Lektionen fürs Leben von Zyra (Wenn Kaiba vor dem Nichts steht ...) ================================================================================ Kapitel 14: Problemlösung ------------------------- Problemlösung Den größten Teil des restlichen Nachmittages verbrachte Kaiba dösend auf dem Sofa. Nach dem Training war er erschöpft. Er hatte zwar versucht, ein wenig zu arbeiten, aber schnell musste er einsehen, dass er nicht wusste, was. Seitdem ging er immer wieder die Fakten der Problemlage durch, wobei seine Gedanken inzwischen mehr dahin plätscherten. Nachdenklich drehte er sich auf die Seite, schob einen Arm unter seinen Kopf und ließ seinen Kugelschreiber von Finger zu Finger wandern. Fakt war, dass er überhaupt keine Ahnung hatte, was diese Nerea vorhatte. Feststand nur, dass sie ebenso wie er, den Aufenthaltsraum der Sicherheitskräfte aufnahm. Was genau sie damit bezweckte, darüber konnte er nur spekulieren, genauso wie über die Frage, ob sie ihn bewusst auf seine Notizen angesprochen hatte, weil sie etwas vermutete oder ob es nur reine Neugier gewesen war. Theoretisch konnte sie auch einfach nur ein Thema für Smalltalk gesucht haben. Seufzend rieb sich Kaiba über die Augen. Er fand einfach keinen Ansatz, wie er weiter vorgehen sollte. Auch ohne jemanden, der ähnliches plante wie er, wäre die Angelegenheit schwer genug gewesen. Am Rande realisierte er, dass Lana mit einem Stativ und einer großen Kameratasche in der Hand die Wohnung betrat. „Hallo, Seto“, begrüßte sie ihn munter und begann an den Lichtschaltern herumzudrehen, um den bisher fast dunklen Raum in ein schummeriges Licht zu tauchen. Kaiba gab nur ein unwilliges Brummen von sich, von dem er nicht mal hätte sagen können, ob es eine Reaktion auf ihre Begrüßung oder das kurze, grelle Aufleuchten der Deckenlampen war. Danach achtete er nicht mehr auf sie, sondern hing weiter seinen Gedanken nach. Vielleicht hätte er es tun sollten, den wenig später leuchtete mehr mal das Blitzlicht ihres Fotoapparates auf. Vor Verwunderung ließ er den Kugelschreiber fallen, richtete sich ein Stückchen auf und blickte sie verärgert an. „Was soll das?“, fragte er mürrisch. „Spontane Idee“, erwiderte Lana nur gutgelaunt und nahm das Objektiv von ihrer Kamera, um beide Teile wieder ordnungsgemäß in der Tasche zu verstauen. „Wenn du diese Fotos auch nur für einen Cent an irgendein Käseblatt verkaufst, verklag ich dich auf Summen, die mich meine Geldsorgen vergessen lassen“, antwortete er drohend. Lana ließ sich dadurch allerdings nicht einschüchtert. Sie lächelte zuckersüß, als sie zurückschoss: „Keine Sorge, Darling. Die sind nur fürs private Vergnügen und sollte sich das jemals ändern, werde ich dich natürlich um Erlaubnis fragen und die zwei Cent, die ich mindestens dafür bekommen werde, pflichtgemäß mit dir teilen.“ „Das will ich doch stark hoffen“, knurrte Kaiba ungehalten. „Außerdem solltest du wissen, dass ich jemand bin, der den künstlerischen Wert des Mediums Fotografie schätzt, und keiner dieser Paparazzi, die nur ihre sensationellen Fotos in schlechter Qualität auf der Titelseite eines Klatschblattes sehen wollen“, meinte sie und fügte, als er nur mit einem verächtlichen Schnauben reagierte, beinahe schnippisch hinzu: „Und jetzt entschuldige mich, ich muss für morgen noch etwas vorbereiten!