Lektionen fürs Leben von Zyra (Wenn Kaiba vor dem Nichts steht ...) ================================================================================ Kapitel 8: Abschalten und Ideen finden -------------------------------------- Abschalten und Ideen finden „Du döst ja schon wieder!“, sagte Lana und piekte Kaiba vorwurfsvoll in die Seite. „So wirst du deinen Jetlag nie los.“ „Das ist meine Sache“, grummelte Kaiba genervt. Er musste schlafen. Er musste Kraft sammeln. Damit er endlich wieder richtig denken konnte. Was interessierte es ihn, wie viel Uhr es war? Er hatte keinen festen Job und keine getimten Verpflichtungen. Sollte sich sein Schlafrhythmus doch Stück für Stück der Zeitzone anpassen, ihn tangierte es nicht im Mindesten, was die Menschen um ihn herum taten, solange sie ihn nicht belästigten. Noch vor wenigen Tagen hätte sich Kaiba eine solche Einstellung nicht erlaubt. Aber vor wenigen Tagen war seine Situation auch eine gänzlich andere gewesen. Bisher hatte er seinem Körper bei entscheidenden Problemlagen solange keine Ruhepause gegönnt, bis die Schwierigkeiten beseitigt waren. In diesem Fall handelte es sich mehr um eine geistige Müdigkeit. Er konnte nicht richtig denken. Vielleicht wollte er es momentan auch einfach nicht. „Na los, komm schon. Wir gehen Essen. Nicht weit von hier entfernt ist ein prima Chinese!“, erklärte Lana mit Begeisterung. „Ich hab keinen Hunger“, murmelte er dämmrig. Gelogen war es nicht. Aber vordergründig wollte er schlafen. Einmal ganz davon abgesehen, dass er nicht vorhatte, sich in der nächsten Zeit in einem Restaurant blicken zu lassen. Generell würde er die Öffentlichkeit meiden. Wer wusste schon, welche Hebel sein Bruder in Bewegung setzte? Wenn er die Wohnung nicht unbedingt verlassen musste, würde er es nicht tun. Er hatte ja nicht einmal die richtige Kleidung dazu. Lana seufzte und die Bettdecke raschelte neben ihm, als sie sich erhob. „Ich seh‘ schon: Du willst schlafen!“, sagte sie, während sie ihren Kleiderschrank öffnete. Kurz darauf hörte er Stoff übereinander streichen. „Dann lass ich dich mal in Ruhe. Ich geh Essen und erledige danach noch ein paar Besorgungen. Brauchst du etwas?“ Er brauchte eine Menge. Zum Beispiel Geld. Dennoch lautete seine Antwort schlicht „Nein.“ „Okay. Dann bis später!“, mit den Worten war sie verschwunden und es kehrte Ruhe ein. Auch wenn er das in einer Stadt wie New York für unmöglich gehalten hatte. Lana schien sich eine gute Wohnung ausgesucht zu haben. Es war still. In einem Maß, wie es Kaiba nicht mehr erlebt hatte, seitdem er zu seiner Geschäftsreise aufgebrochen war. Er schloss die Augen und es fühlte sich gut an. In diesem Moment hatte er keine Sorgen, die akut seiner Aufmerksamkeit bedurften. Er hatte ein Dach über dem Kopf und seine Grundversorgung war gesichert. Warum sollte er also nicht schlafen? Um das Geldproblem kann ich mich immer noch kümmern, wenn ich mich erst einmal ausgeschlafen habe, dachte Kaiba schläfrig, rollte sich auf die Seite und zog sich die warme Decke bis zum Kinn. *** Das Schlaf nicht das einzige war, das ihm momentan fehlte, wurde ihm bewusst, als er am späten Abend – nachdem er wiederholt mit Lana geschlafen hatte – hellwach im Bett lag und es in seinem Kopf immer noch nicht geregelt ablief. Kaum dass er einen Gedanken gefasst hatte, entglitt er ihm schon wieder. Unbewusst seufzte er frustriert. Darauf begann Lana sich an seiner Brust zu bewegen. Eine Hand strich über seinen Oberkörper, die andere schob sich knapp unter sein Schlüsselbein, um als Stütze für ihr Kinn zu dienen. Ihre braunen Augen blickten ungewöhnlich sanft zu ihm auf. „Du verlangst zu viel auf einmal von dir!“ „Was weißt du schon?!“, blaffte er. Das letzte, was er jetzt wollte, war, über seine demütigende Situation zu sprechen. „Ja, was weiß ich schon“, murmelte sie seufzend. Sie klang beinahe gekränkt, aber nach dem sich ihr Blick kurz in die Ferne gerichtet hatte, funkelten ihre Augen wieder herausfordernd. „Tja, wenn du nicht den halben Tag geschlafen hättest, wüsstest du das jetzt schon etwas besser.