Lektionen fürs Leben von Zyra (Wenn Kaiba vor dem Nichts steht ...) ================================================================================ Kapitel 24: Unter Freunden? --------------------------- Unter Freunden? Kaiba ließ sich Zeit beim Duschen. Dieser Abend würde in einer Katastrophe enden. Er sah es bereits kommen. Lana würde ihn in den Wahnsinn treiben. Und Akio wahrscheinlich auch. Er konnte sich nicht vorstellen, dass der ihr Verhalten fortdauernd mit Humor nehmen konnte. „Ich bin dafür, dass wir das hier machen“, hörte er Lana sagen, als er die Treppe zur Wohnung hinaufstieg. „Das sieht enorm lecker aus.“ „Aber das Gericht ist für den Anfang ganz schön anspruchsvoll“, erwiderte Akio skeptisch. „Du bist ja auch kein Anfänger“, meinte Lana keck. „Außerdem habe ich dafür fast alle Zutaten dabei.“ Kaiba seufzte. Er wusste wirklich nicht, ob er sich darüber freuen sollte, dass Lana sich seinem Trainer gegenüber genauso verhielt. „Es ist aber nicht Sinn der Sache, wenn ich alles mache“, hielt der dagegen. Aus seinem nächsten Satz klang deutlich der Lehrer heraus. „Du willst schließlich etwas lernen.“ „Seto bekochst du aber auch.“ Kaiba erwartete, dass Akio ins Schlingern kommen würde. Selbst wenn nicht, war es wohl besser, wenn er eingriff. Nicht, dass die beiden sich da noch in eine handfeste Diskussion hineinsteigerten. „Du siehst das falsch, Lana“, sagte er, als er die Küche betrat. Beide drehten sich überrascht zu ihm herum. „Akio kocht für zwei Tage und bietet mir die zweite Portion an. Du hast dich selbst eingeladen.“ „Außerdem ist er doch so ausgehungert“, sagte Akio ironisch. „Irgendwer muss sich ja um die arme Seele kümmern, wenn er bei dir nicht genug zu essen bekommt. Ein Grund mehr, dass du endlich kochen lernst und deiner Hausfrauenpflicht nachkommst.“ Einen Moment lang schaute Lana ihn perplex an, dann pfiff sie anerkennend. „Ganz schön schlagfertig“, erkannte sie an, setzte jedoch prompt zum Gegenschlag an. „Dabei dachte ich immer, Leute, die körperlich austeilen können, meinen es verbal nicht nötig zu haben.“ Kaiba grinste. Er wusste, was jetzt kommen würde. Wie erwartet, fing Akio an zu lachen. In gewisser Hinsicht war es erstaunlich, wie gut er seinen Trainer inzwischen kannte. Früher war ihr Verhältnis rein professionell gewesen, aber während der letzten vier Treffen hatte er ihn erstaunlich gut kennengelernt. Diese Reaktion erstaunte Lana abermals. Sie ließ sich ein wenig von der guten Laune anstecken und tat das Thema wenig später ab. „Wie dem auch sei“, sagte sie. „So wird das nichts. Lassen wir einfach Seto entscheiden.“ O nee, dachte der und sprach seine Gedanken aus: „Warum? Damit ich am Ende Schuld bin?“ „Genau!“, bestätigte sie geradeheraus und hielt ihm im nächsten Moment ein Kochbuch unter die Nase. „Ich bin für das hier, aber Akio meint, es wäre zu kompliziert. Einen Gegenvorschlag hat er allerdings nicht gemacht.“ „Ah“, beschwerte sich der gekünstelt dramatisch. „Nimm dieses Bild aus meinem Blickfeld. Ich kann es nicht mehr sehen.“ „Jetzt übertreib es nicht. Der Typ ist doch echt süß, allein das ist ein Grund, um …“ Kaiba hörte nicht weiter hin. Fasziniert starrte er auf die Abbildung in dem Buch. Er könnte schwören, einen genauso angerichteten Teller schon einmal vor der Nase gehabt zu haben. Er blätterte weiter. Wieder kam ihm das gezeigte Essen bekannt vor. So erging es ihm mit beinahe jedem Gericht. Das gibt es doch gar nicht, dachte er und wusste im Grunde schon, wessen Gesicht er auf dem Cover entdecken würde. Dennoch war er überrascht. So sehr, dass er unweigerlich