Lektionen fürs Leben von Zyra (Wenn Kaiba vor dem Nichts steht ...) ================================================================================ Kapitel 3: Zur Feier des Tages ------------------------------ Zur Feier des Tages „Wo ist er jetzt?“, verlangte Mokuba Kaiba zu wissen, kaum das Roland den Raum betreten hatte. „In einer öffentlichen Toilette. In der U-Bahnstation Hitojama“ Mokuba runzelte die Stirn. Es war drei Uhr nachts. Ab zwei fuhr die Untergrundbahn nicht mehr. Auch keine Nachtlinien. Dann waren die Stationen abgesperrt. „Um diese Uhrzeit?“, fragte er also. „Er muss den Kontrolleuren durchs Netz geschlüpft sein, Kaiba-sama.“ War das geplant gewesen? Er verneinte die Frage sofort. Sein Bruder hatte absolut keine Ahnung von den öffentlichen Verkehrsmitteln. Ein hämisches Grinsen schlich sich auf sein Gesicht. Der Gedanke, dass der andere – aufgrund seiner eigenen Dummheit – die Nacht in einer stinkenden Toilette verbringen musste, war einfach köstlich. Obwohl er dadurch ein Dach über den Kopf hatte, dass ihn vor dem Regen schützte. Eine Nacht auf der Straße hätte er dem Älteren durchaus gegönnt. Aber vielleicht kam er morgen zu dem Vergnügen. Mokuba wollte, dass sein Bruder litt. Für die Zeit, die er selbst gelitten hatte. Die Zeit, in der er sich nicht mehr für ihn interessiert hatte. Er hatte ihre Verabredungen am laufenden Band platzen gelassen und auch sonst keine Zeit für ihn gehabt. Er würde sich nicht mehr von seinem Bruder verletzten lassen. Jetzt drehte er den Spieß um. Nun war er der mächtige Firmenboss und Seto der Ignorierte. Mal sehen, wie der damit klar kommen würde. „Es ist spät, Roland“, sagte Mokuba, während er sich aus dem Chefsessel erhob. „Wir machen Schluss. Für heute haben wir genug getan.“ „Sehr wohl, Sir“, erwiderte sein persönlicher Assistent. „Ich wünsche eine geruhsame Nacht.“ „Ihnen auch, Roland!“ *** Fünf Stunden später betrat Mokuba wieder die Kaiba Corporation. Sein Eigentum. Er lächelte. Was für ein gutes Gefühl. „Wo ist er jetzt?“, verlangte er wie schon in der Nacht als erstes von Roland zu wissen. „Guten Morgen, Kaiba-sama“, wurde er begrüßt, bevor er seine Antwort erhielt. „Keine Ortsänderung.“ Der junge Kaiba warf einen Blick auf die Uhr. Zehn nach Acht. Vielleicht schlief sein Bruder noch. Oder er überlegte fieberhaft, wo er stattdessen hinkonnte. Aber da konnte er lange nachdenken. Schließlich hatte er keine Freunde. „Gut“, meinte er schließlich. „Dann will ich jetzt alle Unterlagen zu seinen letzten Projekten.“ „Das wird etwas Zeit in Anspruch nehmen, Sir. Ich werde sofort jemanden anweisen, die Akten zu holen.“ „In Ordnung. Was wissen Sie über den Anlass seiner letzten Geschäftsreise?“, fragte er. Er selbst hatte diesen viertägigen Auslandsaufenthalt dazu genutzt, seinen Bruder zu enteignen. Das war ein ganz schöner Gewaltakt gewesen. Es war knapp gewesen, alles in so kurzer Zeit zu organisieren. Besonders, weil ihm kein winzig kleiner Fehler unterlaufen durfte. Schließlich musste alles rechtskräftig und nicht anfechtbar sein. Aber er hatte es geschafft. Er hatte seinen Bruder besiegt. Das von allen so gelobte Genie. „Nicht viel, Sir. Er hat mich nur darüber informiert, dass er ein Projekt mit Duke Devlin aushandeln wollte. Worum es ging, hat er nicht gesagt.“ „Wo ist sein Reisegepäck? Darin werden wir die Informationen finden.“ Kaum hatte Mokuba den Satz beendet, sah er, dass Roland für einen Moment erstarrte. Das konnte nichts Gutes bedeuten. „Wo ist sein Reisegepäck?