“ Damit stapfte sie in die Richtung ihres Arbeitszimmers davon und Kaiba hatte weiteres Material gefunden, um sie – wenn nötig – zu ärgern. „Moment mal“, rief er ihr kalt hinterher, bevor er richtig wusste, was er vorhatte. „Und warum?“, entgegnete sie verärgert. „Weil du sonst deine einzige Chance verpasst, um nicht spätestens in drei Tagen quer durch die Wohnung zu springen“, antwortete er selbstsicher, obwohl ihm die Idee erst vor einem Moment gekommen war. Er sah, wie Lana überrascht die Stirn runzelte, danach aber zustimmte. „Ich stell nur schnell meine Sachen weg“, erklärte sie und verschwand in ihr kleines Büro. Kurz zweifelte Kaiba daran, dass diese Entscheidung richtig gewesen war, aber als er an das Gespräch mit Akio Unomi zurückdachte, sah er darin seine beste Möglichkeit. Er hatte keine Wahl, er musste in seiner Lage zu Mitteln greifen, die er normalerweise nicht eine Sekunde in Betracht gezogen hätte. Vielleicht konnte ihn Lanas Blickwinkel auf die Problematik weiterhelfen. Also erklärte er ihr das Nötigste, wenn auch mit spürbaren Widerwillen. Einen Moment lang saß sie schweigsam in ihrem Lieblingssessel und sah ihn nachdenklich an. „Klar, das kann dir schnell gefährlich werden. Selbst wenn eure Pläne nicht miteinander kollidieren, ist eine Überprüfung des Gebäudes, die wahrscheinlich durch ihre Aktion ausgelöst wird, das letzte, was du gebrauchen kannst“, murmelte sie und lächelte wenig später breit. Fragend hob Kaiba eine Augenbraue. Ihr schien tatsächlich etwas dazu eingefallen zu sein. „Mach dich an sie ran“, forderte sie, als wäre das die Lösung all seiner Probleme. „Wie bitte?“ Kaiba sah sie ungläubig an. Was sollte ihm das bringen? „Also entweder denkst du zu männlicher oder nicht männlich genug“, erwiderte Lana seufzend. „Männer sind doch normalerweise spitze darin, Frauen auszunutzen.“ Kaiba hob abermals eine Augenbraue. Er würde eher sagen, Menschen sind normalerweise spitze darin, andere auszunutzen. Diese geschlechterspezifischen Aufteilungen hielt er im Regelfall für Nonsens. „Zumindest habe ich diese Erfahrung gemacht. Du brauchst also gar nicht so ungläubig zu gucken“, erklärte sie überzeugt. Kaiba unterließ es, sie darauf hinzuweisen, dass er die Erfahrung gemacht hatte, dass Frauen und Männer gleichermaßen versuchten, ihn für ihre Zwecke zu verwenden. „Und Frauen haben nie versucht, dich auszunutzen?“, fragte er stattdessen und bezog das Gespräch weiterhin auf ihre Erfahrungen, sodass sie nicht einfach behaupten könnte, er würde lügen. „Nicht auf der Ebene von der wir gerade sprechen. Ich bin nämlich nicht bisexuell“, erklärte sie und schaute ihn mit einem verständnislosen Blick an, so als ob er einfach begreifen musste, worauf sie hinaus wollte. „Schön, einmal darüber gesprochen zu haben“, murmelte Kaiba sarkastisch. Er hatte keine Ahnung, was sie ihm mit diesem Gefasel sagen wollte. Für sie schien das alles jedoch einen Sinn zu ergeben. Lana verdrehte die Augen, aber ansonsten ging sie darüber hinweg. Anscheinend kannte sie ihn gut genug, um zu wissen, wie sinnlos eine Diskussion über Sarkasmus war. „Jetzt denk doch mal darüber nach“, sagte sie eindringlich und schien zum eigentlichen Thema zurückzukehren. „Wenn du morgen ins Café gehst und mit ihr flirtest, dann sieht es so aus, als ob du ihretwegen wiedergekommen wärst. Damit hast du die perfekte Möglichkeit, um unauffällig deine Aufnahmen zu machen und mehr über sie herauszufinden. Und das willst du schließlich. So kannst