auflachen musste. Akios und Lanas Auseinandersetzung über eben jenes Foto verstummte. Sie blickten ihn verwundert an. Nun ergab ihre Diskussion zumindest Sinn. Vom Cover des Kochbuches strahlte ihm in bester „Ich verarsche das Fernsehkoch-Klischee“-Pose sein ehemaliger Babysitter entgegen. Breites, dermaßen übertriebenes Lächeln, eine Hand in die Hüfte gestemmt, mit der anderen tatkräftig einen Kochlöffel schwingend. In den dunkelgrünen Augen funkelte Belustigung, aber Kaiba meinte, ebenso eine gewisse Entnervung in ihnen zu erkennen. Wahrscheinlich erklärte die auch das Zustandekommen des Bildes, das mehr eine Parodie auf Fernsehköche war, als Werbung für einen. „Siehst du, er ist meiner Meinung“, sagte Akio schließlich. „Das Foto ist schrecklich gestellt.“ „Wie kommst du darauf, dass er deshalb gelacht hat?“, fragte Lana. „Seto, du musst doch zugeben, dass er gut aussieht.“ „Ihr wollt mich doch wohl nicht all eure Meinungsverschiedenheiten klären lassen“, erwiderte Kaiba spöttisch, konnte allerdings nicht verhindern, ein wenig genervt zu klingen. „Nein. Es wäre nur interessant, die Sache noch aus einem weiteren Blickwinkel zu sehen“, erklärte Akio. Kaiba seufzte und tat ihnen den Gefallen. Blieb zu hoffen, dass die Diskussion damit schnell vom Tisch war. „Natürlich ist das Foto gestellt. Jedes Coverfoto ist das. Ich denke, die Pose ist absichtlich so übertrieben. Ich mutmaße, dass es nur entstanden ist, weil er sich über den Fotografen lustig gemacht hat und danach nicht verhindern konnte, dass es genommen wurde.“ Lana und Akio schauten ihn fragend an. Kaiba seufzte. „Du müsstest dich doch mit Klischeegeprägten Werbefotografen auskennen, Lana. Ich glaube, hier war einer am Werk. Die typischen Bilder für junge Fernsehköche sollen eben ihre Jugend, Spaß an der Arbeit und Dynamik transportieren. Ob das  dem betroffenen Fernsehkoch gefällt oder nicht.“ Lana runzelte die Stirn. „Du meinst, er könnte mit der übertriebenen Pose zeigen wollen, wie sehr das nicht zu ihm passt?!“ „Ja.“ Genau genommen nahm Kaiba das stark an. Es klang einfach nach Taro. Wenn er nicht so knapp bei Kasse gewesen wäre, hätte er sogar darauf gewettet. „Glaubt ihr das wirklich?“, fragte Akio zweifeln. „Der ist doch genauso ein Suppenkasper wie die anderen auch.“ Irgendetwas in Kaiba schrie regelrecht danach, aufs heftigste zu protestieren. Taro war sicherlich vieles gewesen, aber kein Suppenkasper. Er unterdrückte das Gefühl und fragte sich, warum ihn diese Beleidigung so störte. Letztendlich konnte er noch nicht einmal sagen, ob Akio sich irrte. Es waren Jahre vergangen, seitdem er das letzte Mal mit Taro zu tun gehabt hatte. Wer wusste schon, wie der sich verändert hatte. Außerdem war er doch sonst niemand, der so schnell andere Leute in Schutz nahm. „Ich weiß nicht“, sagte Lana nachdenklich. „In seiner Show wirkt er jedenfalls sehr natürlich.“ „Die Diskussion ist müßig“, bemühte sich Kaiba, das Thema zu beenden, bevor Akio und Lana ihre Meinungsverschiedenheit weiter austragen konnten. „Was hast du eingekauft? Das ist sicherlich ganz hilfreich zu wissen, um Gerichte auszuwählen.“ „Oh, warte“, sagte Lana und packte ihre Einkaufstüte aus, sodass sie nichts vergessen konnte. „Tomaten, ne Gurke, Feldsalat, Schafskäse, Ananas, Putengeschnetzeltes, Sahne und ne Mango.“ „Eine Mango? Zu dieser Jahreszeit?“, fragte Akio überrascht. „Na ja, logischerweise importiert, aber irgendwie hatte ich Appetit darauf. Als Nachtisch dachte ich.