Lektionen fürs Leben von Zyra (Wenn Kaiba vor dem Nichts steht ...) ================================================================================ Kapitel 20: Wer ich bin und was ich will - Seto ----------------------------------------------- Wer ich bin und was ich will - Seto Mit inzwischen geübtem Griff zerzauste Kaiba seine Haare wieder und schob die Brille zurück auf die Nase. „Ihr neuer Look steht Ihnen. Sogar die Brille irgendwie“, plapperte Nerea drauflos. Plötzlich war sie deutlich nervöser. „Man erkennt Sie wirklich kaum.“ „Du kannst ruhig beim Du bleiben“, sagte Kaiba ruhig und versuchte sich an einem halbwegs freundlich Ton. „Nur, weil du jetzt weißt, wer ich bin, ändern sich an unserer Beziehung nichts.“ Es wäre gelogen, zu sagen, dass Kaiba der Respekt und die Bewunderung nicht gefielen, den sie ihm entgegenbrachte. Es war gut zu wissen, dass sich an ihrer Einstellung Seto Kaiba gegenüber nichts geändert zu haben schien – trotz der Schmach, die Mokuba ihm bereitet hatte. Jedoch wäre es nicht zweckmäßig, wenn jemandem auffiel, dass sie ihn plötzlich wieder siezte. Geschweige denn, dass sie ihn auf einmal mit Mister Kaiba ansprach. Zumal ihre bisherige Beziehung zueinander höchst funktional zu sein schien. Sein Plan musste einfach gelingen und wenn er dazu das Vertrauen der jungen Frau benötigte, dann war das eben so. „Danke. Das freut mich sehr“, sagte Nerea strahlend. Sie strich sich eine Strähne ihres dunklen Haars hinters Ohr. Ein nachdenklicher Ausdruck legte sich auf ihr Gesicht. „Du willst also etwas aus deinem Penthouse haben.“ „Genau“, bestätigte Kaiba. Er war froh, dass sie zum eigentlich Thema zurückgekehrten. Auf der geschäftlichen Basis kannte er sich voll und ganz aus. Positiv überrascht stellte er fest, dass sie von seinem Penthouse redete und es nicht in Mokubas Besitz übertrug. „Ich will dir wirklich gerne helfen, aber ich bleibe bei meiner Bedingung“, sagte Nerea ernst. „Ich will mir nicht noch größeren Ärger machen. Und seinem eigenen Bruder sämtliches Eigentum zu rauben, zeugt nicht gerade von einem guten Charakter.“ Kaiba lächelte freudlos. Zwar gefiel es ihm, dass sie auf seiner Seite war, jedoch hatte er mit diesem Einwand überhaupt nicht gerechnet. Er war nie davon ausgegangen, dass Mokuba bei der Sache ein Thema werden könnte. Er bezweifelte, dass sein Bruder jemals so weit gehen würde. Das schien fern von all seinen Wertvorstellungen. Aber das war kein Argument, schließlich hätte er ebenso wenig erwartet, dass Mokuba war ihn enteignen würde. „Dazu, jemanden verstümmeln oder gar umbringen zu lassen, gehört noch eine deutlich größere Skrupellosigkeit, als nötig ist, um jemand seines Besitzes zu berauben“, antwortete Kaiba ausweichend und diplomatisch. „Eine Garantie kann ich dir natürlich nicht geben, aber vielleicht hörst du dir erst einmal den Plan an. Er ist nicht sonderlich kompliziert und wenn alles glatt geht, wird mein Bruder niemals etwas davon erfahren.“ „Das verstehe ich nicht“, gestand Nerea stirnrunzelnd ein. „Wie soll ein solcher Einbruch und Diebstahl unbemerkt bleiben?“ „Mein Bruder weiß nichts von den Dingen, die ich aus dem Penthouse holen will. Er kann also nicht bemerken, dass etwas fehlt. Was den Einbruch selbst betrifft: Es sollte nicht sonderlich schwer sein, zu verschleiern, dass überhaupt einer stattgefunden hat. Ich komme an den Generalcode für das Türschloss. Mit deiner Hilfe kann ich die Kameras in Schleifen legen und dem Sicherheitspersonal aus dem Weg gehen. Es sind nur minimale Details und es müsste mit dem Teufel zugehen, wenn jemand sie bemerken würde.