“, fragte er erneut. Nur dieses Mal deutlich schärfer. „Ihr Bruder hat es, Sir.“ Roland bewahrte trotz des Tonfalls seines Chefs Ruhe. Wahrscheinlich ist er von Seto ganz anderes gewöhnt, sinnierte Mokuba. „Er hat seine Taschen aus dem Kofferraum gerissen, bevor ich überhaupt reagieren konnte. Ich habe es allerdings auch nicht als besonders wichtig erachtet.“ „Gott!“, fluchte Mokuba. Das durfte doch nicht wahr sein. So war es nicht geplant gewesen. „Nicht als wichtig erachtet“, echote er wütend. „Sie haben es nicht als wichtig erachten, meinem Bruder die Technik abzunehmen. Die Technik, die besser ist, als die eines überdurchschnittlichen Hackers. Und sowas in den Händen meines Bruders. Das ist Stoff für einen Alptraum!“ „Es tut mir leid, Sir. Daran habe ich nicht gedacht“, antwortete sein persönlicher Assistent. Aber Mokuba hatte nicht das Gefühl, dass Roland es sonderlich bereute. Vielleicht entsprach der andere Teil seiner Antwort sogar der Wahrheit. Vielleicht hatte er wirklich nur an die Klamotten gedacht, die er Seto ließ. „Denken Sie daran, wem sie jetzt Ihre Loyalität schulden!“, fauchte Mokuba ihn an. „Und holen Sie sofort bei Duke Information über das Projekt ein. Ich kann es mir nicht leisten, dass mein Bruder wieder zu Geld kommt.“ „Jawohl, Kaiba-sama. Ich werde alles umgehend in die Wege leiten!“ Mit diesen Worten war Roland verschwunden und ließ Mokuba mit seinen Bedenken zurück. Es war zwar unwahrscheinlich, dass Seto die Möglichkeit hatte, über dieses Projekt wieder an Geld zu kommen, aber Mokuba würde das Risiko nicht eingehen, indem er es ungeprüft ließ. Endlich hatte er, was er wollte. Und er würde es sich nicht wieder nehmen lassen. Dieses Mal würde er besser sein. Besser, als sein Bruder. *** „Na, wo ist unser Genie?“, rief Joey Wheeler aus, als er am Mittag das Chefbüro der Kaiba Corp. stürmte. „Derjenige, der Seto Kaiba enteignet hat. Ihm einen saftigen Tritt in seinen Arsch verpasst hat.“ „Hallo, Joey. Hallo, Leute“, sagte Mokuba Kaiba fröhlich, als er seine Freunde erblickte. „Hallo, Mokuba“, erklang es mehrstimmig. „Wie sieht’s aus?“ „Ganz gut soweit“, antwortete er und wies auf die Sitzgruppe, die in einer Ecke des Büros stand. „Setzt euch doch. Ich lass zur Feier des Tages Champus kommen.“ „Cool!“, rief Joey begeistert aus. Tristan pflichtete ihm bei: „Das ist echt ne feine Geste!“ Yugi und Tea lächelten, beschränkten sich aber auf ein einfaches „Danke!“ und Bakura fügte hinzu: „Das ist echt nett von dir, Mokuba.“ „Keine große Sache, Leute“, meinte Mokuba und kratzte sich beinahe verlegen am Kopf. „Ich danke euch für eure moralische Unterstützung. Wärt ihr nicht gewesen, hätte ich gar nicht die Initiative ergriffen.“ Er wusste zwar, dass keiner von ihnen eine Enteignung im Sinn gehabt hatte, als sie ihm geraten hatten, sich das Verhalten seines Bruders nicht länger gefallen zu lassen, aber ohne ihre Ermunterungen wäre er nie auf die Idee gekommen, sich überhaupt in einem solchen Maß aufzulehnen. Es folgte ein entspanntes Zusammensein. Es wurde angestoßen, gelacht und scherzhafte Zukunftspläne geschmiedet. Mit der Zeit fiel Mokuba auf, dass insbesondere Yugi und Bakura merklich still wurden, wenn das Thema auf seinen Bruder fiel. „Was ist los, Yugi?“, fragte er schließlich. „Du guckst so besorgt.“ Yugi lächelte verlegen. „Es ist nur so, dass ich denke, dass es seine Gründe hatte, dass dein Bruder so geworden ist, wie er ist.