplötzlich und schaltete sich ab. „Nein! Verdammt!“, fluchte ich und blickte auf den schwarzen Display. „Mai! Dein Handy! Der Akku! Ich brauch ein Aufladekabel!“ Mai und ich stürzten zeitgleich aus der Tür und rannten die Treppen runter zu ihrem Schlafzimmer, um dort ein Aufladekabel aufzutreiben. Das Handy angesteckt, ging es wieder an und ich tippte schnell wieder Jokes Nummer ein. Julie war in der Zwischenzeit auch in das Zimmer eingetrudelt. Ein Freizeichenton, bis mir jemand etwas ins Ohr faselte. „Ihr Guthaben beträgt 0 Baht und…“ Aufgelegt, warf ich Mai einen grimmigen Blick zu. „Dein Guthaben ist leer.“ „Oh…mist. Dann müssen wir schnell eine neue Handykarte kaufen. Blöd, dass ich kein Geld mehr habe.“ Mai überlegte. „Frag einfach Dad nach Geld.“, schlug Julie vor. „Ich geh ihn fragen. Mai gibt er seit der Sache vor einer Woche kein Geld mehr.“ Und so sollte es sein. Ich schlich mich die Treppe runter ins Fernsehzimmer und piekste Dad mal wieder in die Wange. „Dad.“, zischte ich ihm zu. „Dad…ich brauch Geld.“ Er grummelte, öffnete dann aber ein Auge und kramte in seiner Tasche nach seinem Geldbeutel. Einfach nach Geld gegriffen, hielt er mir 500 Baht entgegen. „Hier. Und jetzt lass mich schlafen.“ Ihm das Geld abgenommen, freute ich mir bereits ein Loch in den Bauch. „Dankeschön.“ Grinsend huschte ich wieder hoch in den 4. Stock zu Julie und Mai, das Geld siegreich in den Händen haltend. „Lasst uns los, ich brauche Geld um Joke anzurufen!“, verkündete ich. „Ich bleib hier, fahrt ihr nur ruhig.“ Julie räkelte sich genüsslich auf dem Bett. „Wenn ich mitkomme, muss ich sonst wieder die 4 Stockwerke hier hoch…“ Wir lachten und huschten durch das Treppenhaus. Uns auf Mais Motorroller geschwungen, fuhren wir zum nächsten 7-Eleven um dort die Handykarte zu kaufen. „Wir haben mehr als genug Geld…kaufen wir noch irgendwas Süßes oder Chips.“, schlug Mai vor und schob mich in das Süßwarenabteil. „Ich geh vorne Zigaretten für Seymour kaufen, dann steh ich ein wenig besser bei ihm.“ Ihr zugenickt, widmete ich mich den Süßigkeiten. Auf Chips hatte ich nicht wirklich Lust. Mir eine Packung Pockys aus dem Regal gezogen, musste ich unwillkürlich an eine gewisse Person denken. Patrick. Ich hatte ihn völlig vergessen. Ich hatte kein Geschenk und war drauf und dran meinen letzten Tag mit jemand anderen zu verbringen mit völlig falschen Gedanken im Hinterkopf. Mir einen Einkaufskorb geholt, stopfte ich so viel Süßkram in ihn, wie es nur ging und kam mit dem Korb vor an die Kasse, wo Mai schon auf mich wartete. „Warum um alles in der Welt hast du so viel Süßzeug geholt?“ Sie sah mich verwundert an. „Die sind für…Patrick.“, antwortete ich und übergab dem Kassierer das ganze Zeug. Mit den Tüten bewaffnet fuhren wir wieder zurück und nachdem Mai ihr Handy aufgeladen hatte, konnte ich Joke endlich anrufen und ihm antworten. Ich lehnte zwar ab, meinen letzten Tag mit ihm zu verbringen, jedoch nahm er mir das Versprechen ab, ihn in den nächsten Ferien zu besuchen und damit ich ihn ja nicht vergessen würde, schickte er mir noch ein paar Fotos auf mein Handy rüber. Im Austausch dafür bekam er auch eins von mir, was er als letzten Anlass sah mich anzurufen und mir erneut das Versprechen abzunehmen. → Let‘s stay with Jessy - But now it‘s CrazyGirlys work again. (An dieser Stelle noch einmal Danke an Jeychan. Gute Arbeit! Ich hoffe euch hat die kleine Überraschung so gefallen wie mir.) So groß die überraschende Wende unseres Urlaubs auch gewesen war, ich war heilfroh endlich wieder Zuhause zu sein. Und auch Julie ging es nicht anders. Sie war gleich nach oben in ihr Zimmer gestürmt und verbrachte ihre Zeit mal wieder damit, die Telefonrechnung in die Höhe zu treiben. Meine Gedanken kreisten ebenfalls darum Suzie anzurufen und ihr alles zu erzählen. Außerdem wollte ich wissen, wie es ihr ergangen war. Doch leider war es bereits 22 Uhr und ich erreichte sie nicht... vielleicht war sie feiern. In 3 Tagen würde es nämlich bereits Goodbye Ferien und Nice to see you again Schulalltag heißen...deprimiert und irgendwie auch verärgert darüber, dass Suzie zwar wusste, dass ich bereits zurück sein musste, sich aber nicht bei mir meldete, kippte ich meinen Koffer auf meinem Bett aus und warf einen Blick auf den Berg aus neuen Klamotten. Ein Wunder, dass ich alles hatte einpacken können. Kaum schubste ich den Koffer wieder vom Bett, landete er mit einem lauten Klappern auf dem Holzboden und dann klingelte mein Handy plötzlich. Ich zuckte erschrocken zusammen. Innerlich betete ich, dass Suzie doch an mich gedacht hatte...und so war es. Ihr Name leutete auf dem Display und dann hörte ich auch schon ihre muntere Stimme: „Su!“, stieß ich mit ungehaltener Freude aus. Zwar hatte ich ihr eine nette Postkarte schreiben können, doch telefoniert hatten wir nicht einmal...anders als versprochen. Irgendwie hatte es nie funktioniert...entweder hatte ich keine Zeit gefunden, oder sie war nicht zu erreichen gewesen. Daher war ich nun umso glücklicher ihre Stimme zu hören, doch bevor ich zu plappern began,n ergriff sie das Wort: „Komm mal raus.“, ich stockte erstaunt. Raus...? War sie etwa...? „Du bist hier?!“, rief ich überrascht aus und wartete auf eine Antwort. „Leg endlich auf und tu, was ich dir sage!“, lachte sie am anderen Ende und schon hatte ich das Handy weggeschmissen und war die Treppe heruntergestürmt. Meine Mutter war mit auf dem Flur begegnet und sah mir irritiert nach. Doch ohne sie zu beachten, schlüpfte ich in meine Schuhe und riss die Tür auf. Der Vorgarten lag in völliger Dunkelheit und als der Hund aufgeregt an mir vorbei stürmte und freudig bellte, vernahm ich Suzies Stimme. Kaum hatte sie einen Fuß auf den Rasen gesetzt, sendeten der Bewegungsmelder ein Signal und die schwachen Lampen erleuchteten. Sie war tatsächlich hier! „Suzie!“, ungehemmt stürmte ich auf sie zu und stolperte dabei beinahe über meine eigenen Füße. Im Augenwinkel erblickte ich auch Percy, der sie wohl hergefahren hatte...doch für diesen Moment war er bloß Nebensache. Ich nahm meine beste Freundin fest in den Arm, gar so als wäre ich Jahre lang von ihr getrennt gewesen. Lachend hatte sie mich abgefangen und begrüßte mich ebenso herzlich. Am liebsten hätte ich vor Freude geweint - okay, um ganz ehrlich zu sein...Tränen hatte ich in den Augen: „Ich dachte schon, du hast mich vergessen...bei dir Zuhause ist die ganze Zeit über niemand rangegangen. Und Julie hat schon fast alle ihre Freunde durchtelefoniert. Ich wollte als erstes dich erreichen.“, plapperte ich los und konnte die gelungene Überraschung noch immer kaum glauben. „Als ob ich dich vergessen würde.“, erneut schloss Suzie mich kurz in ihre Arme, dann meldete sich Percy schief lächelnd zu Wort. „Hey Ladys...nur dank mir seht ihr euch heute Abend.“, wieder stimmten Suzie und ich in ein ansteckendes Lachen an und dann nahm ich auch Percy endlich in den Arm, jedoch bei Weitem nicht so übermütig wie Su. Ohne zu zögern nahm ich die beiden mit rein und führte sie gleich in mein Zimmer, wo ich als erstes in dem Chaos die Geschenke für Suzie heraus suchte. Ich hatte an natürlich auch an sie gedacht und immer brav alles gegriffen, was ich mit ihr verband. Highheels, Oberteile, eine Tasche und sogar ein sexy Nachthemd hatte ich ihr mitgebracht. Freudig nahm sie ein Mitbringsel nach dem anderen an und begutachtete sie stolz und zufrieden. „Du bist ein Schatz!“ - das konnte ich nur zurückgeben. Ich muss sicher nicht erwähnen, dass der Abend sehr lang wurde und Suzie so lange wie nur irgend möglich bei mir blieb. Gegen 3 Uhr morgens bestand Percy jedoch darauf, sie endlich wieder nach Hause zu fahren, da er selbst müde wurde und bei unserem Gequatsche ohnehin kaum zum Wort kam und bloß gelangweilt auf meinem Schreibtischstuhl saß. So wurde ich also meine Erzählungen über den Urlaub endlich los. Suzie erzählte mir auch von ihren Ferien - jedoch verschwieg sie mir das wohl wichtigste. Dahinter kam in erst am Abend darauf, als ich mich kurzfristig dazu entschied bei ihr zu übernachten. Wir hatten zusammen bis spät in die Nacht vorm Fernseher gesessen und uns die neusten Filme zusammen angeschaut, wie wir es beinahe regelmäßig taten - wenn wir Zeit fanden. Kaum war der Fernseher wieder aus, saßen wir auf ihrem Teppich und wickelten uns beide in unsere Decken ein. Endlich konnte ich ohne Mithörer mit ihr sprechen...natürlich kamen wir auf James und Patrick zurück und kurz darauf ließ sie die Katze endlich aus dem Sack: „James und ich...wir treffen uns wieder regelmäßig und verstehen uns echt gut. Ich würde schon fast sagen besser als vorher.“, mir rutschte beinahe alles aus dem Gesicht. Hatte ich richtig gehört? Ihre Wut und die Entschlossenheit sich einen Kerl zu suchen, der anständig mit Frauen umging und ihr gewachsen war, schien wie weggeblasen. „Und das erzählst du mir erst jetzt?! Wie kam es dazu?!“, wollte ich schockiert wissen und setzte mich völlig auf, um sie besser ansehen zu können. „Er hatte sich noch einmal bei mir gemeldet...er hat mich vermisst und du weißt, dass ich auch ihn vermisst habe. Das war alles nicht ganz so leicht, wie ich immer gesagt habe. Außerdem habe ich ziemlich lange mit Jenny und Seth darüber geredet, sie waren auch dafür, dass ich ihn nicht länger strafen soll, da er seine Lektion wohl bereits gelernt hat.“, sie zuckte gleichgültig mit den Schultern. Ich wollte, dass sie glücklich war und meiner Meinung nach hatte James bewiesen, dass er sie nicht glücklich machen würde...doch wusste ich auch, dass ich ihn ihr nicht ausreden konnte. Also nahm ich die Neuigkeiten hin und entschied mich dazu, ihr nicht in ihre Entscheidung reinzureden. „Ich halte trotzdem nichts mehr von ihm...