Lektionen fürs Leben von Zyra (Wenn Kaiba vor dem Nichts steht ...) ================================================================================ Kapitel 18: Sauer macht lustig ------------------------------ Sauer macht lustig „Taroooo“, maulte Seto, schlenkerte mit den Beinen und zupfte leicht an den schwarzen Locken. „Ja, Setoooo“, erwiderte der seelenruhig, hatte aber zumindest die Güte, ihn anzugucken. „Was ist denn?“ „Ich will runter“, verlangte der Sechsjährige ernst. „Na gut, aber schön hier geblieben“, seufzte Taro und setzte Seto ab, der auch prompt versuchte ein Stück wegzuspringen. Murrend musste er jedoch einsehen, dass Taro damit gerechnet hatte, denn er erwischte ihn mühelos an der Hand. „Oh Mann“, nuschelte er und zog einen Schmollmund. Aber was hatte er auch erwartet. Nachdem er beim letzten Mal beinahe mit dem Einkaufswagen in einen Dosenstapel gerauscht war, war es abzusehen gewesen, dass Taro ihn nicht aus den Augen lassen würde. „Benimm dich, Mäuserich“, tadelte Taro leicht. „Ich will dich nicht noch einmal samt Einkaufswagen vor hunderten Dosen abfangen müssen.“ „Ja, ja“, murmelte er nur und begnügte sich damit einfach neben Taro und dem Einkaufswagen her zu hüpfen. „Was machen wir denn heute Nachmittag?“ „Ich weiß nicht. Wozu hast du denn Lust?“, fragte sein Babysitter und lächelte aufgeschlossen. „Hmmm“, machte er gedehnt und legte nachdenklich den Kopf schief. Plötzlich fiel ihm etwas ins Auge. „Oah. Das sieht lecker aus!“ An Taros Hand schaffte Seto es mit einigem Strecken gerade so den Karton aus dem Regal zu angeln. „Können wir den heute Nachmittag zusammen backen?“, fragte er und blickte bittend in die grünen Augen hinauf, während er ihm die Zitronenkuchenpackung hinhielt. „Na lass mal sehen“, meinte Taro schmunzelnd und nahm den Karton entgegen. Seto beobachtete sein Mienenspiel, dass leider ganz und gar nicht wie gewünscht ausfiel. „Nein, das ist viel zu ungesund …“ „Och bitte. Der sieht so lecker aus“, sagte Seto und setzte seinen besten Bettelblick aus. „Lass mich doch erst einmal ausreden“, erwiderte Taro schmunzelnd. „Wir könnten einen Zitronenkuchen selbst machen. Was hältst du davon?“ „Okay“, stimmte Seto strahlend zu und setzte sich so schnell in Bewegung, dass Taro einen kurzen Moment hinter ihm her taumelte. „Dann brauchen wir als erstes Zitronen, ganz viele Zitronen, damit du auch Zitronenlimonade machen kannst.“ Taro lachte. „Wenn du meinst. Ich kann dir auch zeigen, wie man sie macht.“ „Nee, brauchst du nicht. Du kannst das sowieso viel besser!“ *** „Und wie fangen wir jetzt an?“, fragte Seto erwartungsvoll, lehnte sich auf der Anrichte vor und schlenkerte aufgeregt mit den Beinen. „Als erstes“, sagte Taro und blickte ihn streng an, „gehst du runter von der Arbeitsplatte.“ Noch ehe Seto protestieren konnte, wurde er hochgehoben und auf dem Boden abgestellt. „Och menno, ich seh doch so gar nicht richtig, was du machst“, maulte er. „Wenn du da sitzt, wo ich arbeiten soll, dann siehst du auch nichts, weil ich gar nichts erst dazu komme. Am besten nehmen wir den Küchentisch, der ist niedriger“, sagte Taro und klärte damit das Sichtproblem. Seto war froh, dass er ihn nicht zurechtwies, dass man nicht auf der Fläche saß, wo mit Lebensmitteln hantiert wurde. Den Spruch konnte er inzwischen nicht mehr hören. Sein Kindermädchen sagte das ständig. „Du kannst schon mal eine Rührschüssel, die Waage, das Mehl und die Butter herausholen, wenn du möchtest“, fuhr er sanfter fort und Seto huschte begeistert, etwas zu tun zu haben, durch die Küche. Unter Schranktürengeklapper trug er alles auf dem Küchentisch zusammen. „Und jetzt?