“ Da klingelte etwas bei Kaiba. Ihm lief das Wasser im Mund zusammen in Erinnerung an einen Mango-Nachtisch, den Taro früher regelmäßig gemacht hatte. In irgendetwas war die Frucht gebacken gewesen. Vielleicht wurde er ja im Kochbuch fündig. Mit Hilfe eines Zutaten-Registers fand er das entsprechende Rezept tatsächlich schnell. „Hast du Eier und Zucker im Haus, Akio?“, fragte Kaiba, nachdem er das Rezept überflogen hatte. „Ja, natürlich“, antwortete der, als wäre das eine Selbstverständlichkeit. Er schielte neugierig über Kaibas Schulter. Auch Lana warf einen Blick in das Kochbuch. „Das sieht wirklich lecker aus. Dann fehlt eigentlich nur noch das Hauptgericht. Aus dem Gemüse, das Lana gekauft hat, und dem Schafskäse können wir gut einen Salat machen. Ich hab auch die Zutaten für verschiedene Dressings da.“ Abermals zog Kaiba das Zutaten-Register zu Rate. Er fand tatsächlich eine übereinstimmende Seitenzahl für Putengeschnetzeltes und Ananas. „Putengeschnetzeltes in Curry-Sauce“, las er vor. Er spürte Akios Atem am Hals, als der sich weiter zu ihm hinüberbeugte, um die Zutatenliste mit einem Finger abzufahren. Einen Moment fragte er sich, ob der ihm absichtlich so nahekam, aber er verwarf den Gedanken schnell wieder. Bisher war Akio ihm nie allzu sehr auf die Pelle gerückt. Damit würde er nur seine Aussage untergraben, dass er sich keine Hoffnungen machte. „Die Zutaten stellen kein Problem dar. Kokosmilch habe ich zwar nicht, aber normale scheint ja auch zu gehen. Ist das für dich in Ordnung, Lana?“, sagte Akio schließlich. „Doch klar, kling gut.“ Sie lächelte ein wenig verschlagen. „Aber glaub ja nicht, dass wir dir eine sonderlich große Hilfe sein werden.“ „Wieso? Seto kann doch kochen“, erwiderte Akio. Lana blickte ihn erstaunt an. „Jetzt übertreib es nicht. Ich war keine zehn“, wiegelte Kaiba sofort ab. „Davon konnte ich mir kaum etwas merken.“ „Du hast früher gekocht?!“ Lana wirkte immer noch überrascht, aber inzwischen hatte sich eine gute Portion Neugier in ihre Züge gemischt. „Hm“, machte Kaiba nur, weil er nicht darüber sprechen wollte. Da hatte er allerdings seine Rechnung ohne Akio gemacht. „Mit seinem Babysitter“, warf der erklärend ein. „Du hattest einen Babysitter?!“ Kaiba nickte genervt. „Da erfahre ich doch glatt noch jede Menge neue Sachen.“ Sie grinste breit und stupste Akio, der im Kühlschrank herumsuchte, am Arm an. „Ich stell mir das richtig knuffig vor. Als Kind war er bestimmt ganz niedlich, was meinst du?“ „M-hm“, stimmte Akio nach einem kurzen Seitenblick zu. „Ihr habt ja keine Ahnung“, brummte Kaiba. Er erinnerte sich noch sehr deutlich an einen Kommentar seiner Mutter, dass er nur niedlich wäre, wenn er schliefe. Und realistisch betrachtet, war da wohl etwas dran. Er hatte ziemlich viele Flausen im Kopf gehabt. Da Akio sich partout nicht von der Idee abbringen ließ, dass Lana und Kaiba ihm zur Hand gingen, breitete letzterer schließlich den Nachtisch zu. Nachdem Akio ihm das Ei aufgeschlagen und dabei gezeigt hatte, worauf er achten musste, stellte nur die Mango ein Problem dar. Die ließ sich zwar relativ leicht schälen, das Fruchtfleisch vom Kern zu trennen war dafür umso schwieriger. Dementsprechend froh war er, als er die drei Schälchen mit Mango und der Sahne-Zucker-Ei-Mischung endlich in den Ofen befördern konnte. Akio hatte Reis aufgesetzt und sich danach dem Geschnetzelten zugewendet. So wie Kaiba es einschätzte, wäre er damit bald fertig. Lana machte den Salat und weil es dabei einiges zu schneiden gab, war sie wohl noch etwas länger dabei. Da er keine sonderlich große Lust verspürte, ihr zu helfen, begann Kaiba Akios Kochbücher zu mustern. Es war eine regelrechte Sammlung. Viele waren nationalen