“, waren meine einzigen Worte, doch etwas anderes schien sie nicht erwartet zu haben. Ob ich wütend war, dass sie es mir verschwiegen hatte? Irgendwie schon, ja. Doch war ich mir auch sicher, dass ich es wohl kaum weiterhin so streng betrachten würde, wenn ich diese Überraschung verdaut hatte...falls man es Überraschung nennen konnte... Und wie sich herausstellte, musste ich meinen Groll auf James sogar schneller loswerden, als noch am selben Abend vermutet. Kapitel 12: Love me,or leave me! -------------------------------- → Suzie Hatcher Nach den Ferien, die das Gleichgewicht unserer Freundschaften wieder grob hergestellt hatten, verlief der erste Schultag beklemmt. Man fand sich im Gedränge wieder und erblickte sogar vereinzelt neue Gesichter. Jessy gab sich Mühe, normal mit James umzugehen, wobei man bemerkte, dass sie sich nur sehr skeptisch wieder an ihn herantastete. James verhielt sich mir gegenüber wie in den Ferien auch. Offen, freundlich und zufrieden. Und auch die Tatsache, dass Jessy ihn nicht mehr zu verabscheuen schien, freute ihn sichtlich. Wir hatten uns darauf geeinigt, uns gemeinsam für die wenigen freien Minuten der Pause auf den Pausenhof zu verziehen, da im Gebäude die pure Hektik herrschte. Matt hatte sich auf dem Weg nach draußen an meine Seite gesellt und mich grinsend gemustert. Heute morgen in den ersten beiden Stunden war er mir schon begegnet, doch erst jetzt rückte er mit der Sprache raus, da er sich unbeobachtet fühlte: „Habt ihr euch endlich geeinigt?“, wollte er wissen und nickte unauffällig zu James hinüber, der gerade mit Zac sprach, einem guten Freund von ihm, der ebenfalls in meiner Klasse gelandet war. „Geeinigt?“, hakte ich nach, doch konnte ich mir denken, was er meinte. Das ewige Hin und Her war wohl kaum jemandem entgangen, der James und mich auch nur ein kleines bisschen kannte. „Darauf, dass ihr es doch probiert.“, als er auf eine Beziehung zu sprechen kam, musste ich lachen und schüttelte den Kopf: „Wir sind nicht zusammen.“, Doch was waren wir eigentlich? Freunde...? Wohl kaum, dazu war zu viel passiert...außerdem merkte man anscheinend, dass etwas zwischen uns in der Luft lag, da ich heute Morgen schon einmal von Tia darauf angesprochen wurde. James hatte mich morgens nämlich abgefangen und zu meinem Klassenraum begleitet. Kurz zu ihm hinüber gesehen, bemerkte ich, dass auch er mich angeschaut hatte und schob die Gedanken seufzend zur Seite - mir persönlich hatte vor kurzem eine Beziehung noch widersprochen, doch wenn ich ihn so anschaute und mich dazu zwang, ehrlich zu mir zu sein, kam ich mittlerweile zu dem Entschluss, dass es mir gefallen würde, wenn es nun doch drauf hinauslief. Ich meine...was würde sich schon großartig ändern? Nichts. Wir gingen jetzt schon vertrauter miteinander um, als manches Pärchen. Und Jessy pflegte zu sagen, dass unsere Freundschaft wohl eine der erotischsten war, die sie kannte...immerhin enden nicht täglich zwei gute Freunde nachts auf einem umfunktionierten Billardtisch und kamen sich gefährlich nah. Doch über diese freche Aussage schwieg ich jedes Mal, wenn Jessy sie brachte. Matt hatte meine Antwort einfach hingenommen und die Lust daran verloren, mich auszufragen, also gesellte er sich zu Jessy und Ted, die gerade lautstark diskutierten, da Ted sie wohl mal wieder aufgezogen hatte. Ich hingegen drängelte mich zu James und Zac. Es dauerte nicht lange, da gesellte sich ein weiter Freund von James zu uns den ich jedoch nicht besonders gut kannte - Lou. Auch Jamie ließ nicht mehr lange auf sich warten und somit waren wir wieder komplett. Als sich eine kurze Pause in das Gespräch der Jungs legte, schenkte James mir ein herzliches Lächeln und warf seinen Arm sacht um meine Schultern, während sie sich weiter unterhielten und ich mich mit meinem Handy beschäftigte - Seth wollte mich nach der Schule sehen. Wahrscheinlich war er neugierig, was es Neues zu erzählen gab. Gesagt, getan. Der Rest des Vormittags verlief locker und unerwartet angenehm. Tia saß in den letzten beiden Stunden neben mir und malte gelangweilt auf ihrem Block herum. Ich beobachtete ihr Gekritzel und verspürte den inneren Drang für etwas Unterhaltung zu sorgen: „Tia...? Wir sprechen so viel über mich. Wie steht’s bei dir mit den Kerlen?“, wollte ich grinsend wissen und schien sie an der Angel zu haben. Sie hatte aufgeblickt und den Stift sinken gelassen. „Huh? Also...eigentlich ist niemand in Sicht. Ich bin schon eine ganze Weile wieder auf dem Markt.“, die lässige und doch irgendwie verlegen wirkende Art mit der sie sprach, brachte mich zum lachen. „Okay...und welcher Kerl gefällt dir aus der Klasse am besten?“, Tia zog die Augenbrauen zusammen und vermutete wohl, dass ich scherzte. Doch als sie sah, wie auch mein Blick prüfend von einem Jungen zum anderen glitt, tat sie es mir nachdenklich gleich. „Ich schätze Marc.“, murmelte sie und auch mein Blick legte sich auf ihn. Obwohl ich mich mit allen aus der Klasse verstand und wir uns über die ersten Monate kennengelernt hatten, war Marc einer der Fälle, den ich nicht zuordnen konnte. Keine Frage, wenn man genauer hinsah hatte er seine Vorzüge. Groß, gebräunt, trainiert...doch ihm fehlte das gewisse Etwas. Immer wieder ging er zwischen den einfachsten Kerlen einfach unter und wurde übersehen. Anders als Ian, der neben ihm saß und mal wieder einen lockeren Spruch laut in die Klasse warf und uns somit alle zum Lachen brachte. Er schien sich ebenfalls zu langweilen und legte sich daher mit der Lehrerin an, die ihn unbeholfen in seine Schranken weisen zu versuchte. „Wenn ich mich entscheiden müsste, würde meine Wahl mittlerweile wohl auf Ian fallen.“, gab ich breit grinsend zu. Ian war beliebt und selbstbewusst. Stets hatte er einen frechen Spruch auf Lager und spielte sich auf eine sympathische Art und Weise in den Mittelpunkt. „Er sieht gut aus, keine Frage...aber er würde mir schnell auf die Nerven gehen...so selbstverliebt wie der ist.“, sprach Tia skeptisch. Ich sah das ganz anders...mich sprach seine Optik nicht unbedingt an [es war ähnlich wie bei Max, dass seine Vorzüge einem erst auf den zweiten Blick ins Auge sprangen]. Was mich interessierte war sein Charakter. Mit Langweilern oder gar schüchternen, ruhigen Kerlen konnte ich nichts anfangen...kleine vorlaute Rebellen oder aufgeweckte Machos mit Herz fingen mein Interesse stets ein - wie das Laternenlicht die Motten. Rein optisch gefiel mir noch immer Mike am besten [ihr erinnert euch bestimmt an ihn, bereits im zweiten Kapitel hatte sein Aussehen mich mächtig beeindruckt], doch er zählte wohl zu den uninteressanteren Persönlichkeiten. Ruhig und bedacht. Zwar konnte man sich gut mit ihm unterhalten und er war ein wirklich höflicher Mensch aber...das war’s dann leider auch schon wieder. Das genaue Gegenteil von ihm - zumindest äußerlich - war Marcus. Er trug kurze dunkle Haare, sein Gesicht wurde von einem lässigen Drei-Tage-Bart geziert und die dunklen Augen stellten eindeutig einen Blickfang dar. Seine Bewegungen schienen stets lässig und auch er machte den Eindruck, eine Menge Selbstbewusstsein zu besitzen - ja, auch er gefiel mir. Doch mit Max war er der zweite Fall, den ich nicht einschätzen konnte und mit dem ich mich bisher wenig beschäftigt hatte. „Sei froh, dass du James hast. Die Jungs hier lassen zu wünschen übrig, wenn man Charakter und Aussehen beachtet.“, lachte Tia frech. Sie hatte Recht - ich war mit meiner Wahl, die gerade jedoch in einem anderen Klassenraum saß, zufrieden. „Vielleicht ändert das ja der neue Kerl, der im Laufe der nächsten Wochen zu uns kommen soll.“, flüsterte Tia vorfreudig. Wir würden also Zuwachs bekommen? „Damon O‘Malley.“, hakte sich plötzlich Linda ein, die auf der anderen Seite neben mir saß. Sie war ziemlich ruhig und vermittelte den Eindruck sich für etwas Besseres zu halten. In unserer Klasse sprach sie bloß gelegentlich mit Tia, Jill oder mir - sie schien heil froh, bald nicht mehr mit den ganzen Chaoten in einem Raum sitzen zu müssen. „Er ist ganz in Ordnung. Ich war schon vorher mit ihm in einer Klasse. Er ist einer der besten Freunde von Ian und Marcus.“, wir hatten sie angesehen und ihr beinahe gebannt zugehört. Einer der besten Freunde von Ian und Marcus? Dann war er wohl auch einer der beliebten und interessanten Sorte, die sich gerne mal aufspielte? Nach den letzten Minuten eintönigen Unterrichts und ein paar weiteren amüsanten Sprüchen, die Ian über die Lippen gerutscht waren, wurden wir entlassen. Zu meiner Überraschung holte mich Seth gleich von der Schule ab und entscheid sich dazu mit mir in die Stadt zu fahren. Wie immer munterte mich seine Gegenwart auf, auch wenn ich nicht einmal deprimiert war. Auf dem Rückweg in seinem Auto wagte er es endlich mich nach James zu fragen: „Was antwortest du, wenn er endlich mit der Sprache rausrückt, eine Beziehung zu wollen?“, wollte er wissen und klang dabei wie ein Regisseur, der einen beliebigen Schauspieler streng nach seinem auswendig gelernten Text fragte. Seth akzeptierte kein Nein - nicht in James Fall. Auch wenn er wusste, dass tief in mir eine ernstzunehmende Bindungsangst schlummerte. „Ich antworte: Ja, ich will.“, zog ich ihn lachend auf, doch er schien das nicht ganz so lustig zu finden. „Suzie...du bekommst Ärger von mir, wenn du im letzten Moment einen Rückzieher machst!“, es gelang mir jedoch ihn zu beruhigen, bevor er mich Zuhause aussetzte. Kaum war ich die Treppe hinaufgelaufen und hatte meine Tasche abgestellt, klingelte mein Handy - James. „Gutes Timing...“, murmelte ich zu mir selbst, bevor ich abhob: „Hey Suzie...“, setzte er zögernd an und klang bedrückt. „Sag mal...hast du heute noch Zeit? Ich würde gerne persönlich mit dir sprechen. Meine Bahn zu dir kommt in 15 Minuten, ich bleibe auch nicht lange.“, überfuhr er mich. Ich verzog das Gesicht und warf einen Blick auf die Uhr an meiner Zimmerwand - 16 Uhr. Zeit hatte ich also durchaus noch...doch war ich mir nicht sicher, ob ich hören wollte, was er zu sagen hatte. Nachdem er jedoch ein leidendes Bitte in den Hörer gejammert hatte, gab ich nach und lud ihn zu mir ein. Allerdings schaffte ich es nicht ruhig herumzusitzen und auf ihn zu warten. Im Kopf ging ich alle möglichen Szenarien durch und entschied mich schließlich, die letzen Minuten Jessy anzurufen und mir Beistand von ihr einzuholen: „James kommt gleich vorbei. Er hat sich angehört, als wäre es wirklich wichtig...