“, fragte er prompt, als er fertig war. Taro hatte währenddessen das Radio eingeschaltet und schnitt summend und sich im Takt der Musik bewegend die Zitronen in Hälften. „Was tust du da?“, fragte Seto und beobachtete ihn skeptisch. „Zitronen schneiden?“, fragte Taro gespielt unwissend und grinste ihn über die Schulter an. Er schob das Brett mit den Zitronen und das Messer weiter auf die Arbeitsplatte und holte eine kleine Porzellanschale aus dem Schrank. „Nein“, sagte Seto und zog einen Flunsch, weil er offensichtlich nicht ernst genommen wurde. „Warum bewegst du dich so komisch?“ „Ich beweg mich zur Musik. Das macht Spaß“, erklärte er lächelnd und kam tanzend zum Tisch hinüber. „Ich kann dir zeigen, wie es geht. Dann kannst du selbst entscheiden, ob es lustig ist.“ „Ist das denn schwer?“ „Da wir improvisieren eher nicht“, meinte Taro schmunzelnd, wandte sich jedoch erst mal den Backutensilien zu. „Vorher fangen wir aber schon mal mit dem Kuchen an.“ Er stellte das Porzellanschälchen auf die Waage, schaltete sie ein und maß die Butter ab. „Die kommt jetzt in die Mikrowelle. Wenn sie weich ist, können wir sie besser verarbeiten. Allerdings müssen wir beim Erwärmen vorsichtig sein, wenn sie zu heiß wird, fliegt sie in die Luft.“ „Echt? Das sieht bestimmt lustig aus“, sagte Seto staunend und war kurz davor zu fragen, ob sie das nicht mal ausprobieren konnten. „Denk nicht einmal daran, Seto“, warnte Taro, der ihm den Wunsch wohl vom Gesicht abgelesen hatte. „Das mag zwar ganz lustig aussehen, aber es verursacht eine riesige Sauerei und ich garantiere dir, wenn du irgendetwas in der Mikrowelle zum Explodieren bringst, bist du auch derjenige, der es sauber macht.“ „Hm, dann eben nicht“, murmelte er enttäuscht, aber die schlechte Laune verging ihm schnell. Nachdem Taro ihm gezeigt hatte, wie man sich zur Musik bewegte, tanzten sie durch die Küche, summten oder sangen die Lieder mit und bereiteten lachend den Kuchen zu. „Wie sieht es hier denn aus?“, erklang die empörte Stimme von Mokubas Kindermädchen, als sie den Kuchen gerade mit Zuckerguss bestrichen. „Wir haben ein ganzes Blech Zitronenkuchen gebacken!“, strahlte Seto und wollte sich seine gute Laune nicht von ihrem Auftauchen verderben lassen. Zumal sie Mokuba auf dem Arm hielt, der sofort freudig seine kleinen Arme in seine Richtung ausstreckte. „Mokuba!“ Lachend flitzte er zu ihnen hinüber und griff bereits nach seinem kleinen Bruder, als das Kindermädchen ihn begleitet von Mokubas Protestlauten höher hob. „Hey“, rief Seto aus und blickte böse zu ihr auf. „Was soll das?“ „Du bist ja ganz schmutzig. Wasch dich erst mal und sieh dir saubere Kleider an“, empörte sie sich. Doch bevor Seto protestieren konnte, erschien sein Vater im Türrahmen. „Gibt es ein Problem, Aono-san?“, fragte er und nahm ihr Mokuba ab, der sich inzwischen zu seinem Vater hinüber reckte. „Kanaka-sama“, stellte das Kindermädchen erstaunt fest. Ihr Ärger wallte aber sofort wieder auf. „Ja, allerdings. Sehen Sie sich nur die Küche an“, ereiferte sie sich. Kanaka Niji runzelte die Stirn und ließ seinen Blick durch die chaotische Küche wandern. Lächelnd sah er Seto an. „Also ich finde, es sieht so aus als hätten Taro-kun und Seto sehr viel Spaß gehabt“, meinte er und reichte Mokuba dem strahlenden Seto, der ihn glücklich auf den Arm nahm. „Aber Kanaka-sama, jetzt wird der Kleine auch noch ganz schmutzig“, seufzte das Kindermädchen verstimmt. „Ach, das macht nichts. Wenn die beiden nachher draußen spielen, werden sie so oder so dreckig“, verkündete er gutgelaunt, ging zum Tisch hinüber und streckte die Hand nach dem Topf mit