“ Kaiba war sich bewusst, dass sie nur darauf wartete, dass er nachfragte oder ihr zumindest die Möglichkeit lieferte, ihn mit einer unbedeutenden Unwissenheit aufzuziehen. Doch den Gefallen tat er ihr nicht. Generell wurde ihm die Möglichkeit genommen, darauf zu reagieren. Ein Telefon klingelte und Lana stieß ein tiefes Seufzen aus. Wahrscheinlich hatte sie diesem Klingelton einer bestimmten Person zu geordnet. „Das ist mein Vater und ich hab schon zwei seiner Anrufe ignoriert. Noch einen und ich muss glatt damit rechnen, dass er jemanden vorbeischickt, um nach mir zu sehen. Gib mir mal bitte mein Handy rüber.“ Als Kaiba nur unbeteiligt eine Augenbraue hob, boxte sie ihm leicht in die Seite und beugte sich über ihn, um auf dem Nachttisch nach ihrem Mobiltelefon zu fingern. „Hallo Max“, murmelte sie, kuschelte sich geräuschvoll an seine Brust und ließ sich auch nicht von seinem ablehnenden Blick abschrecken. Sie lag so nah bei ihm – wobei auf ihm, es eher traf –, dass er mühelos Pegasus Stimme verstand. „Good Evening, Lana my dear. Hast du schon geschlafen?“ „Das kommt ganz darauf an, wie du ‚geschlafen‘ definierst“, antwortete Lana zufrieden grinsend und einer ihrer Finger strich vergnügt über Kaibas linkes Schlüsselbein. Toll. Wie es aussah, musste er jetzt auch noch dazu herhalten, den Kleinkrieg mit ihrem Vater anzustacheln. Obwohl er daran normalerweise immer seinen Spaß hatte, widerstrebte es ihm nun, da der Unternehmer noch wichtig für ihn werden konnte. Wobei … Solange Pegasus nicht erfuhr, dass er, Kaiba, es war, der hier bei seiner Tochter im Bett lag. Warum sollte sie sich nicht den Spaß erlauben? „Lana“, brauste Pegasus prompt empört auf, bemühte sich dann allerdings um Ruhe. „Wer ist er?“ „Ein Freund, der unglaublich viele Qualitäten hat“, erwiderte sie verträumt und küsste Kaiba auf seine zu einem hämischen Grinsen verzogenen Lippen. „Kenn ich ihn?“, fragte Pegasus weiterhing um Fassung ringend. „Tja, wie du einmal sagtest, habe ich absolut keine Ahnung von den Ausmaßen deiner Kontakte“, sagte Lana zuckersüß. Sie hatte sicherlich Spaß daran, ihren Vater mit seinen eigenen Aussagen in die Schranken zu weisen. Zudem log sie so noch nicht einmal. „Gibt ihn mir mal!“ Aufgrund dieser Forderung brach sie in schallendes Gelächter aus. „Warum sollte ich das tun? Du drohst ihm ja doch nur.“ „Ist es etwas Ernstes, Lana my dear?“, fragte der Geschäftsmann seufzend. Lana legte nachdenklich den Kopf auf die Seite. Was gab es denn da zu überlegen? Kaiba schüttelte leicht den Kopf, um ihr zu verstehen zu geben, wie sie zu antworten hatte. Das letzte, was er jetzt gebrauchen konnte, war Pegasus, der seine Leute beauftragte seiner Tochter und ihm hinter zu schnüffeln. „Sollte es das jemals werden, bist du der erste, der davon erfährt“, versicherte sie ihm schließlich ernst. Eine kluge Antwort, dachte Kaiba. Auf der einen Seite bediente sie damit das Vertrauensverhältnis zwischen ihnen, das minimal, aber dennoch vorhanden war, und auf der anderen Seite wies sie darauf hin, dass es im Moment nichts Ernstes und es deshalb unsinnig war, diesen Jemand herauszufinden, da er eh nur einer unter vielen war. Kaiba schätzte Pegasus durchaus so ein, dass ihm inzwischen bewusst geworden war, dass jeder Widerspruch und jede Beschattung nur dazu führen würde, dass Lana sich noch weiter gegen ihn auflehnt – was in diesem Fall bedeutet hätte, dass sie ein Kurzzeitverhältnis nach dem anderen eingegangen wäre. Und das war überhaupt nicht in Pegasus Sinn. Abermals war ein Seufzen am anderen Ende der Leitung zu vernehmen. „All right“, sagte Pegasus und ließ das Thema damit auf sich beruhen. „Ich rufe an, weil ich einen Termin für deinen Besuch vereinbaren möchte. Wie du vielleicht mitbekommen hast, wurde Seto Kaiba von seinem Bruder Mokuba enteignet und dadurch werden die nächsten Wochen und Monate wohl turbulenter werden als erwartet. Wenn du schon kommst, dann möchte ich auch Zeit für dich haben. Wenn wir jetzt etwas abmachen, dann kann ich meine Termine größtenteils anders legen.