“ - „Er kommt bei dir vorbei? Ohje...wenn das mal nicht bedeutet, dass er seinen Mut zusammengetrommelt hat.“, Jessy klang aufgeregt, jedoch nicht begeistert. „Was ist, wenn...“, setzte ich zögernd an und wagte es gar nicht auszusprechen. „Dann antwortest du das, was dich glücklich macht.“ - wieso klang das immer so einfach, wenn andere das sagten...? Noch bevor ich weiter mit ihr sprechen konnte klingelte es an der Haustür. Ich war alleine zuhause und trat unsicher meinem Schicksal entgegen. „Viel Glück.“, wünschte sie mir und wollte bereits auflegen, doch hielt ich sie davon ab. „Ruf in einer Stunde wieder an, falls ich ihn loswerden will...okay?“, Jessy lachte laut ins Telefon: „Du brauchst immer einen Notfallplan, hm? Aber...okay, kannst dich auf mich verlassen.“ Und damit war das Gespräch endgültig beendet, sodass ich James die Tür öffnen konnte. James begrüßte mich erleichtert und betrat unsere Wohnung. „Ich hab aber nur ne Stunde...“, warnte ich ihn feige vor und wollte ihm etwas zu Trinken anbieten, doch er lehnte dankbar ab. Ich für meinen Teil schenkte mir ein Glas Cola ein, auch wenn ich dadurch nur erhoffte, Zeit zu schinden...erbärmlich. Hätte er nicht direkt hinter mir gestanden und mich beobachtet, hätte ich über mich selbst den Kopf geschüttelt. Aber das war erst der harmlose Anfang. Bis 16.40 Uhr spielte ich mit aller Mühe Homeentertainer und quatschte ihn mit langweiligem Smalltalk voll, bis er mich schließlich unterbrach. „Suzie...eigentlich bin ich hier, um mit dir über etwas anderes zu sprechen.“ Und da waren sie wieder - Ich bekam Magenschmerzen vor Aufregung. Und vor lauter Sorge. „...über uns. Was empfindest du für mich?“ Seine direkte Frage überforderte mich maßlos. Ich rutschte nervös auf meinem Schreibtischstuhl hin und her. Ich hatte mich extra nicht zu ihm aufs Bett gesetzt - Sicherheitsabstand war heilig. Zumindest im Moment. „Ich...ähm...also...eigentlich...ähhh...“, stammelte ich leise vor mich her. Was verlangte er da von mir? Er wusste, wie schlecht ich in so etwas war! Es gab nur eine Sache in der ich noch schlechter war, als darin, ehrlich über meine eigenen Gefühle zu sprechen - und zwar im Entschuldigen. Mein Gesicht und meine Reaktion grinsend gemustert, sah er kurz vor sich auf den Boden und erlöste mich von meiner Qual: „Ich liebe dich.“ Diese drei Worte schnürten mir fast die Kehle zu. Natürlich erleichterten sie mich...und sie machten mich stolz. Die ganzen letzten Wochen hatte ich nichts dringender gewollt, als dass er Gefühle dieser Art für mich entwickelt...und nun? Tja, nun bekam ich wieder zu spüren, wie viel Angst diese kleinen Worte, mit der um so größeren Bedeutung, in mir auslösten. Ein aufrichtiges ich liebe dich war immer mit großer Verantwortung verbunden. Verantwortung, die ich in vorherigen Beziehungen nie hatte übernehmen können... „Du läufst große Gefahr verletzt zu werden.“, doch er kannte mich und diese Geschichten bereits. Den Kopf geschüttelt, seufzte er laut und klopfte neben sich auf das Sofapolster. „Komm mal her.“, zögernd erhob ich mich und setzte mich nun doch zu ihm. „Ich hatte eine andere Antwort erhofft und weiß um ehrlich zu sein nicht so genau, was ich nun dazu sagen soll.“, sprach er nachdenklich und sah mich direkt an. „Du weißt, wie schwer mir solche Gespräche fallen...gib mir etwas Zeit. Ich meine...man weiß nie, wie es in einer Beziehung wirklich laufen würde. Und ich möchte solch große Worte nicht in den Mund nehmen, wenn alles noch in den Kinderschuhen steckt.“, zu meinem Glück verstand er mich und nickte einsichtig. Es war also doch von Vorteil etwas mit guten Freunden anzufangen...man ersparte sich lange erklärungen, da sie einen schon nahezu bestens kannten. Seine Finger strichen nachdenklich über meinen Handrücken. Meine Hände wiederum lagen angespannt auf meinen Oberschenkeln. „...Glaubst du, wir haben eine Chance und sollten es versuchen?“ Als ich ihn so ansah, kam mir Seth in den Kopf. Zwar antwortete ich nicht mit einem selbstbewussten und unbestrittenen Ja,ich will aber ich nickte lächelnd. „Ich finde, das sollten wir. Wo es endet, werden wir sehen.“ Und noch bevor er mein Lächeln erleichtert erwiderte und näher an mich heran rutschte, klingelte das Telefon. Jessy war ein paar Minuten zu früh dran, doch ich war ihr dankbar...der Schock musste erst einmal sacken, noch immer war ich viel zu angespannt. „Entschuldige.“, schob ich ihn also ab und sprang auf die Beine um abzuheben: „Hallo?“ „Und? Hatte ich Recht? Hat er es gesagt?“, löcherte sie mich neugierig. „Ahh,hi Jessy - Ja.“, sprach ich beiläufig und ließ mir nichts davon anmerken, dass Jessy längst Bescheid wusste und darauf brannte, mir die News zu entlocken, die ihr eigentlich noch hätten unbekannt sein sollen. „Oh mein Gott! Und du hast ihm gesagt, dass auch du ihn liebst?“ „Nein, nicht wirklich.“ „Moment...du hast doch nicht etwa gekniffen, oder?“ „Nein!“, lachte ich leise. „Also verweilst du nicht länger unter den Singles?“ „Natürlich erkläre ich dir Mathe, hab ich doch versprochen...einen Moment, ich hole schnell mein Buch raus.“ „Antworte mir gefälligst eindeutig, du blöde Kuh!“, lachte nun auch sie. „Ja...“ „Was ja? Ja, du bist vergeben?“ „Mhm...genau, das stimmt soweit. Nur das zweite Ergebnis war falsch, soweit ich mich erinnere. Allerdings weiß ich das Richtige nicht mehr...“ James saß die Zeit über skeptisch an Ort und Stelle und lauschte meinen Worten. „Soll ich helfen?“, mischte er sich ein. Tja, blöd gelaufen, dass mir als erstes Mathe in den Sinn gekommen war...mein schlechtestes und sein bestes Fach... „Ähm, nein. Schon okay.“, winkte ich schief grinsend ab. „Ach, er ist noch da?! Soll ich euch noch 20 Minuten geben...?“ „Nein! Ich...muss mir das bloß nochmal anschauen. Das ist eine der wenigen Aufgaben gewesen, die ich verstanden habe und rechnen konnte.“ „Ähm...“, gab Jessy am anderen Ende überfordert von sich. „Das war also ein nein,,ja? Ist es nicht unhöflich, ihn da so sitzen zu lassen...? Endgültig abwimmeln musst schon du ihn. Ich meine...natürlich ich könnte ihn auch verekeln, aber...auf mich wird er wohl kaum hören. Außerdem kann ich mich in den ersten Minuten eurer Beziehung nicht gleicht mit deinem Freund anlegen.“ Sie wollte ihn verekeln? Hmm...da kam mir eine Idee. Ich schob es einfach komplett auf Jessy: „James? Wie gesagt...ich hatte nur die Stunde...und ich hab Jessy versprochen, ihr in Mathe etwas zu helfen...“, doch wollte er es mir nicht so leicht machen. „Sie soll Jamie anrufen, der ist so gut in Mathe wie ich. Außerdem sind die beiden doch auch befreundet.“, er machte nicht den Anschein gehen zu wollen und lehnte sich gelangweilt zurück. Ich verzog das Gesicht und biss mir leicht auf der Unterlippe herum. „Tja...und was sagst du jetzt dazu, Su?“, machte sie Jessy gleichzeitig über mich lustig. „Du wusstest, dass ich nicht lange kann...außerdem kommen meine Eltern gleich wieder.“ „Ach...? Sie kennen mich. Und es wäre mir neu, dass sie striktes Männerverbot für euch ausgehängt haben.“, meine Eltern mochten James. Und zu meinem Nachteil wusste er, dass sie nicht sonderlich streng waren. Wir hegten eigentlich sogar ein sehr gutes freundschaftliches Verhältnis. Seufzend gab ich für den Moment also auf: „Jessy? Ich ruf dich gleich zurück...“, erneut lachte sie über James Widerworte und legte dann auf. Wie ihr euch sicher denken könnt, bin ich ihn wirklich nicht gleich losgeworden. Meine Mutter war gegen halb 6 in mein Zimmer gestürmt und hatte uns vorgefunden. Sie schien erfreut darüber, James zu sehen und bot ihm an noch einen Moment zu bleiben...also verabschiedete er sich erst gegen 19 Uhr. Ich brachte ihn an die Tür und begann langsam, mich mit dem Gedanken nun als seine feste Freundin betitelt zu werden, anzufreunden. Zum Abschied hatte ich ihn aus purer Gewohnheit in den Arm genommen. Lachend drückte er mich an sich, ehe er mein Gesicht in seine Hände nahm und mich sanft küsste. Noch bevor er sich wieder von mir löste, wurde die Tür, vor der wir standen aufgezogen. Ich hatte extra einen Schritt mit ihm nach draußen gemacht, um neugierige Blicke abzuwenden - tja, das war wohl nichts. Mein Vater hatte uns erschrocken angesehen, stimmte dann aber in ein Lachen ein. „Tut mir Leid.“, entschuldigte er sich frech und stellte seine Schuhe in das kleine, ordentliche Schuhregal neben uns. Ich warf ihm einen missmutigen Blick zu, doch er ignorierte diesen einfach und verschwand hinter der Tür wieder nach drin. Kaum war er weg, musste zu meiner Verwunderung auch James lachen und ließ völlig von mir ab: „Wir sehen uns morgen, ja? Bis dann.“ Ich hatte ihm nachgesehen und war erst nach einem kurzen Moment wieder nach drin gegangen. Mein Vater stand bei meiner Mutter in der Küche, in die man von der Haustür aus blicken konnte. Die beiden Köpfe hatten sich neugierig in meine Richtung gedreht. Ich sah die beiden skeptisch an und brachte ein leichts Grinsen hervor, als ich die Tür zugeschoben hatte. „Und...?“,wollte meine Mutter gleich wissen. „Gibt es was zu erzählen?“, ich lachte über ihre neugierige Frage und dennoch neugierigeren Blick. Typisch... „Keine Ahnung.“, spannte ich sie auf die Folter. Mein Dad war in der Zeit zu mir gelaufen und hatte mir zufrieden den Kopf getätschelt und mir dabei absichtlich die Haare zerzaust, um mich aufzuziehen: „James geht in Ordnung.“, gab er mir die Erlaubnis, was mich ihn irritiert ansehen ließ. „Achja? Na da bin ich aber beruhigt.“, für meinen Dad ging eigentlich fast jeder Kerl in Ordnung, solange er den Anschein machte auf mich aufpassen zu können. „Ihr seid also ein Pärchen? Seit heute?“, hakte sich meine Mutter erneut ein. Gleichzeitig hatten mein Vater und ich den Mund zum sprechen geöffnet: „Sei nicht so neugirig!“, sprachen wir beide, was uns sichtlich amüsierte...bloß meine Mom lachte nicht mit. Doch schließlich klärte ich auch sie auf. Wieder in meinem Zimmer angekommen, rief ich Jessy wie versprochen zurück und musste diesmal nicht darauf achten, was ich erzählte. Bis ins kleinste Detail durfte ich ihr erzählen, was passiert war. Wer was gesagt hatte und wer wie auf was reagiert hat. „Ich werde ihm nur für dich noch eine Chance geben!