“ Mokuba zog nachdenklich die Augenbrauen zusammen. „Worauf willst du hinaus?“, hakte er beinahe lauernd nach. „Seine Arbeit – die Firma – hat sicherlich auch ihre Teil dazu beigetragen, dass er sich so stark veränder hat“, fuhr Yugi ein wenig zögerlich fort. „Und?“, fragte Mokuba weiter und seine Augen verengten sich zu Schlitzen bei dem Gedanken, dass der Duell Monsters Weltmeister seinen Bruder in Schutz nahm. „Yugi, will damit nur sagen, dass du so bleiben sollst, wie du bist –trotz der Firma“, sprang Tea für ihren besten Freund ein, dem anscheinend die Worte fehlten. Mokubas Gesichtszüge entspannten sich. Er lächelte leicht. „Keine Sorge. Das habe ich nicht vor. Und was schaust du so düster, Bakura?“ Der Angesprochene sah für einen Moment verlegen zu Seite. Dann seufzte er und sagte in einer ungewöhnlichen Mischung aus Selbstbewusstsein und Sanftheit: „Ich möchte dir einen Rat geben. Denk gut über deine nächsten Schritte nach. Wenn du für dich in Anspruch nimmst, besser als dein Bruder zu sein, dann solltest du dich auch so verhalten. Ihn zu enteignen und auf die Straße zu setzen, zeugt nicht gerade davon. Ich kann deine Wut auf ihn verstehen, aber wenn du besser sein willst als er, dann solltest du nicht zu seinen oder nach schlimmeren Methoden greifen. Wie gesagt, ich kann nachvollziehen, dass du ihn abstrafen willst, aber ihn zu zerstören, sollte dabei keine Option sein. Er hat Fehler gemacht, aber das rechtfertigt nicht, ihn zugrunde zu richten. Besonders dann nicht, wenn du es wirklich besser machen willst.“ Wut kochte in Mokuba hoch, als er ihn reden hörte. Was wusste er schon? Nichts. Er hatte nicht unter Seto gelitten. Mokuba schloss die Augen. Beruhig dich, ermahnte er sich und nachdem ihm das gelungen war, wurde ihm bewusst, dass Bakura nicht Unrecht hatte. Wenn er wirklich besser sein wollte, musste er anders handeln als Seto. Menschlich besser. Er nickte Bakura zu. „Ich werde es im Hinterkopf behalten“, sagte er und fragte dann leicht neckend: „Kommt da etwa der Philosoph in dir durch?“ Bakura kratzte sich verlegen die Wange. „Na ja“, meinte er schließlich. „Das Studium verändert schon ein wenig den Blickwinkel, aus dem man die Dinge betrachtet.“ Kurzes Schweigen trat ein. Bakura Worte hatten bei allen eine Wirkung hinterlassen. Schließlich war es Joey, der energisch die Stille brach: „Ach kommt Leute, nicht so trübsinnig. Das ist unser Mokuba. Er ist tausendmal besser als Kaiba, der arrogante Sack!“ „Danke, Joey“, sagte Mokuba, aber so heiter wie zuvor fühlte er sich nicht, bis schließlich Tristan eine Hand auf seine Schulter legte und meinte: „Mach dir keinen allzu großen Kopf. Bakura mag zwar Recht haben, aber du schaffst das schon!“ Mokuba nickte und fand bei einem Blick in die Runde dieselbe Hoffnung auf den Gesichtern seiner Freunde. „Okay. Treffen wir uns heute Abend?“, fragte er schließlich und fügte hinzu. „Jetzt muss ich euch leider rausschmeißen. Es gibt noch einiges zu tun, bis die Arbeit wieder ganz geregelt läuft.“ Nachdem sie einen Termin verabredet hatten, verabschiedeten sich seine Freunde. Auch ihre Mittagspause neigte sich dem Ende. Ich schaff das schon, sagte sich Mokuba und vertiefte sich wieder in die Akten über die ehemaligen Projekte seines Bruders. Er würde die Probleme beseitigen. Er würde es schaffen. Am Ende wäre er der Sieger. Nicht Seto. Seto war Geschichte! Zumindest wenn es nach Mokuba Kaiba ging. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)