Küchen zuzuordnen. Darüber hinaus besaß er thematische Backbücher – Brote, Kuchen, Torten, Snacks, Muffins, Beagles und Donuts – und zwei Cocktailbücher. Zu seiner Überraschung waren zwei weitere Werke von Taro darunter. Willkürlich zog er eins mit japanischen Rezepten aus dem Regal. Dieses war gestalterisch deutlich schlichter gehalten und passte auf weniger ironische Art genauso gut zum Koch. Ob er darin, wohl ebenso viele Gerichte erkennen würde? „Du könntest mir auch helfen, anstatt da schmökernd herumzustehen“, meckerte Lana, bevor er übers Inhaltsverzeichnis hinauskam. „Wobei? Sag bloß, es überfordert dich, ein bisschen Grünzeug zu schneiden?!“, antwortete er spöttisch. Wenn es ihm gelang, sie zu provozieren, würde er nicht helfen müssen. „Nicht anspruchsvoll, aber zeitintensiv“, gab sie zurück. Angriffslustig setzte sie nach: „Du solltest dich schon mal an solche Arbeiten gewöhnen!“ Kaibas Lippen verzogen sich zu einem dünnen Strich. Sein Blick war eisig. Sie wusste ganz genau, dass das nicht stimmte. Er würde nicht gezwungen sein, sich mit irgendeinem langweiligen Bürojob seinen Lebensunterhalt zu verdienen. „Leute“, schaltete sich Akio ein und hob beschwichtigend die Hände, „es geht hier nur um Tomaten und Gurken. Kein Grund gleich persönlich und verletzend zu werden.“ Eine Weile starrten sie sich missmutig an. Dann seufzte Akio. „Mal ganz logisch, es ist ein bisschen unpraktisch, wenn die Beilage erst nach dem Hauptgericht fertig wird. Ich will es nicht unnötig warm halten müssen“, warf er ein. Abermals folgte eine kurze Stille. Lana war klug genug, den Mund zu halten, anstatt zuzustimmen. Da Kaiba ein logisch denkender Mensch war, wollte er dem nichts entgegensetzen, also legte er missmutig das Kochbuch auf dem Küchentisch ab. „Ich schneide die Gurke, dann kannst du das Dressing machen“, bestimmte er, während er zu ihr an die Arbeitsfläche trat. „Okay“, sagte sie gleichmütig, schnitt die letzte Tomate in Stücke und schob ihm dann das Schneidebrett hinüber. „Wie viel Gurke brauchen wir?“, fragte er an Akio gerichtet. „Das ist ne recht große“, überlegte der laut und legte nachdenklich einen Finger an die Wange. „Ich denke, zwei Drittel sollten genügen.“ „Gut“, meinte Kaiba und zog ein geeignetes Messer aus dem Messerblock. Er trennte ein Ende ab und schnitt zwei Drittel der Gurke der Länge nach ein – dreimal waagerecht und dreimal senkrecht –, um sie danach mit wenigen Messerstreichen in Würfel zerteilen zu können. Dank Taros Trick war er damit schneller fertig, als Lana überhaupt die Utensilien und Zutaten für das Dressing zusammen sammeln konnte. Innerlich grinsend schob er die Gurkenwürfel in die Salatschüssel, wusch sich die Hände und ließ sich mit dem Kochbuch am Küchentisch nieder. Er genoss, wie Lana und Akio mit hochgezogenen Augenbrauen verwunderte Blicke tauschten. Es verlor doch nie den Reiz, Dinge zu beherrschen, mit denen andere nicht rechneten. „Du bist sicher, dass er ganz bestimmt kein heimlicher Fan von Tarimos Show ist?“, fragte Akio Lana rhetorisch. „Warum sollte ich?“, fragte Kaiba gelangweilt. „Weil er das genauso macht“, erwiderte Akio mit einer vagen Handbewegung auf die Salatschüssel. „Um auf kluge Gedanken zu kommen, braucht man keine Fernsehshow“, erwiderte er schlicht. „Dein Babysitter?“, vermutete Akio. „Ja, er war ein ziemlich guter Koch“, erklärte Kaiba, während er sich aufgrund des Kochbuchs an die ein oder andere Kreation erinnerte. „Wie gut?“, hakte der andere lächelnd nach. „Auf einer Skala von eins bis zehn.