“, ergriff Jessy nachdem ich ausgesprochen hatte das Wort. Mehr verlangte ich von ihr gar nicht. „Was gibt es bei dir so neues?“, wollte ich dann wissen und schon begann Jessy zu erzählen. Ihre Klasse war genau so wie vor den Ferien auch...langweilig und nervig. Noch immer ging sie nicht gerne zur Schule und freute sich auf das Kurssystem, das nächstes Jahr anstand: „Hoffentlich haben wir ein paar Kurse zusammen.“, murrte sie leise. Ich hoffte es zwar auch, doch hatten mich auch die Zweifel gepackt. Die Chancen waren nicht besonders groß, da es von jedem Fach mindestens vier Kurse geben würde. „Und wir haben einen neuen in der Klasse...ich glaube er ist ganz nett. Aber nicht der gesprächigste.“, erzählte sie weiter, was mich kurz an unseren mir noch unbekannten Neuzugang erinnerte, den ich nächste Woche kennenlernen durfte. Vielleicht rückte ja etwas Interessantes nach...wobei, ich galt nun als glücklich vergeben. Also konnte mir das eigentlich egal sein. Und so kam es dazu, dass ich die nächsten Wochen vergeben durch die Welt lief. Ich hatte in den ersten Tagen viele neugierige Mäuler stopfen dürfen und es stellte sich heraus, dass James und ich wirklich gut harmonierten. Wir sahen uns regelmäßig - nicht nur in der Schule. Oft kam er unter der Woche bei mir vorbei und am Wochenende war ich entweder bei ihm oder wir waren mit gemeinsamen Freunden aus. → What‘s going on in Jessys life? Während sich für Suzie herausstellte, dass sie überraschend gut mit dem neuen Zustand klar kam und zufriedener war als gedacht, wurde ich von Tag zu Tag missmutiger. Durch James bekam ich sie wochenlang nicht alleine zu Gesicht. Entweder es hieß: „Sorry, da bin ich mit James verabredet.“ oder „Ja, da können wir uns sehen. Kann James auch kommen?“ - es gab die beiden bloß noch im Doppelpack. Umso blöder für mich, dass ich bloß Interesse an ihr hatte...wozu sollte ich unnötig Zeit mit James verschwenden? Zwar hatte sich mein Bild von ihm seit dem Vorfall, der den großen Streit damals ausgelöst hatte, gebessert aber es würde nie wieder völlig ins Reine kommen. Ich ging davon aus, dass sich dieser Zustand mit der Zeit legen würde...und das tat er zum Glück auch. Bei Suzie zumindest. Kaum war die erste Aufregung, die man in einer frischen Beziehung anfangs verspürte, abgeebbt, suchte sie Freiraum, den James ihr jedoch nur bedingt bot. Und da sie ihn nicht enttäuschen und eine gute Freundin abgeben wollte, stimmte sie seinen Verabredungen stets zu, wenn sie wirklich Zeit hatte. Doch schlug sie selbst nichts mehr vor - seine Vorschläge genügten für beide. Doch noch immer hatte ich das Gefühl, bloß beiläufig Rolle in Suzies Leben zu spielen. Wir unterhielten uns nicht einmal ausgiebig über das Geschenk, das ich für Patrick geschlagene zwei Wochen herumschleppte, ohne mich zu trauen es ihm zu überreichen. Als ich ihn irgendwann nach der Schule abfing und Suzie mal wieder nicht aufzufinden gewesen war, nutzte ich meine Chance Zeit zu haben und ihn alleine anzutreffen. „Patrick?“, holte ich ihn aus seinen Gedanken und empfing sein freundliches Lächeln, das mir erneut den Atem raubte und mich vergessen ließ, wieso ich ihn überhaupt angesprochen hatte. „Was gibt‘s?“, wollte er grinsend wissen und blickte auf das kleine ,hübsche Tütchen in meinen Händen nieder - damit fiel mir alles wieder ein. Ich war seinem Blick hinab auf sein Geschenk gefolgt und streckte ihm die Arme entgegen: „Das ist für dich.“, brachte ich leise Worte über meine Lippen und gab mir alle Mühe selbstbewusst zu wirken, doch ich versagte wohl. Nickend nahm er seine Mitbringel entgegen und beäugte sie skeptisch. Tja...in diesem Moment hatte ich es für eine süße Idee gehalten, einem Jungen, der einem etwas bedeutete - obwohl man ihn eigentlich garnicht kannte und ihm langsam auffallen wollte...positiv - etwas zu schenken...doch sollte ich lernen, dass solche Taten auch abschrecken konnten. Es dauerte nicht lange, da wurde ich das Gefühl nicht mehr los, dass er anfing mir aus dem Weg zu gehen. Er sprach nicht mehr mit mir und sah mich auch nicht mehr an, was mir auch sein Lächeln verbarg. Patrick tat es mit der Zeit Suzie gleich...Er schien alles um sich herum stehen und liegen zu lassen und seine Aufmerksamkeit immer mehr auf die Blondine zu richten, die schon länger aktuell in seinem Leben gewesen war, ohne dass ich es wusste. Der einzige Anhaltspunkt, den ich zu dieser Vermutung hatte, war die Tatsache, dass er in den Pausen seit neustem mit dieser langweiligen Person händchenhalten durch die Gegend rannte. Und so vergaß er wohl auch mich völlig und bekam nicht mit, wie sehr ich ihn vermisste. Mit wem ich darüber sprach, dass sein Verlust mich innerlich aufzufressen drohte und wirklich belastete, da ich mir noch immer ausmalte, dass er an meine Seite passen und gehören würde? Mit niemandem...Suzie hatte ich kaum noch für mich alleine. Vorhalten wollte ich es ihr nicht - sie war glücklich. Das gönnte man der besten Freundin doch...oder? Unsere Gespräche zu zweit beschränkten sich mittlerweile auf eine Begrüßung ein lockeres Wie geht‘s dir so? die darauf folgenden Antworten und ein zaghaftes Lächeln. Also hielt ich meinen Gemütszustand im Verborgenen und lernte mit der Zeit zu lächeln, statt traurig zu sein - das war einfacher, als vor allen erklären zu müssen, wieso man Tränen der Enttäuschung in den Augen hatte. Kapitel 13: Uh - Huh! --------------------- → Jessica Baker is continuing. Ihr liegt ganz richtig mit der Vermutung, dass mir irgendwann der Kragen geplatzt ist. Natürlich wollte ich auch nach den ersten Wochen der Beziehung von Suzie und James noch immer, dass Su glücklich war. Und wenn sie die Meinung vertrat, er würde sie wirklich glücklich machen, war das okay. Doch nutzte James seinen Platz an ihrer Seite gekonnt aus. Er ließ sich von ihr überall hin mitschleppen und drängte mich mehr und mehr in den Hintergrund - ob nun beabsichtigt oder nicht ist mir egal - Tatsache war, dass es so war...und das störte mich gewaltig. Als mir Suzie nach der Schule alleine auf dem Gang begegnete, da wir beide früher aus dem Unterricht erlöst worden waren seufzte ich erleichtert aus, da James nicht zu sehen war und lief auf sie zu. „Hey Fremde.“, begrüßte ich sie zwar schnippisch, doch konnte man mir ansehen, dass ich mich freute mit ihr zu sprechen ohne lästige Anhängsel und Mithörer. „Huh?“, hatte sie gemacht und den Kopf zur Seite gedreht, um mich ansehen zu können. „Du weißt genau, was ich meine...wir bekommen uns gar nicht mehr zu Gesicht!“, antwortete ich auf ihr fragendes Gesicht, lächelte sie dann jedoch an und entschied mich plötzlich um. Ich wollte keine Diskussion oder gar einen Streit mit ihr anfangen...nicht in den ersten Minuten der Zweisamkeit seit Tagen. Zu meiner Überraschung nahm sie mir die Worte, die mich belasteten jedoch ab: „Oh...das meinst du. Ja, ich weiß. Tut mir wirklich Leid Jessy...James klammert ziemlich. Glaube mir, wenn es nach ihm ginge würde er wohl bei uns Zuhause einziehen.“, Suzie lachte leise. Ein verbittertes und irgendwie erschöpftes Lachen. Ich verzog verwundert das Gesicht. Er ging ihr also langsam auf die Nerven? Ihr dürft mich nicht falsch verstehen...es war nicht so,dass es mich freute, dass sie zur Besinnung kam und ich wieder die alte Suzie vor mir stehen hatte aber...wobei,doch...eigentlich war es so - ich freute mich ganz heimlich und leise. „Ein Wunder, dass du es überhaupt so lange ausgehalten hast ohne dich zu beschweren.“, normalerweise legte Suzie viel Wert auf ihre Freiheit. In den letzten Wochen war mir das nicht so vorgekommen. Weder in der Schule, noch in ihrer Freizeit hatte sie ihre Ruhe und konnte tun und lassen was sie wollte. „Nunja...ich will nicht wieder eine Beziehung boykottieren und jemanden verletzen.“, sie zuckte leicht mit den Schultern und schob die Tür des Haupteingangs auf, um über den Schulhof in Richtung Bahnhof laufen zu können. Ich hatte für einen Moment bloß ihre Rückseite sehen können und musste kurz über Dean und Suzie nachdenken. Der arme Kerl hatte nicht das Glück erleben dürfen, sie so oft um sich herum haben zu können wie James nun. Gegen Deans Anhänglichkeit hatte sie sich stets strikt gewehrt. „Sag mal Suzie...glaubst du echt, dass er der Richtige sein könnte?“, wagte ich mich vorsichtig in die Höhle des Löwen, als ich wieder neben ihr lief. Auch darüber hatte ich mit ihr, seit James ununterbrochen an ihr klebte, noch nicht geredet. Suzie warf mir einen kurzen Blick zu, sah dann jedoch wieder weg. Und somit hatte ich meine Antwort - sie zögerte. Das deutete auf ein Nein hin. „Ich weiß es nicht. So etwas stellt sich mit der Zeit raus...für solche Überlegungen sind wir ohnehin etwas jung, oder?“, wich sie geschickt aus. Ich hatte also recht mit meiner Vermutung. James schien nicht der Richtige für sie zu sein. Wenn man sich überlegte, welch einen Aufriss sie für ihn gestartet hatte...und das alles um herauszufinden, dass ihre Gefühle möglicherweise doch nicht ausreichten? Er konnte einem fast Leid tun. „Hast du schon verlernt ehrlich zu mir zu sein?“, zog ich sie grinsend auf, da sie wohl wusste, dass ich ihre eigentliche Antwort bereits kannte. „Sag mal Su...du hast es ihm aber nicht gesagt, oder?“ „Dass ich mir etwas Abstand wünsche? Klar. Er hat meinte, dass das kein Problem sei...allerdings...scheint er trotzdem nicht locker zu lassen.“, erzählte sie mir seufzend und zog ihren Pullover zurecht. Sie hatte also bereits mit ihm geredet und er nahm ihre Bitte nicht an? Tja...da schien sich jemand sein eigenes Grab zu schaufeln. Wenn man Suzie zu sehr einengte, verlor sie schnell jegliche Lust...er hätte ihre Warnung schätzen und einsehen sollen. Dean hatte damals zwar auf ihre Warnungen geachtet, allerdings bloß für ein paar Tage. Wie auch immer - Jedenfalls hatte ich mit meiner Frage nicht diesen Umstand gemeint: „Nein, das meinte ich nicht...ich meinte...du weißt schon, die magischen drei Worte.