“ Nerea nickte nachdenklich. „Das kling ziemlich plausibel, mit einer Ausnahme. Was ist mit dem Protokoll für das Öffnen der Tür? Wird das irgendwo im Kontrollraum angezeigt? Außerdem kommt es zu einer Diskrepanz zwischen dem Protokoll und den Überwachungsaufnahmen.“ „Darüber habe ich auch schon nachgedacht“, sagte Kaiba. Er musste eingestehen, dass das Mädchen alles andere als dumm war. „Bei meiner Einführung in das Sicherheitssystem habe ich mitbekommen, dass im Überwachungsraum nicht angezeigt wird, ob eine Tür geöffnet wird. Sie verlassen sich da voll und ganz auf ihre Videoaufzeichnungen. Bei meiner Recherche bin ich auf keine Änderung dessen gestoßen. Mit der Diskrepanz hast du vollkommen Recht. Wenn jemand Protokoll und Kameraaufnahmen vergleicht, fällt es sicherlich auf. Aber warum sollten sie es tun? Solange sie nicht misstrauischen werden, haben sie keinen Grund Nachforschungen anzustellen.“ „Ist es denn nicht möglich den Protokolleintrag zu löschen?“, fragte Nerea nach. „So würde es zu keine Abweichung kommen.“ „Theoretisch ist es das definitiv“, antwortete Kaiba und zog sein Notizbuch aus der Umhängetasche. Das sah nach dem nächsten Zugeständnis aus. Wobei es niemals schaden konnte, auf Nummer sicher zugehen. „Wenn dir dabei wohler ist, werde ich diesbezüglich Nachforschungen anstellen. Ich will im System so wenige Spuren wie möglich hinterlassen. Ich befürchte, eine solche Manipulation würde viel schneller auffallen, aber ich werde es recherchieren.“ „Das klingt nach einem guten Kompromiss“, erklärte sich Nerea einverstanden. „Ich soll also für dich die Kameras anzapfen. Gemeinsam analysieren wir die Angewohnheiten und Routen des Personals und abschließend soll ich dich um mögliche Komplikationen herumlotsen.“ Kaiba nickte bestätigend. Sie hatte sogar den Teil erfasst, den er gar nicht explizit genannt hatte. „Du sprachst von einer Bezahlung von fünf bis achttauschend. Wovon hängt die Höhe ab?“ „Das hängt von dem Betrag ab, den ich unbemerkt aus dem Tresor mitnehmen kann“, erklärte Kaiba ein wenig widerstrebend. Er wollte sie nicht so genau in seinen ehemaligen Gewohnheiten einweihen. Aber aus ihrer Sicht war es eine vollkommen logische Frage. „Ich habe in jeder ausländischen Wohnung einen bestimmten Betrag in der Währung des Landes als Reserve liegen. Darüber ist mein Bruder informiert. Was er nicht weiß, ist, dass ich bei meinem letzten New York Besuch das ganze Geld ausgeben habe, das ich vom Konto abgehoben hatte. Ich habe wesentlich weniger gebraucht als gedacht. Den Rest habe ich im Tresor hinterlegt, sodass nun mehr da ist als normalerweise. Ich kann allerdings nicht genau sagen, wie viel es ist.“ „Und dein Bruder hat keine Möglichkeit herauszufinden, dass du weniger ausgegeben als abgehoben hast?“, hakte Nerea nach. „Ich sehe keinen Grund, warum er Nachforschungen anstellen sollte. Für einen Milliardär sind das Peanuts“, sagte Kaiba säuerlich. Wie er dieses Denken vermisste. „Und selbst, wenn er es tun würde, wäre es ziemlich unmöglich, detaillierte Kenntnisse zu gewinnen. Er weiß nicht, wie viel ich mit nach Japan genommen haben und sämtliche Quittungen befinden sich noch in meinem Besitz.“ „Das scheint tatsächlich kein großes Risiko zu sein“, stimmte Nerea langsam zu. Ihr Gesicht hellte sich auf. „Das klingt nach einem ausgezeichneten Deal. Ich bin einverstanden.“ Sie grinste. „Sieht ganz so aus, als zeige der Plan deines Bruders nicht vollständig die erwünschte Wirkungen. Du bist immer noch der Alte.