du ermitteln, was sie vorhat und deine Pläne darauf abstimmen. Theoretisch könnte sogar eine Zusammenarbeit in Frage kommen. Vielleicht hat sie ja die Möglichkeit, unauffällig ins Gebäude hineinzukommen und dir die Kameraübertragung zu sichern. Und je nach dem, wie es läuft, wählst du deinen Abgang aus dem Café. Ob sich nun ein Streit anbietet oder etwas anderes. Auf diese Weise kannst du dir sicher sein, eine Begründung für dein Wegbleiben zu haben. Gefühle für andere sind etwas, dass jeder versteht und wobei sich die Leute nicht viel denken werden.“ Kaiba runzelte die Stirn. Der Gedanke war gar nicht so debil. Wenn er sein Kommen auf die Frau bezog, dann könnte er sein Fehlen auch mit ihr begründen. Diese Möglichkeit hatte er immer. Egal, wie sehr sie auf ihn einging. Und Lana hatte durchaus Recht, es bot einiges an Potential, ihr näher zu kommen. Den Gedanken einer Zusammenarbeit wollte er schon verwerfen, als ihm Unomis Worte wieder in den Sinn kamen. Von Teamarbeit hielt er nicht viel, aber er musste sich eingestehen, dass er in seiner Situation, alle Möglichkeiten bedenken sollte. Deswegen beschloss er eine Zusammenarbeit im Hinterkopf zu behalten. Vorsichtig müsste er auf alle Fälle sein, aber erst einmal würde er abwarten, wie sich die Sache entwickelte. „Wenn mir diese Idee gekommen wäre, hättest du mich sicherlich beschimpft“, erklärte Kaiba auf Lanas erwartungsvollen Blick. So sagte er nichts Konkretes zu seiner Meinung zu ihrer Idee und teilte zudem aus. „Wahrscheinlich hast du Recht“, bestätigte sie breit grinsend. Den Seitenhieb ignorierte sie. „Was ist sie für ein Typ?“ Abermals hob Kaiba eine Augenbraue. Er wusste nicht, was sie mit dieser Frage bezwecken wollte und abgesehen davon hatte er nur kurze Zeit mit ihr zu tun gehabt. Wie sollte er die Frage also beantworten können? „Okay, das kannst du wahrscheinlich noch nicht wissen“, sah nun auch Lana ein. „Aber was weißt du über sie?“ „Wieso ist das für dich wichtig?“, stellte er die Gegenfrage, um ihr deutlich zu machen, dass er immer noch bestimmte, wie weit sie sich einmischte. „Für mich ist wichtig, dass du ohne Ärger aus der Sache rauskommst. Und das so schnell wie möglich“, erwiderte sie und es war ihr anzumerken, wie ernst es ihr war. „Du willst bei dieser Nerea Erfolg haben. Und Frauen sind nicht so einfach gestrickt, wie viele Männer denken. Also werde ich dir Tipps geben.“ Kaiba war kurz davor, spöttisch abzulehnen. Was wusste sie schließlich schon, von seiner Kenntnis von Frauen? Jedoch sprach im Grunde nichts dagegen, sich eine zweite – weibliche – Meinung einzuholen. Beherzigen musste er schließlich rein gar nichts, von dem, was sie sagte. „Sie scheint sehr aufgeschlossen zu sein, da sie mich selbstbewusst fragte, ob sie sich zu mir setzen dürfte. Dabei war sie höflich und freundlich. Wenn ich es richtig einschätze, hat sie Erfahrung im Kellnern oder sie lernt schnell. Jedenfalls kann sie es. Selbst als ich ihren Camcorder ausschaltete, blieb sie professionell. In der Situation hab ich ihr allerdings angemerkt, dass es ihr nicht gefiel. Im Punkto Verstellen und Lügen hat sie unsere Liga noch nicht erreicht, aber unerfahrenere Leute bemerken es sicherlich nicht so schnell, wenn sie schwindelt. Auf mich machte sie einen intelligenten Eindruck. Ihr Englisch ist gut – teilweise umgangssprachlich, aber immer noch niveauvoll. Außerdem scheint sie Spanisch zu können. Ihre Aussprache war einwandfrei, es klang nicht nach Schulspanisch und ich bezweifele, dass man dort den kompletten Ausdruck für Mehrwertsteuer lernt. Auch ihr Aussehen deutet daraufhin, dass ihre Familie ursprünglich aus dem spanisch-sprachigen Raum kommt.