“,denn wie ihr mitbekommen haben solltet...die Worte Ich liebe dich gingen Suzie nicht leicht über die Lippen. Um genau zu sein, sie hatte es noch nie gesagt. Und das obwohl sie schon mehrere Beziehungen geführt hatte. „Oh...oh!“, machte sie und schüttelte schnell den Kopf. „Nein...anfangs hatte ich es sagen wollen. Aber ich glaube das war bloß, weil ich so unheimlich stolz und erleichtert war, doch bekommen zu haben, was ich wollte...“, als wir am Bahnhof angekommen waren, kämpfte Suzie kurz mit dem Automaten und ließ sich eine Fahrkarte ausspucken. In der Zeit schwiegen wir beide. Ich wurde das Gefühl nicht los, dass sie deprimiert wirkte, auch wenn sie sich alle Mühe gab es zu überspielen. Vorhin hatte ich mir eigentlich noch erhofft, sie am Wochenende zu mir einzuladen...doch jetzt hatte ich eine bessere Idee. Ich wollte die Situation selbst beurteilen. James schoss sich selbst mehr und mehr ins Aus...er würde mir Suzie nicht mehr lange wegnehmen können, wenn er so weiter machte. Mit diesem Hintergedanken überwand ich mich schließlich, meine Idee in die Tat umzusetzen und schaute Suzie aufmunternd an: „Su? Was hälst du davon, wenn wir das Wochenende etwas zusammen machen? Du kannst James mitnehmen. Jamie könnte ich auch einladen...“,überlegte ich laut. Jamie war einer der wenigen Personen gewesen, der sich noch immer um mich sorgte. Er war in den Pausen mein Suzie-Ersatz geworden...doch leider konnte er ihr nicht annährend das Wasser reichen. → Let‘s aks for Suzie Hatcher James Hand griff nach meiner und zog mich sacht, aber bestimmend in seine Arme. Ich kicherte leise, als seine Finger meine Seite entlang schlichen: „Das kitzelt, lass das.“, wollte ich ihn abwimmeln und sah auf mein Matheheft nieder, das vor mir auf dem Bett lag. „Du wolltest mir bei den Hausaufgaben helfen, so werde ich bis morgen nie fertig.“ Er seufzte leise und vergrub das Gesicht in meinen offenen Haaren: „Dann muss ich einfach etwas länger bleiben.“, mein Blick wanderte auf die Uhr an der Wand. 17.00 Uhr...in einer halben Stunde musste er Zuhause sein, da sein Stiefbruder eigentlich bloß für ihn zu Besuch kam. „Das kommt nicht in Frage, du bekommst Besuch, schon vergessen?“, außerdem hatte ich diesem spontanen Treffen bereits zugesagt, war das nicht genug? Zwar bedrückte mich innerlich noch immer, dass er begann an meinem Nervenkostüm zu ziehen, doch holte mich mein schlechtes Gewissen immer erst dann ein, wenn ich ihn wirklich los war und ich meine Ruhe hatte. „Er gehört zur Familie...ich könnte ihn jeden Tag sehen.“, konterte er und zuckte mit den Schultern, als er mich los ließ und sich auf den Rücken drehte. „Keine Widerrede!“, für mich gab es nichts zu diskutieren. James drehte den Kopf zu mir und lachte über meine strengen Worte. „Okay, okay.“, gab er auf und streckte erneut die Hand aus, um den Arm um mich legen zu können. Ich ließ ihn gewähren und stützte den Kopf an seiner Brust ab. „Ich dachte mir, wir könnten am Wochenende zusammen ins Kino gehen...etwas essen...und dann komme ich mit zu dir.“, er schwelgte also bereits in der Wochenendplanung, doch die musste ich ihm durchkreuzen: „Ahh! Jetzt wo du es erwähnst...Jessy hat uns zu sich eingeladen.“, seine Augenbrauen hoben sich fraglich an. „Ja, und? Sag ihr, wir kommen gerne nächstes Wochenende vorbei. Dieses Wochenende gehörst du mir allein.“, er kniff mir leicht in die Seite und lachte frech, doch kam seine Aussage bei mir nicht ganz so gut an ,wie er wohl vermutet hatte... „Ich habe bereits zugesagt. Immerhin sehe ich Jessy kaum noch...damals waren wir ständig alle zusammen unterwegs. Ich finde es wird Zeit, das mal wieder in Angriff zu nehmen.“, ich klang bei weitem nicht so munter wie er - eher stur und vielleicht sogar ein wenig verärgert. James richtete sich auf und sah mich unentwegt an. „Du siehst sie ständig, also bitte...“, zickte er stur, was mich bloß noch mehr ärgerte. „Im Moment nicht mehr. Dich sehe ich ständig.“ „Ach? Und das stört dich auf einmal?“ „...Es stört mich nicht. Manchmal ist es lediglich...ein wenig viel. Du kennst mich, ich brauche gelegentlich etwas Abstand.“, und schon geriet ich in Erklärungsnot, da ich mein Vorhaben, ihn nicht zu verletzen und mir Mühe zu geben eine glückliche Beziehung zu führen drohte, zu zerstören. „Suzie, das hättest du dir wirklich vorher überlegen sollen. So ist das in einer anständigen Beziehung nun mal.“ „Jeder vertritt andere Ansichten...“, und damit wollte ich das Thema nicht weiter bearbeiten. Es würde bloß zu einem Streit führen und dann würde ich Dinge sagen, die ich eigentlich gar nicht sagen wollte...Wut war eine viel zu starke Emotion. „Gut, wenn du dich bereits gegen unser gemeinsames Wochenende entschieden hast...da lässt sich wohl nichts machen.“, ob ich mich von ihm überreden lassen würde, auf einen Abend bei Jessy zu verzichten? Nein, sicher nicht. Nicht schon wieder...ich vermisste sie. Und so kam es, dass James und ich am nächsten Freitag bei Jessy vor der Haustür standen und klingelten. Zwar hatte es so ausgesehen, als hätte er seinen Groll vergessen und sich mit dem bevorstehenden Abend zufriedengegeben, doch ließ sich nicht bestreiten, dass Unmut zwischen uns beiden in der Luft zu liegen schien. Jessy riss die Tür nach nur wenigen Sekunden, die wir hatten warten müssen, auf und sprang mir freudig entgegen. Ich hatte sie zur Begrüßung genau so stürmisch in den Arm genommen und meine Tasche fallen lassen. James wurde kurz nach mir begrüßt, jedoch bei weitem zurückhaltender: „Ich hab oben schon alles zurechtgemacht, bringt eure Sachen einfach schonmal rauf, ich komme gleich nach.“, nickend streifte ich mir im Flur die Schuhe von den Füßen und stieg die Treppe hinauf, James folgte mir schweigend. Im oberen Stockwerk hatten Julie und Jessy praktisch eine eigene kleine Wohnung. Hier gab es ein kleines Badezimmer, die beiden Schlafzimmer von ihnen und ein geräumiges Wohnzimmer, dass heute unseren Schlafplatz darstellen sollte. Meine Sachen auf der großen Matratze, die auf dem Boden unter dem umgebauten Sofa stand, fallen gelassen, seufzte ich zufrieden. Ich blickte optimistisch und völlig zufrieden drein, doch als ich James Gesicht sah, verdrehte ich beinahe genervt die Augen. „Ist es wirklich so schrecklich?“, fragte ich in einem schnippischen Ton nach. James ließ sich auf das Sofa sinken und stützte die Arme auf den Oberschenkeln ab, als er mich ansah: „Nein, schon okay. Vielleicht wird es ja wirklich ganz lustig.“, winkte er ab. Und obwohl ich wusste, dass seine Worte nicht völlig das ausdrückten, was er dachte, zuckte ich mit den Schultern und ließ das Thema fallen. Wir schwiegen uns die gesamte Zeit über an und schließlich betrat auch Jamie den Raum und unterbrach endlich das bedrückende Schweigen. „Guten Abend, die Herrschaften!“, begrüßte er uns bestens gelaunt. Ich schnekte ihm ein Lächeln, jedoch kam er schnell dahinter, dass der Haussegen zwischen James und mir schief zu hängen schien: „Alles okay bei euch?“, wollte er verwundert wissen und zog die Augenbrauen skeptisch zusammen. Das erstemal waren James und ich uns an diesesm Abend völlig einig und bejaten seine Frage schleunigst. „Ich bin dafür, dass wir uns jetzt erst einmal um das Abendessen kümmern!“, platzte Jessy in unsere Mitte und reichte ein kleines Bestellprospekt einer Pizzaria der Nähe herum. Als mich die Karte erreichte, überflog ich kurz die Auswahl. Jessy stellte sich hinter mich und tat es mir gleich: „Lachsnudeln.“, man hätte schon fast sagen können, dass das Bestellen von Lachsnudeln bei uns eine Art Ritual darstellte. Wenn es ums Essen bestellen ging, fiel unsere Wahl selten auf etwas anderes. „Gut...ich bestelle Frutti di mare. Und dann teilen wir.“, sie nahm mir den Stift und die Karte aus der Hand und machte sich munter ans Bestellen. Und so verbrachten wir den Anfang des Abends gemütlich in unserer altbekannten Runde - wie lachten, alberten herum und ließen es uns schmecken. Als wir dabei waren die erste DVD einzulegen und es auf dem Bett und der übergroßen Mattratze gemütlich machten,schien auch James wieder ganz der Alte zu sein. Er hatte sich bereits während des Vorpanns zu mir geschlichen, sich neben mich gelegt und mich in den Arm genommen. Jessy und Jamie verzogen sich beide auf die Matratze, da sie wohl dem Vorurteil nachgingen, dass Paaren nicht gestört werden wollten. Was mich betraf war diese Behauptung mittlerweile völliger Schwachsinn...anfangs hatte ich die zeit alleine mit James genossen. Doch gerade begann es mich wieder zu stören, dass er an mir haftete wie Uhu-Superkleber und man annahm, dass wir lieber alleine wären - solch ein Schwachsinn. Wozu hatte ich aus dem anfangs geplanten Wochenende zu zweit eines zu viert gemacht? Doch verlor ich kein Wort darüber. Ich wollte keinen Unmut verbreiten. Oder zumindest nicht noch mehr, als ich es James gegenüber ohnehin schon getan hatte. Die Zeit verging und kurz vor dem Ende der ersten DVD klingelte plötzlich Jessys Handy. Erschrocken sprang sie auf und griff nach dem Gerät. Wer um die Zeit wohl anrief? Ihr müsst wissen...Jessy war alles andere als ein handyfixierter Mensch. Eigentlich besaß sie es nur für äußerste Notfälle...und selbst dann funktionierte es meistens nicht, oder sie trug es nicht mit sich. Abgehoben, stand Jessy schweigsam in der Mitte des Raumes und lauschte der Stimme am anderen Ende. Jamie hatte sich in der Zwischenzeit die Fernbedinung geschnappt und die Lautstärke verringert, um ihr das Telefonieren zu erleichtern. Ich unterdrückte ein genüssliches Gähnen und löste mich schon fast schläfrig aus James inniger Umarmung. Als Jessy endlich auflegte, hatte sie noch immer kein Wort gesagt...vermutlich hatte sich jemand einen dämlichen Spaß erlaubt, zu dem man nichts sagen musste oder sich einfach verwählt. Doch für solch eine unbedeutende Kleinigkeit wirkten ihre Gesichtszüge viel zu nachdenklich und streng. „Wer wars?“, wollte Jamie wissen und unterbrach die Stille. Im Hintergrund vernahm man bloß schwach die zarte Melodie des Abspanns, der bereits eingesetzt hatte. „Nicht so wichtig.