“ Kaiba ließ diese Aussage unkommentiert. Er war sich da nicht so sicher. Die Enteignung und ihre Auswirkungen trafen ihn mehr, als er sich zugestand zu zeigen. Aber jetzt war nicht der richtige Zeitpunkt darüber nachzudenken. „Es freut mich, dass wir übereinkommen“, sagte Kaiba und bemühte sich um ein zufriedenes Lächeln. Seine Rolle wollte er noch nicht völlig aufgeben. „Was die Angelegenheit mit Terry Pierce betrifft, möchte ich dich bitten, sie noch für ein Vierteljahr ruhen zu lassen. Um deinet- wie um meinetwillen. Es sollte genügend Gras über die Sache gewachsen sein, sodass du nicht mal auf der Liste der Verdächtigen stehst, sollte er doch Verdacht schöpfen. Du hast mein Wort darauf, dass ich dir helfen werde, so gut ich kann. In der nächsten Zeit müssen wir uns erst einmal um meinen Plan kümmern. Wir haben nur Zeit, bis mein Bruder kommt. Ich bin im Moment dabei herauszufinden, wann das soweit ist, aber bisher konnte ich nur in Erfahrung bringen, dass es irgendwann Anfang Februar sein wird.“ An seine Papiere zu kommen, hatte für Kaiba momentan oberste Priorität. Wenn Mokuba in New York gewesen war, änderte sich alles. Er könnte sich nicht mehr sicher sein, ob sein Bruder von seiner amerikanischen Staatsbürgerschaft wusste. Diese Papiere mussten her. So schnell wie möglich. Alles andere war im Moment nebensächlich. Danach konnte er weiterplanen. „Puh“, stieß Nerea aus. Richtig besorgt schien sie jedoch nicht. „Dann sollten wir uns wohl besser beeilen, aber wenn wir konzentriert arbeiten, sollte es keine Probleme geben.“ Kaiba nickte. Im Grunde hatte sie Recht. Jetzt, wo er das Problem mit den Kameras gelöst hatte, war er seinem Ziel einen deutlichen Schritt näher gekommen. Sie verbrachten einen Großteil des Vormittags mit detaillierten Planungen. Gegen halb zehn kam Charlie hinzu. Er war zwar alles andere, als begeistert, dass Nerea nun bei einem anderen Einbruch helfen sollte, aber sein Eindruck von Kaiba half mit ihn zu beruhigen. Er schien ihn für wesentlich vernünftiger und rationaler zu halten als Nerea. Sie erzählten ihm zwar nicht, wo Kaiba einsteigen wollte, aber es war wohl nicht sein vordergründiges Interesse. Die Tatsache, dass es nicht Pierce war, hatte eine deutlich erleichternde Wirkung auf ihn. Ähnlich war es für Kaiba, als Nerea nicht verriet, wer er in Wirklichkeit war. Es stimmte ihn zufrieden, dass nicht noch jemand erfuhr, dass er in der Stadt war. Als er sich auf den Weg nach Hause machte, hatten sie gute Fortschritte gemacht. Morgen konnten sie die Geräte zum Anzapfen der Kamerakanäle anbringen und mit dem Auswerten des Bildmaterials beginnen. Den Nachmittag verbrachte er mit den angekündigten Recherchen. Zu seiner Überraschung stellte sich heraus, dass es deutlich einfacher und unauffälliger war, die Protokolle zu manipulieren, als er gedacht hatte. Die Wahrscheinlichkeit, dass es bemerkt werden würde, war gering. Sie konnten es so durchführen. *** „Oh, Gott“, seufzte Lana zufrieden. „Der Sex mit dir ist und bleibt einfach genial.“ Genüsslich rekelte sie sich neben ihm. Kaiba ahnte, dass sie unauffällig zu ihm hinüberrutschen wollte. „Versuch gar nicht erst mir Komplimente zu machen, damit ich mit dir kuschele“, bemerkte er trocken. „Das funktioniert sowieso nicht.