“ Mehr fiel ihm spontan nicht ein. Das waren die Dinge, die ihm aufgefallen waren. Für den kurzen Zeitraum war das ganz anständig. „Okay. Und wie war sie angezogen? Eher lässig oder figurbetont? Irgendwelche grellen Farben?“, fragte Lana weiter. Diese Fragen waren tatsächlich typisch Frau. So genau hätte er darauf nicht geachtet. Er hatte bemerkt, dass sie günstige und schon ein bisschen abgetragene Kleidung trug, aber ansonsten war es nicht relevant für ihn gewesen. „Weder noch. Es war eher ein Mittelding. Sie sah ordentlich aus und die Kleider erfüllten ihre Funktion. Sie trug Jeans, ein langärmliges schwarzes Shirt, eine weiße Sweatjacke, eine Winterjacke in Grau- und Blautönen und Handschuhe, Schal und Mütze waren auch dunkelblau.“ „Frisur und Make-Up?“ Wieder so eine Frage. Das war eigentlich nichts, worauf Kaiba normalerweise achtete. Gut, dass er sie erst heute Morgen getroffen hatte. Deshalb hatte er sie noch einigermaßen in Erinnerung. „Sie wirkte gepflegt, aber sie trug keine aufwendige Frisur oder auffälliges Make-Up. Ihre Augen waren dezent geschminkt, aber ansonsten ist mir nichts aufgefallen.“ „Also eine durchschnittliche junge Frau. Wenn überhaupt eher zu ‚lässig‘ neigend, aber nach einem Eindruck kann man das schlecht sagen“, murmelte Lana vor sich hin. Sie schien angestrengt nachzudenken. „Ich denke, du solltest relativ direkt sein. Schließlich war sie es im gewissen Sinne auch, als sie dich nach deinen Notizen gefragt hat. Notfalls kannst du immer noch etwas zurückrudern. Als Kellnerin hat sie auch eine recht gute Menschenkenntnis, also solltest du mit Lügen vorsichtig sein. Umgeh lieber Themen oder gesteh ein, dass du nicht darüber sprechen möchtest. Sei höflich, freundlich und charmant, aber alles in Maßen. Damit solltest du am Anfang nicht viel falsch machen.“ Lana warf ihm einen warnenden Blick zu. Im ersten Moment dachte Kaiba, dass sie ihn mahnen wollte, bloß auf sie zu hören, aber dann erinnerte er sich an den Tag, an dem er ihr erzählt hatte, wer er wirklich war. „Lächel mich ja nie wieder so charmant an, das treibt einen ja um den Verstand“, hatte sie geflucht und ihn ebenso warnend angesehen. Kaiba grinste innerlich. Sie schien wohl zu befürchten, dass er, nun wo er wieder höflich, freundlich und charmant zu einer Frau sein musste, auch wieder versuchen würde, sie so zu manipulieren. Im Grunde war das gar keine so dumme Idee, nur würde er sie mit derselben Methode jetzt nur ärgern können. … Wieso eigentlich nicht? Er setzte sein charmantestes Lächeln auf und sah sie mit seinem besten „Schlafzimmerblick“ an. „Aber Darling“, flötete er provokant, „du weißt du, wozu ich in der Lage bin.“ Lanas Wangen nahmen sofort eine leichtrote Färbung an und für einen Moment verklärten sich ihre Augen. Dann fasste sie sich wieder und schlug mit einem Sofakissen nach ihm „Manchmal bist du so ein Arsch“, fluchte sie, aber Kaiba lachte nur. „Na zum Glück, kenn ich den perfekten Weg, dich zum Schweigen zu bringen!“ Kurz darauf lagen ihre Lippen auf seinen und erstickten sein Gelächter mit einem Kuss. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)