“, winkte Jessy ab und ließ einen Moment zu lange den Kopf hängen. Den Jungs mag es nicht aufgefallen sein, doch ich kannte diesen Blick - diese Reaktion. „Jessy?“, ergriff nun ich das Wort und klang unbeschwert und wieder hellwach. Ich kletterte von dem schmalen Bett und streckte mich kurz, als ich auf den Beinen stand. „Lass uns etwas zu Knabbern holen.“, schlug ich vor, doch Jessy schien zu wissen was ich vorhatte und konterte schnell: „Wir haben hinten auf dem Tisch Chips liegen. Die dürften ausreichen.“ Missmutig verzog ich für wenige Sekunden das Gesicht. „Nein...ich habe keine Lust auf Chips, lass uns unten doch mal schauen gehen.“ Diesmal ließ ich sie nicht antworten, sondern lief gleich an ihr vorbei, griff nach ihrem Unterarm und zog sie sacht hinter mir her. Als wir den Raum verlassen hatten, schob ich hinter uns die Tür zu und machte ein paar Schritte mit ihr auf dem Flur, bevor ich stehen blieb und mich zu ihr umdrehte: „Okay, was ist wirklich gewesen?“,kam ich gleich auf das Thema zu sprechen und sah sie neugierig an. Ausreden waren sinnlos! → What happened to Jessica Baker? Wer am Telefon gewesen war? Meine kleine Schwester, Julie. Was sie mir erzählt hatte? Dass aus der Vermutung, die ich eigentlich im hintersten Eck meines Bewusstsein versteckt hatte, die untröstliche Wahrheit wurde. Patrick war vergeben und ich nicht umsonst abgeschrieben. Das erinnerte mich an damals...einmal in meinem Leben hatte ich bisher wirklich einen Jungen gewollt - mehr als jeden anderen. Deon. Mit Patrick war es endlich wieder dasselbe gewesen. Nach Jahren in denen ich mich stets nach einer stützenden Schulter umgesehen hatte, weil mir die Welt oft viel zu groß und einsam vorkam, hatte ich in Patrick meinen Rettungsring gefunden. Mein Lichtstrahl in der Dunkelheit. Ich war morgens aufgestanden, weil ich fast alles dafür gegeben hätte, ihn lächeln zu sehen oder seine Stimme zu hören. Und das obwohl wir uns nicht einmal kannten – verrückt, oder? Vielleicht ist auch er der Grund, weshalb ich an Liebe auf den ersten Blick glaubte...wobei...streicht das vielleicht. Oft hatte ich mir erhofft und womöglich sogar eingeredet, dass er dasselbe spürte. Diese Vertrautheit, wenn sich unsere Blicke trafen. Die angenehme Nervosität gepaart mit der ungehaltenen Freude, wenn wir uns direkt anschauten und nach einem Gesprächsthema suchten, dass uns einige gemeinsame Minuten schenken würde. Doch anscheinend konnte man sich doch irren...ihm schien es nicht ansatzweise aufgefallen zu sein, dass meine Welt heimlich begonnen hatte, sich um ihn zu drehen. Umso mehr schmerzte es jetzt aus Gründen, die für Aussenstehende kindisch und naiv klingen mögen. Für mich allerdings war es Fakt, dass es sich anfühlte als hätte man mich im Regen stehen gelassen. Alleine und ohne Zufluchtsort. „Patrick hat eine Freundin.“, brachte ich leise über die Lippen und sah vor mir auf den Boden. Es war albern, wie ich mich anstellte, doch konnte ich nichts daran ändern. „Huh? Woher...?“, setzte Suzie verwundert an und ließ mich nicht aus den Augen. Ich spürte, dass sie nicht wusste, wie sie mit mir umgehen sollte. „Er war mit ihr in der Stadt unterwegs. Julie hat sie gesehen - keine Zweifel.“, mehr musste ich nicht erklären. Das wollte ich auch garnicht. Suzie konnte sich den Teil denken, der es eindeutig machte, dass sie sich ein Pärchen nannten. „Okay...?“,mehr erwiderte Suzie nicht. Betretendes Schweigen gewann die Oberhand... Und ich bin noch heute der festen Überzeugung, dass ich die Tränen der Enttäuschung hätte runterschlucken können - hätte Suzie mich nicht tröstend in ihre Arme geschlossen. „Wieso passiert das immer mir...?“, schluchzte ich leise und vergrub mein Gesicht an ihrer Schulter. „...ich bekomme nie was ich will. Womit habe ich das verdient?“ Suzie seufzte laut und streichelte mir behutsam über den Rücken. „Dann sollte es einfach nicht sein. Glaub mir, du findest jemanden, der dich so richtig aus den Schuhen hebt.Viel mehr als Patrick es jemals gekonnt hätte.“, versuchte sie mich lächelnd aufzumuntern, als ich mich von ihr gelöst hatte. Natürlich meinte sie es bloß gut mit mir...doch wusste sie nicht, wie sehr er mich bereits in seinen Bann gezogen hatte. Er hatte mich nicht bloß aus den Schuhen gehoben. Er hatte mich mit den alltäglichsten Kleinigkeiten und purer Höflichkeit bereits praktisch auf den Mond geschossen. Blieb bloß die Frage, wie ich nun wieder lebend auf die Erde gelangen sollte... Wir standen noch einen Moment draußen, bis ich mich wieder gefangen hatte. Doch der Abend war gelaufen. Missmutig versuchte ich ein Lächeln aufzusetzen und den Jungs etwas vorzumachen, was mir wohl kaum gelang. Sie fragten nicht einmal, als wir ohne Knabberzeug zurück kamen. Mehr als eine weitere DVD und etwas Gequatsche hielten wir nicht stand, also schnappten wir uns ein paar Stunden später sämtliches Bettzeug und verkrochen uns aus dem Wohnzimmer in mein Zimmer. Gut, dass ich ein großes Doppelbett besaß...zwar rückten wir etwas zusammen, doch konnten wir alle dort schlafen. Während Suzie sich darüber beschwerte nicht müde zu sein und Jamie und James wach hielt war ich die ganze Nacht über still und gab mich meinen Gedanken hin ohne einen Laut von mir zu geben. Nach so viel Spannung hätte man meinen sollen, dass ich hundemüde gewesen wäre, doch so war es nicht...und das sollte erst der Anfang vom Ende sein. Gleich am nächsten Morgen, nachdem die Jungs zusammen den Heimweg antraten und Suzie und ich alleine in übergroßen Nachthemden auf dem Flur standen, traf mich die nächste überraschende Aussage: „Ich glaube, das mit James und mir hält nicht mehr lange. Ich sollte wohl Schluss machen.“ - Natürlich hatte ich diese Entscheidung auch für richtig gehalten. Die letzten Monate schien Suzie nicht mehr Suzie zu sein, doch niemals wäre ich auf die Idee gekommen, dass sie diesen Entschluss in kürzester Zeit fassen würde. „Er engt mich zu sehr ein und ändert es einfach nicht...James ist wirklich perfekt. Wenn man ein kleines Mäuschen ist und sich nach Schutz sehnt. Ich sehne mich jedoch nach Freiraum...und nach meinen Freunden.“ Da seht ihr es, sobald man Suzie begann zu nerven war mit ihr nicht mehr lange gut Kirschen essen - ich dachte mir das nicht aus. Seufzend ließen wir uns beide nebeneinander auf die Stufen der Treppe sinken und starten nachdenklich geradeaus: „Es ist besser so. James ist nicht der Richtige für dich, Su.“, woraufhin sie schweigsam nickte. Mehr fiel mir dazu nicht ein. Während ich eine mir wichtige Person gestern Nacht also hatte abschreiben können, kam eine andere endlich wieder zurück in mein Leben - immerhin ein Lichtblick. Bei Suzie sollte es nicht anders sein - Eine Person wurde gestrichen, wärend eine neue bereits auf dem Weg zu ihr war. Kapitel 14: March on! --------------------- → Suzie Hatcher Ich hatte durch das letzte Wochenende endlich wieder meinen Weg zu Jessy gefunden. Zwar war mir spät aufgefallen, dass ich sie vermisst hatte, doch besser spät als nie, oder? Jessy schien selbst ziemlich froh darüber zu sein, dass sie wieder die ungeschlagene Nummer eins für mich darstellte, auch wenn ihr der Verlust von Patrick noch Tage lang schwer im Magen lag. In der Schule ging sie ihm strikt aus dem Weg - genauso wie ich James. Wieso? Ich wollte nicht einfach voreilig Schluss machen...ich wollte einfach vorerst etwas Abstand gewinnen und vielleicht sogar lernen, ihn zu vermissen. Denn wenn mir dies gelang, würde das bedeuten, dass es fürs Aufgeben noch zu früh war. Den Satz Wer nicht hören will, muss fühlen haben wir als Kinder sicher alle schon einmal gehört. Und der ein oder andere mag ihm eventuell auch heute noch begegnen. Ich hatte mich das erste Mal in meinem Leben für diesen Satz entschieden und seinen Sinn wirklich begriffen - damals war ich bloß genervt von solchen Möchtegern-Elternweisheiten. James hörte nicht auf mich, wenn ich ihn darum bat mir etwas Ruhe zu gönnen, also musste ich sie mir einfach nehmen. Die ersten weiteren Schultage zogen schnell an uns vorbei. Natürlich hatte James mich angerufen und mir geschrieben, um herauszufinden was los war. Ich für meinen Teil stellte jedoch nicht um - ich blieb bei der Abstandsidee. Und wie bereits verraten, ereigneten sich an einem der folgenden Schulmorgen unerwartete Situationen... → Let‘s listen to Jessica first. Erleichtert betrat ich das Schulgelände. Heute stand kein Unterricht an sondern ein gemeinsamer Ausflug, was für mich hieß, dass ich nicht ständig auf der Flucht vor einem möglichen Gefühlszusammenbruch sein musste. Meine Klasse sollte sich auf dem Schulhof treffen, wo ich die ersten verschlafenen und unbeeindruckten Gesichter entdeckte. Museumsbesuche zählten nicht zu den Freuden des Schulalltags...doch war es angenehmer als trockener Unterricht in einem ungemütlichen Klassenzimmer. Zu meinem Glück war auch Adrian schon da. Ich gesellte mich zu ihm und seinem Kumpel Mitch - den einzigen Leuten meiner Klasse, mit denen ich mich wirklich blendend verstand. „Sag bloß, du freust dich aufs Museum?“, hakte Adrian kurz nachdem wir uns überhaupt begrüßt hatten nach. Man sah mir meine Erleichterung also an? „Besser als Unterricht, hm?“, konterte ich lachend und zuckte mit den Schultern. Nach und nach trafen immer mehr unserer Mitschüler ein, sodass wir uns pünktlich auf den Weg machen konnten. Mit der Bahn fuhren wir in die Stadt. Zu meiner Verwunderung hing ein neuen Gesicht beinahe ununterbrochen an Adrian und Mitch - Matthieu. Und obwohl er immer wieder versuchte mich freundlich in deren Gespräche einzubinden, hielt ich mich lieber im Hintergrund. Zwar ging ich schon eine Weile mit ihm in eine Klasse, doch war es mir unangenehm mit ihm zu sprechen, da er mir vorher nie weiter aufgefallen war und ich nicht einmal seinen Namen kannte. In wirrem Gedränge quetschten wir uns schließlich hektisch aus der Bahn, als wir im Herzen der Stadt angekommen waren. Da ich vor lauter Füßen meine eigenen kaum noch im Blick gehabt hatte, war ich - dooferweise - auf die des Unbekannten getreten: „Oh, mist. Entschuldige!