“ Demonstrativ breitete er seine Decke über sich aus und platzierte einen Arm so auf ihr, dass Lana sich unmöglich unter der Decke an seine Brust schmiegen konnte. „Das war nur eine Feststellung“, meinte Lana und zog ihre Decke zu sich. „Ich hab noch nie so einen Kuschelmuffel erlebt“, beschwerte sie sich mürrisch. „Dein Problem, nicht meins“, erwiderte er abweisend und schloss entspannt die Augen. Schon bald war die Entspannung verschwunden. Genervt und ein wenig gereizt zuckte seine linke Augenbraue. Lana bohrte fortwährend einen Finger in seine Seite. „Bist du sicher?“, flötete sie provokant. In ihren Augen funkelte es belustig, während sie theatralisch hinzufügte: „Da lass ich dich schon in meinem Bett schlafen und du bist nicht mal bereit, mich in den Arm zu nehmen. So etwas Undankbares!“ Kaibas Augen verengten sich zu Schlitzen. Ein eiskalter Klumpen schien ihm mit einem Mal im Magen zu liegen. Er fühlte sich plötzlich an Akios „falsches Angebot“ erinnert. Unterkunft und Nahrung gegen Sex. „Ich bin nicht deine persönliche Hure“, presste er kalt zwischen zusammengepressten Zähnen hervor. Allein bei dem Gedanken, dass man ihre Beziehung so auslegen konnte, stieß es ihm übel auf. „Warum eigentlich nicht?“, fragte Lana und legte gespielt nachdenklich einen Finger an ihre Wange. „Dann könnte ich im Bett von dir verlangen, was ich wollte.“ „Das ist nicht witzig“, knurrte er. Der Gedanke traf ihn tatsächlich. Langsam wurde ihm speiübel. Er war niemandes Spielzeug. „An dieser Theorie gibt es nur einen gewaltigen Haken“, sagte sie sanft und küsste ihn weich und nachgiebig, „du eignest dich miserabel als Hure. Du bist viel zu herrisch und stur. Man müsste dich brechen und bevor du das zulässt, gehst du lieber drauf.“ Sie griff nach seinem Arm. Sie zog seine Hand ihrem Gesicht und schmiegte ihre Wange an sie. „Es ist schön, dass du hier bist, du blöder, eigenwilliger Esel“, murmelte sie. „Pass bloß auf, wen du hier beleidigst, Lana“, entgegnete er kalt. Insgeheim musste er sich eingestehen, dass sie den richtigen Ton getroffen hatte. Er schlief mit ihr, weil er ihn wollte. Er hatte dieses Apartment bezahlt und hier ein Wohnrecht. Mit den Lebensmittelkosten zahlte sie nur Geld zurück, das er früher für sie ausgelegt hatte. Mit der Hand, die Lana nicht umklammert hielt, fuhr er sich über die Augen. Diese Enteignung hatte sein Leben geradezu auf den Kopf gestellt. Unweigerlich musste er an Nereas Ausspruch denken. Sie irrte sich. Er war nicht mehr der Alte. Zwar versuchte er sich immer noch so zu geben, aber innerlich musste er sich eingestehen, dass sich in dieser knappen Woche doch irgendwas verändert hatte. Kaiba blickte in Lanas schlafendes Gesicht. Die Wärme ihrer Haut strömte in seine Finger. Seit einer Woche teilte er mit einer Frau Nacht für Nacht das Bett. Er hatte Geldsorgen. Notdürftig waren sie gelöst, aber im Vergleich zu früher hatte er nichts. Er hatte keine Bediensteten, die den Haushalt machten und die seine Befehle ausführten. Jetzt musste er jeden Dollar doppelt und dreifach umdrehen und sorgfältig darüber nachdenken, bevor er ihn ausgab. Den Konsum von Luxusgütern konnte er total vergessen. Täglich musste er sich mit den öffentlichen Verkehrsmitteln herumärgern, die schmutzig, unpünktlich und mit Menschen überfüllt waren. Die Zeiten waren fürs erste vorbei, in denen er gemütliche auf den Lederpolstern seiner Limousine seine Arbeit erledigen konnte, während er dorthin chauffiert wurde, wo er hin wollte, und dabei auch noch eine Minibar zur Verfügung hatte. Er hatte freiwillig gebacken und hing ständig in der Vergangenheit. Noch dazu bereitete er eine kurze einbrecherische Laufbahn vor. Und er hatte ein wenig Zeit für ein Hobby gefunden. Wie sollte all das ihn nicht verändert haben? Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)