“ „Zwölf“, sagte Kaiba spontan. Er hatte Taros Essen geliebt, wobei auch hier galt, dass seine Erinnerungen ihn wahrscheinlich wenig trogen. „Zwölf?“, echote der andere und lachte auf. „Und unsereins würde sich schon über eine acht riesig freuen.“ „Da stellt sich die Frage, warum du zu mir gekommen bist“, warf Lana augenzwinkernd ein. „Jedenfalls nicht, weil du kochen kannst“, erwiderte Kaiba kühl. „Tja, warum ziehst du dann nicht einfach zu ihm? Ach ja, ich vergaß: Du hast ihn solange links liegen gelassen, dass er jetzt sicher nichts mehr mit dir zu tun haben will“, konterte Lana bissig. Irgendetwas löste das in Kaiba aus. Etwas, dass er bisher nicht zu denken gewagt hatte. Was, wenn sie recht hatte? Bis zu diesem Augenblick hatte er nicht einmal realisiert, dass ihn das treffen würde. Er starrte blicklos auf das Kochbuch in seinen Händen. Ausgerechnet war auch noch eine Seite aufgeschlagen, von der Taro ihm entgegen blickte. Kräftiger als nötig klappte er das Buch zu und schob es von sich. Er wollte diese Gedanken nicht haben. Wortlos stand er auf und ging in Richtung Badezimmer davon. Er musste wieder einen klaren Kopf bekommen. Aus dem Augenwinkel sah er Akios entsetzten Blick. Die Tür fiel klickend hinter ihm ins Schloss. Er drehte den Hahn auf, spritzte sich eine Handvoll kaltes Nass ins Gesicht. Über das Rauschen des Wassers hörte er das Gespräch geradeeben. „Was sollte das?“, fragte Akio halblaut. Das nahm seiner Stimme keineswegs die Schärfe. „O bitte“, antwortete Lana. „Das war ja wohl nicht unnormal.“ „Du hakst also ständig auf der einzigen, positiven Erinnerung seiner Vergangenheit herum?“, präzisierte der Lehrer sarkastisch. „Wie nett!“ „Jetzt übertreib es nicht.“ „Korrigier mich, wenn es dir anders geht, aber dieser Babysitter ist die einzige Person aus seiner Vergangenheit, über die er je ohne Bitternis und einigermaßen gern gesprochen hat“, wand Akio energisch ein. Einen Moment war es still. „Trotzdem“, sagte Lana schließlich, inzwischen nicht mehr so selbstsicher, „wir sind immer so ehrlich zueinander.“ „Das“, betonte der andere, „war in erster Linie gemein!“ „Aber die Wahrheit.“ Ihre Stimme war so leise, dass sie kaum an Kaibas Ohren drang. „Zum Teil wahrscheinlich.“ Akio machte eine Pause. „Wir sollten uns nicht anmaßen, dass beurteilen zu können. Wir kennen diesen Mann nicht einmal annähernd. Was wissen wir, wie seine Reaktion gefallen wäre.“ Ja, dachte Kaiba, sie haben keine Ahnung, was Taro täte. Der Gedanke war seltsam tröstlich. Er glaubte es momentan selbst nicht zu wissen. Wie würde Taro reagieren, wenn er, Kaiba, plötzlich wieder vor ihm stände? Er klatschte sich die nächste Ladung Wasser ins Gesicht. Im selben Augenblick tauchte ein Blick vor seinem inneren Auge auf. Taro, nachsichtig lächelnd und innerlich ruhig. So wie er früher häufig auf seinen Unsinn reagiert hatte. Bei größeren Schwierigkeiten war Taro weniger nachsichtig und ruhig gewesen. Dennoch hatte er immer froh gewirkt, seinen Schützling wieder zu haben. Und das nicht, weil es ihm einen Haufen Ärger ersparte. Aber, wie lag die Sache nun? Kaiba hatte sich seit Jahren nicht mehr gemeldet. Irgendwann hatte er einfach nicht mehr auf Taros Briefe geantwortet. Er war der Meinung gewesen, wichtigeres zu tun zu haben. Und viel später, als er hatte anrufen wollen, war ihm einfach nicht mehr klar gewesen, wie der andere reagieren würde. Nach all der Zeit … Abermals befeuchtete Kaiba sein Gesicht mit kühlem Wasser. Wenig später konnte er wieder klare, rationale Gedanken fassen. Sofort wurde ihm bewusst, warum ihn diese Annahme so getroffen hatte. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)