“, ergriff ich betroffen das Wort, doch winkte er mit einer noch genauso freundlichen Miene wie zuvor ab: „Nichts passiert. Nach dir.“, er ließ mich erst aus der Bahn steigen und wartete mit mir auf Adrian, der im Gedränge untergekommen war. Vielleicht hatten wir ihn auch einfach übersehen - Sonderlich groß war er immerhin nicht. „Hey, jetzt kommt endlich! Was steht ihr da so rum?“, ich fuhr leicht zusammen, als ich sein Rufen plötzlich hinter mir vernahm. Also doch - übersehen. Ich drängelte mich also mit meinem männlichen neuen Aufpasser zu unserer Gruppe vor. Die gesamte Zeit über wich mein blonder Klassenkamerad mir nicht von der Seite. Was ich dazu zu sagen hatte? Nunja...es gefiel mir. Nach diesen angesammelten Niederlagen, die ich durch Patrick hatte ertragen dürfen, tat es gut zu wissen, dass man doch eine Rolle im Leben spielte und es noch immer Menschen gab, die einen wirklich kennenlerenen wollten. Und mal ganz unter uns...auch rein optisch zog mich irgendetwas an ihm an. „So, ich zähle jetzt noch einmal durch und gehe dann zuerst alleine nach drinnen, um die Gruppenkarte einzulösen. Benehmt euch, verstanden?“, machte sich unsere Lehrerin bemerkbar, als wir vor dem großen Gebäude stehen blieben. Weit und breit war niemand zu sehen. Morgendliche Schulausflüge kollidierten selten mit den Zeiten, in denen normale Menschen unterwegs waren. Und dann standen wir da. „Vielleicht haben wir ja Glück und die lassen uns nicht rein.“, scherzte Adrian hoffnungsvoll. Und was dann? Zurück zur Schule und zum Unterricht antanzen? Bitte nicht. Die Arme verschränkt wurde ich unwillkürlich erneut an Patrick erinnert. Wurde ich den Kerl nun nie mehr aus meinem Kopf los? Nicht in die Schule..., betete ich heimlich. „Ist dir kalt?“, riss mich Blondi plötzlich aus meinen Gedanken und hatte mir im nächsten Moment auch schon behutsam seine Jacke über die Schultern geworfen. „Hör auf so zu schleimen, Matthieu!“, lachte ihn Mitch frech aus. Ich selbst war zu verwundert, um mich zu Wort zu melden. Matthieu? Immerhin kannte ich nun seinen Namen. „Danke.“, rutschte es mir vorsichtig über die Lippen, als die Jungs aufgehört hatten ihn aufzuziehen. Wenn mich nicht alles irrte, lag in seinem Blick Stolz und vielleicht sogar etwas Verlegenheit, als er lächelnd abwinkte und mir versicherte, dass er diese Geste als selbstverständlich sah. Den Rest des Vormittags über trug ich seine Jacke und hielt mich in Matthieus Gegenwart auf. Wir verstanden uns bestens - das Eis war also gebrochen. Immer wieder erntete ich verwunderte Blicke, wenn wir über einen Spruch beide zu lachen begannen und die anderen nicht wussten, was in uns vorging. Ich fühlte mich wohl. Und wenn er mich so ansah, hatte ich endlich wieder das Gefühl interessant genug zu sein. Selbst wenn es bloß für ihn war. Wen kümmerte schon Patrick? Sollte er doch sehen, wie er ohne mich zurecht kam! Er würde bestimmt irgendwann zurückkommen...wenn er einsah, dass ich doch etwas besonderes war und seine Freundin ihn halb zu Tode langweilte. Doch...was dann? Ich wusste insgeheim, dass eine einfache Begrüßung von ihm mich jedes mal aus den Schuhen hob. Und ich wusste auch, dass ich nicht auf seiner persönlichen Ersatzbank sitzen wollte. Doch das tat ich. Und es fühlte sich an, als hätte man mir Sekundenkleber unter den Allerwertesten geschmiert, der schon lange getrocknet war. Ich kam einfach nicht los! „So öde war es doch garnicht.“, hallte Matthieus Stimme lachend an mir vorbei. „Machst du Witze? Ich wäre fast eingeschlafen!“, jammerte Adrian gähnend und streckte sich genüsslich, als wir endlich wieder in der Bahn saßen. Die Zeit war verflogen wie am Schnürchen. „Ich fand es wirklich schön.“, diese Worte ließen mich aufsehen und unsere Blicke trafen sich erneut. Irgendetwas sagte mir, dass ich vorsichtig sein sollte...doch auf der anderen Seite - Wozu? Was sollte schon passieren? Vielleicht hieß mein Schicksal ja Matthieu. Außerdem war er nicht gerade von der gefährlichen Sorte... [An dieser Stelle spreche ich euch mal wieder direkt an: Jessy war auf der verzweifelten Suche nach dem Richtigen. Schon immer. Sie glaubte an die wahre Liebe und daran, dass man den potentiellen Partner bereits in der Oberstufe treffen konnte. Wenn ich mich frag - totaler Unsinn.] „Ich kann auch nicht klagen.“, gab ich auf seine Worte lächelnd zurück und lehnte mich leicht an ihn, was ihm den Freifahrtschein überreichte den Arm lässig um mich zu legen. Adrian und Mitch warfen mir einen irritierten Blick zu, schwiegen jedoch. Sie wussten, dass jegliche Frage gerade ziemlich ungünstig war. Nicht nur, weil ich ohnehin keine Antwort auf meinen plötzlichen Umschwung und mein Verhalten hatte, auch weil ihnen klar war, dass ich Matthieu gerade nicht einfach mit einem unbeschwerten: Zwischen uns würde nie etwas laufen, mein Herz gehört einem anderen (,der es eigentlich garnicht will...oder verdient hat),abhaken würde - auch nicht wenn diese Worte wahr gewesen wären. Doch irgendwann konnte ich ihnen nicht mehr ausweichen, da auch die Rückfahrt ein Ende nahm und unsere Gruppe sich nach und nach auflöste. Auch Matthieu musste ich verabschieden. Bevor ich mich ebenfalls auf den Weg machen wollte, gab ich ihm seine Jacke zurück und bedanken mich ein letztes mal. Er schenke mir erneut ein herzliches Lächeln und nahm mich zum Abschied behutsam in den Arm, ehe er verschwand. „Du spinnst doch.“, stellte Adrian frech fest, als Matthieu außer Reichweite war. Ich drehte mich zu ihm um und sah ihn an,als würde ich nicht wissen, was er meinte. „Seit wann sagt dir Matthieu zu? Was ist mit dem anderen Kerl?“ - und schon wieder war Patrick da ohne überhaupt anwesend zu sein, das war zum Haare raufen... „Mit dem anderen Kerl? Nichts, was soll da sein...er ist bloß ein Bekannter.“, winkte ich stur ab, doch biss Adrian nicht an. „Bis heute Morgen hast du noch nie ein Wort mit Matthieu gewechselt. Ein Wunder, dass du überhaupt seinen Namen kanntest!“ - erwischt, doch ließ ich mir nichts anmerken. „Vielleicht hat er mir ja vorher schon gefallen.“, schwindelte ich grinsend. „Auf keinen Fall.“, damit hatte er Recht. Matthieu war nicht mein Typ. Doch wie sagte man so schön? Der Charakter zählte. Vielleicht passte es ja. Noch standen alle Türen offen. „Wie auch immer. Ist ja nicht so, als wären wir plötzlich ein Pärchen.“, ließ ich das Thema schließlich fallen. Genug davon. „Ich muss los. Suzie ist bestimmt auch gerade auf dem Heimweg, vielleicht erwische ich sie noch.“, ohne mich noch einmal zu Adrian umzudrehen, lief ich los. Obwohl ich Suzie erst 24 Stunden nicht gesehen hatte, fehlte sie mir schon wieder. Außerdem gab es Neuigkeiten! → Good mornin‘ Suzie Hatcher. Mich rettete heute leider kein Ausflug. Für mich hieß es rücksichtslos: Schulbank drücken. Als hätte es nicht ausgereicht, dass ich heute Morgen nicht aus dem Bett gekommen war und mächtig verschlafen hatte, nein...mir standen drei Stunden Mathematik bevor. Wieso? Nunja...unsere Klassenlehrerin/Mathelehrerin hatte es so beschrieben: Mathematik ist das wohl Wichtigste in eurem Leben. Jede freie Minute wäre eine Verschwendung! Ich für meinen Teil hätte nichts dagegen gehabt 135 Minuten des heutigen Morgens zu verschwenden. Doch mich fragte ja niemand. Meine Mutter hatte mich erschrocken ins Badezimmer gescheucht, als sie mitbekommen hatte,dass ich nicht aufgestanden war und fuhr mich eilig zur Schule - es gab kein Entkommen. Und da ich ein wenig Angst vor der Frau hatte, die das wohl schlimmste Schulfach überhaupt unterrichtete, hechtete ich die Treppen des Schulgebäudes hinauf und übersah dabei wie Ian um die Ecke bog: „Vorsicht.“, ergriff er das Wort im rechten Moment grinsend und erinnerte mich somit rechtzeitig ans abbremsen. „Oh, tut mir Leid. Ich hab dich nicht gesehen.“, es ließ sich bisher an einer Hand abzählen wie oft ich bereits mit Ian geredet hatte. Wir saßen zwar jeden Morgen im selben Raum und durften uns dasselbe Gerede anhören, dennoch würde ich beim Zählen nicht einmal auf fünf mal kommen. „Nicht gesehen? Das nehme ich dir aber übel.“, für einen kurzen Moment nahm ich ihn beim Wort. Er war beliebt und selbstbewusst. Somit war wohl klar, dass er stets von allen gesehen wurde, weil jeder ihn sehen wollte. Oder zumindest...fast jeder. Mir kam es zumindest so vor. Zwinkernd lief er um mich herum in die Richtung aus der ich gerade gekommen war. Hatte ich bereits erwähnt, wie gut Ian aussah? Bestimmt. Dabei konnte ich mich daran erinnern, dass er mir in den ersten Schultagen nicht im Geringsten aufgefallen war. Bis er sich irgendwann in der Klasse albern aufgespielt hatte und seinen Charme einsetzte, um seinem Rufe alle Ehre zu machen. Damals hatte ich bloß Augen für Mike gehabt. Den reizenden Herren in dem blauen Pullover. Erinnert ihr euch? Falls nicht, auch kein Problem. Es stellte sich mit der Zeit nämlich heraus, dass er bloß gut aussah. Sonst war er eher ruhig und vernünftig. Der perfekte Schwiegersohn. Leider bevorzugte ich die Sorte Mann, die das Gegenteil verkörperte. Frech, selbstbewusst, arrogant und draufgängerisch. Außerdem stand ich auf Musiker. Wieso? Ich hatte keine Ahnung...aber ich kann mich an eine Unterhaltung mit der besten Freundin meiner Mutter erinnern, die mir damals von Musikern abgeraten hatte: Kind, du stehst bloß auf solche Kerle, weil du automatisch zu ihnen aufschauen musst, wenn sie auf der Bühne stehen. Sie ergreifen intollerant das Kommando in einer Beziehung und nutzen es aus zu wissen,wie beliebt sie sind!, hatte sie mich damals gewarnt - ohne Erfolg. Was war schlimm daran als Mann seine Rolle des stärkeren Geschlechtes zu übernehmen und etwas Gegenwind zu bieten? Nicht, dass ich unterdrückt werden wollte...manchmal jedoch musste ich es einfach werden, da ich sonst die Gefahr lief aus den Fugen zu geraten. [Somit ist es auch hier wieder einmal bewiesen: Ich tickte völlig anders als Jessy. Ich gab mich mit dem Hier und Jetzt zufrieden. Niemals wirde ich auf die Idee kommen, mir jetzt schon gedanken über den Richtigen und mögliche Beziehungen bis an mein Lebensende zu machen. Was unteranderem James ein Dorn im Auge zu sein schien, da er Beziehungstyp Nummer drei abgab: Den Warmherzigen(oder wenn ihr es unfreundlich ausdrücken wollt: Der Klammerer.) Seine Merkmale lassen sich schnell zusammenfassen: Sensibel, tollerant, emotional, treu, verlässlich, begeisterungsfähig, ungerne alleine und Nähe suchend. Meine Wenigkeit hingegen war wohl eher Typ Nummer eins: Der Einzelgänger/Vermeider oder Nummer vier: Der Charismatische – Kritisch, individualistisch, vermeidet tiefgründige Emotionen, zynisch, explusiv und klammert sich stets an das tiefe Verlangen nach Freiheit. Wenn ihr mich Fragt...Jessy gehörte ebenfalls eher Typ 3 an.] Ian nachgesehen hatte ich meinen Schritt verlangsamt und ging nun gemächlich auf den Raum zu,der unser Klassenzimmer darstellte. Die Tür war verschlossen, also klopfte ich lautstark, da ich bereits wusste, dass meine Klassenkameraden sich nur ungerne zur Tür begnügten um zu öffnen, wenn sie gelassen zusammen saßen und sich unterhielten oder herumblödelten. Zu meiner Überraschung machte man mir jedoch schnell auf...allerdings stand vor mir niemand meines Alters. Nein, es war die Frau die mir bereits einen Schauer über den Rücken jagte, wenn ich nur an sie dachte. Streng und verärgert sah sie mich an: „Zu spät. Sehr schlechter Stil! Außerdem könnten sie ruhig sanfter mit der Tür umgehen!