“ „Ja, ich hab davon gehört“, sagte Lana und warf Kaiba einen vorsichtigen Blick zu. „Vielleicht sollten wir solange warten bis sich die Wogen wieder etwas geglättet haben. Ich habe meinen Terminplaner gerade nicht zur Hand und im Januar und Februar liegen einige kleinere Projekte von denen ich im Moment nicht weiß, wann genau und wie umfangreich sie sind. Das müsste ich im Büro noch einmal abklären. Aber was hältst du grob von dem Zeitraum Ende Februar Anfang März? Da ist die Wahrscheinlichkeit auch wesentlich geringer, dass ein Schneetreiben die Reise verzögert.“ „Ja, der Zeitraum ist in Ordnung. Wobei mir Anfang März sogar noch lieber wäre. Meldest du dich am Montag, nachdem du deinen Terminkalender eingesehen und mit deinen Kollegen Rücksprache gehalten hast?“ „Ja, mach ich.“ „Wonderful. Good Night, my dear. Dream well!” „Gute Nacht, Max. Und arbeite nicht mehr so viel.“ „Das werde ich. Bis Montag.“ „Bis Montag“, murmelte Lana, beendete das Gespräch und schob das Handy wieder auf den Nachttisch. Sie seufzte. „Ich versuche mich im Frühjahr und Sommer ab und an mal bei ihm blicken zu lassen, damit er nicht erwartet, dass ich im Herbst zu seinem Geburtstag komme. Ich hasse die Gesellschaft, mit der er sich umgibt und es würde doch nur wieder in einer Katastrophe enden. Insofern ist es wohl in Max und meinem Sinne, wenn ich wann anders vorbeikomme.“ Kaiba war versucht zu sagen „Was interessiert mich das?!“, aber sie würde nur auf den Morgen verweisen, an dem er noch nach ihrem Verhältnis zu Pegasus gefragt hatte. Demzufolge war es keine gute Idee. Dafür hatte er eine andere. „Ich habe bis vor kurzem zu dieser Gesellschaft gehört und dennoch hast du gerade behauptet, ich hätte unglaublich vielen Qualitäten!“, zog er den Widerspruch ihrer eigenen Aussagen heran. Den Widerwille über seine neue Situation zu sprechen, drängte er in den Hintergrund. „Es ist ganz besonders eine Qualität, die dich von den anderen unterscheidet. Es ist Ehrlichkeit“, antwortete Lana matt lächelnd und strich ihm eine wirre Haarsträhne aus dem Gesicht. Kaiba hob eine Augenbraue. Das war absurd. Ihre Einstellung zu Ehrlichkeit konnte er zwar verstehen. Sie war in einer Schicht aufgewachsen, in der die „Gute Miene zum bösen Spiel“ auf der Tagesordnung stand und die Verlogenheit der Gesellschaft ihres Vaters hatte sie schnell abstoßend, vielleicht auch verletzend gefunden. Vielmehr war es absurd, dass sie ihn als ehrlich bezeichnete, wo ihre gesamte Beziehung doch darauf aufbaute, dass er sie damals belogen hatte, um sie zu benutzen. Lana legte ihm einen Finger auf die Lippen, so als kenne sie seine Gedanken schon. „Du kannst sagen, was du willst. Seto Kaiba war immer ehrlich zu mir. Nicht nett oder beschönigend, sondern immer knallhart ehrlich. Es mag gestört sein, dass mir so viel daran liegt, aber auf diese Weise ist es mir wesentlich lieber, als das, was ich in meiner Kindheit erlebt habe.“ „Du redest wirr“, sagte Kaiba und hatte keine Probleme folgendes zuzugeben. „Ich habe dich angelogen, mit dem Ziel dich zu benutzen. Wie kannst du da sagen, ich wäre ehrlich?“ Lana schüttelte belehrend Kopf und den erhobenen Zeigefinger. „Seto Kaiba ist zu mir gekommen und hat mir genau das gesagt. Belogen hat mich Seto Kanaka.“ Seto Kanaka. Es war lange her, dass er den Namen zum letzten Mal gehört hatte. Seto Kanaka gab es bereits seit vielen Jahren nicht mehr und es hatte ihn auch zu dem Zeitpunkt nicht mehr gegeben, als Kaiba Lana für seine Zwecke benutzen wollte. Abermals wollte er sie darauf hinweisen, dass sie Unsinn von sich gab, als ihn plötzlich ein Gedanke durch den Kopf schoss. Für einen Moment setzte sein Herz aus, dann riss er die Decke zurück und sprang aus dem Bett, um ins Wohnzimmer zu seiner Laptoptasche zu hasten. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)