Zuckerguss aus. „Hier wird nicht genascht, Kanaka-san“, sagte Taro bestimmt und nickte zu Seto hinüber. Der hatte gebannt die Hand seines Vaters beobachtet, in der Hoffnung, dass der sich etwas stibitzte. Denn wenn der das durfte, hatte er ein Argument, warum auch er es dürfen musste. „Tja, da kann man dann wohl nichts machen“, antwortete er und zog die Hand zurück, weil er seinen Sohn sehr genau kannte und Taros Tabu nicht untergraben wollte. „Ich kann auf der Terrasse zum Tee aufdecken, nachdem Seto und ich aufgeräumt haben“, schlug Taro lächelnd vor. „Das ist fabelhafte Idee. Der Kuchen sieht hervorragend aus“, stimmte Niji zu. „Am besten deckt Aono-san auf, während ihr aufräumt und den Tee aufsetzt.“ „Ich will aber nicht aufräumen“, maulte Seto, als Taro nickte und sein Vater wieder Mokuba auf den Arm nahm. „Das gehört dazu“, sagte Niji ernst und wuschelte lächelnd durch Setos Haare. „Och, Mann, Papa“, beschwerte sich Seto und versuchte seine Haare zu richten. Sein Vater lachte nur und verschwand mit großen Schritten aus der Küche. Er schien zu ahnen, dass Seto sich revanchieren wollte und strebte zumindest an, kein Mehl in die schwarzen Haare zu bekommen. „Na komm“, forderte ihn Taro auf und lächelte aufmunternd. „Zu zweit haben wir das ruck zuck geschafft.“ Als sie wenig später auf die Terrasse kamen, stellte Seto grinsend fest, dass sein Vater mit dem Rücken zu ihm saß. Er schlich sich an ihn an, zerstörte mit zwei bewussten Bewegungen dessen Frisur – schließlich trugen sie ihr Haar sehr ähnlich – und sprintete lachend in den Garten davon. „Na warte“, rief der „Geschädigte“ eher amüsiert als wütend und drückte dem grinsenden Taro Mokuba in die Hand, um mit freien Armen seinem anderen Sohn hinterherjagen zu können. *** Summend verteilte Seto den Kuchenteig auf dem eingefetteten Backblech. Er war in einer seltsamen Stimmung. So seltsam das auch klang. Auf wehmütige Art gutgelaunt. Damals hatte er es ziemlich gut gehabt. Ohne zu wissen, wie gut eigentlich. Er fragte sich, ob alles anders verlaufen wäre, wenn Taro zudem Zeitpunkt als Setos Vater starb ein Jahr älter und damit volljährig gewesen wäre. Seto wusste, dass Taro vorgehabt hatte, Mokuba und ihn zu adoptieren, sobald er konnte. Keine Ahnung, ob das Jugendamt dem zu gestimmt hätte, aber wenn … Er brach den Gedanken ab. Es war nichtig. „Was wäre wenn“ brachte ihn nicht weiter. Er hatte sich anders entschieden – als dummes, kleines, verwöhntes Kind. Er hatte das Jahr im Waisenhaus nicht warten wollen. Er hatte den Wohlstand, den Reichtum und die Firma von Gozaboru Kaiba gewollt. Er hatte sich verschätzt. Er hatte den Preis nicht erkannt, den das verlangte, was Gozaboru zu bieten hatte. Die Wartezeit war ihm zu groß, die Wahrscheinlichkeit war ihm zu gering und das, was Taro ihnen bieten konnte, war ihm möglichweise nicht genug erschienen. Dummes, kleines, verwöhntes Kind, dachte Seto und war tatsächlich ein wenig erstaunt über sich. All die Jahre hatte er sich das nie eingestehen können. Er lächelte wehmütig, als er das Backblech in den Ofen schob und den Hady-Wecker stellte. Was eine auf den Kopf gestellte Situation, eine Erinnerung und das Backen eines Zitronenkuchens alles bewirken konnte. Er wusste nicht, ob es sich in fünf Minuten wieder geändert haben würde, aber in diesem Moment konnte er sich eingestehen, dass er mit Sicherheit glücklicher gewesen wäre, wenn Taro ihn adoptiert hätte. Auch wenn er dann wahrscheinlich einiges nicht gehabt hätte, was er in den letzten Jahren besessen hatte, aber in seiner jetzigen Situation machte es keinen Unterschied mehr – nun hatte er es ebenso wenig. Allerdings war er sicher, dass er jetzt einige andere Dinge gehabt hätte, die er in dieser Situation auch nicht hatte. Tja, das ließ sich nun nicht mehr ändern. Er würde damit leben müssen, wie er sich damals entschieden hatte. „Gehst dir gut?