“, tadelte sie mich ungehalten. Ich entschuldigte mich kleinlaut und wollte mich zu meinem Platz begeben, doch hielt sie mich auf. „Nun Suzie...wo sie schoneinmal stehen, können sie auch nach vorne kommen und versuchen die Aufgabe zu lösen an der wir gerade sitzen.“, und schon folgte der nächste Schlag. Ich hatte gerade meine Tasche abgestellt, da begegnete mein Blick Teds, der bereits grinsend auf dem Platz neben meinem saß und sich offensichtlich das Lachen verkneifen musste. „Ähm...“, setzte ich hilfesuchend an. Es war unmöglich, dass ich die Hyroglyphen entziffern würde. Nicht einmal wenn ich 60 Minuten Zeit geschenkt bekommen würde, oder zuhause daran arbeiten durfte mit allen bloß erdenklichen Hilfmitteln...warum gab es eigentlich keine Taschenrechner, die mit Variablen rechneten? „Entschuldigung...ich schätze ich muss passen. Ich hatte bereits Probleme mit den Hausaufgaben.“, entzog ich mich der Blamage und durfte mich setzen. „Autsch...nicht dein Tag heute, was?“, wandte sich Ted mir zu und lachte nun endlich. „Ich wünsche dir auch einen wundervollen guten Morgen.“, gab ich bissig zurück und packte missmutig mein Buch und mein Heft aus. Als die Tür plötzlich wieder aufging, kam Ian in den Raum geschlichen. Er warf der Lehrerin ihre Schlüssel zu und platzierte den Overheadprojektor an der richtigen Stelle. Ian saß in unserem Klassenraum direkt vor mir, somit trafen sich unsere Blicke, als er sich setzen wollte: „Danke für die Warnung...“, zischte ich ihm leise zu, er nahm es locker. „Was hätte dir eine Warnung geholfen?“, vielleicht, dass ich eine Kehrtwende vorgenommen hätte und doch wieder Heim gegangen wäre? Doch jetzt war es ohnehin zu spät. Die ersten beiden Stunden vor der Pause zogen sich wie Kaugummi. Und zu allem Überfluss fing James mich in den 15 Minuten, in denen ich von Zahlen erlöst war, ab und stellte mich zur Rede: „Suzie...sprich mit mir. Was ist los zwischen uns? Irgendetwas läuft gewaltig schief und ich komme einfach nicht drauf was es ist. Hat Jessy schon wieder Stress geschoben?“, er sah mich mit wehmütigem Blick an, was mich tief seufzen ließ. Nicht auch noch das...Ted hatte Recht behalten. Das war eindeutig keine meiner Sternstunden. „Nein, Jessy hat nichts damit zu tun. Ich...finde nur gerade heraus, wie gut wir beide wirklich harmonieren. Ob das wirklich der richtige Weg für uns ist.“ - eine schwache Ausrede. „Wie willst du das herausfinden, indem du mir ständig aus dem Weg gehst?“, nun klang er schon fast vorwurfsvoll und wütend. „Hör mal...ich brauche einfach etwas Zeit, okay? Lass uns das nicht hier besprechen. Und nicht jetzt.“ [Da seht ihr es. Der typische Fluchtweg eines Menschen der Beziehungstyp Nr. 1 abbildet: „Ich brauche bloß etwas Zeit.“ was eigentlich so viel heißen sollte wie: „Ich glaube, das mit uns geht den Bach runter.“] „Wann dann? Heute nach der Schule? Bei mir fallen die letzten beiden Stunden aus...und du hast doch auch nicht so lange. Das würde perfekt passen, oder?“, wieder fühlte ich mich in die Enge getrieben und überrannt. Ich wollte keinen Schlusstirch ziehen...und was ich noch viel weniger wollte war es, mir von Minute zu Minute sicherer zu werden, dass ich es tun musste... „Heute ist schlecht, ich kann nicht.“, wich ich ihm also erneut feige aus. „Ich muss meiner Mom helfen. Sie...hat irgendetwas vor wobei sie mich braucht.“, gelogen hatte ich auch schon einmal besser. „Nunja...ich muss hoch – Mathe.“, informierte ich ihn knapp und wollte mich auf den Weg machen. James nickte geknickt und hatte sich gerade auf mich zugebeugt, um mich zum Abschied kurz zu küssen, doch ich drehte ihm bloß meine Wange hin. Als ich das zweite mal den Flur entlang lief, stand erneut niemand vor der Tür. „Das darf nicht wahr sein...“, murmelte ich erschrocken und beschleunigte mein Tempo, wobei ich einen Jungen einholte, der gelassen denselben geraden Flur entlangschritt. Vor der Tür hielt ich abrupt an und klopfte - diesmal vorsichtiger. Es wurde zwar nicht so schnell geöffnet wie heute morgen, doch überhörte man mich auch nicht. Tia hatte sich erhoben und stand mir nun lächelnd gegenüber. Ich zog die Tür hinter mir zu und lief mit ihr ans Fenster: „Ohje, Süße...heute Morgen war ja wirklich schrecklich, hm? Vergiss es einfach. Halb so wild.“, wollte sie mich aufmuntern, doch half es nichts. Ganz im Gegenteil sie erinnerte mich bloß wieder an den Moment, der mich erneut nützliche Punkte meiner Mathenote gekostet hatte. „Lass uns nicht mehr darüber reden, ja?“, ich lachte nervös,Tia nickte. „Wie läuft es mit James?“, kaum sprach sie dieses Thema an, bekam ich Bauchschmerzen. Auch Jenna schaltete sich plötzlich neugierig ein: „Das würde mich auch interessieren!“ Wunderbar. Was sollte ich sagen? Dass ich nach wenigen Monaten unzufrieden war und nicht mehr bloß mit dem Gedanken spielte Schluss zu machen, sondern es mittlerweile sogar schon festgelegt hatte. Sicher nicht - also log ich: „Alles bestens.“ Das war wohl das erste Mal,dass mir das Gegröle unserer Mitschüler, Ian und Josh, zusagte und mir den Hintern rettete. Wir drehten unseren Kopf in deren Richtung und verstummten somit allesamt. Die Jungs waren vor die Tür gestürmt und schienen jemanden zu begrüßen...jemanden, von dem sie geglaubt haben mussten, er sei verstorben. Ich kannte solch eine Reaktion bloß unter besten Freundinnen, die sich eine Woche nicht gesehen hatten und ungehalten aufeinander zustürmten. „Oh, das muss Damon sein.“, sprach Tia grinsend und wandte den Blick nicht von der Tür ab, in der Hoffnung den Neuling zu erspähen. Ich schien die Einzige zu sein, die nicht sonderlich neugierig war. Wozu auch? Es sah so aus so als würden wir lediglich einen weiteren Spaßvogel, der viel von sich hielt, dazuzugewinnen. Einen, der Ians Gefolgschaft angehörte. Erst als ich die Stimme unserer Mathelererin vernahm, trat Ruhe ein und alle wanderten zu ihren Plätzen. Damon betrat als letztes den Klassenraum und unterhielt sich angeregt mit Ian. Ich schien richtig gelegen zu haben...Damon passte irgendwie zu Ians Leben. Er wirkte ebenso aufgedreht und selbstbwewusst. Irgendetwas an ihm erschien mir jedoch auch tiefgründig. Zumindest tiefgründiger als Ian es war. Doch verschwendete ich keinen weiteren Gedanken daran. Wie gesagt - in weniger als einem Jahr würde sich diese Klasse auflösen und in Kurse eingeteilt werden. Wir sahen uns wahrscheinlich alle bloß flüchtig hin und wieder einmal. Und solange niemand wirklich meine Aufmerksamkeit erweckte, wollte ich nicht damit anfangen mich zu sehr einzuleben. Lediglich Tia würde ich wohl wirklich vermissen. Aber sie ging ja nicht verloren. „Ich möchte, dass ihr da weiterarbeitet, wo wir aufgehört haben. In den Gruppen, die ich eingeteilt hatte. Damon? Sie setzen sich am besten zu Ian, er wird ihnen auf die Sprünge helfen.“, und somit fand Damon seinen Platz neben Ian und saß ebenfalls genau in meinem Blickfeld. Mehr Zeit schenkte sie ihm nicht. Wenn er sich vorstellen wollte, würde er Zeit dafür finden - davon ging sie zumindest aus. „Also, ich erkläre euch das noch einmal...“, unterbrach Ted die Stille. Ja, ich war mit Ted in einer Gruppe gelandet. Und mit Josh. Josh war mir als ziemlich angenehm erschienen, vielleicht lag das daran, dass er in Mathe mindestens genau so aufgeschmissen war wie ich und sich nicht anders als mit dämlichen Sprüchen, die mich immer wieder zum Lachen brachten, zu helfen wusste. „Ted.Gib‘s endlich auf. Wir sind zwei hoffnungslose Fälle.“, unterbrach Josh ihn in seiner Erklärung, als es erneut kompliziert für Menschen wurde, die nicht mit mathematischem Verständnis gesegnet waren. Ich schob mein Heft entschieden zur Seite und sah von der Aufgabenstellung auf. Mein Blick traf Joshs, der mich belustigt angrinste und dabei eine amüsante Grimasse zog. Doch traf ich nicht nur das Augenpaar von Josh...auch Damon hatte in unsere Richtung gesehen. Bevor sich meine Augenbrauen verwundert zusammenzogen, wandte ich mich wieder Ted zu, der endlich aufgegeben hatte. „Ja, ihr seid hoffnungslos...am besten wäre es, wenn ihr euch mit Damon zusammen tut. Der war ein Jahr im Ausland und hat sich wohl kaum mit Mathematik beschäftigt. Wobei sogar er euch zum Verhängnis werden würde, da Ian ihm schnell auf den neusten Stand bringen wird.“ - „Vielleicht ist Ian einfach der bessere Lehrer.“, ärgerte Josh Ted bissig und lachte laut über seinen eigenen Witz. Dass Ted auch diesmal Recht behalten würde, sollte mir jedoch erst später bewusst werden. Damon würde mir durchaus zum Verhängnis werden...und das lag nicht am schlimmsten Fach der Welt - Eigentlich hatte es etwas mit dem einfachsten der Welt zu tun...der Anziehungskraft. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)