“, erklang plötzlich Lanas Stimme. Als Seto sich umdrehte, sah er sie im Türrahmen lehnen – wie einst seinen Vater. „Lana“, stellte Kaiba distanziert fest. Er ging zum Waschbecken hinüber, um seine Hände abzuspülen. „Ich nehme an, das war eine rhetorische Frage“, fügte er spöttisch hinzu. Dass er sich quasi über sich selbst amüsierte, war ihm bestens bewusste. „Tja, da hast du wahrscheinlich recht“, sagte sie nachdenklich. „Wenn man bedenkt, dass du freiwillig einen Kuchen backst, dabei die Melodie von Pat Benatars ‚All fired up‘ summst und dazu auch noch tanzt.“ Irgendwie schienen diese Taten ihre Weltsicht wanken zu lassen. Und Seto wunderte es nicht im Mindesten. Er fragte sich, wie lange sich diese träumerische Stimmung noch halten würde. Es war seltsam damit umzugehen und er konnte sie nicht recht abschütteln. „Der sieht echt lecker aus“, meinte Lana, während sie in den Backofen spähte. „Das ist mein Kuchen“, sagte Kaiba. Er wies auf die Form, die auf dem Küchentisch stand. „Das ist deiner.“ „Du meinst, der für meinen Kollegen“, antwortete sie und strich sich eine Strähne hinters Ohr, nachdem sie sich wieder aufgerichtet hatte. Sie musterte ihn kurz und runzelte die Stirn. „Du willst von dem ganzen Blech nicht mal ein Stück abgeben?“ Als sie das sagte, wurde ihm erst richtig bewusst, dass er am liebsten nicht einmal einen Krümel davon abgeben wollte. Gefühlsmäßig zumindest. Das war kompletter Unsinn – rational gesehen. „Das ist Verhandlungssache“, sagte Kaiba schließlich und stellte zufrieden fest, dass sich sein Verstand langsam wieder gegen seine Gefühle durchsetzte. „Ich komm darauf zurück“, erwiderte Lana, die sich wieder wohler zu fühlen schien, weil seine Antwort zu typisch gewesen war. Sie ging zum Schrank und holte zwei Teller heraus. „Ich nehme nicht an, dass du in nächster Zeit bei Haushaltsfragen auch nur einen Finger produktiv krumm machen wirst, aber sei so gut und räum den Tisch frei, damit wir Platz zum Essen haben.“ Da abgesehen von ihrem Kuchen sowieso nur seine Sachen auf dem Tisch lagen und er auf jeden Fall vermeiden wollte, dass sie Unordnung in seine Unterlagen brachte, tat er wie geheißen. Er ordnete sich und brachte sie ins Wohnzimmer hinüber. Als er zurück kam, musterte sie interessiert seinen Laptop, so dass er ihn schnell zu klappte. Er wollte nicht, dass er das Rezept in „AfaaL“-Form sah. „Afaal“ war eine Wortschöpfung von Taro und stand für „Anleitung für absolut ahnungslose Leute“. „Ich hab vorhin mit Max telefoniert“, sagte sie während des Essens. „Und bevor du fragst, was dich das interessiert … Ich habe von ihm erfahren, dass dein Bruder in der zweiten Februarwoche in San Franzisco ist und vorher in New York.“ Das ließ Kaiba tatsächlich aufhorchen. Damit hatte er eine Deadline, bis zu der er den Einbruch gemacht haben musste. „Weißt du, wann genau?“ „Nein. Max hat nur gesagt, dass er nach seinem New York Aufenthalt zu ihm kommt“, sagte Lana. Sie lächelte entschuldigend. „Ich wollte nicht direkt nachfragen, weil ich mich sonst auch nie für seine Geschäfte interessiere und ich bezweifele, dass er weiß, wann Mokuba hier anreist.“ „Tja, dann tue ich wohl gut daran, es herauszufinden“, erwiderte Kaiba nachdenklich. „Zwei bis drei Wochen sind so oder so knapp. Da muss er nicht auch noch überraschend vor der Tür stehen.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)